1873 / 69 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 19 Mar 1873 18:00:01 GMT) scan diff

Nußland und Polen. St. Petersburg, 17. März. Der bei dem russischen Hofe neu ernanute Gesandte der Ver- einigten Staaten von Nordamerika, Orr, is} hier eingetroffen.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 13. März. Heute fand der Bestimmuug gemäß die Beerdigung des Herzogs von Dalarne in der Stockholmer Ridderholmskirche statt- An der Prozession nahmen der König, die Königin, die Königin-Mutter, der Kronprinz, der Herzog und die Herzogin von Anhalt u. \. w. Theil. Es waren außerdem einige der Mitglieder des Reichstags, die Minister, die Serafimritter und eine große Zahl von Hofbeamten eingeladen. Die Leiche wurde auf , einem. mit 6 Pferden bespannten / Leichenwagen gefahren. An der Spigze des Zuges, sowie auch, am Ende desselben ritten Detachements der Leibgarde. Der Ober-Hofprediger Grafström hielt die Rede am Grabe. i

Dänemark. Kopenhagen, 15. März. In der gestrigen Folkethingssißung wurde vom Abgeordneten Berg die Si- stirung der zweiten Berathung des vorläufigen Bewilligungs- geseßes vorgeschlagen und die Sache einem Ausschusse von 9 Mitgliedern überwiesen. Dieser Vorshlag wurde ohne Behand=- lung mit 44 Stimmen gegen 13 angenommen. É

In der heutigen Folkethingssißung wurden die Gesehvor- \hläge über die Anlage einer festen Brücke über den Limfjord, sowie den Bau einer Eisenbahn nah Ribe und Ertheilung einer Konzession zur Einrichtung einer Dampffährverbindung zwischen Seeland und Schweden einstimmig bei dritter Behandlung nah einer kurzen Diskussion genehmigt. .

Der 41. Bericht ‘des Central-Komites über einge- gangene Beträge für die nothleidenden Bewohner der über- \chwemmt gewesenen Küstenstreken Dänemarks erweist eine To- taleinnahme von 985,290 Rd. 4 Mk. 14 Sch.

Amerika. Washington, 18. März. (W. T. B) Richardson is als Sekretär des Schatzes an Stelle Bout-

| wells getreten und hat der Senat mit dieser Modifitation das

seitherige Kabinet bestätigt. In Lawrenceburg (Kentucky) und Elyria (Ohio) haben bedeutende Feuersbrünste statt- gefunden, der dadurch verursahte Schaden wird- auf 500,000 Dollar angeshlagen. Das Maschinistenpersonal der Mi \- \souri-Eisenbahn hat die Arbeit eingestellt und sucht die Fahrt der Züge zu hindern und das Cisenbahnmaterial zu beschädigen. Es find Truppen zum Schutze verlangt worden.

Die neuesten Nachrichten aus den südamerikanischen Republiken melden Folgendes: Jn Lima, der Hauptstadt Perus, herrschte die größte Aufregung in Folge der Erschießung der Obersten Gamio und Zerallos während eines Fluchtversuches. Die Obersten waren wegen eines Revolutionsversuhes in Arequipa nah dem Amazonenstrom verbannt worden. Ein be- waffneter Pöbelhaufen drang in die Kongreßhalle, beschuldigte die Regierung der Mitschuld und verlangte einen Minister- wechsel. Es droht eine Kabinetskrisis; gleichzeitig wird aber, auch der Ausbruch- einer Revolution befürhtet. Jn Bo- livia gestaltet ih die Lage der Dinge komplizirter, da die verschiedenen politishen Parteien bezwecken, die Oberhand über die Armee zu gewinnen. Gleichzeitig beschäftigte die Präsidenten- wahl die öffentliche Aufmerksamkeit. Dem Kongreß von Ni- caragua liegt ein Gesegentwurf vor, welcher die Regierung er- mächtigt, ‘mit den Schwester-Republiken Guatemala, Salvador, Honduras und Costa Rica. einen Nationalitätsvertrag abzu- schließen und dieselben ünter einer einzigen Regierung zu ver- einigen. Santa Cruz leidet sehr unter dem Mangel an Regen. Aus Hayti wird gemeldet, daß Port-au-Prince \ih in einem Belagerungszustande befindet. Glaubwürdige Berichte liegen niht vor, aber es scheint, daß die Lage der Dinge cinen entmuthigenden Aspekt trägt. Die cilenishe Regierung steht mit mehreren Londoner Banken wegen einer neuen Anleihe von

10,800,000 Dollars in Unterhandlungen.

Aus dem Wolff'\hen Telegraphen-Bureau. London, Mittwoh, 19. März. Gestern hat ein vierftün-

beraumt. Was von Gladstone und von seinen Kollegen be- \{chlo}sen wurde, is noh nicht bekannt. °

St. Petersburg, Mittwoch, 19. März. Der neuernannte Gesandte der Vereinigten Staaten von Nordamerika, James Orr, wurde vom Kaiser gestern zur Ueberreihung seiner Kredi= tive in besonderer Audienz empfangen.

Königliche Schauspiele.

Donnerstag, den 20. März. Im Opernhause. (68. Vorstel- lung.) Romeo und Julia. Große Oper in fünf Akten mit Tanz von Shakespeare. Musik von Gounod. Iulia: Fr. Mal- linger. Stefano: Frl. Grossi. Capulet : Hr. Krolop. Tybalt: dr. Woworsky. Romeo: Hr. Schott. Mercutio: Hr. Schmidt.

orenzo: Hr. Fricke. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-Preise.

Im Schauspielhause. (78. Abonnements-Vorstellung.) Ein Schritt vom Wege. Lustspiel in. 4 Akten von Ernst Wichert. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-Preise,

Freitag, den 21. März. Im Opernhause. (69. Vor- stellung.) Aladin, oder: Die Wunderlampe. Großes Zauber- Ballet in 3 Akten von Hoguet. Musik von Gährig. Anfang 7 Uhr. Mittel-Preise.

Im Schauspielhause. (79. Abonnements-Vorstellung.) Her- zog Bernhard von Weimar. Geschichtlihes Trauerspiel in L E von Rudolph Gottshall. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-

reise.

Die in den Königlichen Theatern gefundenen Gegenstände fönnen von den Eigenthümern (innerhalb 4 Wochen bei den

Hauspolizei - Juspekloren Schewe (Opernhaus) und Hoff- meister (Schauspielhaus) in Empfang genommen - werden. Erfolgt die Zurückforderung der betressenden Sachen in der angegebenen Frist nicht, so werden dieselben den Findern ohne

| Weiteres ausgehändigt.

Die Bergakädemie zu Freiberg in Sachsen. *)

Auf die Entwickelung der industriellen Verhältnisse Deutschlands haben die Fortschritte des gewerblichen Unterrichts einen wesentlichen Einfluß geübt und sind die betreffenden Bildungsanstalten namhafte

actoren unserer Gewerbsamkeit geworden. Unter den deutschen Hoch- chulen für Gewerbe- und Hüttenwesen nimmt die Bergakademie zu Freiberg im Königreih Sachsen eine hervorragende Stelle ein.

Dieselbe wurde am 4, Dezember 1765 gegründet. Jhre eigenut- lihe Blüthezeit kegavn im Jahre 1775 mit der Berufung von Abraham Gottlob Werner, dem Begründer der wissenschaftlich aeord- neten Mineralogie, auf dessen Anregung 1793 eine Neuorganisirung dcs Instituts erfolgte. Nach Werner waren es namentlich Freiesleben, Lampadius, Breithaupt u. A., welche den Ruf der Akademie erhielten, die während der ganzen Zeit ihrcs Bestehens einer der mineralogishen Centralpunfte Deutschlands gewesen is. Von hier sind die ersten genauen, vom Staate unterstüßten geognostischen Kart: narbeiten aus- gegangen, welhe nachher in Preußen und Oesterreich, in Frankreich und England Nachahrnung gefunden hoben. Alle Bergwerksländer der Erde haben von hier Beamte erhalten; in Peru und Mexiko, am Ural und Altai, in Guinea, in Ostindien u. f}. w. arbeiten Männer, welche auf der Freiberger Akademie als Berg- und Hüttenleute aus- gebildet worden sind.

Die Akademie, welche das Ziel E in einem drei- bis vier- {hrigen Lehrgange eine möglichst vollständige Ausbildung in den

erg- und hüttenmännischen Wissenschaften mit Eins{hluß des Maschinen- wesens zu gewähren, hat im leßtvergangenen Jahre 1872 eine voll- ständige Umänderung erfahren. Nicht nur, daß der Stundenplan erweitert worden ist und andere, der Neuzeit entsprechende Einrich- tungen getroffen worden find, es hat auch die Verwaltung dadurch, daß die Leitung der Bergakademie in die Hand eines Direktors gelegt wurde, der zugleih Lehrer ist und dieselbe nach Innen und Außen zu vertreten hat, sowie durch Einseßung eines bergakademischen Se- nats, welcher zugleih die Stelle der seitherigen VDisziplinarbehörde vertritt, eine größere Vereinfachung erhalten,

Neben dem Direktor, welcher gegenwärtig zugleich als Professor der Mcchanik und Maschinenlehre fungirt, wird der Unterricht von 12 ordentlichen, 3 außerordentlichen Lehrern und dem Assistenten beim chemischen Laboratorium ertheilt. Die Unterrichtsgegenstäude im Studienjahre 1872/73 find folgende: höhere Mathematik (wöchentlich 4 Stunden); darstellende Geometrie (wöch. 4 St.); Mechauik mit Repetitorium (wö. 5 St.); Maschinenlehre (wöch. 4 St.); prak- tische Hydraulik und Pneumatik (wöch. 2 St.); Geodaisie und Mark- \heidekunst (wöh. 3 St.): geodätisch - markscheiderische Uebungen (wö. 1 Tag); anorganische Chemie E 4 St.)z qualitativ-ana- lytishe Chemie, Vortrag (wöch. 1 St.); Praktikum (wöch. 2 Nach- mittage); quantitativ-analytise Chemie, Vortrag (wöch. 1 St.); RAR (wöch. 2 Nachm.); allgemeine Hüttenkunde (wö. 4 St.);

¡isenhüttenkunde (wöch. 2 St.); Teiérittigifunde (wö. 2 St.); Pro- biren auf trockdenem Wege, Vortrag (wöch. 1 St.); Praktikum A. 1 Vormittag); Probiren auf nassem ege (wö.

St.); Löthrohrprobirkunde: Vortrag (wöch. ® St.); Praktikum wöch. (2 St.); Mineralogie mit Repetitorium (wö. 5 St.); minera- logishes Praftikum (wöch. 2 St.); krystallographisches Praktikum G 1 St.); Pseudomorphologie (im Sommer wöch. 1 St.);

eognosie mit Repetitorium (wb, 5 St.); Lagerstättenlehre (wöch. 2 St.); patographisches n und mikroëkopishe Gesteins- Diagnostik (wöch. 1 St.); Experimentalphysik (wöch. 4 St.); physi- kalishes Praktikum (wö. 2 St.); Bergbaukunde mit Repetitorium 1. und 2. Th.“ (wöch. je 5 St.); Civilbaukunde (wöch. 3 St.); Berg- recht und allgemeine Rechtskunde (wöch. 4 St.); berg- und hütten- männische Rechnungswissenschaft und Bergwerksstatistik (wöch. 3 St.); Volkswirthschaftslehre (wöch. 2 St.); Zeichnen (wö. 4 St.); fran- zôsische Syrache (wöch. 4 St.); algebraische Analysis (wöch. 2 St.); analytische Geometrie (wêch 2 St.). Mit den Vorlesungen sind so- nah auch Arbeiten in den Zeichensälen, in den Laboratorien, in den Sammlungen und im Markscheidersaal, sowie praktische Uebungen und Unterweisungen bei Excursionen, bei Befahrungen der Gruben und beim B-such der Hüttenanlagen verbunden.

Die Vorlesungen werden größtentheils in {ährigen Lehrkursen ehalten; sie beginnen am ersten Dienstag des Monats Ok:ober und liehen zu Ende Juli jeden Jahres. Von Ostern an bis nahe zum

eginn der Vorlesungen des neuen Lehrjahres wird ein praktisch-berg- männischer Vorbereitungskurs abgehalten, an welchem alle diejenigen Theil nehmen können, welche im künftigen neuen Lehrjahre ihre Stu- dien an der Anstalt beginnen wollen. Dieser Vorbereitungskurs wicd in der Reg:l guf Gruben der Freiberger Umgebung ausgeführt, doch soll solchen, die sich speziell dem Kohlenbergbau zu widmen gedenken, auch Gelegenheit geboten werden, ihren praftischen Kurs in einem der Kohlenwerksdistrikte Sachsens statt beim Freiberger Erzbergban zu machen. Während der' Dauer des Kurses wird für die Theilnehmer, welche eine Pretverger Grube befahren, an der Bergakademie Unter- xiht in Mathematik und im Zeichnen ertheilt.

Für diejenigen Studirenden, welche sih speziell für das Hütten- wesen ausbilden, wird pri während der großen Ferien unter der Leitung eines dazu bestimmten JInstruktors, ein mehrwöchemlicher praktisher Kurs auf den Mere Hüttenwerken abgehalten.

Die Bergakademie besißt folgende Sammlungen und sonstige Lehrmittel: Die Billiothek, das Wernershe Museum (bestehend aus

*) Unter Benußung des „Jahrbuchs für das Berg- und Hütten- wesen im Königreiche Sachsen für das ¿Jahr 1873" (Freiberg, in Kommission bei Craz und Gerlach).

den nah dem Tode Werners im Jahre 1817 angekauften Sammlun- gen desselben), die methodishe Mineraliensammlung, die Versteineruns- sammlung, die geognostishe Sammlung, die geographische Mineralien- [ORMRng, die hüttennännische Produftensammlung, den physikalischen [pparat, die mathematischen und mechanisch-tehnisch2n Apparate, den Markscheiderapparat, die Mode!lsammlung, die Zeichrungs- und Reiß- Samulung. ie Apparate für die verschiedenen chemischen Doctrinen zerfallen in die für anorganische Chemie, queliiativ-analytische und quantitativ-analytische Chemie, sowie - für Eisenhütteikunde in dem chemischen Laboratorium, dann in diejenigen dir allgemeine Hütten- kunde, trockne und nasse Probirkunde nund für Löthrohrprobirkunde in dem metallurgischen Laboratorium.

Die Bibliothek, ungefähr 27,250 Bände, 328 Manuskripte und 1488 Karten in etwa 3030 Blättern enthaltend, ist den Dozenten und Studirenden der Bergakademie, sowie den Berg- und Hüttenbeamten und anderen wissenschaftlich gebildeten Männ xa in der Woche täglich zu gewissen Stunden geöffnet; auch liegen in dem Lesezimmer die zahlreichen wissenshaftlichen und technischen Journale und Zeitschriften (53 Stück), welche an der Akademie gehalten werden, zur Be- nußung aus. _ L

__Endlich ist noch die Niederlage verkäufliher Mineralien zu er- wähnen, deren Nußen hauptsächlich darin besteht, daß sie den Studi- renden jederzeit zugänglich ist und denselben und Anderen die Anlage eigener Sammlungen exleihtéêct. Im Mineralienverkehr befördert sie die Verbindung mit anderen Orten und Ländern und ermöglicht die baldige Erwerbung von neue Vorkommnissen für die bergakademischen Sammlungen. \ ;

, Die Anzahl der auf der Bergakademie Studirenden betrug im

Lehrjahre 1872—73: 76, davon ous Deutschland 22, Luxemburg 1, Oesterreich-Ungarn 4, der Schweiz 3, Rußlind und Polen 8, Sor- bien 1, der Wallachei 1, Griechenland 9, Jtalien 3, Spanien 2, Portugal 1, England 6, Nordamerika 13, Südamerika 3, Meriko 2, Ostindien 1. i

Die Bedingungen der Aufnahme in die Akademie, sowie der Theilnahme an den berg- und hüttenmännishen Vorbereitungskursen sind in besonderen, vom Königl. sächsishen Finanz - Ministerium unterm 22. August v. J. genehmigten Regulativen vorgeschrieben.

Pfahlbauten im Starnberger See. ?

Die Resultate, welche der Landrichter v. Schab durch seine Nachforshungen im Starnberger See erzielt hat, bespriht K. Zittel -ausführlih. Das „Dr. I.“ hebt daraus Folgendes her- vor: In geringer Tiefe, unmittelbar unter dem jeßigen Seebo- den, ' fanden sih zwei von zerspaltenen Knochen“ und Artefakten \trozende Kulturschichten, jede etwa 1—1!/5 Fuß dick und dur eine leere Zwischenshiht von 1/4—1 Fuß Mächtigkeit von ein- ander geschieden. In der oberen Lage kamen e Lar ah 1 Bronzesachen zum Vorschein. Nicht weniger als fünfzig Nadeln liegen in der Sammlung des Herrn v. Schab. Keine gleicht der andern, jede hat ihre besondere Form, Größe und Verzie- rung. Einige mit reizend geformten und gezeichneten Knöpfen [GARs ohne Zweifel das Haupt - der Schönen des Pfahl- orfes, andere mögen als Heftnadeln für die Gewänder getra- gen worden sein, wieder andere dienten sicherlich zum Striken, und eine Anzahl der kleinern läßt sich an ihrem weit durh- bohrten Dehr \ofort als Nähnadel erkennen. Die zierlihen Linien und Ringe, welhe häufig Stiel und Knopf bedecken, verrathen bereits e:nen entwickelten Schönheitssinn. Etrvas wesentlich Neues scheint fich übrigens unter dieser reichen Sammlung von Nadeln nicht zu befinden. Sie stimmen auf- fallend mit ähnlihen Fünden aus den Pfahlbauten des Neuenburger “und Bieler Sees überein. Es schließen ih an die Nadeln einige Bronzestifte mit einem zugespißten und einem abgeplatteten Ende an, deren Verwendung mir bis jet nicht ret verständlich if. Zwei Bronzedrähte mit umgebogenem Ende könnten wohl als Angeln gedient haben. Von Shmudckgegen- ständen liegen mehrere Arm- und Ohrringe, sowie eine mit Krei- jen versehene Bronzescheibe vor. Dur besondere Schönheit zeichnen fih eine Pfeilspißze und drei - Bronzemesser aus, von denen das größte, etwa 20 Ctm. lang, in der Nähe. des Rükens die charakteristishen Linien und Kreise der keltishen Waffen trägt. Zu den Schmuckgegenständen gehören auch drei emaillirte bunte Glasperlen, zwei durhbohrte Eckzähne von Torfshwein und eine runde, dünne, sorgsam geglättete Scheibe aus Hirschhorn. Von ganz besonderem Interesse ist der Reichthum an Geräthen ‘aus Hirschhorn. Die untern Theile der stärksten Stangen wurden zu Hämmern, Feldhacken und Beilen verwendet. Zu den merkwürdigsten Sachen gehören fünf beiderseits glatt abge- sägte, geglättete Geweihsprossen mit drei großen oblongen Löchern, von denén die beiden äußern senkrecht, das mittlere wagreht das Hornstück durhbohren. Man hat ähnlihe Geräthe bei Möringen in der Schweiz, sowie in der Terramare von Castione gefunden, und deutet sie als Weberschiffhen. An Wild und Haus- thieren war Ueberfluß, die Knochen find dätum auch zum Vor-

theil der \pätern Paläontologen nit in kleine Trümmer zer- klopft wie in vielen Höhlen, sondern es sind zuweilen ganze Markknochen, Unterkiefer, ‘ja sogar mehrere nahezu vollständige Schädel vorhanden. Bei flüchtiger Betrachtung des reichen Ma- terials ließen sich Torfshwein und Torfkuh als die vorherrschen- den Formen erkennen, etwas weniger häufig sind Hirsch, Pferd, Wildshwein, Hund, Reh, Ziege, Bär, Biber und Fuchs.

Vom Menschen selbst sind zwar keine vollständigen Schädel, wohl aber ein überaus dickes Stirnbein und die hön erhaltenen Scheitelbeine von zwei andern ausgewachsenen Individuen auf- gefunden worden.

Weltausstellung 1873 in Wien.

Wien. (W. W. Ausft. Z.) Am 14. März haben in dem JIn- dustriepalaste, vom westlihen Eingange aus, die Installationsarbeiten derart begonnen, daß den verschiedenen Ländern der ihnen zugehörige Raum angeiviesen wurde, und. auf dem gedielten Boden in rother

arbe die Grenzen genau bezeichnet wurden. Jn der englischen Aus- tellung wurden selbst den einzelnen Ausstellern die Pläße genau an- gegeben, und die Namen der Erxponenten auf jede einzeln: Stelle, welche ‘die Objekte einnchmen werden, auf dem Fußboden bezeichnet.

Zur Orientirung diene Folgendes: der Industriepalast hat 32 Quergalerien, welche durch die Längengallerie getheilt werden, so zwar, das bis zur Rotunde je vom westlichen oder östlihen Ein- gange je 16 Quergallerien sih. befinden; die gegen den L von der Hauptallee des Praters aus ind mit A bezeichnet, während die gegen die Front der Maschinenhälle zu nördlih auslaufenden B als Bezeichnung tragen, so zwar, daß bei dem Eintritte in die Längengallerie vom westlichen Eingange bis zur Rotunde die 16 Quergallerien rechts die Nummern 1—16 A,. die links gelegenen 1—16 B führen. Nah dem Durchschreiten der Rotunde in östlicher Richtung finden wir die Quergallerien 17—32 A ebenfalls rechts, während 17—32 B linfs sih befinden. Die-Quergallerien I À und B sind den Vereinigten Staaten von Amérika zugewiesen. Die Ouergallerien 11 und TII, A und B gehören Großbritannien. Die Quergallerien IV und V, A und B wird Franfkreich beseßen. Die Quergallerie VI nimmt Italien ein, A und B. In beiden Quer- gallerien VIT wird Belgien seinen Plaß behaupten.

Soweit waren bis zum Abende des 14. März im Allgemeinen die Grenzlinien gezogen. Z

__ Ueber die Ulmer Wohnschiffe auf der Weltausstellung theilt die „W,. Weltausstellungs-Ztg.“ Foigendes mit: Um die Bedeutung der oberen Donau als Wasserstraße auf der Wiener Weltausstellung zur Anschauung zu bringen, hat der Ulmer Schifferverein in Verbin- dung mit unternehmenden Männern dieser Stadt den Entschluß ge-

faßt, zur Darstellung des zwischen Ulm und den unteren Donaulän- *

dern bestehenden regen Verkehrs eine Anzahl der bekannten Ulmer Transportschiffe (eg: Schachteln) autzurüsten, und dieselben währeud der Dauer der Ausstellung in Wien im neuen Donaubette in mög- lihster Nähe des Ausstellungsplaßes vor Anker zu legen. Es wurde beschlossen, diese Schiffe wohnlih einzurihten und zur Aufnahme von Besuchern der Weltausstellung auszustatten, wobei lede billigen An- spruhe auf Komfort und Eleganz der Einrichtung entsprochen, zu- gleih aber auch auf die Angehörigen des Gewerbestandes des Heimath- landes besondere Rücksiht genommen werden solle.

Nachdem von der K. K. österreichischen Regierung der erbetene

- Ankerplaß abgetreten worden war, stand der weiteren Durchführung

des Unternehmens kein Hinderniß mehr im Wege. Alsbald wurde au die Herstellung eines Musterschiffes geschritten, das sofort die Jnan- griffnahme weiterer Schiffe, derea Zahl auf 20 gebracht werden soll, ur Folge hatte. Zur Aufnahme von 40—50 Personen berechnet, ent- hält jedes dieser \chwimmenden Hotels 20—30 freundlich tapezierte Kabinen für 1 oder mehrere Personen mit vorzüglichen Betten, Wasch- tis, vershließbarem Kasten, Spiegel, ubt u- dergl. Die große Anzahl vermiethbarer Räume gestattet, unbe\chadet der Aussicht auf eine zu erwartende gute Rente der Unternehmung, den Miethpreis fo billig zu stelleu, daß der längere Aufenthalt auf der Wiener Weltaus- ftellung auch den weniger Bemittelten ermöglicht wird.

Die Herstellungskostcn eines einzelnen Schiffes sind auf nahezu 5000 fl. vorgesehen, und da somit die Ausrüstung der ganzen Flotille die Verfügung über einen bedeutenden Fonds nöthig macht, so hat der Verein die Ausgabe von Antheilscheinen auf den Namey im Betrag von 100 fl. beabsihtigt, wovon 50 Proz. bei der Zeichnung, und dex Rest 14 Tage nach ‘Ausschreibung zu entrichten ist. Die Jnhaber solcher Scheine sind bis zum gezeichneten Betrage haftbar, und nehmen an dem Gewinn in gleichem Verhältniß Theil, auch steht denselben a Besuch der Ausstellung in ‘Benußung der/ Kabinen eiu Vor- recht zu. s

Redaktion und Rendantur: Schwieger. Berlin, Verlag der Expedition (Kessel). Druck: H. Heiberg Fünf Beilagen —_ (einschließlich der Börsen-Beilage).

diges Minister-Konseil stattgefunden, ein zweites i} für heute an- *

‘derselbe von dem Reichstage angenommen worden ist

aber in einzelnen

: o ‘G9. \

Reichötags- Angelegenheiten.

“Berlin, 19. März. Der Reichskanzler Fürst v. Bismarck at in Betreff des Entwurfs eines Gesezes über die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten dem Präfidenten des Reichstags folgendes Schreiben übersendet:

Ew. Hochwohlgeboren haben mittelst geel;rten Schreibeùs vom 14. Juni v. I. M iti Ber Qs aen rei die Ren

Mtniffse der Reichsbeamten, in der Fassung mitgetheilt, in welcher e n i nge mden ist Da P I i orlage der verbündeten Regierungen dur ie Beschlüsse des E ens ite Reihe von Abänderungen erfahren hatte, so ist der Entwurf in jener Fassung dem Bundesrath zur anderweiten- Beschluß- nahme übergeben worden. :

Fn Bezug auf das Resultat der Berathungen desselben beechre ih mich Folgendes ganz ergebenst zu bemerken : l j

Die Abänderungen, welche der Reichstag an dem Gee vorgenommen, haben zu gewichtigen, theils grundsäßlichen, theils yraf- tischen Bedenken Anlaß Moe Als die erheblichsten Punkte find in

ieser Beziehung zu erwähnen : N : L608 M Die 9 fbiinitungén des Entwurfes über die Vorschriften, welche die Beamten bei der Verwaltung ihres Amtes zu betrachten haben §. 10; E 4 | über ihre Verantwortlichkeit für amtliche Handlungen §. 13; über die Steuerpflichtigkeit ihres Diensteinkommens §. 19; über diejenigen Beamtenkategorien, deren einstweilige Ver)eßung in den Ruhestand zulässig sein soll §. 25; über den Siß des Disziplinarhofes d: 87 ; über die Zusa mensezung der Disziplinarbehörden §S. 89, 91; über die Wicderaufnahme eines eingestellten Disziplinarver- ahrens §. 99; : i ta die Oeffentlichkeit der mündlichen Verhandlung in Dis- ziplinarsahen §. 103 und über die Beschlagnahme bei Defekten §§. 141, 147.

Von dem lebhaften Wunsche geleitet, ein Geseß, welches die le- gislativen Faktoren des Reichs feit Jahren beschäftigt, und dessen Be- deutung für die Interessen des Reichs von keiner Seite verkannt ist, thunlichst zu fördern, sind die verbündeten Regierungen an die Prü- fung jener Bedenken mit dem erusten Willen herangetreten, dem Ge- lingen des Werkes - ihre eigene Auffassung in allen den Fragen zu opfern, in welchen sie den Beschlüssen des Reichstages zustimmen kön- nen, ohne mit dem Geiste der Reichêverfassung und den unabweis- lichen Anforderungen des Reichsdienstes in en gerathen. Non diesem Gesichtspunkte aus haben sie geglaubt, auf alle Beden- fen, mit Ausnahme der beiden nachfolgend zu erörtcrnden, verzichten S | bündeten Regi hatte in den §. 19 di

I, Die Vorlage der verbündeten Regierungen hatte in den Z. 19 die Bestimmung A daß hinsichtlih der Steuerpflichtigkeit des Diensteinkommens, der Wartegelder und Pensionen den «aktiven und den aus dem Dienste geschiedenen Reichsbeamten gegenüber diejenigen geseßlichen Bestimmungen zur Anwendung kommen sollten, welche an ihren Wohnorten für die Staatsbeamten maßgebend sind. Der Reichstag hat diese Bestimmung gestrichen. Für seinen Beschluß ift die Auffassung maßgebend gewesen, daß die hierbei vorzugsweije in Betracht kommenden Privilegien , welche in einigen Bundesstaaten den Staatsbeamten in Bezug auf ihre Heranziehung zu den Ge- meindeabgaben zustehen, für die Dauer nicht aufrecht zu erhalten seien, weil durch diese Exemptionen in ungerechtfertigter Weise in den Haus- halt der Gemeinden eingegriffen werde, und daß es deshalb vermieden

werden müsse, den biéherigen Umfang dieser Berechtigungen durch-

[usdehnung derselben auf die Reichsbeamten noch zu erweitern.

y Von S Eingehen auf die im Reichstage erörterte Frage, ob’ es politisch richtig sei, derartige Privilegien der Staats- beamten zu schaffen oder fortbestehen zu lassen, ist um so mehr abge- sehen worden, als dem S. 19 nah seiner ursprünglichen Fassung die Absicht zu Grunde lag, dieselben den Reichsbeamten nicht allgemein und dauernd, sondern nur da, wo sie den Landesbeamten zustehen und nur jo lange zuzuwenden, als si die leßteren im Genusse dieser Im- munitäten befinden würden. Trâäte der Fall ein, daß dicselben im ganzen Bundeêgebiete fortfielen, so würden sie fortan auch für die Reichsbeamten nit mehr in Anspruch zu nehmen sein. So lange sie Bundesstaaten bestehen, erfordert die Verfassung des Reichs, daß den Beamten desselben, joweit ‘sie in den betreffende Staatsgebieten wohnen, diejenigen Rechte zu Theil werden, welche den Beamten in diesen Staaten zustehen. t :

Die Berufsthätigkeit der Reichsbeamten ist Aufgaben gewidmet, welche allen Bundesstaaten gemeinsam sind; was sie für das Reich leisten, dient gleihmäßig dem Interesse jedes einzelnen Bundesstaats ; es erscheint daher als eine nothwendige Konsequenz des durch den Artikel 3 der Reichsverfassung begründeten gemeinfamen Indigenats,

daß, sowie überhaupt jeder Angehörige eines Bundesstaats in jedem

anderen Bundesstaate als Inländer zu behandeln ist, fo auch jeder Reichsbcamte in jedem Bundesstaate den eigenen Beamten desselben gleichzustellen ist. Wird dieser Grundsaß nicht festgehalten, werden die Reichsbeamten den Landesbeaïiten gegenüber wie Ausländer in eine gleichsam exterritoriale Stellung verjebt, so entsteht auf einem der wichtigsten Gebiete des öffentlichen Lebens eine Scheidung zwischen Reich und Staat, welche an sich und in ihren Eindrücken auf das Volksbewußtsein die gemeinsamen Interessen und die Anforderungen der nationalen Gesammtentwickelung nur schädigen kann. A

Diese Erwägungen sind für alle diejenigen Verhältnisse der Reichöbeamten maßgebend, für welche der Geseßentwurf in seiuer ge- genwärtigen Fassung nicht ausdrüdckliche Bestimmungen getroffen hat. Sie erstrecken sich deshalb keineswegs nur auf die Frage der Steuer- privilegien, sondecn beispielsweife auch auf das gegenseitige Rangver- hältniß der Reichs- und der Landesbeamten und anderes mehr.

Um das erwähnte Prinzip, nachdem es dur die gegenwärtige Fassung des §. 19 in einem wichtigen Sypezialpunkte alterirt worden ist, außer Zweifel zu stellen, würde es nach der Auffassung der ver- bündeten Regierungen erforderlich. sein, S0 M in allgemeiner Weise in dem Gesehentwurf Ausdruck, und zu diejem Zwecke dem §8. 19 eine entsprechende allgemeine Fassung zu geben.

11. Im §. 25 der dem R'ichstage gemachten Vorlage war Sr. Majestät dem Kaiser das Recht beigelegt, außer anderen Beamten, auch die vortragenden Räthe und etatsmäßigen Hülfsarbeiter im Reichskanzler-Amte und in den einzelnen Abtheilungen desselben, sowie im Auswärtigen Amte und in den Ministerien ohne Ausnahme jeder- eit mit Gewährung des gelebliGen Wartegeldes einstweilig in den Ruhestand zu verseßen. Der Reichstag hat diese Befugniß auf die- jenigen vortragenden Räthe und etatsmäßigen A beschränkt, welche unter dem Vorbehalt der einstweiligen Zerseßung in den Ruhe- stand angestellt sind, zugleich aber eine Bestimmung angenomm n, na welcher die im Dienste befindliche Zahl der vortragend-n Räthe, [owie die Zahl der etatsmäßigen Hülfsarbeiter, welche_ mit diesem

3orbehalt angestellt werden, nicht die Hälfte der etatsmäßigen Stellen der entsprehenden Kategorie überst*igen toll. Diese Aenderung beruht auf der Annahme, day kein Grund vorliege, die „be- zeichnete Mdáßregel. auf Beamte auszudehnen , deren Funktionen vorwiegend technischer Natur seien, daß vielmehr der Reichsregie- rung die Freiheit in der Auswahl ihrer oberen Beamten in hinreihendem Maße gewahrt „werde, wenn die Amovibilität der- jenigen vortragenden Räthe und Hülfsarkeiter festgestellt sei, welche Vormgdweile mit der Bearbeitung politischer Angelegenheiten betraut werden. Dieje Scheidung der Funktionen läßt sich indessen praktisch

Erste Beilage

/ ; zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Mittwoch, deu 19, März

vielfach niht durchführen; auch rechtfertigt jener Gesichtspunkt nicht eine M mechanische Theilung der bezeichneten Beamten 1in zwei numerisch-gleihe Klassen und die: Aufstellung wesentlich verschie- dener Anstellungsbedingungen ' für jede von beiden. Durch die Be- \chlüsse des Reichstags wird überdies die Erhaltung einer fortdauern- den Uebereinstimmung in prinzipiellen Ansichten zwischen der [leitenden Autorität und den ihr zunächst stehenden Beamten der obersten Reichs- behörden in. bedenklichem Maße ershwert. Um indessen den Ansichten des Reichstages thunlichst entgegen- zu kommen, würde darauf verzichtet werden können, die Beamten des Reichskanzler-Amts und der Mini- sterien zeitweilig in den Ruhestand treten zu lassen, dagegen ist es unerläßlich, daß alle Räthe und etatsmäßigen Hülfsarbeiter des Aus- wärtigen Amts zur Dan gestellt werden können.

Die dienstliche Thätigkeit dieser Beamten ist in ihrem ganzen Umfange politischer Natur, so daß bei ihnen die erwähnte Scheidung der Funktionen überhaupt nicht stattfindet. Ueberdies aber führen dieselben Gründe, aus welchen die Amovibilität der diplomatischen Agenten durch den Entwurf ausgesprochen worden ist, mit Nothwen- digkeit dazu, Sr. Majestät dem Kaiser die Befugniß zur einstweiligen Verseßung in den Ruhestand in Bezug auf die vorbin bezeichneten Beamten des Auswärtigen Amtes unbeschränkt vorzubehalten.

Von diesen Erwägungen geleitet, hat der Bundesrath beschlossen :

1) im §. 19 des von dem Reichstage angenommenen Geseßent- wurfs das erste Alinea in Jo eedes Fassung anzunehmen:

„Auf die Rechtsverhältnisse der aktiven und der aus dem Dienste geschiedenen Reichsbeamten, über welche „niht durch Reichsgeseß Bestimmung getroffen ist, finden drejentgen geseh- lichen Vorschriften Anwendung, welche an ihren Wohnorten für die aktiven, beziehungsweise für die aus dem Dienste ge- schiedenen Staatsbeamten gelten. Für diejenigen Reichsbeam- ten, deren Wohnort außerhalb der Bundesstaaten sich befindet, fommen hinfichtlich a Rechtsverhältnisse vor deutschen Be- hörden die geseßlichen Bestimmungen ihres Heimathsstaates (§. 21) und, in Ermangelung eines solchen, die Vorschriften des preußischen Rechts zur Anwendung j

2) den §. 25 des Entwurfs in folgender Fassung anzunehmen:

„Außer dem im §. 24 bezeichneten Falle können durch Kaiserliche Verfügung die nachbenannten Beamten jederzeit mit Gewährung des geseßlichen Wartegeldes einstweilig in den Ruhestand verseßt werden: | /

der Reichskanzler, der Präsident des Reichskanzler-Amts,

der Chef der Kaiserlihen Admiralität, der Staatssekretär

im Auswärtigen Amte, die Direktoren und Abtheilungs-

Chefs im Reichskanzler-Amte und in den einzelnen Abt hei-

lungen desselben, sowie im Auswärtigen Amte und in den

Ministerien, die vortragenden Räthe und die etatsmäßigen

Hülfsarbeiter im Auswärtigen Amte, die Militär- und die

Marine-Jutendanten, die diplomatischen Agenten einschließ-

lih der Konsuln; | M

3) im Uebrigen dem Entwurf in der ihm vom Reichstage gege- benen Fassung zuzustimmen.

Ew. Hochwohlgeboren bechre ih mich den hiernah abgeänderten

“Entwurf des gedachten Geseßes mit dem ganz ergebensten Ersuchen zu

übersenden, S 41 , h: die verfassungsinäßige Beschlußnahme des Reichstags über den- selben gefälligst herbeiführen zu wollen. Berlin, 12. März 1873. : N Der Reichskanzlor. von Bismarck. An den Präsidenten des Reichstages, Herm Dr. Simsdn, Hochwohl- geboren.

Der beigefügte Geseh-Entwurf, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reihsbeamten, lautet:

Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König

von Preußen 2c., l: verordnen im Namen ‘des Deutschen Reichs, nah erfolgter Zusti 1- mung des Bundesrathes, und des Reichstages, was folgt : 7A

8. 1. (Allgemeine Bestimmungen.) Reichsbeamter im Sinne dieses Gesetzes ist jeder Beamte, welcher entweder vom Kaiser ange- stellt, oder n1ch Vorschrift der Reichsverfassung den Anordnungen des Kaisers Folge zu leisten verpflichtet ift. s ,

8. 2, Soweit die Anstellung dér Reichsbeamten nicht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt des Widerrufs oder der Kündigung er- folgt, gelten dieselben als auf Lebenszeit angestellt. 1

8. 3. Vor dem Dienstantritte ist jeder Reichsbeamte auf die Erfüllung aller Obliegenheiten des ihm übertragenen Amts cidlih zu verpflichten. i T :

8. 4. Jeder Reichsbeamte erhält bei seiner Anstellung eine An- stellungs-Urkunde. Der Anspruch des Beamten auf Gewährung des mit dem Amte verbundenen Diensteinkommens beginnt in Ermange- lung besonderer gegen mit dein Tage des Amtsantritts, in Be- treff später bewilligter Zulagen mit dem Tage der Bewilligung.

8. 5. Die Zahlung des Gehalts erfolgt monatlich im Voraus. Dem Bundesrath bleibt vorbehalten, ' diejenigen Beamten zu be- stimmen, an welche die Gehaltszählung viertel{ährlih stattfinden soll.

Beamte, welche bis zum Erlasse dieses Geseßes ihr Gehalt vierteljährlih bezogen haben, follen dasselbe jedenfalls bis zu ihrer Beförderung in ein höheres Amt in gleicher Weise fortbezichen.

. 6. Die Reichsbeamten können den e! die Zahlnng von Diensteinkünften, Wartegeldern oder Pensionen ihnen zustehenden An- spruch mit rechtlicher Wirkung nur in foweit cédiren, verpfänden oder sonst übertragen, als sie der Beschlagnahme unterliegen (8. 19).

Die Benachrichtiguna an die auszahlende Kasse geshieht dur eine der Kasse auszuhändigende öffentliche Urkunde. j

8. 7. Hinterläßt ein Beamter, welcher mit der Wahrnehmung einer in den Besoldungs-Etats aufgeführten Stelle betraut ift, eine Wittwe oder eheliche Nachkommen, so gebührt den Hinterbliebenen für das auf den Sterbemonat folgende Vierteljahr noch die volle Besoldung des Verstorbenen (Gnadenquartal), unbeschadet jedoch weiter- gehender Ansprüche, welche ihm etwa vor Erlaß dieses eseßes und vor Eintritt in den Reichsdienst zugestanden worden sind. Zur Be- soldung im Sinne der vorstehenden Bestimmung gehören außer dem Gehalt-auch die sonstigen, dem Verstorbenen aus Reichsfonds ge- währten Dienstemelumente, soweit dieselben nicht als Vergütung für baare Auslagen zu brachteu sind. An wen die Zahlung des Gnaden-

uartals zu leisten ist, bestimmt die vorgeseßte Dienstbehörde. Das nadenquartal kann nicht Gegenstand der Beschlagnahme sein.

8. 8. Die Gewährung des Gnadenquartals kann in Sataugelary der im §8. 7 bezeichnet Hinterbliebenen mit Le Vertr der oberst Reichsbehörde auch daun stattfinden, wenn der Verstorbene Eltern, Geschwister, Geshwisterkinder oder Pflegekinder, deren Ernährer er war, in Bedürftigkeit hinterläßt, oder wenn der R niht aus- reiht, um die Kosten der leßten Krankheit und der Beerdigung zu ‘decken.

8. 9. In dem Genusse der von dem verstorbenen Beamten be- wohnten Dienstwohnung ist die hinterbliebene Familie nah Ablauf des Sterbemonats noch drei fernere Monate zu belassen.

Hinterläßt der Beamte keine Familie, so ist denjenigen, auf welche sein Nachlaß übergeht, eine vom Todestage an zu rechnende dreißzigtägige Frist zur Räumung der Dienstwohnung zu gewähren.

Jn jedem Falle müssen Arbeits- und Sessionszimmer, sowie son- stige für den amtlichen Gebrauch bestimmte Lokalitäten sofort ge- räumt werden. ;

1875.

8. 10: Jeder ‘Reichsbeamte hat die Verpflichtung, das ihm über- tragene Amt der Verfassung und den Gesetzen entsprehend gewissen- haft wahrzunehmen und dur fein Verhalten in und außer dem Amte der Achtung, die sein Beruf erfordert, sich würdig zu zeigen.

8. 11. Ueber die vermöge seines Amtes ibm bekannt gewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder ‘von seinem Vorgeseßten vorgeschrieben ist, hat der Beamte Ver- M zu beobachten, auch nachdem das Dienstverhältniß auf- gelöst ist.

8. 12. Bevor ein Reichsbeamter als Sachverständiger ein außer- gerichtlihes Gutachten abgiebt, hat dersélbe dazu die Genehmigung seiner vorgeseßten Behörde cinzuholen. Ebenso haben Reichsbeamte,- auch wenn sie niht mehr im Dienste sind, ihr Zeugniß in Betreff der- jenigen Thatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Amtsverschwiegen- heit sich bezieht, insoweit zu verweigern, als sie nicht dieser Verpflich- tung in dem einzelnen Falle durch die ihnen vorgesebßte oder zuleßt vor geseßt gewesene Dienstbehörde entbunden sind.

8. 13, Jeder Reichsbeamte ist für dice Geschmäßigkeit seiner anitlichen Handlungen verantwortlich.

8. 14. Die Vorschriften über den Urlaub der Reichsbeamten und deren Stellvertretung werden vom Kaiser erlass.

In Krankheitsfällen, sowie in solchen Abwesenheitsfällen, zu denen die Beamten eines Urlanbs nicht bedürfen (Reichs - Verfassung Art. 21), findet ein Abzug vom Gehalte nicht statt. Die Stellver- tretungsfosten fallen der Reichékasse zur Le

Ein Beamter, welcher sich ohne den vorschriftsmäßigen Urlaub von seinem Amte entfernt hält, oder den ertheilten Urlaub üverschrei- tet, ist, wenn ihm nicht besondere Entschuldigungsgründe zur Seite stehen, für die Zeit der unerlaubten Entfernung seines Diensteinkom- mens verlustig.

8. 15. Die vom Kaiser angestellten Beamten dürfen Titel, Ehrenzeichen, Geschenke, Gehaltêbezüge oder Remunerationen von an- deren Regenten oder Regierungen nur mit Genehmigung des Kaisers annehmen. : : i

Zur Annahme von Geschenken oder Belohnungen in Bezug guf sein Amt bedarf jeder Reichêbeamte der Genehmigung . der obersten Reichsbehörde.

8. 16. Kein Reichsbeamter darf ohne vorgängige Genehmigung der obersten R:ichsbehörde ein Nebenamt oder eine Nebenbeshäftigung, mit welcher eine fortlaufende Remuneration verbunden ift, übernehmen oder ein Gewerbe betreiben. Dieselbe Genehmigung ist zu dem Ein- tritt eines Reichsbeamten in den Vorstand, Verwaltungs- oder Auf- sichtsrath einer jeden auf Erwerb gerichteten Gesellschaft erforderlich. Sie darf jedoch nicht ertheilt werden, sofern die Stelle mittelbar oder unmittelbar mit einer Remuneration verbunden ist.

Die ertheilte Genehmigung ist jederzeit widerruflich. i

Auf Wahikonsuln und einstweilen in den Ruhestand verseßte Be- amte finden diese Bestimmungen keine Anwendung.

8. 17. Titel, Rang und Uniform der Reichsbeamten werden durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.

8. 18. Die Höbhe der den Reichsbeamten bei dienstlicher Beschäf- tigung außerhalb ihres Wohnortes zustehenden Tagegelder und Fuhr- fosten, ingleichen der Betrag der bei Verseßungen derselben zu vergü- tenden Unzugskosten, wird durch eine im Einvern!hmen mit dem Bundesrathe ‘zu erlassende Verordnung des Kaisers geregelt.

&. 19. Auf die Rechtsverhältnifse der aktiven und der aus dem Dienste geschiedenen Reichsbeamten, über welche nicht dur Reichs- gefeß Bestimmung getroffen ist, finden diejenigen geseßlichen Vor- \chriften Anwendung, welche an ihren Wohnorten für die aktiven, be- ziehungsweise für die aus dem Dienste geschiedenen Staatsbeamten gelten. Für diejenigen Reichsbeamten, deren Wohnort außerhalb der Bundesstaaten sich befindet, kommen hinsichtlich dieser Rechtsverhält- nisse vor deutschen Behörden die geseßlichen Bestimmungen ihres Hei- mathsf\taates (§. 21) und, in Ermangelung etnes solchen, die Vor- schriften des Preußischen Rechts zur Anwendung. /

Diejenigen Begünstigungen, welche nach der Geseßgebung der ein- zelnen Bundesstaaten den Hinterbliebenen der Staatsbeamten hinsicht- lich der Besteuerung der aus Staatsfonds oder aus öffentlichen Ver- sorgungskafsey denselben gewährten Pensionen, Unterstüßungen oder sonstigen Zuwendungen zustehen, finden auch zu Gunsten der Hinter- bliebenen von Reichsbeamten hinsichtlih der denselben aus Reichs- oder Staatsfonds oder aus öffentlichen Versorgungskassen zufließenden gleichartigen Bezüge Anwendung.

8. 90. Ingleichen stehen bezüglich: O p

1) der Mitwirkung bei der Siegelung des Nachlasses eines

ichsbeamten Ie LOE des Borzugsrechts im Konkurse oder außerhalb desselben wegen der einem Reichsbeamten zur Last fallenden Defekte aus einer von demselben geführten. Kassen- oder sonstigen Vermögensverwaltung dem Reiche, beziehungsweise dessen Behörden, im Verhältniß zu den Reichsbeamten dicselben Rechte zu, welche die am dienstlichen Wohn- sie des Reichsbeamten geltende Geseßgebung des einzelnen Bundes- staates dem Staate, R HRGUR dessen Behörden den Staats- ten gegenüber gewährt. : 2 Od N 3 Reitbfecmits): deren dienstlicher Wohnsiß fich im Aus- lande befindet; behalten den ordentlichen persönlichen Gerichtsftand, welchen sie in ihrem Heimathsstaate hatt n. Jn Ermangelung eines solchen Gerichtsstandes ist ihr ordentlicher persönlicher Gerichtsstand in der Hauptstadt des Heimathstaates, und in Ermangelung eines Hei- mathstaates vor dem Stadtgericht zu Berlin begründet. Ist die auptstadt in mehrere Gerichtsbezirke getheilt, so wird das zuständige Gurt im Wege der Justizverwaltung dur allgemeine Anordnung vei E Wahlkonsuln finden diese Bestimmungen keine Amvendung.

8. 22. Befindet ih de: mene Wohnsiß des Beamten

8. 21) in einem Lande, in welchem J eichsfonsular-Gerichtsbarkeit be- bt, so wird durch die vorstehende Bestimmung nicht ausgeschlossen,

Geseßztlatt S.

d der Beamte zugleich der Reichskonsular-Gerichtsbarkeit nah Maß-

gabe des Geseßes vom 8. November 1867 (Bundes - ! iegt. .

N E n iéguna in ein anderes Amt.) Jeder Reichsbeamte

muß die Verseßung in ein anderes Amt von nicht geringerem Range

und etatsmäßigem Diensteinkommen mit Vergütunz der vorschrifts- mäßigen Umzagskoten sich gefallen lassen, wenn es das dienstliche ürfniß erfordert. t : u

E E Tine Mertkcgnio im Einkommen ist es nit anzusehen, wenn

die Gelegenheit zur Verwaltung von Nebenämtern entzogen wird,

oder die Ortszulage oder endlich die Beziehung der für Dienstunko- sten besonders ausgeseßzten Einnahmen mit diesen Unkosten fortfällt. 94. (Einstweilige Verseßung in den Rúühestand). Jeder

Reichsbeamte kann unter Bewilligung des geseßlichen Wartegeldes

einstiveilig in den Ruhestand verseßt’ werden, wenn das von ihm ver-

waltete Amt in Folge einer Umbildung der Reichsbehörden aufhört. 8. 25. Außerdem im §..24 bezeichneten Fälle können durch

Kaiserliche Verfügung die nachbênannten Beamten jederzeit mit Ge-

währung des geseßlichen Wartegeldes einstwéilig in den Ruhestand

erden: :

E bi Reichskanzler, der Präsident des Reichskan ler-Amts, der Chef ‘der Kaserlichen Admiralität, der Staatssekretär im Aus- wärtigen Amte, die Direktoren der Abtheilungschefs im Reichs- fanzler-Amte und in den einzelnen E desselben, os wie im Auswärtigen Amte ‘uud “n den Ministerien, die vore

tragenden Räthe und etatsmäßigen Hülfsarbeiter im Aus-