1920 / 165 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 27 Jul 1920 18:00:01 GMT) scan diff

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wert wäre. Das haben wir in Spaa gesehen. Aber freie Ver- bindungen, freie Kräfte werden jeßt {on in anderen Ländern gern als Gleiche unter Gleichen behandelt.

Nun i} mir vor wenig Tagen eim sehr interessantes Dokument gugeschickt worden, nämlich ein eigenhändig unterschriebenes, freund- sibes Schreïbon von dem Präsidenten des Internationalen Roten Kreuges, Herrn Ador, einom Manne, dev, wie Sie wissen, während des ganzen Krieges auf Grund seiner allgemoinen polibischen und völferred;tliden Uobergeugungen viel mehr auf der Seite der Entente, «lls auf der Seite Deutscklands gestanden hat. Dieser Mann schreibt mir, er habe mit großer Freude gehört, daß das deutshe Rote Kreuz sih mit der deutschen Wohlfahrtéstelle fusioniert habe umd nunmehr daran gehe, feine gange Tätigkeit in einem anderen Sinne aufzubauen. Die Datsache ist mir {hon seit langem bekannt. Jh habe schon vor 34 Jahren als leitendes Pröfibialmitglied des Reiclksverbandes der deutschen ÎIntarstrie dem jebigen Präsidenten des deutschen Noten Kreuges gesagt, er würde auf reichliche Gaben aus unseren Kreisen nur red nen können, wenn er das Rote Kreuz umgestalte aus einer wesentlich millitärish orrentierten zu einer wesentlih friedlih orien- tierten Gemeinschaft (Zustlnmung), oiner Gemeinschaft, die es ab- stelle auf hie Unterstühung jeder Licbestä@tigteit im Fricden, die in den weiten Bozgiifen der Seuchenbekämpfung und der Notleidendenfürsorge gedacht roerden Dann.

Das ift tallächlch jet kmm Werke, und es ist num außerordentlih interessant, daß Hemr Ador uns auffordert auf Grund des Artikals 25 der von uns mitgcgeid neten Völllewburdösfahung in den Kreis der- jenigen Note Kreug-Organisationen hineinzutrelen, die sich um diesen Artikel 25 herumgruppiert hebe. Ich darf mir gestatten, den Artikel vorzulesen. Gr lautet folgendermaßen:

Die Bundesmttglioder verpflichten sich, die Errihtung und Zu- fammenarbeit anerkannter freiwilliger nationaler Organisationen des Noten Kreuges zur Hebung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und Milderungen der Leiden im der Welt zu, fördexn und zu begünsligen.

Deutschland is nicht Bundesmitaslied, wnd wenn wir iet tnotz- dem von dem Präsidonten des Noten Kreuges aufgefordert werden, durch unser Notes Kreuz, nicht eiwa als Regierung, îin diesen Teil der Gesamtorganisation eingutreten, so ist das eime Tür, die uns ge- öffnet wird fn den Kreis ‘derjenigen freien Organisationen, die uns als Gleiche unter Gleichen betrachten. Jch halte das für eine sehr annehmbare Form, îm der wir uns dem Völkerbunde nähern können, «annelbmbarer, als wenn wir jeßt zu einer Zeit in den Völkerbund treten würden, wo seïne Macht sich noch auêéscließlih in den Hänken unserer ohemaligen Kriegsgegner kongentriert, Jch danke auch hier an diaser Stelle öffentlich Herrm Ador für seine hochherzige Anregumg. Ich habe sofort im Kabinett den Antrag eingebracht und die Zu- stimanung des Kabinetts erwkrkt, daß die nötigen Schritte geschehen, um die Umorganisation deé deutschen Noten Kreuzes herbeizuführen, und ih hoffe, dieser Tage Herrn Ador œucch \chrifllich mtworten zu Fönnen.

Zum Sch{{luß gestatten Sie mir woch, beî dieser Uebersicht über unsere Stellung zu den ankoren Delegationen der Belgier zu ge- denten. Wir haben trobß alles wenig Angenehmen, was in Spaa g2- Fchehen ist, ums doch nur zu bedanken für die Gastlichkeit der belgischen Negierung. (Unruhe und Zurufe von den Deutschnationalen.) Nocemenilich der Herr Reickskanzler umd ih haben in dor Villa des Sonbieovs eine sehr cmgenehme, stille, walbumrauschte, wenn auch be- \choidene Villa gehabt, die uns boi unserer Arbeit für unsere Nerven außerordemtsi viel \ympathischer war, ails die großen Hotels unten im Babdeleben, Win sind im hieser Villa ausgezeihwet verpflegt worden, und der Herr Generalsekretär der Konferenz hat alles getan, was in seinen Kräften stand, um uns die schwierige Aufgabe auch als Mittelsmann nit den Allîierten zu erleichtern.

Wenn sih beim belgischen Volke vielfach noch Gefühle des Hasses gezeigt haben, so sind wir darauf vorbereitet gewesen. Jh möchte mich da der Meinung„anschließen, die vor kurzem Lord Robert Cecil im englischen Parlament geäußert hat, umd die darauf hinauêgeht, daß, wenn sih ein Volk bei einem anderen unbeliebt machen will, es nur einen Teil seines Gebietes zu offupieren brauht. Jh glaube aber, daß der Haß nicht ewig dauem wird. Wir sind das natürbiche Hinter- land von Belgien und daher auf natürlihe Interessengemeinschaft angewicsen. So glaube ih, daß die Tätigkeit des neuen belgischen

. Gesandien hier, des Grafen de la Faille. der mir vorgestera seinen

Besuch gemacht hat, unter besseren Auspizien fortgeseßt wird als sie

begonnen hat, |

Meine Damen und Herren, Ich komme min zu den urkundlichen Ergebnissen der Konferenz. Wie Sie wissen, handelt es sih um vier Themata: Die Frage der militärishen Klauseln, - die Frage der Personen, denen Schuld in Behandlung der Kriegsfragen vorgeworfen

wurde, die Frage der Kohlenlieferungen und die Frage der Wieder- |

gutmachung im allgemeinen. Jch nehme vorweg Nr, 2, die Frage der Kriegsschuldigen. Hier ist von Anfang an durch das rasche Ein- greifen Aoyd Georges eime natürliche und verständige Methode einge- schlagen worden, kraft deren sih die beiderseitigen juristischen Sach- verständigen bald über die strittigen Punkte geeinigt haben nämlich über die Art der Beschleunigung des. Verfahrens. Der Erfolg ist gewesen, daß Lloyd Georges im britischen Parlament anerbanut hat nicht ben Deulschland liege die Schuld an der Verzögerung des bis- herigen Verfahrens. Wertvoll für uns war, daß bei diesen Ver- handlungen der Sachverständigen die hohe Achtung zum Durchbruch kam, in der die Judikatur des deutschen Neichsgerichts bei den fremden Völkern steht. |

Bei der Entwaffnungsfrage hatten wir seinerzeit eine Note nah San Noemo gerichtet, um unsere ießzige Hoevesstärke beizubehalten Die Ententenote vom 22. Juni war eine starre Absage; sie war gleich- acitig ein Diktat, wie wir uns künftig im dieson Fragen zu verhalton haben. Diesem Diktat waren zwei Säße beigefügt. Erstens: Jhr trrt euch, wenn ihr annehmt, daß wir uas in Sipaa über militärische Klauseln mit euch unterhalten wollen; zweitens: Ihr irrt euch, wenn ihr glaubt, wir wollten in dieser Sache noch Noten von euch entgegen. | nehmen, Es war infolgedessen korrekt, daß wir wegen der militärischen Fragen nicht unsere ersten Männer nah Spaa brachten. Das hätte geheißen, sih aufzudrängen. Wir konnten nicht wissen, daß inzwischen die Entente anderen Sinnes geworden war, daß Frankreich es bei ihr durhgesezt hatte, hier die Eniwaffnungsfrage zum Probefall für die BollstreŒungsmaßnahmen des Einrükens im Ruhrgebiet herauszu- nehmen, Deshalb war es für uns eine Ueberaschung, als Lloyd

George sagte: wir müssen Herrn Minister Geßler und Herrn G-:nerak von Seekt hier haben.

Wie die Verhant{ungen verlaufen sind, ersehen Sie aus dem !

Weißbuh. Unsere Stellung war s{wierig wcgen der Festlegung unseres militärishen Standes auf 200 000 Mann als die einz1g ver- tretbare Truppenstärke. Das Heruntergehen von diesem Standpunkt ist allmählih, Schritt für Schritt, vor sich gegangen, weil s{ließlich doch die Delegation der Meinung war, daß die sechs Monate besser

|

waren als drei Tage, und die Entwaffnung in einem Vierteljahr |

besser als die Entwaffnung bis zum 10. Juli. Wir hatten keinen Nechtsboden unter den Füßen, um die Forderungen der Entente zu bestreiten, sondern bloß die Berufung auf die Schwierigkeiten. Den Appell, den nah dieser Richtung hin der Herr Reichskanzler an das deutshe Volk gerihtet hat, kann ih vom Standpunktie der auswär- tigen Politik nur aufs dringendste unterschreiben.

Was die F1age der Einwohnenvehr betrifft, so hatten wir da als Sachverständigen und gleichzeitig als Negierungêvertreter den bay- rishen Staatsrat von Meindl. Was die Sicherheitspolizei anlangt, so wär, allerdings einen Tag später als die anderen, der preußische Minister des Jnnern Herr Severing zugegen. Aber bei der Methode des Diktats, die die Alliierten einshlugen, konnten diese Fragen niht mehr sodlich erörtert werden.

Wegen der Cinwohnerwehr könnte ih mir denken, daß die An- wesenheit des französishen Gesandten in München eine Erleichterung und Entspannung- der Sachlage nah sich ziehen würde (Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Was soll das heißen?), indem über die bayrishe Cinrwohnenvehr, vie ganz besonders \ckchwer auf den Stand der Note vom 22. Juni zurückzuführen ist, unmittelbar Fragen und Antworten zwischen dem Ministerpräsidenten von Kahr und Herrn Dard gewech\elt werden können, nachdem Herr Dard einmal da ist. (Hört, hört!)

Wegen der Umformung der Sicherheitspolizei wissen Sie ans der Presse, daß ih die Meinung gehabt habe, es wäre gegenüber dem tiefen Mißtrauen der Entente nüßlih für uns, für die Umformung sacverständigen Nat der Entente zu erlangen, nämlich der fran; ösischen, englischen und italienischen Kontrollkommissionen. Man weiß, daß 3. D. in einzelnen Dominions, namentlih in Kanada, eine sehr gute

Konstablerschaft besteht. Man weiß, daß die Jtaliener eine berühmte |

Karabinieritruppe haben. Man weiß, daß die Franzosen ganz be- sonders darauf aus sind, nahzusehen, daß bei uns in Militärfragen alles mit rechten Dingen zugeht. Also besteht die Auffassung, die die Zustimmung des Kabinetts gefunden hat, daß man nah der Nichbung hin an die Entente herantreten kann. Vorbereitungen dazu sind im Gange. Wie weit sie sih erstrecken können, liegt niht in meiner Macht, beute zu äußern.

Das \chwersie ist die Frage der EntmFgung. Ueber die Ent- waffnung hat der Herr Reichskanzler schon einiges gesagt. Viel mehr zu sagen, steht mir mt zu. Der Entwurf über das Entwaffrungs- geseß liegt mir hier vor. Er ist aber einstweilen an den Reichsrat gegangen, und Sie wissen, daß, bevor der Reichsrat sich damit befaßt hat, die Druiksache dem Reichstag selbst noch nicht vorgelegt und mit- geteilt werden Tann. :

Meine Damen und Herren! Mit der Entwaffnung hängen die Otfragen außerordentlih innig zusammen. Es ist unbegreiflich, daß die Alliierten niht eingesehen haben, daß ein Diktat gegen Deutsh- land in der Entwaffnungsfrage, in der Desarmierungsfrage mur Sinn hat, wenn man sih vorher die Stellung Deutschlands zu den Ereig- nissen im Osten gründlih überlegt hat. Das scheint nicht der Fall gewesen zu sein. Jch habe es unterlassen, und zwar mit voller Ab- sicht, in dieser Stimmung, in der mit uns über die Entwaffnungs- frage verhandelt worden ist, das Wort „Bolshewismus“ überhaupt in den Mund zu nehmen. Nur tiefstes Mißtrauen würde uns darauf geantwortet haben. Aber bie Dinge selbst werden den Zusammen- hang dieser Fragen den Alliierten inzwischen nahegebraht haben.

Es war die Pflicht der deutschen Regierung, nahdem der Kampf zwischen Polen und Rußland sih den Grenzen Deutschlands genähert Hatte, die unbedingte Neutvalität Deutsckilands auszusprechen. Das ist geshehen! Aber die Bedingungen des ersten Protokolls von Spaa machen es uns schwer, diese Neutralität einguhalten. Zu den Pflichten der Neutralität gehört, daß man die Grenzen des neutralen Landes \chübßt gegen den Uebertritt sei es flüchtender, sei es verfolgender Truppen, und bei der {weren Herabsetzung unserer Machtfakioren aller Art is natürlich eine solde Aufgabe niht mehr so zu lôsen, wie sie gelöst werden müßte.

Es ist uns durch die „Times“ vorgeworfen worden, daß wir Obstruktion trieben und gegen Polen Stellung nähmen. Davon ist natürlich gar keine Rede. Wir wollen nur dem einen wie dem anderen gegenüber die völkerrehtlich unanfehtbare Basis schaffen. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten.)

Aus Anlaß dieser VMeutralitätserklärung sind in der Deffentlich- feit eine Reihe von Gerüchten herumgegangen, eine Reihe von Be- sorgnissen entstanden, die durh den Transport von militärischen. Zügen durch Deutschland erregt worden sind. Jch habe jedem dieser Ge- rüchte, sobald es mir zu, Ohren kam, sofort nadguforsden gesucht und im allgemeinen bis jeßt nur folgendes gefunden.

Es ist einmal von Curhaven dauwch Siackfen nah der Tscheho- slowakei ein militärischer Transportzug gegangen. Da handelte es sih um ts{hechische Lcgionäre, die als Gefangene oder als Ueberläufer sih in russisher Macht befunden, dann die Waffen ergriffen und als Legionäre gekämpft hatten und nunmehr über Amerika in ihre Heimat zurückbefördert wurden. Sie kamen in vollem Waffenshmuck mwach Cuxhaven. Die Waffen wurden ihnen abamommen. Die Sache wurdo so arrangiert, daß der Zug zuerst die Truppen und dann die Waffen brachte; nahher bei Ueberschreitung der Grenze der Tschecho- \lowakei wurden ihnen die Waffen wieder ausgehändigt. Das ist, glaube ih, der Anlaß eines Vorfalls, den die Abgeordnete Frau Zieh dem Herrn Reichskanzler mitgeteilt hat. ò

Aber es sind noch andere Sachen vorgekommen. Jh habe hier eine Mitteilung. die ich weiler gegeben habe, und die heute in den Abentzeitungen stehen wird:

Amtliche Nachrichten bestätigen, daß ein augenscheinlich mit Kriegsmaterial beladener, nah Polen bestimmter Zug, aus Koblenz kommend, in Marburg aufgehalten worden is. Es handelt si offenbar um einen der sogenannten Polenzüge, die auf Grund des deutsh-polnishen Wirtschaftsabkommens vom 22. Oktober 1919 zum Teil mit Militärgütern, zum Teil mit Gütern für dio Zivil-

Bevölkerung durh- Deutschland geführt werden. Die Eisenbahn

direktionen haben bereits vor dem Vorfall telegraphisch Anweisun erbalten, derartige Züge midt mehr mitzunzhmen

es fommt mur reh ein Teimec Rest in Fvwane —,

do {eint dier Zug beim Eintreffen der Anweisung bereits

auf deutsdem Gebiete gewesen zu sein. Weitere Weisungen ‘werder

ergehen, sobald nähere amtliche Feststellungen über den Inhalt dei

Zuges vorliegen. Meine Damen und Herren, meiner Ansicht nah is die Ner tralitätserklärung ein staatlicher Hoheitsaft, der, soweit es sich un Verleßungen der Neutralität handelt, früheren Verträgen vorgeh

Es ift das allerdings noch eine Streitfrage, die auch in der Geschichi#

des Welikrieges eine Rolle gespielt hat. Jedenfalls kann ih ver sihern, daß ih den Herrn Reichskanzler und das Kabinett so beratey werde, daß wir uns streng in den Bahnen des Rechts und in dey Bahnen paritätisher Behandlung der beiden Kriegführenden halte Es ift auch jeßt vom Kabinelt publiziert worden, und es wird heuh abend folgende Entschließung herauskommen:

Die Reichsregierung hat unter dem 25. Juli eine Verordnun erlassen, wonach im Hinblick auf die Neutralität Deutschlands in Kriege zwiscken Polen und Sowjetrußland die Ausfuhr und Dur fuhr von Waffen, unitioMn, Pulver und Sprengstoffen sowie vo anderen Artikeln des Kriegsbedarfs verboten wird, soweit dieß Gegenstände für die Gebiete eines der beiden Friegführenden Lände bestimmt. sind.

Die Reichsregierung hat mit dem Erlaß. dieses Verbots vo einer ihr nach anerkanntem Völkerrecht zustehenden und durch di Bestimmungen des Versailler Vertrages unberührt gebliebenen Be fugnis Gebrauch gemacht. Dadurch ist jeder Möglichkeit vorgebeug daß tine kriegführende Pariei vor der anderen durch Zufuhren voy Waffen usw. durch deutshes Gebiet begünstigt wird.

Hier ist die völkerrechtliche Unterlage eiwas anders wie bei Nichtdurchlassen der Züge dur unser Territorium. Dann sund wir dur den Friedensvertrag in bezug auf Durdfuhr- und Einfuhrfrage nag monder Michtung hypothekbarisch belastet. Einmal haben wir nag dem Friedensvertrage in bezug auf die Desarmierungsfrage d Pflicht, eine große Masse von Material der Entente zur Verfügun zu stellen, und man könnte fh denken, daß die Entente besließe würde, dieses Material an Polen weiterzugeben. Das würde det Friedensvertrage widersprechen; denn es heißt in dem betreffende Artikel ausdrücklih, daß die Waffen zur Zerstörung ausgeliefer werden (sehr rihtig!); niht, um zu neuem Waffengange zu diene sondern um Deutschland waffenlos zu machen, hat die Ueberlieferun zu erfolgen.

Es ist dann gesagt worden, daß in dieser Neutralitätserklärun, eine Anerkennung der - russishen Sowjetrepublik liege, und es if uns ein Vorwurf daraus gemaht worden, daß wir eine solche Ar erkennung ausgesprohen haben. Das beruht auf einem JIrrtun Die cussishe Sowjetrepublik is in dem Moment anerkannt worde wo wir in Brest mit ihr in Frieden8erhandlungen eingelreten sind (sehr rihtig!), und seit dem Moment hat die Anerkennung niemal eine Zurücknahme erfahren. Wir haben allerdings in unseren Be ziehungen allerlei Wechselfälle erlebk. Als Graf Mirbach in Mos kau ermordet wurde, und als die Sowjetrepublik niht in der Lage war, uns die Mörder zu stellen und sie zu bestrafen, haben wir dit Beziehungen abgebrohen. Seit der Zeit sind offizielle Beziehunge1 nicht mehr zwischen uns aufgenommen worden. Wir haben weiter bin durch den Friedensvertrag von Versailles auésdrücklih auf all Verträge verzichtet, die wir bisher mit Rußland abgeschlossen hatten insbesondere au auf die Verträge von Brest. Hierdurch aber ist dit Tatsache des Friedens\{lusses und die Tatsache der Anerkenn1u | niht rüdckwirkend aufgehoben. (Sehr richtig!)

Wir: häben: ferner in dem Friedensvertrage alle diejenigen Ver träge als für uns verbindlich anerkannt, die in Zukunft einmal dit Entente mit Rußland und anderen dem früheren russishen Reicht territorial angehörenden Staaten abschließen würde. Darin liegt aber keineswegs für uns ein Verbot, die Sowjetrepublik anzuerkennen und mit ihr in diejenigen Beziehungen zu treten, die uns angebracht erscheinen. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demskraten.) Meint Damen und Herren, wir haben nicht vor, die Sowjetrepublik deswegen als Paria zu behandeln, weil uns ihre Regierungsmethoden nit ge: falen, wir haben selbst zu sehr unter der Behandlung als Paria ge-

litten, als daß wir diese Behandlung anderen angedeihen lassen

wollten.

Meine Damen und Herren, ih sehe der EntwiÆung im Osten nit mit der Sorge entgegen, wie vielleicht mande unter Ihnen. Jh habe Tschitscherin in Brest-Litowsk kennen gelernt und halte ihn für einen ungewöhnlih klugen Mann. Jch glaube nit, daß es im Inter esse der Sowjetvepublik liegt, Deutscland mit mordenden und brennen» den Horden zu überziehen. Was die Sowjetrepublik braucht, ist wirb schaftliche Unterstüßung. Sie haben sich durch Ueberspannung der Rôteidee eines großen [Teiles der wirtschaftlichen Kräfte beraubt, die die Wiederherstellung der zerrütteten Wirtschaftsordnung in Somwjet- rußlard ermöglichen. Jch gehöre nicht zu denjenigen, die in Nußland

. nihis als Chaos sehen. Jch weiß aus eingehenden Berichtèn un-

abhängiger vnd tenntnisreiher Männer, daß in Sowjetrußland eine geradezu enorme aufbauende Wirtschaft geleisbet wird, eine Arbeit, bei der wir gut täten, uns nach mancher Nichtung hin ein Muster zu nehmen. (Hört, hört! und Sehr richtig! bei den U. Svz.) Jch bin gern bereit, Ihnen darüber Material zu geben. (Erneute Zurufe von

den U. Soz.) Meine Herren, wenn sie wüßten, wie in Rußland das

Problem der Vereinfahung der Kraftvermittlung im Lande und das der Parallelisierung der gegeneinanderlaufenden Kräfte, der Vereinheit- liGung der Kraftquellen jeßt in Angriff genommen wird und in Angriff genommen ist, so würden sie vor der Tatkraft und der Kenntnis der damit betrauten Spezialisten Nespekt haben. (Zurufe bei den U. Soz.: Das habt ihr nit erwartet! Heiterkeit.) Meine Damen und *—Herren, es ist mir vollständig einerlei, was Sie von mir erwarten, wenn ich mi verpflichtet fühle, Ihnen zu sagen, was ich für die Wahr- heit haste! (Zuruf bei don U. Soz.: Das war nicht an Sie gerichtet, sondern an die Rechte!)

Herr Lloyd George hat in seiner Nede gesagt, hier wäre eine große Véèrsuchung für Deutschland, sich jeßt seiner Verpflichtung aus dem Friedensvertirage dadurch zu entziehen, daß es sih in die Arme Sowjeb-

(Fortseßung in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Ieitchs

Ir. 165,

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.)

rufslands würfe, daß es, selbst um den Preis der Anarchie, den Alliierken gegenüber iräte und sh aus den Ketten des Vertrages von Versailles

befreite. Meine Damen und Herren, das ist nmicht unsere Absicht |

und nicht der Leitstern, den ih der auswärtigen Politik des Deutschen Reiches wünscdæ. Denn das würde heißen, daß Deutschland das Schiaht- feld zwischen dem östlichen- Bolschewismus und dem westlichen Im- perialismus würde. (Sehr richtigl bei den Regierung8parteien.) Ich muß bei der Uebersicht der Ostfragen noch burz Polen berühren. Wir wollen ebensowenig Polen schaden, wie wir Sowjetrußlland schaden wollen Die Veraniwortung für Deutschland, sich an einem Schritt zur Unterstühung Polens zu beteiligen, würde ungeheuer groß sein; aber ebensowenig wollen wir, dcß dur unsere Mitwirkung Polen ein- ah von der Bildfläche verschwindet. Wix werden damit rechnen müssen, mit dem polnischen Volke, das ciner so außerordentli starken nationalen Begeisterung fähig ist und eine so starke nationale Eigene art bewiesen hat, als Nachbar zum Nachbar zu leben, selbst, wenn auf die Dauer die internationalrehtlichen Bedingungen des polnischen Staates sih so gestalten möchtcn, taß sie niht mehr ganz souverän sind. Jch \telle das nur als eine Möglichkeit hin. Selbst wenn es Swowietrußland gelänge, bei Verhandlungen mit Polen durdgusebßen, daß Polen si wieder unter eine Art von russisher Sugeränität stellte, selbst dann wäre es für uns wichtig, mit Polen gute Beziehungen zu erhalten. Ï

Meine Damen nnd Herren, ich glaube allerdings, daß Polen eine fehr trübe, unsihere 1d unglücliche Zukunft haben wird, wenn es für scine Aufgabe halten wird, bie Barriere zwischen Nußland und Deutschland zu sein (sehr richtig!), eine Barriere, zu der leider manche nit guiberatene Politiker es machen wollen. Es mird aber ‘eine glüdlide und sichere Zukunft haben, wenn es \ih entschließen ana, eine Brücke zwischen Rußland und Deutschland zu sein. (Erneute lebhafte Zustimmung.) Dazu, daß es diese Brücke wird, müssen wir aber au das Unsrige tun. Deshalb beklage ich es so, daß eine Pelitik der Schikanen und der Ungerechtfertigtkeiten von polnischer Seite gegen uns getrieben wird, eine Politik, die es uns gar nicht ermöglicht, uns mit der nôtigen Regelmäßigkeit Polen gegenüber zu verhalten. Denn wenn die eine untergeordnete Behörde, aufgestachelt dur was reiß idy eine Militärpartei oder eine Chauvinistenpartei (Zurufe von den U. Soz.) gewiß, die gibis überall! vorgeht, dann ift es niht möglich, daß auch bei uns die unteren Behörden sich so gegenüber Polen verhalten, wie es unter Nachbarn erwünscht ist. Jh bin darüber mit Herrn Schebeko, dem Minister und Geschäftsträger Polens hier in Berlin, vollkommen einer Meinung, und ih habe mich mit ihm in der Ve- giehung fo ausgesprochen, daß ich vollständig überzeugb bin, er wird seine Regierung nach der richtigen Seite beraten. Meine Damen und Herren, ih kann nur wiederholen, es ist bei gewissen Vorgängen von polnischer Seite außerhalb meiner Macht, mit Nepressalien von deutscher Seite zurückzuhalten. Aber die Besorgnis der französischen Presse, daß wir beabsichtigten, Polen von Preußen aus mit Krieg zu überziehen, ist eine Chimäre, und ih kann diese Besorgnis nur aufs nacdrücllichste als irrig zurückweisen.

__ J bin nun begierig, meine Damen und Herren, ob bei den Ver- handlungen, die demnächst über die Ostfrage zwischen der Entente und Sowietrusslamd boginwen werdew, und über die wir heute telegraphische Depeschen erhalten haben, die Entente wieder den Fehler machen wird, dea sie- in Versailles gemaht hat, ‘als sie dort die Fragen des west- bcben und mittleren Europas zu lösen unternahm, nämlich wieder ohne Deutschland vorzugehen. Wenn sie das tut, dann wird der Friede im Osten ein Kartenbaus werden noh viel waliger und fallsüchtiger, als der Friede von Versailles je werden kann,

Bei der Frage der Neutralität im Osten ist uns nun neuerdings ein Zwischenfall vorgekommen, den ih doch noch mit wenigen Worien vor Ihnen auseinanderlegen möchte. Das ist die Frage des österreichi- hen Kriegsgefangenentransports, den wir vor kurzem angehalten haben. Die Sade liegt folgendermaßen. Es bestehen drei Verträge: ein Vertrag zwischen Oesterreich und Deutschland, wonach Deutschland sih verpflichtet hat, die österreichischen Kriegsgefangenen russischer Nationalität auf Wunsch der österreichischen Negierung in Transport- zügen unter österreichischer Bedeckung via Stettin nah Nußland gurlidzubeförtem, zweitens eime Vereinbarung wischen Deutschland und der Entente, wonach uns die Entente zur Beförderung solcher Kriegs- gefangenentransportle Schiffsraum zur Verfügung gestellt hat; endlih ein Vertrag zwischen Oesterreih und Sowjeirußland, wonach Oester“ reih fi verpflichtet, damit es die ssterréihishen Gefangenen aus mussischer Hand zuriickerhält, aloichzeitig die politischen Gefangenen, für

‘die sich Sowjetrußland intressiert, mit den Krieg8gefangentn an Nuß-

auszuliefern. Sie sehen, meine Damen und Herren, daß dieser dritle Vertrag nicht im Einklang 22 bringen ist mit den beîden orsten Vor- trägen, und deshalb hat Deutschland sih au niemals damit einver- standen erklärt, ven dritten Vertrag zu erfüllen, im Gegenteil.

Nun hat Oesterreih troßdem einem. Kriegsgefangenentransport, der uns als solcher gemeldet war, politische Gefangene gugesellt. Durch Ungeschicklichkeiten unterer Instanzen ist dies zur Kenninis deutschèr Behörden und schließlich der deutshen Regierung gekommen. Erst Haben wieder einmal deutsche Behörden zugegriffen, ohne ih mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung zu seßen. (Lebhafte Rufe links: Hört, hôrt1) Als aber das Auswärtige Amt davon in Kenntnis geseht war, daß sich untere Instanzen mit dor FestGaltung des Tvanäpovies be- faßt hatten, und als Kenninis davon erlangt war, daß der Transport midi vermagämäßig und veditémäßig wan Blieb uns aar nichts anderes übrig, als den Transport festzuhalten. Denn was wäre geschehen, wenn wir ihn nun hätbem weuteraehen lassen? Wir hätbem im selben Augenblick mit Ungarn und mit der Entente diplomatische Meiaungs- verschiedenheiten gebabt, und es wäre s{ließlih ben volitisden Ge- fangenen vielleicht sehr schlecht bekommen, wenn die Entente nunmehr den Trcawport uf hoher See untersuchb häbbe, Anderorferis waren

Zweite Beilage

“ENGDIN

Verlin, Dienstag, den 27. Fuli

wir uns, wenn wir ihn festzahmen, darüber ganz klar, daß wir uns mit Oesterreih und mit Sowjetrußland querlegten. Aber das konnte mich keineswegs in meiner Entschließung schwankend machen, Sobald die Rechtslage geprüft war, habe ih das getan, was völkerrechtlich nötig war.

Snzwischen hat die österreihiche Regierung, der ich den Vorwurf nicht ersparen kann, daß sie in dieser Sache etwas in die alten \chwarg-

| gelben diplomatischen Gepflogenheiten zurüdverfallen ist (sehr gut! bei

den Negierungparteien), dur ihren hiesigen Gesandten in einer mich vollkommenen befriedigenden Form ihr Bedauern ausgespr2chhen und die Umstände näher dargelegt, aus denen heraus diese verschiedenen Miß-

helligkeiten entstanden sind, Umstär.de, bei denen ih hauptsählich eine

schwere Zwangslage der österreichischen Regierung anerkenne, aus der sie sich auf diese Weise herausziehen zu müssen geglaubt hat. Also, meine Damen und Herren, zwischen Oesterreich und uns ist dieser Fall geregelt. Wie weit er zwischen Ungarn und uns und zwischen Nußland und urs geregelt werden wird, hängt davon ab, wie sih das weitere Schicksal der beiden Personen gestaltet, die aus dem Kriegsgefangenen- transport als allein politisch belastet herausgenommen worden sind. Diese beiden Personen sind in sicherem Gewahrsam. Soweit es an mir liegt, soll ihnen bein Haar gekrümmt werden. (Zurufe von den Un- abhängigen Sozialdemokraten: Na! na!) Soweit es an mir liegt! Jch kann nicht mohyr versprechen, ih habe das Meinige getan. Jeden- falls will ih Jhnen eins sagen. Jemehr Spektakel darüber gemacht wird, desto s{werer gefährdet sind die beiden Herren. (Sehr richtig! bei den Negierungsparteien.) Also uns ist mitgeteilt worden, und zwar amtlich durch den Vertreter Ungarns in Berlin, daß sich ein Kurier mit einem Auslieferungsbegehren der ungarischen Negierung bezüglich der einen der beiden Persönlichkeiten, nämlich Bela Khuns, auf dem Wege nah Berlin befinde. Es ist üblich und hergebrahten Rechtens, daß nah einer sollen Mütteilung die betreffende Porsönlihtait fo sange fest- gehalien wird, bis geprüft werden kann, ob das Auslieferungsbegehren zulässig ist oder niht, Wir werden diese Prüfung vornehmen. Wir haben alles uns vorläufig zur Verfügung stehende Material bereits herangeholt, und Sie können überzeugt fein, daß wir uns bei dieser Prüfung weder durch Sorge vor einem Uebelwollen der Sowjetmact, noch durch Sorge vor einem Uebelwollen der Regierung Ungarns und der hinter ihr stehenden Kräfte irre machen lassen werden. Wenn es sich herausstellt, daß der Mann ausgeliefert werden muß, so ist er eben auszuliefern. Stellt es sch aber heraus, daß er wirkli ein pelitisher Verbrecher it und daß die Daten, die ihm vorgeworfen werden, nur \o- genannte konnexe Taten sind, d. h. \solche Taten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der politischen Aktion stehen und deshalb nach geltendem Völkerre{Wt nicht zur Auslieferung führen, dann wird der Mann eben nach derjenigen Seite aus Deutschland heraus8geführt, na der er zu gehen wünscht. (Heiterkeit.)

Meine Damon und Hevren, ich komme zum Schlu: noch auf die zweite große Frage, die uns in Spaa befaßt hat, nämlich auf die Kohlen- frage. Jh will Sie hier nit lange mit dem Vortrage felbst aufhalten. Das lesen Sie alles sehr knapp und präzise in unserer Denkschrift. Jch möchte Ihnen nur eines sagen. Ebenso wie Jhnen der Herr Reihs- kanzler dargelegt hat, welche gewaltigen Anstrengungen von unserer Ver- waltung und unserer Gesehgebung gemacht werden, um der Ent- waffnungspfliht nachzukommen, ebenso gewaltige Anstrengungen wird unsere Wirtschaft machen, um den Kohlenverpflihtungen nachzukommen. Gerade um das besser zu könren und um Sie, meine Damen und Herren, in die Möglichkeit zu verseßen, in dieser Lebensfrage unseres Volkes mit voller Kenntnis aller Tatsachen zu handeln, hat die Re- gierung es für rihtig gehalten, der Reich8wirtschaftêrat vor dem Neichs- tag einzuberufen. Denn jeßt haben wirklich die berufenen Sachver- ständigen Ihnen alles Material gegeben, was Sie nur wünschen können. Jch darf mir gestabien, die widibige Resolution, zu der die Sach- verständigen gekommen sind, hier vorzulesen und damit zum Gegenstand meiner Darstellung zu machen. Jch bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, die Nesolution vorlesen zu dürfen.

Der vorläufige Neichswirtschaftsrat hat folgende Nesfolution be- lossen:

Der Reichäwirtschaftsrat erblickt in dem Kohlenabkommen von Shpaa, das unter der von den Ententevertretern angedrohten Beseßung des Nuhrreviers angenommen werden mußte, eine Belastung des derlichen Wirtischafitäbebens, devm Folgen umabsebbar sind. (Hört, hört! bei den Deutschnationalen.)

Wenn die durch das Abkommen bedingte verschärfte Kohlenknapp- heit niht zu einer Katastrophe für Land und Volk führen soll, fs muß sofort eine ungewöhnlih starke Steigerung der Kohlenproduktion ein- irelen,

Si hat eine Kraftansbrengung der Bergarbeiter zur Voraus- sehung, die bei den derzeitigen Ernährungäverhältnissen nicht geleistet werden kann.

Das erforderlihe hohe Maß an Arbeitskraft, Arbeitsfreude und Arbeitsintensität macht die genaue Kenntnis dev wirtschaftlihen Ber- hältnisse des Kohlenbergbaues zur dringenden Notwendigkeit, damit die Bergarbeiter und Angestellten mehr als bisher zur klaren Einsicht der Verhältnisse im Bergbau gelangen und zu mitverantwortlichen Trägern der nah gemeimvirtschaftlihen Gesichtspunkten zu ordnenden Kohlenwirtschaft werden. é

Der Reichswirtschaftsrat wird zur Art und Fomn der Soziali- sierung des Kohlenbergbaues umgehend Stellung nehmen, sobald der Bericht der Sozialisierungskommission, der bis spätestens 1. Sep- tember 1920 emwartei wird, vorliegt. |

Zur Durchführung der eingegangenen Liefevungsverpflihtungen sind die nachstehenden Maßnahmen erforderlich: |

Die Mehrabgabe von rund 900 000 Tonnen Kohlen monatlich fom nur durch erhöhte Förderung erzielt werden. Vorübergehend wird Ueberarbeit der Bergleute unvermeidlich sein. Sie ist im Ein- verständnis mit den Bergarbeiterorganisationen zu regeln,

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anzeiger und Preußischen StaatSanzeiger

1920

Díe Lebenshaltung der Bergarbeiter i mit allen Mitteln zu heben. Die Erzeugungsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft ist, namentlih auh dur bessere Versorgung mit Düngemitteln, zu steigern,

Die Ansiedlung in den Bergrevieren ist unter Zurücksteung aller sonstigen nit unbedingt noiwendigen Bauten in verstärktem Maße zu betreiben mit dem Endgwedte, daß in kürzester Frist das Verfahren von UVeberschichten im Betgbau ganz oder teilweise aufhören kann.

In jedem Kohlenrevier wird eine Kommission aus drei Arheit- gebern und drei Arbeitnehmern zur Prüfung der betrieb8tenishen und bergtechr.ishen Verhältnisse eingeseßt. Jnsbesondere soll auch ihre Aufgabe sein, auf eine möglichst gute Beschaffenheit der Kohle hinzuwirken. Die Kommission kann \sich für Sonderaufgaben und zum Studium der Neuerungen im ausländischen Berghau vergrößern.

Eine scfortige gründliche Durcharbeitung der Kohlenverteilung nach volkawirtshaftlichen und verkehr8technis{en Gesichtspunkten und \chärfste Maßnahmen zur Sicherung ihrer Durchführung sind erforder- lid, Junskbesondere is die Auswertung der Kohlen in der Gas-, Wasser- und Elektrizitätswirtschafi durch einheitlibe Maßnahmen zu regeln. Vorbedingung hierzu ist die Gliederung des Reichsgebiets in Wirtschaftsgebiete, die ledigaliG nach wirtschaftlichen und verkehrs- politishen Gesichtspunkten vorzunehmen ist.

Die weitgchendste Verwendung von Braunkohle ist durchzuführen. Die Betriebe müssen, wo angängig, hiernach umgestellt werden.

Die weitere Ausnußung der Wasserkräfte is unverzüglih in Angriff zu nehmen.

Die VerkehrSeinrichtungen zu Wasser und zu Lande sind der er- böhten Koblenförderung anzupassen.

Dio Wärmewirtschaft is in allen Betrieben gewerblicher und industrieller Art mit allen Mitteln zu fördern und zu heben. Die Industrien werden angehalten, auf dem Wege der Selbstverwaltung geeignete Einrichtungen zu \{chaffen.

Zur Erfüllung der in Spaa übernommenen Verpflichtung ist die während der Verhandlungen in Spaa in Aussicht g:stellte zureichende Belieferung der deutschen Wirtschaftsgebiete mit obers{lesisher Kohle zu sicckern.

Es wird Aufgabe der kommenden Verhandlungen in Genf sein, deren. Vorarbeiten und Durchführung in enger Gemeinschaft mit dem Neichswirtschaftsrat gesehen müssen, die allgemeinen Wiedergut- machungs[eistungen Deutschlands in die natürlih gegebene Beziehung zu. der deutshen Kohlenerzeugung zu bringen.

Der Neichswirtschaftsrat ruft alle Kreise des deuts&Gen Volkes auf, an der Erfüllung des von Deutschland unterzeihneten Abkommens von Spaa tatkräftig mitzuwirken.

Meine Damen und Herren! Wieweit Sie dieses Programin unterschreiben, weiß ih nit. Jch weiß, daß außer dem, was der Neichswirtschaftsrat vorschlägt, dringend wichtig ist, daß die beiden Kommissionen eingerichtet werden, die uns die Entente versprochen hat, die Kommission in Essen und die in Oberschlesien. Leider haben wir kein unmittelbares Machtgebot dabei zu sprechen, sondern es sind die alliierten Regierungen, die die Einrichtung der Kommissionen in die Hand genommen haben. Wir werden nicht ablassen zu ermahnen, daß nach der Richtung hin keine Zeit verloren wird.

Dann darf ih mir vielleiht noch versönlih die Meinung gestatten, daß ih es nicht für richtig halte, wenn der Reichêwirtschaftsrat sagt: nur dur verstärkte Förderung kann das erreicht werden. Nein, meine Damen und Herren, man kann auch immer noch sparen; freilich nicht bei der Industrie. Aber es ist nicht nötig, daß in deutshen Städten noh tief in die Nacht hinein Licht vershwendet wird für Kinos und für Cafés (sehr ritig!), da kann entschieden noch gespart werden.

Meine Damen und Herren! Jch komme jeßt gum Schluß. Der leßte Teil, die Wiedergutmachung, ist für Genf vorbehalten. Sie habem gebört,daß Poincars zu den. Franzosen gesagt hat: geht nun und nimmermehr wah Benf, da kann euch nur Unbeil blühen. Wix können violleihi zu unseren Delegierten {sagon: wenn ihr nah Genf geht, hütet euh, daß euhch kein Unheil erwächst. Wer nach Genf geht, der muß vollkommen die Leistungsfähigkeit Deutsdlands und die Be- dürfnisse der Länder beherrschen, die Forderungen an uns lhraben, und er muß aus diesen Bedürfnkssea und Forderungen das Mittel ziehen. das dem einen gibt, was Nachtens ist, umd dem anderen das läßt, was Nechtens ist, und Nechtens i} für ums das Benefiziarm des Vertrages bon Versailles, daß die Entente uns wiemals in der Wirtschaft so tief herumterdrüclen kann, daß wir unfähig werden, unsere Wirischafi zu den Zwecken der Wiedergubmachung im Stand zu halton.

Meine Damen und Herren! Millerand hat crklävt: Genf kommt eiwa Anfang September. Ob das der Fall sein wird, weiß ich nitt. JedemsaUls, wenn es der Fall sein wird, 8 wird uns gerüstst finden, Wir werden hingehen, wenn wir bei Ihnen das Vertrauen behalten, mit dem wîr nach Sipaa gegangen sind, umd deêwegen \age ich, meine Damen und Herren, wir haben in Spaa gezeichnet, weil wir das Vertrauen in die Zukunft and in die Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes nicht verloren haben. Behalten Sie zu uns das Vertrauen, dann werken wir vielleicht n der Luge sein, in Genf ein Protokoll zu zeichnen, das uns weniger schwere Lasten auferlegt, als dis beiden von Spam. (Vinavo! boi den Deutschew Demokraten.)

Die Besprechung der Regierungserklärungen wird auf morgen vertagt. Jn allen drei Lesungen erlédigt das Haus darauf noch die Ergänzung der Vorschriften über den P Vorbehaltungsdiens und das Berner Abkommen vom 13. Juli 1920. -

Schluß gegen 148 Uhr.

Nächste Sitzung Dienstag 2 Uhr (Besprechung der Regie- rungserkflärungen; Jnterpellation, betr. das vertrag8widrige Verlangen der Polen nach Abtretung von Gebietsteilen, die bei der Abstimmung vom 11. Juli deuts gestimmt habenz Ergänzung zum Notetat; kleinere Vorlagen).