1873 / 50 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 25 Feb 1873 18:00:01 GMT) scan diff

Shlafsäle, zwei Kranken- und ein Badezimmer, außerdem die

nöthigen Küchen und Wirthschaftsräume und eine eigene Wasser- -

leitung. Bei allen ‘inneren Einrichtungen find die neuesten Er- fahrungen benußt und is dabei vorzugsweise auf die Gesund- ieg Zöglinge und auf Reinlichkeit bedaht genommen worden.

Zur Ausschmückung des Gartens wurde von in London lebenden Deutschen, zur Erinnerung an die Anwesenheit Ihrer Majestät der Kaiserin - Königin daselbst im Jahre 1872, ein großes \chöónes Zelt und eine Auswahl geshmackvoller Garten- möbel der Anstalt geschenkt.

Die Gebäude, ursprünglih zur Aufnahme von 30 Zöglin- gen eingerichtet, find jeßt durch Neubauten so erweitert, daß nunmehr die statutarische Zahl von 50 Zöglingen aufgenommen werden kann.

Als Oberin der Stiftung wurde durch die Allerhöhste Protektorin Fräulein Louise Christiansen berufen.

Die feierlihe Eröffnung der Stiftung sowie die Einweihung der Stiftskapelle fand der Allerhöhsten Bestimmung gemäß am 16. April 1872 statt. Ihre Kaiserlihe und Königliche Majestät, Allerhöchstwelhe für die Stiftung den über dem Thor der Kapelle angebrahten Wahlspruch:

Seid fröhlich in Hoffnung,

Geduïidig in Trübsal,

Haltet an im Gebet gegeben hatte, wohnte dieser Feier bei; außerdem die Mitglie- der des Kuratoriums, die Oberin, die Erzieherinnen, die in- zwischen in die Stiftung aufgenommenen 7 Zöglinge, deren Väter im Kampfe für König und Vaterland den Heldentod er- litten haben, und deren Mütter.

Die Zahl der Zöglinge hat \fich im Laufe des Jahres nah und nach von 7 auf 29 gesteigert, von welhen 12 in ganzen, 4 in halben Freistellen und 13 als Penfionärinnen aufgenom- men worden find. Die Inhaberinnen von Freistellen find sämmtlich Töchter von Offizieren, Militär-Geistlihen und Militär-Aerzten, welche im Kriege gegen Frankrei gefallen oder in Folge der Strapazen des Krieges gestorben find. Seit Ostern beläuft fih die Zahl der Zöglinge auf 41.

Der Unterricht ift anfänglih in einer Klasse, \später in zwei Klassen ertheilt worden. Von Ostern ab ift in Folge der Ver- mehrung der Zöglinge eine dritte Klasse errihtet worden.

Kurz vor dem Schluß des Schuljahres, am 29. März d. I., hat in Gegenwart Ihrer Majestät der Kaiserin - Königin und Ihrer Königlihen Hoheit der Großherzogin von Baden, wie eines ausgewählten Kreises von Herren und Damen ver- schiedener Berufsklafsen und Stände eine Prüfung der Zöglinge stattgefunden, welhe niht nur in wissenschaftliher Beziehung befriedigt, sondern auch dutch das unbefangene muntere Wesen und das gesunde Aussehen der Zöglinge die erfreulthe Wahr- nehmung bestätigt hat, daß die Stiftung mit Umsicht und gün- stigem Erfolg geleitet wird.

Seit der Eröffnung find der Stiftung weitere bedeutende Zuwendungen gemacht worden, \o daß die Einnahme sfi bis zum 1. April d. I. auf 211,000 Thlr. beläuft, von der jedoh ein erhebliher Theil zur Bestreitung der Kosten der Bauten und der Einrihtungen wieder in Ausgabe kommt.

Diese reihen Unterstüßungen aller Art machen es möglich, aus den eigenen Mitteln der Stiftung von jeßt ab 21 ganze und 3 halbe Freistellen für Töchter gefallener Offiziere, Militär- Aerzte, Geistliche 2c. zu dotiren.

Die deutschen Geshihts- und Alterthums-Vereine. ITIL. (Vergl. Bes. Beil. Nr. 39 vom 27. September.

Band 31 des „Oberbayerishen Archivs für vater- ländische Geschichte“, -Hherausgegeben vom historishen Verein von und für Oberbayern (340 S.) bringt 18 größere Aufsäße und Abhandlungen und 17 kleinere Mittheilungen, meistens zur bayeri- hen Lokalgeschihte (z. B. München zur Zeit der {hwedishen Invasion im Jahre 1632; München zur Zeit der franzöfischen Okkupation im Jahre 1800, von E. von Destouches). Eine Ab- handlung von Professor Dr. Martin handelt von den alten Gräbern in Oberbayern und dem bisherigen Gewinn ihrer Schädel- funde für die Geschichte. Dieselben beweisen ebenso gut wie die historishe Tradition wie der Verfasser dies näher ausführt daß die Allemannen, also Germanen, auf ihrem Zuge von der Nord- und Oftsee nah dem Süden, auch nah Oberbayern sowie in die Gegenden diesseits und jenseits des Oberrheins gekommen find und die dortigen Bewohner unterjoht, verdrängt und

allmählih daselbst fih seßhaft gemacht haben. Ein Aufsaß von Dr. Riezler berihtet Über eine geheime Gesellschaft, die am Hofe des Kurfürsten Max U1. Joseph von Bayern durch die 21jährige Prinzessin Maria Antonia von Bayern, Schwester des regieren- den Kurfürsten, unter dem Namen „Gesellshaft der Inkas oder der Orden der Freundschaft“ zu München im Jahre 1745 ge- gründet wurde. 5

Unter den übrigen Aufsäßen haben ein allgemeineres Interesse die zwar nur s\tizzenhaft gehaltenen, aber trefflihen Schilderungen der drei Maler Moriß von Schwind, Theodor Horschelt und Peter von Heß, die beiden erstezen von Ed. Ille, der leßte von Dr. Holland gezeichnet.

_ Das 1. Heft des 32. Bandes des Oberbayerischen Archivs enthält: 1) Aufzeihnungen des 11. und 12. Jahr- aide zur Geschichte des Hausengaues, mitgetheilt von Frei- errn von Oefelez 2) archivalishe Beiträge zur Geschichte Her- zogs Ludwig des Bärtigen von Bayern-Ingolftadt und seiner Zeit (2. und leßter Theil), in denen auch hin und wieder die s Friedrich 1. und Johann von Brandenburg, sowie Albrecht Achilles vorkommen, mitgetheilt von Dr. Chr. Häutle; 3) die 1. Abtheilung einer urkundlihen Geschihte von Flinsbach, im Bezirksamte Rosenheim, von Dr. Quißmann.

Der historishe Verein von und für Oberbayern hat zu München im Iahre 1871 unter dem Titel: „Die Samm- lungen des historischen Vereins von und für Oberbayern; dritte Abtheilung: Münzen, Medaillen, Siegel, antiquarische Gegen- stände; erstes Heft: Antike Münzen; zweites Heft: Mittel- alterlihe und neuere Münzen, Medaillen und Siegel“ (148 S.) ien Verzeichniß der in seinem Besiß befindlihen antiken, mittel- alterlihen und neueren Münzen, Medaillen und Siegel dur I. P. Beierlein veröffentlichen lassen. Unter denselben bezieht sich eine Menge von Münzen und Abgüssen in bronzirtem Me-

tall auf Deutsche Kaiser aus der Zeit von 1056—1792; viele

Münzen und Medaillen betreffen einzelne Personen und Städte des preußischen Staates.

Der historishe Verein von Unterfranken und Aschaffenburg zu Würzburg hat vor Kurzem seinen Jahre s- Bericht für 1870 und 1871 erstattet. Demselben zufolge zählt der Verein zur Zeit 218 ordentlihe und 52 Ehrenmitglieder, und versammelt fich in jedem Monat 1 Mal. Derselbe giebt unter dem Titel „Archiv des historishen Vereins für Unter- franfen und Aschaffenburg“ zu Würzburg eine Zeitschrift heraus, von der jährlih ein Band in 3 Heften erscheint. Von diesem „Archiv“ sind bereits 21 Bände und in diesem Iahre das 1. Heft des 22. Bandes veröffentliht- worden. Die beiden

‘ersten Hefte enthalten u. A. einen Aufsaß von Professor Dr.

Sandberger über die im Sommer 1868 gemachten Entdeckungen im Würzburger Pfahlbau; Beiträge zur Geschihts- und Sagen- forshung im Frankenlande von Dr. Al. Kaufmann; einen Auf- saß von Schellerers über die Stiftsmäßigkeit des gegenwärtig in Bayern, insbesondere im ehemaligen Hochstift Würzburg, imma- trifulirten Adels; Beiträge zur Géschihte des Königs Konrad I. und seines Hauses von Dr. Fr. Stein; die Personal-Matrikel

des fränkishen Ritter-Kantons Rhön - Werra aus den Jahren

1666—1785. Das 3. Heft enthält: das Stiftshauger Deka- natsbuch von 1017—1774, sowie die Siegel der Fürstbischöfe von Würzburg von 995—1617 und die Siegel der Städte im Regierungsbezirk Unterfranken und Aschaffenburg. Das 1. Heft des 22. Bandes bringt u. A. einen Auffaß von Pr. A. Schäffler über das Leben und die Schriften (die fogenannte „hohe Registratur“) des Würzburger Archivars Lor. Fries (+ 1550); ferner Regesten zur Geschichte des jeßt bayerischen Frankens vom Sommer 833 an bis zum 13. Januar 888 von Dr. Fr. Stein. -

Der historishe Verein für Mittelfranken zu Ansbach hat seinen 38. Jahresbericht (168 S.) veröffentlicht. Derselbe besteht aus 213 Mitgliedern und befißt eine Bibliothek mit niht unwichtigen Aftenstücken und Urkunden des verschieden- sten Inhalts. Darunter befinden fich auch Korrespondenzfrag- mente des Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg. Der vorstehende Jahresberiht (über 1871 und 1872) enthält unter Andern folgende Abhandlungen: Hänle, Urkunden und Nachweise zur Geschihte von Heinrih Topler, Bürgermeister der freien Stadi Rothenburg (+ 1408). In den Mittheilungen aus verschiedenen alten Chroniken wird wiederholt des Burggrafen Friedrih VI. von Nürnberg, nahmaligen Kurfürsten Friedrich 1. und seiner Beziehungen zu Rothenburg gedaht. v. A. Merz, Volks\agen aus Rothenburg und Umgebung. I. Baader, Nürnbergs Handel im WMittelalte. J. Baader, Nürnbergs Gewerbe im Mittelalter. D. G. M. Thomas, Ueber einen Staatsbrief des Dogen Johann Mocenigo von Ve- nedig an- Kurfürst Albrecht von Brandenburg vom 22. Februar

1479. Die Republik Venedig hatte, nachdem fie 16 Iahre lang (1463—1478) mit den Türken Krieg geführt, endlih am 26. Ja- nuar 1479 auf ziemlich harte Bedingungen Frieden ges{chlofen. Es ließ fich nun der Doge angelegen sein, sich deshalb den an- deren ul teres gegenüber zu rehtfertigen. Aus diesem Grunde

ging au bereits 4 Wochen nah Abschluß jenes Friedens und 8 Wochen vor Verkündigung desselben, ein Schreiben des Dogen an den Kurfürsten von Brandenburg Albrecht Achilles am 22. Februar 1479 von S. Macco aus, welches hier wörtlih mitgetheilt wird. Dieses Staats\chreiben bezeugt erstlih in her- vorragender Weise das politishe Ansehen, welhes der Hohen- zoller, als erster unter den Fürsten des Reiches, genoß, es bezeugt ferner auch den Besfiand näherer und innigerer Beziehungen

zwischen Venedig und dem Brandenburger, welhe namentlich ,

auch in den ungarishen und deutshen Verwickelungen ihren Hintergrund hatten. Dieser Brief erscheint der Zeit nah als einer der ersten bisher bekannten, welche aus der venezianischen Staatskanzlei in politischen Dingen nah Deutschland gerichtet wurden; in Handelsangelegenheiten reihen solhe höher hinauf.

Der Verein für Münz-, Wappen- und Siegel- kunde in Dresden wurde im November 1867 von 16 Mit- gliedern gegründet und besteht gegenwärtig aus 29 Mitgliedern. Derselbe vertheilte fih in die 3 Abtheilungen für Numismatik, Heraldik und Sphragistik. Als ganz besondere Aufgabe ftellte sch der Verein, die Wappen und Siegel aller sähsischen Städte, aus alter wie neuer Zeit, zu sammeln und zu beschreiben und Beschreibung, wie Abbildung dazu, womöglich zu veröffentlichen. Außerdem beschloß er die Anlegung einer speziell - sähfishen Adelswappensammlung. Während die heraldishe Abtheilung dur diese Arbeit ausreichend beschäftigt wurde, machte es sih die numismatishe zur Aufgabe, eine Geschihte der Meißnischen Münzstätten seit dem Aufkommen des Freiburger Bergbaues zu bearbeiten. - Das Ergebniß dieser verschiedenen Arbeiten fino die vom Vereine in 2 Heften (112 S.) seiner „Mittheilungen “, die zu Dresden 1869 und 1872 erschienen, niedergelegten Auf- säße: Die Wappen und Siegel der Städte Sachsens, Thüringens und angrenzender Provinzen, denen 38 Städtewappen auf 3 photographirten Tafeln beigefügt find. Die Städte find alpha- betisch geordnet; die leßte aufgeführte Stadt is „Döbeln“. Von jeder Stadt wird eine kurze Geschichte gegeben und dann ihr Wappen beschrieben. Der zweite, gleihfalls noch nicht vollen- dete, Auffaß gehört der Genealogie an ; es. ist dies ein „Versuch eines Nomenklator des \sächsishen Adels“, ein alphabetisch ge- ordnetes Verzeichniß des \sächsishen Adels, das bis „Geilingen““ reiht und von einer bezüglihen Literatur eingeleitet wird. Die beiden leßten Aufsäße find numismatischer Natur; der erste der- selben handelt von den Münzstätten und Münzmeistern der Markgrafen von Meißen, der Kurfürsten und Könige von Sachsen; der zweite von der Ausprägung der Thaler im Kur- ftaate und im Königreihe Sachsen von ihrem Aufkommen bis zur Gegenwart.

Der Verein für mecklenburgishe Geschichte und Alterthumskunde hat durch seine Sekretäre Dr. Lish und Dr. Beyer den 37. Jahrgang seiner Jahrbücher und seines Jahresberichts zu Shwerin 1872 veröffentlicht. Die „Jahr - bücher des Vereins für mecklenburgishe Geschichte und Alterthumskunde“ (264 S. mit 16 Steindrucktafeln und 15 Holzschnitten), herausgegeben vom Geh. Arciv-Rath Dr. Lish, zerfallen in A. Iahrbücher für Geschichte und B. Jahr- bücher für Alterthumskunde. Die ersteren enthalten namentli: eine Abhandlung von Dr. Lish über Wallensteins Kirchen- und Schulregiment in Mecklenburg, welhe wichtige Aufschlüsse über die bisher fast unbekannten Bestrebungen Wallensteins giebt, die katholische Religion wieder in Mecklenburg einzuführen. Die beiden folgenden Abhandlungen des Archivraths Dr. Beyer grei- fen dagegen in das Heidenthum zurück; die erste derselben über die „Landwehren und die Grenzheiligthümer der Redarier“ ift zugleih eine Fortsezung von Beyers früherer Untersuhung über die wendishen Schwerine, und die zweite, über „die Hauptgott- heiten der westwendishen Völkerschaften“ enthält einen Exkurs ber die. in den bisher erforshten Heiligthümern verehrten Götter. Sieran \{ließen fich unmittelbar zwei nahverwandte Abhandlun- gen des Staats-Ministers Freiherrn von Hammerstein über „ete wendische “at fi und „den wendishen Gott Zuarasici.“ Die zweite Äbtheilung „Jahrbücher für Alterthumskunde“' bringt eine Reihe von Aufsäßen über Steingräber und Römergräber in Mecklenburg und Dänemark, sowie über Funde römischer Alter- thümer daselbst. i

An die „Jahrbücher“ \{ließen sich „Quartalberihte des Vereins für mecklenburgishe Geschichte und Alterthumskunde in Schwerin'‘, vom 1. Oktober 1841 bis Juli 1872, vom Archiv- rath Dr, Beyer erstattet, an. Aus denselben ergiebt \sich, daß

der genannte historishe Verein 268 ordentlihe, 175 korrespon- dirende Mitglieder, 2 Ehrenmitglieder und 2 Protektoren zählt und reichhaltige Sammlungen an Büchern, Alterthümern und Münzen besißt. Der Verein giebt, außer den Jahrbüchern für Geschihte und Alterthumskunde, auch ein mecklenburgisches Ur- kundenbuch heraus, von dem im Mai 1872 der 7. Band (655 S.), 689 Urkunden aus den Jahren 1322—1328 enthaltend, erschie- nen ist.

Der Voigtländishe alterthumsforschende Verein in Hohenleuben (Reuß-Greiz) hat Mittheitun- GeN aus seinem Archive nebs dem 41., 42. und 43. Iahres-

erihte veröffentliht. Dieses Heft, im Auftrage des Direktoriums

vom Sekretär des Vereins, Pfarrer Ferd. Meßner, in 16. her- ausgegeben, enthält, außer den 3 Jahresberihten und einem Verzeichnisse von allerhand, meist geographischen und historischen Schriften, folgende 3 Aufsäße: Nächklänge der altgermanischen Frühlings- und Sommerfeier, von Dr. A. E. Köhler; über die Ortsnamen des Voigtlands, von Dr. H. Dunger; die deutschen Pflanzennamen in ihrer Bedeutung für die Geschihts- und Alterthumskunde, von Dr. Herm. Moses.

Um die uns zugegangenen Schriften der Geschihts- und Alterthumsvereine noch weiter für die deutshe Geschihte wissen- \chaftlih nuÿzbar zu machen, werden wir mit der hier bestehenden historishen Gesellschaft in Verbindung treten und derselben die erwähnten Schriften zur Disposition stellen. Wir hoffen, daß auf diesem Wege die in den Publikationen der Vereine zer- ftreuten werthvollen Spezialforshungen in -den' Vorträgen und der Zeitschrift der Gesellshaft eine zusammenfassende Würdigung finden, und so zur Bereicherung der Gesammtgeschichte des Deutschen Vaterlandes dienen werden.

Mit Bezug hierauf erlauben wir uns die Vorstände der Geschihts- und Alterthumsvereine, welche mit uns noch nicht in Verbindung getreten find, um baldige Zusendung ihrer neuesten Publikationen zu ersuchen.

Zur Geschichte der Schweizer Reisen.

Von Reisenden find Gebirgsländer um ihrer Naturschönheit willen \{chwerlich vor dem 18. Jahrhundert aufgesuht worden; aber auch in den Beschreibungen Derer, die genöthigt waren fie zu durchreisen, mird man vor dieser Zeit vielleiht nirgend Em- pfänglichkeit für die Schönheit der Gebirgsnatur finden.

Wie L. Friedländer in der kürzlih ershienenen monogra- phishen Schrift „über die Entwickelung des Naturgefühls“ näher erörtert, \cheint in den Reise- und Länderbeshreibungen des 16. und 17. Jahrhunderts die Empfindung des Grausens die ein- zige oder doch vorwaltende zu sein, die gegenüber der Majestät des Hochgebirges zum Ausdruck kommt. So fühlte Sebastian Münster \ih „bis in die Knochen und das Herz erzittern“, als er auf dem Gemmipaß stand; in seiner Beschreibung der Schweiz bezeihnet er Thäler und angebante Ebenen als „hübsch“ und „lustig“, hohe Berge und Felsen als „grausam“ und „er- \hrötlih“. Dieselbe Richtung des Naturgefühls zeigt si in den Schilderungen des Ulmers Samuel Kiechel *), welcher auf sei- nen großen Reisen (deren Hauptziel das heilige Land war), unter andern Preußen, Shweden und Polen besuchte, die Schweiz aber nicht berührte; die Rückreise aus der- Levante machte auch er über Venedig und Tirol. Auch ihm war das Gebirge mit seiner Unwegsamkeit und Unwirthlichkeit der Gegen- sag zu der „shönen Landschaft“.

Als im 16. Jahrhundert das Touristenthum entstand, war das Augenmerk der Reisenden weit mehr auf Erwerbung nüß- liher Kenntnisse, als auf Genuß gerihtet; nur der erstere Zweck konnte Unternehmungen gerechtfertigt erscheinen lassen, die da- mals so viel \chwieriger, kostspieliger und gefahrvoller waren. Aus den Briefen des Justus Lipsius (1547—1606) geht hervor, daß in der zweiten _Hälfte des 16. Jahrhunderts Reisen als wesentlihes Bildungsmittel für junge Männer besonders von Adel allgemein anerkannt waren; er s{hreibt 1578 aus Antwer- pen an Philipp Lanog in Donai, dessen Entshluß, nah Italien zu gehen, er höchlihst billigt: „Sowohl im Alterthum als in un- serer Zeit sind große Männer gewöhnlich auf Reisen gegangen.“

Bis ins 18. Jahrhundert war die eigentliche Gebirgswelt den gebildeten Völkern Europas im Großen und Ganzen offenbar so gut wie unbekannt, zunächst allerdings wegen ihrer Unzugäng- lichkeit und Unwirthlichkeit, dann aber auch weil das Natur- gefühl der Wenigen, die sie betraten, sh hier cher zurückgeschreckt als“ angezogen, höchstens flüchtig angeregt fand, folglich die Ge-

*) Bibliothek des. Litt. Vereins in Stuttgart, Bd. 86,