1889 / 14 p. 10 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Jan 1889 18:00:01 GMT) scan diff

namentli in der englishen Presse Beistand sucht für diese Ge- legenheit. Eine. Zeitungsstimme findet dort oft mehr Gehör als die eines auéwärtigen Gesandten, von dem man do annimmt, daß er mehr die eigenen Landesinteressen als wie die englischen wahrnimmt. Aber es ift, wie ih Eingangs bereits bemerkle, ganz zweifellos, daß sehr viele Engländer, alle, die niht der Niger-Company angehören, mit unseren Kameruner Ländern ein identishes Interesse haben, und wenn dort auf Grund kaufmännisher Beziehungen und Correspondenzen eine Gemeinschaft hergesteUt werden könnte, so können deren Be- mühungen auf die Beihülfe der deutschen Botschaft in England und des Auswärtigen Amts stets mit Sicherheit renen, und wir brauchen deshalb die Sache nicht von Neuem: anzufangen. Es ist Gegenstaud langjähriger Correspondenzen und Beschwerden unsererseits gewesen, und ih bin dem Herrn Vorredner doch dankbar, daß er uns einen neuen Anstoÿ in der Beziehung gegeben hat.

Staatssekretär Graf von Bismarck: s

Meine Herren! Jh haëte in Bezug auf die Ausführungen des Hrn. Abg. Woermann nur noch einige kurze ge{{chäftliche Mittheilungen machen wollen. Es ist zunächst ganz richtig, wie der Herr Abgeord- nete uns erzählt hat, daß der Handelsstand in Lagos sih im Mai 1888 bei der eigenen Regierung beschwert hat über zu hohe Zölle, Die Schwierigkeit, die Sache anzufassen, liegt aber „au für die englische Regierung darin, daß die Niger-Company bisher alle An- gaben bestreitet, welcher sowohl unser Handelsstand zuleßt durch eine Beschwerde, glaube ih, der Handelskammer von Hamburg im September an den Senat als auch die englishen Angesessenen

dort machen. Unser Abkommen vom 2. Juni 1885 mit England, welches der Hr. Abg. Woermann auch kennen wird, bedingt Zollfreiheit auf dem Niger mit Ausnahme

erhoben werden dürfen, um die Ver- Œ8 ist darin ausdrücklich gesagt : diese Zölle Nun liegt es ja auf der Hand,

derjenigen Zölle, die waltungskosien zu decken. \ follen jo niedrig als möglich sein. i J N daß dies immerhin eine allgemeine Angabe ist; „so niedrig als mög- lih“ wird die Niger-Company ganz anders auslegen, als die übrigen Interessenten, únd wir sind bei unserer umfangreichen Correspondenz mit der englishen Regierung, in der wir uns unserer Interessenten, wie schon das Datum unseres Abkommens, das Iahr 1885, zeigt, leb- haft angenommen haben, auf den Punkt gedieben, daß unsere An- gaben sowie die des Handelsstandes in Lagos, {ließli als einseitige, von der Niger-Company beftrittene Behauptungen dastehen, die, ob-

Leih von englischen Unterthanen getheilt, doch von der Company in Äbrede gestellt wurden. j

Soweit die englische Regierung in Betracht kommt, kann i nur

sagen, daß dieselbe prinzipiell auf demselben Boden steht wie wir, insofern sie darin mit uns übereinstimmt, daß die Niger - Company zur strengen Beobachtung der internationalen Abkommen angehalten werden muß. Angesichts dieser Unmöglichkeit, die Angaben der dort Handeltreibenden jeßt amtlih zu bestätigen, haben wir uns ver- anlaßt gesehen, einen Berufsbeamten nach Lagos zu \chicken, damit wir die amtlichen Unterlagen bekommen, um die Reklamationen, die wir fortgeseßt im Interesse unserer Reich8angehörigen bei der englishen Regierung anbringen, sobald sie berechtigt find, zu be- gründen; und so viel ih gehört habe, beabsihtigt die englische Re- gierung ebenfalls, einen Beamten von England dorthin zu schicken, um die Angelegenheit an Ort und Stelle zu prüfen Es ist also nach der ganzen bisherigen freundschaftlichen Haltung, die die englische Regiecung uns in allen Kolonialverhandlungen entgegenbringt, an- zunehmen, daf, sobald wir die amtlihe Unterlage von beiden Seiten haben, um zu ergänzen oder richtig zu stellen, was bisher außeramtlich vom Handelsstand angegeben is daß wir dann zu einer befriedigenden Erledigung der Sache kommen werden.

Abg. Richter: Die Baseler Missionsgesellschaft, welcher Abg. Woermann neulich das Zeugniß ausgestellt habe, daß sie in ihrem bisherigen Wirkungskreise in Lagos eine segensreihe Thätigkeit entfaltet habe, beklage sich in einem kürzlich veröffentlichten Bericht über die von deutshen Firmen bewirkte Uebershwemmung der deutshen Schußgebiete in Kamerun mit Branntwein; die Thätigkeit der Missionare werde dadurch ganz erheblih gehemmt; wenn sie versuchten,

diesem Ueberhandnechmen des Genusses von VBrannt- wein zu steuern, fo liesen sie Gefahr, daß ihre ganze junge Christengemeinde sich wieder auflöse; sie

wünschten deshalb, daß der Reichstag und die Regierungen die Frage ins Auge faßten, wie dieser Branntweinpest in Kamerun, die namentlih von deutschen Firmen dort gefördert werde, gesteuert werden möge. Man könne mit dem Reichs- kanzler der Meinung sein, daß der Branntwein in Deutsch- land ein nothwendiges Getränk des berühmten armen Mannes sei. Etwas Anderes aber sei es in Norddeutschland, als im tropischen Klima. Es werde jeßt so viel davon gesprochen, daß Deutschland den Beruf hätte, Gesittung nach Afrika zu tragen ; der Abg. Woermann habe das neulich noch besonders ausgeführt. Nun gehöre es seines Erachtens nit in erster Reihe zu den deutschen Aufgaben, dieses Kulturprodukt, den Branntweingenuß, in den tropischen Gegenden derart zu för- dern. Er würde es vielmehr für ganz gerechtfertigt halten, wenn man dazu überginge, den Branntweingenuß zu beschränken oder die Einfuhr ganz zu verbieten. Nahe liege hier auch die Frage nah der Einfuhr von Waffen und Munition. Graf Bismarck sei gegenwärtig mit großer Energie darauf bedacht, das Verbot dieser Einfuhr in Ost: Afrika mit den vereinigten Kräften der dort betheiligten Mächte durchzuführen ; \otche Einfuhrverbote würden auch für West- Afrika befürwortet, so weit das Congogebiet und die benachbarten französischen und portugiesischen Besißungen in Frage kämen. Aber in Bezug auf die deutschen Gebiete in West: Afrika, Kamerun und Togo, gehe die Einfuhr von Waffen und Munition ganz ungehindert. Wenn heute die Errichtung und Vertheidigung von Kolonien größere Schwierigkeiten finde. als früher, so liege das daran, daß die Eingeborenen nicht blos mit Pfeilen und Waffen, sondern durchweg sogar schon mit Hinterladern ausgerüstet seien: Jn Neu-Guinea habe die Reichsregierung von Anfang an ein Verbot der Waffeneinfuhr erlassen; andernfalls wiirde es der Deutschen Gesell\haft wohl {let ergangen sein. Jn Ost:Afrika kämen die Verbote vielleicht hon {u spät, wenn es wahr sei, daß über Zanzibar mehr als 30 000 Gewehre be- reits in das Jnnere verkauft seien; aber in West-Afrika läge es im eigenen Jnteresse, gegen diese Einfuhr einzuschreiten. Wenn die Kolonialpolitik einmal weit über den Wunsch seiner Partei ausgedehnt werden solle, so habe sie das Juteresse, daß das nit mit allzu blutigen Opfern erkauft werde. Die Frage des Hinterlandes von Kamerun und Togo sei durch- aus noch nicht gelöst; aber je mehr man die Eingeborenen mit Gewehren zu versorgen fortfahre, um so schwieriger werde es, das Handelsmonopol, das diese Völkerschaften der Küste gegenüber hätien, zu durbrehen; schon bei den bisherigen Erforschungs - Expeditionen hätten die Lieutenants Kundt und Tappenbeck üble Erfahrungen aus diesem Grunde machen müssen. Es wäre interessant, einmal zu exsahren, wie weit an der A in Kamerun und Togo Branntwein und Waffen betheiligt seien, und welchen Werth die übrigen Artikel noch darstellten, wenn man jene abziehe. (Zuruf des Abg. Woermann.) Hr. Woermann habe neulich interessante statistishe Daten mitgetheilt; nur bedauere er (Redner), daß sie si blos auf die englishen Gebiete von West- Afrika bezögen, man aber niht irgend eine Zahl von

entnehme ich die Neigung desselben, weit größere Ausgaben für die koleniale Politik zu machen, als das Reich bisher von dem Reichstage !

. rechtes des

_ingend eine Entschädigung, ja, dann begreife ih seine Rede. Aber ih

Auswärtigen erhalten in Kamerun neulich aus-

ihm oder dem Staatssekretär des Ausn habe in Bezug auf die Einfuhrverhältnisse oder Togo. Der Abg. Woermann habe H geführt, wie sich die Einfuhr nah den vier westafrika- nischen Kolonien von 1882—87 gesteigert habe; er stelle die Verhältnisse in Kamerun gewissermaßen als Muster hin, um zu der Kolonialpolitik in Ost-Afrika zu ermuthigen; um so wichtiger sei es, die wirklichen Verhältnisse in Kamerun genau festzustellen. Hr. Woermann habe aus seinen Zuständen Folz gerungen zu ziehen versuht; er habe sie aber selbst wieder entkräftet, indem er auf die Zunahme der deutschen Einfuhr in Lagos auf englischem Gebiet hingewiesen. Wenn also die Zu- nahme deutsher Waaren in West-Afrika davon ganz unab- hängig sei, ob die deutsche oder eine andere Flagge dort wehe, so hänge sie von der Entwicklung der Territorien ab und habe mit der Kolonialpolitik nichts zu thun. Der Abg. Woer- mann beziffere die deutsche G auf 50 Proz. der Gesammteinfuhr der dort etablirten Firmen. Die Deutschen trieben also dort erfolgreih Geschäfte, ohne daß es einer Kolonialregierung bedürfe. Der Abg. Woermann unter: schäße auch, was Kamerun und Togo koste. Ev weise darauf hin, daß die Zolleinnahmen gewisse Lokalkosten dedten. Wenn das au der Fall wäre, so komme doch außerdem für Kamerun in Betracht der Etatposten von 56 000 6 für den Gouverneur, ein Posten von 40 000 4 im Marine-Etat zur Unterhaltung der Dampfbarkasse, und daß man ständig zwei Kriegsschiffe als westafrikanische Station dort unterhalte. Wenn man dies mitveranschlage, so sei es sehr zweifelhaft, ob der ganze Handels- gewinn so groß sei, wie der Reichszushuß für die dortige Kolonialregierung; ja, der Abg. Woermann sei noch weiter gegangen und habe diesen Handel, der doch unabhängig von der deutschen Kolonialregierung sei und schon vor der Flaggen- hissung dort vorhanden gewesen, als einen Beweis dafür hin- gestellt, wie überhaupt das Prestige der deutschen Kolonîial- politik auf den überseeishen Handel gewirkt habe. Den Nachweis jei er gänzli s{chuldig geblieben. Der Handel, der in Ost-Afrika bestanden, habe vielmehr dur die Kolonialpolitik sehr gelitten, und es dürfte große Mühe kosten, ihn auch nur auf den Standpunkt vor dem Beginn der Thätigkeit der ostasrikanishen Gesellshaft zurückzuführen. Der Karo- linenstreit allein habe den deutshen Handelsbeziehungen mehr geschadet, als die ganze Kolonialpolitik seit 1884 Nuvten geschaffen hat. Wenn die Herren in Hamburg wirklih so überzeugt seien von dem Nußen einer energischen Kolonial- politik in Ost-Afrika, dann begreife erx niht, warum gerade sie die Taschen so absolut zuhielten. Hätten die Hamburger Großkaufleute das Vertrauen, das äußerlit) bei ihnen hervor- träte, warum gäben sie kein Geld dazu her? Sie hätten es ja dazu! Das Zahlen würde ihnen viel mehr imponiren, als die shönen Reden; im Jnland müsse man \ich sagen: wenn die Herren in Hamburg sich so zugeknöpft verhielten, dann müsse die Sache bedenklich sein. Er sei gespannt gewesen auf den Ham- burger Handelskammerbericht, nahdem der Abg. Woermann den ganzen Handel mit der neuen Kolonialpolitik in Zusammen- hang gebraht habe. Der Bericht spreche über alles Mögliche, habe aber niht ein Sterbenswörthen der Anerkennung über die Kolonialpolitik; ebensowenig der Bericht der Bremer Handelskammer. Man scheine also dort doch eine andere Anschauung von der Sache zu haben. Wie stehe es ferner mit den Sklavenverhältnissen in denjenigen Gebieten, wo die deutsche Flagge wehe? Der Abg. Woermann habe gerade diese westasrikanishen Verhältnisse gewissermaßen als Muster vor- geführt. Es jei ja natürli, daß dort bessere Dactbants, be- ständen; denn nachdem Amerika die Sklaverei abgeschafft habe, habe auch die Nachfrage nah Sklaven in West-:Afrifa auf- gehört. Der Abg. Woermann sage: Sklavenjagden fänden in West-Asrika nicht statt, füge aber dann einschränkend hinzu : wenigstens an der Küste niht. An der Küste würden auch in Ost-Asrika nicht gerade die Sklavenjagden stattfinden. Seine Frage gehe dahin: bestehe Sklaverei dort unmittelbar, wo die Reichsbeamten regierten, unter den Augen dieser Beamten und dort, wo unsere Kriegsschiffe stationirt seien? Nach Allem, was man hôre, mache das Kamerungebiet gar keine Ausnahme. Die Häuptlinge Akwa und Bell hätten Nahbardörfer, in denen sie ihre Sklaven hielten. Wenn Streitigkeiten ent- ständen, so würden sie ausgeglichen, indem man Ent- \hädigung zahle in Form von Sklaven oder Frauen; die Vielweiberei sei ja nur eine Form der Sklaverei, auf das mweiblihe Geschlecht angewendet. Vor Allem aber komme es darauf an: werde Sklavenarbeit in deutschen Faktoreien durch Sklavên verrichtet, die man miethsweise von den Sklavenbesißern sih verschafft ? Ehe man an die Lösung der Sklavensrage gehe, müsse man hierüber in unseren eigenen Schußgebieten klar schen. Unter ‘allen Verordnungen, die bisher für diese Gebiete erlassen worden seien, befinde sich keine einzige, die nur irgendwie einshränkend, mildernd in Bezug auf die Sklavenfrage spreche.

Reichskanzler Fürst von Bismarck:

Aus dem zuleßt von dem Herrn Vorredner berührten Thema

zu fordern gewagt hat. Gr hat eine Frage berührt, die den Eng- ländern seiner Zeit nur in Jamaika 20 Millionen Pfund Sterling, 400 Millionen Mark, gekostet hat, d. h. den Freikauf der Sklaven, die Aufhebung der bestehenden Sklaverei, des ( Menschen am Menschen. Bei dem Geretig- keitsfinn, der den Herrn Abgeordneten in allen feinen Aeußerungen auszeichnet, kann ih mir doch nit denken, daß er vor- ausfeßt, wir sollen per Ukas, und ohne die Hand in die Tasche zu \tecken, dieses Verhältniß plößlich lösen. Damit würden wir alle die Hunderte von Millionen, die noch von und in der Sklaverei leben und beiderseits an ihr festhalten, weil der Sklave verhungert, wenn er aufhört, es zu fein, damit würden wir alle diese Hunderte von Millionen ron Hause aus gegen uns in derselben Weise auf- bringen, wie das heute mit den arabischen Sklavenhändlern auf der Ostküste der gall ist. Wenn das die Absiht des Herrn Abgeord- neten gewesen ist, den Zunder weiter hinein zu werfen in das Land „durch die Anregung dieser Frage, dur die Aufstellung der Möglichkeit, daß dur einen solchen Gewaltstreih ein Verhältniß ge-. [öst werden könnte, das seit Jahrtausenden dort einheimish ist, ohne

Eigenthums-

fann mir nicht denken, daß der Herr Abgeordnete sympathisiren sollte mit dem Aufheßen alles Ausländischen gegen das Da eig und gegen unser deutsches Vaterland, wie wir es heutzutage in der Preffe. die sonst ihn zu unterstüßen pflegt, in der fort- schrittli*Gen und freisinnigen Presse, nach allen Seiten hin zu spüren haben. Wo man irgend etwas ausfindig machen kann, einen Stein, den man in den Garten des Reichs werfen kann, wo man irgend einen freniden Intriguanten oder Reichéfeind bemerkt den man unterstüßen kann, so greift man mit beiden Händen zu und ift begeistert, wenn man einen Vorwurf findet, dem eigenen Vater- lande irgendwie Unannehmli@keiten und Verlegenheiten zu bereiten.

und nur um zwischen ihm und dieser reihsfeindlihen, vaterlandslosen Presse eine breite Scheidewand zu ziehen, habe ih in diesem Sinne das Wort ergriffen.

Abg. von Kardorff: Wenn gesagt sei, daß der deutsche Handel eigentlich keine Vortheile von den Kolonien hätte, o jeien gerade die Mittheilungen des Abg. Woermann über die englische Royal Niger-Company eine gute Zllustration gegen jene Behauptungen. Auch die Verhältnisse in Ost-Jadien sprächen für die Nothwendigkeit einer deutschen Kolonialpolitik. Wenn man dieser überhaupt die Ausdehnung geben wolle, die das Deutsche Reich seiner ganzen Stellung als Weltreih nah beanspruhen könne, dánn müsse noch viel mehr gethan werden. Seine Partei sei jedoch einverstanden mit der vorsichtigen Haltung in Kolonialfragen, denn so weit der Fürst Bismarck die Kolonien N habe, werde ihm die ganze deutsche Nation mit Freuden folgen. Wenn Richter die Kosten der deutschen Kolonialpolitik heranziehe, so seien diese nihts gegen die Summen, die Frankrei dafür ausgebe. Ohne der Milliarden für den Panama-Kanal zu gedenken, verwende es für einen Kriegshafen an der ostafrifanischen Küste allein 80 Millionen Francs. Was sollten dagegen die 56 000 M, die der Abg. Richter bemängele? Glaube er, daß die deutsche Nation fo weit hinter der französischen zurüstehe, um nicht mindestens gleiche Mittel aufwenden zu können? Deutschland sei noch viel zu ängsilich in Kolonialsachen; das Deutsche Neich sei stark genug, um in der Organisation und dem Schuß von Kolonien noch viel weiter gehen zu können. Die Spiritusfrage betreffend, wünsche er auch, daß die Einfuhr geistiger Getränke in den Kolonien ershwert werde. Jn Ost: Afrika spiele diese Frage aber keine Rolle, weil unter

dem Einfluß der muhamedanishen Kultur auh nicht- muhamedanische Völker in Genuß geistiger Getränke sehr enthaltsam seien. Der Abg. Nichter glaube die

deutshen Jnteressen in Ost:Asrika durch die leßten Vorgänge schwer geschädigt. Diese Schädigung hänge nur zusammen mit der Erschwecung der Einfuhr von Munition und Waffen. Deutsche Häuser in Zanzibar hätten sih auf diesen Handel ge- worfen und bisher großen Vortheil daraus gezogen. Er hoffe, daß man die einmal begonnene Kolonialpolitik au zu einem glücklihen Ende führen werde.

Abg. Woermann: Die Rede des Abg. Richter zeige zum Theil eine solche Fülle von Unkenntniß der thatsählichen Ver- hältnisse, daß er selbst nicht wisse, ob er läheln solle oder sich wundern, daß ein Mann, wie der Abg. Richter, über Dinge fprechen könne, von denen er nihts wisse. Er meine, wenn man den Branntweinhandel nah Afrika verbiete, bliebe wenig von dem gesammten Handel übrig. Das sei durhaus nicht der Fall. Wenn man den gesammten Jmport in West- Afrika miï dem Branntweina-Jmport vergleiche, sche man, daß leßterer eine geringe Nolle spiele. Die Nothwendigkeit der

Von dieser Tendenz spreche ih den Herrn Abgeordneten ja gan i; denn sonst hätte er ja das Mandat zum Reichêtage nicht S

Kolonien sei dadurch erwiesen. Der deutsche Handel müsse für den Jmport von Artikeln sorgen, die- jeßt zum großen Theil aus England bezogen würden. Wolle man aber den Branntweinhandel verbieten, so sei das allein durch internationale Abmachungen möglich. - So lange die Engländer damit handelten, könne man nicht hindern, daß auch die Deutschen diesen E niht unglücklihen Handel betrieben. Der Branntweinhandel mache ungefähr den vierten Theil des deutshen Fmports aus. Während für englishe und französishe Häuser fast nur Branntwein und Pulver gehandelt werde, könnte ex dur. sein Geschäftsjournal beweisen, daß in den deutschen Schußgebieten noch viele andere Waaren Absaß fänden. Er könne aber Hrn. Richter zur Be-

ruhigung sagen, daß {hon jeßt in den Kolonien ein hoher

Einfuhrzoll bestehe, daß hier von vornherein das Verbot er- lassen gewesen, Hinterlader einzuführen. Es sei nux erlaubt gewesen , ein dem Europäer ziemlih ungefähr- liches Gewehr einzuführen. Hr. Richter hätte sich in dem - Kamerun - Panorama überzeugen können , daß die Eingeborenen mit diesem Gewehre zielten, indem sie das Gesicht abwendeten. Die Koften der Kolonialpolitik betressend, meine der Abg. Richter, daß sie durch Aus- gaben für Marine und andere Dinge größere seien, als die Summen, die direkt für die Kolonien verlangt würden. Der westafrikanishe Handel sei nun aber so bedeutend, daß es auch ohne Kolonien dort nöthig wäre, Schiffe zu halten. Es sei dieses auh früher {hon der Fall gewesen. Wie in Ost- Zndien zum Schuß des deutschen Handels Schisse nöthig seien, jo auch in West-Asrika. Der Abg. Richter liebe es nun ganz besonders, in der „Freisinnigen Zeitung“, ihn (Redner) mit seinen Hamburger Geschä ftsfreunden in Widerspruch zu seßen. Er habe dies namentlich in der Frage des Zollanschlusses ge- than, wo er ihn (Redner) in Widerspru mit dem Vorsißenden einer Versammlung gebraht habe. Dieser Vorsißende habe

nun einen Brief an die „Freisinnige Zeitung“ geschrieben, -

worin er gebeten, zu berichtigen, daß er (Redner) persönlich als Mitvorsißender- dieser Versammlung präsidirt habe. Diese Be- rihtigung habe si aber Hr. Richter gehütet aufzunehmen. Hr. Richter sage ferner, daß der Hamburger Handelskammer- beriht nihts über Kolonialpolitik enthalte. Das sei erklärlich. Der Bericht enthalte immer nur Sachen, mit welchen die Handelskammer im Laufe des Jahres Gelegenheit gehabt habe, sich zu beschäftigen: Vorlagen des Senats, über welche ihr Gutachten gefordert werde, Sachen, die aus ihrer Mitte heraus vorgebracht würden, die Angelegenheit der Royal Niger:Com- pany. Es habe durchaus fein Anlaß vorgelegen, sih mit Kolonialpolitik zu beschäftigen, und es sei deshalb natürlich, daß der Bericht auch nichts davon enthalte. Hr. Richter sage nun, die Hamburger hielten in Kolonialsahen die Taschen zu. Richtig sei, daß in ganz Deutschland verhältnißmäßig ein geringer Theil sich wirkli an dex Kolonialpolitik betheilige. Was die Hamburger veranlasse, die Taschen zuzuhalten

jei der Umstand, daß sie niht auch an der Verwaltung sich betheiligen wollten. Sie seien Handeltreibende, sie maten wirthschaftlihe Unternehmungen, aber sie seien stets weniger ge- neigt, da vorzugehen, wo es sich um eine Verwaltungsthätigkeit

handele, die sie niht kennten. Es liege in unserer ganzen

Kolonialpolitik noch Vieles, was die Sache für Deutschland

schwer mache. Es sei dieses niht nur das Kapital. Ungefähr

6 Millionen Mark seien von Deutschland bis jet für folonial-

politische Unternehmungen hergegeben. Man sei noch zurü haltend und vorsihtig. Er sei aber überzeugt, die Sache werde

S anders werden, wenn erst ein Erfolg vorliegen werde.

liege au in anderen Dingen begründet, daß die Hamburger zurückhaltend seien. Sie sähen in Deutschland in den überseeischen Fragen wesentlihPerfonenfragen. Es sei ihm immer vorgekommen, als wenn das Geld weit eher zu beschaffen sei, als die nöthigen Personen. Que Noth fänden sich noch Personen, welche hin- ausgehen wollten bei hohem Gehalt. Aber ebenso wenig, wie es viele Kapitalisten gebe, welche große Summen in Dingen

M