1873 / 31 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 03 Feb 1873 18:00:01 GMT) scan diff

Ein National-Denkmal des Königs Friedrich Wilhelm 11,

Als in dem Jahr 1813, dem Aufruf des Königs Friedrich Wilhelm 111. vom 3. Februar folgend, die vaterländische Jugend zu den Waffen eilte, um fich zur Befreiung des Vaterlandes dem Heere anzuschließen; als Vereine fih bildeten, um den UnbegÜü- terien die Mittel zur Ausrüstung zu verschaffen; als Einzelne aus allen Klassen und Ständen der Nation durch Unternehmun- gen, Sammlungen und Beiträge fih beeiferten, ein Ieder in \ei- nem Kreise und nah seinen Kräften, mitzuwirken zu dem großen Zwecke, erließ der König, um für diese denkwürdige Zeit mit dem Krieger-Verdienst auch das Bürger-Verdienst zu ehren, die nah- folgende, den Grundstein des „National-Denkmals * bik-

dende Kabinets-Ordre : „Berlin, den 27. März 1813.

„Die Opfer, welche jeßt dem Vaterlande in so mannigfacher Art dargebraht werden, find bis jegzt von vérshiedenen Behöôr- den nur theilweise und zerstreut in den öffentlihen Blättern be- kannt gemacht, viele dersclben find aber ganz unbekannt geblie- ben; gleihwohl erheisht es der hohe Nationalgeift, welher Mein treues Volk belebt, daß Alles, was von diesem treven Sinn in Anerbietungen, Entsagungen, Beiträgen und allen sonstigen Auf- opferungen in dieser Katastrophe für das Vaterland Gutes aus- geht, zu einem geshlossenen Ganzen gesammelt, und so ein Denk- mal der Nation werde. Dieses Geschäft will Ih der General- Ordens-Kommission hiermit auftragen, und veranlasse daher. die- selbe, von allen Civil- und Militär-Behörden, auh Privatver- einen, die diesfälligen Notizen einzuziehen, und \olhe in eine fortlaufende, von Zeit zu Zeit durch den Dru öffentlih bekannt zu machende Saminlung zu bringen, bis dahin aber von den bis jeßt vorgekommenen die ausgezeihnetsten Handlungen in einem gewählten Auszuge Mir anzuzeigen, und hiernächst in angemesse- nen Zeitabschnitten damit fortzufahren. Die unbedeutenden Bei- träge von wenigen Thalern werden ganz weggela}sen, obglei sie mit Rückficht auf das Vermögen dessen, der sie darbringt, den erheblichern oft nihts nahgeben, \ondern vielleiht vorstehen mö- gen. Uebrigens wird der Gcheime Kabinets-Rath Albrecht die von ihm bisher gesammelten Notizen der General-Ordens-Kom- mission für den obigen Zweck zustellen.

Friedrich Wilhelm.“

Siernach wurden von der General-Ordens-Kommission nicht nur die oberen Staatsbehörden, Militär-Gouvernements und Re- gierungen um Mittheilung der in ihrem Geschäftsbereiche bekannt gewordenen patriotishen Handlungen und Opfer ersucht, sondern auch aus den Zeitungen und Volksblättern jede Notiz über solche Fälle mit Sorgfalt herausgehoben.

Um dem „National-Denkmal“ in Hinsicht“ der Opfer die er- reihbar möglihste Vollständigkeit zu geben, auch zugleich dur die Einheit der Form die Uebersicht des Ganzen und des Ein- zelnen zu erleichtern, wurde ein Schema zu Listen mit bestimm- ten Rubriken entworfen, und zugleih mit einer gedruckten „JIn- struktion zur Ausfüllung des anliegenden Schemas“ den König- lihen Regierungen mitgetheilt, um danach durch die Landräthe und Magistrate die in jeder Gemeinde vorgekommenen und be- kannt gewordenen patriotischen Handlungen und Opfer zusam- menstellen zu lassen.

Ehe indessen diese Zusammenstellung vollendet war, brach der Krieg mit Frankreih von Neuem aus; neue Opfer wurden unaufgefordert von der Nation dargebracht, neue patriotische Háändlungen reihten fich den früheren an.

Da es der Gerechtigkeitsliebe des Königs entsprach, diesen neuen Opfern und Handlungen, welche die Liebe zum Vaterlande und zum Frieden erzeugte, eine gleihe Anerkennung zu Theil werden zu lassen, wie denen in der Periode des ersten Kampfes, wurde die General-Ordens-Kommission bestimmt, die patriotischen Handlungen und Opfer der drei Jahre 1813, 1814 und 1815 in einer Darstellung zu vereinigen.

Die aus diesen Materialien abgefaßte Zusammenstellung fin- det fich in einem Aktenstück der Königlichen General-Ordens-Kom- mission, welhès den folgenden Titel führt:

„National-Denkmal“ oder summarische Darstellung der pa- triotishen Handlungen und Opfer der preußishen Nation wäh- rend der Jahre 1813, 1814, 1815, bearbeitet auf Befehl König Friedrih Wilhelms Ul, von der Königlichen General-Ordens- Kommission.

Aus diesem Aktenstück hat der Professor der Chirurgie an der Königlichen Universität zu Berlin, Dr. Gurlt, eine Darstellung über die freiwilligen Leistungen des preußischen Volkes in den Kriegsjahren 1813—15*) publizirt, welche der folgenden Mit- theilung zu Grunde liegt. Um jedoch den maßgebendèn Stand- punkt für den Umfang und die Größe der damaligen freiwilligen Leistungen des preußishen Volkes zu gewinnen, geben wir zu- nächst ein Gesammtbild der damaligen Bevölkerungs- und Wohl- ftandsverhältnisse der Monarchie.

Der preußishe Staat umfaßte im Anfang des Jahres 1806 5610 geographische Quadratmeilen mit 10,023,900 Einwohnern. Durch die unglücklihhen Kriegsereignisse dieses Jahres und den auf dieselben folgenden Frieden zu Tilfit (9. Juli 1807) wurde dem Staate mehr als die volle Hälfte seines früheren Umfanges entzogen. Nach öffentlih bekannt gemachten Nachrichten war die Bodenfläche und Bevölkerung im Jahre 1808/9 folgende:

Reg.-Depart. Ostpreußen . 386 Qu.-M. 488,618 Einw.

- Litthauen . 315 389,944 Westpreußen 343 366,489 Pommern 442 524,170 Kurmark 416 715,361 Neumark 210 266,100 Liegnitz . 232 610,304 Breslau . 436 1,296,320 zusammen . 2780 Qu.-M. 4,652,906 Einw.

Nach den Berechnungen von Dieterici (cf. der Volkswohl- ftand im preußischen Staate S. 41) erwarb die preußische Nation vor 1806 durch Produktion, Fabrikation, Handel 2c. jährlih für 147,250,000 Thlr. oder auf den Kopf der Bevölkerung für 143/, Thlr. Nimmt man an, daß dieser Erwerb sich auf alle Theile des Staats von 1806 gleihmäßig vertheilte, so mußte sh. derselbe nah Verringerung des Staatsbestandes auf jährlich ca. 68,340,000 Thlr. ermäßigen. Ueberdies erforderte die Unter- L der im preußischen Staat zurückgebliebenen französischen

ruppen in jedem der Iahre 1807 und 1808 einen Mehrauf- wand von 20 Millionen Thaler, denen \päter noch 32 Millionen

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Thaler baarer Kriegskontributionen hinzutraten. Die für 1808 9 an-

gegebene Einwohnerzahl Preußens hatte sonach 30 bis 40 Millionen Thaler mehr als bisher in einem Jahre aufzubringen und mußte ca. 6 bis 8 Thlr. pro Kopf mehr als bisher erwerben. Dies wäre jedo in einer Zeit, in welcher die Güterquellen der Nation erschöpft waren, viele Felder unbestellt lagen, der Viehstand auf vielen Landgütern ganz vernichtet, auf allen fas vermindert war, die Kapitalien verloren gegangen und der auswärtige Handel ganz gehemmt war, ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, wenn nicht

*) Publizirt in der Zeitschrift für preußische Geschichte und Lan- deskunde (IX. Jahrg., Heft Nr. 12 von 18 Ne 191d

J vinz noch manche gewaltsame Verluste zu.

in der Zeit von 1807—12 der weise Sinn Friedrich Wilhelms Il]. und seiner Staats-Minister, Mittel gefunden hätte, die Kraft der Nation lebhafter als früher zu entwickeln, Zufriedenheit im eigenen Berufe, Liebe zum Könige und zum“ Vaterlande zu erwecken. ie Geseßgebung jener Zeit erhielt sehr bald ihrep Ee Geltung und Bedeutung, als am 3. Februar 1813 „der König rief und Alle, Alle kamen“ und dié icht selbs kommen und mit gegen den Feind - ziehen konnten, fie \spendeten mit vollen änden von Dem, was ihnen nah vielen trüben Iahren ver- lieben, um die Lasten und Leiden des Krieges mildern zu helfen. Aber nicht blos die nach dem Frieden von Tilsit verbliebenen, sondern auch die 1807 verloren gegangenen Provinzen benußten die Gelegenheit, ihre Liebe für das angestammte Regentenhaus dur patriotische Handlungen - und Opfer zu bekunden. In welchem Umfange dies in den einzelnen Landestheilen der Fall gewesen, wird die nachfolgende Darstellung näher ersehen lassen.

Das Regierungs-Departement Ostpreußen, den heutigen Regierungsbezirk Königsberg ausmachend, hatte seit 1807 dur Lähmung des Handels und Verkehrs, durch \{lechte Ernten, Viehseuhen, Truppendurchmärsche und Plünderungen fehr viel gelitten. Ungeachtet dessen ergriff man mit Freuden die Gelegen- heit, als es fich darum handelte, für die Sache des Vaterlandes Alles zu wagen. Schon am 5. Februar 1813 beschlossen die Stände von Litthauen, Ost- und Westpreußen, eine Landwehr von 20,000 Mann mit einer Reserve von 10,000 Mann zu er- richten. Das in der Folge von diesen Provinzen errichtete Na- tional-Kavallerie-Regiment und die in Königsberg gebildete Jäger- Compagnie bestànden größtentheils aus Freiwilligen und erfor- derten einen Kostenaufwand von 191,533 Thlrn. Vergleicht man die Zahl der Kämpfer aus diesen Provinzen mit der ganzen männlihen Bevölkerung, fo ergiebt fich, daß von 100 männ- lihen Seelen 16 und von 100 Erwachsenen im Alter von 18 bis 45 Iahren, 45 Mann die Waffen ergriffen haben. Von der ansehnlihen Summe von 259,836 Thalern, welhe in Königs- berg an freiwilligen Beiträgen eingegangen waren, wurden 164,813 Thlr. zu Zwecken der Ausrüstung und Vertheidigung, 95,023 Thlr. zu Wohlthätigkeitszwecken verwendet. Die Ge- sammtsumme aller freiwilligen Leistungen im Regierungs-De- partement Königsberg belief fih auf 417,925 Thlr.

Der Wohlstand des dem heutigen Regierungsbezirk Gum- binnen entsprehenden Regierungs-Departements Litth auen, war \chon dur die Kriegsleistungen von 1807 in seiner Grundlage ershüttert worden. Dem Abzuge der Franzosen folgte eine Vieh- \seuche, die über drei Viertel des Rindviehs fortraffte. Selbft der Segen ciniger demnächst folgenden fruchtbaren Jahre konnte dem Grundbesizer eine Erholung niht gewähren, da die Kontinental- sperre den auswärtigen Absatz hinderte und der Werth des Ge- ireides unter dem Produkrionswerthe stand. Das Iahr 1811 war andererseits durch Dürre so unfruhtbar, daß der König Getreide zu Brot und Saat aufkaufen lassen mußte, das aber, bevor es zur Vertheilung gelangen konnte, im Jahre 1812 beim plößlihen Einmarsche der Franzosen in Beschlag genommen wurde. Alle Zugkräfte und Transportmittel wurden für die Armee in Thätigkeit geseht; die nach Rußland mitgeshleppten Pferde kamen aus Futtermangel um. In folhem troftlosen Zu- stande kehrte erf zu Anfang 1813 den Einwohnern Litthauens die Hoffnung wieder, und in Erwartung einer besseren Zeit, gaben fie das Letzte hin. Besonders zeihneten fich die Kreise Gum- binnen, Angerburg, Rhein, Olehko 2c. dur freiwillige Leistun- gen aus, deren Gesammtbetrag in ganz Litthauen 255,786 Thlr. erreichte, von welchen 222,022 Thlr. zu Ausrüstungs- und Ver? theidigungszwecken und 33,764 Thlr. zu Wohlthätigkeitszwecken verwendet worden sind.

Die Provinz Westpreußen war in dem Kriege 1806/7 selbst nah dem Frieden noch lange dem Drucke des Feindes aus- seßt; der auf dem linken Ufer der Weichsel und Nogat gelegene Theil mußte solchen bis 1808 erleiden. Der andere, fruchtbarere Theil, litt zwar nicht so lange, aber defto härter durch das Sy- ftem des Feindes, aus diesem Landstriche im Winter 1806 7 sein ganzes Heer zu verpflegen und seine Reiterei zu ergänzen. In Folge davon befand fih 1807 der größte Theil der Einwohner ohne Inventarium und Saat. Später hinderte die Handelsfperre das Aufkommen des früheren Wohlstandes und der Durhzug der Heere im Jahre 1812 zerstörte von Neuem, was in vier kuminervollen Jahren gepflanzt und ergänzt worden war. .In diesem Zustande befand fich Westpreußen, als es darauf ankam, zur Befreiung des Vaterlandes die lezten Kräfte aufzubieten; und es hat rühmli& dazu mit beigetragen. Besonders hervorzu- heben find die Leistungen der Stadt Danzig, welche, obglei sie dur die 11 Monate des Jahres 1813 währende Belagerung schwere Leiden zu ertragen gehabt, doch nach Aufhebung dersel- ben und im Jahre 1815 freiwillige Aufwendungen im Betrage von 52,149 Thlr. machte. Auch Marienburg und Elbing ei neten sich dur zahlreiche patriotishe Beiträge in hervorragender Weise aus und wurde dies durch besondere Kabinets-Ordres des Königs anerkannt. Die Gesammtsumme der freiwilligen Leistun- gen Westpreußens belief fich auf 392,668 Thlr.

Der Provinz Pommern, welche die , feindlihen Truppen bereits in den leßten Monaten des Jahres 1806 okkupirt hatten, wurden während der Dauer des Krieges ansehnliche Leistungen auferlegt, deren Betrag fich auf mehr als 22 Millionen Thaler ergab, die, ohne Anlehen, aus dem Privatvermögen der Ein- wohner gedeckt wurden. Als nah zweijähriger Okkupation die Provinz, mit Ausnahme Stettins, von den fremden Heeren ge- räumt wurde, hatte dieselbe noch vom Dezember 1808 bis No- vember 1810 zur Verpflegung der fremden Truppen in den drei Oderfestungen und auf den Militärstraßen in Pommern beizu- tragen, auch 1811 verschiedene Leistungen, welche die angeord- nete Strandbesezung erforderte, zu vergüten. Der Durhmarsch der Franzosen und ihrer Alliirten im Jahre 1812, zog der Pro- Gleihwohl wurde, als es im Iahre 1813 der Aufbietung aller Kräfte zur Be- freiung des Vaterlandes bedurfte, die Bildung eines National- Kavallerie-Regiments beschlossen und mit einem Kostenaufwande von 89,536 Thir. zu Stande gebracht. Außerdem bewies die Provinz durch patriotische Beiträge für die Ausrüstung der Freiwilligen, die Pflege der Verwundeten 2c., welhe den Betrag von 572,607 Thlr. erreihten, einen rühmlihen Antheil an der Sache des Vaterlandes.

Die Kurmark wurde durch den Krieg von 1806 und die auf ihn folgenden Bedrückungen bis zum Jahre 1809 mit einer Schuldenmasse belastet, welche für Berlin einige Millionen und für den übrigen Theil der Provinz ca. 14 Millionen Thaler be- trug. Im Jahre 1812 wär die Schuldenlast aller Städte noch sehr bedeutend und der Kredit der Grundbesißer durch Verminde- rung des Werths der Grundstücke sehr gesunken. Unter diesen Umständen mußten die ‘drückenden Durhmärsche der französischen Heere im Jahre 1812 die Erschöpfung der Provinz vollenden.

Kaum war indeß im Februar 1813 der Augenblick gekommen,-

dem Vaterlande die lehten Kräfte zu widmen, so mahten die Stände dem Könige das Anerbieten, für die Ausrüstung und Unterstüßung der Freiwilligen ih zu vereinigen. Nächstdem

trafen aber große und \chwere Leistungen die Kurmark in dem

gedachten Jahre. Bis zum Herbste standen- die Heere des Freuu - des und des Feindes in SiSte von 200,000 Mann in derselben und lieferten Gefehte und Schlachten. Die Kriegslasten der Kurmark in den Jahren 1813—1815 können auf über 40 Mil- lionen Thaler geshäßt werden. Ungeachtet dieser MRren ag wurden dennoch von den Einwohnern der Hauptstadt, der übri- gen Städte und des flachen Landes sehr bedeutende freiwillige Opfer gebraht, deren Gesammtsumme fich auf 2,239,313 Thlr. po von welchen allein die Stadt Berlin 1,629,893 Thlr. eitrug. s

Die Neumark, die kleinste Provinz der Monarchie, hatte seit dem Ausbruch des Krieges von 1806 durch Militärdurh- märsche aller Art vielfach gelitten. Die von dieser. Provinz, welche keine großen, volkreihen und wohlhabenden Städte ent- hält und nur wenige vermögende Privatleute und Gutsbefiger zählte, gebrachten Opfer, erscheinen daher, im Verhältniß zu ihrem Umfange und zu ihrer Bevölkerung um \o bedeutender, als die- selbe noch an außerordentlichen Kriegsleistungen in der gedachten Periode beinahe 2 Millionen Thaler aufgebracht hat. Wenn auch

kein Kreis uud kein Ort in Erfüllung der dein Staate huldigen

Pflichten zurückblieb, so verdienen do der Kreis Landsberg, sowie die Städte Landsberg und Züllichau besonders genannt zu werden. Auch der Cottbuser Kreis, welcher ers im November 1813 wieder mit dem Mutterlande vereinigt wurde, bewies seine Anhänglichkeit an dasselbe auf eine ähnlihé Weise. Die frei- willigen Leistungen der Neumark beliefen sfich auf überhaupt 251,376 Thlr.

Der Wohlstand, dessen sich die Provinz Schlesien vor 1806 erfreute, wurde durch die Bedrückungen des Feindes in den Jahren 1806/7 sehr erschüttert und sank sowohl dur die un- mittelbaren Folgen des Krieges, als auch durch die Hemmung der Ausfuhr der \{lesishen Leinwand zur See und dur die nachherige Unterbrehung des Tuchhandels nah Asien und Ruß- land mit jedem Iahre mehr. Beim Durchmarsche der Franzosen im Jahre 1812 wurden der Provinz, zur empfindlichsten Be-= nachtheiligung des Feldbaues, mehrere Tausend Pferde entzogen, welche, von den französishen Truppen nah Rußland mitgenom- men, dort verloren gingen. Soviel indeß auch die Provinz dur die Folgen dieser drückenden Verhältnisse gelitten, so gin- gen dennoch aus allen Theilen derselben Anerbietungen -und Opfer ein, -als der König im Februar 1813 zu Breslau Die Kriegsrüstungen anordnete, und ungeachtet der ppen Laften und Leistungen, welhe die Provinz im Iahre 1813 als eine Folge des feindlihen Einfalles trafen, ermüdeten denno die Einwohner nicht in Darbringung freiwilliger Gaben, deren Ge- sammtbetrag sich 1813 15 auf 1,056,274 Thlr. belief, von welchen 265,246 Thlr. auf die Stadt Breslau kommen.

Rekapitulirt man hiernah die Gesammtzahlen der freiwilliz gen Leistungen, gesondert nah den Verwendungen, welche die Provinzen, aus welchen der preußishe Staat damals zusammen- geseßt war, darbrachten, so erhält man folgende Uebersicht : Gesammtsumme zu Ausrüstungs=| der freiwilligen | und Vertheidi- ¡zu Wohlthätig-

Leistungen | gungszwecken feitszwecken 1) Ostpreußen 417,925 Thlr. 299,597 Thlr. 118,328 Thkr. 2) Litthauen 255,786 222022 ; 33,764 3) Westpreußen 392,686 350,312 42,356 4) Pommern 572,607 439,122 133,485 5) Kurmark 2,239,313 1,358,276 881,037 6) Neumark 251,576 208,077 43,299 7) Schlesien 1,0566274 „, 695,220 - 361,054

Zusammen 5,185,949 Thlr.3,572,626 Thlr.1,613,323 Thlr.

Provinzen :

V U Y V =w= F A R

Vertheilt man den Gesammtbetrag dieser freiwilligen Lei-

stungen auf die Bevölkerung des Staats in seinem damaligen Umfange, so kommt dur{chschnittliy auf jeden Kopf ein Betrag von 1,11 Thaler, der als sehr bedeutend ersheint, wenn verück- sichtigt wird, daß außerdem die Provinzen dur Kontributionen und anderweite Leistungen erheblih in Anspruch genommen wur- den. Auch if in Betracht zu ziehen, daß die gedachten Pro- vinzen 36,019 Freiwillige, von denen fih 13,951 selbst ausge- rüstet haben, stellten, ebenso 150,641 Landwehrmannschaften, zu deren Ausrüstungs- und Unterhaltungskofsten fie 3,961,488 Thlr. verwendet haben. Sließlich ist auch noch der freiwilligen Leistungen derjenigen Landestheile, welhe durch den Tilsiter Frieden von Preußen los- erissen wurden, mit einigen Worten zu gedenken. Im Groß- Lerzogtbcn Posen, welches bei Ausbruch des Krieges 1813 einen Theil des Herzogthums Warschau ausmachte und erst im Iahre 1815 an Preußen zurückam, betrugen die freiwilligen Gaben seit der Wiedervereinigung bis Ende 1815 im Ganzen 44,644 Thlr. Die Provinzen zwischen der Elbe und Weser waren bis zur Schlacht von Leipzig größtentheils von den: Heeren der Franzosen und ihrer Alliirten beseht und konnten an den Anstrengungen für das Vaterland im Ganzen nicht Theil nehmen. Nach jener Schlacht durhzogen die siegenden Armeen den größten Theil dieser Provinzen und die Lieferungen für die Magazine, sowie die Einquartierung der Truppen nahmen die lezten Hülfsquellen des Landes in Anspruch. Ungeachtet dessen bewährte es sich auch hier auf die rühmlihste Weise, daß eine fiebenjährige Trennung vom Mutterlande die An- hänglihkeit an dasselbe niht vertilgt hatte. Die frei- willigen Sammlungen und Aufwendungen in den einzelnen

Kreisen und den hauptsächlihsten Städten, erreichten einen Ge- *

\ammtbetrag von 902,123 Thlr. Die Provinzen zwischen der Weser und dem Rhein endlich, welhe 1806 verloren gegangen, waren durch bedeutende Kriegs-Kontributionen, unver- bältnißmäßig starke Aushebung der jungen Mannschaft, dur Sperrung alles auswärtigen und Belaftung des inneren Ver- kehrs, sowie durh cine Menge neuer Steuern in L früheren Wohlstande fehr geschädigt. In einem großen Theile derselben erreichte das Elend und die Verarmung während der beiden leßten Jahre der Be Le einen hohen Grad. Wecenngleih die Kriegsereignisse von 1813 die Fremdherrschaft zerstörten , so waren doch neue Opfer erforderlich, um den Siegen der Ver- bündeten den Erfolg zu sichern. Dennoch hat eia jeder dieser Landestheile nah seinem Vermögen und Kräften die Sache des Vaterlandes noch durch freiwillige Leistungen, deren Gesammi-

betrag sich auf 451,110 Thlr. belief, gefördert.

Rechnet man die zuleßt gedachten Beträge denjenigen hinzu, / * welche die dem Staate verbliebenen Provinzen aufgebracht haben, so ergiebt sih ein Gesammtbetrag von 6,583,826 Thlr., von welchen

4,605,649 Thlr. zu Ausrüstungs- und Vertheidigungszwecken und

1,978,177 Thlr. zu Wohlthätigkeitszwecken verwendet worden

sind. Diese für jene Zeit ganz bewundernswerthen Leistungen sprechen fo für ih fesbst , daß fie eines weiteren Kommentars nicht bedürfen.

Redaktion mund Randauitncr: S chwieger.

Berlin, Verlag der Expedition (Kesfel). Dru: H. Heiberg. Vier Beilagen

einschkießlich der Börseu-Beilage).

Erste Beilage

t

| Me zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

e 31.

Landtags - Angelegenheiten.

Berlin, 3. Februar. Dem Herrenhause ift folgender Entwurf eines Gesehes über das Grundbuchwesen in der Provinz Hannover, mit Aus\chluß des Iade- gebietes vorgelegt worden : -

Mir Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen 2c. verordnen für die Provinz Hannover, mit Auss{luß des Jadegebietes, E Ras der-beiden Häuser des Landtags Unfercr Monarchie, was Toigr: :

8. 1. Das Gesez über den Eigenthumserwerb und die ding- liche Belastung” der Grundstücke u. f. w. vom 5. Mai 1872, die Grundbucherdnung vom 5. Mai 1872 und daë Geseß vom 5. Mai 1872, betreffend“ dië Skempelabgäben von gewissen, bei dem Grund- Ma, anzubringenden Anträgen, werden in der Provinz Hannover eingefuhrt. ius : i

Von dieser Einführung bleiben für die gemeinrechtlichen Bezirke und das Cíchsfeld die §8. 49, 73, für die ganze Provinz die §8. 133 und 141‘ ünd der Kostentarif dèr Grundbuchordnung ausges{losfen.

8 2. Die in den eingeführten Geseßèn in Bezug genommenen geseßlihen Vor'chriften, welche in der Provinz Hannover nicht gelten, fommen- nicht zur- Auwendung. Î

8. 3. Unter deu Prozeßvorschriften, welche nah den eingeführten Geseßen Anwendung finden, sind die Vorschriften des in der Provinz Haunover gelt nden Prozeßrehts zu verstehen.

Die” Vorschriften der bürgerlichen Prozeßordnung vom 8. Novem- bér 1850 über öffentliche Ladungen finden in Verbindung mit den 88S! 103— 111 der“ Grundbuchordnung auf das Grundbuchwesen eut- sprechende Anwendung. G

Ein vollstreckbares Erkenntniß ift von dem Grundbuchamt cinem rechtsfräftigen gleih zu achten.

8. 4. Untex dem Gericht der belegenen Sache ist das Amtsge- richt zu verstehen. /

8. 5. An die Stelle des 8. 20 Absatz 1 der §. 22, 23, 24 der Grundbuchordnung treten folgende Bestimmungen : i

fe Grundbuchwesen gehört zur Zuständigkeit der Amts- gerichte:

Ren Amtsgericht bildet ein Grundbuchamt.

Die Dienstaufficht und die Beschwerdefüh: ung wird durch die Vorschriften geregelt, welche in Sachen der freiwilligen Ge- richtsbarfkeit gelten.

8. 6. Auf dem Titel des Grundbuchblatts ift bei ländlichen Grundstüfen! auch däs Amt anzugeben.

An Stelle des Landraths ist nach §. 57 der Grundbuchordnung die Benachrichtigung an den Kreishauptmaunn zu richten.

8. 7. Im Falle tes sogenannten getheilten Eigenthums ift unter dem Eigenthümer uud dem Eigenthum der Untereigenthümer und das Untereigenthum zu verstehen.

8. 8. Die bestehenden Rechtsnormen, nach welchen die Theilung cincs Bauerhofes, die Veräußerung einzelner Theile des- selben, die Vereinigung eines Bauerhofes mit anderen Grund- stücken, imgleichen die Rechtsnormen, nach welchen die Ver- außerung oder Theilung von Bürgergütern (auch getheilten Laischafts- grundstücken- in der Stadt Osnabrück) verboten oder an die Geneh- migung einer Regiminal- oder Gerichtsbehörde gebunden sind, werden, so weit sie von dem sonst geltenden Rechte abweichen, aufgehoben und fann-auf Grund derselven eine früher stattgehabte Veräußerung oder Ucbertragung fernerhin nkcht angefohten werden.

Außerdem werden die für die fogenannten Höfekontrafte (Hofübertra- gungs-, Ehe-, Akfindungs-, Altentheils-, Jutecimswirthschafts-Kontrakte u. f. w.) bestehenden besouderen Rechtsnormen, nach welchen dieselben zu ihrer Gültigfeit der Mitwirkung oder Genehmigung einex; Behörde

M L oder der ffentlichen Beurkundung bedürfen, cufgehoben, insbesondere

tritt das Geseß vom 17. Juni 1857, die Zuständigkeit der Verwal- ags erden hinsihtlih der fogenannten Höfekontrakte betreffend, außzer Kraft.

8.9. Ueber das Gesuh auf Eintragung einer Vormerkung ist

von dem Prozcßrichter nah den Vorschriften über das Verfahren im Arrestproze) u entscheiden. i

8. 10. Eingetragene dingliche Rechte können weder durch Er- sißung eines entgegenstehenden dinglihen Rechts, noch durch Verjäh- rung aufgehoben werden.

____Die Klage auf rückständige Zinsen eingetragener Kapitalien ver- jährt in vier Jahren. Die Deren beginnt mit dem 31. De- zember desjenigen Jahres, in welchem die Zinsen fällig geworden sind.

___§. 11. Die Beweiskraft einer Schuldurkunde über den Empfang eines Darlehns oder eines Brautschaßes, auf Grund deren eine Hypo- thek eingetragen ist, ist nicht an den Ablauf einer Zeitfrist gebunden. __§. 12. Die Bestellung einer Hypotheë am ganzen Vermögen, sowie im Lade Hadeln die Bestellung einer Hppothek an beweglichen Sachen, ist fertan unzuläffig.

__ Die Bewilligung der Eintragung einer Hypothek oder Grundschuld gilt, wenn die Eintragung erfolgt ist, als eine-Beräußerung im Sinne des §. 5 des Geseßes vom 14. Dezember 1864.

8. 13. Der Eintragung bedürfen nicht die gemeinen Lasten. Zu denselben gehören namentlih alle nah Geseh - oder Verfafsung auf dein Grundstück haftenden, aus dem Gemeinde-, Kreis- oder Provin- zialverbande, oder aus dem Kirchen-, Pfarr- und Schulverbande ent- springenden, oder an Kirchea-, Pfarr- und Schulbediente zu entrich- teúden, oder aus der Verpflichtung zu öffentlichen Wege-, Wasser-, Deich- und Uferbauten entstandenen Abgaben und Leistungen; ferner die Beträge, welche an Meliorations-Genossenschaften oder andere ge- meimüßige, von der StaatsLtehörde genehmigte Institute, namentli an Vereine behufs gemeinschaftlicher Uebertragung der“ durch Brand, Hagelschlag oder Viehsterben entstandenen Schäden zu ‘entrichten sind.

___§. 14. Aus Privat - Testamenten oder aus Erbverträgen, welche gültig ohne öffentlihe Urfunde errichtet find, können Eintragungen oder Löschungen im Grundbuch nur erfolgen, wenn entweder durch eine öffentliche Urkunde die Echtheit der Privai-Urkunde oder das An- erkenntniß des durch das Gescß berufenen Erben nachgewiesen ift, oder eine: Bescheinigung des Amtsgerichts, welchem der Erblasser zu- leßt für feine Person unterworfen war, beigebraht wird, daß sich nach erfolgter öôffentlicher Ladung ein besser berechtigter Erbe niht gemeldet habe.

__ Jn Betreff der Bekanntmachung, derx Frist und des Inhalts der öffentlichen Ladung kommen die Vorschriften der bürgerlichen Prozeß- ordnung vom 8. November 1850, §. 300, I 2, zur Anwendung.

§. 15. In dem Geltungsbereih des Allgemeinen Landrechts Werden die in der Grundkunchordnung “erwähnten Obliegenheiten der Fideifommißbehörde von dem Amtsgericht der belegenen Sache wahr- genommen.

In dem Geltungsbereich des gemeinen Rechts werden die §8. 52, 74, 99 der Grundbuchordnung, soweit sie fih auf Familien-Fideikom- misse bezichen, durch folgende Bestimmungen erseßt :

Die Eintragung der Familien-Fideikommiß- oder Stamm- guts-Eigenschaft erfolgt auf den Antrag des Eigenthümers oder eines Nachfolgeberechtigten, sobald derselbe nachweist, daß jene Eigenschaft entstanden ist._

Familien-Fideikommiß- oder Stammguts-Nachfolger find als Cigenthüiñer einzutragen, wenn sie ihr Nachfolgereht durch eine Erbbescheinigung des zuständigen Richters nachweisen.

Die Löschung der Familien-Fideikommiß- oder Stamm- guts-Eigenschaft erfolgt auf den Antrag des Eigenthümers, jobald derselbe nachweist, daß jene Eigenschaft erloschen ift.

Mounutag, deu 3. Februar

Die Eintragung und Löschung kaun bei Erb-Stammgütern nah Bremischem Ritterrecht auch auf Antrag des Präsidiums der Bremi- schen Ritterschaft (§. 7 des revidirten Ritterre{chts vom 19. April 1847) erfolgen.

S. 16. Im Falle des &. 66 der Grundbuchordnung kommen die Vorschriften der Vercezcknung vom 28. September 1867 §. 11 und des T vozt*3. April 1869 zur Anwendung.

S. 17. Ablösungs- und Allodifikations-Kapitalien und die zum Zweck der Ablösung oder Allodifikation vorgestreckten Darlehne, sofern fie in zSentübeit des Geseßes vom 16. September 1844 in die dritte Abtheilung des Grundbuchblattes oder Artikels eingetragen werden, genicßen dasselle Vorrecht vor anderen Forderungen, welches dem ab- gelösten Rechte selbst zustand.

__ “Daffelbe gilt von den Ablösungs- und Allodikati¿nsrenten, wenn fie in das Grundbuch eingetragen werden. &

S. 18. Jn Betreff der Eintragung und Löschung der Domänen- Amortisations- uno Rertenbankrenten und des diesen Renten. zustehen- den Vorzugsrcchts bleibt es bei den Vorschriften der Verordnung vom 28. September 1867 und des Geseßes vom 3. April 1869.

___§. 19. Bei einer in Gemäßheit der §S. 17, 18 erfolgenden Eintragung ift zugleih das abgelöste dinglihe Recht im Grundbuch von Amtswegen kostenfrei zu löschen.

_§. 20. Die dem Pächter zuwacsenden und die ibm gehörenden, auf dem Grundftück noch vorhandenen Früchte haften nicht dem an dem Grundstück dinglich Berechtigten. ¿190,210 Dad ider: U Cd stchenden, vom Staate genchmigten Kreditanstalt vercpfän- dete Grundstück - haftet für die statutenmäßigen Bei- trâge und sonstigen Leistungen des Schuldners, auch insoweit diefelben niht Kapitalsabtrag sind. ,

S. 22. Das der Landes-Kreditanstalt und den ritterschaftlichen Kreditanstalten der Provinz Hännover zustehende Ret, die Erthei- lung des Zuschlags bei der Zwangsversteigerung der ihnen zur Hypo- thek geseßten Grundstücke zu verweigern, wird aufrccht erhalten.

_§. 23. Der im §. 60 des Gesehes über den Eigenthuwserwerb u. }. w. vom 5. Mai 1872 erwähtte Antrag wird mittelit eines bei dem Prozeßgericht einzureichenden Gesuchs gestellt. @

___ Die Entscheidung über das Gesuch erfolgt ngch den Vorschriften über das Arcestverfahren.

___§. 24. Die Schadencrsabklage gegen die Grundbubeamten ver- jährt in drei Jahren, nachdem das Dasein und der Urheber des Scha- dens zur Kenntniß des Beschädigten gelangt ift.

__ Sind seit dem Zeitpunkt der Beschädigung drciß:g Jahre ver- flossen, fo kommt es auf den Zeitpunkt der erlangten Kenntniß nicht weiter an. E

8. 25. Für die Gebietstheile des gemeinen Rechts, mit Aus- nahme der Altstadt Hannover, und für das Eichsfeld werden Grund- bücher nach Borschrift der Grundbuchordnung vom 5 Mai 1872 von Amtswegen untcr Beachtung der nachfolgenden Vorschriften (§8. 26 —44.) angelegt. : i

8. 26. Die Grundbucßämter erhalten, sobald die Grundsteucr- vermefsungsarbeiten bis zum Nachweise des Flächeninbalts der einzel- nen Grundstücke abgeschlossen: find, Abschrift des auf Grund dieser Vermessungen aufgestellten Flurbuchs.

F. 27. Sobald dem Grundbuchamt die Abschrift des Flurbuchs zugestellt worden ift, werden die Eigenthümer der einzelnen Grund- stücke behufs Anlegung des Grundbuchs unter Androhung eiuer Geld- buße bis 50 Thaler vorgeladen.

8. 28. Der als Eigenthümer Borgeladene ift verpflichtet, dem Grundbuchamte / i E ua:

1) seinen unmittelbaren Rechtsvorgäuger zu nemenz -

2) den Rechtsgrund anzugeben, durch welchen das Eigenthum auf

ihn übefgegangen ist; dg n fle;

3) die darauf sich beziehenden Urkunden und *anderen Beweisftüe

vorzulegen, und

4) alle auf feinem Grundstück haftenden Beschränkungen des Eigen-

thums, Eigenthumsvorbehalte, dingliche Lasten und Hypotheken anzuzeigen.

Das Grundbuchamt ist verpflichtet, dem vom Eigenthümer be- R Berechtigten Mittheilung von der geschehenen Anzeige zu machen.

Auch ist das Grundbuchamt berechtigt, den vom Eigenthümer nicht angezeigten Berechtigten, deren Vorhandensein ihm amtlich be- kannt ist, von der nicht erfolgten Anzeige ihrer Berehtigung Mitthei- lung zu machen. '

8. 29. Der Vorgelädene gilt als berehtigt, in das Grundbuch als Eigenthümer eingetragen zu werden, wenn er entweder

1) nahweist, daß er nach bisherigem Rechte das Eigenthum er-

worben hat, ° 7 oder E \ 2) dur ein Zeuguiß des Vorstandes der Ortsgemeinde seinen Eigenthumsbesiß bescheinigt,

Provinz Hannover be-

oder

3) ducch Urkunden an Eidesstatt abgegebene Versicherungen von Zeugen oder sonst glaubhaft macht, daß er allein oder unter Hinzurechnung der Besißzeit seiner Vorgänger das Grundftück

seit zehn Jahreu ununterbrochen in Eigeuthumsbesiß gehabt hat.

8 30. Wer in den Steuerbüchern nicht als Eigenthümer ver- zeichnet ift, gilt unter den Vorausseßungen des §. 29 als berechtigt, als Eigenthümer eingetragen zu werden, wenn der in jenen Büchern Verzeichnete in einer öffentlichen oder öffentlih beglaubigten Urkunde dazu feine Zustimmung ertheilt hat, oder zur Ertheilung derselben

“rechtskräftig verurtheilt worden ift.

& 31. ‘Die Eintragung des Eigenthümers und der angezeigten Belastungen erfolgt uach Abklauf der tim §. 32 vorgeschriebenen Frist, falls nit entgegenstehende Ansprüche innerhalb diefer Frist angemeldet worden find. 7

8. 32. Diejenigen, welhe vermeinen, daß ihnen das Eigenthum, oder ‘ein das Eigenthum oder die Verfügung über dasselbe beschrän- kendes Recht, cin Eigenthumsvorbchält, eine dingliche Laft oder eine Hypothek, oder auf Grund eîínes geseßlichen Rechtstitels, einer lebt- willigen Anordnung oder eines Vertrages, ein Anspruch auf Eintragung einer Hypothek an einem Grundstück zustehe, haben innerhalb eines Jahres näch dem in §. 35 erwähnten Tage ihre Ansprüche bei dem Grundbuchamt anzumelden. Ueber die geschehe Anmeldung hat das Grundbuchamt dem Anmeldenden auf Verlangen eine Bescheinigung zu ertheilen.

& 33. Vou der Verpflichtung zur Anmeldung sind diejenigen Berechtigten frei, welch2 der Eigeuthümer in Gemäßheit des §. 28 Nr. 4 vor Ablauf der Auésc{lußfrisr des §. 32 dem Grundbuchamt angezeigt hat.

L, 34. Wer die ihm obliegende Anmeldung - unterläßt, erleidet den Rechtsnachtheil, daß er sein Recht gegen einen Dritten, welcher im redlichen Glauben an die Richtigkeit des Grundbuchs das Grundstück erworben hat, niht geltend machen fann und daß er sein Vorzugêrecht gegenüber denjenigen, die ihre Rechte innerhalb der Aus\s{lußsrist an- gemeldet hab, verlïétt. N . 35. Sobald das den 88. 27, 28 vorgeschriebene Verfahren für einen Obergerichtsbezirk beendigt ist, bestimmt dec Justiz-Minister durch eine in der Geseßstalinig zu veröéffentlihhcudè Verfügung den Tag, an welchem die in § 32 vorgeschricbene Frist für den betreffen- den Obergerichtsbezirk beginnen soll.

Die Kron-Oberanwaltschaft hat sodann die §Y. 32 bis 35 Ab-

saß 1 innerhalb der Ausschlußfrist von vier zu vier Wochen durch

1878.

das Amtsklatt der Provinz und durch zwei Zeitungen, von denen mindestens eine in der Provinz erscheiat, wörtlich mit Angabe des Teges, an welchem die Aus\lußfrist abläuft, für den Bezirk bekannt zu machen.

S. 36. Die Landeskreditanstalt zu Hannover ist verpflichtet, behufs Eintragung in das Grundbu innerhalb der Auss{lußfr ist (8. 32) diejenigen Schuldkapitalien anzumelden, welce fie ausge- lichen hat. E i Ae Mimelbmg muß auf Grund der Schuldurkunde enthalten :

amen des Darlehnsempfängers, die Bezeihnung und Größen- angabe des Grundbesißes, die Höhe des Schuldkapitals, das Datum der Schuldurkunde und womöglich die Angabe, wo die Hypothek in dem Hypothekenbuch eingetragen worden ist.

Bei denjenigen Kapitalien, w-lche sie auf Grund des §. 2 Nr. 1 der Siatuten vom 18. Juni 1842 und 8. 1 der Verordnu E E E und §. 1 der Verordnung vour 26. Auaguf ausg-liehen hat, genügt die Vorlegung des urìprüng- lichen Kontrakts sowie der neuesten Hebungsrolle.

S. 37. Die Grundbuchämter haben auf Grund ter Aumeldung der Landes-Kreditanstalt zu Hannover die jeßigen Eigenthümer der ihr verhafteten Grundftücke darüber zu vernehmen, und unter Bei- fügung eines Auszuges aus dem Flur- oder Grundbu, in welGem außer dem Namen des zeitigen Eigenthümers und der Hausnummer die Bezeichnung, die Größe und das Steuerkapital seines jeßigen Grundbesißes angegeben find, das Vernchmungs-Protokoll der Landes- Kreditanstalt mitzutheilen.

j Die Lebtere hat binnen einer zweimonatlichen, nöthigenfalls zu erstreckeuden Grist, dem Grundbuchamt anzuzeigen, in Betreff welcher Schuldkapitalien sie die bisherigen Verhandlungen für genügend oder weitere Ermittelungen für erforderli erachtet. Q

Sie ist berechtigt, die weiteren Ermittelnngen bci dem Grund- buhamt zu beantragen, sowie die Vorlegung im Besiß der Amts- gerichte befindlicher Akten zu beanspruchen.

_ Ergiebt das Ermittelungsverfahren, daß das der Landes-Kredit- anstalt verpfändete Objekt nicht oder nur mit unverhältnißmäßigen Schwierigkeiten nachzuweisen ist, fo ist die Anstalt befugt, dem Schnld- ner das Kapital ganz oder theilweise Rückzahlung zu kündigen ___S§. 38. Die bei der Anlegung des Grundbuchs für die Landcs- Kreditanstalt zu Hannover erfolgten Eintragungen find derselben von dem 6 rundbuchamt bekannt zu machen. Die Bekanntmachung ann verzeichnißweise für den ganzen Bezirk des Grundbuchamts oder für Ortschaften geschehen und muß enthalten: den Namen des Eigen- thümers, die Bezeichnung und Größenangabe des Grundstücks, den Eintragungêvermerk und die der Hypothek der Landes - Kreditanstalt im Range vorgeseßten Ansprüche Dritter. :

8. 39.’ Vor der rechtskräftigen Entscheidung über streitige an- gemeldete Eigenthums - Ansprüche oder das Eig-nthum beshränkende Rechte darf das Blatt für das Grundstück im Grundbuch nicht an- gelegt oder das Grundstück nicht in den Artikel aufgenommen werden

8. 40. Die dinglichen Rechte werden mit der ihnen nach dem bisherigen Rechte zukommenden Rangordnung cingetrage:.

__§. 41. Bei der Anlegung des Grundbuchblatts oder Artikels kann für ein angemelde!es Recht eine Vormerkung. eingetragen werden :

1) Wenn die Entstehung dieses Rechts glaubhaft gemacht ift, und

enlweder der Eigenthümer der Eintragung widerspricht, oder die

Rangordnung des Rechts bestritten ist; j

2) wenn von dem Eigenthümer die Identität des Grundstücks be-

stritten wird, dieselbe aber durch Urkunden oder eidesstattliche

« Versicherungen von Zeugen glaubhaft gemacht worden ist.

42. Eigenthumésvorbehalte sind als Hypotheken einzutragen oder vorzumerken. L

S. 43. Die Eintragung oder Vormcrkung einer angemeldeten Hypothek kann nux auf eine bestimmte Summe erfolgen.

_ Einigen _fich die Betheiligten niht über die Höhe derselben, îo erfolgt ihre Festseßung durch Entscheidung des Prozeßzrichters. A

S. 44. Behauptet der Eigenthümer, ‘daß ein angemeldetes Recht getilgt sei, ohne dies urkundlih nahweisen zu können, so ist das Recht einzutragen, zugleih aber in der Spalte „Veräudernngen* die behaup- tete Tilgung, wenn fie glaubhaft gemacht ift, vorzumerken. i

8. 45. In dem Geltungebereich des Gejcÿes über das Pfandrecht vom 14. Dezember 1864 sind Hypothcken und Eigenthumsvorbehalte nur dann einzutragèn, oder vorzumerfen, wenn fie in den bisherigen Hypothekenbüchern eingetragen oder vorgemerft sind.

S. 46. Die erfolgten Anleguugen von Grundbuchblättern oder Artikeln find vierteljährlic im Amtsblatt mit Bezeichnung der Grund- stücke nach den Steuerbüchern durch das Grundbuchamt befannt zu machen.

S. 47. Von dem Tage, an welchem die Anlegung des Grund- buchblatts oder Artikels in Gemäßheit des 8. 46 bekannt gemacht worden ist, kann die Veräußerung oder Belastung des Grundstüs nur in den Formen erfolgen, welche das Gefeß über den Eigenthums- erwerb vom 5. Mai 1872 und die Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872 vorschreiben. : ;

8. 48, Bis zur Anlegung der neuen Grundbücher werden die bisherigen Hyvothekenbücher von den Grundbuchämtern, jedoch unter Beachtung der Vorschriften der §8. 23, 24 des Gejeßes über den Eigenthumserwerb u. \. w. vem 5. Mai 1872 und des §. 12 dieses Gefeßes fortgeführt.

Zu diesem :Zweck find die Hypothekenbücher der Kir{spielsgcrite des Landes Hadein an das Grundbuchamt Otterndorf abzugeben.

Diejenigen, welche in der Zeit vom Beginn der im §8. 32 vorge- schriebenen Frist bis zu dem im §8. 47 bestimmten Tage das Eigen- thum oder ein in das Grundbuch einzutragendes dinglihes Recht er- worben haben, müssen dasselbe, Falls die Anmeldung nicht bereits früher erfolgt ist, bei Vermeidung des im §. 34 vorgeschriebenen Rechtsnachtheils binnen vierzehn Tagen nach dem im §8. 47 bestimm- ten Tage aumelden. 7 i

_Die Eintragung der Verpfändungen der Seeschiffe und der Fluß-

chiffe von mindestens 5 Last Tragfähigkeit erfolgt nach Maßgabe des S. 2 Nr. 3, §. 11 des Geseßes vom 14. Dezember 1564, in dessen Geltungsbereih au ferner in den bisherigen Hvpothekenbüchern. L

8. 49. Für den Bezirk der Altftadt von Hannover gelten statt

der §8. 25 bis 48 folgende Vorschriften :

1) E ene werden als Grundbücher weiter

efubrt;

2) bereits bestchende, aber nicht eingetragene Eingenthumsbefchräu- fungen und dingliche Lasten sind von den. Berechtigten inner- halb 6 Monat von dem Tage, wo diefes Gefeß in Kraft tritt, bei dem Grändbuchamt anzumelden;

die Auffordecung zu dieser Anmeldung ift innerhalb der Ausschlußfrist von der Kronanmwaltschaft des Obergerichts zu Hannover in entsprechender Anwendung des §. 39 dieses Gesetzes öffentlich befannt zu machen; i _wer die Anmeldung uaterläßt, erleidet den Rechtsnachthzeil, daß er sein Recht gegen einen Dritten, welcher im redlichen Glauben an die Richtigkeit des Gruzdbuhs das Grundstück erworben hat, nit geltend machen kann, und fein Vorzugsrecht gegenüber denjenigen, die thre Rechte innerhalb der Aus\chluß;- [rist angemcldet haben, verliert; die angemeideten Rechte werden, je nachdent fie von dem Eigen- thümer anerkannt werden oder nicht, in das Grundbuch ein- getragen oder vorgemerkt ; ; ° die eingetragencn odet - vorgemerkten Rechte behalten * die Wirkung, welche ihnen zuïommen würde, falls sie son zur Zeit ihrer Entstchuug eingetragen oder vorgemerkt wäreu;