1898 / 117 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 May 1898 18:00:01 GMT) scan diff

Rauen seitens der Staatsregierung die lebtere ers in die Möglichkeit verseßt, ihrerseits das Privatunternehmen, welches ih eben erwähnt habe, zu fördern. So lange das niht der Fall war, konnte der Staat nur mit sehr schwerem Herzen und nur unter verhältnißmäßig sehr einshränkenden Bedingungen einem Privatunternehmen die Konzession zu einer Linie ertheilen, die für den Staat von der allergrößten Bedeutung fowohl in betriebs- und verkehrs- tehnisher, wie ftrategisher Hinsicht i. Ein Blick auf die Karte muß jeden hiervon überzeugen. Es wurde dem Privat- "unternehmer deshalb die Bedingung auferlegt, erstens sich bereit zu erklären, nach Ablauf von fünf Jahren die Bahn an den Staat zu verkaufen, und zweitens wurde dem Privatunternehmer von vorn- herein kein Zweifel darüber gelassen, daß dieses Unternehmen an dem Durchgangsverkehr nicht betheiligt werden könnte. Das ift in dem ersten Schreiben, welhes meinerseits an das Comités gerihtet worden ist, bereits ganz klar zum Ausdruck gekommen. Bon einer direkten Betheiligung des Staats an dem Unternehmen ist seiner Zeit überhaupt niht die Nede gewesen. Erst dadur, daß nun eine selbständige Staatslinie von Treuenbrießen nah Nauen zu tande kommt, ist, wie gesagt, der Staatsregierung die Möglichkeit gegeben, von diesen Beschränkungen Abstand zu nehmen. Ich habe daher sowohl in der Budgetkommission des anderen Hauses, wie im Plenum die Grklärung abgegeben, die Herr Hammer hier erwähnt hat. Der dritte Theil der Erklärung, die meinerseits abgegeben war, lautet folgendermaßen : Die Staatsregierung i} bereit, sich unter gleichen Bedingungen wie die Kreise und Provinzen an der Aufbringung des Aktienkapitals in angemessener Höhe zu betheiligen.

In ähnlier Weise hat der Staat sih bereits auch an anderen Privatunternehmen betheiligt, an deren Zustandekommen er aus allge» meinen Landesinterefsen wesentlich interessiert war. Daß ein solches Interesse hier vorliegt, ist unzweifelhaft, ist jederzeit von der Staats- regierung anerkannt worden. Ziffernmäßig nun jeßt {hon dieses Interesse klar auszudrücken, auch nur ih will mal sagen in einem Prozentsaß, hat indessen seine großen Schwierigkeiten. Jh bin wenigstens meinerseits nicht in der Lage, namens der Staats- regierung eine derartig ziffernmäßige Erklärung heute hier abzugeben. Die Sache liegt so, daß das Privatunternehmen jedenfalls nunmehr nochmal in Bezug auf das Projekt und den Kostenanschlag einer genauen Revision unterzogen werden muß. Ich bin überzeugt, daß es mögli sein wird, unter den heutigen Verhältnissen die Bahn billiger zu bauen, als sie ursprünglich veranschlagt is. Außerdem s{chweben, foviel mir bekannt, innerhalb der Kreise des Privatunternehmens auch noch Erwägungen, ob nicht statt Treuenbrietzen ein anderer Anschluß- punkt gewählt werden foll. Geschicht das, fo wird das jedenfalls von fehr erheblihem Einfluß auf die Kosten sein.

Dann wissen wir in der Staatsregierung heute noch nit, was die Provinz bezw. die Kreise ihrerseits zu leisten willens sind. Auch das müßte erst genauer übersehen werden. Aber ih darf hier wohl aussprechen, daß die Staatsregierung durchaus geneigt ist, das Zu- ftandekommen dieses Unternehmens zu fördern, und zwar unter an- gemessener Betheiligung. Die Angemessenheit würde die Staats- regierung allerdings in der Hauptsahe nah der Betheiligung be- urtheilen, die seitens der Provinz und der Kreise eintreten wird.

Herr von Nochow dankt dem Minister für seine wohlwollende Erklärung; das Comité verhandle noch darüber, ob nicht der Schluß- punkt diefes Projekts nah Wittenberg statt nach Treucnbrießen zu verlegen fei. Die Anwohner der Linie Treuenbrießen—Belit wünschten auf dieser Strecke noch einen Haltepunft.

Freiherr von Manteuffel legt dem Minister ans Herz, bezüglich

des Antheils der vom Staate zu Üübernehmenden Aktien doch noch etwas mit sich handeln zu lassen und es niht bei einem Drittel bewenden zu lassen, damit nicht etwa die Provinz noch nachträglich tärker herangezogen werde. L |

| Landgraf Alexis von Dessen - Philippsthal- Barchfeld spricht für die Einstellung der Linie Eshwege (Shwebda)— Treffurt dem Minister seinen besonderen Dank aus.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ih wollte mir erlauben, Seiner Hoheit dem Herrn Landgrafen meinen verbindlihsten Dank auszusprechen, besonders auh dafür, daß Seine Hoheit auch für die projektierte Linie ih erklärt haben. Seine Hoheit haben rihtig hervorgehoben, daß diese Linie durch die Interessen der einzelnen an derselben gelegenen Städte befürwortet wird, während die andere Linie allerdings kürzer ist, aber so schwerwiegende Interessen niht aufzuweisen hat. Es ist zu hoffen, daß sih Gelegenheit bietet, mit einer Kleinbahn eine Verbindung der Werrabahn wit dem Norden herzustellen.

Bei der Forderung von 8 Millionen Mark zur Förderung des Baues von Kleinbahnen beanstandet

Graf von der Schulenburg-Beetendorf die zu rasche Ausdehnung des Kleinbahnwesens. Es sei manche Ausartung auf diefem Gebiete zu verzeichnen.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen :

Herr Graf von der Schulenburg hat mir ganz aus dem Herzen gesprochen, auh ih habe längst bie Ueberzeugung gewonnen, daß das Kleinbahnwesen zum theil und in einzelnen Landestheilen {on Dimensionen angenommen hat, die uns wirkli mit einiger Sorge vor einer Ueberproduktion erfüllen können, und ich habe daher au schon dié Zügel möglichst da anzuziehen gesucht, wo eine solche Ueber- produktion im Verhältniß zum Verkehrsbedürfniß vorzuliegen schien ; aber, meine Herren, das Kleinbahngeseß bietet hierzu nur ganz ver- einzelte Handhaben. Es bietet wohl die Möglichkeit für die genehmigenden Behörden, genau nachzusehen, ob das Projckt¡sih innerhalb des vom Geseß vorgezeihneten Rahmens hbe- wegt; es bietet au die Möglichkeit, zu erwägen, ob die finanziellen Unterlagen für das ganze Unternehmen in genügend sicherer Weise vorhanden sind. Es bietet ferner die Möglichkeit, das Projekt auch in tehnischer Beziehung forgfältig zu prüfen, und ein letztes, allerdings etwas drastishes Mittel, um ein dur Verkehrsbedürfnisse nicht motiviertes Unternehmen zu hindern würde darin bestehen, daß der Minister der öffentlichen Arbeiten erklärt, die Ertheilung des Expropriationsrechts für dieses Unternehmen niht befürworten zu können. Aber, meine Hetrcn, es sind das ja zweischneidige Maßregeln, und es ift sehr s{chwierig für den Minister, mit vollständiger Sicherheit erkennen zu können, ob eine folche Bahn gesunde wirth- \{aftlihe Grundlagen hat, oder allerhand Nebentendenzen sie erst auf die Beine gebraht haben, wie Herr Graf von der Schulenburg bereits angeführt hat.

Also ih bin sehr gern bereit, in dem Sinne, wie Herr Graf von der Schulenburg vorgeschlagen hat, eine sorgfältige Prüfung der Projekte eintreten zu lassen.

Die Vorlage wird darauf auch im Ganzen unverändert

Die Denkféhrift über die auf Grund der Geseßze vom

3. Juni 1896 und vom 8. Juni-1897 zur Errichtung land-

wirthshaftliher Getreidelagerhäuser bewilligten Beiträge wird auf A i Eisenbahnkommission nah dem Referat des Berichterstatters Herrn von Graß durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.

chluß 31/4 Uhr. geseß für Westfalen.)

Nächste Sizung 31/2 Uhr. (Anerben-

18. (Schluß-) Sißung vom 17. Mai 1898, 31/2 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht der mündlihe Bericht der IX. Kommission über den vom Abgeordnetenhause in ver- änderter Fassung zurückgelangten Geseßentwurf, betreffend das Anerbenrecht bei Landgütern in der Provinz Westfalen und den angrenzenden Kreisen der Rheinprovinz.

Referent Freiherr von Wendt-Papenhausen empfiehlt die Annahme der Beschlüsse des anderen Hauses, niht eiwa, um die Sache jeßt auf jeden Fall noch abzuthun, fondern weil die Grundlinien des Entwurfs au in der veränderten Fassung unberührt geblieben feien und die Abänderungen auch bei der Königlichen Staatsregierung keine erheblidjen Bedenken erweckten. / : y

Jn der Generaldiskussion bemängelt j

Freiherr von Manteuffel, daß man das Haus dieser Vorlage gegenüber in eine geradezu unerhörte Zwangslage gebraht habe; erst in der leßten Stunde der Tagung gelange die Vorlage an das Haus. Aenderungen vorzunehmen, verbiete fi dana von selbst. Es sei für das Haus beschämend, abermals in eine solche Lage verseßt worden zu sein; nur bei der äußersten Resignation des Hauses sei es möglich, die Vorlage überhaupt noch zu verabshieden. Wie die Dinge lägen, sei es das Beste, die Vorlage on bloc anzunehmen. :

Ober-Bürgermeister Westerburg- Cassel schließt \ich diesen Ausführungen an. Es sei nachgerade unerträglih, daß das Haus dergestalt gezwungen werde, so kurz vor Thoress{chluß über die allerwichtigsten Geseße zu entsheiden; von ernsthafter Berathung könne dann gar feine Rede mehr fein. Die Regierung müsse auf das dringendste ersucht werden, darauf hinzuwirken, daß Der- artiges nicht wieder vorkomme. Als prinzipieller Gegner des Geseßes würde er, wenn er bösartig wäre, noch in diesem Augen- blie die Verabschiedung der Vorlage dur Berufung auf- die Geschäftsordnung verhindern können. (Präsident Fürst zu Wied macht den Medner darauf aufmerksam, daß das Haus gegen die Be- rathung des Gegenstandes in dieser besonderen Sißung keinen Wider- \pruch erhoben hat.) Wolle man den Gegenstand nicht zur gründ- lichen Durchberathung auf spätere Zeit zurückstellen, fo sei es aller- dings das Nichtige, die Sache on bloc zu erledigen. e ü

Herr von Leveßow bemerkt, daß man das Risiko der An- nahme dieses Ges-28 wohl auf sich nehmen könne, ohne sich dem Verdacht auszuseßen, daß die Sache übers Knie gebrohen worden sei. Das Haus habe ja die Vorlage son früher außerordentlich gründlih geprüft, und die Grundlagen derselben seien niht geändert worden.

Auch Ober-Bürgermeister Shmied in g - Dortmund spricht fich für die Annahme der Beschlüsse des anderen Hauses aus, nahdem im § 12 die Möglichkeit des Aus|chlusses wenigstens im einzelnen Erbfall gegeben sei.

Die Vorlage wird darauf en bloc mit großer Mehrheit angenommen. E

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Präsident Fürst zu Wied giebt die übliche Geschäftsübersicht.

Herzog vonRatibor spriht dem Präsidenten für die sahgemäße und unparteiische Leitung der Geschäfte den Dank des Hauses aus und ersucht die Mitglieder, fich von den Sitßen zu erheben.

Präsident Fürst zu Wied dankt für die ihm ausgesprochene Anerkennung und sagt seinerseits den beiden Vize- Präsidenten und den übrigen Mitgliedern des Gesammtvorstandes seinen Dank für ihre Unterstüßung in der Geschäftsführung. In längerer Ansprache ge- denkt dann der Präsident des Umstandes, daß das Herrenhaus mit dem heutigen Tage seine alten Räume verlasse, giebt dem Wunsche Ausdru, daß der alte Geist, der in diesem Hause gewaltet, auc in dem neuen der waltende sein möge, und bringt zum Schluß auf Seine Majestät den Kaiser und König ein dreimaliges Hoch aus, in welches die Mitglieder begeistert einstimmen.

Schluß 41/4 Uhr.

Hgus der Abgeordneten. 83. Sihung vom 17. Mai 1898.

Ueber den Beginn der Sißung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. J

Nach der Annahme des Anerbengeseßes für Westfalen folgt die Jnterpellation der Abgg. von Mendel-Stein- fels (fkons.) nnd Genossen: :

Was gedenkt die Regierung zu thun, um die noch immer be- stehende Verunreinigung der Luppe und Elster dur die Schmußtz- wässer der Stadt Leipzig zu beseitigen ?

Auf die Frage des Präsidenten von Kröcher erklärt der 5 Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- tein:

Meine Herren! Jch habe Folgendes zu erklären: Û

Die Klagen wegen Verunreinigung der Luppe und Elfter dur die Schmußzwässer der Stadt Leipzig haben die Königliche Staats- regierung s{hon seit geraumer Zeit beschäftigt. Um ihnen auf den Grund zu gehen und sie endgültig zu beseitigen, wurde im vorigen Jahre mit der Königlich \ächsishen Regierung eine örtliche Prüfung dur beiderseitige Kommissarien vereinbart und dazu von preußischer Seite Kommissarien der Ministerien für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, des Innern, der geistlihen, Unterrihts- und Medizinal- Angelegenheiten und für Handel und Gewerbe nach Leipzig entsandt. An dem Termin, der am 9. und 10. Juli v. F. \tattfand, nahmen außerdem Vertreter des Regierungs-Präsidenten zu Merseburg, des Landeshauptmanns der Provinz Sachsen, der preußischen Inter- essenten sowie der Landrath des Kreises Merseburg theil, ferner als Vertreter der Königlich sächsisGen Behörden zwei Mitglieder der Kreishauptmannschaft zu Leipzig.

Das Ergebniß des Termins war Folgendes:

Der örtliche Befund hat ergeben, daß die Elster oberhalb der Stadt Leipzig durhaus rein und einwandfrei aussieht, daß die Ver- unreinigung der Flußläufe unterhalb lediglich auf die Schmuywässer der Stadt Leipzig zurückzuführen ist, und daß die städtische Kläranlage zur Zeit der Besichtigung nur ungenügend funktionierte, indem sie nur einen Theil der Abwässer, soweit sie in die Elster gelangen, klärte. Der Zustand der Elster unterhalb der Kläranlage war damals, wenn auch niht absolut rein, so doch im allgemeinen befriedigend. Dagegen \pottete der Zustand der Luppe, die auh weit unterhalb der Stadt noch den Eindruck eines übelriehenden Schlamm- beckens machte, jeder Beschreibung, und die zahlreichen Beschwerden der Anlieger waren als vollbegründet und \{leuniger Abhilfe bedürfend anzuerkennen. Die Vertreter der Stadt Leipzig gaben dies auch zu, bemerkten aber zuglei, daß das jeßige Klärverfahren nur ein

Provisorium darstelle, und daß der Rath der Stadt unausgesegzt bemüht set, eine bessere und vollständigere Klärmethode au der bisher noch ungeklärt bleibenden Schmußzwassermenge zu finden.

Infolge dessen haben die betheiligten vier Herren Minister unter dem 10. August v. J. den Herrn Minister der auswärtigen Angelegenheiten ersuht, bei der Königlich \ädsischen Regierung dahin vorftellig zu werden, daß sie die Stadt Leipzig nunmehr mit allem Nachdruck ankhalte, die von ihr selbst anerkannten Mißstände, namentlich in der Luppe, mit Energie und Beschleunigung abzustellen, und daß sie thunlichst sofortige Anordnung regelmäßig chemisher und bakteriologischer Untersuchung der atfließen- den Klärwässer, eine einwandfreie Kontrole über die Leistungen der Kläranlage und einen ordnungsmäßigen Betrieb der Anlage \{af}t, Dabei ist Festlegung und Forderung eines erreihbaren mindesten Rein- heitsgrades der geklärten Abwässer empfohlen worden.

Zugleich ist aber au, um einen mögli raschen und sicheren Erfolg zu erzielen, die {hon in der Schlußverhandlung vom 10. Juli in Anregung gebrachte und von allen Seiten gebilligte Bildung einer gemischten Kommission aus Vertretern beider Regterungen vorgeschlagen und um Zustimmung der sähsishen Regierung fowie um Benennung der sähsishen Mitglieder gebeten worden.

Die Zuftimmung der sächsishen Regierung if im Oktober vorigen Jahres eingegangen. Wegen Zusammensetzung der Kommission, Ausgestaltung ihrer Befugnisse und Benennung der preußishen Kom- missarien haben die vier Ressort-Minister unter einander votiert, mit dem MNegierungs-Präsidenten zu Merseburg verhandelt und endlich unter dem 2. März d. J. ein neues Schreiben an den Herrn Minister der auswärtigen Angelegenheiten gerihtet. Eine Antwort ift hierauf hinsihtlich der Stellungnahme der Königlich {\ächsishen Regierung noch nicht eingegangen.

Dagegen hat der Herr Minister der auswärtigen Angelegenheiten unter dem 23. April d. J. einen Druckbericht der Beschwerde- und Petitions-Deputation der Zweiten fähsishen Kammer über eine den- selben Gegenstand betreffende Petition des Gemcinderaths zu Böhligz- Ehrenberg übersandt.

Nach dem ganzen Hergang der Angelegenheit kann ih die Ver- muthung allerdings niht unterdrücken, daß die Stadt Leipzig formell zwar gewillt ist, die Sache zum Abschluß zu bringen, daß aber aus den bishertgen Verhandlungen der ernstlide Wille der Stadt Leipzig, diesem shreienden Uebelstande Abhilfe zu verschaffen, nach meiner Auffassung bisher noch nit erwiesen ist. Die Köntgliche Staats- regierung wird indessen mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln wie bisher so auh ferner bemüht sein, diesem sowohl in sfanitärer wie in allen übrigen Beziehungen unerträglichen Zustande möglicst bald abzuhelfen.

Abg. von Mendel-Steinfels s{ildert die lokalen Berhält- nisse und die Schädigung der Landwirthe vnd der Fischerei-Interefsenten durch die Abwässer der Stadt Leipzig. Die an der Luppe gelegenen Häuser müßten im Sommer ständig die Fenster hermeti|ch ges{lossen halten, weil es sonst wegn des Geruchs nicht auszuhalten sei. Die reihen Leute könnten im Sommer verreisen, aber die armen Leute würden durh die Schädigung der Gesundheit ihres Viehes benach- theiligt und müßten auc ihre eigene Gesundheit der Gefahr ausfeßen, Beim Ausbruch einer Seuche würde, von der Luppe auêëgehend, die Elbe zur Seuchenträgerin durch ganz Deutschland werden. Die Re- gierung müsse endlih die Stadt Leipzig energisch zur Abhilfe ver- anlafsen.

Auf Antrag des Abg. von Ploeh (kons.) findet die Be- sprehung der Jaterpellation statt.

Die Abgg. Freiherr von Eynatten und Pleß (Zentr.) sprechen fich ebenfalls im Sinne des Abg. von Mendel-Steinfels aus, machen darauf aufmerksam, daß untervUmständen auh die Stadt Berlin ges fährdet werden könne, und verlangen die Einbringung eines Wasser- geseßes oder wenigstens eines Gefeßes über das Verbot der Ver- unreinigung der Privatflüsse.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein:

Ich habe dem geehrten Herrn Vorredner zu erwidern, daß die Frage, wann ein Wassergeseß vorgelegt werden soll, bei der General- disfussion des landwirthschaftlihen Etats Gegenstand eingehender Be- sprehung gewesen ist. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß es Absicht der Königlihen Staatsregierung sei, die Verunreinigung der Flüsse niht im Geseg für ein allgemeines Wasserrect zu regeln, daß viels- mehr beabsichtigt werde, diese Frage durch und in Provinzialgeseßen geson- dert zu regeln, und daß augenblicklich derartige Entwürfe bearbeitet würden. Die Verhältnisse liegen doch in den einzelnen Landestheilen \o ver- sciedenartig, daß sih die provinzielle Regelung empfiehlt. Wo eine auêgedehnte Industrie besteht und die Landwirthschaft weniger be- theiligt ift, ist die Verunreinigung der Flüsse mit möglichster Schonung der Interessen der Industrie zu regeln; umgekehrt liegt es da, wo die landwirthschaftlihen Interessen prävalieren, (hört, hört!) dort müssen die Interessen der Landwirthschaft in den Vordergrund geftellt werden. Ich gebe mih auch gegenwärtig noch der Hoffnung hin, daß es qge- lingen wird, dem nächsten Landtage entsprehende Entwürfe und auch einen allgemeinen Wasserrehtsentwurf vorzulegen.

Im übrigen, meine Herren, behandelt diese Frage ein anderes Gebiet als dasjenige, auf welhem sih die Interpellation bewegt. Die Interpellation behandelt Verunreinigung von Flüssen dur auswärtige Staaten bezw. deren Angehörigen, deshalb handelt dabei es fich um internationales Wasserrecht, um ein sehr bestrittenes Recht, weil ein folches unbestritten feststehendes internationales Wasserreht nicht besteht. Durch Verhandlungen mit den betheiligten Nachbar- staaten wird daher ein zweckmäßiger modus vivendi berbeizuführen versucht werden müssen, und ih gebe mih der Hoffnung hin, daß das mit Sachsen gelingen wird. Im übrigen {weben ähnliche Ver- handlungen au mit einer Reihe anderer Staaten, beispielsweise mit Mecklenburg. Darin werden die Herren mit mir einverstanden sein, daß wegen folher Frage kein Krieg mit einem benachbarten Bundesstaat, um mich etwas drastisch auszudrücken, denkbar ist. Ich habe die feste Ueberzeugung, daß, wenn mit dem nöthigen Nach- druck der Königlich sächsishen Regierung diese Mißstände, wie es im leßten Jahre geschehen ift, klar gemacht werden, die Königlich sächsische Regierung ihre Zusicherung, Abhilfe zu hafen, au loyal ein- [ôsen wird.

Jedenfalls wiederhole ih: die Zustände sind haarsträubend; Herr von Mendel hat sie durchaus zutreffend geschildert, seitens der preußischen Regierung wird alles geschehen, um sobald wie möglich die Mißstände zu beseitigen. (Bravo!)

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reihs-A

M 107.

Zweite Beilage

Berlin, Mittwoch, den 18. Mai

nzeiger und Königlich Preußischen Slaals-Anzeiger.

1898,

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abga. von Hagen (Zentr.) beshwert ih über die Versalzung der Flüsse durch die Grubenabwäs}ser der Kalibergwerke, besonders der Haase dur die Abwässer vom Piesberge.

Abg. Dr, Hahn (b. k. P.) {ließt si diesen Ausführungen an,

Minister für Landwirthschaft 2. Freiherr von Hammer- stein:

Meine Herren! Jh kann zunächst mittheilea, daß der Umfang der Grubenwässer des Piesbergs auf ctwa die Hilfte des früheren Umfangs zurückgegangen ist, weil in einzelnen Theilen des Bergwerks ein so gewaltiger Wasserdurhbruch eintrat, daß man ih genöthigt gesehen hat, einige Stollen vollständig zu vermauern. Also der Um- fang der Grubenwässer, allerdings daneben auch die Produktion des Bergwerks if nunmehr auf etwa die Hälfte des bisherigen Umfangs zurückgeführt. Seit Monaten und länger wird nun darüber ver- handelt, in welher Weise es möglich it, das Grundwasser aus dem Piesberge nah der Ems thunli\t ohne landwirthshaftlihe Schädi- gung abzuführen, oder do solche Schädigung möglichst einzus{ränken. Diese Verhandlungen sind noch nicht zum Abschluß gelangt. Ich bin niht in der Lage, über deren augenblicklihe Lage dem hohen Hause Mittheilung zu machen.

Es folgt die Jnterpellation des Abg. Brandenburg (Zentr. ), betreffend Arbeiten an Sonn- und Festtagen auf dem Steinkohlenbergwerk am Piesberge, welche auf den Bescheid des Ober - Bergamts in Dortmund vom 7, v. M. an den Zentralvorstand des Gewerkvereins christlicher Arbeiter Bezug nimmt, worin gesagt ist, daß die Befugniß des Königlichen. Revierbeamten zu Osnabrück zur Genehmigung von Arbeiten an Festtagen niht in Zweifel gezogen wer- den könne, da die zu Grunde liegende Polizeiverordnung durch die Gewerbeordnung nicht aufgehoben sei, und daß eine Noth- lage des Bergwerksbesigers, welche die Arbeiten an den be- treffenden Festtagen sachlich rechtfertigte, unbedenklich anzu- neymen sei. Die Jnterpellation fragt, ob in diesem Bescheid die Nechtsanshauung der Regierung zum Ausdruck gebracht e und welche Stellung - dieselbe zu der beregten Sache ein- nehme.

Auf die Frage des Präsidenten von Kröcher erklärt Geheimer Ober-Bergrath Dr. Fürst, daß der Minister für Handel und Ge- werbe bereit fet, die Interpellation zu beantworten, aber erst in einigen Minuten im Hause erscheinen könne.

JInfolgedessen wird eine kurze Pause bis zum Erscheinen des Ministers gemacht. Nach der Wiederaufnahme der Sißung begründet

Abg. Brandenburg die Interpellation unter Hinweis auf die bekannten Vorgänge. Es handelt sich, führt er aus, um die Arbeit an sieben katholishen Festtagen, von denen jedo zwei, Heilige drei Könige am 6. Januar und Mariä Lichtmeß am 2. Februar, mit Fest- tagen der lutherishen Kirche zusammenfallen, sodaß auch die lutheri-

hen Arbeiter und nicht nur die katholischen hierbei interessiert sind. } Infolge

von Einstürzen und nothwendigen Vermauerungen hat das Steinkohlenbergwerk Piesberge im leßten Jahre mit einer Unterbilanz gearbeitet, aber troßdem 89/4 Dividende vertheilt. Am 1. Januar hat die Verwaltung nun die bisher gewährten sieben fatho- lischen Feiertage aufgehoben, um größere Gewinne zu erzielen. Die Bergverwaltung wollte zwar eine Messe vor der Arbeit an diesen Tagen veranstalten lassen und die Kosten dafür tragen, aber die Messe ift niht zu ftande gekommen, weil sie vor 4 Uhr Morgens hätte statt- finden müssen. Am 6. Januar hat die Verwaltung zwar von einer Aufforderung an die Arbeiter, zu arbeiten, abgefehen,-am 2. Februar aber eine folhe Aufforderung erlassen; als die Arbeiter nicht er- shienen, hat sie die Sache nit weiter verfolgt. Anm dritten Festtage, Mariä Lag, am 25. März, erließ die Verwaltnng zwar eine Aufforderung zur Arbeit im Koblenbergwerk, aber nicht mehr im Stein- bruch. Den nicht erschienenen Arbeitern wurde darauf gelündigt, und infolgedefsen legten alle Arbeiter die Arbeit nieder, sind aber bereit, sie wieder aufzunehmen, wenn ihnen die sieben Feiertage wieder egeben werden. Es handelt si jeßt um die Frage, ob diese (sttage zu denen gehören, an welchen die Gewerbeordnung die Arbeit verbietet. Die hannover he Sabbathordnung ftellt sih durchaus auf kirhlihen Boden, giebt auh den einseitigen Festtagen einer Konfession die staatlihe Sanktion und verbietet die Arbeit an den genannten sieben Festtagen. Nur bei einer Nothlage des Betriebs, nit aber einer finanziellen Nothlage des Arbeitgebers soll die Arbeit gestattet sein; sons müßte au allen Arbeitern die Festtagsarbeit eltattet sein, wenn sie in einer finanziellen Nothlage sind. Die Polizei hat die Vornahme von Arbeiten an Sonn- und Festtagen in jedem Fall zu genehmigen; dies is hier auh geschehen, und der Minister scheint diese Genehmigung leider approbiert zu haben. So lange die Festtage bestehen, muß die Industrie ihre ent- gegenstehenden Interessen zurücktreten lassen und darf die Arbeiter niht zur Arbeit an diefen Tagen zwingen, denn dadurch wird deren religióses Gefühl verleßt und der foziale Frieden gestört. Wir müssen in dieser matericllen Zeit das idealistishe Moment \{chügen. Die „Frankfurter Zeitung" sagte, der Betrieb habe das Opfer der Konfession verlangen min: um niht mit Schaden zu arbeiten. Das it kein ristliher Standpunkt. Die e Deutsche Tageszeitung" nahm tine andere Stellung ein. Ehe wir unsere Interpellation einbrachten, erbaten wir die Vermittelung des Ministers, er hat aber leider seine Vermittelung dur Entsendung eines Kommissars dorthin prinzipiell abgelehnt. Mur die e ceptionelle Lage des Falles hat uns zu dieser nterpellation veranlaßt.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren ! Zur Beantwortung der vorliegenden Inter- dellation darf ih mir wohl gestatten, die Darstellung der Sachlage \itens des Herrn Vorredners ncch dur einige Angaben zu ergänzen. Zunächst durch solhe Angaben, die geeignet find, über die wirtk- haftliche Lage des in Rede stehenden Betriebsunternehmens der

eorgs, Marienhütte und tas damit verbundene Bergwerk am Pieéberge ‘ine rihtige Auffassung zu gewinnen.

Der Piesberg war, wie vom Herrn Vorredner richtig hervor- weboben, früher im Besi der Stadt Osnabrück, if von dieser für tinen Betrag von 2 bis 3 Millionen Mark der Georgs- Marienhütte verkauft worden. Die Kohle, die dort gewonnen wird, is eine werthvolle, deizkräftige Kohle, deren Gewinnung aber mit großen Kosten verbunden ift, und zwar mit steigenden Kosten deswegen, weil, je tiefer die Förterung Und der Abbau der Kohlen geht, desto mehr der Wasserandrang in die Grube zunimmt, Der Wasserandrang in die Grube hat in solhem

aße zugenommen, daß er iu der jüngsten Zeit fih von 15 ebm per inute gesteigert hat auf 45 cbm per Minute, uxd nur dadur legenwärtig auf 35 ebm per Minute wieder reduziert ist, ‘daß man

einen Theil der Wassereinbrüche abgedämmt hat. Die Förderung des Kohlenbergwerks ist infolge des zunehmenden Wasserandranges von 700 t tägli ¡urückbgegangen auf 450 t. Um die hieraus er- wachsende ungünstige Lage des Bergwerks wteder zu heben ynd wieder zu der früheren Förderung zu gelangen, waren außerordentlihe An- strengungen nöthig, Es mußten große Wasserhaltungsmaschinen angeshafft werden, die erst im; Laufe: dieses und ¿. Th. des nächsten Jahres zur Ablieferung kommen, und dur welche man die Wasser zu bewältigen hofft. Es müßte ferner das Personal, was mit der Wasserhaltung und den damit verbundenen Reparaturen beschäftigt ist, vermehrt werden. Durch alles dies, in Verbindung mit dem Nückgange der Förderung der Kohlen, ifi die Rentabilität des Bergwe1ks tief gesunken.

Dazu kommt aber ein anderer Umstand: Die Grubenwasser, welche in das Bergwerk eindringen, gehen durch eine Salzlage und find infolge dessen falzhaltig ; der Salzgehalt der Grubenwasfser ist aber ebenfalls in der Zunahme begriffen. Man hat nun die Grubenwasser bisher in die Haase geleitet. Die Wiefenbesißer und Adjazenten der Haase haben dagegen protestiert und haben Prozesse geführt, worin sie Entschädigungen forderten für die Schädigung ihrer Wiesen. Das hat das Bergwerk in die Nothwendigteit verseßt, nunmehr die Wasser niht mehr in die Haase, fondern in die Ems zu leiten, und zwar dur Herstellung eines Kanals von 48 km Länge, in welhem die Grubenwasser unterhalb der Haasemündung der Ems zugeführt werden sollen. Aber auh die Wiesenbesizer an der Ems haben gegen die Zuführung des Grubenwassers protestiert, indem sie behaupten, daß ihre Wiesen dadur vershlechtert und die Fischerei geshädigt würde. Sie verlangen, daß wenigstens zur Zeit des niedrigen Wassers Vorkehrungen geiroffen würden, das Grubenwafser in Sammelbassins zurückzuhalten oder aber durch einen Kanal noch weiter dem Unterlauf der Ems zuzuführen. Die Kosten, tie jeßt \{chon durch den Bau eines folhen Kanals bedingt werden, belaufen si auf nahezu eine Million; sie würden si noch höher steigern, wenn die Anlage eines folchen Sammelbassins oder die Weiterführung des Kanals erforderlih werden follte.

Sie sehen daraus, meine Herren, daß die finanzielle Lage des Grubenbetriebes thatsählich eine höchst ungünstige ist, daß die Rentabilität des Grubenbetriebes dadurch vollständig in Frage gestellt ist; das Bergwerk steht in der That vor der Entschließung, den Grubenbetrieb zu sistieren.

Es hat sich neuerdings die Auffassung verbreitet, daß überhaupt, je tiefer der Bergbau des Piesberges geht, er desto mehr ins Wasser hineinkommt, daß also die Zuführung der Wasser eine steigende sein wird, und daß es nicht mögli sein würde, dauernd die Nentabilität des Grubenbetriebes zu erhalten; dann müßte natürli} man würde das der Gesellshaft niht verwehren können der Betrieb sistiert werden, die Grube ersaufen. Das, meine Herren, wäre ein großer Schaden für die Aktionäre, aber es wäre ein noch viel größerer Schaden für die Arbeiter, wenn die taufend Grubenarbeiter, die in dem Piesbergwerk beschäftigt sind, mit ihren Familien ihr Brot ver- lieren, bedroht werden in ihrer wirthshaftlichen Existenz. Deshalb hat die Verwaltung der Georgs-Marienhütte nit bloß in ihrem Interesse, sondern auch im eigensten Interesse der Arbeiter felbst alle Maßregeln ergriffen, die sie für geeignet hielt, um die Rentabilität des Bergwerks zu halten.

Hierbei möhte ih zunächst beme:ken, daß die Lage der Georgs- Marienhütte nicht eine so günstige ift, wie sie der Herr Vorredner aus dem Umstande glaubte berleiten zu dürfen, daß die Hütte im leßten Jahre eine Dividende von 89/6 gezahlt habe. (Sehr richtig!) Die durchschnittlihe Dividende der leßten 20 Jahre bewegt ih nur zwischen 3 und 49/6, und das ist eine keineswegs übermäßig günstige Lage. Mag aber auch die Lage günstig oder ungünstig sein, so fann man dem Besißer unter keinen Umständen es verwehren, daß er den Betrieb sistiert, wenn er niht mehr rentabel ift.

Nun war eins der Mittel, die man ergriff, um die Nentabilität des Bergwerks zu heben, auch dies, daß an den neun katholischen Feiertagen gearbeitet wird. (Zuruf aus dem Zentrum: Sieben katholische Feiertage !) Es sind neun, nicht sieben ; ih werde noch darauf zurückom men, warum naher nur sieben in Frage standen. An diesen Feiertagen konnte nur von vornherein werksseitig die Arbeit insoweit verlangt werden, als es sich um Nothfälle im Sinne der Gewerbe- ordnung handelt, insoweit nämlich, als es sih um die Wasserhaltung und die damit verbundenen Arbeiten handelt, weil, wenn die Wasser- haltung nicht stattfände, einfach durch den Zufluß des Grubenwoassers das Bergwerk ersaufen müßte. Fraglih war also nur, inwieweit an diesen Tagen auch die Förderung der Kohlen in den Bergwerken statt- finden sollte.

Es hat die Grubenverwaltung zu diesem Zweck etnerseits die polizei- lihe Erlaubniß nagesuht, die nah den Vorschriften der hannoverschen Sabbathordnung nothwendig war, andererseits aber auch die kir{liche Genehmigung nahgesuht, die geseßlih nicht nothwendig war, die sie aber deshalb für erforderli hielt, weil sie Werth darauf legte, daß auch die Arbeiter bereitwillig die Arbeit an diefen Tagen vornehmen kônnen, und weil fie Werth darauf legte, den Gewifsensdruck, den sonst die Anordnung der Arbeit hervorgerufen hätte, zu vermeiden. Die polizeili@e Erlaubniß ist ertheilt worden, die bis{chöfliche Erlaubniß ist ebenfalls ertheilt, aber in der Folge zurückgezogen worden. Sie wurde zunächst untex der Vorauéseßung der Einrichtung eines Früb- gottesdienstes ertheilt. Dieser Gottesdienst ist, obgleih das Bergwerk sich bereit erklärte, den entsprehenden Theil der Kosten zu übernehmen, niht eingerihtet worden. Wetwegen dies nit geschehen ist, ift aus den Berichten mit Bestimmtheit nicht zu ersehen. (Hört, hört! rets.)

Nun kat die Berowerksverwaltung, nachdem sie eingesehen hat, taß die Einrichtung des Gottesdienstes niht zu erreichen sei, die Forderung der A1beit dahin befchränkt, daß mit der Arbeit e: um 9 Uhr begonnen werden sollte, sodaß den Arbeitern die Möglichkeit gegeben war, den Gottesdienst an diesen Tagen noch vorher zu be- suchen. Gleichwohl haben die Arbeiter auf ihrer Weigerung, zu arbeiten, bestanden. Die Folge dieser Weigerung is von dem Herrn Vorredner

in ganz richtiger Weise auseinandergeseßt. Es sind am ersten Feiertag 900 Arbeiter nicht zur Arbeit angetreten; denen is noch nit ge- fündigt worden. An dem nächftfolgenden zweiten Feiertag ift wiederum eine Zahl von Arbeitern nicht zur Arbeit an- getreten; diesen is nunmehr gekündigt worden. Dann haben fo und so viel andere Arbeiter gekündigt. Demnächst hat sich der sogenannte Gewerkverein christliher Bergarbeiter ins Mittel gelegt. Es ist der Bergmann Brust in Osnabrück ershienen, hat Versamm- lungen abgehalten, und die Bergleute sind in großer Zahl dem Verein beigetreten. Dann hat er sich an mich gewandt und mich gebeten, die polizeiliGe Erlaubniß zur Gestattung der Arbeit an den Fetertagen zurückzunehmen. Ich habe dieses Gesu an das Ober-Bergamt als die zuständige Stelle abgegeben. Es traf si aber, daß der Ober- Berghauptmann um jene Zeit in Berlin anwesend war zum Zweck einer Konferenz über die Reformen in der Bergaufsicht; gleichzeitig war auch der Regierungs-Präsident von Osnabrück hier azwesend, Beide Herren trugen mir den Sa(whverhalt vor und baten mi, ih möchte niht bloß durch das Ober-Bergamt die Gntscheidung treffen lasen, fondern zuglei perfönlich in der Sache Stellung nehmen auf Grund des Vortrags, den sie mir gehalten hätten, weil man glaubte, es sei besonders Werth darauf zu Tegen, daß möglichst bald die Stellung der Zentralbehörde in der Frage klargelegt werde, um da- dur die Arbeiter zu bewegen, die Arbeit wieder aufzunehmen. So erklärt es si, daß in dem Erlaß, der in der Interpellation abgedruckt ist, das Ober-Bergamt den Entscheid als in meinem Namen erfolgt, bezeichnet.

Damit habe ih die Sachlage klargelegt, und ih möchte mir nun geftatten, die Rechtslage darzulegen, Es kommt vor allen Dingen darauf an, Klarheit zu gewinnen, wie sih die Bestimmungen der hannoverschen Sabbathsordnung verhalten zu den Bestimmungen der Gewerbeordnung.

Die Gewerbeordnung enthält in ihren bezüglichen Bestimmungen Borschriften, die die Arbeitsruhe an Sonntagen betreffen, die den Zweck haben, den Arbeiter zu {chütßen vor einer übermäßigen Inanspruhnahme. Es i} deshalb vorgesehen, daß an Sonn- und Festtagen der Arbeiter niht verpflichtet sein soll, zu arbeiten; eine Ausnahme soll stattfinden in den Nothfällen des § 105 c. Diese Nothfälle, die also eine Einschränkung des Rechtes der Arbeiter ent- halten, sind strictissime zu interpretieren; eine solhe Interpretation ist deshalb auch stets seitens der Zentralstelle festgehalten worden, und in einem Erlaß meines Amtsvorgängers ift deshalb ausdrüdlich be- stimmt worden :

Zu den Arbeiten in Nothfällen gehören solche Arbeiten, die zur Beseitigung eines Nothfstandes oder zur Abwendung einer Gefahr fofort vorgenommen werden müssen.

Zu folhen Notharbeiten würden die Arbeiten in dem Piesberge nur so weit gehören, wie ih mir bereits anzudeuten gestattete, als sie die Wasserhaltung und die Reparatur betreffen, niht aber Arbeiten zur Förderung von Kohlen.

Im übrigen sind die Arbeiter an Sonn- und Festtagen zur Arbeit niht varpflihtet. Die Frage ist also zunächst die: sind diese kleinen katholischen Feiertage als Festtage im Sinne der Gewerbeordnung anzusehen? In dieser Beziehung enthält die hannoversche Sabbath- ordnung die näheren Vorschriften. In der Gewerbeordnung heißt es nämli:

Welche Tage als Festtage gelten, bestimmen unter Berück- sichtigung der örtlihen und konfessionellen Verhältnisse die Landes- regierungen.

Diese Bestimmung ift nun in Hannover die Sabbathordnung, indem dort vorgeseben ift, daß an den Sonntagen und den allgemeinen Festtagen, den drei hoben Jahresfesten, Weih- naten, Ostern, Pfingsten, am Feste der Himmelfahrt Christi, an dem Nerjahrstage von den Glaubensgenofssen aller Kon- fessionen gefeiert werden solle, an anderen Fest- und Bußtagen aber nur von denen, für deren Konfession solche angeordnet sind. Nun hat man in konstanter Uebung der hannover shen Behörden, Ministerien, Landdrosteien und Aemtern, als Festtage immer nur angesehen die bier aufgeführten Festtage und die Buß- und Bettage; die kleinen katho- lishen Feiertage sind dagegen niemals als Fefttage angesehen worden. Meinerseits bin ihaber nit in der Lage, die hannoversche Sabbathordnung anders auszulegen, als sie seit ihrem Erlaß von allen Behörden konstant ausgelegt wurde; ich kann deshalb die kleinen katholischen Festtage als Festtage im Sinne der Gewerbeordnung, die durch die Landesregierung festgeseßt werden, niht ansehen.

Nun steht aber in § 105 h der Gewerbeordnung, daß die Vor- schriften der Gewerbeordnung weitergehenden geseßlichen Bestimmungen der einzelnen Landestheile nit entgegenstehen, und es fragte sh, ob eine folche weitergehende ‘geseßlize Vorschrift niht in der Sabbathordnung enthalten ift. Die Sabbathordnung spricht, wie ih Ihnen schon fagte, nit nur von den allgemeinen, sondern au von den besonderen Festtagen der einzelnen Konfessionen und {reibt vor, es sollen an allen diesen Tagen öffentliche Arbeiten nit stattfinden, „es sei denn in erweislihen, von der Polizei zu er- mäßigenden Nothfällen.“ Auch diese Bestimmung kann ih nur so auslegen und verstehen, wie sie in konstanter Praxis seit dem Erlaß dieser Sabbathordnung von den hannovershen Behörden, den Ministerien, den Landdrosteien und Aemtern ausgelegt worden ist. Da hat man nun fstets. unter den Notbfällen etwas ganz Anderes verstanden, als unter den Nothfällen der Gewerbeordnung, man hat darunter verstanden ein wirthschaftliches Bedürfniß des betreffenden Gewerbetreibenden, welches es ihm er- wünscht erscheinen läßt, an diesen Fetertagen die Arbeiten seines Ge- werbes fortzuseßen, um Rachtheile und Störungen zu vermeiden. Diese Auslegung is namentli in einem eingehenden Bericht des Regierungs-Präsidenten zu Osnabrück ausführlih dargele„t und an einer ganzen Reihe von Einzelfällen näher begründet * worden. Falls es für erforderli gehalten werden sollte, würde ich

gern bereit fein, Jhnen diesen Bericht vorzulegen, Ich glaube aber,