1873 / 70 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Mar 1873 18:00:01 GMT) scan diff

an. Später soll dazu noch cin Album sämmtlicher Denkmäler in etwa 50 Blättern erscheinen, das ein abgesondertes Werk bilden wird.

Der Magdeburgishe Geshichtsverein hat, dem Jah- resberihte des Vereins für 1872 zufolge, mit dem Jahre 1872 sein 7. Lebensjahr zurückgelegt. Die jeßige Mitgliederzahl desselben beträgt 205, darunter 3 Ehrenmitglieder und 7 foxrespondirende Mitglieder. Zum Vorsißenden des Vereins wnrde in der Sibung vom 5. Februar d. J. Gymnasial-Oberlehrer Müller gewählt.

În Triest waren am 12. d., Abends um 9 Uhr 10 Minuten, starke E Ge teenngen in der Kihtung von Süden nach Norden fühlbar. Auch in Bozen wurde um dieselbe Zeit eine leichte Erdersütterung verspürt; sie dauerte cinige Sekunden und wieder- holte sich um 2 Uhr Morgens. - In Görz waren ebenfalls um halb

10_ Uhr Abends starke Erdstöße bemerkbar, die sih in kurzen Zeit-

â fter wiederholten. Kurz nah 9 Uhr Abends wurden die Be- woher é Sterzing in Tirol dur ein Erdbeben in Aufregung verseßt. Der Stoß kam von Südost und zog nach Nordwest unter

dumpfem Rollen und Brausen.

Gewerbe und Handel.

London, 13. März. Der Strike in Süd-Wales geht lang- sam réfuent Ende entgegen. Die Eisenarbeiter haben fast alle den Widerstand aufgegeben und jeder Tag bringt Kunde von neuen Ar- beitäaufnahmen. In einigen Tagen werden die Eisenhütten in Blannavon, Tredegar, Ebbw Vale u. î. w. wieder in vollem Betriebe sein, da auch in den dazu gehörigen Kohlenschachien die Arbeit theil- weise wieder aufgenommen werden wird. Die Kohlengruben und Ar- beiter in Merthyr und Dowlais allein sheinen noch immer entschloffen zu sein, den Befehlen der Union Gehorsam zu leisten, indeß ist ihre Kapitulation nur no eine Frage der Zeit. Dafür spricht bereits die Thatsache, daß am Montag in Dowlais 11,000 Kohlengrubenarbeiter die Arbeit zu den alten Lohnverhältnissen wieder aufgenommen haben,

Königliches Opernhaus.

Das zweite Gastspiel der italienischen Operngesellschaft des Herrn Pollini war bestimmt, die Leistungen derselben auf dem Gebiete der großen tragishen Oper vorzuführen, wofern man Rossini's „Otello*, welher dazu ausersehen, so nennen darf. Die Oper ift, von früheren Aufführungen auf der Königlichen und der Krollshen Saisonbühne her, nicht unbekannt. Sie ! trägt, bereits im Iahre 1816, gleichzeitig mit .: Torvaldo e Dorliska“ und den fomishen Opern „il Barktiere di Sevilla“ und „la Gazzetta“ geschrieben, den Stem- pel frischer Originalität, aber auch höchster Flüchtigfeit. | Das Libretto, welches dem Meisterwerk Shakespeare's fast zu | viel Gewalt anthut, wie die leihte aber geistvolle, feurige Musik | des jungen 24jährigen Maestro entstanden auf Bestellung der | Direktion der Oper in Neapel zum Karneval. In der leb- | haften Stimmung der Festtage machte aber der Othello mit seinen | graziósen gefälligen! Melodien gleich bei der ersten Aufführung „Fu- | rore“. Únd doch giebt das ?Textbuch die Charaktere der Tragödie, wenn nicht entstellt bis zur Unkenntlichkeit, #o dohch ganz fals | aufgefaßt oder nur in den äußeren Umrissen angedeutet. Die | Partie des braven Cassio is ganz fortgefallen und dafür Ro- drigo, der zum Neffen des Dogen geworden, der Gegenstand der | Eifersucht Otello's. Dem Original am nächsten kommt die Ge- | stalt der \{chönen unglücklihen Desdemona. Der Dtello ift | jedoh von dem Librettisten ganz mißverstanden und in dieser Verunfstaltung nur geeignet, Abscheu, nicht Mitgefühl hervor zu rufen. Die Musik dagegen stellt fich troß aller Flüchtigkeit als die Arbeit eines Genies dar, das seine innige Freude daran hat, sein Inneres in Tönen zu ergießen, weil dies die cinzige Sprache is, welhe es beherrscht. Sie dient dem mangelhaften Text zur unverdienten Verherrlichung. Aber liebliche, melodishe Gedanken, interessante Motive in der Instrumentation und Begleitung, fruhtbare Ersindungsgabe, hinreißendes Feuer, Anmuth und Leichtigkeit, die Kunst, den Gesang so zu behandeln, daß er den effektvollen Reiz gefälliger Originalität erhält alles das genügt nit, eine wirkungsvolle dramatische Oper zu schaffen, wie fie den Ansprüchen der Gegen- wart genügt. Rossini hat diesen Mangel seiner Erstlingswerke selbst herausgefühlt und besonders nach seiner Anstellung an der großen Oper in Paris unter der Regierung Karls X. meh- rere derselben, wie namentlich den „„Maometto I[,“ und den „Mosè in _Egitto“ umgeschrieben, von den üppigen Koloraturen, die jede deutliche Charakterisirung und jeden präzisen Ausdruck der Stim- mung überwuchern, gereinigt, und bald darauf durch sein leßtes Werk, den „Tell“ zu beweisen gesucht, daß er auch auf dem Ge- bieie der großen Oper Bedeutendes zu leisten vermöge.

Im „Otello,“ der noch ganz die Shwächen der ersten Periode zeigt, dessen Text nur dazu bestimmt scheint, eine mannig- faltige Folge von Arien, Duetts, Terzet:s, Quartetts mit Chor, verbunden durch das \shablonenhafte Recitativ mit dem immer wiederkehrenden Tonfall auf die nächsttiefere Quart am Schluß u. \. w. zu motiviren, erhcben \sich die meisten Nummern nicht über das Niveau des korwventionellen Styls der italienischen Oper und sind zum Theil fo wenig den Charakteren angepaßt, daß sie ihre Stelle ebensowohl in der komishen Oper auszufüllen vermöchten.

Zu einiger Höhe erhebt fich nur die Partie der Desdemona, deren Romanze mit Harfenbegleitung (Nr. 14) im dritten Aft mit ihrem {hwermuthsvollen Charakter und das darauf folgende

Gebet den Kulminationspunkt der ganzen Partitur darstellen, während das ganze Finale wieder so matt und unbedeutend wird, daß es in der gestrigen Aufführung mit Recht ganz fortblieb.

Die vortrefflihen Leistungen der Mehrheit der Pollini’shen Gesellschaft, welhe sich der undankbaren Aufgabe unterzogen, das Werk vorzuführen, find hier bereits hinreihend ‘bekannt und nach Gebühr gewürdigt worden. Den Mittelpunkt des Interesses bildete auch gestern Fr. Désirée-Artôt-Padilla als Desde- mona. Der Umfang ihres sorgfältig geshulten Organs scheint noch immer der. Erweiterung fähig zu - sein: freilich vollzieht fich dieselbe auf Kosten der Klangfülle und der Schönheit, namentlih in der Höhe, wofür selbst die glänzende Koloratur nicht ganz zu entschädigen vermag. Die Töne des höchften Registers werden zwar mit Feuer und verhältnißmäßig reiner Intonation herausgeshleudert, können aber eine gewisse Gepreßtheit und Erzwungenheit nicht verleugnen. Der Uebergang vom Kopf-, zum Brustregister markirt fich mehr und mehr in auffälliger Weise, und scheint fh die Stimme nach dem Leßteren zu senken. Im Uebrigen hat die Stimme fch in Bezug auf Fertigkeit und Schulung fort und fort vervollkommnet. Die \{chwierigsten Kadenzen, die buntesten Ton- arabeskfen, chromatische Allegro-Läufe gelingen der Künstlerin in bewunderungswürdigster Reinheit der Koloratur und mannig- Í Loe Schattirung, im hingehauchten Piano wie im pathetischen

ckignor de Padilla, der bewährte Figaro und Malatesta

| tragsweise unter einem

indeß unter der-Bedingung, daß nah der zweiten Arbeitêwoche eine Lobnerhöhungs-Scala festgestellt werden solle. / Verkehrs- Anstalten. : München, 18. März. Der Ostbahndirekter Badhäujer ift Jene nach Eisenstein abgereist, wo morgen der Staatsvertrag ezüglih des Anschlusses und der Weiterführung der bayerischen Waldbalhn Seitens der Pilsen-Priesener Eisenbahngesellschaft unter- zeichnet wird. : 2

Bis zum 1. Mai d. J. werden, wie der „N. K.“ meldet, sämmtliche Ceurier- und Postzüge der bay E L i D mit der Heberleinshen Schnellbremse versehen sein.

Rom, 15. März. Die Voraxbeiten zur Legung eines unter- fecischen Telegraphen zwischen der Insel Sardinien und dem italienishen Festlande sind vollendet. Er wird von Ocbetello in der Richtung nah der Jnsel Maddalena gelegt, weil hier das Meer weniger tief und uneben ift.

Aus dem Wolff'\schen Telegraphen-Bureau.

Wien, Donnerstag, 20. März. Erzherzog Karl Ludwig hat si, wie die amtliche „Wiener Zeitung“ meldet, mit der Prin- zesfin Marie -von Bragnanza verlobt. :

London, Donnerstag, 20. März. Der „Morning Post“ find Nachrichten aus Mexiko zugegangen, denen zufolge sich etwa 3000 Insurgenten unter dem Befehle von Martinez der Stadt Rosario. bemächtigt hatten. Regierungstruppen waren indeß gegen die Insurgenten aufgebrohen und hatten denselben in einem Gefechte erheblihe Verluste an Todten. und Verwundeten bei-

ebracht. E E Dei. Mittwoch, 19. März. Francisco Salmeron is mit 91 gegen .83 Stimmen zum Präsidenten der Nationalver-

Bossi, der vortreffliße Baßbuffo, bewies als Brabantio seine Verwendbarkeit auch in der Opera seria, in welcher seine s{hönen Stimmmittel mehr zur Geltung kamen, als in dem recitativo secco, Der fomishen Oper, die sein eigentliches Feld. Neu war der Tenor Signor Villani in der Titelrolle. Wir lernten in ihm einen Sänger kennen, der gerade mit den Mängeln des italienishen Kunstgesanges behaftet ist. Seine

| niht unshönen Mittel, die nur in der Höhe der rechten Kraft

entbehren, gehen ganz in willkürliher Künstelei, deren einziges Streben ein falsher Effekt ist, unter. Dabei litt die ganze Vor- J höchst fstöôrenden Tremolo, das sich manchmal zu einem fortdauernden Triller gestaltete. Sig- nor Vidal als Rodrigo is ein angehender lyrisher Tenor, mit ansprehender Stimme, die aber noh der Bildung und Shulung ermangelt.

Der Vorstellung wohnten Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzesfinnen Carl und Friedrich Carl und Se. Hoheit der Herzog Wilhelm

| von Mecklenburg-Schwerin bei.

Ueber die Stromregulirungsbauten in der Oder

veröffentlichßt das „Amtsblati der Königlichen Regicrung zu Frank- furt a. O." Folgendes: ; s

„Die nah dem Verlauf des Eisganges ei getretene Wiedereröff- nung der Schiffahrt auf der Oder wird die Aufme:ksamkeit des bei der Schiffahrt betheiligten Publikums wieder auf die Regulirungs- arbeiten für die Verbesserung der Stromrinne -hinlenken, welche die Presse schon vielfa, namentlih abe- auf der- Strecke zwischen Frank- furt und Cüstrin, zum Gegenftand ihrer Kritif gemacht hat.

Die Absicht ist, in diesem Jahre hier den Ausbau sämmtlicher noch nicht normalmäßig regulirter Stromstrecken in Angriff zu neh- men. Zunächst soll durch das Voctreiben der Stromshwellen das Profil der Oder, auch für die kleinsten Wasfserstände in der Weise be- gcenzt werden, daß auc dié disponible kleinste Wassermenge noch ge- nügt- um die ununterbrohe Schiffabrt für 3 Fuß oder 1 Meter tief gebende Fahrzeuge möglich zu erhalten. Für die rechtzeitige Be- schaffung der hierzu erforderlihen Materialien is bereits im Laufe des Winters in- umfassendster Weise Sorge getragen. Allein für die Stromstrecke Frankfurt-Cüstrin ist die Lieferung von circa 70,000 Ku- bifmeter Faschinen sicher gestellt. Wegen der Beschäffung des erfor- derlichen Steinmaterials find die Unterhandlungen noch im Gange und es ist Ausficht vorhanden, daß die zu den Aussenkungsarbeiten nothwendigen Steine rechtzeitig angeliefert werden. Der Haupt- gesihtspunkt ist dabei, dur die diesjährigen Bauten die bereits re- gulirten Strecken in der Gesammt - Abiheilung Frankfurt - Cüstrin in besseren inneren Zusammenhang zu bringen, so daß namentlich die bis- her noch oft beflagte Bildung- von flachen Ueberschlägen, welche in dem unbegrenzten Strome durch die wandernden Sandbänke erzeugt werden, für die Zukunft gänzlih zum Stillstand g-braht wird. Auf die Ausführung der hier bezeichneten Regulirungsbauten ist die Ver- wendung von 50 bis 60,000 Thlr. in Ausficht genommen. Nur in dem Maße, als es mögli sein, wird, die weiter erforderlichen Ma- terialiezu beschaffen, können auch in den anderen Wasserbaukreisen des Bezirks die Stromregulirungsbauten mit verstärkten Mitteln in Angriff genommen werden. Da gegenwärtig die Mittel auch zu den umfafsenderen Regulirungsbauten bereitwillig aus der Staatskasse zur Disposition gestellt worden sind, so bildet nur die Beschaffung des erforderlichen “Materials noch Schwierigkeit. Die für die bevorstehenden Arbeiten in Auwendung kommende Bauweise der Regu- lirungêwerke, unterscheidet sich von der früher üblich gewesenen, haupt- sählich durch die folidere Konstruktion der Buhnenköpfe und deren weiter vorgeschebenen Sinfkfftückunterlagen. Sie erfordert deshalb be- sonders viel Steinmaterial und hierfür find brauchbare Bezugsquellen nur in beschränktem Umfange vorhanden. Auch nimmt der Transport dieses Materials nah den verschiedenen Baustellen eine große Anzahl Swiffe in Anspru. Es steht indeß zu erwarten, daß die leßtere Schwierigkeit wenigstens durch die Einführung der Tauerei, welche in diesem Jahre zunächst auf der Strecke zwishen Cüstrin und dem Brieskower See versucht werden soll, theilweise überwunden werden wird und daß sih für die Zukunft, bei gesicherten Transportverhält- nissen, auch Unternehmer beréitwilliger zur Uebernahme größerer Stein- lieferungen finden werden. E h

Der eigenthümliche Charakter des Oderstromes, sein bewegliches Grundbett, die plößlichen Anschwellungen seiner Wassermengen und der rasche Verlauf derselben, so wie die wechselnden Gefällverhältnisse und die leiht abbrüchigen Ufer, veranlassen die fortwährende Ablagerung bedeutender Sandmassen mitten in der Stromrinne, und sind, wie allen Sachverständigen bekannt ist, für eine den Anforderungen der Schiffahrt vollkommen entsprehende Regulirung der Fahrstraße be- sonders ungünstig. Z

Das einzige System, diesen Uebelständen beizukommen, scheint aber, die {on oben bemerkte größere Verengung der Fahrrinne, na- mentlih auf der Sohle des Flusses. Dieses System war bei den früheren Bauten vielleicht noch nit hinlänglih erkannt oder erprobt : es erfordert freilich mehr festes, wiederstandsfähiges Material und ist erheblih fostspieliger. Schon deshalb konnte bei früheren Finanz- verhältnissen hierauf niht in gewünshtem Umfange eingegangen wer- den. Die Finanzfrage spielt heute keine Rolle mehr und es ist nur zu hoffen, daß die damit ükßerwundene Kostenshwierigkeit niht durch eine andere erseßt werde, nämlich durch diejenige, welche in dem Man- gel hinreichender Arbeitskräfte liegt. :

In den Wünschen für Dinge der öffentlichen Wohlfahrt können oft alle Parteien zusammenstimmen: wenn aber die Mittel gebrechen, ist es nicht billig, daß von der einen Seite der a'deren wobifelle Vor-

fam in der kleinen Rolle des Jago außer in dem Duett mit Otello im - zweiten Aft leider niht recht zur Geltung; Signor

würfe gemaht werden. Ob die Schiffer allezeit werden befriedigt werden, ist freilich eine andere Frage, die um so s{chwerer allgemein

sammlung gewählt worden. Als Vize-Präsident ging Ortiz aus der Wahl hervor, zu Sekretären wurden Sardo und Lopez ewählt. : : 9 New-York, Mittwoch, 19. März. (W. T. B) Dex Postdampfer des haltishen Lloyd „Thorwaldfen“' ist heute mit Passagieren, Post und voller Ladung von hier na Stettin in See gegangen.

Königliche Schauspiele.

Freitag, den 21. März. Im“ Opernhause. (69. “Vor- ftellung.) Aladin, oder: Die Wunderlampe. Großes Zauber- Ballet in 3 Akten von Hoguet. Musik von Gährig. Anfang 7 Uhr. Mittel-Preise.

Im Schauspielhause. (79. Abonnements-Vorstellung.) _Her- zog Bernhard von Weimar. Geschichtlihes Trauerspiel -in 5 Akten von Rudolph Gottshall. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-

reise.

L Sonnabend, den 22. März. Im Opernhause. Zur Feier des Allerhöchsten Geburtsfestes Sr. Majestät des Kaisers und Königs. (70. Vorstellung.) Prolog von Friedrih Adami. Hierauf: Armide. Große heroische Oper in 5 Abtheilungen. Musik von Gluck. Ballet von P. Taglioni. Armide: Fr. von Voggenhuber. Furie des Hasses: Frl. Brandt. Ein Dämon: Frl. Grossi. Rinald: Hr. Niemann. Hildroat: Hr. Bey. Ubald: Hr. Barth. Ein dänischer Ritter: Hr. Schott. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-Preise.

Im Schauspielhause. (80. Abonnements-Vorstellung.) Pro- log von Friedrich Aadami. Fest-Ouvertüre von Radecke. Hier- auf: Nathan der Weise. Dramatisches Gedicht in 5 Abtheilun- gen von G. E. Lessing. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-Preife.

zu bejahen sein wird, als, wie der Herr Handels-Minister jüngst im Hause der Abgeordneten bemerkte, die Schiffer in dem Tiefgange ihrer neu erbauten Kähne immer wieder der kaum erzielten Fahrtief- einen SchHritt vorauszuthuù pflegen, in dec Hoffnung, wenigstens bei hohem Wasserstande davon zu profitiren. Sie haben sih dann aber das Un- glüdck des niedrigen und für ibre Kähne unzureichenden Fahrwassers in das eigene Schuldbuch zu schreiben, niht in dasjenige des Staates oder der Behörden.

Die neuen Veröffentlihungen aus Goethe's Nachlaß,

deren Herausgabe von den Goethe’ schen Erben dem Pro- fessor Bratranek in Krakau anvertraut wurde, werden demnächst unter dem Titel: „Neue Mittheilungen aus Johann Wolfgang von Goethe's handschriftlihem Nachlaß“, im Verlage von F. A. Brockhaus in Leipzig erscheinen. Dieselben erftrecken sich zu- nächst auf zwei Werke, nämlih die „Naturwifsenschaftliche Cor- respondenz Goethe's“ und den „Briefwechsel Goethe's mit den Brüdern Alerander und Wilhelm v. Humboldt“.

Die „Naturwissenschaftlihe Correspondenz“, von Goethe selber gesammelt, wird in zwei Bänden erscheinen üund umfaßt die Zeit von 1812—32, vorzüglih aber die Jahre 1822—27. Neben den \chön früher bekannten Beziehungen, wie zu Blu- menbach, Carus, Loder, Sömmering, Seebeck 2x.. werden hier zuerst die zu d’Alton, Brandes, v. Henning, Martius, Nees v. Esevbeck, Purkinje, Wermburg, Zschokke c. mehr hervor- treten. Die Correspondenz erstreckt sich über reihlich hundert Namen.

Der „Briefwechsel Goethe's mit den Brüdern v. Humboldt" wird einen Band umfassen. Befonders interessant find auch die Briefe, welche von 1795—1832 zwischen Goethe und Wilhelm v. Humboldt. gewechselt wurden.

Die vor Kurzem verstorbene spanische Dichterin Gertrudis Gomez de Avellaneda, war geboren in Puerta Principe auf Cuba. : Sie verließ indeß die Insel mit ihrer Mutter, einer Wittwe, in dem frühen Alter von zw 1nzig - Jahren. Ihre ersten flüchtigen Verse, die fie unter dem Schriftstellernamen la Peregrina schrieb, wurden in Madríd so berühmt, daß fie im Jahre 1850 von Senor Pastor Diaz ‘gesammelt und von ihm in einem kleinen ansy.u{slosen Bändchen als; „Colleccion de Poesías Líricas de la Senora Ávella- neda,“ berauêgegeben wurden. Jn offenbarer Beherrshung des Eng- lischen, Französischen und Deutschen, war sie vertraut mit den Werken Byrons und Shafkespeare’s, Corneille’'s und Racine's, Châteaubriands, Schillers und Walter Scotts. Während der leßten Jahre ihres LÆ- bens leitete fie cine vollständige und verbesserte “Ausgabe ihrer Werke, von denen jeßt -vier Bände vorliegen. Der erste Band enthält ihre lyrishen, der zweite und dritte ihre dra- matischen Werke, der vierte eine Auswahl ihrer Ncvellen und Legendea. Ihre, größten Erfolge lägen auf dem Ge- biete des Dramas; ihr erster Versuch, das Trauerspiel „„Alfonso Munio“ auf Grund einer alten Toledanischen Ueberlieferung, ward geschrieben und aufgeführt im Jahre 1844. Die Dichterin war da- mals erft 28 Jahre alt. Auf diesen großen theatralischen Erfolg kam der Tod ihres ersten Gatten, nach welchem fie sih eine Zeitlang von der Literatur zurückzog. Jhr nächstes Werk war die Tragödie „El Príncipe de Viana“. Das Stück spielt 1469 zu den Zeiten Juans I. von Aragon; es- ward von der Senora Avellaneda, ihrer warmen Freundin, Fernan Caballero, gewidmet, die damals ebenfalls Wittwe war. Dann kam „Recaredo“, auf welchen das biblishe Drama „Saul“ folgte, reich an dichterischen Schönheiten, aber nicht für die Darstellung gceignet; dann ward „Baltasar“ (Belsazar) geschaffen mit großem Bühnenerfolg. Eine Kritik des „La Corte“ sagte fie: habe den „Sardanapal“’ Locd Byrons benüßt, wogegen sie Senor Valera in einer langen Besprehung in Schuß nahm. „„Catilena,“ ein flassishes Drama, folgte dann, ferner die Lustspiele „La Hija de las flores“ und „La Aventurera,“ frei nach dem Französishen, das Original- Lustspiel -,„Oráculos de Talia. La Hija del Rey René“ nach dem Französi;hen, die Posse „El Millonario y la Maleta,“ das von By- rons Werner infpirirte: „La Verdad vence apariencias,“ Mit dem Prosa-Lustspiel „Tres Amores“ \{licßt der Band. Von den Novellen und Legendea ift bisher nur ein Band veröffentliht worden. Nach dem Tod ihres ersten Gatten zog fie sich für längere Zeit in ein Kloster zu Bordeaux zurück. Neun Jahre später ward ihr zweiter Gatte, der zur Partei O’Donnells gehörte, erstochen. Seitdem hat sich Senora Avellaneda ganz vom literarishen Leben zurückgezogen und sih höchstens noch mit der Sammlung ihrer Werke beschäftigt. „Eine s{öne und gebildete Fcau,* {rieb Pastor Diaz 1850 über fie, „cine musterhafte Tochter und Schwester, ein zartes und empfin- dendes Weib“ von tief religiösem Gefühl, eine gütige und treue Freundin.

Weltausstellung 1873 in Wien.

Wien, 18. März. Die Erzherzoge haben für das anläßlih der Weltausstellung im September d. J. stattfindende internationale Pferdc- rennen 2000 fl. als zweiten Preis bestimmt, welcher unter dem Namen „Preis der Erzherzoge“ verliehen werden wird. Der Prinz August von Coburg-Gotha, Herzog zu Sachsen hat für Ddie Preise des internationalen Wettrennens 100 Stück Dukaten gewidmet.

Redaktion und Rendantur: Schwieger.

Berlin, Verlag der Expedition (Kessel). Druck: H. Heiberg. Zwei Beilagen

(eins{ließlich da Börsen-Beilage).

Neichstags-: Angelegenheiten.

Berlin, 20. März. Dem Reichstage liegt folgendes Gefeß, betreffend die Etatsüberschreitungen bei den über- tragbaren Fonds der Marine-Verwaltung in den Fahren 1867 bis 1871 vor: -

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiscr, König

von Preußen 2c. » verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustim- mung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt :

__§. 1. Der Marine-Vetwaltung wird Indemnität dafür ertheilt, daß-bei den Ausgaben der Marine-Verwaltung Ueberschreitungen der übertragbaren Fonds im Ordinarium und Extraordinarium des Etats wiederholt und bis einschließlich für das Jahr 1871, ohne als Etats- überschreitungen ersichtlich gemacht word-n zu sein, aus den gleich- aon für das folgende Etatsjahr bewilligten Fonds gedeckt wor- en sind.

S. 2. Von den oben im §. 1 bezeihneten Etotsüberschreitungen werden 371,903 Thlr. 24 Sgr., welche sich am Schluß des Jahres 1869 bei den Fonds für die Indiensthaltung von Schiffen (Tit. 9 und 10 der fortdauernden Ausgaben des Etats der Marine-Verwaltung) als Ueberschreitung ergeben baben, bei den durch den Krieg gegen Franfreich veranlaßten außeretatsmäßigen Auêgaben für die Kriegs- marine (Art V. Nr. 3 des Gesetzes, betreffeud die franzöfische Kricgs- kostcn-Entshädigung vom 8. Juli 1872) verrechnet und auf die von Frankreih zu zahlende Kriegsfosten-Entschädigung übernommen.

Urkundlich 2c.

GegeLcn 2c. Z

Der von den Abgg. Windthorst (Berlin) und Genoffen eingebrachte Entwurf eines Reichspreßgesetes lautet:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. vero: dnen im Namen des Deutschen Reiches, nach erfolgter Zustim- mung des Bundesraths und des Reichstages, was folgt: :

8. 1. Zum selbständigen Betriebe von Buch- und St-indruckereiecn, Buch- und Kunsthandlungen, Antiquariatsgeshäften, Leihbibliotheken, Lesekabineten, sowie zum Verkaufe von Zeitungen, Zeit-, Flug- und anderen Druckschriften oder bildlihen Darstellungen in bestimmten Geschäftslokalen bedarf es einer behördlihen Erlaubniß (Konzession) nit. Es gelten dafür lediglich die Bestimmungen der §8. 14, 15, 148 der Deutichen Gewerbe-Ordnung vom 22. Juni 1869.

8. 2. Eine Eutzichung der Befugniß zum selbständigen Betriebe irgend eines der obigen Gewerbe känn weder im administrativen nech im ricterliden Wege stattfinden.

8. 3. Fü. den gewerbsmäßigen Betrieb von Schrift- oder Bild- werken auf öffentlihen Wegen, Straßen, Pläßen und anderen öffent- lien Orten, sowie für das Anheften von Plakaten gelten die Vor- schriften der §S. 43, 45 und 57 der Deutschen Gewerbe-Ordnung. Doch steht es denen, welche einen Legitimationsschein dazu besißen frei, die erlangte Befugniß unter ihrer Verantwortlichkeit dürch andere, auch minderjährige Personen ausüben zu lassen. Jn Bezug auf den Juhalt der zu verbreitenden Schriften, sowie auf den Ort der Anheftung von Plafaten dürfen, abgesehen von privatrechtlihen Rüsichten, keine Be- jschränfungen statrfiaden.

8. 4. Strafbare Handlungen, welhe durch Verbreitung eines Precßerzeugnisses verübt werden, unterliegen den Bestimmungen des deut]chen Strafgeseßbuches. Als Verbreitung im Sinne dieses Ge- seßes gilt cs, wenn das betreffende Preßerzeugniß verkauft, öffentli anzeschlagen, an _öoffentlichen Orlen, in Leibhbibliotheken, öffentlichen Lesekabineten u. f. w. zu Jedermanns Einsicht ausgelegt, oder ausge- stellt, oder wenn es dergestalt ver:heilt worden ist, daß jede beliebige Person ein Exemplar erhalten konnte. Die Ablieferung -an die Post zum Zwecke der Versendung gilt noch nicht als Verbreitung.

Den Erzeugnissen der Buchdruckerpresse stehen gleich im Sinne dieses Gesetzes alle anderen auf mehanischem oder chemischem Wege erfolgten Vervielfältigungen von Schrift- oder Bildwerken.

&. 5. Für den Jnhalt eines Schrift- oder Bildwerkes haftet zunächst der Verfasser, in zweiter Linie der Herausgeber (Redacteur), in dritter Linie der Verleger und endlih der Verbreiter (Sortiments- Buchhändier, Antiquar, Colporteur, Leihbibliothekar u. \. w.)

Die Verantwortlichkeit des Verbreiters, Verlegers und Heraus- gebers fällt fort, wenn dieselbun vor dem Schlusse der gerichtlichen Verhandlung dem Gerichte eine der vor ihnen haftenden Personen namhaft macen und wenn diese sich im Bereiche der Gerichtsbarkeit des Deutschen Reiches befindet oder zur Zeit der Gefeßesübertretung fich esand,

Keine der haftenden Personen kann gezwungen werden, ihren Vor- mann zu nennen. A j / h

§. 6. Wenn auf die Vernichtung eines Schrift- oder Bildwerkes erkannt wird, jo fann ein solches Erfenntniß niemals ein allgemeines Vertriebsverbot einer ganzen Zeitung, Zeitschrift, Sam'nelschrift, eines mehrbändigen Werkes , einer zusammenhängenden Reihenfolge von Biidern oder von Musikalien zur Folge haben. Ebensowenig darf ein derartiges Vertriebsverbot im administrativen Wege, auch nicht indirekt durch Entziehung des Postdebites verhängt werden. Dabei macht es feinen Unterschied, ob die betreffende Zeitung, Zeitschrift, idt und dergleichen im . Inland: oder im Auslande er-

tenen ijt: _§. 7. Ueber alle Verbrechen und Vergehen, welche durch die Presse begangen werden, entscheiden_-die. Schwurgerichte.

Rückfallsbestrafungen wegen der durch die Prefse verübten Ver- breden oder Vergehen sollen nicht eintreten.

Die durch ein Schrift- oder Bildwerk begangenen Ver- brechen oder Vergehen verjähren innerhalb 6 resp. 3 Monaten vom Tage des Erscheinens der betreffenden Druckschrift an gerechnet.

F. 9. Die vorläufige Beschlagnahme eines Schrift- oder Bild-

werkes ist unstatthaft. _ S. 10. Alle Geseße und Verordnungen in den einzelnen Bundes- staaten, welche den Bestimmungen dieses Geseßes widersprehen, oder welhe der Presse und den Preßgewerben Leistungen oder Ver- pslihtungen auferlegen, die in diesem Geseße keine Begründung finden, find aufgehoben. Jusbesondere sind aufgehoben- die Zeitungskautionen, der Zeitungs- und Kalenderstempel, die Abgabe von Inseraten, sowie lede andere Art der Besteuerung oder Belastung einzelner Preßerzeug- nisse necen der allgemeinen Gewerbesteuer.

Die Ul. Kommission zur Vorberathung des Geseß- entwurfs, betreffend einige Abänderungen des Gesezes über das Posttarwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 hat fh, wie folgt, konstituirt:

Herr v. Unruh (Magdeburg), Regierungs- und Baurath a. D., Vorsißénder, Herr Overweg, Rittergutsbesißer, Stellvertreter L Vor- siß-nden, Herr Wilmanns, Stadtrichter, Schriftführer, Herr Braun (Hersfeld), Kommerzien-Rath, Stellv-rtreter des Schriftführers, Herr v. Below, Mutterggserefhee Herr Grosmann (Landkreis Cöln), Rentner, Herr Uirich, Ober-Bergrath, Herr Dr. jur. Becker (Dort- mund), Dber-Bürgermeister, Herr Knapp, Gutsbesitzer, Herr v. Behr,

ammerberr und Rittergutêbesißer, Herr Dr. Braun (Gera), Justizrath, Rectsanwalt bei dem Ober-Tribunal, Herr Graf zu Münster Sathsen), Amtsbauptmann, Herr Paravicini, Bürgermeister, Herr ammerer, Fabrifbesißer,

Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

.F2 70.

Donnerstag, deu 20. März

Landtags- Angelegenheiten. Berlin, 20. März. Jn der gestrigen Sißung des Hauses

tragte Resolution, den Austritt der Juden aus der Religions- Gemeinschaft betreffend :

Meine Herren! gebraht worden, daß die Annahme eines Antrages, wie er den Auf- fafsungen des Herrn Lasker entspricht, in der That dazu dient, das Zustandekommen des Geseßes zu hindern; die Staatsregierung glaubt auch, was die älteren Provinzen betrifft, daß der Rechtsstandpunkt,

Die Staatsregierung hat aber auf der anderen Seitc nicht verkennen

thums besteßen, einer anderweitigen geseßlichen Regelung bedürfen, weil ißre Entwickelung weit über diejenigen hinausgegangen ift, welche beispielsweise in dem | Geses vom Juli 1847 derartige Fälle ins Auge ¡ und eine Regeluug für lie Teste. Sie hat aber bei der Verschie- denheit der thatsächlihen Verhältnisse, über welche der Herr Abg. v. Brauchitsh fich bereits ausgelassen hat, und in Rüsicht der ver- iedenen Lage der Gefeßgebung in einzelnen Landeétheilen es für ihre Pflicht erachtet, \sich erït des Genauesten über diese Verhältnisse zu vergewisfsern. In der Beziehung find bereits vorbereitende Schritte

bekannten

ob diese Schritte dazu führen könnten, noch in der gegenwärtigen Ses- sion dem Hoben Haufe eine Vorlage zu machen. Diese Hoffnung ist getäuscht worden, es ist das in der That nicht mehr möglich; indessen wird aus meinen Bemerkungen der Herr Abg. Lasker entnehmen, daß die Staatsregierung mit dem Gedanken bereits sich vertraut gemaht hat, daß auf dem Wege einer eingehenden Geseßge‘cung in dieser Be- ziehung geholfen werden muß unter Berücksichtigung der im Laufe der leßten Jahrzehnte eingetretenen Bewegung innerhalb des Judenthums, und ich hoffe, was für diese Session nicht gelungen ist, wird doch wohl für die nächste zu erreichen mêglih sein.

In der Diskussion über den Gesetzentwurf, die Revifion der Normalpreise betreffend, nahm der Regierungs-Kommiffar Geh. Ober-Regierungs-Rath Greiff nach dem Abg. Mühlen- beck das Wort: g ____ Meine Herren! Der vorliegende Geseßentwurf geht von der Auf- fassung aus, daß die Feststellung des Ablöjungswerthes derjenigen Ge- genständ-, welche nach Normalpreisen ermittelt werden, erfolgen soll nach dem zur Zeit der Auseinanderseßung angemessenen Durchschnitts- werthe, das heißt, nicht gerade zu demjenigen Preise, welcher gilt, wenn das einzelne Geschäft abgeschlossen wird, aber unter Berückfich- tigung desjenigen Werthes, welcher von der Zeit der Auseinanderseßung nicht weit ab liegt. Dieser Grundsaß der Werthsbestimmung ist für alle anderen Atlösungsobjekte und dem Geseße vom 2. März 1850 vollständig gewahrt, insbeso1.dere für die Körnerabgeben dadur, daß auch die neuesten Martinimarftvyreise bei Ermittelung der maßgebenden Durschnitt8 preise berücksichtigt werden. Für diejenigen Gegenstände, welche nach Normalpreifen ermittelt werden, hat das Geseß von 1850 die Bestimmung, daß nur-nach Ablauf einer zehnjährigen Frist eine Revifion der Normalpreise zulässig sei, eine Bestimmung, welche da- bin führt, daß ien Laufe der Zeit die Ncxmalpreife denjenigen Durch- schnitiswerthen der Gegenstände nicht mehr entsprechen, wekche sich, sel es durch Steigen, fei es durch Fallen der Preise, herausstellen. Diese Unangemefssenheit der Normalpreise wird dadurch noch erhöht, daß geseßlih die Preise der lcßten 20 Jahre bei Ermittelung der Normalpreise berücksihtigt werden müssen. Dadurch hat sich häufig das Resultat ergeben, daß während des laugen, die Revision ausschlie- Benden Zeitraumes von zehn Jahren nach und nach die Normalpreife von den zur Zeit der Auseinanderseßung angemessenen Durchschnitts- werthen weit abweichen.

Um diesem Ueb-lstande zu begegnen, welcher fich in den alten

Landestheilen thatsächlich herausgestellt hat, ist in dem Ablösungs- geseße, welches für die Provinz Schleswig-Holstein erlassen worden ift, eine Verkürzung der erwähnten zehnjährigen Frist auf fünf Jahre für „angemessen erachtet worden. Nach diesem Vorgange auch in dem Gel- tungsbereih des Gesetzes vom 2. März 1850 zu verfahren, kann in der That keinem Bedenken unterliegen, da ja dieselben Gründe, welche die Bestimmung-für die Provinz Schleswig-Holstein veranlaßt haben, von allgemeiner Bedeutung find. Es ift auch dieser Standpunkt nicht von dem Herrn Abg. Mühlenbeck beanstandet worden, er monirt nur gegen den Geseßentwurf, daß derselbe nicht blos As finden solle auf diejenigen Sachen, welckche nach Erlaß des neuen Gesetzes beantragt worden, sondern daß er auch Anwendung finden follte auf die schon s{chweben- den Sachen, insofern niht der Jahreswerth bereits rechtsverbindlich festgestellt ist. Aber, meine Herren, das ist in der That ein Grund- jaß, welcher den Bestimmungen des Gefeßes vom 2. März 1850 voll- ständig entspriht. Der §. 100 des Geseßes vom 2. März 1850 be- stimmt nämli, daß au dieses Gefeß Anwendung finden jolle auf die zur Zeit feines Erlasses schon schwebenden Sachen, so weit nit die Abfindung schon rechtsverbindlich festgestellt worden ift. Ganz der- selbe Grundsaß joll hier auch für die Anwendung der Normalpreise maßgebend sein. Es würde nah der Auffassung. der Staatsregierung eine unrichtige Feststellung des Werthes der Ablöfungsgegenstände sein, wenn dur die Revision ih ergeben hat, daß die alten Normalpreise nicht angemessen sind, und wenn man die neuen niht Anwenduug fin- den lassen wollte auf diejenigen Sachen, in welchen eine rechtsbestän- dige Feststellung unter den Parteien noch nicht erfolgt ist. Der Herr Abgeordnete Mühlenbeck hat hervorgehoben, daß Verträge und Feststellungen zwischen den Parteien über die Abfindung häufig statt- gefunden haben, und findet es ungehörig, daß in folhen Fällen das Geseß keine Anwendung finden würde, wohl aber auf diejenigen Fälle, wo noch keine solche Feststellung stattgefunden hat. Ja, meine Seri ganz derselbe Einwand fonite au dem §. 100 des Gesetzes vom 2. März 1850 entgegen gestellt werden, und es sind in der That alle die Bedenken, welche jeßt von ihm erhoben worden sind, s _wirklih damals schon geltend gemaht worden. Damals hat man si aber davon überzeugt, daß es troßdem nothwendig sei, das neue Gefeß mit seinen Bestimmungen anzuwenden auf alle“ diejenigen s{webenden Sachen, in welchen zwischen den Interessenten über die Abfindung eine rechtsverbindliche Feststellung nicht stattgefunden hat. Wenn der Herr Abgeordnete ferner noch angeführt Hat, daß von dem Minister der landwirthschaftlichen Angelegenheiten eine nmnzuläsfige Einwirkung darauf ausgeübt worden sei, daß die shwebenden Sachen nicht so lebhaft, als es sonst der Fall gewesen wäre, betrieben werden sollten, und zwar mit Rücksicht auf das beabsichtigte neue Gefeß, so verhält fih dies in Wirklichkeit anders. Die Auseinanderseßzungsbe- hörden sind über den Geseßentwurf gehört worden und es ift ihrem Ermessen überlassen worden, welche Rücksicht sie auf die daraus fi ergebende Sachlage bei der Bearbeitung der schwebenden Ablösungen nehmen wollen.

So viel mir bekannt geworden, ist von den Auseinanderseßungs- behörden ein ungerechtfertigter Einfluß auf die Verzögerung der Sa- chen nicht geübt worden. Dies that) ächlich. i n In Bezug auf den Gesetzentwurf aber glaube ich nachgewiesen zu haben, daß eine Anwendung des neuen Gefeßes auf die s{chweben- den Sachen durhaus dem Geiste des Geseßes vom 2. März 1850 entspriht. Jch bitte Sie daher, den Geseßentwurf auch in Betreff

der §8. 2 und 3 unverändert anzunehmen. Die Auffassung des Herrn

Es ist bereits in der Kommission zum Ausdruck ! 11 L : | zuwendenden Normalpreise kommen fönnte, als es nah den bisherigen

den fie in den Motiven betont, derjenige ist, der dem Gefeß entspri;t. | De 1 1 L ] | würden dadur in die Lage verseßt, wenn sie bereits auf Ablösung

können, daß die Zustände, wie sie gegenwärtig innerhalb des Juden- | der ihnen an geistlihe Institute obliegenden Reallaften provozirt haben

} und demzufolge deu 25fahen Kapital-Betrag an die Geistlichkeit

fassen |

geschehen, und es hatte vor wenigen Monaten noch den Anschein, als |

|

1878.

| Abg. Mühblenbeck, daß hierin cine rückwirkente Kraft des Gesetzes

Î

der Abgeordneten erklärte der Minifter der geistlichen 2c. An- | gelegenheiten Dr. Falk über die von dem Abg. Lasker bean- | | entwurfs in Bezug auf die schwebenden Sachen wäre die, daß die | Interessenten, wenn sie an ihrer Provokation festgehalten würden, zu

| der Fall gewesen wäre.

Gesichtspunkte |

liege, vermag ich nit zu theilen; es ift vielmehr die Anwendung des allgemein geltenden Grundsaßes, daß; das nene Geseß auf alle bei seinem Erscheinen uno nit rechtêvertindlich abgeschlossenen Sachen sich erstreckt. Die einzige Härte des in Rede stehenden Grundsaßes dieses Geseßz-

einem ungünstigeren Resultate durch die nah dem neuen Geseße an-

r F L _Diese Härte wird aber dadur vollständig beseitigt, daß den Betheiligten gestattet wird, die Provokationen in den noch nicht rechtsverbindlich abgeschlossenen Sachen während der im Geseßentwurfe enthaltenen Frist zurückzuziehen. Die Verpflichteten

übernehmen müßten, durch die Rücknahme der Provokation*dicser Even- tualität sich überhoben zu sehen. :

_Endlih muß ich noch bemerken, daß die Revision der Normal- preife eine fo lange Zeit, wie der Herr Abg. Mühlenbeck annimmt, niht in Anspruch nehmen wird. Es ist vielmehr mit Sicherheit zu erwarten, daß diese Revision höchstens 3 bis 4 Monate dauern wird, und den Provokanten wird also immer noch mögli sein, bis zu dem in dem Gefeßentwurfe gestellten Präflusivtermín si schlüfsig darüber zu machen, ob sie die Provokation zurücknehmen wollen oder nicht, und crítenfalls den Provokaten Zeit genug bleiben, ihrerseits bis Ende dieses Jahres zu provoziren. Ich wiederhole also meine Bitte, den Geseßentwurf vollständig unverändert anzunehmen.

Die Kommission des Hauses der Abgeordneten hat über den Entwurf eines Geseßes über die Aufnahme einer Anleihe in Höhe von 120 Millionen Thalern zur Erweiterung 2c. der Staatseijsen- bahnen hat ihren Bericht erstattet. Sie bcantragt die Annahme der Regierungsvorlage mit folgenden Abänderungen: Bei dem Passus Eisenbahn von Harburg nach Hannover falten die Worte „üver Sol- tau“ fort. Bei der Bahn von Saarbrücken dur das Fischbachthal nach Neunkirchen wird hinzugeseßt: „mit einer Abzweigung in das Trenkelbacthal“. Für den Geldbetrag soll die Veräußerung von Schuldverschreibungen nur so weit gestattet werden, als derselbe nit aus dem preußischen Antheile der franzfishen Kriegs-Kontribution gedeckt werden Tann.

Landwirthschaft.

Berlin, 20. März. Das Landes-Oekonomie-Kollegium beschäftigte sih zunächst in seiner Sißung am 14. März mit der Berathung der von dem Minister für die landwirthschaftlihen Angelcgenhciten auf Veranlassung eines Antrages des Herrn Sombart gemachten Vorlage, betreffend die Maßregeln zur Hebung der Rindviehzucht. Der Herr Minister hatte vorher den landwirths{aftlichen Central- und Hauptvereinen aufgegeben, sih über diese Angelegenheit eingehend zu äußern und die den lokalen Berhältnissen entsprechenden Wege zur Erreichung des bezeichneten Zicles- in Vorschlag zu bringen. Der Vorlage des Herrn Ministers ist eine Zusammenstellung der einge- forderten Berichte beigefügt. Nach derselben geht aus allen Berich- ten, wenn auch nit in allen direft ausgesprochen, hervor, daß die Rindviehzucht bei dem Greoßgrundbesiß bereits eine derartige ist, um besondere Maßregeln zur Förderung derselben entrathen zu fönnen. Eben fo allgemein ift dagegen die Klag-z, daß die Rindviehzucht der klei- neren Besißer noch eine sehr mangelhafte sei, demnach Maßregeln zur He- bung um so dringender geboten erscheinen, als dieselbe, rationell betrieben, unter allen landwirthschaftlihen Zweigen die meiste Aussicht auf Ge- winn biete. Nur aus Schleswig-Holstein wird berichtet, daß auch bei den fleineren Wirthen die Rindviehzucht sih in beichtenswerther Ent- wicklung befinde und zu ihrem ferneren Gedeihen und Fortschreiten zwar weiterer Anregung bedürfe, aber teineswegs ganz besondere Maß- regeln nothwendig mache. Als Ursache des mangelhaften Zustandes der Rindviehzucht bei den Bauern und sonstigen Kleinbesißern ‘werden angegeben: 1) Fast aflgemcin der unzurcihende Futterbau und die geringe Keuntniß über den Werth der einzelnen Futterstoffe. 2) Die unzurcichende Fütterung und Haltung des Rindviehes und zwar meist aus Unkenntnißz; damit im Zusammenhange steht, daß oft mebr Vieh gehalten wird, als dem zur Verfügung ftchenden Futter entspricht. Vorzüglich leide unter der margelhaften Fütterung und Pflege die Aufzucht des Jungviehes. 3) Mangelhafte Kenutniß der fkörper- lihen Eigerschaften des Nußviehes, daher Fehblgreifen bei der Auswahl der Zuchtihiere, bedingt durch Zufall und Laune. 4) Mangel an guten Zuchtthieren und nicht selten s{lechte Haltung derselben. 5) Nicht hinreichender Schuß gegen Viehseuchen, daher Fur{cht vor Verlusten durch folhe. 6) Schädliche Servitute oder lokaler Gebräuche. 7) Nicht ausreichende Bezahlung für die Pro- dufte der Rindviehhaltung und ers{chwerte Transportgelegenheit für Zuchtthiere und Produkte. 8) Die Erhebung von Schlachtsteuer in mahl- und s{lachtsteuerpflihtigen Städten.

Die Angelegenheit: hatte {hon in- der achtzehnten Dr De dem Landes-Oekfonomie-Kollegium zur Berathung vorgelegen. És war damals von Herrn Sombart folgcuder Antrag gestellt, und von dem Kollegium angenommen worden :

„Kollegium wolle beschließen, den Herrn Minister zu ersuchen, in einer der nächsten Sißungen des Landes-Oekonomie-Kollegiums die Maßregeln in Erwägung zu ziehen, welche zur Hebung der Rind- vichzuchi zu ergreifen find.“ / i, :

(És würde sich empfehlen, die landwirthschaftlihen Zentral- Vereine aufzufordern, innerhalb ihrer Bezirke dieselbe Frage zu er- ôörtern und die gefaßten Beschlüsse als shäßbares Material hierher einzureichen.) / / ;

Die Frage wurde, ehe sie in der jeßigen Sißzungsperiode des Landés-Ockonomie-Kellegiums zur Berathung kam, in dem ständigen Ausschusse verhandelt. Im Plenum drehte fih die Debatte über die- fen Gegenstand hauptsächlich um die Körordnungen, die von der einen Seite insbesondere für die Förderung der Rindviehzucht der bâäuer- lichen Besißer für unentbehrlich erklärt wurden und deshalb mindestens für fleinere Bezirke durch die Amts- resp. Kreisversammlungen müs- jen eingeführt werden können, während von der anderen Seite darauf hingewiesen wnrde, daß es niht- allein darauf ankomme, das Zuchi- material zu verbessern, sondern dasselbe auch zu vermehren, was dur den Einfluß von Körordnungen verhindert werde. Außerdem wurden in der Debatte noch hervorgehoben als nothwendige Bedingungen einer besseren Viehzucht: die bessere Ausbildung der Thierärzte, die vermehrte Anstellung von Kreisthierärzten, eine verbesserte Seuchen- geseßgebung, Desinfektion der Viehtranspoutwagen, Verstärkung der Grenzkontrolle, Verbesserung des Molkereiwesens 2. Schließlich einigte man sih zur Annahme der folgenden von dem ständigen Aus- scusse gestellten Anträge: L

1) „Sich ausdrüdcklich gegen die Einrichtung von besonderen Zucht-

beerden als Staatsinstitute, namentlich au gegen die Einrichtung staatlicher Bullenstationen auszu1prechen.“

2) „An Se. Excellenz den Herrn Minister die Bitte zu richten,

a. geneigtest Fürsorge für die Eventualität einer Erhöhung und Vermehrung der zur Hebung der Rindviehzucht dienenden Staats- zushüsje treffen zu wollen, b. anch fernerhin, wo das lokale Ver- hältniß begründete und auf die -lokalen Verhältniffe . berechnete Maßregeln zur Hebung der Rindviehzucht, als z. B. Veranlassung der Herausgabe populärer Schritten, Beschaffung geeigneter