1920 / 165 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 27 Jul 1920 18:00:01 GMT) scan diff

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zeit, bei den reduzierten Förperlihen Kräften, bei der scelischen Er- |

mattung noch in größerem Umfange Arbeit zu leisten, als es bisber geschehen ift. -Um so erfreulicher und wichtiger ist, was si in Bochum ereignet hat. Die Bergarbeiterschaft ist \sich der Schwere, der Höhe ihrer Ausgabe bewußt und hat dort in kraftvoller Entschließung ihren vaterländisWen Sinn bekundet. (Lebhaftes Bravo.) Wir sind dieser Kundgebung von seiten der Bergarbeiterschaft mit hoher Genugtuung gefolgt und haben für sie nur Worte hoher Anerkennung. (Erneutes Bravo.) Wir müssen dafür sorgen, daß die bergarbeitende Bevölkerung in den Stand geseßt wird, dur Verbesserung der Ernährung, der Bekleidung, der Wohnungsverhältnisse ihren schwierigen Arbeiten nach- zukommen. (Sehr richtig !)

Wir anerkennen au gern diè große Arbeit, die s{chwierige Lage der Arbeiter im Transportgewerbe und begrüßen dankbar, was in dieser Beziehung in dem Neichswirtschaftsrat eia Vertreter dieses Transyortgewerbes salgemäß vorgetragen hat. Auch an sie wird eine große Arbeit herantreten.

Ueberall im Neicße wird es nötig fein, unsere Bevölkerung zu belehren, aufzuklären und nah allen Seiten hin folhe Einrichtungen durch Umstellung von Organisationen, durch Sparsamkeit im Koßhlen- verbrauch zu treffen, daß wir mit der Möglichkeit der Erfüllung der harten Bedingungen von Spaa rechnen können.

Metne Damen und Herren! Einem kraftvollen Volke ift bei Anspaúnung der äußersten Kräfte au) das unmöglich Scheinende hon möglih geworden. Jeßt hat cs das deutsche Volk in der Hand, zu zeigen, welch große körperliche, geistige und moralische Kraft trotz der sechsjährigen Zerstörung und Zermürbung auch heute noch in unserem Volke steckt. (Lebhafter Beifall.)

Reichsminister Dr, Simons: Meine Damen und Herren! Das Auswärtige Amt hat auf meine Anordaung eine Denkschrift aus- gearbeitet, die Ihnen vorliegt, die Ihnen der Herr Reichskanzler zum Studium der Frage zu Händen gegeben hat. Jch darf kurz auf ihren Inhalt eingehen.

Die Denkschrift hat zunächst in kurzer Form eine Einleitung über das Zustandekommen und den Verlauf der Verhandlungen in Sipaa gegeben. Sie finden als Anlage 1 zu dieser Einleitung die Einladung, die zu de: Konferenz ergangen ist, und als Anlage 2 die Liste der Mitglicher der Konferenz, Sie werden in dieser Liste schen, daß von den 5 Hauptmächten, die nah dem Friedensvertrag von Versailles die Gesamtheit der uns ehemals feindlih gewesenen Skaaten vertreten, cine Hauptmacht, nämlich die Vereinigten Staaten von Amerika, fehlt. Dann sind die militärishen Fragen eingehend erörtert und dazu die Anlagen 3 bis 8 beigefügt. Urkunden, die während der Verhandlungen in Spaa Gegenstand der Debatte gewesen sind, Die KriegssMuldigen- frage hat sich in Spaa relativ {nell erledigen lassen; es ist eine Purze Anlage dazu gegeben.

Der wichtigste und schwierigste Teil der Verhandlungen betraf die Kohleitfrage, zu der niht weniger als 12 Anlagen gegeben werden, Die große Zahl vieser Anlagen erklärt sich daraus, daß wir ja eigent- li mehr s{riftlich als mündlich verhandellen und daher unsere Vor- {läge und Gegenvorschläge uns gegenseitig aushändigten. Fn diese Anklagen sind auh zwei Wiedergaben mündlicher Acußerungen über- «ommen, nämlich der gutachtli{en Aeußerungen unserer beiden Hohlensalverständigen Herrn Stinnes und Herrn Hue. Diese Acußerungen sind nur im Auszug gegeben, nämlih nur in sofern sie fich auf die Kohlenfrage bezogen; einige weniger mehr politiscbe Säße sind mit Nücksicht auf den Charakter der Anlagen als Erperten- gufachten fallen gelassen.

Dann ist das mitgeteilt, was über die Wiedergutmahung zu sagen war, die ja, wie Sie wissen, einer späteren Konferenz vor- vchalten wird. Endlich ist noch die Ernährungsfrage behandelt, die von Anfang der Konferenz an im Mittelpunkt der Erwägungen sämt- licher Delegationen stand und auch binnen kurzem Gegenstand weiterer kommissarisGer Beratungen werden wird.

Jh möchte bei dieser Gelegenheit eine Lüe ausfüllen, die man in der Denkschrift finden kann. Die Denkschrift enthält nicht die Liste der bei den Verhandlungèn in Spaa zugezogenen Sachber- ständigen, Jch darf mir vielleicht erlauben, ücIhnen diese Liste mündli vorzutragen. Jch: bitte den Herra Präsidenten, mir die Ablesung zu gestatten. Außer dem Reichskohlenkommissar und seinen Hilfskräflen waren als Sachverständige zugezogen: Geheimer Kommer- zicnrat Eduard Arnhold, Geheimer Bergrat Hilger, Direktor Lübsen, Dr. Karl Melchior, Geheimer Regierungsrat Dr. Otto Wiedfeldt, Dr. Waliher Rathenau, Direktor der Deutshen Bank Georg v. Strauß, Direktor der Disconto-Gesellschaft Franz Urbig, Prof. Dr. Bonn, Direkior Hans Kraemer und die Neichstagsabgeordneten Hugo Stinnes, Bernhard Dernburg, Otto Hue, Heinrich Pieper und Heinrih Jmbush. Jch nehme die Gelegenheit wahr, um den Sach- verständigen im Namen der Reichsregierung für ihre bingebende, auf- reibende, ihr Gewissen und ihre Kraft schwer bclastende Aufgabe in Spaa den herzlihsten Dank auszusprechen, (Bravo!) Denselben Dank darf i auch den Beamten aussprechen, die den Delegierten bei ihrer sweren Arbeit zur Seite gestanden haben. Jd sage diesen Dank nicht für das Ergebnis, das sie erzielt haben, sondern für die Mühe, die sie sich gegeben haben. -

Für die Erg:bnisse von Sipaa sind die Minister verantworllich, die zugegen waren. Für sie ist niht ein Dank fällig, sondern ein Urteil

von Ihnen, meine Damen und Herren. Das Kabinett hat die Ent-

s{ließtmgen der Delegation in Sipaa gebilligt und ist in der Folge für das, was Hier zu vertreten ist, solidarisch. Jh bitte Sie deshalb, nicht dana zu forschen, was die einzelnen Mitglieder in Sipaa eiwa für Voten abgegeben haben, niht danah zu horen, ob der eine oder der andere vielleidt Nüdktrittsgedanken hatte. Nein: solange es gilt, das Ergebnis von Sipaa hier bor Ihnen zu bvertreten, steht einer für alle und alle für einen. (Bravo! Zurufe bei den Unabhängigen Sogicil- demokraten: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren! Der Herr Reichskanzler hat die allgemeinen Linien der Lage bereits gezogen und den Mitarbeitern, die mit ihm in Spaa gewesen sind, überlassen, Eingelheilen vorzu- tragen. Dennoch fühle ih mich verpflichte, nicht nur von Einzol- beiten zu sprechen, sondern auf die leitenden Gedanken. der Außen- politik einzugehen, die in Sipaa von mir vertieten worden ist, weil Spaa nicht ohne Versailles denkbar ift, und weil Spaa für die Fort- führung der deutshen Politik künftig maßgebend sein wird. Lassen Sie mi also meine allgemeine Stellung zum Friedensvertrag klar- legen und Ihnen cinen Ueberblick über die Beziehungen zu den Mächten geben, wie sie si in Spaa und nach Sþpaa entwickeltent u.

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Für uns war die Konferenz von Spa ein Ringen mit der Gutente um die vier Punkte der Tagesordnung, die uns angingen, für die Entente war es viel mehr: für die Entente war es ein schiweres Verhandeln unter si, ein Kempf um die Beute von Versailles und gleidzeitig um die Lösung der schwierigsten und verwideltsten Probleme der großen Weltpolitik, namentlih der Ostfragen. Es ist uns wohHk vorackommen, daß, wenn wir zu einer Verhandlung nah Lasfraincuse herunter kamen, die Tische noch vell waren von dem Nest der emsigen Verhandlungen, die ohne unser Zutun über Ostfragen und ähnliches zwisen den Alliterten gehalten worden sind. Deêwegen ift es fals, wenn wir die gange Konfereng von Sspaa zu sehr unter dem deutschen Gesichtspunkt betrachten. (Sehr gut! bei den Deutshen Demokraten.) Immerhin sieht aber alles, was die Entente in Sipaa unter sih ver- handelt hat, im Zusammenhange mit der Ausführung des Frieden®- vertrags, und ta möchte 1h folgendes sagen:

Der Friedenêsverirag von Versailles is in Deutschland im un- zähligen Ausgaben verbreitet; Deutschland hat den Waffenstillstand und dew Friedensvertrag von Versailles son jebt in Leistungen erfüllt die unerhört groß sind und über alles hinausgehen, was bisher jemals cin Volk auf Grund eines Friedensvertrages einem anderen Volk oder anderen Völkern geleistet bat. (Lebhafte Rufe: Hört, hört!) Wir Haben diese Leistungen ausammenggstellt, aber bisher uoch nicht in die Oeffen!ichkeit gebraht. Es wird eine Zeit kommen, wo wir es tun müssen, DennochG möchte ih sagen: der Friedensvertrag von Versailles ist in Deutschland noch nicht bekannt (lebhafte Zustimmung), und der Friedenêvertrag ist in Deutschland noch niht im rihtigen Sinne ausgeführt worden. (Erneute Zusbimmung.)

Ih habe in den leßten dreiviertel Jahren in Deutschland eine große Anzahl von Vorträgen über verschiedene Gebiete des Friedens- vertrages gehalten und immer diefele Erfahrung gemacht. Meine Zuhörerschaft, die sich aus unterrichteten, politis orientierten Véännern und Frauen zusammersehßte, war nach meinen Vorträgen vollkommen ersckuüttert über den Inhalt dessen, was ih fagte. Sie hatten nie ge- wußt, daß der Friedensvertrag derartige Bestimmungen enthielt. (Hört, hört! rechts.) Es ist ihnen unfaßlich gewesen, wie man einem Volke solces zuanuten konnte, und deshalb it, glaube ich, in Deutsch- sand nach Versailles der Gemütszustand eingetreten, daß man den Frieden nit ernst genommen hat. Keiner hat geglaubt, daß man das überhaupt würde ausführen können, was man in der Not, um endli zum Frieden zu gelangen, und weil man des Krieges satt und über- drüssig war, untershricb und ratifizierte. Aber, meine Damen und Herren, unsere Gegner nehmen den Friedensertrag von Versailles außerordentlih ernst! Das ist uns in Sipaa wieder sehr lar und deutlich geworden.

Wenn ich also dem Herrn Reichskanzler geraten habe, als Grund- lage für die Politik, die er in seiner programmatischen Erklärung vor diesem hohen Hause angekündigt hat, den Friedensvertrag und dessen Ausführung innerhalb der Grenzen des Müöglichen zu nehmen, so habe ih gewußt, was ih tat. Wahelich: es wäre mir licber gewesen, die Urkunde wäre nicht unterschrieben worden! Aber jeßt, wo wir es getan haben, hat es feinen Zwed, über Gewallfrieden und Schmachsrieden wehe zu schreien; denn je mehr wir „Schmafrieden“ sagen, desto größer wird der Vorwurf gegen uns felbst. (Lebhafte Zustimmung bei den Deutschnationalen.) Jeßt beißt es, meine Damen und Herren, die Zähne gusammenbeißen und nicht den Mund auftun, sondern den Arm rühren! (Lebhafte Rufe: Sehr gut!)

Der Vorsaß zur Erfüllung des Friedensvertrages bedeutet aber nit, daß man ihm innerlich zustimmt. Es liegt in diesem Friedens- vertrage eine Anzah! von angeborenen Mängeln,

Erstens: Der Friede ist ohne jede Mitwirkung des deutschen Geistes gesclossen worden, wenn nicht etwa die Anleihen als solche Mitwirkung bezeichnet werden sollen, die die Verfasser des Friedens- vertrages bei dem fo viel geshmähten Frieden bon Brest-Litorosk gemacht haben. Daher ist dieser Friede in vielen Punkten un- praktisch und meiner Ansicht nach nicht ausführbar; wenn wir ihn durchzuführen versuchen, wird sich herausstellen, wo er aufhört, ausfüßr- bar zu sein.

Zweitens ist der Friedensvertrag gefaßt worden ohne genügende Berüfsißtigung des Vorvertrages, den Deutschland mit den allierten und assoziierten Möchten am 5, November 1918 gesclossen hat. (Sehr rihtig) Er ist deshalb uinnerlih rüdlsihtelos gegen unverjöhrbare Nechte, die im Vorvertrage stipuliert worden waren.

Drittens ist der Friedensertrag einseitig abgefoßt als Sitraf- urleil gegen ein allein s{uldiges Volk. Wir dagegen sind der Meinung, daß wir wohl mitschuldig sind, aber nicht allein schuldig. Wir erkennen unsere Gegner als Sieger an, aber niht als Richter. (Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren! Gegen das Urteil, das über uns gefällt ist, und dem wir uns durch unsere Unterschrift unter- worfen haben, gibt es keinen Appell an eine'irdisGe Instanz. Wir müssen warten, bis eine Instanz, die höher ist dls die Macht der- jenigen, die das Nichischwert führen, in der Weltgeschichte ihr Urteïs abgeben wird. (Erneute Zustimmung) Aber die Leistungen, die uns das Urteil auferlegh, wollen wir so gut ausführen, wie wir es irgend können.

Wenn man in diesem Geiste herantritt an den Friedensverirag von Versailles, so wird man beim Studium erkennen müssen, daß wir hier ein gewaltiges Werk menschlichen Scharfsinns vor uns haben. Es ist ganz richtig, was die Botschafter Frankreichs und Gnglands bei der Ueberreichung ihres Beglaubigungsschreibens vor dem Neich8präsidentew gesagt haben, daß der Friedensvertrag von Versailles die Basis der fünftigen Arbeit Europas sein müßte. Er enthält tatsächlich Ziele und Wege, die zwar jeht sich einseitig gegen Deutschland richten, die aber, allgemein angenommen und ausgebaut, ein neues solidarisches Eurcpa schaffen können. Sie enthalten Grundsäße für internationalles Handels- recht und internationale Handelsspraxis, Grundsähe für die inter- nationale Verwertung von Verkehr&wegen, Grundsähe für ein inter- nationales Arbeitsreht, die in die Zukunft weisen und die fruchibar gemacht werden können. Deshalb ist es unsere Ausgabe, das Bestêé aus dem Instrument zu machen, was uns zu tun übrig bleibt,

Es ist vielleicht nicht ganz ohne Wert, wonn die furhtbare Arbeit, die wir hinter diese Aufgabe schen missen, manche Kreise in Deutsch- land tazu zwingt, größere Sparsamkeit, wweweren Fleiß und enevgischere geistige Vertiefung zu ihrem Leilstern zu machen, (Sehr richtig!) Meine Damen und Herren, unter diesem Gesichtspunkte ist die deutsche Delegation na Spaa gefahren. Einen Erfolg im Sinne diplomatischer Lorbeeren Gciben wir nicht erwartet und nit hoimagdbradt, Wir haben uns nit doduvch irre machen lassen daß in dor ersten Sibung die

Dellecalionen ter antoren Staaten uns keinen Gruß annten, uns G nicht vorgestellt baben (Lebhafte Rufe: Hört, hört!), und daß fie uns nur, behandelt haben als Mundstücke, aber nicht as Menschen. Wür boben uns dadur nit irre maden lassen, baß in den ersten Tagen kein Verkelbr zwischen den Delegationen aewünsdt wurde. Wir haben uns gcfveut, als diese Formen tes Verk:hrs mit tem verunteilten Volke.im Laufe der Zeit anders wurden, Wir haben uns bestrebt, verhängte Stmfen abzuwenden oder bo zu mildern. Ob und inwieweit das ge- lungen ist, stebt, meine Damen und Herven zu Ihrer Entscheidung.

Will man obwoägen, wer von dieser Konferen in Sipaa dew Erfolg davon getragen hat, fo möchte i mid dabin auésprechen: der Sieger von Saa ist der französische Ministerpräsident Herr Millerand. Er hat si hingestellt als der Vollstuecker eines Rechlstitels, er Hat diefen Nechtstitel bis zu einem gewissen Grade zur Vollstreckung gebracht; er hat von Deutsdlland ein festes Ancrkenmtnis über die zu vollsbreckende Forderung errungen, und er hat von feinen Aliiervew Zustimmung er- langt für etwas, was ihm biéher fehlte, nämli für den Anspru, in deutsdes Gebiet einzurüden, und er hat taturd ein Vollstredungemittal an die Hand bekommen. (Sehr richtig! bei den Negierungspartcien.)

Meine Damen und Herren, den Recbtstitel haben wir anerkannt. Jh habe es ausdrüdlih getan nah meiner besten vólkerrehtlichen Ueberzeugung, und zwar in Formen des französischen Mechis, die dem Herrn Ministerpräsidenkem Milloxmb gelläufig waren, und die er in seiner Nede vor der französischen Kammer wieder angewandt hat, Die Leisbuma, die Frankreich davon geiragen brit, ift fest beziffert. Monatlich betommt Frankrei allcim für sit 14 Millionen Tonnen Kolillen, dazu fann es ohnehin bie Caargruben auébeuten und fängt überdies an, die Förderung aus seinen eigenen Kehlenguuben ständig zu vevmehven, Herr Ministerpräistdent Millevand hat über die relative Balieferung von Douwtscbland und Frankreich mit Kohle Zahlen veröffentlicht, die von unseren Sachverständigen amgefochiten sind. Jch selbst babe vor furzem in cinem teŒmischen Blatte, dos miv zuaing es ist die „Durenzeitung“ einen sehæ interessanbew Artikel über die franzosifihe Kohlenbeliche- rung gefunden, der au mit den Zahlen Millerands nicht übereinstimmt, und ber zeigt, daß die Kohlenförderung in Frankreich und die Kohlen- belicferung dort besser wird. Was aber meiner Ansicht nah besonders wiGtig ist, das ist, daß Herr Millevand niclit berücsi{tiat het, wie sehr dio französische Industrie im der lebten Zeit ihre Produkiion Hat steigern fonnen, Wir baben darüber von amtlider Stelle äußerst interessante Zolle belommen, bon benen id Ihnen doch einiges mitteilen mödhte.

Dieser Berichib, der miv vorgestern vorgelegt wurde, acigt bei dev Ausfuhr eine Zunahme und einen Wielderaufisckwung der Industvie Fraukrcids in folgenden Sisferm: Auéfuhr von Fabrikaten: Metalle bialbei sind wohl aub geförderte Erze im Jalwe 1914 22 Mil- lionen Fuancs, im Jahre 1919 8 Millionen Francs, im Iklhre 1920 952 Millionen Francs; Gewebe: im Jahre 1914 330 Millionen Francs, im Jahve 1919 325 Millionen Francs, im albe 1920 784 Millionen Francs (hört hört! bei den D. D.) bas bezieht sich alles auf die vier erften Monate —, chemische Waren im Jahren 1914 70 Millionen Francs, im Jahre 1919 67 Millionen Fyancs, üm Sale 1920 366 Millionen Francs. So geht es entsprechend weiter. Dos sind Zifform aus eimen svanzösisen Finangblatk,

Der Herr Reichskanzler hat son arauf bingewicsen, wie das nmmnmehr von den Alliterbem amerkannte Vollstrelunasmittel der Okku« valbion für bie Roblenforbemng Fuamfreidhs auf Deutsdiland wirken würde. Es ift und bleibt in unseren Augen ein Gewaltakt, und wir baben das der Konferenz im Sipaa milt aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Gicherlich würden bie Folgen bes Einrückens für Deutsh- land sehr swer seim. Die franzosen oder die Alliievtbewr will ih agen würden nah Ansicht unsorew Sachverständigen die 2 Milz lionen Tonnen Keblen aus dem Gruben der Ruhe Gerguswirtsdzaften fönnen. Was aber ous'den anderen 7 Millionen Tonnen wind, die man biéher daneben herausgewirtshaftet, ift fehr awcifelbaft, Denn es ift imymelflbaft, daß mit dem Ginmarsd ber allitertem Truppen Cabotage, Generallstreif, Vergrämung der gesamten Biergarbeiltersichaft und schwere Ausschreitungen unvermeidlich verbunden simd. Gim Vergehen nicht nao an Deutschland, sondern an qonz Europa ist es, wenn man diesen Schatz an Naturaabew im olcher Weise in Gefahr brinaen würde. (Sehr ridtig! bei den Regienungeparbeien.) Deébhalb ift es meiner Ansiht nad ganz vichtia, wenn ber italienisde Mimister dex Außern Graf Sforza bei seiner Nede im italienishen Parlament gesagt hat, unter allen Umstärden wäre eime Besetzung dies Nulhrgebictes ein Sprung ins Dunklile gewesen. Desweaen war es uns klar, daß die Alliterien diesen Sprung ins Dunkle sehr unaom getan hätten; aber es jst uns auch klar gewesen, baß sie ihn getan hätten, wenn wir nein sagien; ih habe damn gar feinen Sweifell umd ih umtorsdeibe mi darin von einigen Sachverständigen, die nichl die Mittel hatten, sich zu über- zeugen, wie ih. Auch hier darf ih mich wieder berufen auf persönliche Mitteilungen des Grafen Sforza, der in dieser Hinsicht ebenso leyakl gegenüber seinen AUliierten wie gegenüber seinen Geaneon gesagt hat, es wäre unzweifelhaft, bdoß, wem wir midt zustimmen, vieler Einmarsch erfolgen würde. i

Und das ist meiner Ansicht nah der größte Erfolg des Minister- präsidenten Millerand, daß es ihm gelungen ist, dieses sein eigenes Vollstreckungsmittel nicht anzuwenden zu brauen. Jh verstehe, daß Herr Millerand über unsere Weigerung, uns auf die Drohung einzulassen und sie mit zu unterschreiben, wenig erfreut gewesen ift. Jh bedauere, daß er nach einer Anzahl von Besprechungen, in denen er ebenso klar und rüdhaltlos wie höflich und formgerecht gegew uns geredet hat, uns zum Schluß wiederum den Gruß verweigerte. (Hört! hört!) Jch bedauere das umsomehr, als. Deutschland und Frankreich bei der Ausführung des Friedens mehr als andere Länder aufeinander angewiesen sind, und ‘deshalb habe ih es uh begrüßt, daß uns die franzöfishe Regierung tin der Person des Botschafters Laurent einen Mann hier nah Berlin geschickt hat, dessen ganzes Bestreben, wie ih sicher überzeugt bin, dahin gehen wird, cine reirt- schaftliche Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland zum Zwecke der Durhführung des Friedensvertraces herbeizuführen. (Be- wegung rets.)

Meine Damen und Herren! Diese wirtschaftlihe Annäherung fönnte allerdings durch gewisse Zwischenfälle sehr unangenehm unterbrohen werden, und auf diese bedauerlihen Zwischenfälle, die in Spaa schon uns schwer belastet haben und nah Spaa weiter bez lasten können, muß i deswegen. mit einigen Worten eingeben.

Ich komme dabei zuerst auf die Flaggenfrage. Sie wissen, daß die franzosishe Botschaft auf Weisung ihrer Regierung an dem französishen Nationalfeiertage, dem 14. Juli, auf der Botschaft die französische Trikolore zu hissen veranlaßt war. Sie wissen, daß die

se Botschaft in dankenSwerker Vorsicht von diesem bebor- den Akt der deutschen Negierung durch das Auswärtige Amt Ken: 5 gegeben hat, Das Auswärtige Amt hat das hiesige Volizeipräsidium seinerseits in Kenntnis gescßt. Dur eine Ver- ettung von Umständen, über deren Zusammenhang ih mich hier nit äußern will, ist es nit gelungen, eine Beschimpfung der französischen Fahne zu vermeiden. Am 15, Juli wurde mir das teleßraphisch von Berlin gemeldet, gleichzeitig mit der Forderung der französischen Botschaft nah Genugtuung. JIch prüfte die cinzelnen Punkte der Forderung der französishen Botschaft sie waren meiner Ansicht ah bôlterrehilih alle begründet. Jch Habe deswegen dem Herrn

M.

ReiMsfanzler geraten, sie unverzüglich zu erfüllen. Zum Beweise dafür, daß sie begründet waren, darf ih mi viel- leicht auf einige Vorgänge beziehen, bei denen wir selbst {hon früher

betciligt gewesen find. Jch will von der aktiven und passiven Seite der Beteiligung nur je einen markanten Fall hervorheben. Wir hatten während des Welitkrieges von einem spanishen Schiff, das im Umkreis des englischen Seegebiets innerhalb der verbotenen Zone bon cinem deutschen Untierseeboot versenkt worden war, die spanische Flagge berunterçcenommen und in das Untersecboot und später in die Verwahrung der Marine gebracht, Die spanishe Regierung hielt das nit für die angemessene Art der Behandlung der spanischen Flacge. Wir haben das nach Prüfung der Sachlage zugcben müssen, und wir Haben die Fahne unter Erweisung militärisher Ehren durch Marinemannschaflen wieder in die Hand des spanischen Botschafters

zurückgegeben, und zwar unter gleichzeitiger Abordnung eines Offizier- |

tommandos, das die Flagge übergab.

Passiv ist die Salo fo gewesen: vor einiger Zeit hatte in einem Streit zwischen Negierungsltruppen und Aufständischen in dem süd- amerikanischen Staate Kolumbien eine Anzahl von NRegierungs- truppen die deutsche Fahne vom deutschen Konsulat in Honda her- untergerissen und mit Füßen getreten. (Zurufe von den Deutsch- nationalen: Waren die auch gereizt?)

Wie weit die Betreffenden gereizt waren, kann ih nit sagen. Sie haben wahrscheinlih doch irgendwie von dem Konsulat ange- nommen, daß es mit den Aufständischer: sympathisiert hätte; sonst würden fie das sc{werlih getan haben. Aber das weiß ih niht. Icdenfalls haben wir sofort Genugtuung verlangt, und die Genug- luung ist uns von dem kolumbischen Staat dadur gegeben worden, daß ein ganzes Bataillon Honneurs vor unserer Fahne gemacht hat,

Fahne auf dem deutschen Konsulat beteiligt hat. Wir haben übrigens ähnlihe Fälle auch anders erledigt, wenn es sich bloß um private Flaggen auf deutshen Häusern, deutshen Hotels in der Ferne ge- handelt hat. Wir haben auch gelegentlih einmal Angriffe auf deutsche Konsulatswappen mit einer weniger s{arfen Genugiuung durchgehen lassen, Die Haltung der früheren deutshen Regierung ist hier keine klare gewesen.

íSedenfalls, als ih am 15. Juli die Mitteilung bekam und die Forderung gugab, war ‘es mein fester Entschluß, aus diesem Vorgang ein Beispiel zu machen; venn ih sagte mir: es ist sehr viel wahr- \heinliher, daß in den nädsten Jahren eine deutsche Fahne in einem ehemaligen feindliden Lande \chlecht behandelt wird als eine fremde Fahne in Deuschland. © (Sehr rihtig! bei den Negierungsparteien. +— Sutufe von den Deutschnationalen.) Wenn eine deutsche Fahne in einem fremden Lande so behandelt wird wie hier die französische durch einen Deutschen, einen Toren, dann würde ih genau dieselbe Genugthuung verlangen, die ich Frankreih gegeben habe (sehr richtig! bei den Negierungsparteien; Zurufe bei den Deutschnationalen), und mit dem Land, das mir diese Genughuung nicht geben würde, würden die Beziehungen abzubrechen sein. (Erneute Zurufe von den Deutsch- nationalen.) Meine Damen und Herren! Leder ist dieser Plan ge- \Gädigt worden dur die Act und Weise, wie die Genugtuung gegeben worden ist; denn ih fürchte sehr: wenn wir künftig eine entsprechende

| Genugtuung für unsere Fahne verlangen, dann wird sie von einer

Truppe gegeben werden, die in sclechte Montur gekleidet ist, die die Müßte auf dem Kopfe hat und das Gewehr nur {chultert (hört, Hört! bei den Negiervngsparteien), und die beim Algiehen bon dem He tref- fenden Amtsgebäude ihre Nationalhymne singt. (Erneute Rufe: Hört, bört bei ben Regierungsparteien. Gegenrufe von den Deulsch- nationalen.) Meine Damen und Herren! Man kann bekanntlich über den Geshmack verschiedener Meinung sein, Ih bin der Auffassung, daß hier das Reglement versagt hak. (Sehr vichtig! bei den Re- gierungêparteien.) Jch glaube, daß wir, wenn wir wieder als ein Vork unte: Völkern handeln wollen, bann ein besseres Reglement gebrauchen. (Zustimmung bei den Negierungsparteien.) Das habe ih auch dem französisden Botschafter gesagt, und ih habe mich außerdem mit der Heeresleitung wegen einer olen Reglementierung unserer Honneurs in tnlernationalen Verkehréverhältnissen ins Benehmen gesebt. | Meine Damen und Herren! Ob außerdem noch ein Verschulden vorliegt, unterliegt augenblidich der „Untersuchung. Die frangósisdhe Bo!schoft bat uns Zeugenmaterial zugeschickt, das ih an das Reich wehrministerium weilergesandt habe und das dort untersuht werden wird, Die Frage schwebt noch. i : Sh omme bann zu einem anderen Hjvischenfalll, nämlich zu der Ge-fendischaftsfrage. Unmittelbar bevor ih nah Sþpaa abreiste, war der französisde Botschafter bei mir, um mir anzukündigen, daß die fraazösiscke Regierung beabsichtige, auf Grund der Eingangôworte des Friedensvertrages von Versailles einen Gesandten in München zu er- nennen und borlhin zu s{hickden. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! und Incubört bei ben Deubfckmlionalen.) ch orkilärte dem Herrn Ge- sandten sofort, daß ich alle Nechie Deutschlands nah der Richtung hin vorbehalten müsse, weil die deutsche Verfassung die Bestimmung

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enthieste, daß die einzelnen deutschen Länder ihre Gesandtschaftsrechle zucunsten der NReichégesandtschafien aufzugeben haben. Herr Laurent

erxiderte mir, daß nah Auffassung der französischen Regierung der Vertrag von Versailles der deutschen Verfassung vorgehe. Jch evblärt e ióm tarauf, ic könnte nicht finden, daß der Vertrag - von Versailles eine enlspreTende Bestimmung enthalte. Jch darf vielleicht bei der Wicligleit der Angelegenheit hier no eiwas kurz erwähnen. Der Ver- trag ven Versailles sagt in seinem préambulo, in seinen Eingangs- worten, folgendes: L e Mit dem Znkrofttrelen des gegenwärtigen Vertrages nimmt

“ver Kricaszustand ein ‘Ende. Von diesem Augenblick an werden unler Vorbebalt der Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages die Bezichungen der Alliiexien und Assoziterten Mächte miï dem einen oder andera der deutschen Staaten wieder

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am:licen Deuts&land und aufgcizommen.

___ Meïne Damen und Herren? Als 1G bamals am 7, Mai 1919 in Versailles das erste Exemplar des Vertragsen!®urfes, das man auf deuiscer Seite geschen hat, und das mir vom Grafen Brocdorff- Ranÿhau übergeben wurde, in die Hand bekam, habe ih dies zuerst gelesen und mir glei gesagt: Hallo, dakinter steckt eiwas! Jch bin aber anderer Meinung geworden, a8 unsere Verfassung mgenommen war und als die alliierten Mächie uns nur diejenige Bestimmung als nmcht mit dem Friedensvertrag vereinbar bezeichneten, die \fih auf den Anschluß Oesterreichs an das Deutske Reich bezog, aber keinen Ein- wand dagegen erhoben, daß die Gesandtschaftsrehte der ehemaligen Bundesstâaten in der Verfassung nunmehr keinen Plaß mehr fanden. | Ih Habe infolgedessen die Frage prüfen lassen und der französischen Regierung ausführlich dargelegt, aus welchem Grunde wir ihre Nechts- auffassung nicht teilen Wnnen, Nichtsdestoweniger hat die französisck- Megierung, während wir in Saa waren, Herrn Dard nach München geschickt (hört, Hört! rechis), und Herr Dard hat, elwa wie „Zieten aus dem Busch“, dem Herrn Ministerpräsidenten von Kahr \ein Be- glaubigungsschreiben überreiht, Meine Damen und Herren! Fc glaube, daß die Position des Deutschen Meiche® in dieser Angelegenheit keine günstige ist. (Unmbe rechts.) Wenn die Alliievten, wie ich ver- nommen habe, darin einig find, daß die Eingangävorte des Frieden vertrages \fo auszulegen sind, wie sie fie auslegen, dann werden die Mächte, die uns den Friedentertrag diktiert haben, uns bis zu einem gewissen Grade auch die Auslegung diktieren können, bis wir in der Lage sind, über Auslegungsfragen cine \chicdsrichterlide SFnstanz an- zurufen, Es kommi nun darauf an, ob man es vorzieht, sich hier über Auslegungäfragen mit juvistishen Gründen herumzustreiten oder das, iwas einmal geschehen ist, mit ciner guten Miene so anzunehmen, daß es uns keinen Schaden tut, (Wiederholte Unruhe reis.)

Meine Damen und Herren! Jch- habe mich unmittelbar, na®- dem ih die Mitteilung von dem Herrn Botschafter Laurent erbalten Hatte, mit dem Herrn Ministerpräsidenten von Kahr in Vebindung gesebt, und der Herr Ministerpräsident von Kahr hat mir gesagt: Seien Sie überzeugt, daß Bayern sh an die Verfassung hält und seinerseits keinen Gesandten nach Paris {ickt; seien Sie überzeugt, daß die Amvesenheit einer französishen Gesandtschaft in Münchzn niemals Grund für eine Mainlinie geben wird! Wer ferner dic Worte des Herrn Ministerpräsidenten von Kahr gehört hat, die er bei seiner ersten Nede nah der Uebernahme der Ministerpräsidentshaft

! gehalten hat, wird mir zugeben, daß es eine unbegründete Furt vor und daß der Kommandant selbst sich an dem Wiederaufhissen der |

der bayerishen Gefinnung wäre, wenn wir nun aus Sorge vor einer neuen Mainlinie versuchen können, die Entschließung des Herrn Ministerpräsidenten von Kahr, der do das Beglaubigungssc{reiben rum einmal angenommen hat, rückgängig zu machen. (Abgeordneter Gruber: Und der Gegenbesuch?)

Wenn man Herrn Dard in München haben \oll, so wird man ihm auch die diplomatischen Privilegien und Immunitäten gubilligen müssen, sonst kommt man aus den Streitigkeiten nicht beraus. J habe infolgedessen, als Herr Laurent dieser Tage Beilin verließ, um nach Paris zu fahren, ihm gesagt, daß die deutsche Regierung es vorzôge, sich mit Frankreich über die Ausführung des Friedenêsvertrages zu verständigen, als sh mit ihm über die Auslegung des Friedens- vertrages zu streiten, und ih habe dies auch Herrn Ministerprästdenten von Kahr mitgeteilt. Jh möchte bei der Gelegenheit sagen, daß ich ebenso, wie ich dem Herrn Ministerpräsidenten von Kahr für - die Worte treuen Festhaltens zum Neich, die er gefunden hat, danke, ihm meinerseits sagen werde, daß, soweit ih die Absiczien der Leitung kenne, sie mit ihm in der Auffassung einverstanden ist, daß Deutsch- sand nur im Sinne eines wahrhaflen Föderalismus regiert werden kann (Zustimmung bei der Bayrischen Volkspartei), d. h. in dem Sinne gegenseitiger Achtung der einzelnen Länder und Stämme vor- einander, und in dem Sinne, daß nicht die Eigenart des einen Stammes versucht, auf dem Wege über das Reich die Eigenart eines anderen Stammes zy, vergewaltigen. (Sohr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)

Meine Damen und Herren! Ih l'omme nunmehr zu dem dritten Fall: das ist der Fall Dorten. In der Sonnabendnacht wurde mir

telephonisch von Cassel mitgeteilt, daß Polizeikommissare aus Frank-

furt in Wiesbaden Herrn Dorten verhaftet, in seiner Wohnung eine Haussuchung vorgenommen und dabei gravierende Papiere gefunden, die Papiere versiegelt und Herrn Dorten mit seinen Papieren nah Leipzig instradiert hätten. Meine Frage, auf Grund welcher An- ordnungen das geschehen fei, wurde beantwortet, es sei geschehen auf Grund eines Haftbefehls des Untersuchungsrihters beim Reichsgericht. Meine Frage, was für eine Stellung das Auswärtige Amt zu dieser Frage genommen hätte, wurdé damit beantwortet, vas Auswärtige Amt sei mit dieser Frage noch nicht befaßt worden. Jch halte diese Nictbefassung des Auswärtigen Amtes in einer Frage, die uns mit vrei bis vier Mächten sofort in Konflikt bringen kann, für eine Aus- lassung, die besser künftig niht mehr stattfindet. (Sehr richtig!)

Jch habe mich sofort mit dem Herrn Roichsjustizminister in Ver- bindung geseht, die nötigen Aufklärungen sind erfolat, und soweit ih orientizrt worden bin, ist Herr Dorten bereits wieder auf dem Wege nach Wiesbaden. (Große Heiterkeit.) Meine Damen und Herren! Auf diese Weise ziehen uns deutshe Männer, die es gut mit dem Vater- lande meinen, aus ungenügender Kenntnis unserer völkerrehtlichen Verpflichiungea eine Abfuhr nah der anderen zu. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten und Sozialdemokraten.)

Die Sage liegt \o, meine Damen und Herren: ich will nicht behaupten, im Gegenteil, ih bestreite es vorläufig, taß wir nicht in der Lage simd, landesverräterische Handlungen innerhalb des besehen Gebiets init unseren Behörden dort nah unseren Gesehen zu ver- folgen, und ih halte die Tatsache, daß die Hohe Rheinlands- kommission in ihrer zweiten Verordnung vom 10. Januar 1920 eine derartige Verfolgung verboten hat, für nicht gusammenstimmend mit dem von uns am 28. Juni 1919 unterzeichneten Rheinlantabkommen. Aber, meine Damen und Herren, hier kommt es auf eiwas anderes an. Na dem Rhejznlandabkommen haben die Mächte ebenso wie nah den lehien Sanktionsbestimmungen des Friedensvertrages das Recht der Ofkupationsmacht in unseren beseßten Gebieten und mit dem Rechte der Ofkkupationsmacht ift es unvereinbar und völkerrechtlid niemals in Anspru genommen worden, taß von einem außenstehenden Hoheitsgebiet heraus in dieses beseßte Gebiet hinein ohne Wissen und Willen der Behörde, die dort die zeitweilige Trägerin der Souveränität ist, Gewalthemtlungen vorgenommen werden.

Meine Damen und Herren, es bleibt nichts anderes übrig ich habe es sowohl von unserer Rechtsabteilung prüfen lassen, wie ¿h den Hevrn Reichsjustizminister um die Prüfung gebeten habe, und

{ließli ist der UntersuhungsriBter beim Reich8gericbt in Leipzig do auc ein unabhängiger Richter —, es bleibt nichts anderes übrig: dieje Handlung ist völkerrechtswidrig und muß deswegen genau \o zurückgenommen werden, wie wir Polen veranlaßt. haben, seine völkerrehiswidrige Verhaftung von Dr. Holtum gurücßzunehmen (Zurufe rechis) und Dr. Holtum dabin zurückzugeben, weber es ihn n hat. i

ine Damen und Herren, sol%e Huwischenfälle machen die Sade sehr s{chwer. Wir waren in Spaa g ant an Tagen, wo es alles um alles ging, durch die Aufregung, die von Berlin herüberfsutete. Als die deulshe Kompagnie die franzósishe Flagge grüßte und, meine Damen und Herren, glauben Sie uicht, daß es mir Teiht geworden wäre, mir-vorzustellen, daß di-ser Gruß zwisden dem Brandenburger Tor und dem Standbild Frietrids des Großen statifand (Heiterkeit bei den Unabhängigen Sozialdenckraten, Ich- hafte - Pfuirufe reis, Gegenrufe von den Unabhängigen Sojzial- demokraten) als die deutshe Kompagnie die frangösisde. Flagge grüßte, da baben der Herr Reichékanzler unt ih vor den Gräbern unserer Krieger, die auf dem Friedhof in Spyaa ruhen, in Andacht unsere Kränze niedergelegt. Damals ist unsere Huldigung ohne jeden ¿d vor fich gegangen. (Hört, hört! bci deu Sozialdemo-

Meine Damen und Herren, aus der großen Spannung heraus hat ein Mann einen Ausweg gefunden, und das ist ter englische Premierminister Lloyd George. Er hat es. nit getan aus al- tmuistischem Gefühl fiürr Deuts{lband heraus, olauben Sie das nüt, (Lachen und Zurufe rechts,) Der willensstarke Mann, der sein Volk durch die \{chwersten Gefahren hindurchgerissen hat, die ihm seit den Tagen der Armada je gedroht haben, ter einzige Staatämann, der in leitender Stellung geblieben ist durch den ganzen furcklbaren Druk der Kriecgsjahre hindur, der hab sicerlid nit die Früchte aller dieser Mühen aus einem fentimentalen Gefühl roeggeben wollen. Er ist siherlih genau so gut Vollftreler des Werks von Versailles wie Millerand. Aber ihm ist eine Beweglichkeit des Geistes acorken, die scine Bewunderer als seine größte Kraft zu erkennen glauben, während feine Kritiker sie als eine Schwäche betraten.

Diese Beweglichkeit des Geistes hat ihm mögli gemacht die deutschen Gegenvorschläge in eine Form zu bringen, die sie einerscils dem französischen parlamentarischen System und den französisdten Finanzen annehmbar mate, und die uns erlaubte, wenn aud mit schweren Sorgen, auf die Forderung der 2 Millionen Tonnen menatlih einzugehen, weil fie uns für die Bergarbeiter die Mittel für cine Besserung der Lebenshaltung gewährten. Jh nehme an, daß er hbier-

bei sicher niht an den Vorteil Deutslands gedacht hat (Heiterkeit

rechi), sondern an den Vorteil Englands, an den Vorteil seiner Ver- bündeten, Frankreichs und Italiens, und vielleidt noch an den Voerteil der Bergarbeiter, für die er von alter Zeit ber ein warmes Herz hat.

Nach Zeitungsmeldungen soll die Gesundheit des englißcken Premierminisbers erschüttert fein. Wir können nur wünschen, daß sie sich bald wiederherstellt (Zurufe recht3); denn, meine Damen und Herren, er hat Verständnis für die deutsche Lage gewonnen. Wer [cine Nede im Parlament liest, der erkennt, daß er etwas weiter feht, als man in England bisher gesehen hat (sehr wahr! bei den Sozia!l- demokraten), und wenn er den Lord d'Alermon hierher ges{chickt bat, der sicherlih kein Deutschenfreund ist, so ist das doch eine Handlung im Sinne des Verständnisses, das uns augenbliŒli( nottut. Jekbt naht die Lösung der Ostfragen. Mir ift kaum denkbar, daß fie ohne die Mit- wirkung dieses in den andern Fragen leitend acwesenen Geistes nüßlid vollzogen werden kann.

Meine Damen und Herren! Die Beziehungen unserer Delegation zu Jtalien besWränkten sich eigentli auf cin Zusammenkommen mit dem Grafen Sforza. Das Thema, über das wir gesprocen baben, habe ih bereits erwähnt. Außerdem wurde die Boischaftsfrage berüßrt; Sie wissen, daß die Italiener uns auf Grund eines heimischen Gesehes den Palazzo Caffarelli, weil er eine historische Antiquität war, enteignet haben und noch nicht dazu gelangt sind, einen poli enden. Ersaß zu geben. Jch habe Herrn Sforza auf die Frage, wann wir als Gegenleistung zur Absendung von Herrn de Martino unsern Boischafter in Rom bestellen würden, geantwortet: sobald die Botschaft bereitsteht. Wir werden über verschiedene Angelegenheiten mit Jtalien reden können und reden müssen, die nah dem Friedensvertrag von Versailles zwischen Deutsch- land und den einzelnen alliierten und assziierten Mächten besonders zu regeln sind. Jch will auf sie her mt eingeben. Es ift sehr erwünscht, daß Herr de Martino sih damit befaßt. JIch habe {oa in meiner früheren Stellung mit ihm Fühbhlung genommen und kann nur sagen, daß ih den Eindruck der vollsten Sacblichbeit und der vollsten Vereit- schaft zur wirl\chaftlicher Löfung der großen zwischen uns \{webenden Probleme bei ihm gefunden habe.

Wie ih \chon sagte, fehlte von den fünf Hauptmächten des Ver- trages die Macht der Vereinigien Staaten Amerikas. Wir sind mit ihr noch im Kriege. Anwesend war nur der inoffizielle Vertreter Amerikas hei der Wiedergutmachungskommission. Auch mit ihm habe ih eine lurze Unterredung gehabt, bei der das Unbefriedigende des gegenwärtigen Zustandes beiderseits anerkannt wurde. Dasselbe ift ge- sehen in einer Unterredung, die ich mit dem unoffiziellen Vertreter Amerikas hier in Berlin gehabt habe. Aber alle Kenner der Sadlage sind sih darüber klar, daß vor März 1921 an. dieser Sachlage nichts zu ändern ist. : | |

Wir haben keine Hoffnungen auf amerikanische amtlickde Hilfe, und es wäre vollständig zwelos, sich selben Hoffnungen hinzugeben. Wohl ader machen sih in Amerika mehr und mehr humanitäre Bestrebungen geltend, die darauf ausgehen, dem deutschen Volke da zu helfen, wo es au nach der Meinung der. Amerikaner im Kriege ungerech! behantelt worden ist, nämlich in det Folgen der Hungerblockade. Seit einiger Zeit sind in Amerika Bestrebungen im Gange, die deutschen jungen Kinder und die deutschen jungen Mütter dadurch zu unterstüßen, daß sie uns besser mit Milch beliefern wollen (Bravo!), und zwar denkt man in Amerika daran, îm großen Umfange Milchkühe nah Deuischland zu bringen. Ob und wie das möglich sein wird, unterliegt ber sorgfältigen Prüfung unserer zuständigen Behörden. Aber das möchte ih sagen: w% auch die humanitären Gesinnungen dieses Teils der amerikanishen Be- völkerung sih äußern mögen, unter allen Umständen würde ih es für ridtig halten, daß das Note Kreuz mit ihnen ins Einvernehmen tritt und sie in ihren Bestrebungen unterstüßt. (Sehr richtig!) Meine Damen und Herren! Nach der Richtung bin glaube ich, werden wir überhaupt unserem Roten Kreuz eine ganz besondere Bedeutung für die Zukunft zusprechen müssen. Wir können als amtliche Stellen noh auf lange Zeit hinaus nicht so mit den Gegnern verkehren, wie es wünschens-