1873 / 6 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 Jan 1873 18:00:01 GMT) scan diff

Es ist Mir eine liebe Gewohnheit geworden, von dem Magistrate Meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin. beim Jahreswechsel so herz- Tihe Glückwünsche entgegennehmen zu können, wie derselbe fie Mir auch beim Eintritt des gegenwärtigen Jahres wieder gewidmet hat. Indem Ich dieselben so herzlich, wie sie dargebraht worden, erwiedere, danke Ih dem Magistrate für den Hinweis auf das viele Freudige, welches Mir auch während des vergangenen Jahres in Meinem Fürst- Tichen Berufe durch die göttliche Vorschung beschieden gewesen ift. Menn sich das Jahr nicht ohne Tage persönlicher Betrübniß erfüllt Hat, so habe Ih doch auc in solher Lage Mein Gemüth in dem tröftlihen Hinblick darauf erheben können, daß Mein Volk an Mei- ner Trauer und Meinen Besorgnissen nicht minder regen Antheil nimmt, als es Mir die Zeiten der Freude und des Glanzes zu ver- herrlichen stets bereit ist. Wie Ih insbesondere dem Magistrate - Hei jeder Gelegenheit einem innigen *Verständnisse Meiner Emyfindungen begegnet bin, so darf Ich dies erfreuliche Ver- Hältniß als über den Wechsel von Zeiten und Personeu- erhaben be- Irahten und dasselbe somit vertrauensvoll der Zukunft empfehlen.

Berlin, den 4. Januar 1873.

° Wilhelm.

Dem Central-Komite der Deutschen Vereine zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger, weches Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin bei Gelegenheit des Iahreswechsels seine Glückwünsche in einer Adresse ausgesprochen hat, ist von Allechöhhstderselben das folgende Huldvolle Handschreiben zugegangen:

Mit aufrichtigem Danke nehme Jch die Glückwünsche entgegen, welhe das Central-Komite der Deutschen Vereine zur Pflege im Felde verwundcter und erkrankter Krieger Mir zum Wechsel des Jahres dar- bringt, und erwiedere dieselben mit den besten Wünschen für das große Werk der Humanität, welhem sich das Komite widmet.

Seiner gegenwärtigen Friedensaufgabe, alle Vorbereitungen zu treffen, um jederzeit im Stande zu sein, die freiwillige Hülfe von ganz Deutschland in zweckmäßigster Weise zu organifiren, wird Meine Theilnahme nicht fehlen. Möge es zunächst gelingen, alle Hemmnisse zu beseitigen, welche der Lösung dieser Aufgabe entgegenstehen.

Berlin, den 2. Januar 1873.

Augusta.

An das Central-Komite der Deutschen Vereine - zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger.

Bei dem gestern Vormittag in der St. Hedwigskirce tattgehabten Traueramt (Requiem) für den verstorbenen Für- ten Radziwill war vor dem Hochaltar ein großer Katafalk errihtet, welchen 12 brennende Wachskerzen umstanden. Die Kirche war son vor Beginn der Feierlihkeit von Andächtigen besucht, welche den dem Verstorbenen gewidmeten leßten kirchlihen Ehren beiwohnten. Bei dem Traueramt, welhes von der gesammten Fatholischen Geistlichkeit vollzogen wurde, wirkte. der Gesangschor der St. Hedwigskirche, sowie andere Gesangskräfte mit.

Se. Durchlaucht der Prinz Wilhelm Radziwill, Premiér-Lieutenant im Ingenieur - Corps, welcher sih hier kurze Zeit mit Urlaub aufhielt, hat s{ch nach Ablauf desselben nah Feiner Garnison Mainz zurückbegeben.

Der Bundesrath hat in der Sihung vom 21. De- ember v. I. dem Antrage des Aus\hu}es für Handel und Ver- Lehr gemäß zu dem Abschlusse eines Niederlassungsvertrages zwischen dem Deutschen Reiche und der \{weizerishen Eidge- nofsenshaft in der vorgeshlagenen Faffung die Zustimmung ertheilt. Der Ausschuß des Bundesrathes für Rehnungs- wesen trat heute zu einer Sißung zusammen.

Jm weiteren Verlaufe der gestrigen Sißung des Hauses der Abgeordneten wurde noch in die Spezialdiskussion des Etats des Ministeriums des Junern eingetreten. Bei dem Titel Strafantragsverwaltung sprach sich der Abg. Dr. Eberty Für Centralifation derselben unter alleiniger Aufsicht des Justiz- Ministers aus. Darauf ergab der auf Anregung des Abg. Berger (Witten) vorgenommene Namensaufruf die Anwesen- heit von 195 Mitgliedern, mithin die Beschlußunfähigkeit des Hauses. Nächste Sißkung Donnerstag 11 Uhr.

Es hat sh als wünschenswerth herausgestellt, daß in Bezug auf die Sturmfluth vom 12. und 13. November v. I. diejenigen Materialien gesammelt werden, welche einestheils die meteorologishen Verhältnisse jener Periode kennzeihnen, andererseits auch die Einwirkungen der Sturmsluth auf die Hä- fen, die Ufershußwerke, die Dämme ‘u. #, w., überhaupt die Küstenbauten darstellen. Die Regierungen zu Schleswig Stral- Fund, Stettin, Danzig, Cöslin und die Landdrosteien zu Aurich und Stade sind daher vom Handels-Minister aufgefordert worden, die zu Gebote stehenden Daten zu sammeln und über dieselben eingehend zu berichten.

Das „Militär-Wochenblatt“ veröffentliht folgende Er- lärung des Chefs des Generalstabs der Armee, General -Feld- marschall Grafen von Moltke: :

euerdings erschienene militärische Werke schildern besondereFAb- Fchnitte des Feldzuges 1870/71, oder die Theilnahme einzelner Waffen oder Heerestheile an demselben. Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Schriften dasjenige, was außerhalb des Rahmens ihrer jpeziellen Aufgabe fällt, nur nebensählih behandeln, und daß dabei unabsichtlihe Jrrthümer oder Auslassungen vorkommen können.

ie den militärishen Schriftstellern bereitwillig das Material der Kriegsakten zugänglich gemacht wird, fo liegt ihnen andererseits die Werpflichtung ob, das daraus gewonnene Resultat dem Generalstab zur Einsicht vorzulegen. M C R :

Diese Kontrole kann si aber selbstverständlih niht darauf er-

eckden, die Vollständigkeit und absolut richtige Auffassung aller in enen Werken angeführten, namentlich taktischen Einzelheiten zu prüfen.

Dies würde dazu nöthigen, bei jeder derartigen Veranlaffung die

umfangreichen Tagebücher und Berichte zahlreicher Truppenkörper im- Immer wieder aufs Neue E eine Arbeit, zu welcher der mit der O Darstellung des aue beschäftigten kriegsgeschicht- Lichen Abtheilung weder Zeit noch Kräfte gewährt sind. O uebin kann es nicht in der Absicht liegen, die selbständige Meinungsäußerung der militärischen Schriftsteller zu ershweren, viel- mehr unterliegen ihre Aufsäße nur Prei einer Prüfung, daß nit durch Haltung und AusdruckX eine Polemik in der Presse zwischen Truppenksrpern oder Befehlshabern hervorgerufen werde, die dem mi- Titärischen Geiste nicht entspricht. : N /

_ Wenn troß der dabei geübten Sorgfalt dennoch in. öffentlichen Blättern Berichtigungen ctien sind, welche nieist wieder der Be- rihtigung bedürfen, jo kann diésseiis nur darauf daß die in Fortgang begriffene offizielle Darstellung des ganzen Feld- Zuges bestrebt fein wird, allen Theilen gleihmäßig geren zu werden, ähren Antheil an einem ruhmvollen u zuge acl ert zur Gel- Fung zy bringen und die entgegenstehenden Auffassungen gerehter zu

hingewiesen werden,

vermitteln, als dies durch Zeitungsartikel gesehen kann, die nicht zu erwidern stets eine große Selbstverleugnung bei dem Betheiligtenvor-

aussebt. 2 : / ; Soweit aber in jenen Reklamatiouen gelt-nd gemacht wird, da Aufsätze, die unter Aen icienz des Generalstabes erschienen sind, einen halb amtlichen o Ps er tragen, so dürfte aus dem bereits Gesagten genügend hervorgehen, daß dies nicht zutrifft. i Graf Moltke, General-Feldmarschall und Chef des Generalstabes der Armee.

Bei dem ‘Aufshwunge des Briefverkehrs von Berlin (es gehen täglich ca. 100,000 Briefpostsendungen ein und ungefähr ebensoviel ab, während die Zahl der Stadtbriefe gegen 40,000 täglih beträgt) beabsichtigt das General-Postamt erweiterte Einrichtungen für den desfallfigen Verkehr zu treffen. Zu dem Ende i der Vorsteher dér Berliner Ober - Postdirektion, Ober- Postdirektor Sachße, beauftragt worden, fih *nach England zu begeben und die Stadtpost-Einrihtungen von London, Manthester und Liverpool zu studiren, so wie auch über den Betrieb in den englishen ambulanten Postbureaus sich zu unterrichten, Derselbe ist heute bereits dorthin abgereist. : i

Gumbinnen, 7. Januar. (W. T. B.) Den ärztlichen Gutahten zufolge ist die Choleraepidemie in den diesseits der polnishen Grenze gelegenen Bezirken als erloshen zu be- trachten.

Sachsen. Dresden, 7. Januar. Die Ersie Kamméêr trat in ihrer heutigen Sißung in die Berathung der Ergebnisse des Vereinigungsverfahrens, bezüglich des Schulgeseßes ein. Die- jenigen Differenzpunkte, bezüglih deren eine Vereinigung erzielt worden war, wurden durch Zustimmung zu den Bereinigungs- vorschlägen erledigt. Zu §. 6 Abs. 1, welcher den konfessionellen Charakter der Volks\chule betrifft, ist eine Einigung nicht erzielt worden. Die Kammer beharrte ihrerseits mit 40 gegen 3 Stim- men_ bei ihrem früheren Beschlusse, wodur eine größere Anzahl Differenzpunkte, welhe als Konsequenz des zu §. 6 gefaßten Beschlusses gelten, fortbestehen bleiben. Einstimmig beschloß die Kammer, daß Kinder von Dissidenten an dem Religionsunterrichte einer anerkannten oder bestätigten Religionsgesellshaft Theil zu nehmen haben. Der früher beschlossene obligatorische Charakter des Schulgeldes wurde gegen 1 Stimme aufrecht erhalten, ebenso einstimmig die Ablehnung des von der Zweiten Kammer angenom- menen Antrags, die Staatsregierung um Vorlegung eines Ge- seßes über die Grundsäße, nah welchen Staatszuschüsse an die Gemeinden gewährt werden sollen, zu ersuchen. Die von der Zweiten Kammer zu §. 12 angenommenen Bestimmungen über die Zahl der Unterrichts- und speziell der Religionsunterrichts- stunden in der einfachen Volks\{chule wurden einstimmig abge- lehnt. Die Berathung wurde bis zu 8. 15 fortgeführt; über die noch übrigen 25 Differenzpunkte soll in der morgenden Sißung Beschluß gefaßt werden. : ¿

Auch die Zweite Kammer nahm heute ‘ihre Sißungen wieder auf. Beim Registranden - Vortrag begründete Abg. Ludwig eine Interpellation, betreffs der Justiz - Neubauten zu Dresden. Er erkundigte sih nah dem Stande der Angelegenheit und verlangte zu wissen, warum die Regierung die zugesagte Mittheilung hierüber noch nicht gemacht, bez. Baupläne und Kostenanshläge noch nicht vorgelegt habe. Instiz-Minister Abeken erklärte sih zu sofortiger Beantwortung dieser Interpellation bereit. Er stellte den Eingang der versprochenen Mittheilung über den Stand der Angelegenheit in nähfie Ausficht. Der Grund, warum dieselbe nicht ‘früher „erfolgt sei, sei der, daß die Ver- wendung des Areals der Zeughäuskasernte zu den Justiz-Neubauten erforderlih sei, das Kriegs-Ministerium aber diese Kaserne nur unter der Vorausseßung aufgeben könne, daß auch das Zeughaus selbst verlegt werde; die Regierung, welhe der Ansicht \ci, daß das überaus werthvolle Zeugzausareal eine weit zweck- mäßigere Verwendung, als die bisherige, finden könne, würde gewünscht haben, mit der Mittheilung über die JIustizneubauten eine Vorlage über die Bewilligung der für die Verlegung des Zeughauses erforderlihen Mittel verbinden zu “können; dieser Wunsch habe jene Mittheilung bisher verzögert; da er sih nit realisiren lasse, - werde dieselbe nunmehr erfolgen. In die Tagesordnung eingetreten, berieth die Kammer den vom Vize- Präsidenten Streit erstatteten Bericht der 1. Deputation über den Geseßentwurf, einige Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 betreffend. Der Gesezentwurf, welcher im Wesentlichen bezweckt, der Erften Kammer das Recht der freien Wahl eines oder mehrerer Vize-Präsidenten, der Zweiten die freie Wahl ihrer Präsidenten und Vize-Präsfidenten einzuräumen; positive Vorschriften über dieGewährung von Tage- undReisegeldern anMitgliederder Kammern in dieVerfassungsurkundeaufzunehmen; festzuseßen, daß jede Kammer für si allein befugt sei, eine Adresse an den König zu rihten; die Bestimmungen über die Hand- ‘habung der Ordnung bei den Kammerverhandlungen, sowie über die Geschäftsführung der Kammern aus der Verfassungsurkunde zu entfernen und der Landtagsordnung, "bez. den Geschäfts- ordnungen der Kammern zu überweisen, wird von der Depu- tation mit unwesentlihen Abänderungen zur Annahme empfoh- len. Die allgemeine Debatte gab dem Abg. Dr. Wigard Gele- genheit, seine Ansichten über* die Verfassungswidrigkeit des be- stehenden Zustandes vorzutragen. Später stellte er den Antrag, an Stelle von §. 1 des Gesehentwurfs zu beschließen:

„Das proviserische Geseß, einige Abänderungen der Verfassungs- urkunde vom 4. September 1831 betr., gegeben am 15. September 1848, tritt wieder in Wirksamkeit“.

Derselbe wurde gegen 10 Stimmen abgelehnt. Ge- gen Aeußerungen des Abgeordneten Ludwig, welcher zwar die freie Präsidentenwahl und das Adreßrecht mit Freu- den begrüßte, gegen einige andere der vorgeschlagenen Aenderun- gen und namentlih gegen die Motive, von denen die Regierung dabei geleitet worden, Bedenken erhob, stellte Staats-Minister v. Nostißz-Wallwiß die Beweggründe der Regiernng in wiederholter Rede richtig: mit der Vorlegung des Entwurfs habe die Regie- rung nur ein auf wiederholte Anregung Seitens der Zweiten .Kam- mer gegebenes Versprechen eingelöst. Auf die von Dr. Wigard angeregte Frage einzugehen, lehnte der Minifter als zwecklos ab. Vom Abgeordneten Dr. Biedermann wurde namentli die Sicher- stellung des Adreßrechts als werthvolle politishe Errungenschaft hervorgehoben. Auch die einzelnen Vestimmungen des Geseßzes gaben zu Debatten Anlaß, bei denen zum Theil gleihfalls die Rechtsbeständigkeit des sächsishen Verfassungszusiandes von Red- nern der Linken erörtert wurde. Ale Bestimmungen des Ent- wurfs wurden in der von der Deputation vorgeschlagenen Fas- sung mit Zweidrittelmajorität, zuleßt das ganze Geseß gegen 10 Stimmen angenommen. Hierauf beschäftigte sh die Kammer mit einigen kleineren Berathungsgegenständen. *

Württemberg. Stuttgart, 7. Januar. In der heutigen Sihung der Zweiten Kammer begann die Be- rathung des Einführungsgeseßes zu dem Reichsgeseße über den Untérftäzungswohnsi . Vor dem Beginn derselben erklärte L

B,

der Finanz-Minister Renner auf eine-bezüglihc Anfrage, daß der Entwurf eines neuen Berggeseßes, welches der Privatindustrie einen freieren Spielraum gewähre, gegenwärtig vom Geheimen Rathe durhberathen werde. ck

Melenburg. Malchin, 6. Januar. Die Landtags- versammlung trat heute wieder zusammen. In einem {chwe- rinshen Reskript vom 4. Ianuar \priht der Großherzog seine Befriedigung aus, daß die Ritterschaft die Verfassungsvorlage als Grundlage weiterer Verhaydlungen angenommen hat. Wenn die Landschaft die Vorlage abgelehnt hahe, ‘so dürfe niht ange- nommen werden, daß die landesväterliche Absicht verkannt sei, und kein Werth auf die Verständigung zwischen dem Landes- herrn und den Ständen gelegt werde. Deshalb könne die Antwort ad Caput 3 nah den fländishen Beschlüssen vom 16. und 17. Dezember niht entgegen genommen werden. In der Vertretungsfrage divergiren die Ansichten der Land- chaft freilich weit, da aber nur allgemeine Säße ohne positive Patbare Gestalt aufgestellt und gegen die Organisation des Do- manii keine prinzipiellen Bedenken aufgestellt seien, so hofft die Regierung noh eventualiter auf eine spätere Verständigung. Die Besorgniß wegen außerordentlicher Ausfälle im Renterei-Etat werde durch mündlihe Verhandlnng mit den Kommissarien be- scitigt werden, so daß \{chon auf dem gegenwärtigen Landtage Über das Kapitel die Grundlagen für eine Verständigung zu ge- winnen feien. Die Stände seien zu mündlichen S blu aufzufordern. Die Kommitte wurde mit diesen Verhandlungen beauftragt. Ein gleichzeitiges strelißsches Reskript stimmt mit dem s{chwerinschen überein.

Hamburg, 7. Ianuar. Der Senat hat einen dringlichen Antrag, betr. die Erhebung des Tonnengeldes nah Kubikmetern und einen Antrag, betr. Bewilligung einer Theuerungszulage für das Jahr 1872 an Staatsangestellte mit einem Amiseinkommen unter Crt. Mk. 1600 an die Bürgerschaft gelangen lassen.

Großbritannien und Jrlaud. London, 6. Januar. Der Prinz und die Prinzessin von La R von ihrem Besuche beim Earl von Leicester in Nolkham nah. Schloß San- tringham zurügekehrt. Heute begab sich der Prinz über London zu einem Besuche des Barons Rothschild nah Alston Clinton, unweit Iring.

—, Nach den neuesten telegraphishen Nachrichten aus Lon- don v. 8. d. M. wäre in dem Gesundheitszustande Napoleon 11. eine nit unerhebliche Verschlimmerung eingetreten. i

Aus Calcutta wird unterm 4: ds. telegraphirt: Sir William Muir soll im nächsten März Finanz-Minister werden, und wird bis dahin Sir R. Temple fortfahren, den Poften zu befleiden. Heute wurde der Ausfuhrzoll auf Getreide aufgehoben. Synd Iaconb Khan, ein anderer Gesandter von Ataligh Ghazen, passirt nun das Himalaya-Gebirge. :

Frankreich. Paris, 6. Ianuar. Der Entwurf des Gesetzes über die Reorganisaton der Armee ist fast be- endet und wird demnächst vorgelegt werden. j /

Die Eisenbahn-Militär-Kommission hat ihren Bericht beendet und die Errichtung eines besondern Corps für diesen Dienstzweig empfohlen. y

Mehrere Abgeordnete werden den! Antrag stellen, daß die tationalversammlung wöchentlich nur vier Sizungen halte, um auf diese Weise den verschiedenen Kommissionen und den Mini- stern mehr Zeit zur Arbeit zu verschaffen. :

Im Laufe dieser Woche soll die Diskussion des Geseh- entwurfes der Herren de Broglie, Saint Märc Girardin 2c. über die Umgestaltung des ‘oberen Unterrichtsrathes stattfinden. Wie „Rappel*“ erfahren hat, foll Herr Iules Simon darauf verzichtet haben, einen Gegenentwurf vorzulegen. Er will sfich damit begnügen, die Aufrechthaltung des Status quo, d. h. die Ernennung der Mitglieder des Rathes durch den Präsidenten der Republik zu befürworten.

7. Januar. (W. T. B) Die erste Subkommission hatte sich heute bei dem Präsidenten der Republik versammelt und ist, wie die „Agence Havas“ mittheilt, hierbei über die künftige Theil- nahme des Präsidenten der Republik an den Sihungen der Na- tionalversammlung ein Einverständniß in der Weise erzielt wor- den, daß ‘derselbe an den Debatten der Nationalversammlung ferner nicht theilnehmen, wohl aber bei besonders wihtigen Ver- anlafsungen feine Ansichten derselben persönlih darlegen wird. Die Sigzung foll in solhem Falle dann, nachdem der Präfident gesprochen, aufgehoben und die Berathung erst am darauf fol- genden Morgen, ix Abwesenheit des Präsidenten, wieder fortge- feht werden. Der Präsident der Republik hat, wie die „Agence Havas“ hinzufügt, bei dieser Gelegenheit die den verschiedenen politishen Parteistellungen angehörigen Mitglieder der Kom- misfion in der nahdrülihsten Weise zu versöhnlichen Gefinnun- gen ermahnt. i

Die zweite Subkommission hat fich für eine Zweite Kammer ün Prinzipe entschieden. i

Versailles, 7. Ianuar. In der heu tigen Sihung der Nationalversammlung wurde, in Folge eines von der äußersten Rechten im Laufe des Tages noch gefaßten Beschlusses, eine Interpellation wegen der Demission des Böt- schafters beim päpstlihen Stuhle, Graf Bourgoing, eingebracht. Der Justiz-Minister Dufaur emahte mit Rücksiht auf das Un- wohlsein des Ministers des Auswärtigen, de Remusat, den Vor- \{chlag, cinen späteren Tag für die Berathung und Beantwor- tung der Interpellation festzuseßen und fügte hinzu, daß die Regierung bei dem gedahten Anlasse von dem der Versammlung bereits durch den Präfidenten der Republik angezeigten Wege in keiner Weise abgewichen sei, noh auch ferner von demselben ab- weichen werde. Die Nationalversammlung bestimmte darauf den fommenden Montag zur Beantwortung der Interpellation.

Spanien. Einem Telegramm aus Bayonne vom 7. d. M. zufolge, ist die Gisenbahnverbindung zwischen Miranda und Bilbao dur eine Carlistenbande zerstört; ein zwischen Alsasna und Pampelona gelegenes Stationsgebäude wurde von ihnen mit Petroleum in Brand gesteckt, die Bahnbeamten- wurden -gefangen fortgeführt. Die Bahnbediensteten der nordspanischen Eisen- bahn haben fich in Folge dessen geweigert, den Dienst fort- zusetzen. |

Ftalien. Rom, 4. Ianuar. Der Kriegs-Minister Ricotti wird dieser Tage zwei Organisationspläne ver- öffentlichen. Der eine betrifft die Alpenjägercompagnien, der an- dere handelt von der Organisation der Territorialmiliz in Sar- dinien. Die Zahl der Alpenjägercompagnien roird größer, als Anfangs bestimmt war. Ihr Zweck ist, die Alpenpässe zu ver- theidigen und die Garnison ihrer Befestigungen zu werden. Ihre militärische Organisation wird derder öfterreichishenGrenzer ähnli. Nach dem Organisationsplane der sardinishen Territorialmiliz wird ein Theil der Sardinier, welhe das Loos ziehen, nach wie vor in die aktive Armee eintreten. Nach ihrer Dienstzcit und dem Eintritt in die Reserve, sollen fie mit den Soldaten der zweiten

Kategorie die Territorialmiliz bilden, welche im Kriegsfall unter sardinischen [Offizieren die Insel zu vertheidigen hätten. Die Einführung eines ähnlihen Systems auf der Insel Sicilien ist Hindernisse halber vershoben worden.

7. Januar. (W. T. B.) Der Papst hat heute eine zahlreihe Deputation iris{cher Katholiken empfangen und si bei dieser Gelegenheit voller Anerkennung über die treue An- hänglichkeit Jrlands ausgesprochen. Auf cine von Seiten der italienishen fkatholishen Jugend an ihn gerichtete Adresse er- widerte er, man müsse furchtlos und mit allen Mittetn die Ruchlosigkeit bekämpfen. Er bete auch für jenen Theil Ztaliens, welcher, vom geraden Wege verirrt, der Größe dieses Landes niht mehr eingedenk sei Diese bestehe niht in einer unheil- vollen Einheit, welhe Niemandem zum Vortheile gereiche. .

Nußland und Polen. St. Petersburg, 6. Ianuar. Die „Börse“ hat die Mittheilung erhalten, daß das Geshwa- der des General-Adjutanten, Vize-Admirals Possiet, am 22. De- zember fich noch in Nangasaki befand, jedoch 2 Tage darauf nach Hongkong und Maniila abzugehen beabsichtigte. In Wla- diwoftok wird das Geschwader frühestens gegen Mitte des April-

7. Januar. (W. T. B.) Der Großfürst Thron- folger hat eine sehr gute Nacht gehabt und isst heute fast fieber- frei. Der Zustand der Kräfte is ein befriedigender.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 3. Januar. Unter „dem 28. Dezember ist der Erbprinz Herzog von Dale- farlien, Nikolaus August, vom Könige zum General- enan in der Armee und der Scheerenartillerie ernannt worden.

Der Admiral van Dockum- ift am 31. v. M. hier angekommen, um im Namen der dänischen Marine dem Könige Osfar seine Glückwünsche zum neuen Jahr zu überbringen.

Dänemark. Kopenhagen, 6. Ianuar. Der Reichs- tag trat heute wieder zusammen. Das ata wählte Krabbe mit 53 von 66 Stimmen zum Präsidenten, Christensen und J. A. Hansen mit 48 und 47 Stimmen zu Vize-Präfidenten.

7. Januar. (W. T. B.) Baron v. Blixen-Finecke, Gemahl der Prinzesfin Auguste von Hessen, Shwester der Königin von Dänemark, ift gestern mit Tode abgegangen.

Amerika. Washington, 7. Januar. (W. T. B.) Der Senat hat den Antrag Shermans, ein Komite zur Untersuhung der in Louisiäna und Arkansas bestehenden Differenzen einzuseßen, angenommen.

New-York, 7. Januar. General Dir hat die Legis- laiur in einer Jnauguralbotschaft zur Unterstüßung in sei- nem Bestreben, den Ungeseßlihkeiten zu stèêuern und die öffent- lichen Lasten zu erleichtern, aufgefordert.

Asien. Der mit China im Kriege liegende asiatische Volksstamm der Panthays hat den neuesten Berichten aus Indien zufolge eine {chwere Niederlage erlitten. Der Korrespon- dent „der „Times“ in Kalkutta {reibt darüber: „Die Pantay- Gesandtschaft, die jüngst in London war, crhielt in Rangoon, wohin Herr I. I. Cooper den Prinzen Hassan auf dessen Rü- fehr nach seinem eigenen Lande begleitet hatte, {le{chte Nach- rihten. Talifoo, die Hauptstadt, ift an die Chinesen gefallen. Prinz ‘Hassan beshchloß in Folge dessen, eine Pilgerfahrt nach Mecca anzutreten. Der Fall von Talifoo fand_Ende Oktober in folgender Weise statt: Die Panthays wurden veranlaßt, zu tapituliren, oder gaben vor, dies thun zu wollen, und seßten an- einem gewissen Thore eine Konferenz an. Die Chinesen rückten bis zu diesem Punkte vor, zogen fich aber, Verrätherei fürhtend, \{leunigft zurück, als auf derselben Stelle eine Mine explodirte. Dur die Explosion erhielt der Wall eine Bresche, die Chinesen nahmen die Stadt ein, und nur die innere Citadelle verblieb König Suliman. :

Das Datum, an welchem der Kaiser von China die Leitung der Angelegenheiten des Reiches in die Hand nehmen soll, ift, wie den „Times“ aus Shanghai gemeldet wird, nun- mehr festgestellt. Die Regentschaft wird am Schlusse dés jeßigen ens Jahres, d. h. am¿23. Februar, ihre Endschaft er- reichen. 8

Monats 1873 eintreffen.

Landtags- Angelegenheiten.

Berlin, 8. Ianuar. In der gestrigen Sizung des Hau - ses der Ab geordneten berührte in der Diskussion über den Etat des Ministeriums des Innern der Abg. Lasker die Ver- änderungen, welhewährend der Ferien des Hauses imStaats-Ministe- riumstattgefunden haben, undwünschteeineErklärung derKöniglichen Staats-Regierung darüber. Hierauf nahm der Minister des Innern, Graf zu Eutenburg das Wott:

# Meine Herren! J könnte mich zu den Aeußerungen des Herrn Abg. vasfer persönlich vor der Hand L verhalten und die Erklärun- gen, die er wünscht und die nicht ausbleiben können, dem Herrn Minister- Präsidenten überlassen, ih glaube aber do, daß ih befugt und viel- ¡eicht au verpflihtet bin, wenige Worte zu. sagen, um die Beunruhi- gung, von der der Herr Abgeordnete \prit, fo frühe als möglich zu beseitigen. Der Bewegungsgrund, aus welchem der Reichskanzler zurst Bismarck das Ministerpräsidium aufgegeben hat, lag einzig und allein in der Unmöglichkeit, die Geschäfte, die ihm als Reichskanzler, Ninisterpräsident und auswärtiger Minister oblagen, derart zu über- waltigen, wie seine Natur es verlangt; d. h. eingehend, eindringli, und mit voller Verantwortung. Er hatte die Ueberzeugung, daß dieses in einer bisherigen Stellung unmöglich sei: deshalb hat er eine Ent- iassung gewünscht und seinen Wunsch speziell auf die Entbindung von dem Ministerpräsidium gerichtet. Se. Majestät sind darauf eingegan- gen, die Schwierigkeit war nur die, zu vermeiden, daß aus der Nieder- legung des Ministerpräsidiums im Publikum der Schluß gezogen wurde, der Minist räsident wolle in Bezug auf sein Verhältniß zum preußischen Ministerium zurückhaltende Stellung einnehmen und sich von der Verwaltung der preußischen Angelegenheiten quasi zurüfziehen.

ies hat niemals in dem Willen des Fürsten gelegen und würde den Intentionen Sr. Majestät ‘des Königs direkt widersprochen haben. Der Fürst proponirte, als auswärtiger Minister Mitglied des Mi- nilteriums zu bleiben, dàs Präsidium zunächst dem ältesten Minister abzutreten und auf diefe Art Zeit zu gewinnen, die ihm e oblie- genden Geschäfte mit- voller Verantwortlichkeit zu erfüllen, zugleich aber an den preußischen Geihäften foweit Theil zu nehmen, als seine Spezialgeshäfte es ihm gestatteten und mit dem preußischen Minifste- rium in as innerem Zusammenhang zu bleiben, daß das Ministerium niht gu órte, im wahren Sinne des Wortes ein Ministerium Bis- marck zu sein. Jn dieser Weise hat sih die Umgestaltung des Mini- stériums vollzogen, daß der älteste Minister, Graf Roon, demnächst auch zum Ministerpräsidenten ernannt worden ist, ändert in dieser Sachlage und in dieser Auffassun Nichts; Se. Majestät haben s nicht für geéignet gefunden, das Ministerium blos im Allgemeinen pee dem Vorsiße des ältesten Ministers fungiren zu lassen, sondern 'aben es für zweckmäßig erachtet, diefes Präsidium auch derart zu fiziren, daß dem ältesten Minister der Titel Ministerpräsident ge- geben worden ist. In der Sache ändert das Nichts. Wenn S I ih gute, Sie haben keine Veranlassung' daran zu zweifeln avon überzeugt sind, daß der Fürst in feinem Verhältniß zum Mi- nisterium bleiben wird, wie er war, dann, meine ih, thun Sie doch

gut, Befürchtungen und Beunruhigungen einftweilen zurückzudrängen. arten Sie auf Dasjenige, was der Herr Abgeordnete Lasker richti

bezeichnet hat, auf Maßregeln, die für sich felbst \prechen, und i

glaube, Sie werden noch im Laufe dieser Sesfion zu der Ueberzeugung kommen, da , 0 betrübend es Ihnen in vieler Beziehung sein mag, daß Fürst Bismarck nicht mehr formell an der Spiße des Ministe- riums pot in der Sache selbst doch wesentlich nichts geändert ist, und daß das Ministerium fortfahren wird, in dem Sinne zu wirken, wie das Ministerium Bismarck es bisher für nöthig erachtet hat.

Dem Abg. Dr. Virhow, welcher demnächst auf die Stel- lung des Präfidenten des Staats-Ministeriums zur Kreisordnung näher einging, entgegnete der Minister des Innern:

Ich möchte zuerst ein paar Worte fagen über die Bemerkungen, die zur Haltung der offiziellen Presse gemacht worden find. Zum Theil wurde fie a wahrheitswidrig dargestellt, zum Theil als sehr {lecht unterrichtet. Nun, wahrheitswidria, das weiß ich nicht, worauf sich. das beziehen kann, \{lecht unterrihtet, insofern vielleicht, als, wenn man am Mitt- woch etwas drucken muß, man unmöglich das drucken kann, was erst am Donnerstag geschieht, und was man bis dahin nicht wußte.

Meine Herren! Sie wissen Alle, daß diè Provinzial-Correspon- denz am Mittwoch erscheint; wenn nun beispielsweise am Dienstag verhandelt und beschlossen wird, daß der Minister-Präsident den Posten als Minister-Präsident aufgeben will, und daß der älteste Minister den Vorsiß übernehmen soll, und wenn man weiß, daß Se. Majestät Sich mit diesem Gedanken einverstanden erklärt haben, daß aber Weiteres, wie sich das nun formell gestalten soll, noch vorbehalten wird, so fann das offizielle Blatt nichts Anderes schreiben. Und wenn nun in den nächsten aht Tagen der Beschluß gefaßt wird: der älteste Mini- ster soll nicht blos aus dem Anziennitätsverhältnifse, sondern als wirklicher Minister-Präfident den Vorfiß des Ministeriums führen, \o kann die nächste Provinzial-Correspondenz do nichts thun, als sagen: so ist es gekommen. Wenn zwischen einem und dem andern Mittwoch diese Wendung eintritt, so mögen Sie sagen: Die Provinzial-Corre- spondenz ist jchlecht nri wäre alles einen Tag früher gefom- men, so wäre sie vielleicht besser unterrihtet gewesen. Das ift eben das Schifsal der Zeitungen.

_ Nunaberwill ih vorbehaltlich dessen, was bei Gelegenheit der Hr. Mi- r-Praldent Graf Roon Ihnen sagen wird, doch in feiner Abwesenheit hervorheben, daß die Vorausseßungen, von denen meistentheils. bei der Beurtheilung seiner Haltung während der Kreisordnungsfrage ausgegan- gen wird, wirklich nicht zutreffen, Graf Roon war e als Kriegs-Minister und diefen Gefeßgebungsarbeiten ferner stehend bis zu einem gewissen Zeitpunkte hin über ‘die wirklihe Tragweite jedes ein- jelnen E der Kreisordnung nit so informkrt, wie es der- t Veinister ein muß, der die Sache vertritt oder derjenige, der

onst näher bei der Ausführung des Geseßes betheiligt ist. Je mehr die Sachen sich zuspibten, desto mehr trat, wie das in der Natur der Sache liegt, an jeden einzelnen Minister der Anspruch heran, ih sehr genau mit der Tragweite jedes Paragraphen des Gesetzes bekannt zu machen und sich über seine Stellung zu demselben zu pertioriren. Als der Kreisordnungs-Entwurf im Herrenhause abgelehnt war und es nun darauf ankam, fernere Schritte zu berathen, ist auf Instanz des da- mals stellvertretenden Ministerpräsidenten Grafen Roon noch einmal zu einer ganz speziellen Durchberathung der Kreisordnung geschritten worden, und i kann versichern, daß dasjenige Sett welches ih die Ehre hatte, Ihnen, nachdem ih mit mehreren Mitgliedern des Hauses darüber gesprochen hatte, vorzulegen, und was jeßt Geseß geworden ist, von Anfang bis zu Ende die Zustimmung des Grafen Roon erhalten hat. Das kann ich positiv verfichern, ein Zeichen dafür ist, daß dem Grafen Roon, der die Eröffnungsrede, die Thronrede hielt, mit eigenèm Munde diejenigen Kundgebungen vor dem versammelten Landtage machte, welche die Vorläufer ju demjenigen waxcn, was hinterher zur That geworden ist. Sein Abschiedsgesuch hängt mit der Kreisordnungsfrage gax nicht zusammen, sondern es haben da gewisse persönlihe Rück- sichten eine Rolle gejpielt, die ih nicht in der Lage bin auseinander- zuseßen, die ih auch im Detail niht weiß. Eine Beseitigung diefer persönlichen Rücksichten ist die Veranlasfung gewesen, daß er hinterher" wieder eingetreten ist, nachdem er die Bexuhigung erlangt hatte; deren er glaubte zu bedürfen. Jch kann aber-versichern, daß die Kreisord- nungsfrage, fo wie sie zuleßt behandelt worden ist, fein Gegenstand der Se zwischen dem Grafen Roon und dem übrigen Staats-Ministerium gewesen ist. Ebenso ist die Frage wegen der Ver- stärkung des Herrenhauses prinzipiell kein - Gegenstand . der Mei- nungsverschiedenheit zwischen ihm und uns gewesen, und nur über die Art, wie der Pairsf{ub zu Stande zu bringen sei, * haben sich Meinungsverschiedenheiten herausgestellt, die fich hinterher ausge- glichen haben. Nun weiß ich in der That uicht, wie na dieser ein- fachen Darlegung der Sache noch jeßt vom Ministerium ein Pro- gramm verlangt werden fann. Wir bestreiten ja eben, daß irgend eine essentielle Aenderung in der Zusammenseßung des Ministeriums statt- gesunden hat; ein Programm würde erst recht der Sache die Wendung geben, als kämen wir als neúe Mitglieder und mit neuen Intentionen zusammen, Sehen Sie als unser Programm unsere Thätigkeit seit der Zeit an, wo wir zusammen find, und Sie werden die Bestätigung unseres Programms in den Magzregeln finden, welche Ihnen von uns werden unterbreitet werden.

__ Dem Hause der Abgeordneten liegt folgender Entwurf eines Geseßes, betreffend die Lösung von Jagdscheinen in den Hohenzollernschen Landen, vor.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. verordnen für den Umfang der Hohenzollernschen Lande, mit Zustim- mung beider Häuser des Landtags der Monarchie, was folgt:

: Ein Jeder, welcher die Jagd ausüben will, muß \ich einen für den ganzen Umfang der Monaréehie gültigen, zu seiner Legitmation dienenden, auf ein Jahr und auf seinen Namen lautenden Jagdschein von dem für feinen Wohnsiß zuständigen Oberamte ertheilen lassen" und denselben bei der Ausübung der Jagd stets mit sich führen.

__ Das Oberamt kann auch Perfonen, welche nicht in seinem Be- zirke wohnhaft sind, und zwar, wenn cs dies für nöthig hält, ae- gen Bürgschaft eines Bezirks - Eingesefsenen, einen Jagdschein er- theilen. Der Bürge haftet in solchem Falle für Geldstrafen, welche“

sung osten, bei À . 2. Für cinen* jeden Jagdschein wird an das betreffende Ober- amt eine Gebühr von fünf Gulden entrichtet. s

Die eingehenden Beträge werden in jedem Oberamtsbezirke nah dem Beschlusse der Versammlung der Ortsvorsteher (Bürgermeister, Stadtschultheiß und Voigte) zu gemeinnüßigen Zwecken im Interesse des Bezirks verwendet.

Unentgeltlih erhalten den Jagdschein:

1. die nach Vorschrift des §. 32 des Geseßes vom 2. Juni 1852 (Geseßsamml. Seite 313) vereidigten, im Staats-, Gemeinde- oder Privatdienste stehenden Forst- und Jagdbeamten,

2. die zur Ausbildung für den « Staats-, Forst- und Jagddienst verstatteten Lehrlinge und Forst- 2c. Kandidaten.

Die Ausferti ung der Jagdscheine erfolgt kosten- und stempelfrei.

8. 3. Die Ertheilung eines Jagdscheins muß folgenden Perso- nen versagt werden : ; :

a) denjenigen, von denen eine unvorsichtige Führung des Schieß- A oder eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu be- orgen ift; :

b) denjenigen, welche sich nicht im Besiße der bürgerlichen Ehren- rehte befinden oder unter Polizeiaufsicht stehen.

__ Außerdem kann denjenigen, welche wegen eines Holzdiebstahls, eines Jagdvergehens „oder' einer Uebertretung jagdpolizeilicher Vor- chriften oder wegen einer durch Mißbrauch des Feuergewehrs verübten trafbaren Handlung bestraft worden find, der Jagdschein, jedoch nur e 9 Jahren nah verbüßter Strafe, versagt werden. …_ Tritt bei einer mit einem Jagdscheine versehenen Person später ein Grund ein, aus welchem die Ertheilung desselben hätte versagt werden müssen oder können, oder wird das Vorhandenfein eines solchen Grundes erst später entdeckt, so muß oder kann der Jagdschein wicder

abgenommen werden.

auf Grund dieses Geseßes verhängt werden, sowie de Untecr- |

S. 4. Die Nichtbeaßtung der im 8. 1 f \chri wird bestraft wie E chtung 8 ertheilten Vorschriften 1. Wer ohne einen Jagdschein gelöst zu haben; die Iaad aue t, für jede Uebertretung mit einer Geldstrafe von 8 bis 35 Galdee

2. wer seinen Jagdschein bei Ausübung der Jagd nf ei fi führt, verfällt in eine Geldstrafe bis zu 8 ulden; E

, 3. wer einen nicht auf seinen Namen lautenden fremden oder einen son abgelaufenen Jagdschein benußt, um sich damit zu legiti- miren, hat eine Geldstrafe von 8 bis §85 Gulden verwirkt.

§. 9. Die zur Zeit in Gemäßheit der Verordnung der Regierung zu Sigmaringen vom 2. August 1853 (Amtsblatt 2. 202) unentgelt- lich ausgegebenen Jagdscheine verlieren mit Ablauf von 14 Tagen, nachdem dieses Geseß in Kraft getreten ist, ihre Gültigkeit.

Motive.

In den Hohenzollernschen Landen sind {on vor ihrer Vereini- gung mit dem preußischen Staatsgebiete alle Jagdrechte auf fremdem Grund und Boden ohne Entschädigung aufgehoben worden, in Sig- Seite hg) 0) das Ss Doi 55. Juli 1848 (Verordnungs-Blatt , in, Hechingen durch das Geseß vom 16. April 1849 (Ver- ordnungs- Blatt Ba f ch das Gescß vom 16. April 1849 (Ver __ Vas Sigmaringenshe Geseß vom 25. Juli 1848 legt fede Grundeigenthümer das Recht L tas Wild auf seinecu Genbitfifen zu angen und zu tödten und überläßt im Uebrigen den Gemeindebe- örden, wegen einer geordneten und gefahrlosen Ausübung der Jagd die erforderlichen Anordnungen zu treffen. Insbesondere sollen auch die Gemeinden sowohl, wie jede Gemeinschaft von Grundeigenthümern befugt sein, die Jagd auf den ihnen eigenthümlich zustehenden Grundstüden zu verpachten oder durch einen Jäger ausüben zu lafsen.

4 „Das Hechingensche Geseß vom 16. April 1849 läßt die selbst- ständige Ausübung der Jagd Seitens der einzelnen Grundbesißer nur auf zusammenhängenden Flächen von mindestens 40 Morgen zu. Auf allen übrigen Grundstücken muß die Jagd durch die Gemeinden aus- geübt werden und zwar entweder dur Verpachtung oder durch An- A T tratons, oder endlih durch Ausgabe von

annten Jagdpatenten an unbeschol n Tragen der Waff berechtigte Mann n unbescholtene, zum Tragen der Waffen : m Uebrigen enthält weder das eine, noch das Ses s jondere lagdpolizeilihe Bestimmungen. S R A e

Der Mangel solcher Vorschriften machte sich bald fühlbar und veranlaßte die Regierung zu Sigmaringen bereits im Anfange der 1850 er Zahre zu dem Antrage, das Jagdpolizeigefez vom 7. März 1850 mit den durch die dortigen Verhältnisse bedingten Modifikationen in den Hohenzollernschen Landen einzuführen.

a Eu FADIN an die schon damals beabsichtigte Revision der Pag wo Le zjeßgebung ist jedoch diesem Antrage keine Folge gege- „_ Nur ein Geseß über die Hege- und Schonzeiten des Wildes if für die Hohenzollernschen Lande unterm 2. Mai 1853 (Geses-Sacumnl Seite 178) ergangen. Im übrigen aber hat man si darauf beschränkt, die Jagdpolizei im Verwaltungswege insoweit zu regelu, als dies ge- seglih zulä)fig erschien. Zu diesem Zwecke ist von der Regicrung ‘zu Sigmaringen unterm 2. August 1853 (Amtsblatt Seite 203) eine Polizei-Verordnung erlassen worden, in welcher bestimmt ist: daß cin Jeder, welcher die Jagd ausüben will, gleichviel, ob als Eigenthümer, Pächter, _Administrator, auf Grund eines ihm von der Gemeinde er- theilten Jagdpatentes oder sonst ih bei Vermeidung einer Geld- strafe bis zu 15 Gulden cinen zu seiner Legitimation dienenden für jeinen Jagdbezirk gültigen, auf ein Jahr und auf seine Person lau- tenden Jagdschein von dem für seinen Wohnsiß zuständigen Königlichen Oberamte ertheilen lassen und denselben bei der Ausübung der Jagd stets Pei sich führen muß. S) | , Die Entrichtung einer Gebühr für einen solchen Jagdschein ift in der gedachten Polizei-Verordnung nicht vorgeschrieben und fonnte auch in derselben nach Lage der Gejeßgebung nicht vorgeschrieben wer- den. Eben deshalb hat aber die Maßregel den erwünschten Erfolg nicht gehabt, namentlich der immer weiter um fich greifenden, in ihren Extremen gemeingefährlihen und den volkswirth\czaftlichen In- teressen zuwiderlaufenden Ausbreitung der Jagdliebhaberei nicht ent-

gegengewirft.

Wie ungünstig in dieser Bezichung die Verhältnisse in den Ho- henzolernshen Landen im Vergleich zu den übrigen Landestheilen liegen, ergiebt sich aus den statijtishen Nachweisungen über die aus- gegebenen Jagdscheine. i

In den 8 älteren Provinzen sind während der Iahre 1867, 1868 und 1869 zusammen 279,028, also pro Jahr durdscnittlich 93,009 Jagdscheine ausgestellt worden. Bei einer Bevötkerungszahl von 197 Millionen fommt hiernach auf 210 Einwohner ein Jagdfchein. 2 : . Dagegen beträgt die Zahl der während des gleichen Zeitraums in den Hohenzollern|chen Landen ausgestellten Jagdscheine 2434, mithin pro Jahr 811. Etwa 23 Personen haben aber jährlich 2 Jagd- karten erhalten. Rechnet man eine gleiche Anzahl Jagdkarten ab, so stellt fich der jährlihe Durchschnitt auf 788 und kommt daber bei einer Einwohnerzahl von 65,000 auf je 82 Seelen eine Jagdkarte.

ÉZn neuester Zeit scheint die Zahl der Jäger noch mehr ange- wachsen zu sein. : :

Das Oberamt zu Sigmaringen hat allein im Jahre 1871 482. Jagdkarten ausgestellt, so daß innerhalb dieses Bezirks {on auf 44 Seelen eine Jagdkarte trifft. : :

B.i Gelegen zeit einer vor Kurzem in Sigmaringe: stattg:labten Be-athung über den Er! ei es Geseß-8 wegen Ein ichtung von Amts- verbänden und eines Landes-Kommunalverband s in den Hohenzollern- fen Landen ist von den dabei zugezogenen Vertrauens nänzern wieder- ho.t auf diese Uebelstände aufmerkjam gemacht und die dringende Bitte ausgesprochen worden, auf den Ertaß eines Jagdpolizei-Ge}eßzes eder doch mindestens auf die ungesäumt: geseßliche Einführung einer Jagdscheingebühr in den Hohenzollernschen Landen Bedacht zu nehnren.

Dem Erlasse eines die gesammte Jagdpolizei in desen Landes- theilen regelnden Gescßes steht das schon früher erhobene Bedenieu ge;enwaärtig um so mehr entgegen, als voraussihtlich der Zeitvunkt nicht mehr fern liegt, wo die ¿llgemeine Reform der Jagdpolizei-Gesfeßz- gebung im Gebiete der gesammten Monarchie in Angriff genommen werden fann. Di- Staatsregierung beabsichtigt, damit vorzugehen, fobald die legislatorishen Verhandlungen über den Entwuf etner neuen Kreis- ordnung zum Abschluß gelangt und damit geeignete Organe für die Ausführung und Entscheidung in jagdpolizeilichen An elegenheiten ge- \haffen find. Unter diesen Umständen erscheint es nit rathsam, für einen einzelnen, verhältnißmäßig kleinen Landestheil, ein besonderes Zagdpolizeigeseß vorweg zu erlassen und ebensowenig empfiehlt es si, das Jagdpolizeigeseß vom 7, März 1850 mit allen seinen Lücken und Mängeln provisorisch in den Hohenzollernschen Landen einzuführen.

Dagegen steht nichts im Wege, dem eventuell gestellten Antrage auf enne Einführung einer Jagdscheingebühr zu entsprecen.

„… Vas Bedürfniß und die Zweckmäßigkeit einer folhen Maßregel läßt fich nicht in Zweifel ziehen. Sie wîkrd, veraus- ge]ebt, daß die Gebühr nicht zu niedrig bemessen wird, die wohlthätige Folge haben, daß die Zahl der Jäger fich ver- mindert, daß namentli die kleineren und unbemittelteren Grundbesißer es vorziehen werden, sih der eigenen Ausübung der Jagd zu enthalten, ihre Grundstücke in den Gemeindejagdbezirk einzuwerfen und ih auf diese Weise eine Einnahme aus der Jagdnußung zu fichern, ohne ge- nöthigt zu sein, ihrerseits Zeit und Kosten aufzuwenden. |

Gine weitere Folge wird die sein, daß etne beffere Arrondirung der Jagdbezirke erreicht wird. Endlich kommt guch in Betracht, daß den Ober - Amtsbezirken durch die Jagdscheingebühr eine ständige Einnahme zugeführt wird, welche zu gemeinnüßigen Zwecken verwendet tat. Cz ;

__ Diese Ziele verfolgt der vorliegende Geseßentwurf Einzelbestimmungen Folgendes zu bemerken t 9 O Bu 99. 41 und 2. Die S8. 1 und 2 {ließen sich im Wesent- lichen den Vorschriften des §. 14 des Jagdpolizeigeseßes vom 7. 9 ärz 1850, - jedoch mit der Abweichung an, daß die Jagdscheingebühr von 1 Thlr. auf 5 Gulden erhöht werden foll. :

Der gewählte Saß hält eine angemessene Mitte zwischen den in den benachbarten Territorien zu entrihtenden Yeträgen, 4 Gulden