1873 / 129 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 03 Jun 1873 18:00:01 GMT) scan diff

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war. In einem Königlichen Galawagen begab Sich der hohe Gast

nah dem Schlosse und wurde daselbst von dem Schloßhaupt-

mann von Königsberg, Grafen von Dönhoff, am Fuße der Treppe

empfangen und in die für Ihn bestimmten Gemächer geleitet. Zu Ehren Allerhöchstdesselben fand ein Diner statt, zu dem die Spigzen der Civil- und Militärbehörden gezogen waren, an wel- hem der Schah jedoch nicht Theil nahm. Abends war auf dem Plate großer Zapfenstreich.

Die Abreise von Königsberg erfolgte Sonnabend, den 31. Mai früh per Extrazug; auf allen Stationen wurde Se. Majestät mit den einem Souverän gebührenden Ehren empfan- gen; in Kreuz war von der Königlichen Hofküche ein. Früh- ftück servirt.

Die Ankunft in Berlin erfolgte Sonnabend Nachmittags bald nah 6 Uhr.

Auf dem Perron des Bahnhofes der Berlin -Potsdam- Magdeburger Eisenbahn war eine Ehrenwache des zweiten Garde- Regiments zu Fuß mit Musik und Fahne aufgestellt; zum Empfange waren anwesend: Se. Majestät der Kaiser und König in großer Generals-Uniform mit dem Bande des Schwarzen Adler-Ordens, das Bild des Schahs in Brillanten auf der Brust tragend, Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kron- prinz mit Höchstseinem ältesten Sohne, dem Prinzen S icdridt Wilhelm, Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Carl, Friedri Carl, Alexander, Georg, Prinz August von Württemberg, der Erbgroßherzog von Mecklenburg-Streliß, der Herzog Elimar von Oldenburg, Seine Hoheit der Prinz Friedrih zu Hohenzollern, der Reichskanzler Fürst von Bismarck, die Generalität, die General- und Flügel-Adjutanten, der Kommandant, der Polizei-Präsident von Berlin und außerdem eine zahlreihe Suite. Ein Viertel nah sechs Uhr wurde Sr. Majestät die Meldung gemacht, daß der “Extrazug vom Ostbahnhofe her in Sicht sei. Se. Majestät stellten Sih an die Spitze der zum Empfange Anwesenden, und als der Zug in die Bahnhalle einfuhr, wurde er mit militärischen Honneurs begrüßt, und die Musik der Ehrenwache \pielte den persishen Marsh. General von Boyen verließ den Waggon, um Sr. Majestät die Meldung von der glücklih vollbrachten Reise zu machen. Zunächst verließ der Großvezier des Schahs Se. Hoheit Hadji - Mirza - Hussein - Khan den Wagen, um Sr. Majestät bis zum Waggon seines Souveräns vorzutreten. Se. Majestät der Schah verließ denselben und Beide Monarchen reichten Sich zur Begrüßung die Hände. Der Schah trug über einem \{warzen, mit Diamanten beseßten Roe, das große Band des Schwarzen Adler-Ordens, dazu einen Säbel und auf dem Haupte die nationale Kopfbedeckung Seines Landes mit einer kostbaren Agraffe. Se. Majestät der Kaiser und- König luden Allerhöchihren Gast ein, die Front der Ehrenwache hinabzugehen. Darauf fand in den Empfangs-Gemächern des Bahnhofes durhch den Kaiser und König die Vorstellung Sr. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen und der Königlichen Prinzen, des Reichskanzlers, der Generalität und des ganzen Gefolges statt. Der Ober-Stallmeister Graf Pückler geleitete dann die Beiden Monarchen an den offenen sechs\pännigen Wagen. Mit der Front nah der Anfahrthalle war eine Escadron des Garde- Kürassier-Regiments aufgestellt, deren Musik beim Erscheinen Ihrer Majestäten den Präsentirmarsh blies. Hierauf seßte sich der Zug nach dem bereits mitgetheilten Programm in Bewegung. Auf den Pläßen und Straßen, durh welche derselbe seinen Weg nahm, waren dihte Menschenmassen versammelt, die den Gast des Kaisers und Königs mit Hochrufen begrüßten. Das Wetter begünstigte den Einzug, der ‘von dem Donner der Geschüße be- gleitet wurde. Sobald die Beiden Monarchen die Schloßbrücke erreiht hatten, hoben fich in den Lüften auf den Zinnen des Schlosses inmitten der Deutshen Kaiser - Standarte und des preußishen Königs - Banners die persishe Reichsfahne, der goldne mit einem blauen Schwerte bewehrte Löwe vor einer Sonne, im weißen an drei Seiten grün geränderten Felde, und diese über dem Portale, durch welhes der Kaiserlihe Wagen seinen Weg in das Schloß nahm. Vor demselben war als Ehrenwache eine Compagnie des Kaiser Alexander Garde-Gre- nadier-Regiments Nr. 1 aufgestellt, die den Zug mit den mili- tärishen Honneurs empfing. Am Fuße des Aufganges zu den Gemächern, welche der Hohe Gast bewohnen sollte, am Portal 5 des innerr Schloßhofes waren sämmtlihe Würdenträger des

Hofes zum Empfange der Allerhöchsten Herrschaften versammelt und traten Allerhöchstdenselben in feierlihem Zuge über die Treppe nach den sogenannten Königskammern vor. Auf der Treppe standen die Schloßgardisten in ihrer Gala-Uniform, im Gardes-du-Corps-Saal eine Galawache der Gardes-du-Corps, die den Zug mit \{metternden Fanfaren empfingen. Im Pfeilersaale fand die gegenseitige Präsentation des Vortritts einerseits, sowie des persishen Gefolges andrerseits statt, darunter des Bruders des Schahs, des Prinzen Abdul- Samet-Mirza, des Großonkels des Schahs, des Prinzen Ali-Kuli-Mirza und des Prinzen Sultan-Murad-Mirza, des Bruders des Schahs, ferner der Prinzen Firuz-Mirza, Imad ud Daulet, des Prinzen Imam-Kuli- Mirza Imed und Vaulêèêt und des Schwagers des Schahs Achya-Khan. Das Gefolge umfaßte gegen 50 Personen, die Diener- saft derselben noch ungerehnet, und wurden die vornehmsten Personen im Königlihen Schlosse, die Uebrigen im Hotel de

Rome untergebracht.

Kurz nach der Ankunft fuhr Se. Majestät der Schah in Begleitung des preußishen Ehrendienstes des Vize-Dber-Ceremonienmeisters von Röder und des Groß- veziers in einem Königlihen Galawagen nah dem Palais, um Sr. Majestät dem Kaiser und Könige die Visite zu machen. Nah dem Shlosse zurückgekehrt, verbrahte der Hohe Gaft den Abend in Zurückgezogenheit.

__ Am Mittag des ersten Pfingstfeiertages begaben \ich Aller- höhstdieselben mit den vornehmsten Personen des Hofgefolges nah der Wildparkstation bei Potsdam, woselb der Kommandant von Potsdam, Generalmajor Graf von Kanit, und der Polizei- Präsident Engelken zur Begrüßung anwesend waren. In König- lihen SHofequipagen fuhren Allerhöchstdieselben durh die Gärten nach dem S&hlosse Sanscouci, um Ihrer Majestät der ver- wittweten Königin einen Besuh zu machen. Die Hohe Fran empfing den Schah im Beisein Allerhöchstihres Hofes im Konzert- simmer König Friedrihs 11, für dessen Person und Andenken der Schah ein großes Interesse bekundete. Darauf ging die Fahrt nah dem Neuen Orangeriegebäude, das ebenfalls besich- tigt wurde, von dort nah dem Neuen Palais, wo der Schah bei Sr. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen zum Besuche vorfuhr, dann nah dem Stadtshlo}se von Potsdam und von hier nach Schloß Glinike, wo der Hohe Gast Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Carl die Visite machte, ebenso auch in Klein- Glinike Ihren Königlichen Penn dem Prinzen und der Prinzessin Friedrih Carl. Die

üdfahrt erfolgte durch den Park von Babelsberg nach der

der ‘Can im Opernhaus bei.

Gestern Mittag um 12 Uhr fand der Empfang des diplo- matishen Corps bei Sr. Majestät dem Schah im Königlichen Schloffe statt. Demnächst begab Sich der S ah mit einem Theil Seines Gefolges und begleitet von dem Königlichen Sofmarscall Grafen Perponcher und dem Kommandanten von Berlin, General- Lieutenant v. Shhwarzkoppen, na dem Zoologischen Garten, wos elbst Allerhöhster bald nah 3 Uhr eintraf. An dem Eingange wurde Se. Majestät von dem Polizei-Präfidenten von Madai und dem Vor- stande des Zoologischen Gartens empfangen, machten eine Rundfahrt durch den Garten, und kehrte gegen 54 Uhr nah dem Schlosse zurück. Das Diner nahm Se. Majestät der Schah im König- lihen Schlosse allein ein; für das Gefolge war Maschalltafel im Gardes du Corps-Saal.

Heute Vormittag um 11 Uhr fand die Besichtigung des Kadetten-Corps im Königlichen Schlosse und \odann diejenige der Kaserne des Füsilier-Bataillons vom 2. Garde-Regiment zu Fuß statt. Um 12 Uhr machte der Shah Ihrer Majestät der Kaiserin einen Besuch.

Um 5 Uhr fand im Weißen Saale des Königlichen Schlosses Galadiner statt.

In der am Sonnabend den 31. Mai abgehaltenen 27. Plenarsißung des Bundesraths, in welher der Staats-Minister Delbrück den Vorsiß führte, wurden vorgelegt : 1) die Schreiben des Präsidenten des Reichstags, betreffend: a, die Zustimmung des Reichstages zum Postvertrage mit Ita- lien, b. den vom Reichstage beschlossenen Entwurf eines Gesetzes über die Volksvertretung in den Bundesstaaten, c. die Beschlüsse des Reichstags auf Petitionen: des Ober-Telegraphisten Glander 2c. zu Met, betreffend das Diensteinkommen der Telegraphen-Beamten in Elsaß-Lothringen ; des vormaligen Münzmeisters Andersen zu Hamburg, wegen einer Forderung an den preußishen Fiskus ; der Schafhändler Völker & Sohn zu Annweiler wegen des er- littenen Verlustes an Hammel dur kfeindlihe Kriegsgewalt ; des pensionirten Unterofsiziers Wittmeyer in Stendal, wegen nochmaliger Prüfung seiner Pensionsansprüche ; des \{chleswig-holsteinishen Militär-Invaliden Foerst zu Preeß seine Pensionsansprüche betreffend; des \{chleswig - holsteinischen Rechnungsführers Bötther zu Hamburg, feine Pensionsan- fprüche betreffend; des \{chleswig-holsteinishen Fähnrihs Bolze zu Berlin, die Erhöhung seiner Pension betreffend; des \{chles- wig-holsteinschen Majors von Kretshmann zu Hamburg, be- treffend die Gestattung des Rechtsweges bezüglich feiner An- sprüche auf lebenslänglihes Wartegeld; 2) der Entwurf eines Geseßes wegen Abänderung des Vereins - Zolltarifs; 3) der Entwurf eines Gesetzes über die Presse; 4) der Entwurf eines Gesetzes über die Regelung des Reichshaushalts vom Iahr 1872; 5) das mit Luxemburg unter dem 4. April d. I. abgeshlo}sene Uebereinkommen wegen des gegenseitigen Austaushes von Pofst- packeten; 6) der Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Nath- trag zum Reichshaushalts-Etat für 1873; 7) Mittheilungen über Meinungsverschiedenheiten, betreffend die Auslegung des L: 200 des deutshen Strafgeseßbuhes, und des §. 56 der

ewerbeordnung; 8) ein Antrag des Präsidiums, betreffend Bil- dung einer Cholera-Kommission; 9) ein Antrag Preußens, betreffend die Bestimmung über die Tara; 10) ein Antrag Sra betreffend die Errichtung eincs Ansage-Postens bei Lörrach.

Aus\chußberihte wurden exstattet über den Antrag Bayerns, wegen der vorbereitenden ges{häftlihen Behandlung der zur Vorlegung beim Bundesrathe bestimmten Gesetzentwürfe; \owie über den vom Reichstage beschlossenen Entwurf eines Gesetzes, wegen Abänderung des Artikel 32 der Verfaffung und über die Vorlage, betreffend den zweiten Additional-Postvertrag mit Schweden. Endlih wurde eine Eingabe vorgelegt.

Der Finanz-Minister hat die Provinzial-Steuerdirektoren ermächtigt, den Brauereibefißzern, gegen deren Zuverlässigkeit in steuerlicher Beziehung keine Bedenken obwalten, widerruflih zu gestatten, daß sie die dem fertigen Bier auf den Versandtfäfsern zuzuseßende Biercou!eur und andere steuerpflihtige Mal z- \surrogate in größeren Mengen zum Voraus deklariren und versteuern, dagegen von der jedesmaligen Anzeige der im einzel- nen Falle zu verwendenden Couleurmengen entbunden werden. Zur Verhütung von Mißbräuchen sind die Brauer zu verpflich- ten, über die von ihm zum Voraus im Ganzen versteuerten Malzsurrogate cin besonderes Kontobuch zu führen, welches in zwei Abtheilungen für An- und Abschreibung zerfällt. Jeder Zugang in der Abtheilung Anschreibung, welcher in dem nah Muster F. der Ausführungsbestimmungen zum Brauereigeseßze vom 31. Mai 1872 über die zur Bierbereitung be- stimmten Vorräthe an Zuckerstoffen 2c. zu führenden Kontobuche als Abgang erscheint, wird von der Hebestelle eingetragen, jeden Abgang dagegen hat der Brauer in der Abschreibung nah Gat: tung und Menge und unter Angabe der Zeit, sowie unter Na- mensbeishrift zu notiren. Derselbe haftet für die Richtigkeit der Abschreibungen, welhe unmittelbar vor der jedesmaligen Ver- wendung von Surrogaten geschehen müssen. Die Aufsichts- beamten, welhen das nach Anordnung des Bezirks-Ober-Con- troleurs aufzubewahrende Kontobuch jeder Zeit zur Einsicht vor- gelegt werden muß, haben die einzelnen Eintragungen fleißig zu prüfen, von Zeit zu Zeit das Konto abotllieben und den Be- fund im Kontobuche zu registriren.

Se. Majestät der Kaiser und König haben dem in München zufammengetretenen Komite zur Errichtung eines Denkmals für Justus von Liebig einen Beitrag von Eintausend Gulden zu spenden geruht.

Die Korvette „Ariadne“ is am 31, v. M. in Christian- \and eingetroffen.

Der General-Major, General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Inspecteur der Iäger und Schüßen von Stiehle, hat sich behufs Inspizirung der in dem west- lichen Theil der Monarchie garnisonirenden JIäger-Bataillone auf Dienstreisen begeben.

Der General-Major und General à la suite Sr. Ma- jestät des Kaisers und Königs, von Werder, Militär-Bevoll- mächtigter in St. Petersburg, is auf einige Tage von St. Peters- burg mit Urlaub hier eingetroffen und im Hotel du Nord ab-

gestiegen.

Der Generalftabsarzt der Armee, Geheimer Ober-Medi- ginal-Rath und 1. Leibarzt Sr. Majestät des Kaisers und Kö-

Station Neuendorf und von da per Bahn nah Berlin. Um 9 Uhr war in den Gemächern des Schah, im Pfeilersaal, Diner

nigs, Dr. Grimm, hat sich zum Gebrauche einer Badekur mit

und Abends wohnten die Allerhöhsten und Höchsten Herrschaften

Armee, von Schroetter, Militär-Bevollmächtigter in London ist mit kurzem Urlaub hier eingetroffen.

Der Flügel-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers von Rußland, Graf Kutusfoff, ist von St. Petersvurg hier an- gekommen.

Posen, 31. Mai. Der Ober-Präsident Günther reiste am Freitag Mittags von hier nah Bromberg ab, um sich die idi des dortigen Regierungs-Kollegiums vorstellen zu assen.

__ Bayern. München, 1. Iuni. Die Königin-Mutterx wird fich der „Allg. Ztg.“ zufolge am 10. Iuni auf längere Zeit ins Lechthal nah Tirol begeben. Während ihrer Abwesen- heit beabsfihtigt der König ‘einen Theil feines Höflagers nah Hohenshwangau zu verlegen.

Prinz Adalbert und Gemahlin sind gestern Abend von der nah Italien unternommenen Reise zurückgekehrt und haben sofort das Schloß Nymphenburg bezogen.

Die in dem Regierungsblatte Nr. 35 publizirte Allcr- höchste Verordnung über die Prüfungen für das Lehr- amt an den humanistischen und technischen Unter- richtsSanftalten besteht aus 63 Paragraphen. Die neue Prü- fungsordnung schreibt zum größten Theil strengere Vorbedin- gungen vor als die ältere, nunmehr außer Kraft tretende. Die Erfüllung der strengeren Vorbedingungen wird für einzelne Ka- tegorien von Kandidaten noh innerhalb der nächsten zwei Jahre nahgesehen, zu den meisten Prüfungen werden jedoch \chon *in diesem Jahre nar Diejenigen zugelassen, welche die in der neuen Prüfungsordnung festgestellten Vorbedingungen erfüllt haben.

Nach derselben werden die Lehramtêprüfungen gesondert für den Unterricht 1) in den philologisch-historishen Fächern, 2) in den neuc- ren Sprachen, 3) in der Mathematik und Physik, 4) in der Chemie und Mineralogie, 5) in den beshreibenden Naturwissenschaften, 6) in der deutschen Sprache, der Geschichte und Geogravhie (Realien) an tehnischen Unterrichtsanstalten, 7) im Zeichnen und Modelliren, 8) in den Handelswissenshaften, 9) in der Stenographie, 10) in der Mag- \chinenfunde, Baukunde und Landwirthschaft alljährlich in München abgehalten. Sämmtliche Kandidaten für ein Lehramt an den huma- nistischen und technischen Unterrichtsanstalten Haben ihre Befähigung durch eine vor dèn_ Mitgliedern der Prüfungs-Komniission zu be- stehende theils schriftliche, theils mündlihe Prüfung Haupt- prüfung zu erweisen. Außerdem ist für einzelne Kate- gorien von Kandidaten die Befähigung zum Unterricht in den höheren Klassen an den Nachweis eingehender Spezialstudien dur eine freie wissenschaftliche Abhandlung und ein sich daran shließendes Kollo- quium Spezialprüfung geknüpft! Zur Spezialprüfung können zugelassen werden aus der klassischen Philologie Diejenigen, welche die Hauptprüfung mit der ersten oder zweiten Note, zu der aus der Geschichte Jene, welche die Hauptprüfung mit der ersten, zweiten oder dritten Note bestanden haben; Kandidaten des philologisch-historischen Lehramtes, welche überdieß ihre Befähigung zur Ertheilung des Unter- richts im Mittelhochdeutshen und in der deutschen Literatur- geshihte darthun wollen, haben in einem speziellen Kolloquium ihre bezügliche Kenntniß zu beweisen; zur Spezialprüfung aus den neueren Sprachen können nur diejenigen Kandidaten zugelassen werden, welche die Hauptprüfung mit der ersten oder zweiten Note bestanden haben. Die Kandidaten der fklassishen Philologie, welhe die dur das Bestehen des Spezial-Eramens bedingten Rechte erwerben wollen, haben sich demselben -innerhalb dreier Jahre nach bestandener Haupt- prüfung zu unterziehen. Die Kandidaten, welche die Spezialprüfung in den neueren Sprachen mit Erfolg bestanden haben, erhalten die Befähigung zur Anstellung als Lehrer an allen Klassen fämmtlicher humanistisher und technischer Unterrichtsanstalten.

Sachsen. Dresden, 30. Mai. Der Graf und die Gräfin von Flandern sind heute Nachmittag von hier nah Brüssel abgereist.

Sessen. Darmstadt, 29. Mai. Der Synodak-Au s- \chuß tritt am 24. Juni d. I. wieder zusammen, um seine Referate über den Kirchenverfassungsentwurf einer zweiten Be- rathung zu unterziehen.

Nach Mittheilung an die Stände beabsichtigt die Regie- rung, die Gehalte der Beamten, ftatt quartaliter, künftig mo- natlih auszahlen zu lassen, und is deshalb an der Haupt- Staatskasse eine Stellenvermehrung in Ausficht genommen.

Sachsen - Weimar - Eisenach. Weimar, 31. Mai. Der Erbgroßherzog ift heute Nahmittag 5: Uhr mit Exrtra- zug von seiner Reise zurückgekehrt. Die Großherzogin und die Prinzessin Elisabeth waren dem Erbgroßherzog bis Kösen ent- gegen gefahren. Auf dem Bahnhofe wurde Se. Königliche Hoheit von dem Staats-Ministerium, den Hofftaaten, dem Offizier-Corps und den Gemeindebehörden empfangen und von zahlreichen Be- wohnern der Stadt auf das Freudigste begrüßt.

Nah einer heute erschienenen Ministerial-Bekannt- machung werden die Abgeordnetenwahlen für den näch- sten ordentlihen Landtag in den Monaten September und Oktober stattfinden.

Sachsen - Coburg - Gotha. Coburg, 29. Mai. Der Landtag des Herzogthums hat dem „Fr. I.“ zufolge die Be- rathung der Vorlage des Staats-Ministeriums in Betreff der Aufhebung der vier JIustizämter in Roda, Neustadt, Sonnefeld und Königsberg in Fr., sowie die Errichtung eines Grundbuchs- und Hypothekenamtes hier, zur Zeit abgelehnt, jedoh beim Mi- nisterium beantragt, die genannten Gerichtsftellen bei inzwischen eintretender Vakanz, wenn thunlich nur durch je einen richter- lichen Beamten verwalten zu lassen. Motivirt wird dieses Votum hauptsählich damit, daß bei den in Aussicht stehenden Reichs- geseßen die Bildung größerer Gerichtsbezirke - ohnehin zu erwar- ten sei und dur die vorgeschlagene Einziehung der bezeichneten Zustizstellen die Ersparniß nicht erzielt werden würde, welche eine so durchgreifende Aenderung in der Iustiz-Organisation des Herzogthums rechtfertigen könnte.

Anhalt. Dessau, 30. Mai. Der Herzogliche Hof hat geftern Abcnd die Stadt verlassen, um seinen Sommerauf- enthalt vorläufig in-Wörlißz zu nehmen. Daselbst wird in kurzer Zeit die feierlihe Konfirmation der Prinzessin Elisa- beth, ältesten Tochter Sr. Hoheit des Herzogs, stattfinden. Deend Eduard wird morgen von Ballenstedt in Wörlißz ein- effen.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 3. Iuni. (W. T. B.) Die Wahl der Bezirks- und Gemeindevertretungen E ist auf den 21. und 22. Iuni d. I. fest- geseßt. :

Desterreich - Ungarn. Wien, 1. Zuni. Der Kaiser von Rußland nebst Gefolge um 25 Uhr Nachmittags am Nordbahnhofe Der Kaiser von Desterreich war

Gänserndorf entgegengereist, wohin \sch auch bereits der russische Gesandte nebst dem Personal der Gesandtschaft und

(W. T. B.) ift heute angekommen. demselben bis

verlängertem Urlaub nah Kissingen begeben.

mehreren hohen russischen Militärpersonen begeben hatte, Der

Der Oberst-Lieutenant aggregirt dem Generalstabe de ck

Hofzug mit deu rusfischen Herrschaften fuhr um 12 Uhr 40 Mi- nuten in den festlih ges{müdckten Bahnhof ein. Der Kaiser von Oesterreich, in der Uniform seines russishen Grenadier-Regiments mit dem Bande des Andreas-Ordens, trat, gefolgt von dem Ge- neral-Adjutanten Grafen Bellegarde, an den Salonwagen heran, aus welhem sofort der Kaiser von Rußland ihm in der Uniform eines österreichishen Kavallerie-Generals, ge- {chmückt mit dem Bande des Stephan-Ordens, entgegen- eilte. Beide WMonarhen umarmten und küßten ih mehrere Male herzlichs|. Nah der Begrüßung des Großfürsten- Thronfolgers nebst seiner Gemahlin und des Großfürsten Wla- dimir, reihte der Kaiser von Oesterreich der Gemahlin des Großfürsten, Thronfolgers den Arm und begaben sich die Hohen Herrschaften in den Hof-Wartesalon, wosclbst sodann die Vor- stellung der beiderseitigen Suiten stattfand und ein Dejeuner eingenommen wurde. Um 13/4 Uhr erfolgte sodann die Abfahrt nach Wien, wobei der Kaiser von Oesterreich mit den russischen Herrschaften in einem Hof-Salonwagen fuhr. Um 21/5 Uhr langte der Hofzug in Wien am Nordbahnhofe an, der in allen seinen Räumen festlich geschmück war. Hier erwartete die Kaiserin mit dem Kronprinzen und sämmtlichen Erz- herzögen und Erzherzoginnen die Ankunft der Hohen Gäste. Ebenso hatten sich der Fürst von Montenegro, das diplo- matische Corps, der Statthalter, der Landeskommandirende, der Bürgermeister von Wien und die Spitzen der Behörden am Bahnhofe eingefunden. Nach gegenseitiger herzliher Begrüßung und Vorstellung, während welher von der Musik der Ehren-

«Compagnie die russishe Nationalhymne gespielt wurde, bestiegen

beide Monarchen, sowie die Kaiserin einen Hofwagen und fuhren nah Schönbrunn, während der Großfürst- Thronfolger nebst Gemahlin «nd Großfürst Wladimir sich nah der Hofburg be- gaben. Uw 6 Uhr fand das Familien-Diner zu Schönbrunn statt; Abends ist Soirée bei dem russishen Gesandten. Troß der ungünstigen Witterung hatte sich eine fehr zahlreihe Menschen- menge an dem Bahnhof und in den Straßen versammelt.

tach dem offiziellen Programm i für Montag der erste Besuch der Weltausstellung in Ausficht genommen. Am Mittwoch findet eine große Militärparade statt. Am Sonnabend, den 7. Juni, werden die hohen Herrschaften Wien wieder verlassen.

Auch der „Pesther Lloyd“ dementirt auf das Ent- \chiedenste das Gerücht von einer beabsichtigten Konvertirung der ungarischen Staats\chuld.

Am 4. d. M. wird vor dem Kaiser von Rußland eine große Parade stattfinden, zu welcher 58 Bataillone, 181/, Es- cadrons und 88 Geschüße ausrücken.

Der Kaiser hat am 29. v. M. den Herzog Georg von Mecklenburg vor dessen Abreise empfangen.

Am vorgestrigen Tage notifizirte der am hiesigen Hofe beglaubigte Botschafter der franzöfishen Republik Marquis de Banneville den stattgehabten Regierungswechse!.

Pesth, 30. Mai. Das Abgeordnetenhaus verhandelte in der heutigen Sißung über den Bericht des Petitionsaus- \chufses.

Schweiz. Bern, 2. Juni. (W. T. B.) Der Bundes- rath hat, nahdem ihm durch den Herzog von Broglie die Mit- theilung von der Demisfion des Präsidenten Thiers und der Er- nennung Mac Mahons zum Präsidenten der französishen Re- publik zugegangen, an den \chweizerischen Gesandten in Paris, Dr. Kern, unterm 30. v. M. eine Note gerihtet, in welcher er dem Marschall Mac Mahon feine besten Wünsche für die glück- liche Weiterentwickelung der Republik unter seiner Präsidentschaft aus\priht. Die ultramontanen Mitglieder des Berner großen Raths haben gegen das neue Kirchengesez Protest erhoben.

Wie aus Aarau gemeldet wird, haben auch 47 Mit- glieder des dortigen großen Raths gegen die Amtsentsezung des Bischofs Lachat und deren möglihe Konsequenzen protestirt.

Genf, 1. Juni. (W. T. B.) Der große Rath von Genf hat gestern Abend die Berathung über das neue tatho- lishe Kultusgesez begonnen. Ueber eine Position des politischen Flüchtlings Cyrille, in welcher derselbe gegen den ihm zugegan- genen Aus1beisungsbefehl protestirt, wurde eine Diskussion gar nit beliebt. Die von der Polizei gegen die politishen Flücht- linge ergriffenen Maßregeln wurden vollständig gebilligt.

Olten, 2. Juni. (W. T. B.) Der hier versammelte \chweizerishe Arbeiterkongreß erklärte fich -in seiner gestrigen Sizung mit dem Langenthaler Programm des Grütli- Vereins, welches in erster Linie eine Bundesrevision in freiheit- lihem, fortschrittlihem und nationalem Sinne verlangt, einver- standen. In der heutigen Sißung wurde die Errichtung von Korporativgesellshaften, von Arbeiternahweisungsbureaus und von Invaliden- und Sterbekafsen beshlofsen.

Großbritannien und Jrlanud. London, 30. Mai. Unter dem Borsiß des Prinzen von Wales fand geftern eine Sizung des Rathes der König Albert Halle statt, in wel- cher beschlossen wurde, dem Schah von Persien während seines Besuches in London ein glänzendes Fest in der Halle und in den anstoßenden Räumen der internationalen Ausstellung zu geben. Ein Komite, mit dem Prinzen von Wales als Prä- sidenten, wurde zur Ausführung der Details ernannt. 1

Der Lordmayor empfing dieser Tage von der persi- \hen Legation in London ein Schreiben, welches mittheilt, daß der Schah die Einladung zu dem ihm von der Korporation der City von London angebotenen Feste in -der Guildhall ange- nommen hat. Es wurde beschlossen, dem Schah bei dieser Ge- legenheit in einem werthvollen goldenen Kästhen eine Adresse zu überreichen. R

In Keyham is ein Befehl der Admiralität eingetroffen, vier Monitors bis zum 17. d. in Bereitschaft zu sehen, damit fie fich dem Panzergeschwader, das dem Schah von Persien über den Kanal als Ehrenesforte dienen soll, anschließen können.

Frankreich. Paris, 31. Mai. Das „Iournal officiel“ veröffentliht die Vorschriften, nah welchen zur Bestimmung _des Tonnengehalts der Schiffe nah dem in England gebräuch- lihen Systeme zu verfahren ift. E u M! E der Minister des Innern an

ie Präfekten richtete, lautet:

S M Versailles, 25. Mai.

Der Präsident der Republ:k hat mir die Direktion der inneren Angelegenheiten im neuen Ministerium anvertraut, welches folgender- maßen zusammengeseßt ift: (folgen die Namen). Keine Zweideutigkeit

darf den Charafter der Beschlüsse der Nationalversammlung ent-

stellen, denen sih die Regierung gewissenhaft fügen wird, denn nichts

ist in den Institutioneu Frankreichs geändert. Der Präsident der Re- publik übt die Regierung auf Grundlage derselben Gejeße wie sein Aotinter aus. as die Politik des neuen Ministeriums betrifft, so

ist dieselbe entschieden konservativ. H E E O Der Minister des Innern Beul é.

Die Kommission für die Reorganisation der Ar- mee wird in den nächsten Tagen ihren Entwurf auf den Tisch des Hauses legen. Die Hauptpunkte dieses dem Entwurfe des Herrn

Thiers entgegengestellien Entwurfes sind folgende: „Die Armee wird in 14 Kommandos von territorialem Charakter eingetheilt ; die Chefs dieser Kommandos werden alle vier Jahre gewechselt.“ Die Gnadenkommission vereinigte fich heute Morgen; dieselbe hat noch ungefähr 2000 Akten durhzusehen.

Die „Correspondence Havas“ meldet, die Regierung habe die Absicht, nah Pfingsten einen neuen Entwurf des Wahl- gesetzes vorzulegen, für welhen fie die Dringlichkeit verlangen würde; das Budget soll dann folgen und die Nationalver- sammlung bis zum 1. Oktober Ferien haben.

Der neue Kriegs-Minifter du Barail ift Divisions- General und war bisher Kommandant des dritten Corps der Armee von Versailles. Derselbe wor während der Vorgänge im Parlament vom 24. Mai in Stockholm, wo er im Auftrage des Herrn Thiers bei der Feier der Krönung des Königs von Schweden Frankreich vertrat. Was seine frühere militärische Laufbahn betrifft, so legte er dieselbe größtentheils in Algier zurück. 1842 Unter-Lieutenant, 1844 Lieutenant und 1848 Haupt- mann bei den Spahis, wurde er 1853 Escadronshef. Am 9. Dezember 1854 zum Oberst-Lieutenant und Ober-Komman- danten von Laghonat befördert, ließ er fich bald darauf zu den Garde-Jägern verseßen. 1857 zum Obersten des ersten Kürassier- Regiments ernannt, kehrte er nah Algier zurück und übernahm das 3. JIäger-Regiment. Im mexikanischen Feldzuge wurde er 1863 zum Brigade-General ernannt und erseßzte den General Mirandol im Kommando der Kavallerie-Brigade. 1870 wurde er Divisions-General und erhielt das Kommando einer Kavallerie- Brigade der Garde. Nach dem Kriege befehligte General du Barail das 111. Corps der Armee von Versailles.

(W. T. B.) Der Papst hat, dem Vernehmen nah, dem Präsidenten Marshall Mac Mahon ein Be- glückwünschungs\chreiben übersandt, worin er die Hoffnung ausspriht, daß Mac Mahon der Kirche alle wün- \schenswerthen Dienste leisten werde. Nah Empfang dieses Schreibens soll Mac Mahon den päpftlihen Nuntius beauftragt haben, den Papfsi seiner ganzen Ergebenheit zu versichern.

2. Juni. (W. T. B.) Der Minister des Innexn fordert die Präfekten in einem Rundschreiben auf, fich an die Spitze aller „echrlihen Leute“ ohne Unterschied der Parteien zu stellen und maht ihnen die gewissenhafteste und peinlichste Beobachtung der Geseße zur Pfliht. General Leflô behält den Botschafterposten in St. Petersburg. General Ladmirault ist zum Oberkommandirenden der Armee von Versailles ernannt worden und behält daneben den Posten eines Gouverneurs von Paris bei. Dem Präsidenten der Republik, Marschall Mac Mahon, ift das bereits erwähnte Glückwunschschreiben des Papstes zugegangen. In einem von dem Centralvorstande der In- dustrie und Handelskammern erstatteten Berichte wird her- vorgehoben, daß das Geschäft seit der Ernennung des Marschalls Mac Mahon zum Präsidenten der Republik einen ganz erheblichen Aufshwung genommen habe. Prinz Napoleon hat beim französfishen Konsul in Mailand um Ausfertigung eines Passes nah Frankreih nachgesucht und die Regierung hat den Konsul zur Ausstellung dieses Passes ermächtigi. Man nimmt an, daß die Absicht des Prinzen blos dahin gegangen fei, sein formelles Recht zur Rükkehr nah Frankreih zu konstatiren, daß er vor- läufig aber die Rückehr nah Frankreih noch verschieben werde. Der Prinz von Joinville hat bei einer Bezirksausstellung in Langres eine Rede gehalten und dabei unter Anderem erklärt :

„Unsere Hauptstüße war bisher der Präsident Thiers, dessen große Verdienste noch in Aller Erinnerung find; jeßt hat uns das gebieterische Bedürfniß der Sicherheit um den ritterlichhen Verwunde- ten von Sedan geschaart, dessen Muth, dessen Loyalität Jedermann gleih großes Vertrauen einflößen.

Der Graf von Paris, welcher am Dienstag dem neuen Präsidenten seinen Besuch gemacht hatte, empfing gestern den Gegenbesuch desselben. Am nächsten Sonntag wird der Prä- fident Mac Mahon über die Armee von Versailles Re- vue abhalten. Graf Beu st is am Sonnabend hier einge- troffen. Der \ih hier aufhaltende Fürst Bibesco, früherer Hospodar der Walachei, is gestorben.

Spanien. Madrid, 2. JIuni. Die konstituirenden

Cortes sind gestern zusamwengetreten. Der Minister der Aus- wärtigen Angelegenheiten Castelar richtete bei der Eröffnung

eine Anrede an die Versammlung, worin er die Befriedigung | der Regierung ausdrückt, ihre Gewalt der Kammer übergeben zu |

fönnen. Er fonstatirt, daß in den \{chwierigen Augenblicken fein Blutstropfen vergossen und daß die Republik ausgerufen worden sei, weil die September-Revolution ihrem Wesen nah gegen die Monarchie gerichtet und die Republik die Konsequenz derselben war. Er legtevonden Schwierigkeiten Rechenschaft abund erklärte, man habe eine Regierung der Versöhnung gewollt; dur den Ehrgeiz der Einen und den Widerstand der Andern aber fei diese Versöhnung gescheitert. Noch jeßt werde von einigen Ministern dieser Bruch als ein nicht mehr gut zu machender politisher Fehler betrachtet. Die versuchte Vertagung der Wahlen stellte er als ungeseßlih dar. Er erklärte den Kampf der Regierung mit dem ständigen Aus\huß und die Ursachen und Gründe, welche sie dazu bestimmten, ihn aufzulösen. Die Auflösung sei geschehen, um die militärische Diftatur zu vermeiden und die Republik zu retten. Troß ihres Sieges habe \fich die Regierung kein revo- lutionäres Recht aneignen wollen; als eine Regierung der Ge- sezlichkeit habe fie \sich in den Grenzen des Gesezes gehalten, und ihre größte Sorge sei die Sicherung der Wahlfreiheit ge- wesen.

/ Der Minister-Präfident Figueras erkannte in seiner A n- \prache an, daß Europa die Proklamation der Republik mit Mißtrauen betrachtet habe; dieses Mißtrauen komme aber daher, daß Europa an der Befähigung Spaniens für diese Regierungs- form zweifelte. Eine ausländische Einmischung fei aber nicht mehr möglich. Die Nation von 1808 würde von allen Nationen geachtet und könne si die ihr beliebende Regierungsform geben. Die Anerkennung der Republik hänge nur von der inneren Ordnung ab, denn Europa sei überzeugt, daß Spaniens Re- publik nihts mit einer europäishen Revolution gemein habe und auf keine Gebietserweiterung Anspruch mache. In der Armee sei die Indisziplin vollständig abgestellt; das Soldatenhandwerk werde eine Lebenslaufbahn und die Offiziere würden be- lohnt werden. Er rieth große Thätigkeit zur Unterdrückung des Bürgerkrieges an, versprach organisatorische Geseße für die Magistratur und Trennung von Kirche und Staat. Die Lage der Finanzen sei traurig, doch seien seit Herstellung der Republik die Anleihen zu 12 Prozent und nicht zu 21 Prozent, wie zur Zeit der Monarchie gemacht worden. Neue Reformen würden die Ausübung der Verpflihtungen der Nation erleich- tern. Ein Versöhnungsgeseß für die Antillen werde vorbereitet, die Sklaverei auf der Insel Cuba aufgehoben werden. Die Ma- rine sei in neuer Entwicklung. Der Präsident ermahnte die Versammlung am Schluß: „Schließen wir die Zeit der Revo- lutionen, besänftigen wir die Geister, statt fie aufzuregen, versöh-

nen wir die Bürger, statt sie zu theilen, gründen wir eine Gesegzlichkeit, welhe Alle lieben, weil Alle praktisch ihre Vortheile genofsen haben.“

Bei Bildung eines provisorishen Bureaus wurde Orense zum Vorfizenden desselben gewählt ; die hierguf gewähl- ten vier Vize-Präfidenten gehören zu der Regierungspartei. Nach dem Schlusse der Sitzung defilirten die Truppen und die Freiwilligen der Republik vor den Kongreßmitgliedern unter Hochs auf die Kortes, die Republik und die Regierung.

In den nit von Carlisten beseßten oder beunruhigten Provinzen herrscht, wie aus Regierungskreisen gemeldet wird, Ordnung und Ruhe.

Nachrichten zufolge, welche der „Agence Havas* zuge- gangen sind, hat der Prätendent Don Carlos die Freilassung aller derjenigen gefangenen Offiziere angeordnet, welche ih verpflichten, nicht wieder gegen die Carlisten zu fechten. Vom „Univers“ war gemeldet worden, daß General N ouvilas bei Arroniz in Navarra geschlagen und verwundet worden sei; dem gegenüber bringt heute ein Telegramm aus Bilbao die Nachricht, General Nouvilas habe die aus den Gebirgen füh- renden Päffe beseßt und dränge die Carlisten nach der Scee- küfte zu.

Italien. Rom, 3. Iuni. (W. T. B.) Der deutsche Ge-

sandte von Keudell if gestern hier eingetroffen. Die De- putirtenkammer hat den Geseßentwurf, durch welchen der

. Postkartenverkehr (Portosaß von 10 Centimes für die Postkarte)

eingeführt wird, genehmigt.

Turin, 2. Juni. Dem Herzog von Aosta wurde heute von einer Deputation eine Bürgerkzone überreiht. Der Herzog dankte für die. ihm dadurch erwiesene Auszeihnung und hob hervor, daß er dieselbe annehme, da er darin eine seiner Eides- treue und seiner Loyalität gezollte Anerkennung erblicke.

Türkei. Konstantinopel, 24. Mai. Der Khedive ist mit seinem Sohne und Schwiegersohne zu einem zweimonat- lichen Aufenthalte hier angekommen. Außer dem Gesandten von Kaschgar, Yakub Bey if gegenwärtig auch cin Gesandter von Atchin, Abdul Rahmann el Zaher Effendi hier anwesend.

1. Juni. (W. T. B.) Der britishe Gesandte hat, wie die „Agence Havas-Reuter“ meldet, der Pforte gestern offiziell angezeigt, daß Großbritannien mit den vorgeshlagenen ägyp - tishen Gerihtsreformen einverstanden fei. Seit 4 Ta- gen haben s\echs mehr oder weniger große Feuersbrünste stattgefunden.

Numáänien. Bukarest, 31. Mai. (W.T. B.) Fürst Karl beabsichtigt in der Mitte kommenden Monats sich nah Neuwied zu begeben, wohin die Fürstin Elisabeth mit ihrer Tochter bereits gestern abgereist ift.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 31. Mai. Der Kaiser, der Großfürst-Thronfolger und seine Gemahlin, sowie der Großfürst Wladimir haben gestern Abend über War- schau die Reise nah Wien angetreten.

(W. T. B.) Das Turkestan-Detachement lagerte, einer Mittheilung des „Russischen Invaliden“ zufolge am 29. April an der Grenze von Chiwa. Das Orenburg-Detachement langte am 12. Mai in Urga an und fette von dort seinen Marsch nah Kunzgrad weiter fort.

Ueber den Feldzug gegen Chiwa schreibt der R: J!

Das Mangyschlaksche Detachement, welches am 26. April in drei Echelons aus Kinderli ausrückte, konzentrirte sih am 30. bei dem Brunnen Senek, nachdem es eine wasserlose Strecke von §80 Werst bei 37 Grad Hiße und einem sengenden Südwird zurügelegt. Am an- deren Tage in Bisch-Akty angelangt, wo {hon vorher eine Redoute erbaut und mit einem gezogenen Geshüß armirt worden war, ließ es daselbst eine Garnison von 2 Compagnien und einer Ssfotnja Kosaken zurück und rückte darauf am 2. Mai in der Stärke von 10 Com- pagnien Infanterie, 4 Ssotnien Kosaken und 4 Geschüßen nah dem Brunnen Bussatscha (ungeführ 70 Werft östlich von Bisch-Aky) wei- ter vor.

Von dem Brunnen Busatscha hatte man die Absicht, das Man- gyschlafsche Detachement in zwei Kolonnen nah Tabvn-fsu vorzuschieben, um den durh Wassermangel ciwa entstehenden Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen. Die erfte Kolonne jollte die nördlihe Richtung nach den Brunnen Af-kuruf, Karsak und Sunatemir einschlagen, die zweite südlicher über Ilteidshe direkt auf Tabyn-su marschiren.

Den neueîten Nachrichten vom 13. Mai zufolge ist das Detache- ment wohlbehalten bis Ilteidshe gelangt und hoffte am 19. Mai bei Aibugir einzutreffen. In Jlteidshe ift gleihfalls ein Stüßpunkt an- gelegt und mit einer 2 ompagnie beseßt worden. Der Gesundheits- zustand der Truppen läßt nichts zu wünschen übrig.

Wie aus dem Vorstehenden ersichtlich, ist diese Nachricht vom Mangyschlafs{hen Detachement abgegangen, bevor Oberst Lomakin den Befehl des General-Lieutenants Werewkfin erhalten hatte, nach wel- chem das Mangyschlaksche Detachement nicht, wie anfänglich beab- sichtigt, nah Aibugir, sondern nach der Spiße Urgu dirigirt werden jollte, um sich mit den Orenburger Truppen zu vereinigen.

2. Juni. Die vom „Giornale di Firenze“ hierher ge- meldete Nachricht, daß der Papft bei dem ihm von der Kai- serin von Rußland abgestatteten Besuche die Verwendung der Kaiserin für Gewährung von Freiheiten an die katholische Kirche in Polen nahgesuht und daß die Kaiserin diese Verwen- dung auch zugesagt habe, entbehrt, wie aus gut unterrichteter Quelle verlautet, jeder Begründung. Der Besuch der Kaiserin beim Papste war lediglih ein Aft der Courtoifie, welchem irgend eine Art von politischer Nebenbedeutung nicht beiwohnte. Der Minister des Innern, General A. Timascheff, hat fi zu einer Inspektionsreise in die Provinzen begeben.

Dänemark. Kopenhagen, 29. Mai. Die Münz- Konvention zwishen Schweden und Dänemark i|, der „Berl. Tid.“ zufolge, am 27. d. M. vom \{chwedis{-norwegi- \{chen Minister, Baron Beck Fris und dem dänischen Minister des Aeußeren, Baron Rosenörn Lehn hier unterzeichnet worden.

31. Mai. (W. T. B.) Die Königliche Familie hat heute die Sommerresidenz in Freedensborg bezogen; von einer Reise des Königs nah Wien i in sonst gut unterrichteten Kreisen bis jezt nihts bekannt.

Amerika. Washington, 2. Juni. (W. T. B.) Der Sekretär des Schatzes hat für den Monat Juni den Verkauf von 7 Mill. Doll. Gold und den Ankauf von 1 Mill. Doll. Bonds angeordnet. Der Rest der Modoc-Jndianer hat sich leßten Freitag ergeben. Kapitän Jack und drei seiner Anhänger haben fih durch die Flucht gerettet.

Kunft und Wissenschaft.

Düsseldorf, 31. Mai. Der Professor der Kupferstecherkunst, Joseph von Keller, ist gestern im Alter von 62 Jahren ver-

storben. ; i Straßburg, 30. Mai. Vorgestern Nachmittags 4 Uhr fand

in der Afademie hierselbst die konstituirende Zusammenkunft der von dem

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