1873 / 64 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 Mar 1873 18:00:01 GMT) scan diff

Forsberg übernommen worden, der Aladin von Hrn. Ch. Müller auf Hrn. Guillemin übergegangen, während der Erstere sih nun mit der kleineren pantomimischen Rolle des bösen Geistes begnügt. Das Deben nahm das Werk, welches mit der ansprehenden Musik von

ährih noch den einfacheren Charakter der alten Schule trägt, gleich- wohl wieder recht freundlich an und zeichnete namentlich Frl. Fors- berg nah einem brillanten Pas de deux im zweiten Akt durch reiche Blumenspenden und Hrn. Guillemin, sowie die begleitenden Damen durch vielen Beifall aus. Ein anmuthiges, von Frl. David und Hrn. Burwig ausgeführtes Pas de deux, welches im leßten Akte eingelegt worden war, bildete in dieser graziósen, harmonischen Verbindung der beiden hervorragendften Kräfte der Königlichen Bühne auf dem Ge- biete der Tanzkunst denGlanzpunkt des Abends.

_ Die vortreffliche Inscenirung und das Arrangement der großen Ensembles hatten der Königliche Balletmeister Gasperini und der Solotänzer Ehrich besorgt. i

Gewerbe und Handel. ; Berlin, 13. März. In der gestern stattgefundenen Sißung des Auffichtsraths der Berliner Bank wurde Seitens des Vorstandes die Bilanz pro 1872 vorgelegt und nach,dem die statutenmäßige Abschreibung von 5% für den Reservefonds stattgefunden, eine Schà- den-Reserve von Thlr. 16,000 gelegt und dem Reservefonds noch weitere 44,000 Thlx. überwiesen wörden find der Generalversammlung, welche den 31. d. M. stattfinden soll, eine Dividenden-Vertheilung von 14% für das Jahr 1872 zu proponiren beschlossen.

Aus dem Wolff'\hen Telegraphen-Bureau.

London, Donnerstag, 13. März. Die heutigen Morgen- zeitungen besprechea die Kabinetskrisis und deren Lösung in zum

Theil von einander abweichender Weise. Außer dem „Echo“ behauptet auch die „Times“, daß das Ministerium noch im Laufe des Tages seine Demission geben und daß Disraeli mit Bildung des neuen Kabinets beauftragt, der Leßtere auh diesem Auftrage sich unterziehen werde, wenn die Aus- \chreibung neuer Wahlen wenigstens bis zum Monat Juli d. I. ausgeseßt bleibe. Die „Times“ giebt Disraeli den Rath, ohne Apell an die Meinung des Landes den Auftrag zur Bildung eines neuen Kabinets lieber niht zu übernehmen. Die „Mor- ning Post“ dagegen will wissen, daß der Ministerrath überhaupt noch keinen bestimmten Entschluß darüber gefaßt habe, ob das Ministerium zurücktreten oder ob dasselbe das Unterhaus auf- lösen solle. Die Abstimmung in der irischen Universitätsfrage sei mehr ein Resultat der Ueberrumpelung gewesen und zahl- reiche Parlamentsmitglieder seien bereit, dem Ministerium dur ein Vertrauensvotum ihre Unterstüßung anzubieten. Die Kon- servativen hätten den Wunsch, daß die Verantwortung für die Ausschreibung neuer Wahlen noch von dem gegenwärtigen Ministerium getragen werde. Jedenfalls würde Gladstone den Gei des Ministeriums dem Hause. heute Abend noch mit- eilen.

Paris, Donnerstag, 13. März. Nach dem „Journal officiel“ beläuft fich die leßte Zahlung an Deutschland im Gan- zen auf 279 Millionen Francs; davon kommen 129 Millionen auf die Zinsen der leßten 3 Milliarden und 150 Millionen auf die Restzahlung zur Vervollständigung der ersten Hälfte der vierten Milliarde.

Washington, Donnerstag, 13. März. Der Schaß- sekretär Boutwell is zum Senator für Massachusets gewählt worden; wahrscheinlich wird der bisherige Assistent im Schaß- departement, Richardson, an seiner Stelle das Finanz-Ministerium übernehmen.

Königliche Schauspiele. i

Freitag, den 14. März. Im Opernhause. (62. Vor- ftellung.) Der Feensee. Große Oper in 5 Abtheilungen von Scribe. Musik von Auber. Ballet von Hoguet. Zeila: Fr. Kupfer-Berger. Margarethe: Frl. Horina. Graf Rudolph: Hr. Salomon. Albert: Hr. Formes. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-Preise.

Im Schauspielhause. (72. Abonnements-Vorstellung.) Zum ersten Male: Herzog Bernhard von Weimar. Geschichtliches Trauerspiel in 5 Akten von Rudolph Gottschall. Jn Scene Ee vom Direktor Hein. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-

reise.

Sonnabend, den 15. März. Im Opernhause. (63. Vorstel- lung.) Die Hochzeit des Figaro. Oper in 4 Abtheilungen mit Tanz von Beaumarchais. Musik von Mozart. Die Gräfin: Fr. v. Voggenhuber. Susanne: Fr. Mallinger. Cherubin: Frl. Lehmann. Almaviva: Hr. Bey. Figaro: Hr. Krolop. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-Preise.

Im Schauspielhause. Maria und Magdalena. Lindau. Anfang halb 7 Uhr.

(73. Abonnements - Vorstellung.) Schauspiel in 4 Akten von Paul Mittel-Preise.

FAPAN.

Japan, das metallreihe Zipangu der mittelalterlichen Geographen, war bekanntli bis zum Jahre 1852 für den Welt- handel so gut wie verschlossen. Die ersten Nachrichten über Japan verdanken wir dem Venetianer Marco Polo (1295.)

Die ersten Europäer kamen im Jahre 1543 oder 51 Fahre später, als Columbus Amerika entdeckte, nah Japan. Es waren portugiesishe Abenteurer, welche der Sturm nach Kiusiu*) verschlagen hatte. Die Fremdlinge schienen eine gute Aufnahme gefunden zu haben, denn es entwickelte sich bald ein lebhafter und gewinnbringender Handel mit den in China und Malacca ansässigen Portugiesen nah den Häfen von Kiusiu. Es fanden sogar eheliche Verbindungen zwischen Europäern und reichen Fapanerinnen statt. Den Kaufleuten folgten auch bald die Glaubensboten nach.

Franz Xaver erreichte, begleitet von dem spanischen Jesuiten Torres und zwei b-kehrten Japanesen im Herbst des Jahres 1549 die Küste von Kiusiu und landete in Kangosima, wo sie freundliche Aufnahme fanden. Die christliche Lehre verbreitete sich verhältnißmäßig s{hnell. Die Jayaner zeigten hon da- mals, wie gegenwärtig wieder, große Neigung und Interesse für die europäishe Kultur. Mehrere Fürsten nahmen den christlihen Glaúben an und 1587 rechnete man schon 200,000 Christen in Japan. Doch bald trübte sich das gute Einver- nehmen der Japaner mit den Europäern, es brachen, dur allerhand Jntriguen hervorgerufen , Glaubensstreitigkeiten aus, und ungestüme vielleicht sanatishe Handlungen folgten ihnen. Auch entwickelten die Fremden einen ausgedehnteu Menschen- handel. Diese und noch manche andere Verhältnisse und Ucbel- stände veranlaßten Kaiser Taiko- Sama zu einem Erlaß, nach welchem die fremden Geistlihen bei Todesstrafe binnen 24 Tager. Iapan verlassen sollten. Die Jesuiten wichen iht sofort dem Verbannungsedikte,**) sie hörten nur auf, öffent- lih zu predigen, und legten die geistliche Tracht ab. Der Kaiser

duldete fie, damit die portugiesishen Kaufleute im Lande bleiben

anae aber er traute ihnen und allen Christen niht. -Auch ranziskaner und andere Ordensbrüder trieben ihr Wesen nah wie vor im Lande. Ia es liegt die Vermuthung nahe, daß Philipp 11. die Franziskaner als politishe Emissäre verwendete. Die Verhältnisse wurden endlih unhaltbar, hwere Strafen, Kreuzigung und Folter wurden angewendet und endlih folgte eine Verfolgung der Christen im ganzen Reih. Die Frem- den mußten Japan verlassen. Nur den Holländern wurde es gestattet, auf einer kleinen Jnsel Defima bei Naga- saki sich niederzulassen und unter obrigkeitlicher Erlaubniß Han- del zu treiben. Jm Uebrigen war es jedem Fremden bei To- desftrafe verboten, nah Japan zu kommen. Dieser Befehl wurde zwei Jahrhunderte hindurch streng befolgt. Bei dem zunehmenden Verkehr an der Westküste der Ver- einigten Staaten von Nordamerika mußte die Abgeschlofsenheit apans den Amerikanern unbequem werden und so war es na- türlih, daß man endlich den Versuch wagte, mit Japan in Handelsverkehr zu treten. Dem Commodore Perry gelang es 1853, die japanische Abgeschlossenheit zu brechen und einen Handelsvertrag abzuschließen. Rußland folgte dem Vorgang von Amerika und bald darauf {lossen auch England, Frank- reich und der Niederlande in Japan Freundschafts- und Schiff- fahrtsverträge ab. Deutscoland durfte nun auch nicht / zurück bleiben. Da Preußen aber die Führerschaft Deutshlands unter

den Staaten des deutshen Zollvereines übernommen hatte, .

fo fiel ihm auch die Sorge und Ausrüstung einer Expedition nah Ostasien gu. Am 9. August 1859 wurde der Plan über die abzuschließenden Verträge, das Personal der Gesandt- schaft und der beizugebenden Fahmänner 2c. entworfen. Das Personal der Expedition bestand aus dem Gesandten Grafen Friedrih zu Eulenburg, dem Legations-Sekretär Pieschel, den Gesandtschafts-Attahés von Brandt, von Bunsen und Grafen August zu Eulenburg; den Naturforshern Regierungs-Rath Wichura, Dr. von Martens, Dr. Freiherrn von Richthofen, Dr. L Ferner befanden \sich unter ‘dem Personal der Maler A. Berg, der Zeichner W. Heine, der Photograph Bis- mark, Gärtner Schottmüller, die Kaufleute Grube, Jakob, Wolff und der Bevollmächtigte der sächfishen Handelskammer, Kaus- mann Spieß.

Die Expeditions\chiffe waren die Dampfkörvette , Arkona“ mit 27 Geshüßen und einer Bemannung von 319 Köpfen, die

*) Kiufiu ist die südwestlichste größere Insel in ‘der Japanischen Fnselgruppe, ihr Klächeninhalt ist noch nicht genau bekannt, er wird von 688 bis 800 Quadratmeilen angegeben. Das wäre größer als die beiden Königreiche Sachsen und Württemberg, welche zusammen 626 Quadratmeilen betragen.

Japan ist ein Inselreih, das aus mehr als 3000 Inseln zu- sammengeseßt ist. Die größten dieser Inseln heißen Nipon, Sikokf, Kiusiu und Jesso, diese vier môgen etwa an F lächeninhalt dem Preußischen Staate gleihkommen, d. h. über 6300 Quadratmeilen. Die Haupt- ftadt des Reiches ist Jeddo auf der größten, der Insel Nipon. Der von früher her bekannteste Hafen ist Nagasaki oder Nangafaki auf Kiusiu. Die Bevélkerung E man auf 25 Mill

x

illionen. **) Die preußische Expedition nah Ostasienu Band 1, Verlag von R. v. Decker.

Segelfregatte * „Thetis“ mit 38 Geschüßen und einer Bemannung von 333 Köpfen, der Schooner „Frauenlob“ mit 1 Dreißigpfünder und 41 Mann "und das Transportschiff „Elbe“ mit 6 Kanonen und 47 Köpfen.

Auf verschiedenen Wegen begaben sich die Mitglieder nah Singapore; hier gewann das Unternehmen im August 1860 erst seine volle Gestaltung.

Die Ergebnisse dieser Expedition sind niedergelegt in einem Werke, betitelt „Die Preußische Expedition nah Ostafien. Nach amtlihen Quellen.“ Berlin seit 1864 Verlag der König- lichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. von Deer). Erschie- nen sind bis jeßt (1873) drei Bände. Von den Mitgliedern der Expedition haben Mehrere selbst :ndige Werke herausgegeben.

Obgleih unsere Kenntniß von Japan noch sehr mangelhaft ift, so besigen wir doch son eine sehr reihe Zahl von Werken über Iapan; wir könnten hier über 30 selbständige Arbeiten an- führen, wenn es der Raum gestattete. Als die zuverlässigsten Werke über Japan betrachtet man im Allgemeinen E. Kaempffer, Geschichte und Beschreibung von Japan. C. P. Thunberg, Reisen nah Japan. P. F. von Siebold, Nippon. Archiv zur Beschreibung von Japan und dessen Neben- und Schugz - Länder. Leiden und Amsterdam.

Welchen Nußen die preußische Expedition gewähut hat, er- fennen wir erst jeßt recht deutlih aus dem regen internatio- nalen Verkehr, der sich zwishen Deutschland und Japan ge- staltet hat. Viele* junge Japaner leben in Berlin, um fich zu Instruktoren in den verschiedensten Fächern der Wissenschaften für ihre Heimath auszubilden. Deutsch: Aerzte, Lehrer und Militärs sind oder werden von der japanischen Regierung dort- hin berufen. Japanische Gesandtschaften gehören in Berlin nicht mehr zu den seltenen Erscheinungen.

Walhall und Hel.

Am Dienstag hielt Dr. Werner Hahn die zweite und leßte Vorlesung über Walhall und Hel, der „Tod“ im get- manishen M ythus (vergl. Nr. 57 d. Bl.). Dem glänzen- den Bilde Walhalls entgegengeseßt schildert die Edda das Reich der Hel, in das die vor Alter oder an Krankheiten Gestorbenen fommen, mit den trübsten Farben. Jn Niflheim, durch ein hohes Gitter von der übrigen Welt völlig abgeschlossen, thront die Beherrscherin des Todtenreiches. Jhr Saal, woselbst die Todten Aufnahme finden, heißt Elend, ihr Tisch Hunger, ihr Messer Mangel leidend, ihr Lager Siechthum, ihre Decke Unheilglanz; der Knecht des Hauses wird Schleppschritt genannt, die Magd Gangträge. Hel selbst, Loki's und der Riesin Augurboda Tochter, halb bläulih, halb menshlich roth dargestellt, hat ein grimmiges, furhtbares Aussehen. Ihr Reih wird anscheinend sich ganz widersprehend in der Edda geschildert. So gelangt Balder dorthin und unterhält sich zutraulih mit seinem Bruder Hermod bei reicher Bewirthung. Ebenso werden oft die Helden vor Hel gewarnt, und wenn sie gefallen, wird von ihnen erzählt, daß fie zu Hel gegangen seien. Damit \{chwindet Walhalls Glanz in etwas. vereinigen lassen. Hel hängt nämlih zusammen 1) mit Loki, 2) mit Niflheim. Loki is bekanntlich Sinnbild des Feuers und zwar zunächst des erdbildenden. Das Feuer aber erscheint durh- weg in der Mythe als vermittelnde Kraft alles Naturlebens. Wie kann nun die Göttin des grausen Todes Loki's Tochter sein? Nur deshalb, weil als sittlih geistige Kraft angesehen das Feuer au als Sinnbild des Bösen galt, da es nach Vernichtung strebt. Daher find Loki's Kinder von der götterfeind- lihen Augurboda 1) der Fenriswolf, die vulkanische Kraft der Erde; 2) Iörmungandr, die Midgardschlange, das die Erde endlich T Ita Meer und 3) Hel, durch welche die Erde nicht mehr als lebenschaffende, sondern als Alles vernichtende ange- aa wird. Hel heißt die „Bergende.“ Die Erde behält Alles, obald es stirbt; lebend strebt es aufwärts, todt fällt es zur Erde nieder und Hel nimmt es in ihre weite Wolnstätie auf. Aber noch eine andere Wendung tritt in dieser Abstammung von Loki ein. Ueber Loki, dem Prinzip des Bösen, und Baldur, dem Prinzip des Guten, steht das bei den Germanen als wohl- wollend aufgefaßte „Schicksal“, das einst Vergeltung bringt. In Niflheim hat es seinen Siß und träufelt Segen auf die Erde. Nach Niflheim wird nun Hel von Odhin entführt, weil er von Loki's Kindern Gefahr fürchtet. Von Niflheim geht aber die Erde aus und aller Segen, der ihr zufließt; und im Schooße des Lebens liegt der Tod. Darin ruht der tiefe Ge- danke, wie nahe Tod und Leben einander liegen. Der Tod scheint Verwesung, führt aber zu neuem Leben. Der kindliche Sinn unfserc-r Vorfahren führt dies bildlich aus und durch. Dazu kommt noch Eines: Niflheim wird die 9. Welt genannt, d. h. die 9. Heimath oder der 9. Garten. (9 is der Germanen ea: Zahl). Wir zählen aber nur §8 Welten in der Edda.

emnach muß die 9 Begriff, nicht Zahl sein. Die 9 bedeutet das ununterbrohene Werden. Hel wohnt in der 9. Welt, d. h. der Tod nimmt Theil an der Erneuerung des Lebens, seine Wohnungen sind unvergänglih. Walhall und die Götter ver- gehen; Niflheim bleibt; dort leben die Todten in einer neuen Welt unter neuer Sonne, von Morgenthau und Weisheit ge- nährt. So sinnig dachten die alten Germanen; ihr Herz sehnt

Beide Anschauungen müssen sich aber irgendwie"

fich nah ewigem Frieden. Vergeltung steht bevor im dritten Himmel, und dann wohnen wonnegenießend die Guten in sil- bernen Hallen, weit ab von der Sonne, ewig gequält aber die Bösen. Mit begeisterten Eddaworten {loß der Vortragende, indem er dem deutschen Volke dauernde Bewahrung dieser Ge- müthstiefe wünschte.

Ueber das Projekt einer die Stadt Berlin dur ch- s\hneidenden Eisenbahn

ergiebt eine auf der Tagesordnung der heutigen Stadtverordnetenver-

uns stehende Vorlage des Magistrats zu Berlin folgendes

ähere : j

Die deutsche Eisenbahubau-Gesellschaft hat das Projekt aufge- stellt, und die erforderliche staatliche Genehmigung hierzu nachgefucht,

Nachdem auch dem Magistrate von der genannten Gesellschaft Mit- theilungen über das Pro gemacht waren, die nicht ge-ignet erschie- nen, Gegenstand materieller Beschlüsse zu werden, wurde der Magistrat von dem Königlichen Eisenbahn-Kommissariate im Auftrage des Mi- nisters für Handel 2c. aufgefordert, an einer kommissarischen Bera- thung Theil zu nehmen, deren Gegenstand noch nichk eine landespolizeiliche Prüfung dis Projektes sein, bei der es sich vielmehr nur darum handeln sollte, festzustellen, ob etwa gegen dasselbe Bedenken geltend zu machen sein würden, welche dessen Ausführung b-hindern würden, und event. zu berathen, auf welche Weise gewichtige Bedenken etwa beseitigt werd- n könnten. In Folge dieser Aufforderung machte sich der Magistrat schlüssig, daß kein Grund vorliege, im Interesse der Stadtgemeinde prinzipiell der Ausführung des Projektes entgegenzutreten, daß dasselbe im Gegentheil als den Interessen des Verkehrs und der allgemeinen Entwickelung der Stadt günstig zu erachten fei, wenn auch bei der Durchführung d-es- selben nach verichiedenen Richtungen hin das städtische Interesse Ver- anlassung zu eingehender Erörterung geben müsse. Jn der demnächst stattgehabten kommissarischen Becathung, bei welcher neben dem Ma- gistrat auch das Königliche Ministerium des Krieges, der geistlichen 2c. und der landwirthschaftlichen Angelegenheiten, das Königliche Polizei - Präsidium, die Königliche Min.sterial- Bau - Kommission, die Königlichen Direktionen der Nieder- schlesischen und der Ostbahn, sowie der Magistrat der Stadt Char- lottenburg vertreten waren, wurden, ohne daß von irgend einer Seite Bedenken gegen -das Bahnprojekt im Prinzive erhoben worden wären, eine Reihe einzelner Fragen zur Erläuterung gezogen, von dcnen na- mentlich speziell das städtische Interesse berühren die Fragen w?gen der Zulässigkeit der Zuschüttung des Königsgrabens, wegen der An- lage von Güter-Aufnahme- und Abladestationen im Innern der Stadt, und wegen der erforderlichen Abänderung des Bebauungsplanes. Be- züglich der Zuschürtung des Königsgrabens, die Seitens des Kön!g- [lichen Polizei-Präsidiums als in polizeilicher Beziehung erwünscht er- flärt wurde, war darüber Einverständniß, daß zunächst noch weitere tehnisché Ermittelungen stattzufinden hätten, namentlih in Hinsicht auf die Bedeutung des Königsgrabens für die Entwässerung der Stadt und die Vorfluth. Jn Ansehung der Güter-Stationen wurde hervor- gehoben, daß durch ihre Anlegung einzelnen Straßen zu greßer Ver- kehr zugeführt werden würde, doch anerkannt, day hicrüber sowie über die Abänderungen des Bebauungsplanes erst nah Vorlegung der Spezial-Projekte bestimmte Erklärungen abgegeben werden fönnten.

__ Aux Grund dieser fommissarishen Verhandlungen hat der Ma- gistrat die Angelegenheit nochmaliger eingehender Erwägung unter- zogen, indeffen feine Beranlassung gefunden, von der oben dargelegten Pr Stellung zu dem Unternehmen abzugehen. Dugegen

eabsichtigt er in besonderem Berichte dem andels-Mi- nister darzulegen, welches Interesse die Stadtgemeinde gerade an dem auf der projektirten Bahn einzurichtenden Per- sonenverkehr und dessen Einfügung in denjenigen der neuen Vervin- dungsbahn hat, und hier:nit die Bitte zu verbinden, es möge der Minister bei der etwaigen Konzessionirung der projektirten Bahulinie auf die Förderung und Sicherung dieses Personenverkehrs besonders Bedacht nehmen, au der Gesellschaft zur Bedingung machen, daß fié diejenigen Anlagen neuer Straßen und Veränderungen resy. Erweite- rungen bestehender S raßen, die lediglih um der projektirten Güter- Stationen willen stat1finden müßten, auf ihre Kosten herzustellen habe.

Bci der erheblichen Wichtigkeit der Angelegenheit für die Kom- mune legt Magistrat ein besonderes Gewicht darauf, schon im gegen- wärtigen Stadium derselben der Uebcreinstimmung mit der Stadt- verordnetenversammlung si zu versichern, und ersucht dieselbe daher um ihre Aeußerung zur Sache.

Die Gesellschaft der Gartenfreunde Berlins veranstaltet ihre diesjährige Frühlings-Au sstellung zuin Besten des unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin stehenden VaterländischenFrauenvereins vom Sounabend, 59. April bis Mittwoch, 9. April einschließlich, in der ihr dazu bewilligten Reitbahn des Kriegs-

Minifteriums. Die Beschickung diejer Blumen-, Pflanzen- und Frucht- Ausstellung steht sowohl den M igliedern, a1s auch Nichtmitgliedern frei, und es werden hervbrragende Leistungen, für weiche im Pro- gramme keine besonderen Preise vorgejehen sind, von den Preisrichtern durch ihnen zur Verfügung stchende oder ausgefällene Preise belohnt. Das Programm seßt einige 50 Preise aus, darunter als Preis die von Sr. Majestät dem Kaijer und König der Gejellschaft bewilligte goldene Denkmünze; ferner Ehrenpreije Ihrer Majestäten der Kaiserin und der verwittweten Königin. Die Anordnung der Aus- stellung übernimmt der Kúnst- und Ober-Gärtner Eggebrecht.

Redaktion und Rendantur: Schwieger.

Berlin, Verlag der Expedition (Kessel). Druck: H. Heiberg.

Drei Beilagen (einshließlich der Vörsen-Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

2 G64.

Königreich Preufen. Kriegs-Ministerium. Wohlthätigkeit.

Aus den Zinsen der von dem Königlichen Hoslieferanten Kommissions-Rath Hoff in Berlin gegründeten Stiftung, welche gegenwärtig aus 2000 Thlr. in zinstragenden Papieren besteht, werden -nach dem Wunsche desselben alljährlich am Geburtstage Sr. Majestät des Kaisers und Königs hülfsbedürftige Veteranen der Feldzüge von 1813/15 und Soldaten, welche bei Erstür- mung der Düppeler Schanzen invalide geworden sind, beschenkt.

Der gegenwärtige Stand der Fonds gestattet es, nachbe- nannten 11 Veteranen der Feldzüge von 1813/15

Anton Keichel aus Wormditt; Friedrih Schwill aus Zinten;

ohann Jankowski aus Schöneberg, Kreis Marienburg; Andreas

ringmann aus Tilsit; Johann Piepenburg aus Náäugard; Johann Friedrich Gerath aus Frankfurt a. O.; Ferdinand Scll aus Zinna; David Erbe aús Joachimsthal; Christof Fechner aus Gremsdorf, Kreis Bunzlau; Gottlob Haase aus Ernsdorf, Kreis Reichenbach; Johann Behm aus Höxter und nachbenann- ten 5 bei Erstürmung der Düppeler Schanzen invalide gewor- denen Soldaten Carl Joseph Neumann aus Kölmchen, Kreis Freystadt; Friedrih Grohn aus Schwedt; Gustav Blankenburg zu Mulz, Kreis Nieder-Barnim; Eduard Gute zu Cottbus und Karl Heinrih Gustav Wilkening zu Dehme, Geschenke à 5 Thlr. zu bewilligen, welhe den Genannten am 22. März d. J. dur Vermittelung der betreffenden Königlichen General- Kommandos werden behändigt werden.

Das Kriegs-Ministerium bringt dies zur öffentlichen Kenntniß.

Berlin, den 2. März 1873.

Kriegs-Minifterium. Abtheilung für ‘das Invalidenwefsen.

Aus den Zinsen einer von einem ungenannten Patrioten gegründeten Stiftung, deren Kapital aus 1050 Thlr. in zins- tragenden Papieren besteht, werderi nah dem Wunsche desselben alljährlih am Geburtstage Sr. Majestät des Kaisers und Königs 10 húlfsbedürftige Veteranen der Feldzüge von 1813—15 beschenkt.

In diesem Iahre sind die Veteranen: Christian Marreck aus Ieschonowiß, Kreis Ortelsburg; Christian Ellmenthler aus Gumbinnen; Iohann Sommer aus Landskron, Kreis Preußisch Friedland; Iosef Cohn aus Chodgziesen; Jacob Pieper aus See- Buckow, Kreis Schlawe; Martin von Lipinski aus Berent; Christian Sporn aus Seppau, Kreis Glogau ; Iohann, Kallert aus Iaegendorf, Kreis Jauer; Johann Schwabbauer aus Nimptsh und Peter- Czerwionka aus Oppeln mit einem Geschenk von je 4 Thlr. bedaht worden. Die Behändigung desselben an die Genanníten erfolgt durh Vermittelung der betreffenden Kö- niglihen General-Kommandos. '

Das Kriegs-Ministerium bringt dies mit dem Ausdru des Dankes für den ungenannten Geber hierdurch zur öffentlichen Kenntniß.

Berlin, den 2. März 1873.

Kriegs-Ministerium. Abtheilung für das Invalidenwesen.

Nichtamtliches.

Rußland und Polen. Ueber das Projekt des neuen Reglements für die Militärd ienstpfliht, das nunmehr der be- sonderen, mit den Rechten eines Reichsraths-Departements ausge- statteten Kommission übergeben ist, gehen der „Mosk. Ztg.“ ziemlich vollständige Mittheilungen zu, denen wir Folgendes entnehmen. : j

ie Kommission des Kriegs-Ministeriums, welche dieses Projekt entworfen, hat sich augenscheinlih bemüht, den in dem bekannten Edikt vom 7. November 1871 ausgesprochenen Allerhöchsten Willen nachzu- kommen, und demselben denn auch das Prinzip zu Grunde gelegt, daß die Vertheidigung des Vaterlandes eine heilige Pflicht jedes russi- schen E ist, und dieser Pflicht sid die ganze männliche Be- völkerung ohne Unterschied zu unterziehen hat, wobei natürlich keine Rede- mehr von Loskauf und Stellvertretung sein kann. Alle Per- sonen, welche 20 Jahre alt geworden find, werden in dem hier- auf folgenden Jahre im europäischen Rußland zwischen dem 1. No- vember und 15. Dezember und in Sibirien v iédien dem -15. Oktober und 31. Dezember zum Loosen einberufen, wenn fie es nicht vorziehen, als Freiwillige einzutreten. Diejenigen, welche sich frei loosen, werden der cichswehr zugezählt, die anderen treten in die Reihen der Armee. Die Höhe des Ersaßkontingents für die Armee und Flotte wird jähr- lich auf Vorstellung des Kriegs-Ministers auf dem Wege der Gesehßz- gebung festgestetlt und publizirt.

Die Personen, welche ein Loos gezogen, das sie zum Eintritt in den Dienst bestimmt, haben a. in den Landtruppen 15 Jahre, davon 6 bei den Fahnen und 9 in der Reserve, und b. in der Flotte 9 Jahre, davon 7 in der aktiven Marine und 2 in der Reserve, zu dienen. Diese Dienstzeit wird übrigens noch theils durch zeitweilige Beurlau- bungen, theils durch Verminderung der Dienstjahre in der Reserve für diejenigen, welche feinen Urlaub erhalten, verkürzt werden. Die Ge- meinen der Landtruppen werden im Allgemeinen beurlaubt, wenn fie fünf Lagerübungen mitgemaht haben, 10 daß die Mehr- zahl der Leute nur 47 Jahre im aftiven Dienste zu stehen haben wird. Die Gemeinen der Kavallerie, der reitenden Artillerie und der Grenzwaché, die Musikanten und Feldscheerer haben ihre vol-

len 6 Jahre: auszudienen, stehen dafür aber ein Jahr weniger in der

Reserve. Die Unter-Offiziere aller Landtruppen dienen gleichfalls volle 6 Jahre, ihnen werden dafür 2 Jahre des Dienstes in der Re- serve erlassen. Ein 7 jähriger afktiver Dienst besteht ausnahmsweise für die Truppen des Turkestanschen Miklitärbezirks und der Gebiete Ssemipalatinsk, Transbaikalien und Jakutsk, für das Amur- und das Küstengebiet. L Die zeitweilig beurlaubten Leute können zu jeder Zeit, die in der Reserve stehenden nur im Falle eines Krieges einberufen werden; lebtere find jedoch zur Uébung und zur Kontrolle einzuberufen, aber höchstens zweimal während der ganzen Dauer ihres Reserveverhält- nisses. Einige Acmter des Staats- und Kommunaldienstes befreten ganz von der Einberufung. 5 Alle diejenigen, w ce ih freigeloost haben, werden in die Listen der Reichswehr eingetr gen, in welchen sie eben so wie die Leute, die bereits ihre Dienstpflic ck erfüllt haben, bis zum 38. Lebensjahre ver- bleiben. Die Reichswéhr wird nur im Falle eines Krieges durch ein Allerhöchstes Manifest einberufen; gegen den Feind dürfen jedoch nur diejenigen geführt werden, die noG nicht 27 Jahre alt find. Diese gere Altersklasse der Reichswehr wird theils zur Bildung von eihswehr-Corps, theils, wenn die Reserve erschöpft oder nicht aus-

reichend ist, zur Verstärkung und Kompletirung der stehenden Trup-

Donnerstag, beu 13. März

pen bestimmt, während die anderen Altersklassen eben nur zur B ildung von Reichswehr-Corps verwendet werden. _, /

Ausnahmen hinsichtlich der Länge der Dienstzeit und andere Vor- rechte werden durch den Stand und die Art der Beschäftigung, durch

| die Bildungsstufe, durch Familien- und Vermögensverhältnisse bedingt.

a, Des Standes und der Beschäftigung wegen werden die Geist- lichen aller chriftlihen Bekenntnisse und die orthodoxen Psalmenleser, welche den Kursus der geistlichen Akademien und Seminarien absolvirt haben, ganz von der Einberufung zum Militärdienst entbunden. Vom aftiven Dienste werden unter unmittelbarer Einstellung in die Reserve befreit: die Doktoren der Medizin, die Aerzte, die Magister der Ve- terinär-Wissenshaften, die Lehrer der in den Statuten der Leßr- anstalten genannten Gegenstände, die ins Ausland entsendecten Pensio- näre der Akademie der Künste und die Pensionäre der Theaterschule, welche den Titel Künstler erhalten haben. N

b. Mit Rücksicht auf die Bildung erfolgt die Einberufung der Zöglinge der verschiedenen Sen eaen später und findet eine Ver- fürzung der Dienstzeit statt. Zu diesem Behufe sind die Lehranstal- ten in vier Kategorien getheilt; zur ersten gehören die Universitäten, zur zweien die Guntialici, dar dritien die Progymnajien und zur vierten die Volksschulen. Für die Zöglinge der Lehranstalten der zweiten Kategorie wird die Einberufnng bis zum 22., für die der Seminarien bis zum 24., für die der Lehranstalten erster Kate- gorie bis zum 27. und für die der Akademie bis zum 28. Lebens- jahre hinausgeschoben. Nach- der Einberufung haben diejenigen, welche den Kursus einer Universität oder einer anderen Lehranstalt erster Kategorie absolvirt haben, die Künstler mit Klafsenrang 1, und 2. Grades und diejenigen, welche Diplome von den Konjervatokten haben, nur 6 Monate in der Front zu dienen, worauf sie der Reserve zugezählt werden. Die Beendigung des Kursus in einem Gymnafium oder einer anderen Lehranstalt der zweiten Kategorie, ter Künstler- flassenrang 3. Grades und das Attestat der Konscrvatorien giebt das Anrecht auf einen nur 13jährigen aktiven Dienst, wihrend n jedoeh zwei Lagerübungen mitgemäht werden muü}hjen. le Progymnasien und andere Lehranstalten der dritten Kategorie gewähren eine Verkürzung des Dienstes auf 3 Jahre. Diejenigen endlich, welche den Kursus einer Elementar-Volksshule oder einer anderen Anftalt der vierten Kategorie durhgemacht haben, haben 4 Jahre im aktiven Dienst zu stehen, werden aber wahrscheinlich nach der vierten Lager- übung entlassen werden, so daß doch nur eine 3zjährige Dienstzeit übrig bleibt. Die des Lesens und Schreibens kundigen Leute, die nah den oben genannten entfernten Provinzen bestimmt find, haben gleich- falls ein Jahr weniger, also 6 Jahre, im aktiven Dienst zu bleiben.

c. Der Familienverhältnisse wegen können drei Arten von Ver- günstigungen eintreten, und die zu diesen drei Abtheilungen gehörigen Leute werden erst dann einberufen, wenn Mangel an Ersaßmannschaft eintritt. Zuerst kommen dann zum Loosen diejenigen, die im Alter

© unmittelbar schon dienenden oder im Dienste verstorbenen Brüdern

folgen (dritte Abtheilung); dann kommen die einzigen arbeitsfähigen Söhne eines arbeitsfähigen Vaters (zweite Abtheilung) heran und zuleßt die einzigen arbeitsfähigen Söhne eines nicht arbeitsfähigen Vaters oder einer verwittweten Mutter, die einzigen arbeitsfähigen Brüder ciner Wittwe, die einzigen arbeitsfähigen Enkel

“bei cinem Großvater oder einer Großmutter, die keinen arbeitcfähigen

Sohn haben (erste Abtheilung). Nach den vorhandenen Berechnungen ist anzunehmen, daß die zur ersten Abtheilung gehörigen Personen nie zum Dienste werden herangezogen werden. E

Mit Rücksicht auf die NBermögensverhältnisse kann ein einjähriger Aufschub denjenigen Immobiliarbefißern oder Inhabern von Handels- und Gewerbe-Etablissements gewährt werden, die ihren Besiß oder ihr Gtablissement persönlich verwalten. ; j

Alles dieses bezieht sich nur auf die Vorrechte, die den zum Loosen einberufenen Personen bewilligt werden. Diejenigen, die etne gewisse Bildung besien, können das Loosen vermeiden, wenn sie als Freiwillige eintreten.

Das Institut der Freiwilligen hat den Zweck, folche Personen zum Dienst heranzuziehen, die zur Ergänzung des Offizier-Corps dienen können. Wer als Freiwilliger eintreten will, muß durchaus den Kursus einer Lehranstalt der drei ersten Kategorien beendet haben und min- destens 17 Jahre alt sein. Minderjährige müssen die Genehmigung ihrer Eltern oder Vormünder zum Eintritt nachweisen. Je nach der Art der Lehranstalt, in welcher fie ihre Bildung erhalten, zerfallen die Freiwil- ligen in drei Kategorien mit verschiede2en Rechten. Die der ersten Kategorie (nach Beendigung des Kursus in einer Univerfität oder dieser gleichberehtigten Lehranstalt) haben drei Monate in der Front zu dienen und können, wenn sie das festgeseßte Examen bestchen, und eine Lagerübung mitgemacht haben, nah zwei Monaten zu Unter- offizieren und nah drei Monaten zu Offizieren befördert werden. Die Freiwilligen der zweiten Kategorie haben ein Jahr zu dicnen und fönnen nah vier Monaten zu Unteroffizieren und nah einem Jahre zum Offizier avaneiren; die der dritten Haben zwei Jahre in der Front zu dienen und können nach einem Jahre zu Unter- offizieren und nach drei Jahren zu Offizieren befördert werden. Nah Beendigung der obligatorischen Dienstzeit in den aftiven Truppen können die Freiwilligen zur Reserve übertreten oder auch im aftiven Dienste bleiben. Die Zuzählung zur Reserve kann unter Beförderung zum Offizier geschehen, wénn das Offizierexamen bestanden ift. Die Freiwilligen -thun allen Dienst der Gemeinen, werden jedoch nicht zu Arbeiten kommandirt. Eines ihrer Vorrechte besteht darin, daß sie sich den Truppentheil, in welchem sie dienen wollen, wählen können. In der Garde und in der Kavallerie müssen sich die Freiwilligen auf ihre eigenen Kosten unterhalten, in der Armee fönnen fie, wenn sie es wünschen, verpflegt werden. Die auf ihre eigenen Mittel lebenden Freiwilligen können ihre cigenen Wohnungen haben, falls sie niht eine“ besondere Beaufsichtigung erfordern.

Uebersiht der durch die projektirte Bureau-Re- organisation eintretenden Veränderungen in der Eintheilung der Bureaux des Magistrats zu Berlin.

1. General-Bureau: Verfassungs- und Perfonal-Angelegenheiten.

II. Finanz-Bureau: 1) Aufstellung des Stadthaushalts-Etats, 9) generelle Bestimmungen über das Etats-, Kassen- und Rechnungs- wesen. Revision aller Etats und Rechnungen, 3) spezielle Bearbei- tung: a. der Kapital- und Schulden-Verwaltung, b. der Polizei-Ver- waltung, e. der städtishen Straßenreinigung und Beleuchtung, d. Er- leuchtung8wesen (Gasanstalten), e. Mahl-, Schlacht- 2c. Steuer, f. Berechtigungen (Sporteln, Waage- 2c.), g. verschiedene Einnahmen und Ausgaben, h. Epidemienhäuser, Sanitätsverwaltung und Bade- anstalten, i. Geschäftsbedürfnisse nebst Verwaltung des Rathhauses, k. Wittwen-Pensions- 2c. Angelegenheiten. (ad I. und IT. werden aus einem Theile der bisherigen Magistrats-Haupt-Registrttur und der Plenar-Kalkulatur gebildet.

IIL. Das Bureau für Kirchen und höhere Schulen (Bisher Kirchen- und Schul-Abtheilung) : Hierher gehören auch die Stiftungs- sachen, welche in keinem Zusammenhange: mit dem Armen- únd dem Gewerbewesen stehen. G

IŸV. Bureau für die Gemeindeschul-Angelegenheiten (Bisher Buz reau der Schul-Deputation): Die bezüglichen Magistrats-Aften gehen, soweit ic fih bisher im Bureau al 111. befanden, hierher über.

V. Bureau für die Armen-Verwaltung (Bisher Haupt-Armen- Registratur): An dieses Bureau gehen aus der ‘Magistrats-Haupt- Registratur die dort befindlichen Akten, betreffend das Armenwe}en und die Stiftungen zu Armenzwecken, . über.

1878.

VI, Bureau für die Steuer-Verwaltung (Bisher i gistratur der Steuer-Deputation): An dieses L C gistrats-Haupt-Registratur diejenigen Akten ab, welche sih auf die Dea a weige der Steuer-Deputation beziehen. x

VII. Bureau für die Grundeigenthums - Verwaltung (Bisher Bureau der Forst- und Oekonomic-Deputation).… Hierher gehört au die Verwaltung der Gemeinde-Grundstücke innerhalb der Stadt (so- weit diese niht zu Scul- 2. Zwecken bei anderen Verwaltungen {on anderweit erfolgt), sowie die Angelegenheiten der Parfk- und Garten-Deputation. Außerdem werden in diesem Bureau die Grund- Erwerbs- und Veräußerungs-Angelegenheiten so lange geführt, bis die Verwendung zu Straßenanlagen, Bauten 2c. erfolgt. Die Berichti- gung und Zahlung der Kaufgelder für Grundstücke wird im Finanz- Bureau bearbeitet, zu welchem Zwecke Ee die erforderlichen Ne- tizen erhält. Die Durchführung des Bebauungsplans wird in der Bau-Abtheilung für den Tiefbau bearbeitet Die Angelegenheiten we- gen der Fluß-Badeanstalten gehen an das Finan--Bureau über

VIIL. Feuer-Societäts-Buceau. (Das bisherige Bureau wird erweitert): Dieses Bureau übernimmt aus der L aupt-Regiftratur au nos die idi P p lid a Anweijung der 2 randshäden, die Bei- reibung der Versicherungs-Beiträge, di atb ister, die. Stadt- wacimeijte D s g ge, die Rathsmeister, die Stadt-

k ureau für die Gewerbe-Angelegenheiten. (Bisher Ge 2- Bureau): Hier find die auf Gewerbe, Bandel 2. iat Are. aen e U Sefilngen zu bearbeiten. I

Vereinigtes Buregu. (Bisher vereinigtes Bu : Es blei vorbehalten, ob und welche der in den Übrigen Bureaus P eO bringenden Geschäftszweige hierher zu überweisen sind. f: T _AT. und X11. Bureau für Bau-Angelezenheiten: a. für Hochbau b. für Straßen- und Tiefbau uebst Straßenpolizei. (Bisher Baude- putation.): Diese beiden Bureaux nehmen einen großen Theil der Dis- herigen Magistrats-Hauptregistratur in sich auf. Im Burau ad b werden, wie ad VII. oben gedacht, die Angelegenheiten welche die Durchführung des Bebauungsplanes betreffen, bearbeitet. i _XTIT. Central-Bureau oder Annahme- nnd Vertheil§ngs-Bureau: E Us Magistrats-Hauptregistratur, theils Central-Bureau): er Rest der Magistrats-Hauptregistratur; Personalien der Bezirks- vorsteher und Schiedsmänner, wenn diese nichl_mit dem Bureau für Wahslangelegenheiten verbunden werden follen. Annahme und Verthei- lung sämmtlicher neuen Sachen an alle Bureaux im Rathhause Bes schäftigung der Diener, Akten Fuhrwesen. E E ___ Bibliothek, statistisches Bureau nebst Kommunalblatts-Redaktion die Kassen, Wabhlbureau bleiben unberührt, desgleichen die Plenar- Kanzlei, die Speztal-Registraturen einzelner Abtheilungen 2c.

Statistische Nachrichten.

In die Häfen des Regierungsbezirks Cssliin liefcn im J 1872751 S (iffe mit 553,132 Ctr. A E oen a Jae und 560,464 Ctr. in 1871; 738 Schiffe mil 693,224 Gtr. Ladung liefen im Jahre 1872 aus, gegen 817 Sch. und 753,570 Ctr. in 1871. __— Die Bäder im Regierungsbezirk Cöslin haben neuerdings einen außerordentlichen Aufschwung genommen. Kolberg, welches im Jahre 1860, nach Eröffnung der hinterpommerschen Bahn nur von 1841 Gästen besucht wurde, ist im Jahre 1872 von 4080 Badegästen frequentirt, darunter 336 Nichtdeutschen, selbst 2 Amerikanern und 1 Auitralier. Stolpmünde war im Jahre 1871 von 750, im Jahre 1872 von 900 Kurgästen besucht, selbst in Polzin, wo früher nur 60—70 fremde Kurgäste verweilten, hatte. man im Jahre 1872 deren 207. E

Wien. Die Kaiserlich Königliche statistishe Central-Kommisfion hat unter dem Titel Statistik des Judenthums na officiellen Erhebungen ein von G. A. Schimmer verfaßtes Elaborat heraus- gegeben, dem wir Folgendes über die Zahl der Judeu in Oetster- reich entnehmen: Dieselbe betrug im Jahre 1830 und 1869: Oester- reich unter der Enns (1569) 51,880, Desterreih ob der Enns 690 Salzburg 44, Steiermark 734, Kärnten und Krain (7) 22 und 22, Hricest, Görz und Gradisfka, Istrien (2881) 4729, Tirol und Vorarl- berg (1945) 353, Böhtnen (67,338) 89,539, Mähren und Schlesien (32,244), 42,644 und 6123, Galizien und Bukowina (249,208) 575,433 und 47,754, Dalmatien (503) 233; zusammen (355,695) 820,200.

Hiernach hätte sich die Zahl der Israeliten innerhalb des Zeit- caumes der Jahre 1830 bis 1869 jährlich um 3,35 Prozent, "und wenn diese Periode weiter untertheilt wird, von 1830 bis 1850 jähr- lich um 1,70 Prozent, von 1850 aber bis 1869 jährlich um 3,80 Prozent vermehrt. E

Dieses Anwachsen der Juden erscheint namentlich demjenigen der Bevölkerung im Ganzen gegenüber erorbitant. Denn es wuchs die Gesammtbevölkerung der im Reichsrathe vertretenen Länder 1830 bis 1850 jährlich um 0,62 Prozent, 1850 bis 1869 fährlich um 0,81 Prozent, in der ganzen Periode 1830 bis 1869 jährlich um 0,76 Prozent. Die Zunahme der Jsracliten wäre demnach in der ganzen Periode mehr als vier Mal, in den leßten 19 Jahren nahezu fünf Mal so stark gewesen als die der Bevölkerung im Ganzen. :

In der That wird dies kaum der Fall sein, fondern es kommen zwei Faktoren in Betracht, welche, wenn sie ziffermäßig zu konstatiren wären, diese Zunahme der Juden wesentlich herabmindern müßten. Der erste derselben ist die Ungenauigkeit der früheren Zählungen, ins- besondere bezüglich der Juden. "Da die früheren Zählungen rein zum Zwroccke der militärischen Konfkription vorgenommen wurden, fo suchten fich die Juden denselben in jeder Weife' zu entziehen. Es 1st notorisch, daß besonders in den nördlichen Ländern der männliche jüdische Nach- wuchs ganzer Orte beim Nahen der. Konskriptionskommission floh und \ich erst wieder einfand, wenn das Zählungsgeschäft beendet und die Kommission abgezogen war. Selbst bei der Ra Zählung noch wurden in Galizien derartige Klagen laut, ob- wohl man dieser Zählung als ciner rein administrativen Maßregel ohne militärishe Ingerenz mit weniger Furcht entgegenkam. Bei den früheren Zählungen ist dies in hohem Grade der Fall gewesen. und die Zahl der Israeliten, wie sie dur die Zählung von 1830 bis 1850 konstatirt wurde, steht jedenfalls unter der Wirklichkeit, wodurch dio darauf gebaute Berechnung des Zuwachses höher wird, als es fakftisch der Fall, war. Das zweite Moment liegt“ in der stets lebhafteren Zuwanderung fremder FJsraeliten. Der: in der jüngsten “Zéit fo hohe Aufschwung von Handel und Verkehr, die den Juden dur die Staatsgrundgeseßze gewährtèn Rechte waren ebenso wie die wenig behaglichen Vorkommnisse in mehreren Ländern des Ostens ein starker Beweggrund zu häufiger Zuwanderung in die westliche Reichshälfte. Wien, allerdings der Brennpunkt solcher An- ziehung, hatte 1857 6217, 1869 7867 einheimische Israeliten, also nur eine jährliGe Vermehrung derselben von 2,21 pCt. Diese Zu- nahme ist jener der gesammten einheimischen Bevölkerung von Wien gegenüber, welche 1867 284,999, 1869 mit Einschluß der nachträglich in den Vororten Eruirten 292,396 betrug, also sich jährlich nux um 0,2 pCt. vermehrte, noch immer eine sehr erheblihe. Der größere Theil ders Vermehrung entfällt aber auch bei den Jsraeliten auf die in den Gemeindeverband neu Aufgenommenen und die wirkliche Fu nahme der Einheimischen ist eine weit geringere als dic obige! jähr- liche Quote.

In den einzelnen Ländern kommen die Jsraeliten, in Vergleichung ur Gesammtbevölkerung, sehr verschieden an der Zahl vor. Auf einen uden kommen Köpfe der Gesammitbevölkerung in Galizien 9, in der Bukowina 11, in Wien 15, im ganzen Lande Nieder-Desterxeich 38,