1920 / 158 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 19 Jul 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Minister teilnahmen. Laut Meldung des „Wolffshen Tele- graphenbüros“ wurde für die nächsten Tage folgendes Pro- gramm vereinbart : Am Montag und Dienstag wird das Kabinett die Berichte über die Beschlüsse von Spaa entgegen- nehmen. Für Dienstagabend is eine Sißung - des Neichs- tagsausschusses für auswärtige Angelegenheiten in Aussicht genommen. Zu Mittwoh sollen die Ministerpräsidenten der Länder zu einer Sigung eingeladen werden. Am Donnerstag findet eine Aussprache im Reichswirtschastsrat über die wirt aftlichen Fragen statt.

Der- Niederländische Gesandte Baron Gevers3 hat Berlin verlassen. Während seiner Adwesenheit führt der Minister- refident C. van Rappard die Geschäfte der Gesandtschaft.

a E omr

Die Konferenz in Spaa hat von den vier Gegen- ständen der Tagesordnung in der Reihe erledigt die mili- trische Frage, die Frage der Kriegsvergehen und die Kohlenfrage, die Frage der Wiedergutmachung kounte nicht mehr behandelt werden. Wie dem „Wolffschen Telegraphen- büro“ zufolge amtlicherseits mitgeteilt wird, ist am raschesten das Problem gelöst worden, das noch vor furzer Zeit die Gemüter “am heftigsten bewegte, nämlich die Bestrafung der Deutschen, welche wegen Vergehen gegen die Kriegs- regeln angeshuldigi wurden. E ist es einer gemischten Kommission von Sachverständigen in kürzester Zeit gelungen, eine Verständigung über die einschlägigen Methoden zu erzielen. Hätte man in den Fragen der Ent- wassnung Deutschlands und feiner Kohlenlieferungen an die Alliierien einen ähnliheu Weg eingeschlagen, so würde man sich Zeit und Kraft erspart haben. Leider wurden in beiden ¿ragen die Verhandlungen mit einem Verhör der angeklag- len deutschen Regierungen begonnen und mit einer einseiti- gen Entscheidung geschlossen. Die deutshen Gegengründe fonnfen niht mit der nötigen Ausführlichkeit zu Gehör ge- bracht werden. Das Verhandeln im Plenum machte eine ge- \chäftsmäßige Erledigung unmöglih, wenn man auch die schwierige Lage der Alliierten añßerkennt, die immer erst unter fich einig werden mußten, um Deutschland eine Antwort zu geben, und von dieser Antwort dann kaum wieder abgehen tonuten. Wenn man die Absicht der Alliierten zugibt, Deutsch- land entgegenzukommen, so bleiben die von der deutschen Dele- gation unterschriebenen Protokolle doch eine außerordentlich schwere Velastung unseres innerpolitishen wirtschaftlichen Lebens. Sie erhalten einen besonders gehässigen Cha- rakter dadurch, daß die Alliierién es für nötig be- funden haben, in beiden Fällen ihre Entscheidung uns aufzuzwingen. Jmmerhin enathallen die unterzeihneten Entscheidungen nicht bloß Nachieile für Deutschland. Die militärische Entscheidung läßt uns die Möglichkeit, die Ruhe im Jndustriegebiet, der sogenannten neutralen Zone, nötigen- falls durch die militärishen Machtmittel, aufrechtzuerhalten, und sie verlängert die Fristen für die Entwaffnung und die Herabsczung der Hceresstärke um weitere drei bis sechs Monate. Auch gibt sie dem Rest des deutschen Heeres in mgßreren Punkten eine bessere Organisation. s

__ Die Kohlenentsheidung wird nah dem Beschluß des Wiedergutmachungsausschusses üher die Höhe der monat- lichen Kohlenlieferungen vorläufig von 2400000 €{ auf 2 000000 # herabgeseßt und gibt die Aussicht, den Ausfall in Ruhrkohle, der durch die vereinbarten Lieferungen entsteht, durh eine Mehrbelieferung mit oberschlesisher Kohle einigermaßen zu mildern. Außerdem richtet sie für Ober- schlesien eine besondere Kohlenkommission ein, in der Deutsch- land als Mitglied vertreten is. Für die i dem Landwege gelieferte Kohle wird eine Prämie von 5 Mark Gold pro Tonne und der Vorschuß in Höhe des Restes der Differenz zwischen dem deutschen Jnlandspreis und dem auf bestimmte Art fest- zustellenden Weltmarktpreis gewährt, der monatlich nah Maßgabe der Höhe der Kohlenlieferung fällig wird. Die Prämie und der Vorschuß können und sollen sofort zur Erhöhung der Lebens- haltung des deutschen Volkes verwendet werden, insbesondere der Bergarbeiter, durch deren Mehrarbeit in erster Linie die Durchführung der Kohlenlieferungen an die Alliierten ermöglicht wird. Die nötigen Maßregeln zur Belieferung des Gebiets mit Mehk und zur Beschaffung auswärtiger Lebensmittelzufuhren find hon in Angriff genommen. Die von den Alliierten mit großem Nachdruck verlangte Unterzeichnung der Klausel, daß im Falle nicht genügender Kohlenlieserung sofort das Ruhrgebiet besetzt werden könnte, hat die deutsche Delegation abgelehnt. Das Abkommen wurde nur unter Aus\{hluß dieser Klausel unter- zeichnet. Als positives Nesultat der Konferenz darf verzeichnet werden, daß im Laufe der Verhandlungen die Stellung der deutschen Delegierten sich der normalen Stellung immer mehr näherte, wenn sie e auch keineswegs erreicht hat. Es ist zu hoffen, daß die Frage der Wiedergutmachung in Genf von vornherein in weniger mißtrauishem Geiste verhandelt werden wird als ihre Vorgänger in Spaa.

Oesterreich.

Der öslerreichishen Regierung ift von der italieuishen zur Kenntnis gebracht worden, daß mit dem Tage des Austausches der Batifikationsurkunden über den Frieden von St. Germain die militärische Beseßung von Gebieten innerhalb Dester- reis durch ttalienishe Truppen ihr Ende ge-

unden hat.

_— Das Staatsamt des Aeußeren hat von dem russischen Volkskommissar für Aeußeres Tschitscherin ein Radiogramm erhalten, daß dem Abiransport deutsch- österreihischer Kriegs gefangener aus Rußland nichis mehr im Wege stehe.

Der Tiroler Landesrat hat in seiner Sitzung vom 16. d. M. beschlossen, an das Reichstagspräsidium und den Deutschen Schußbhund in Berlin anläßlich des Ergebnisses der Abstimmung in Ost- und Westpreußen ein Glüclwunsch- te&grazm zu senden.

Großbritaunien und JFrland.

Der PVremierminister Lloyd George ist am Freitag- abend wieder in London eingetroffen.

Lord Robert Cecil erkärte in eiter Nede in London, wie Wolffs Telegraphenbüro berichtet, ein großer Teil der englishen Staaisausgaben sei die Folge der auswärtigen Politik der Negierung. Es sei zu O daß durch diese Politik die Rüstungslasten in bedrohlihem Maße vergrößert würden. Lord Robert Cecil sagte zum Schluß, der VöWerbund biete eine bessere Bürgschaft gegen den Krieg als

Frankreich. L Der Vorsißende des Völkerbundrats, Senatspräsident VoIuUrgeo1s hat mmmehr die internatiouale Finanz- konferenz auf den 25. September nah Brüssel einberufen.

Belgien. _ Der Oberste Rat hat am 16. Juli öflerreichishen, ungarischen, bulgarishen und türtishhen Ent- shädigung geregelt. Das gesamte Abkommen über die Ver- teilung der Entschädigungen erhielt seine endgültige Fassung und wurde unterzeichnet. E

Die Konferenz in Spaa hat laut Meldung der „Agence Havas“ an den Generalfekretär des Völkerbundes in London folgendes Telegramm gerichtet:

In Anbetraht der in London im Februar getroffenen Ent- fcheidung, durch die der Völkerbundsrat die internationale Finan ztonferenz nach Brüssel einberufen hat, und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die genaunte Konferenz nicht alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt, um zu dem Ergebnis zu gelangen, zu dem sie einberufen ist, bittet die Konferenz von Saa den Völkerbund, die Berufung zu der genannten Konferenz auf ein Datum nah dem 15. Septeinber zu verschieben.

E Zwischen Jtalien, Japan, Belgien und Portugal ist in Spaa ein Uebereinkommen unterzeichnet, das sofort unter den Mächten einige Fragen lösen soll, die sich aus der Aenderung des Friedensvertrages von Versailles ergeben.

Laut Meldung der „Agence Havas" bestimmt Artike l1, daf die Summe, die von Deutschland als Wiedergutmachung auf Grund des eTriedensvertrages von Versailles gezahlt wird, wie folgt zu verteilen ist: Gngland 22 Prozent, Frankreich 52 Prozent, Jtalien 10 Prozent, Japan 0,75 Prozent, Belgien 8 Prozent, Portugal 0,75 Prozent. Die restlichen 64 Prozent werden an Griechenland, den serbischen, den thracischen und den s\lowenishen Staat sowie an die Mächte, die Wiedergutmächungsansprüche erheben, aber das gegenwärtige Abkommen niht mitunterzeichnet haben, verteilt.

Artikel 2 besagt: Die als Wiedergutmachung von Oesterreich und Bulgarien gezahlte Gesamtsumme wird zusammen mit der Kontri- bution zu Ausgaben für die Befreiung der aus dem össterreichish- ungarischen Staate hervorgegangenen Ländern wie folgt verteilt : a) zur Hälfte nah dem in Artikel 1 vorgesehenen Verhältnis, b) von der anderen Hälfte erhalten Jtalien 40%, Griechenland und der I Ee Staat 60 9%.

__ Artikel 3 lautet: Die alliierten Regierungen werden unter- einander die nötigen Maßnahmen zur Sicherstellung der Zahlungen treffen ; falls nötig, werden sie Deutschland dur Anleihen helfen, die dazu bestimmt sind, inneren Verpflichtungen nachzukommen und die es ne, PUgitia erlauben, seine Schuldenlast so {nell wie möglich O um den Wiederaufbau mit voUen Kräften zu heben.

Artikel 4 enthält einzelne Bestimmungen über die Aufstellung der Abrechnung für jede einzelne Macht seitens der Wiedergut- N und bestimmte Regeln für Gutschrift und Last-

hrift.

Artikel 5 bestimmt die Maßnahmen, die Belgien die Priorität von 24 Milliarden Franks Gold sichern, auf die es Anspruch hat E vi A bas des L E vom 26. Juni 1919 und seßt diejenigen Kategorien der Zahlungen fest, die für die Priorität bestimmt sind. N |

__ Artikel 6 umschreibt die Schäßzungsmethode für die Schiffe, die entsprechend den Friedensverträgen von Versailles und St. Germain abgeliefert werden müssen, um Tonne für Tonne und Plaß um Plat, die Handels- und Fischereischiffe, die infolge von kriegerischen Hand- lungen zerstört oder beschädigt worden sind, zu erseßen. Er be- stimmt außerdem die für die Schiffe zu zahlende Miete. Die Be- stimmungen für die Lösung der übrigen Fragen, die dur die Ent- scheidung "des belgischen Prifengerichts aufgeworfen wurden, sind getroffen. Belgien wird eine auf die Anteile der übrigen alliierten Mächte erhobene Kompensation erhalten.

Artikel 7 bezieht sich auf die Leichterschiffe, auf Shwimm- dos und Hafenmateria!, das auf Grund des Protokolls vom 10. Juni 1920 geliefert wurde.

Als Ausgleich für die versenkten Kriegsschiff: bestimmt Artikel 8, daß die Dispositionen des Protokolls vom 10. Januar 1920 auf den Erlös aus dem Verkauf der Kricgs\chiffe und des Krieg8materials anwendbar find, das auf Grund der neuen Klausel des Versailler Vertrages geliefert wurde, eins{hließlich des Erlöses aus deim neuen Kriegsmaterial, das dur die Wicdergutinahungs- tommission verkauft wurde.

Artikel 9 gewährt Italien als Priorität vor allen anderen Mächten das Recht, gewisse Summen zu behalten und auf die Summe, die ihm ‘von Oefsterreih und Bulgarien als Wiedergut- machungskosten für die Besaßungsarmee geschuldet wird, zu verrehnen.

Artikel 10 behält die Rechte Polens gemäß den Verträgen von Versailles und St. Germain vor und bestimmt, daß das Ueber- eintfommen auf Polen keine Anwendung findet.

Artikel 11 wahrt die Nechte der Länder, die Belgien vor dem 11. November 1918 Geld gelichen haben, und sicht Bestimmungen für die Nückzahlung dieser Beträge sofort nah Zahlung der Belgien auf Grund des Prioritätsrects geshuldeten 25 Milliarden vor.

Artikel 12 wahrt die Nechte der Alliterten auf die Kredite, die sie ehemals ae Mächten gewährt haben.

Artikel 13 bestimmt, daß die Frage der gleihmäßigen Fest- fegung der Kosten der Besaßungsarmeen zurückgestellt wird, um mit den Vereinigten Staaten besprochen zu werden.

__— Der Kriegsminister Janson erklärte im Senat, er könne die von den Sozialisten verlangte Militärdienstzeit von vier Monaten nicht bewilligen. Die Frage der Dienstzeit werde von einer besonderen Kommission geprüft. Nach seiner Ansicht sei cine Diensizeit von sechs Monaten nicht genügend.

die Verteilung der

Ftalien.

„Die italienische Regierung hat, wie „Reuter“ erfährt, von der südslawischen Regierung Genugtuung wegen des jüngst erfolgten Angriffs auf ein italienisches Kriegsschiff in Spalato gefordert. Die süd- slawische Regierung hat ihrerseits Genugluung wegen der Niederbrennung des südslawishen Klubs in Triest verlangt.

Polen. Der nationale Verteidigungsrat von Polen hat nach den „Evening News“ beschlossen, Lloyd Georges Vor- schläge, betreffend den Waffenj|tillstand, als erften Schritt eines Friedensshlusses anzunehmen. Einem Telegramm aus Warschau zufolge meldet der polnishe Heeresbericht: Im nördlichen Abschnitt haben die Bolschewisten Smorgon und Oschmjany beseßt. Der Kampf dauert am Oschmjankafluß an. Bolschewistische Angriffe nordösllich von Luzk in der Nichlung nah dem Kniazsee und in der Gegend von Bolow fürd unter bedeutenden Verlusten für den Feind abgeshlagen werden. Die heftigen Angriffe auf Luzk werden fortgeseßt. Jn der Gegend von Dubno greift der Feind unaufhörlich an.

Litaucn. Die: Friedensdelegierten aus Moskau sind vor- gestern in Kowno eingetroffen. Die Hauptpunkte des Vertrages mit Nußland find nach der en Tele- graphenagentur“: Bedingungslose Anerkennung der litauischen

die Serwaltpolitik.

der Städte Molodetschno,

Stakion Nubeln

Grodno, Lida, Swenciany, der ) Auszahlung von drei Millionen Gold, Holzung von 1000000 Desjatinen Wald in Nußland, sofortige Heimschaffung der Gefangenen und Flüchtlinge. Zu Verhandlungen über die Uebergabe von Wilna und anderen litauischen, von russishen Truppen beseßten Gebieten begab sich die Delegation nah Wilna. Die litauishen Truppen find in Wilna eingerückt, von der Be- völkerung mit größter Begeisterung empfangen. Dann folgte rusfische Kavallerie. Der russische Brigadeführer erklärte in einer Ansprache, daß die Russen nicht lange in Wilna bleiben, fondern im Verfolg des Friedensvertrages die Stadt Litauen übergeben würden. Türkei.

Auf die Note, betreffend den türkishen Friedens- vertrag, haben die Alliierten dem Reutershen Büro zufolge eine Antwort erteili, in der es abgelehnt wird, die Be- stimmungen über Thrazien, Smyrna und die syrishe Grenze oder Armenien abzuändern. Bezüglih der Meerengen hahen die Alliierten dahin entschieden, daß der Türkei als Ufermacht das Necht zugestanden werden foll, einen De- legierten im Meerengenausshuß zu ernennen. Sie machen ferner eine Anzahl weniger wichtiger Zugeständnisse, wie Verzicht auf die Bedingung, daß die Türkei den Alliierten alle türtischen Dampfer über 1600 Tonnen abzutreten hat. Die Antwort besagt ferner: „Wenn die Türkei es ablehnt, den Friedenzvertrag zu unterzeichnen, oder nicht imstande ift, in Anatolien ihre Autorität wiederherzustellen, dann werden die Alliierten sich mönlicherweise gezwungen erachten, die für Konstantinopel getroffene Regelung in der Weise abzuändern, daß die Türken ‘endgültig aus Europa vertrieben werden.“ Den Türken wird für die Unterzeichnung eine Frist bis zum 27. Juli zugestanden.

Wie der Konstantinopeler Korrespondent der. „Daily Mail“ meldet, hätten der Sultan und die Mehrheit der Mi- nister sich für die Unterzeichnung des Friedensvertrags aus- gesprochen, der Kronprinz jedoch sei dagegen.

Asien. __ Naqh einer Meldung des „Wolffshen Telegraphenbüros“ ist Emir Fessal in Begleitung des Ministers des Aeußern und anderer Staatsbeamten näch Europa abgereist, um die Unabhängigkeit des vereinigten Syrien innerhalb dessen Grenzen, seine Anerkennung als König und das Recht eigener Vertretungen im Auslande zu erlangen.

_— Der Verwaltungsrat des Libanongebiets, der meist von den Maroniten, die früher die hauptsächlihsten An- hänger der Franzosen waren, gebildet wird, hat nah einer Reutermeldung unter Ablehnung des französischen Mandats die Unabhängigkeit des Libanon erklärt.

Die Verbindungen zwischen Basra und Samarra sind dem Reuterschen Büro zufolge mit Hilfe von Panzerzügen wieder- hergestellt worden, die mit den Schiffen und den Truppen zu- sammen operieren.

Einer Meldung aus Peking vom 14. Juli zufolge ist über Peking der Belagerungszustand erllärt worden. Wie das „Reutershe Büro“ berichtet, ist in Kivanhua am 16. d. M. ein Kampf zwishen den Truppen der feindlichen Parteien ausgebrochen. Verwundete treffen in Peking ein. Die Telegraphen- und Eisenbahnverbindung mit Tientsin ist unterbrochen.

Die englischen Blätter melden aus Peking, die Nachricht daß die auf Grund des Versailler Vertrages an China zurück zuerstattenden, bisher im Park von Sanssouci auf- gestellten astronomishen Jnstrumente auf vem Wege nah China in. Holland eingetroffen seien, habe in Pekinger Negierungskreisen einige Beunruhigung hervorgerufen, da man dort befürchte, daß eine Annahme der Instrumente als Zu- flimmung zum Versailler Vertrag, den China bekanntlih nicht unlerzeichnet hat, ausgelegt werden könnte. Die Negierungs- beamien berufen sih deshalb darauf, daß Deutschland noch vor Abfassung der Versailler Vertragsbestimrnungen aus freien Stücken die Rückgabe der Jnstrumente angeboten habe. Auf dieje Weise hoffe man, sich aus etwaigen Schwierigkeiten heraus- zuziehen. /

Wie die „Agence Havas“ aus Wladiwostok meldet, ist zwischen dem japanischen General Tapananaki und der Negierung von Werhne-Udinsk ein Waffen- stillstand abgeschlossen worden. Der Waffenstillstand dauert vorläufig bis zur Beendigung der zwischen den Par- teien eingeleiteten Verhandlungen. Es wird die Errichtung eins Pufferstaates ins Auge gefaßt.

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Familiennachrichten.

Verklobt: Frau Margrit von Braunschweig mit Hrn. Prosesser

Dr. Paul Reyler (Frankfurt a. O.—Berliu). Frl. Ursula von Westrell mit Hrn. Nittmeister a. D. Adrian Mitter und Edler von Oetinger (Berlin). Frl. Käthe Schmula mit Hrn. Kapitänleutnant Wilhel Frhrn. Harsdorf von Enderndorf (Laurahütte).

Gestorben : Hr. Oberförster Willy Günther (Deutsh-Lissa). Hr. Landgerichtspräsident Geheimer Oberjustizrat Emil Sintenis (Schweidniß). Hr. Kreisarzt Dr. Viltor Malisch (Pleß O. S.)

Verantwortlicher Scriftleiter: Direktor Dr. Ty r ol, Charlcttenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil : Der Vorsteber der Geschäftsstelle J. V.: Mecbnungêrat Meyer in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (J. V.: Meye x) in Berlin. Dru der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt,

Berlin, Wilhelmstraße 32.

Fünf Beilagen (eins{ließlid Vörsenbeilage) und Erste, Zweite, Dritte, Vierte und Fünfte

Zentral-Handelsregister-Beilage. sowie ein Verzeichnis der in der Verioiuug am 8. Fuli 1920 gezogenen, durch die Bekanntmachung dex Sauptverwaltun der Staatsschulden vou 8. Juli 1920 zur l. Januar 1921 zur baren Einlösung gekündigtcn Prioritäts8obligationen VET. Serie, En. Serie Lit. V und AAL. Serie Lit. © 1, und 2, Emisfion der Bergish-Märkischen Eisenbahu-

Unabhängigkeit, Zuerkennung der Hauptstadt Wilna und

gesellschaft,

Die Operationen in Mesopotamien dauern fort. 7

zum Deutschen Reichs

Ir. 158.

Erste Veilage

Verlin, Montag, den 19. Zuli

anzeiger und Preußischen StaatSanzeiger

1920

Nichtamtliches. y (Fortseßung aus dem Hauptblatt.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Avbeitsstreitigkeiten.

Aus dem Reichsarbeitsministerium wird dem Wolffshen Tele- graphenbüro mitgeteilt, daß die Zahl der unterstüßten Er- werbslosen im Neiche, wie das infolge der gangen wirt- schaftlichen Lage zu erwarten war, weiter gewachsen ist. Nach den amtlichen Feststelungen betrug die Zahl. der männlichen Erwerbslosen am 1. Juli 233618, die der weiblihen Grwerbslosen 78 573, also insgesamt 312 191, gegen 296 183 am 15. Juni und 270 673 am 1. Juni. Zu den eigentlichen Erwerbslosen kommen 283 793 Familicn- angehörige, die als Zuschlags8empfänger unterstützt werden. Die Ge- samtzahl der unterstüßten Erwerbslosen entspricht etwa dem Stande vom 12. April d. J. '

Die Arbeiten bei der Berliner Nordsüdbahn sind dur einen Ausstand der Arbeiter ins Stocken geraten, die der „Vossischen Zeitung“ roe stalt 5,40 4 einen Stundenlohn von 6,90 verlangten. Der Magistrat, der' die sämtlichen Arbeiten an Unternehmer in verschiedenen Abschnitten (Losen) vergeben hat, war bereit, die Differenz von 1,10 .46 für die Stunde zu vergüten. Arbeitgeber

: und Arbeiter waren aber mit dieser Regelung nicht einverstanden. Jene

befürchteten, mit erheblichen anderen Mehrausgaben nach Bewilligung dieser Forderung belastet zu werden, diese verlangten Bio, daß die Lohnerhöhung von 1,10 #6 für sämtliche „städtischen Arbeiter bewilligt werden sollte. Die im Hochbau beschäftigten Arbeiter und Unternehmer handelten entgegengesezt. Die Verhältnisse liegen hier au insofern anders, als im Hochbau die sogenannten Ueberteuerungs- zuschüsse Ae greifen und nach Stundenlohn gearbeitet wird, was beim Tiefbau nicht der Fall ist.

Die Hoffnung auf sofortige Wiederaufnahme der Arbeit im Elektrowerk in Golpa, die nah dem günstigen Verlauf der Verhandlungen zwischen den Vertretern des Werks und der Golpaer Arbeiterschaft berechtigt erschien, hat sich der „Bossischen Zeitung“ zufolge leider als trügerisch erwiefen. Bei der vorgestrigen Abstimmung der Belegschaften ist beschlossen worden, den Streik fortzuseßen, bis allgemeine Tarifverhandlungen des mittel- deutshen Braunkohlenreviers, die heute in Halle staltfinden, eine be- friedigende Lösung gefunden haben.

Der Magistrat in Königsberg hat wie „W. T. B.“ meldet, mit der städtischen Arbeiterschaft ein Abkommen getroffen, wonach der Streik heute frühmorgens nach 123 tägiger Dauer be- endet wird.

Der Streik der Straßenbahnangestellten in |

Prag ist gestern nah einer Einigung zwischen dem Verwaltungsrat und den Angestellten beendet worden.

Im österreichischen Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft haben wie „W. T. B." meldet, am Freitag cie Vermittlungs- vérhandlungen zwischen den Land- und Forstarbeitern und den Arbeitgebern Nieder-ODesterreichs La An die Vertrauensmänner erging von der Organisation der Arbeiter die Weisung, die Beschlagnahme der Ernte einzustellen.

Gesundheitswesen, Tierkraukheiten und Absperruugs8- maßregeln.

Gesundheitsstand undGangderVolkskrankheiten (Nach den „Verëffentlihungen des Neichsgesundheitsamts“, Nr. 28 vom 14. Zuli 1920.)

Polen.

DeutscGes Nei. Jn der Woche vom 4. bis 10. Juli wurden 5 Erkrankungen gemeldet, nämlich in Bochum 1, in S ickel (Kreis Gelsenkirdhen, 9Deg.-Bez. Arnsberg) und Bern- kXastel-C u es (Neg.-Bez. Trier) X |

Nachträglich wurden noch mitgeteilt für die Zeit “vom 20. bis 26. Juni 47 Erkrankungen, und zwar in Karf, Shwientod- lowiß je 1, in Miechowiß 17, in Lipine (Kreis Beuthen) und É oidabütte je 2, in Gleiwiß, Zernik, Alt Gleiwib, Nievasch ü (Kreis Gleiwiß) und Hinden burg je 1, in Zalenze, Nosdzin je 3, in Bogut[chÜüß, S oppiniß je 2, in Laurahütte, Friedrihsdorf (Kreis Kattowitz) und Ostrog ie 1, in atibor 4, in Herzogl. Zawada (Kreis Natibor, Neg.-Bez. Oppelu) 2; vom 27. Junt bis 3. Juli 23 Gr- Érankfungen, nämlih in Schwientocchlowi ß (Kreis Beuthen), Breze zeß (Kreis Cosel) je 1, in Gleiwiy 3, in Natibor 4, in Babit, Her; ogl. Zawada (Kreis Natibor), Paruscho- wiß, Loslau (K:eis Rybnik), Mikultschüß (Kreis Tarnowiß) je 1, in Rosdzin4, inSchoppinißtz, 3A enze, Friedrihs- dorf (Kccis Kattowiß, Neg.-Bez. Oppeln), Uelzen (Neg.-Bez. Lünebuxg) und. Gelsenkirchen (Neg.-Bez. Arnsberg) je 1.

Oesterreich. In der Woche vom 20. bis 26. Juni 1 Erkran-

kung in Steiermark. FledLfieber. A DeutsGes Reich. In der Wolße vom 4. bis 10. Juli wurden 2 Eee V oesbitt, und zwar in Schlawe (Neg.- Bez. Köslin) und in Großlübs (Kreis Jerichow T, Reg.-Bez. O je 1; außerdem wurde der Ausbruch von Fleckficber an- gezeigt in 2 erbst (Anhalt). n . Nachträglich wurden für die Wolle vom 27. Juni bis 3. Juli noch 5 Srkrankungen (und 1 Tovesfall) angezeigt, und zwar in Raslin (Kreis Rybnik, Reg.-Bez. Oppeln) 4 (1), in Gatter- d t (Kreis Querfurt, Reg.-Bez. Merseburg) 1. : Oesterreich. In der Woche vom 20. bis 26, Juni 1-Er- Erankung in Wien. i Genidckstarre.

reußen. In der Woche vom 27. Juni bis 3. Juli wurden

6 Er M (und 3 Todesfälle) gemeldet in N Negies-

rungs8bezirken [und Kreisen]: Landespolizei ezirk Berlin

1 (1) [Berlin Stadt], Neg.-Bez. Arnsberg 2 (1) [Gelsenkirden

Stadt 1 (1), Hörde Land 1], Münster [Buer], Trier 1 [Saarbrücken Land], Wiesbaden 1 (1) [Oberwesterwaldkreis].

weiz Vom 20. bis 26. Juni 1 Erkrankung in Basel

S . (Bull. o Eidgen. Gesundheitsamts S. 276). Spinale Kinderlähmung. d iz. Vom 20. bis 26. Juni 1 Erkrankung im Kanton h (Bull d. Éidaen. Gesundheitzamts S. 276). Nuhr.

Preußen. In der Woche vom 27. Juni bis 3. Juli wurden 170 ae (und 12 Todesfälle) gemeldet in folgenden Ne -

j E Lune Kreisen]: Landespolizeibezirk Berlin

4 (2) [Berlin Stadt 11 (2), Berlin-Lichtenberg 3], Reg.-

Bex Allenftein-3 [Rössel]; Arnghexa “4b (4) [Altena 4,

Bochum Land 1, Dortmund Stadt 26, Dortmund Land 3 (1) Gelsenkirchen Stadt 3, Gelsenkirhen Land 6 (3), Hattingen, Herne je 1], Breslau 2 [Neumarkt], Cassel 1 [Frankenberg], Düsseldorf 40 (1) [Cleve, Crefeld Stadt je 1, Düsseldorf Stadt 6, Düsseldorf Land 2, Duisburg 1d Gt Essen Stadt 3, Essen Land 7, Hamborn, Mülheim a. d. N., Neuß Stadt, Oberhausen, Nheydt je 1], Frankfurt 15 8 [Calau 5, Lebus 1, Sorau 7 . 1

(1), Weststernberg, Frankfurt a. e 1], Gumbinnen 1 [Pill- fallen], |L 5 Köln 4 [Köln

N 9 (1) [Göttingen Stadt] [ Stadt], Königsberg 2 [Elbing], Liegnit3 [Bunzlau], Lüne- burg 2 [Harburg Stadt, Lüchow je 1], Minden 1 [Herford Land], Münster 4 [Münster Stadt, Redlinghausen Land je 2], Osnabrück 8 [Meppen], Potsdam 15 (2) Angermünde 3 (1), Potsdam 4 (1), Teltow, Brandenburg je 1, Niederbarnim 6], Trier 2 (1) {Saarbrüten Land], Wiesbaden 3 [Frankfurt a. M. 2, Wiesbaden Stadt 1]; nachträglich für die Woche vom 13. bis 19. Juni: Wiesbaden 2 [Frankfurt a. M.]; für die Woche vom 20. bis 26. Juni: Wiesbaden 2 [Frankfurt a. M.].

Aus den im Neichsgesundheitsamt eingegangenen Mitteilungen sind ferner hervorzuheben:

Pocken: Glasgow 1 Todesfall, Prag und Vororte 2 Er- krankungen; Bißverleßungen durch tollwutver- dächtige Tiere: NReg.-Bezirke Breslau, Hannover je 3; In- fluenza: Berlin, Braunschweig, Regensburg. je 1, Neg.-Bez. Arns- berg 6, Amsterdam 1, Dublin, Glasgow je 2, Kverpool 1, London 7, Prag und Vororte, Stockholm, Wien je 1 Todesfälle, Neg.- Bezirke Düsseldorf 4, Nürnberg 15, Kopenhagen 30, Prag und Vororte 1, Stockholm 2, Wien (6. bis 12. Juni) 22 Erkrankungen; Genidckstarre: Stockholm, Wien je 1 Todesfall, Notterdam (13. bis 19. Juni), Stockholm je 1 Erkrankung; Nuhr: Mecklenburg-Schwerin 1, Sachsen-Weimar- Eisena (13. bis 19. Juni) 1, Wien 4 Todesfälle, Mecklenburg- Schwertn 3, Stuttgart 2, Hessen 9, Sachsen-Weimar-Cisenach (13. bis 19. Juni) 3, (Vorwoche) 4, Braunschweig (Vorwoche) 1, Wien 12 Erkrankungen; Malaria: Neg.-Bez. Aurich 19, Wien 11 Er- krankungen; Krä 8e: Kopenhagen 82 Grkrankfungen; Nahrungs- mittelvergiftung: Neg. - Bezirke Liegniß 6, Schleswig 3 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel Gestorbenen ist an Keuchhu sten verstorben in Berlin-Steglitz. Ferner wurden Erkrankungen ermittelt an Scharlach in Berlin 31, Kopen- hagen 45, Wien 32; an Masern und Nöteln in Nürnberg 23, Hamburg 26, Kopenhagen 30; an Diphtherie und Krupp in Berlin 36, Hamburg 35, Kopenhagen 48, Stockholm 23, Wien 21; au Typhus im Neg.-Bezirk Düsseldorf 30.

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#ck 4 Literatur. _Die Deutsche Schulreform. Ein Handbuch für die Notchss\hulkonferenz. Herausgegeben vom Zenutralinstitut für

Erziehung und Unterricht. Berlin. Verlag Quelle uud Meyer in Leipzig. 1920. 251 —- 68 Seiten. Gebunden 4 30. Das hier vorliegende Handbuch enthält als Vorlagen für die Neichs- \hulkonferenz Berichte über die wichtigsten bei ciner früheren Er- örterung geniahteu Vorschläge und über die verschiedensten Wege zur Lösung der vorliegenden Aufgaben. Das Geleitwort hat der Unter- fiaatsfekretär im Neichsministerium des Innern Heinrich Schulz ver- faßt. Die Hauptgegenstände der Darstellung sind die rechtlicchen Grundlagen der Schulreform, die äußere und die innere Einheit des Unterrichtswesens, die Æhbrer und die Schüler, Elternbeiräte und zum Sckch{luß Gedanken .und Wünsche der Gemeinden in bezug auf die Beteiligung von Neich, Ländern und Gemeinden an der Schul- verwaltung, Schulaufsichht und Schularbeit. Man wird an dieser Stelle kein Eingehen auf die einzelnen Aufsäße erwarten, deren Zahl sich z. B. zu dem Hauptpunkt: Einheit des Unterrichtswesens, auf

sünfzehn beläuft; dahingehende Grörterungen bleiben den Fach- zeitschristen vorbehalten. Auch in den Angaben über die Mit-

arbeiter kann feine Vollständigkeit beabfihtiat fein; hervorgehoben seien nur: Dr. Karl Meinhardt, Wirkl. Geh. Oberregierungsrat (Grundschule, mittleres und höheres Schulwesen sowie tecnijche Vereinheitlihung des Schulwesens im Reiche), Dr. Richard Jahnke, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat , Ministerialdirektor im Ministerium für Wissenschaft, Kunst und VoUsbildung (Schul- gemeinden an höheren Schulen und Elternkeiräte), Professor Dr: Ludwig Pallat, Geheimer Dberregierungsrat (Kunsterziehung), Dr. Thomas Lenschau, Direktor der Staaklichen Augustaschule, Berlin (die deutsche Oberschule), und Dr. Wilhelm Bolle, Realaymnasialdirektor Berlin-Friedrichsfelde (die Leitung der höheren Schulen). Die 68 Seiten des Anhangs enthalten die Leitsäße der Berichterstatter für die Heihss{ulfonferenz. Ueber diese Tagung hinaus, die ja bercits erfolgt ist, behält die Sammlung von Denkschriften ihren Wert als eine Bekundung des ernstlihen Willens, dem Unterricht in allen seinen Verzweigungen neue Bahnen zu weisen. Es ist ähnlih wie vor mehr als hundert Jahren, als Fichte in seiner elften Nede sagte: „Unsere Verfassungen wird man uns macen, unsre Bündnisse und die Anwendung unsrer Streitkräfte wird man uns anzeigen, ein Gesetzbuch wird man uns leiben, felbst Gericht und Urteilsspruc) und die Ausübung derselben wird man uns zuweilen abnehmen, mit diesen Sorgen werden wir auf die nächste Zukunft verschont bleiben. Bloß an die Erziehung hat man nicht gedaht; juchen wir ein Geschäft, so laßt uns dieses ergreifen!“

Der Weg zum Reichs\hulgesez. Von Heinrich Schulz. Unterstaatsfekretär im Reichsministeriuum des Innern. 1920. Verlag von Quelle und Meyer in Leipzig. 195 Seiten. Preis geheftet .# 8, gebunden .46 12. In der Unglückszeit nach 1306 schrieb der spätere Staatsrat v. Beguelin seiner Frau aus Memel (26. Oktober 1907): „Was sagst Du zu den Neuerungen? zu dem Edikt vom 9. Oktober? Nun kommt bald eins wegen des Militärs in eben dem Sinne und wegen der Schulen. Wir überspringen Jahrhunderte.“ Von den beiden Gesetzen, die hier in einem Atem enannt werden, dem Wehr- und dem Sculgesetz, ist das erste, das Wehrgeset, im September 1814 vollzogen und, 1871 vom Reich übernommen, in unseren Tagen tatsächlich außer Kraft geseßt worden. Das andere, das Schulgeseß, ist von dem Geheimen Staatsrat Süvere, einem Schüler Fichtes, am 17. Februar 1813 im Entwurf fertiggestellt und dem König in den Tagen des „Aufruf an mein Volk!“ überreicht worden, nah dem Krieg aber in den Hintergrund getreten und, in der preußishen Verfassung von 1850 von neuem in Aussicht ge- stellt, troßdem nicht zustande gekommen. Es bleibt abzuwarten,

b ei inigung über ein Reichs\{ulgeseß zu erzielen sein wird. Nach Artikel 50 r. 2 der Verfassung Cs 11. R rofe kann ohschu

das Neich für das Schulwesen einschließlich des lwesens und des Dise aftlichen Büchereiwesens im Wege der Gesehgebung Grund- säße aufstellen. Inzwischen hat das Reichsministeriuum des Jnnern noch der verfassunggebenden deutshen Nationalversammlung den Ent- wurf cines „Gesetzes, betreffend die Grundschulen und die Aufhebung der Vorschulen“ vorgelegt. Die Annahme ift erfolgt, uno am 21. April 1920 das Gese verkündet worden. In der vorliegenden Schrift wird nah einer Würdigung der preußischen Vorarbeiten und der Versuche in der achtundvierziger Bewegung die Anrufung des Neiches aus-den Kreisen der Lehrer und der Arbeiter erörtert, weiter

werden Auszüge aus den Reden mitgeteilt, die der Verfasser, damals \fozialdemokratisher Abgeordneter für Ersurt, zur at eines Antrages seiner Partei zur NReichshullommission seit 1912 im Reichstag hielt ; au auf die jedesmaligen Debatten wird eingegangen. Ein Paras A M Reh e enter 2E auf dem Hes um Neichs\hulge/eß liegende Nei ulkonferenz vom Juni diese Wahres L 8 Berfasser als sein Werk betraten. Er schließt mit einem Ausblick ‘auf die Aufgaben, deren Negelung der Zukunft vor- behalten bleibt.

Arbeitcunterriht, Einheits\{chule, Mann- hejmer Schulsystem im Lichte dex ionen Von

Dr. A. Sickinger, Stadtshulrat in Mannheim. 1920. Verlag von Quelle unt Meyer in Leipzig. 125 Seiten. Preis geheftet 4 6. óIn der vorliegenden Schrift entwickelt ein namhafter Pädagoge

beachtenswerte Gedanken vornehmlich über Ausbau und Gliederung der Volksschule durch Hilfs\hulen und Förderklassen auf der einen und Klassen für besonders Begabten auf der anderen Seite. „Nicht allen das Gleiche, sondern jedem das Seine!“ sei die Losung. Die Sch{luß- betrahtung mündet aus in den Saß: „Die deutsche Einheits\chule als die Schule der Menschlichkeit und Gerechtigkeit für Alle wird in ihrem gesamten Aufbau nah dem Grundgedanken des Mannheimer Schulsy\tems differenziert sein oder sie wird, da sich dic Natux nicht \chulmeistern läßt, überhaupt nicht sein.“

Höhere Schule und sechsklassige Grundschulke. Denkschrift, verfaßt im Auftrage des Vorstandes des Sächsischen Philologenvereins von Oberlehrer Kurt K i e ß - Dresden, Oberlehrer

Or. phil. Hans Dat he - Dresden, Prof. Dr. phil. Karl G en the- Chemnit. L20. Verlag E und Meyer in Leipzig. 27 S.

Geh. 2,40 Æ In dieser Denkschrift wird von sachkundiger Seite mit einleuhtenden Gründen dargetan, warum das Gymnasium und die verwandten Schularten, die man zu den höheren Schulen rednet, jede Ausdehnung der Grundshule über die ersten vier Jahre hinaus, soweit es an ihnen liegt, ablehnen müssen. Es wird darauf hin- gewiesen, wie es auch sonst von berufener Seite geschehen ist, welche Volkskraft verloren gehe, wenn der Schüler, der. nah seinem geistigen Zuschnitt zum dereinstigen Universitätsbesuh bestimmt ist, erst mit 23wölf Jahren auf wissens{aftlihe Arbeiten feelis{ eingestellt wird. Es bleibe dabei: in dem vielgestaltigen Leben „stehen höhere Squle, YVolksbildung, Volkswohlstand, Weltgeltungckim innigsten Zusammen- hang“. Man zerschlage niht um eines Schlagworts willen. „Man fordere die gesunoe Eigenentwicklung der höheren Schule !“

Bautvesen. Die Vorurteikle gegen die Lehmbauweise, die

| unberetigterweise noh vielerorts bestehen, werden von interesfierter

Seite dadurch genährt, daß ungeprüfte Nachrichten über Vißerfolge im Lehmbau verbreitet werden. Mehrfach waren in der legten Zeit in den Zeitungen Mitteilungen zu lesen über Unfälle, die bet ten Lelunlauten in Görliß vorgekommen sein sollen. Wie si jeßt auf Grund der behördlicherseits angeordneten UntersuWßungen heraus- gestellt hat, handelt es sich um ganz belanglose Mißerfolge, die thren Grund in der mangelhaften Vorbildung der beteiligten Unter- nehmer und Arbeiter und in der Ungunst der Witterung während der Bauzeit hatten. Zurzeit sind zwei Siedlungen in Görliß im Bau, die in ungebranntem Lehm ausgeführt werden, und zwar zie Sicdklung der gemeinnüßigen Heimstättengenossenschaft, die im Herbst 1919 begonnen wurde, und die Siedlung der Görlißer Baugemein- schaft, dereu Wshnbauten nach Entwürfen des Magistrats în un- gebranntem Maschinenstein ausgeführt werden. Bei den Änfangs- versuchen der von der gemeinnüßigen Heimstättengenossenschaft im Stampfbau ausgeführten Siedlung haben sih Schäten gezeigt, dic haupt\äahli auf das vorzeitige Cinsetzen starker Sqchneefälle zurü- zuführen sind. Durch die eindringende Nässe wurden einzelne Wand- teile aufgeweicht, fo daß sie zum Teil umgelegt werden mußten. Bri den Siedlungsbauten des Magistrats baben sich Schäden bisher überhaupt nicht gezeigt. Die übelmeinenden Berichte in der Tages- presse, die von Vecschleuderung von Kapital und Arbeit bei den Görlißer Lehmbauten sprechen, A fen enauer Prüfung nicht Stand und entspred)en in keiner Weise dec Wahrheit. Die Erfabrung zeigt alle:dings, daß die Lehmbautechnik dringend sacgemäßer Ausführung bedarf, wenn Mißerfolge vermieden werden follen. Vm die alte Veberlieferung zu erneuern, werden mit Förderung des Ministers für Volkswohlfahrt an verschiedenen Stellen Lehr- «und Versuchsstellen Jür Naturbauweisen einçcerihtet, in denen Handwerkec und Stampf- meister in dex alten Technik ausgebildet werden.

Verkehrswesen.

Zu der kürzlich) verbreiteten Nachricht über eine G rleicch terung der Beschaffung des einmaligen Fernsprecs- beitrags teilt das Reichspostministeriuum folgende Einzelheiten mit. Der Beitrag is, wenn der Teilnehmer ihn nicht in einer Summe bezahlen will, in vierteljährlichen Teilzahlungen zu ent- richten, die am 1. Oktober 1920, 2. Januar, 1. April und 1. Juli 1921 fällig sind, und zwar durch Ueberweisung oder durch Cin- zahlung (mittels Zahlkarte) auf ein besonderes Postshecktonto; die Nummer des Kontos wird seinerzeit mitgeteilt werden. Die Hingabe von Kriegsanleihen oder anderen Wertpapieren an Zahlungs|statt ist nicht zugelassen. Auf Antrag der Teilnehmer können, wenn ein wiri- [chaftlihes Bedürfnis vorliegt, au geringere Teilzahlungen gewährt werden ; der niedrigste Betrag ist 100 .# für einen Hauptanschluf: und 50 4 für einen Nebenanschluß. Da der Beitrag erst von dem auf die Einzahlung folgenden Monat an verzinst wird, empfiehlt ih, daß die Teilnehmer, um Zinsverluste zu vermeiden, die fälligen Beiträge {hon ain Ende des vorhergehenden Monats Laablea Die Zinsen werden den Teilnehmern in der leßten Hâlfte des März jedes Iaghres vergütet. Eine eng gegen die fälligen Gebühren ist nicht in Ausficht genommen. Die Zinsbeträge unterliegen der Kapitalertragssteuer, soweit niht nah § 3 des Pa Fe age ate efreiung_ eintritt. Nah der Voll- ahlung des Beitrags erhält der Teilnehmer einen Empfangs- {Fein Ds hat nicht die Saa einer auf den Inhaber [autenden Schuldverschreibung. Will daher der Teilnehmer seine Forderung gegen die Telegraphenverwaltung einem Dritten ab- treten, so genügt es nicht, wenn er ihm nur den Empfangsschein übergibt; die Abtretung muß vielmehr in rechtsgültiger Form der Telegraphenverwaltung mitgeteilt werden. Die Zinsen werden daun, soweit nie zusammen mit der Kapitalforderung abgetreten find, an den Dritten ane, Ebenso wird diesem bei der Aufhebung des An- {hlusses der Beitrag zurückgegeben. Will ein Teilnehmer den Beitrag nicht selbst entrihten, au die Deutsche Volksversicherung nicht in Anspruch nehmen, ist aber eine Bank, Sparkasse usw. bereit, ihm das

Geld gegen Oa der Forderung vorzustrecken, fo muß das bei der ags une Ausdruck gebracht werden. Der Beitrag wird nebst den fälligen Zinsen am

Schlusse des Kalendervierteljahrs zurückgezahlt, in dem der Anschluß ausgehoben wird. Zu der Beschaffung des cinmaligen Beitrags von der Deutschen Volksversicherung wird noch folgendes bemerkt: Die Erleichterung soll den Teilnehmern zugute kommen, welche den Bei- trag nit selbst oder durch Sparkassen oder sonst wie lethweise auf- bringen können oder welche die Mittel ihrem Betriebe nicht entziehen