1873 / 64 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 Mar 1873 18:00:01 GMT) scan diff

Jn der heutigen (17.) Sibung des Herrenhauses, welche der Präsident Herr von Plöß für, den erkrankten Prä- sidenten Graf Otto zu Stolberg um 104 Uhr eröffnete, und welcher der Ministerpräsident Graf Roon, der Minister der auswärtigen Angelegenheiten Fürst v. Bismarck und die Staats- Minister Graf zu Eulenburg, Graf v. Jbenpliß, Camphausen, Dr. Leonhardt und Dr. Falk, sowie mehrere Regierungs-Kom- missare beiwohnten, wurde zunächst der neu in das Haus ein- getretene Fürst zu Jsenburg-Birstein vereidet. Dann trat das Haus in die Tagesordnung, deren erster Gegenstand die Schlußberathung über. den Gesetzentwurf, betreffend die Ab- änderung der Art. 15 und 18 der Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar 1850, auf Grund der unverändert an- genommenen Vorlage war. An der General - Diskussion betheiligten fich die Herren Graf Krafsow, Freiherr von Man- teuffel-Crofsen, Graf Brühl, Freiherr von Landsberg-Ofsenbeck, welche sämmtlich gegen die Vorlage sprachen. In der Spezial- diskussion nahmen zu Art. 15 nur Herr v. Kröhher und Graf v. d. Schulenburg-Beehendorf _ das Wort, worauf die Vorlage erst im Einzelnen und \{chließlich in der Gesammtabstimmung mit 93 gegen 63 Stimmen angenommen wurde. Es folgte die Schlußberathung über den Gesezentwurf, betreffend die Ausfüh- rung der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872, welcher nach Empfehlung durch den Referenten Herrn v. Kröcher ohne Diskusfion genehmigt wurde. Herr v. Kröcher erstattete sodann mündlichen Be- riht der Finanz-Kommission über den Reche nf chaftsberict, betreffend die Verwendung des zur Gewährung von Beihülfen an Angehörige der Reserve und Landw ehr durch das Reichs- geseß vom 22. Juni 1871 bereit gestellten Fonds, sowie über den Entwurf eines Gefeßes, betreffend die den Angehörigen der Reserve und Landwehr geleisteten Beihülfen und empfahl die Rechenschaft für geführt zu erahten und den Geseßentwurf zu genehmigen. Das Haus trat diejem Antrage bet. :

Es folgte der mündliche Bericht der Finanz-Kommission über verschiedene Petitionen, die sämmtlih ebenso wie die- jenigen der Agrar-Kommission, deren Bericht sih hieran schloß, dur Uebergang zur Tagesordnung erledigt wurden. Die Sißung schloß 11/4 Uhr.

In der heutigen (63.) Sizung des Hauses der Ab-

geordneten, welcher am Ministertishe mehrere Regierungs-

Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident v. Forckenbeck mit, daß das Präsidium des Hauses gestern Nahhmittag 44 Uhr bei Sr. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen die nahgesuhte Audienz hatte, um Demselben zu Seiner nah \{chwerer Krankheit erfolgten glücklihen Rückkehr die Glück- wünsche des Hauses zu überbringen. Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit nahm dieselben huldvoll entgegen und beauftragte das Präsidium, dem Hause Seinen Dank abzu- statten. Vom Iustiz - Minister is ein Geseßentwurf über die den Gerihtsbeamten bei „den Kollegialgerichten im Be- zirk des Appellationsgerihts zu Cöln für Reisen in Civilpro- zessen- zustehenden Reisekosten und Tagegelder und vom Abge- ordneten von Eynern ein Antrag auf Annahme eines Gesehes, betreffend die Heranziehung der Forensen, juristishen Personen, Aktien- und ähnlichen Gesellschaften zu den Kommunalabgaben eingegangen. Auf Veranlassung des Präsidenten fand ein Na- mensaufruf statt, um die Beschlußfähigkeit des Hauses zu er- mitteln. Es waren 238 Mitglieder anwesend. und das Haus demnach beschlußfähig. Zunächst passirten darauf die drei Geseß- entwürfe über das Grundbuhwesen in Neuvorpommern und Rügen, in der Provinz Schleswig- olstein und im Bezirk des Appellationsgerichts zu Cassel die ritte Lesung, worauf das Haus die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesehes über die Voxbildung und Anstellung der Geistlichen fort- e, S 171 s Uebertragung eines geistlichen Amts, welche der Vorschrift des §. 1 zuwiderläuft, oder welche vor Ablauf der im §. 15 für die Erhebung des Einspruchs gewährten Frist erfolgt, gilt als nicht eschehen. a4 A den Widerspruch des Abg. von Mallinckrodt ange- nommen. Zu §. 18: |

„Jedes Pfarramt ist innerhalb eines Jahres vom Tage der Erledigung, wo geseßlih oder observanzmäßig eine Gnadenzeit be- steht, vom Tage der Erledigung der Pfründe an gerechnet, dauernd zu beseßen. Die Frist ist vom Ober-Präsidenten im Falle des Be- dürfnisses auf Antrag angemessen zu verlängern. A

Nach Ablauf der Frist ist der Ober-Präsident befugt, die Wie- derbeseßzung der Stelle durch Geldstrafen bis zum Betrage von 1000 Thlrn. zu erzwingen. Die Androhung und Festseßung der Strafe darf wiederholt werden, bis dem Gesebe genügt ist.

Außerdem ijt der Minister der geistlichen Angelegenheiten er- mächtigt, bis dahin Staatsmittel einzubehalten, welche zur Unter- haltung der Stelle oder desjenigen geistlichen Oberen dienen, der das Pfarramt zu beseßen oder die Beseßung zu genehmigen hat.“

lagen folgende beiden Amendements vor: vom Abg. Holy: Für

Absay 2 und 3 einen Absay 2 in folgender Fassung anzu-

nehmen : 9 „Wird die dauernde Beseßung cines Pfarramtes länger als ein Jahr, vom Tage des Freiwerdens der Pfründe gerechnet, ohne einen nah Erachten des Ober-Präsidenten ausreichenden Grund verzögert, o steht demselben zu, die dauernde Beseßung binnen einer zu be- llmibiden Frist zu fordern und nah deren vergeblichen Ablauf als Einkommen bis zur dauernden Cn des Amtes mit Be- {lag zu belegen, und über das mit Beschlag belegte Einkommen zu kirhlihen Zwecken zu verfügen."

und vom Abg. Dr. Brüel: dem §. 18 folgende Fassung zu ben:

M „Wird die dauernde Beseßung eines Pfarramtes länger als cin

Freiwerdens der Pfründe gerechnet, ohne einen nach Erachten des Ober-Präfidenten ausreichenden Grund verzögert, so steht demselben zu, die dauernde'Beseßung binnen einer zu be- stimmenden Frist zu fordern und nach deren vergeblichem Ablauf das Einkommen bis zur dauernden Beseßung des Amts mit Be- slag zu belegen, und über das mit Beschlag belegte Einkommen zu firhlichen Zwecken zu verfügen.“

Beide Amendements wurden, nachdem fih der Unter-Staats- Sekretär Dr. Achenbah und der Referent Abg. Dr. Gneist gegen dieselben ausgesprochen, abgelehnt, und der S. 18 in der Fas- sung der Kommission genehmigt. Bei §. 19:

„Die Errichtung“ von ‘Seelsorge - Aemtern, deren Inhaber un- bedingt abberufen werden dürfen, ist nur mit Genehmigung des Ministers der geistlichen Angelegenheiten zulässig !

Die Bestimmungen des §. 18 beziehen sich auch auf die so-

enannten Sufkkursal-Pfarreien des franzöfishen Rechtes mit der afzgabe, daß die in Absaß 1 des §. 18 E Frist vom Toge der Publikation diejes Geseßes an zu laufen beginnt.“ beantragte Abg. Holy den Absjaß 1 abzulehnen. Wie gegen §. 18 nahm auch gegen §. 19 außer dem Abg. Dr. Windthorst (Meppen) der Abg. von Mällinckrodt das Wort, während der Regierungs - Kommissar wiederholentlich für die Fassung der Kommission eintrat.

Das Amendement wurde darauf abgelehnt und der Para- graph unverändert genehmigt.

Der § 20 lautet:

ias vom Tage des

„Anordnungen oder Vereinbarungen, welche die durch das Geseb begründete Klagbarkeit der aus dem geistlihen Amtsverhältnisse ent- sprinigenden verinögensrechtlihen Anjprüche ausschließen oder be- \hränken, find nur mit Genehmigung der Staatsbehörde zulässig.“

Dieser Paragraph wurde nach kurzer Gegenrede des Abg.

von Mallinckrodt ebenfalls angenommen. A2

Gegen §, 211 E L M H

„Die Verurtheilung zur Zuchthausstrafe, die Aberkennung der bürgerlihen Ehrenrechte und der Fähigkeit zur Bekleidung öffent- licher Aemter hat die Erledigung der Stelle, die Unfähigkeit zur Auszübung des geistlichen Amtes und den Verlust des Amtseinkom- mens zur Folge,“ i

nahm der Abg. Simon v. Zastrow das Wort, indem er Preu- ßen die Kompetenz zum Erlaß eines solhen Gesehes bestritt, da es mit dem Reichs-Strafgeseßbuch in Widerspruch stehe. Der Abg. Petri trat dieser Ausführung entgegen, ebenso der Un- ter-Staats - Sekretär Dr. Achenbah, während der Abg. von Mallinckrodt \sch auch gegen diesen Paragraphen aussprach. Abg. r. Brüel beantragte, vor „Unfähigkeit“ das Wort „reGtlihe“ einzuschalten. “Der Referent Abg. Dr. Gneist fand dic Ausführungen des Abg. von Zastrow unbegründet und er- klärte sich gegen das Amendement Bruel. Dieses wurde darauf in namentlicher Abstimmung mit 177 gegen 162 Stimmen ver- worfen und der Paragraph unverändert angenommen. Da- mit war der ‘dritte Abschnitt des Gesehes erledigt. Der vierte handelt von den Strafbestimmungen und enthält die §8. 22, 23 und 24. §. 22 wurde nah kurzer Diskussion genehmigt. Gegen ‘§. 23 nahmen ‘die Abgg. Graf Schweiniß Und von Mallinckrodt das Wort, während der Unterstaats-Sekretär Dr. Achenbach für denselben eintrat. Nachdem auch dieser Paragraph angenommen war, vertagte sich das Haus bis morgen.

Gestern veranstalteten die Studirenden der hiesigen Hochschulen zur Feier der Wiedergenesung Sr. Kaiserlichen und Königlihen Hoheit des Kronprinzen einen Fackelzug. Nachdem man auf dem nah der Stadt zu gelegenen Theile des Königsplaßes Aufstellung ge- nommen hatte, bewegte sih der aus über tauscnd Fackeln bestehende Zug zunächst durch das Brandenburger Thor, die Linden entlang vor das Kronprinzliche Palais. Nachdem die Klänge des Liedes „Deutschland, Deutschland über Alles“ verhallt waren und einer der Studirenden eine kurze Ansprache gehalten hatte, - erschien Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kronprinz an der Rampe des Palais und dankte in war- men Worten für die Jhm zu Theil gewordene Ehre. Die Antwort hierauf war ein dreimaliger begeisterter Hochruf auf das Wohl! Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit. Sodann bewegte sih der Zug durh die Schloßfreiheit, den Werderschen Markt und die Französishe Straße nah dem Gensd'armen- Markt, wo unter den Klängen des „Gaudeamus‘“ das Löschen der Fackeln erfolgte.

An den Fackelzug, der übrigens an Großartigkeit alle bis- her jemals in Berlin veranstalteten übertraf, \{chloß sih ein all- gemeiner Komnmers in den Räumen der städtishen Turnhalle, welche von den ftädtishen Behörden zur Verfügung gestellt war. Der Besuch 1óar indeß \o stark, daß weder der Saal, noch die Tribünen ausreichten.

Schon vorher hatte Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz erklärt, daß Ihm sein Gesundheitszustand leider nicht erlaube, bei dem Kommers zu erscheinen. Auch der Reichskanzler von Fürst Bismarck war aus demselben Grunde nicht in der Lage, der an ihn ergangenen Einladung Folge zu leisten. Der Kommers, welchem der Rektor der Universität und zahlreiche Professoren der. hiesigen Hochschulen beiwohnten, endete erst in früher Morgenstunñde.

Des Käisers und Königs Majestät haben die Widmung der kcitish berihtigenden Ausgabe, welche der unter dem Vorsitze des Prof. Dr. Prowe zu Thorn bestehende Coper- nicus-Verein für Wissenschast und Kunst zur vierten Säkular- feier des großen Astronomen von dem Hauptwerke desselben „de revolutionibus orbium coelestium“ veranstaltet hat, anzu- nehmen geruht.

Se. Königliche Hoheit der Prinz August von Württemberg, General der Kavallerie und kommandirender General des Garde-Corps, hat fich gestern Abend zur Beiwoh- nung der Trauerfeierlichkeiten für die verstorbene Königin-Mutter von Württemberg nach Stuttgart begeben. Die Geschäfte des General-Kommandos sind während der Abwesenheit des kom- mandirenden Generals auf den General-Lieutenant und Com- mandeur der 2. Garde-Jnfanterie-Division v on Budrißz ki über- gegangen.

Se. Durchlaucht der Fürst zu Ysenburg-Birstein ist vorgestern Abend und Se. Erlaucht der Graf Heinrich von Schönburg-Glauchau gestern von Dresden hier angekom- men und im Hotel Royal abgestiegen. :

Königsberg, 12, März. Von den nah dem Gesetze vom 23. Dezember 1867 im Regierungsbezirk Königsberg an 7450 Grundbesitzer bewilligten Noth standsdarlehnen in Höhe von 489,282 Thlr. find, nah der „Ostpr. Ztg.“, bis Ende 1872 zurückgezahlt von 5569 Empfängern 409,943 Thlr. 1 Sgr. 9 Pf., niedergeshlagen bei 59 Empfängern 4414 Thlr. 14 Sgr. 6 Pf., in Summa 414,357 Thlr. 16 Sgr. 3 Pf., so daß noch 1822 Empfänger 74,924 Thlr. 13 Sgr. 9 Pf. rückständig sind. Ferner wurden an Darlehnen auf Grund dieses Gesehes aus- gegeben: a) zur Armenpflege 198,000 Thlr., darauf sind zurück- gezahlt 184,153 Thlr. 1 Sgr. 8 Pf., mithin noch rückftändig 13,846 Thlx. 28 Sgr. 4 Pf. ; b) zu Chausseebauten 300,000 Thlr., zurückgezahlt find 132,100 Thlr., noch rückständig 167,900 Thlr. ; c) zu Meliorationen 149,969 Thlr., worauf zurückgezahlt find 67,369 Thlr., niedergeschlagen find 14,000 Thlr., in Summa 81,369 Thlr., noch rückständig sind 68,600 Thlr. Im Ganzen sind nah dem Gesche vom 23. Dezember 1867 an Darlehnen ausgegeben worden 1,137,251 Thlr., darauf sind bis zum Schlusse des Iahres 1872 zurückgezahlt 793,565 "7 B 3 Sgr. 5 Pf., niedergeshlagen 18,414 Thlr. 14 Sgr. 6 Pf., in Summa 811,979 Thlr. 17 Sgr. 11 Pf., find mithin noch rück- ständig gebliebèn 325,271 Thlr. 12 Sgr. 1 Pf. An Saat- darlehnen nah dem Geseße vom 3. März 1868 sind im Königs= berger Regierungsbezirke an 57,295 Empfänger 1,179,367 Thlr. 2 Sgr. 9 Pf. ausgegeben worden, darauf sind bis zum Schlusse des Iahres 1872 von 22,407 Empfängern 611,426 Thlr. 3 Sgr. 8 Pf. zurückgezahlt und bei 2561 Empfängern 36,697 Thlr. 11 Sgr. 2 Pf. niedergeschlagen; nah Abzug dieser Be- träge mit in Summe 648,123 Thlr. 14 Sgr. 10 Pf., bleiben noch 531,243 Thlr. 17 Sgr. 11 Pf. von 32,327 Empfängern rückständig.

Hannover, 12. März. Residenzstadt Hannover ift

Dem Magistrate der Königlichen nachstchendes Schreiben des

Grafen Otto zu Stolberg- Wernigerode unterm 7. MärzFd. I.

zugegangen: s j Hannover, den 7. März 1873.

„Nachdem des Kaisers und Königs Majestät auf meine Bitte Allergnädigst geruht haben, mir die Entlassung aus dem Staatsdienste zu ertheilen, und ich in Folge defsen gestern meine Punttones als “et Qua der Provinz Hannover niedergelegt habe, bin ih im Begriff, am heutigen Tage die Stadt Hannover H verlassen.

Bon diesem Ort, an welchem ih während fünf und einem hal- ben Jahre meinen Aufenthalt gehabt habe, vermag ich nicht zu schei- den, ohne dem Magistrat es noch besonders auszusprehen, wie dank- bar ih für die große Freundlichkeit bin, welche in dieser ganzen Zeit mir hier so vielfa bewiesen worden ist, und ein wie lebhaftes Inter- esse ih für das fernere Wohl dieser Stadt empfinde.

Um auch ein sichtbares Zeichen meines aufrichtigen Dankes und meiner warmen Sympathie zu geben, bitte ih den Magistrat ganz er- gebenst, im Interesse der Armen hiesiger Stadt eine Gabe von Drei- tausend Thalern gütigst von mir annehmen zu wollen. Mein Wunsch würde es sein, daß diese Summe von dem Magistrat als ein von dem Kommunal-Armenvermögen getrennter Fond verwaltet und dessen Zinsen für besondere Nothfälle verwendet würden, indessen überlasse ih alle speziellen Bestimmungen und Anordnungen Wohldesselben bestem Ermessen.

Indem ih nunmehr von der Königlichen Residenzstadt Hannover Abschied nehme, erlaube ih mir dem gütigen Andenken der geehrten Mitglieder des Wohllöblichen Magistrats und der Einwohner dieser mir lieb und werth gewordenen Stadt mich zu empfehlen.

Otto Graf zu Stolberg.“

Bayern. München, 11. März. Wegen Ablebens der ver- wittweten Königin vonWürttemberg wird der Königliche Hof eine dreiwöchige Hoftrauer anlegen. Wie zur Zeit be- stimmt is, wird die Kaiserin von Rußland auf der Reise nah Italien am 16. d. Morgens in Prag eintreffen und von dort, ohne Aufenthalt zu nehmen, die Reise über Fürth, Shwan- dorf, Regensburg, Passau und Salzburg fortsetzen.

Sachsen. Dresden, 12. März. Staats - Minister Dr. von Gerber hat heute mit Allerhöhstem Urlaub eine vierzehn- tägige Erholungsreise angetreten.

JWürttemberg. Stuttgart, 12. März. Der heutige „Staats-Anzeiger für Württemberg“ enthält anläßlih des Ab- lebens der nigin-Mutter Folgendes:

Ihre Majestät die Königin-Mutter von Württemberg, Pauline, geborene Herzogin von Württemberg, ist heute Nahmittag um 5 Uhr nach längeren Leiden, die Sie mit wahrhaft christlißer Geduld und Ergebung ertrug, verschieden. i

Die sämmtlichen Mitglieder der Königlichen Familie, besonders Ihre Majestäten der König und die Königin, Höchstwelche der Ver- ewigten mit kindlicher Liebe und Verehrung zugethan waren, sind durch diesen Todesfall in die tiefste Trauer verseßt worden.

An dieser Trauer nimmt das ganze Land, welches der Verewigten Ihres edeln, wahrhaft frommen Sinnes und Jhrer unermüdlichen Wohlthätigkeit wegen allgemeine Verehrung und innige Anhänglichkeit bewahrte, den aufrihtigsten Antheil.

Ihre Majestät war geboren den 4, September 1800, vermählt mit des verewigten Königs Wilhelm Majestät den 15. April 1820, Wittwe seit dem, 25. Juni 1864.

Wegen Ablebens Jhrer Majestät der Königin - Mutter Pauline von Württemberg wird vom 10. d. Mts. an auf die Dauer von 24 Wochen Hoftrauer angelegt.

(W. T. B.) Nah den neuesten Bestimmungen- soll die Leiche der Königin-Mutter am Freitag um 4 Uhr in die hiesige Stiftskirhe übergeführt werden, wo der Trauer- gottesdienst stattfinden wird; von dort aus soll sich der Leichen- fondufkt gegen 6 Uhr nah Ludwigsburg begeben.

Ïn der heutigen Sißung der Zweiten Kammer wurde der Antrag des Abg. Oesterlen, über die Regierungsvorlage wegen der Militäretablissementskosten zur Tagesordnung über- zugehen, mit 66 gegen 20 Stimmen abgelehnt.

Vaden. Karlsruhe, 10. März. Der Großherzog hat gestern Nachmittag 5 Uhr den bei dem Deutschen Kaiser und König von Preußen als außerordentliher Ge- scndter und bevollmächtigter Minister des Königs von Jtalien, beglaubigten Grafen Eduard von Launay, in besonderer Audienz empfangen und aus dessen Händen das Schreiben des Königs entgegengenommen, welches ihn in der gleichen Eigenschaft auch am Großherzoglichen Hofe beglaubigt. Heute wurde der Gesandte der Großherzogin vorgestellt und zur Großherzoglichen Tafel gezogen.

Hessen. Darmstadt, 12. März. Der Großherzog hat mittelst Allerhöchster Entschließung vom 11. l. Mts. die Zusammenberufung einer außerordentlihen Synode zur begutachtenden Berathung des Entwurfs einer Versassung für die evangelische Kirche des Großherzogthums angeordnet und bestimmt, daß die feierlihe Eröffnung der Synode am 25. März d. J. stattzufinden habe.

Mit Genehmigung des Großherzogs is den Ständen ein Gesetzentwurf, die Kompetenz der Gerichte in Strafsachen 'in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen betrefsend, mitgetheilt worden.

Oldenburg, 11. März. (W. T. B.) Ju der heutigen Landtags]ibung wurde über die drei Cisenbahnvorlagen ver- handelt. Oeffentlih war nur die Verhandlung wegen der Sub- vention für die Bahn von Westerstede nach) Dchholt. Die Bahn foll, ‘als eine sogenannte sckundäre, in sparsamer Weise möglichst \chmalspurig hergestellt werden, um den Flecken Westerstede mit der Bahn Oldenburg-Leer zu verbinden; die Kosten sind für 6880 Meter Länge einschließlich des Betriebsmaterials nux auf 70,000 Thaler veranschlagt, von denen die Gemeinde Wester- stede durch Herstellung des Dammes 10,000 Thaler tragen will, 15,000 Thlr. durch Prioritätsaktien gesichert, weitere 15,000 Thlr. in Stammaktien gezeichnet sind und für die leßten 30,000 Thlr. na dem Regierungsantrage der Staat die Zinsgarantie Über- nehmen soll. Der Ausshuß, aus 9 Personen bestehend, hatte sih mit 3 Stimmen gegen die Bewilligung der Zinsgarantie, mit 6 Stimmen dafür, ‘aber unter der Modifikation erklärt, daß aus dem Ertrage die Verzinsung der vom Staate zu garan- tirenden Aktien den Stainmaktien vorgehen solle. Der Mehr- heit8antrag wurde angenommen.

Die Verhandlung über die beiden übrigen Vorlagen erfolgte in geheimer Sißung, deren Ergebniß aber veröffentlicht werden dürfte. Die abgeschlossenen Punktationen wegen der Bahn Fhrhove - Neuschaß wurden genehmigt und dem ständigen Aus-

\chusse des Landtags die Befugniß ertheilt, in Betreff der noh -

schwebenden Verhandlungen die Staatsregierung zum Abschlusse zu ermächtigen. Dem Vertrage wegen der Bahn Quakenbrück nach Osnabrück ertheilte der Landtag feine Genehmigung. Im Fürstenthum Lübe gilt in Betreff der Klagen-Verjährung bis jeßt das gemeine Recht. umsGlseßende Schleswig - Holstein durh Gese vom 9. Februar

1869, die preußische Verordnung vom 6. Juli 1845, betreffend

kürzere Verjährungsfristen, eingeführt ist, ist auch dort ein neues

Seitdem für das das Fürstenthum

Verjährungs-Gesey zum Bedürfniß geworden; die Staatsregierung hat daher dem Landtag den Entwurf eines Gesehes vorgelegt, welches im Wesentlihen mit der erwähnten preußishen Verord- nung übereinstimmt. Der Landtag nahm den Entwurf in erster Lesung mit einer kleinen Abänderung an.

Braunschweig, 11. März. In der Landesversamm- lung verlas heute der Präsident ein Schreiben des Herzoglichen Staats-Ministeriums, in welhem dasselbe erklärt, daß es in Be- zug auf die von dem Abg. Seyferth und Genossen ergangene Interpellation wegen Errihtung einer preußishen Bankfiliale niht im Stande sei, für jet ‘auf die ergangene -Frage weder eine bejahende noch verneinende Antwort zu geben, indem die deshalb von auswärts erbetenen Nachweisungen noch nit eîn- gegangen seien. In einem andern Schreiben erklärt fih die Landesregierung mit den von der Landesversäammlung zu dem Dissidenten-Geseze und dem Geseße wegen Aufhebung der Tauf- frist vorgeschlagenen Abänderungen, vorbehaltlich der Redaktions- feststellung, einverstanden. Von dem Abg. Seyferth ist ein gehörig unterstühter Antrag auf Wiederaufnahme der Verhand- lung über den Bericht der staatsrehtlihen Kommission wegen Revision des Wahlgeseßes gestellt. Die Versammlung beschloß die Wiederaufnahme der Berathung und Abg. Seyferth beantragte zunächst über den ersten Theil des Kommissionsantrags Nr. 1 und dann - über die zweite Hälfte desselben getrennt abzustimmen. Nach kurzer Debatte, in welcher Abg.. Caspari die Gründe aus- einanderseßte, welche ihn in der leßten Sißung bewogen haben, gegen den Antrag zu stimmen, während er heute in der jeßt vorgeschlagenen Abstimmnngsweise für denselben stimmen werde, wurde die erste Hälfte des Kommissionsantrages, welche lautet:

„Herzogliche Landesregierung zu ersuchen, die bestehende Geseßge- bung über die Zusammenseßung der Landesversammlung und das Wahlgeseß einer Revision zu unterziehen“,

mit großer Mehrheit angenommen. Der zweite Absaß, welcher heißt: „und dabei die in dem Kommissionsberichte gegebenen Andeutungen auf Grund anzustellender Vorarbeiten in Erw&- gung zu ziehen“ wurde mit Majorität abgelehnt. Abg. Keil stellt den Antrag:

Herzogliche Landesregierung zu ersuchen, noch dem gegenwärtigen Landtage einen Gesehentwurf vorzulegen, durch welchen das direkte geheime Wchlverfahren eingeführt werde";

derselbe wurde jedoh in Hinsicht auf den über die erste Hälfte des Kommissionstrages gefaßten B- schluß abgelehnt. Die Pe- tition wurde durh den angenommenen Kommissionsantrag für erledigt erklärt.

__Vremen, 12. März. Jn der heutigen Sißung- der Bürgerschaft theilte der Präsident mit, daß am 15. eine abérmalige Sißung der Bürgerschaft stattfinden werde. Der erste Gegenstand der Berathung betraf die Mittheilung des Senats vom 3. März, betrefsend Grundzüge zu einer Verein- barung mit Preußen vund Oldenburg wegen Uebertragung der U eR inna der Schiffahrtszeichen in der Ünterweser an Bremen und Erhebung einer Abgabe von der Schiffahrt in den fkontra- hirenden Staaten, sowie ferner die Bewilligung von 150,000 Mark für ein neues Außenleuhts{chiff} (in der Gegend der Scblüsseltonne) und 50,000 Mark für damit zusammenhängende Ausgaben. Die Vorlage wurde unverändert genehmigt.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 12. März. (W. T. B.) Der in Gemäßheit der Bestimmungen des §. 8 des Gefeßes von 1871 betreffend die Einrichtung, der Verwaltung. in El- saß-Lothringen zu organisirende Kaiserliche Rath zur Wahr- nahme der Verrichtungen eines Staatsraths tritt am 14. d. in Wirksamkeit. Durh eine Verfügung des Ober-Präsidiums vom heutigen Tage ist der hiefigen Gemeindeverwaltung ein Theil der Polizeiverwaltung überwiesen worden.

Das Ersazaushebungsgeschäft für die hiesige Siadt i gestern beendet worden. Zu demselben hatten sich 389 Militär- dienstpflichtige gestellt, von denen 178 für tauglich erklärt wurden.

Hesterreich-Ungarn. Wien, 11. März. Im Abgeord- netenhause wurde der Staatsvoranschlag für 1873 berathen. Nach Verlesung des Generalberihtes wurden in der Spezial- debatte die Kapitel: „Hofstaat, Kabinetskanzlei, Reichsrath, Reichs- gericht, Ministerrath“ nach den Anträgen des Ausschusses ge- nehmigt, und beim Kapitel „Ministerium des Innern“ die im Titel „Straßenbau“ vom- Ausschusse gestrihenen Summen für Straßenbauten in Dalmatien und der Bukowina wieder eingestellt, sodann das Kapitel „Ministerium des Innern“ nah den An- trägen des Aus\chusses erledigt und das Kapitel „Landes- vertheidigungs-Ministeriuum“ ohne Debatte nah den Anträgen des Ausschusses angenommen. Sämmtliche Positionen des Etats des Finanz-Ministeriums bis zum Kapitel „Salz“ wurden nah den Anträgen des Aus\chu}ses bewilligt. Schließlih wurde eine Interpellation Ljubissa's und Genossen in der Angelegenheit der Errichtung einer griechisch-orientalischen Metropole in Czernowiß verlesen.

192. März. (W. T. B.) Auf Befehl des Kaisers wird der hiesige Hof wegen des Ablebens der Königin-Mutter e Württemberg vom 13. d. auf zehn Tage Trauer an- egen.

: Die „Tropp. Ztg.“ meldet: „Während der Zeitperiode vom 22. Februar bis 1. März 1873 hat die in St{lesien herr- \chende Cholera - Epidemie weiter die Ortschaft Herzmanit ‘des Freistädter politishen Bezirkes heimgesucht. In der oben er- wähnten Zeitperiode find in den Ortschaften Zamost, Poln.- Ostrau und Herzmaniß des Freistädter Bezirkes 21 Personen an der Cholera erkrankt. Seit dem Ausbruche der Epidemie, den 28. November 1872, sind in Schlesien bis 1. März l. J. in aht Ortschaften des Freistädter, in 13 Ortschaften des Tesch- ner und in sechs Ortschaften des Troppauer politischen Bezirkes, zusammen in 27 Ortschaften mit einer Bevölkerung von 30,634 Einwohner, 543 Perfonen an der Chalera erkrankt, hiervon 274. genesen, 256 gestorben und 13 in weiterer Behandlung ver- blieben. Bis jetzt i die Epidemie in 22 von derselben befallen gewesenen Ortschaften ‘erloschen.

Pesth, 11. März. Jm Unterhause legte der Referent Széll die Berichte des Central - Ausschusses über die Steuer- vorlagen und ‘über die Refundirungsangelegenheit der Donau- Dampfschiffahrts - Gesellschaft vor. Jranyi's Beschlußantrag wegen Einführung einer Luxussteuer werde nah den Steuer- vorlagen zur Verhandlung gelangen, welche auf die Tages- ordnung der Sonnabendsftün gesezt werde. Das Haus seßte demnächst die Debatte über das Budget des Finanz- Ministeriums fort. Bei dêm Posten „Bergwerke und Prägeanstalten“ legte der Finanz - Minister Kerkapolyi den Vertrag vor, den er hinsichtlih der Vajdahunyader Eisenwerke abgeschlossen hat. Nach diesem Vertrage wtrd eine Gesellschast mit 8 Millionen Stammkapital gebildet. Die ganze Summe wird eingezahlt; das Konsortium erhält für die Geldbeschaffung 9 Prozent. Die Gesellschaft erhält die Eisengewerke; der Staat Übernimmt die Verpflichtung, den Bergwerken das nöthige Holz

und die Holzkohle zu liefern. Der Preis derselben wird alle 10 Jahre neu bestimmt. Die Fracht hat die Gesellschaft zu be- sorgen. Dem Staate werden jährlih 45 Millionen Gulden, das ist so viel, als der bisherige Nugen, bezahlt. . Wenn hier- auf ein Nugten bleibt, so gehört derselbe der Gesellschaft bis zur Höhe von 7 pCt. des Anlagekapitals. Was über 7 pCt. if wird zwishen Staat und Gesellschaft getheilt. Hinsichtlih der Zsilthaler Kohlenbergwerke will der Minister einen ähnlichen Vertrag schließen, der sich von dem odigen nur dadur unter- scheidet, daß dem Staate die Investitionen von 11/4 Millionen vergütet werden. Auf Antrag des Finanz-Ministers blieb der Posten „Zsilthal und Vajdahunyad“ / in der Schwebe bis der Finanzaus\chuß den Vertrag berathen und das Haus denselben genehmigt hat. Hierauf erledigte das Haus das Budget des Finanz-Ministeriums und den Bericht über die Kredit-Opera- tionen, womit das ganze Budget erledigt ift.

Schweiz. Solothurn, 12. März. (W. T. B.) Die hiesige Wahlbehörde hat auf Antrag der Kirchengemeinde Olten den altkatholishen Pfarrer Herzog in Crefeld mit 12 gegen 1 Stimme zum Pfarrer von Olten gewählt.

Genf, 12. März. (W. T. B.) Pater Hyacinth ist heute hier eingetroffen; derjelbe wird seine Vorträge am nächsten Montag eröffnen.

Belgien. Brüssel, 12. März. (W. T. B.) Jn der Deputirtenkammer wurde heute die Berathung über die Vorlage wegen des Ankaufs der Eisenbahn „Grand Luxem- bourg“ fortgeseßt und, nachdem verschiedene Abgeordnete das Wort ergrifsen hatten, ‘der Schluß der General-Diskussion ange- nommen. Morgen soll in die Berathung der einzelnen Artikel eingetreten und voraussichtlich auch bereits zur Abstimmung ge- schritten werden.

Großbritannien uud Irland. London, 11. März Der Prinz und die Prinzessin von Wales gaben in Marlborough-House gestern anläßlich des zehnten Jahrestages ihrer Vermählung einen großen Ball, der Seitens des diploma- tishen Corps und der hohen Aristokratie sehr zahlreiche Bethei- ligung hatte. Während des Balles empfing Ritter Cadorna, der italienishe Gesandte, cin Telegramm, worin er ersucht wurde, im Namen des Königs Victor Emanuel und der König- lichen Prinzen von Jtalien das Prinzliche Paar zu ihrem Hoch- zeitstage zu beglückwünschen, welchen Auftrages er sich sofort entledigte. Jn Windsor wurde der freudige Tag dnrch Glocken- geläute und Kanonenschüsse festlich begangen.

12. März. (W. T. B) Das Oberhaus hat in zweiter Lesung die Bill, betreffend die Errichtung eines Ober- Appellationsgerichtshvfes, angenommen.

Gladstone wurde heute Morgen von der Königin empfangen; hierauf fand eine Ministerkonferenz statt. In derselben soll, wie das „Echo“ versichert, der Rücktritt des Ministeriums beschlossen sein. Gladstone hatte nah der Kon- ferenz eine zweite Audienz bei der Königin. In Folge deren gilt es als wahrscheinli, daß Disraeli sofort in den Palast berufen wird. Die anderen Abendzeitungen enthalten jedoch keinerlei Mittheilungen bezüglih der Ministerkrisis und if über- haupt nichts Positives darüber bekannt geworden.

Frankreich. Paris, 11. März. „Bien public“/ \chreibt:

„Es ist kein Geheimniß, daß die vierte Milliarde, von der schon die erste Hälfte abgezahlt ist, mindesteus binnen zwei Monaten in den Händen der Deutschen sein wird und daß kaum noch drei Mo- nate erforderlich sein werden, bis definitiv über Zahlung der fünften verhandelt sein wird, zu der bereits der Staatsschaß die Hälfte in Kasse hat. Laut den früheren Verträgen werden die beiden Departe- ments der Ardennen und Bogefen geräumt, wenn die vierte Milliarde, vollständig abgezahlt ist, also spätestens im Juni, so daß die voll- ständige Räumung der noch beseßten Landestheile spätestens Ende Septembers eine vollbrachte Thatsache sein wird, da diese Frist noth- wendig ist für die Operationen der Abzahlung der leßten Milliarde die durch Tratten bewirkt werden soll, die für Deutschland den Werth des baaren Geldes haben, wobei aber den großen Finanzinstituten diese Zeit gelassen werden mußte, um die Anleihe zu emittiren und die Subsffkriptiecn aufzulegen.

Das Blatt fügt schließlich hinzu:

„Was auch unsere Beschwerden während des Krieges sein mochten, so kann man doch nicht leugnen, daß Deutschland seit Unterzeichnung dex Verträge von 1871 und 1872 in allen seinen Schritten uns gegen- über Beweise von Rechtlichkeit, Mäßigung und Umsicht gegeben hat.“

Die „Affsemblée Nationale“ theilt folgende Details über die Zusammenseßung der französischen Armee mit:

„Im Jahre 1870 hatteu wir 116 Infanterie-Regimenter, 21 Jäger-Bataillone und 3 Batailloue leichter Infanterie. Das „Mili- tärische Jahrbuch“ von 1873 verzeichnet 126 Linien-Regimenter, 4 Zuaven-Regimenter, 3 Regimenter algierischer Jäger (Turkos), 1 Frem- den-Regiment, im Ganzen 135 Infantezie-Regimenter. Außerdem 30 Bataillone Jägér zu Fuß, 3 Bataillone leichter afrikanisher Ju- fanterie (Zephirs), 5 Disziplinar-Compagnien. J: Jahre 1870 be- stand v Kavallerie aus 6 Garde-Regimentern, 10 Kürassier-, 8 Ulanen-, 12 Jäger-, 8 HusarenRegimentern, 4 Regimentern afrikani- scher Jäger (Chasseurs d'Afrique), 3 Spahis-Regimentern, im Ganzen 63 Regimentern und 3 Compaguien der Remonte. Ju Annuaire von 1873 ist die Zahl. dieselbe; nur existiren die Carabiniers und Ulanen nit mehr, und wic haben 12 Kürassier-, 20 Dragoner-, 14 Jäger-, 10 Husaren-Regimenter, 4 Regimenter Chasseurs d'Afrique und 3 Re- gimenter Spahis. Die Artillerie, die 1870 aus 22 Regimentern, 1 Regiment Pontonniers und 2 Régimentern Train bestand, zählt 1873 30 Regirnenter, 1 Pontonnicur-Regiment, das von Meß nach Avignon verlegt wurde, und 2 Train-Regimenter. Die Zahl der Arbeiter-Compagnien ist von 17 auf 15 gefallen. Die Genietruppen bestehen wie früher aus 3 Regimentern; die Arbeiter-Compagnie ist aufgehoben. /

In Toulon sind 38 Mitglieder der Internationale vor das Polizeigeriht gestellt worden.

Versailles, 12, März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Nationdälversammlung wurde die Berathung über die Vorlage der Dreißiger-Kommission fortgeseßt. Von dem leßten Artikel wurde der erste Paragraph, betressend die Ueber- tragung der Gewalten mit 434 gegen 196 Stimmen, der zweite Paragraph, betreffend die Errichtung einer Zweiten Kammer mit 381 gegen 213 Stimmen, der dritte Paragraph, betreffend das Wahlgeseß mit 470 gegen 163 Stiminen, endli der Paragraph, wonach von der Regierung die ent- \prehenden Gesezentwürfe wvorgelegt werden sollen, mit 451 gegen 183 Stimmen, und“ s\chließlich der Artikel im Ganzen mit 367 gegen 227 Stimmen angenommen. Hierauf würde ein Antrag. des Abg. Kerdrel, daß die bezüglihen Vor- lagen erst nah der Räumung des Landes von der Regierung eingebraht werden sollten, nachdem si der Justiz-Minister Dufaure Namens der Regierung dägègen erklärt hatte, mit 436 gegen 168 Stimmen verworfen. Morgen wird die Diskussion über ein von dem Abg. Naquet vorgeschlagenes Zusaßamendement ftatt- finden. Die Kommission für die Handelsverträge hat den Abg. Pouyer-Quertier zum Vorsißenden erwählt.

Spanien. Madrid, 8. März. Der vermittelnde An- trag des Generals Primo de Rivera, ursprünglich das Mino-

ritätsvotum der von den Cortes gewählten Kommission, deren Mehrheit der ministeriellen Vorlage feindlih war, seßt den Zu - sammentritt der konstituirenden Versammlung auf den 1. Juni und den Beginn der zur Wahl nöthigen Groß- jährigkeit auf das 21. Lebensjahr fest; “die parlamentarische Lücke bis zur Konstituaûte foll ein ständiger Ausschuß mit voll- ziehender, niht blos berathender Macht ausfüllen. Die An- nahme des Antrages hat die Ruhe auf einige Tage gesichert. Jn Madrid hatte man bereits das Gerücht in Umlauf gesetzt, daß 22 Provinzen entschlossen seien, die Autorität Madrids niht mehr anzuerkennen, wenn die Auflösung der Versammlung noch weit hinausgeschoben würde.

In Malaga find ernfte Ruhestörungen vorgekommen. Das bewaffnete Volk drang in die Kasernen ein, zwang die ganze militärische Betading der Stadt, die Waffen niederzulegen, be- seßte die öffentlihen Gebäude und das Kastell Gibralfaro, und soll die bundesstaatlihe Republik ausgerufen haben. Die Sol- daten und Gensd'armen mishten sich nachher unter die Menge, welche, republikanische Lieder absingend, dur die Straßen zog. Vergreifungen an Eigenthum werden niht gemeldet; im Gegen- theil wurden die Regimentskassen dem {stellvertretenden Gouver- neur Fantoni übergeben, und die Zollkassen werden von den be- wassneten Freiwilligen bewacht. Viele wohlhabende Familien verlassen die Stadt. Nachrichten aus Regierungsquellen melden dagegen nur die Entwaffnung von 60 Carabiniers. Der aus Velez-Malaga gemeldete Zusammenstoß zwischen den dortigen Freiwilligen und einer Carlistenbande war unbedeutend; die leß- tere râumte nach einem kleinen Gefehte mit Hinterlassung von drei Verwundeten das Feld.

12. März. (W. T. B.) Die Nationalversamm- lung hat die drei Artikel des von Primo Rivera ge- stellten vermittelnden Antrages, wonach nur im Allge- meinen erllärt wird, daß der Tag der Neuwahlen und des Zusfammentritts der konstituirenden Cortes festzustellen sei, an- genommen. Nachrichten der Regierung schildern die Verhält- nisse in Valencia, Tarragona, Barcelona sehr günstig, Figueras ist in Barcelona mit großen Freudenbezeigungen empfangen word.n.

In der heutigen Sißung der kammer verlas der Präsident Biancheri ein Schrei- ben des Herzogs von Aosta, worin derselbe seinen Dank für die Seitens der Kammer an ihn gerichtete Ergebenheits- adresse ausspricht; er habe die spanische Krone in der Hoffnung angenommen, dem Lande Ruhe geben zu können; nahdem er jedoch eingesehen, daß Spanien unter seiner Regierung nicht glücklih werden könne, have er der Krone entsagt, mit dem Be- wußt'ein, die beshworene Verfassung loyal beobachtet zu haben; Jtalien werde in ihm immer einen patriotisben Soldaten finden.

Nach aus San Sebastian vom 11. März nach Paris gelangten, aus Regierunzsquellen stammenden Nachrichten wäre ein ctwa 2000 Mann zählender Carlistenhaufen unter Dorre- garay bei Monreal in Navarra von den Regierungstruppen ge- schlagen worden und hätte viele Todte und Gefangene verloren. Ein anderer Cariistentrupp unter Sorreta hätte gleichfalls eine vollständige Niederlage erlitten und wäre in die Berge von ODyarzun gedrängt worden. Der letztere hätte 23 Todte, dar- unter Soreta, auf dem Plate gelassen, eine große Anzahl sei verwundet, viele seien über die französische Grenze geflohen.

. Schweden und Norwegen. Stocckholm, 8. Mirz. „Aftonbladet“ theilt aus zuverlässiger Quelle mit, daß die Ge- rüchte über eine Erkrankung des Königs der Begründung ent- behren. Der König sei zwar sehr ergriffen worden durch den plöglihen Hintritt seines geliebten Bruders, befinde \sich aber sonst wohl, ‘habe seine gewöhnlichen ‘Promenaden täglih ge- macht und vorgestern Staatsrath gehalten.

Die Obduktion der Leiche des Prinzen August is gestern durch den Professor Key in Gegenwart der Staatsräthe, des Ober-Kommandanten u. a. Personen geschehen; am Mon- tag und Dienstag wird dieselbe auf dem Paradebette gezeigt werden, und das Begräbniß wird am Donnerstag stattfinden. Dazu werden der Erbprinz von Anhalt mit seiner Gemahlin, Schwester der Prinzessin Therese, der Wittwe des Prinzen August, am Dienstag erwartet. Die irdishen Ueberreste des verstorbenen Prinzen werden in dem Sarge ruhen, welcher im vorigen Sommer hier in Stockholm für den König Carl XV. angefertigt, damals aber nicht benußt wurde, weil man den Sarg ambvendete, der in Malmoe angefertigt und in welchem die Königliche Leiche von dort hierher gebraht worden war.

Die Proposition des Königs, betreffend die An- nahme der mit Norwegen und Dänemark abgeschloïsenen Münz- Konvention, ist hon am Mittwoch dem Reichstage vorgelegt worden. Da schon früher gemeldet worden ist, daß nach der- selben Gold der alleinige Werthmesser sein, die Recheneinheit Krona (an Werth wenig verschieden von dem jeßigen Reichs- thaler, getheilt in 100 Dere) heißen foll, daß zwei Münzen zu 10 und 20 Kronen von Münzgold, enthaltend 90 pCt. feines Gold, sowie zur Scheidemünze silberne und kupferne Münzen geprägt werden sollen u. a. m., #o ist hier aus der Propofition nur zu erwähnen, daß dieselbe die Einführung derselben, sowie die Führung aller öffentlichen Rechenschaften nah dem neuen Münzsystem zum 1. Januar 1875 vorschlägt.

Der Reichstag is mit der Berathung des Budgets für 1874 beschäftigt. f

Amerika. Aus Washington wird unterm 10. März per Kabel gemeldet: Mr. Caldwell, der neugewählte Senator für Kansas, is für nicht legal erwählt erklärt worden. Die Mit- glieder des diplomatischen Corps hâäben den Präsidenten Grant anläßlich seines Amtsantritts für die zweite Periode beglück- wünscht.

Leo Bork 11. März. (W. T. B.) Nach Berichten aus Mexiko is Porfirio Diaz zum Oberrichter- von Mexiko erwählt worden. Der nordamerikanische General Austun i} in der Grenzstation am Rio-Grande del Norte e taa um Maß- regeln zur Sicherung der amerikanischen Grenzbevölkerung zu treffen. j Ó

M Asien. Die neuesten indishen Zeitungen melden den Tod zweier indischen Fürsten, des Maharad\schah von JIohdpore und des Radscha's von Dhalepore. Legzterer leistete den Flüchtlingen von Gmwalior im Jahre 1857 gute Dienste, für welche er, wie für seine Loyalität im Allgemeinen, das Groß- kreuz des Sterns von Indien erhielt.

Kunst und Wissenscháft. j

Berlin, 13. März. Das Ballet des Königlichen Operuhauses brachte gestern Abend neu einstudirt und mit zum Theil néuer Ausstat- tung ein älteres chorecgraphishes Werk: „Aladin oder dieWunder- lampe“. Dieses früher gern“ gesehene Zauberballet, eine Erfindung des verstorbenen Königlichen Balletmeister Hoguet, hatte mehrere Jahre geruht und damit aüh äußerlich in Bezug auf Beseßung ein verändertes Ansehen erhalten. Die Partic der Prinzessin“ Ba!dronf- ? baldour, eins von Frl. Marie Taglioni getanzt, ist ießt von Frl.

De putirten-