1873 / 132 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Jun 1873 18:00:01 GMT) scan diff

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Nichtamkliches. Deutsches Neich.

Preußen. Berlin, 6. Iuni. Se. Majestät der Kaiser und König empfingen heute früh den General-Adju- tanten von Boyen und hörten \päter die Vorträge der Hof- marschälle Graf Pückler und Graf Perponcher, des Ober-Cere- monienmeisters Grafen Stillfried, sowie ‘des Ministers des König- lichen Hauses, Freiherrn von Schleinig.

Ferner empfingen Se. Majestät den Prinzen Albrecht, Kö- nigliche Hoheit, Höchftwelcher sh vor der Abreise nah Schlesien verabschiedete.

Ihre Durchlaucht die Frau Fürstin v.on Lieg- nig is gestern Abend in Homburg sanft verschieden.

Se. Majestät der Shah von Persien begaben Sih gestern Vormittag um 12 Uhr mit zahlreichem Gefolge und den zur Dienstleistung kommandirten Offizieren nah Potsdam, wo Allerhöchsiderselbe auf dem Bahnhofe vom Ober-Präfidenten der Provinz Brandenburg von Iagow und dem Polizei-Präsidbenten Engelken empfangen und demnächst nah dem Stadtshloß ge- leitet wurde. Mit demselben Extrazuge hatte Sih auch Ihre Majestät die Kaiserin-Königin in Begleitung Ihrer Kö- nigen Hoheiten der Prinzessin Friedrich Carl nebst Höchst- deren Prinzesfinnen-Töhhtern und des Prinzen Albreht, sowie eines zahlreihen Gefolges nah Potsdam begeben.

Im Lustgarten war die gesammte Garnison von Potsdam

in Parade aufgestellt. Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kronprinz hatte kurz vor dem Eintritt des Schahs die Front abgeritten und die Honneurs -der Truppen in Empfang genommen. Der Schah nahm dieselben von der Rampe ‘des Schlosses aus entgegen und ve- gab Sih sodann in * das Innere des Stlosses, wo in den nach dem Lustgarten hingelegenen Gemächern Ihre Majestät die Kaiserin, die Prinzessinnen des Königlichen Hauses, die Prinzen Friedrich Wilhelm und Heinrich zu Seinem Em- pfange Sich versammelt hatten, Der Schah sah an der Seite Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin von dem Eckfenster der etrurischen Gallerie aus dem Vorbeimarsh der Truppen zu. Die Parade kommandirte der Commandeur der 1. Garde-Infanterie- Divifion, General-Lieutenant von Pape, an der Spitze des 1. Garde- Regiments z. F. ritten Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kronprinz, Ihre Königlichen Hoheiten Prinz Carl und August von Württemberg als à la suite des Regiments und salutirten im Vorbeireiten vor dem Hohen Gaste. Der Vorbeimarsh erfolgte in nachstehender Ordnung: das 1. Garde - Regiment z. F., das Lehr - Infanterie - Bataillon, die Unteroffizier - Schule, das Garde-JIäger- Bataillon. Den Vorbeimarsh der Kavallerie eröffnete das Regiment der Gardes du Corps, dann folgten das Garde-Husaren-Regiment, das erste und dritte Garde-Ulanen- Regiment. Der Vorbeimarsch erfolgte bei der Infanterie in Compagnie-, bei der Kavallerie in Schwadronsfront.

Nach der Parade wurde in den Sälen des Stadtschlosses ein Frühftück \ervirt, woran die Allerhöhsten und Höchsten Herr- \chaften und deren Gefolge, sowie sämmtlihe in Parade gestan- dene Stabsoffiziere Theil nahmen. Nach dem Frühstück begab Sich Se. Majestät der Shah nah dem Neuen Orangerie-Gebäude, dessen prächtige Räume dem Hohen Gaste besonders zuzusagen schienen und von da aus nach Schloß Ba- belsberg, wohin Ihre Majestät die Kaiserin-Königin nah dem Frühstück bereits vorausgefahren wär. In dem Speisesaal des Schlosses fand um 6 Uhr ein Diner statt, an welchem Ihre Majestäten, ferner Ihre Kaiserlihen und König- lihen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin und sämmtlihe hier anwesenden Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, sowie 14 der vornehmsten Herren aus dem Gefolge des Schahs theilnahmen. Unter den blühenden Bäumen der Terrasse, außerhalb des Speisesaales, spielte die Musik des 1. Garde-Regiments. Nach aufgehobenem Diner machte der Schah mit einigen Herren Seines Gefolges einen Spaziergang dur den im üppigsten Frühlings\{mudcke prangenden Park von Babelsberg, und Ihre Majestät die Kaiserin folgte in einem Halbwagen in der Absicht, dem Gaste die {chönsten Punkte des Parkes zu zeigen. Später äußerte Se. Majestät der Schah den Wunsch, das Grab König Friedrich 11. zu besuchen und fuhr vom Park von Babelsberg aus nah der Hof- und Garnison- kirhe von Potsdam; Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz geleitete den Hohen Gast zum Grabe Seines berühm- ten Ahnherrn. Von der Grabstätte aus kehrte der Shah nah dem Neuen Orangeriegebäude zurü.

Nach der Parade hatte sich der Haus-Minister des Schahs Actya-Khan in Begleitung des Vize-Ober-Ceremonienmeisters von Rödern nach dem Neuen Palais begeben, um Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzesfin den persishen Orden in Brillanten zu überbringen.

Unterdessen hatte sih auf dem halbrunden Plage vor dem Neuen Palais, . nah dem Park von Sanssouci hin, eine überaus prachtvolle Illumination vorbereitet. Die graziós gezeichneten Rabatten und Wege der Blumen - Anlagen waren mit weißen und farbigen Lampen ausgelegt, die Orangenbäume, die sich in Mitte der beiden Blumenparterres erheben, von den Stämmen bis in die Kronen mit solchen * bedeckt; der mittlere Baum in dieser Gruppe war von runden Bogen umgeben, die ebenfalls über und über mit bunten Lampen bedeckt waren und in denen große chinesische Laternen hingen. Die gene hohe dihte grüne Baumwand, die den Playg in einem Halbkreise abs{chließt, war an den Stämmen in bunten Sternen erleuchtet; aus den Baumkronéen \{himmerten ebenfalls folofsale Lampensterne, und das dunkle Laub wurde durch grüne bengalishe Feuer transparent erleuchtet, während die hohen Marmorstatuen davor in rosenrothem Brillantfeuer sirahlten. Nach drei Seiten hin eröffneten sich im Park von Sanssouci weite Perspektiven, die von erleuhteten Bogengängen gebildet waren, während im Vordergrunde, rechts und links vom Palais, Spaliere von hochbrennenden Flambeaux eine Fortsezung der Beleuchtung bis ins Unendliche zu bilden hien. Im Mittel- punkte erhob sich eine hohe Fontaine, die bald in rothem, bald in blauem, bald in goldigem Feuer zum nächtlihen Him- mel -emporstieg. Es waren zu diesem wahrhaft zauberhaften nächtlihen Schauspiel 60,000 Lampen, 1000 Ballons und un- zählige Flambeaux gebraucht worden; dreihundert Soldaten hat- ten das Anzünden beforgt. Der Anblick war überwältigend

ón, : 19 In dem Marmorsaale und in den Gemächern Ihrer Kaiser- lichen und Königlichen Hoheiten des Kronprinzen und der Kron- prinzessin hatte fh die zu dem Gartenfeste geladene Gesellschaft

Ihre Majestät die verwittwete Königin, Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzesfin Carl, Prinz und Prinzessin Frie- drich Carl, Prinzesfin Marie und Elisabeth, Prinz Albrecht, ae August und Wilhelm von Württemberg, der- Erbgroß- erzog von Mecklenburg - Streliß und Ihre Hoheiten der Herzog Elimar von Oldenburg, und Prinz Friedrich von Hohenzollern, im Marmorsaal - die übrige Gesell- i Von Berlin hatten Einladungen erhalten und waren er- schienen die Chefs der diplomatischen Missionen, die General- Feldmarschälle, die Minifter, die Generalität und die übrigen zur Berliner Hofgesellschaft gehörigen Pcrsonen, aus Potsdam die mit dem Hofe in Verbindung stehenden Kreise. j Se. Majestät der Schah traf gegen halb zehn Uhr ein

und wurde bei der Anfahrt vor dem Palais von dem Hofmar- \{hall Grafen zu Eulenburg, im Vestibule des Erdgeschosses von Sr. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen be- grüßt und in die oberen Gemächer geleitet, wo Allerhöchstden- selben Ihre Kaiserlihe und Königliche Hoheit die Kronprinzessin empfing, an Höchst deren Arm Se. Majestät der Schah in die Gemächer eintrat, um von dort aus den vollen großen Ueberblick über èas zauberhafte Lichtbild zu genießen. Nach einer Weile verfügten Sich die Allerhöhsten und Höchsten Herrschaften in die Gemächer des Erdgeschoßes und traten durch den Muschel- saal auf die Rampe, wo Teppiche gelegt und Fauteuils aufge- stellt waren, auf denen Sih Allerhöchst- und Höchdieselben nie- derließen, um unter den Tönen von zwei Musik-Corps die Pracht dieser in lihten Farben glühenden warmen Sommernacht zu be- wundern; in den Räumen rechts vom Muschelsaal war ein Büffet aufgestellt. Nach einer Stunde Aufenthalts verließen Se. Majestät der Schah und Ihre Majestät die Kaiserin, sowie die übrigen Höchsten Herrschaften das Palais, um theils nach Berlin, theils nach Glinike zurückzukehren. In dem Augenblicke, wo Ihre Majestäten die Abfahrt nahmen, leuhteten die Com- muns in ihrer reihen Architektur in rothem Brillant-Feuer, und hoben fich die dahinter liegenden dihten Baumgruppen in grünem Transparentlichte von der dunklen Nacht ab.

In der heutigen (46.) Sißung des Reichtags, der am Tische des Bundesrathes die Staats-Minister Delbrü und von Kameke mit zahlreihen Kommissarien beiwohnten, wurde zunächst die Genehmigung für die strafrehtlihe Verfolgung einer preußi- schen und einer bayerischen Zeitung nachgesucht, und diese Ange- legenheit in der üblihen Weise der Kommission für die Geschäfts- ordnung überwiesen. Nachdem sodann der zweite Additional- vertrag zum Postvertrag mit Schweden in dritter Berathung unverändert und definitiv genehmigt wor- den, trat das Haus in die zweite Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend außerordentlihe Ausgaben für die Jahre 1873 und 1874 zur Verbesserung der Lage der Unter- offiziere ein. Die Budget- Kommission hat die Annahme der Vorlage mit folgenden Abänderungen empfohlen: Die geforder- ten Summen sollen niht dem Kaiser, sondern nah der üblichen Sprache in der Reichsgesezgebung der Militärverwaltung über- wiesen werden (8. 1 und 2); außerdem hat der §. 2 dur den zugefügten Schlußsaß eine Einschränkung erfahren, gec en welche vom Tische des Bundesrathes kein Einspruch erhoben wurde. Die vom ganzen Hause, mit Aus\{chluß der Fortschrittspartei, ge- nehmigte Vorlage lautet: ;

8. 1. Zur Verbesserung der Lage der Unteroffiziere find ¡der Militärverwaltung für das Jahr 1873 1,412,219 Thlr. und für das Jahr 1874 1,882,958 Thlr. zur Verfügung. zu stellen, Die Verwendung diefer Summen erfolgk nah Maßgabe der Anläge. Zu demselben Zwecke sind Bayern für das Jahr 1873 192,778 Thlr. und für das Jahr 1874 257,038 Thlr. zu überweisen.

8. 2. Die nach der Bestimmung im §8. 1 der Militärverwal- tung zur Verfügung zu stellenden bezw. Bayern zu überweisenden Beträge werden den im §. 1 des Geseßes vom 9. Dezember 1871 (Reichs-Geseßbl. Seite 411) unter 1 und 2 aufgeführten Summen hinzugerechnet, jedoch mit der Maßgabe, daß dieselben nur zu dem im §. 1 bezeihneten Zwecke verwendet werden dürfen, die Erspar- nisse aber nah Maßgabe der Manquements in den verzeichneten Chargen zur Reichskasse zurückfließen.

In der Debatte wurde vom Abg. Frhr. v. Hoverbeck der

Standpunkt geltend gemacht, daß keine Mehrbewilligung für Militärzwecke zulässig sei, so lange das Pauschquantum bestehe und der Militäretat niht dem Reichstage zur Bewilligung vorge- legt sei. Dem gegenüber erklärten aber die Abgeordneten Lasker und Miquél, daß wirklihen Rothständen gegenüber auch während der Dauer des Pauschquantums der Reichstag \sich niht ablehnend verhalten dürfe, es sei denn, daß eine Herbstsession von den Re- gierungen angeseßt werde, in der der Militäretat zur Erledigung gebraht werden folle. Ohne eine solche Anordnung sei die For- derung der Regierungen {hon jeßt sofort zu bewilligen, und die große Mehrheit des Hauses trat dieser Auffassung bei. Nachdem alsdann der Gesetzentwurf, betreffend den Antheil des ehemaligen Norddeutshen Bundes an der französischen Kriegskosten-Entschädigung an die Budgetkommission verwiesen war, (eine Beschlußfassung, die aus der gestrigen Sizung noch restirte), berihtete Abg. Miquél Namens der Budget- Kommission über den Gesehentwurf, betreffend die Erweiterung der Dienstgebäude des Kriegs - Ministeriums und General- ftabes in Berlin, so wie der Militär - Erziehungs- und Bildungs - Anstalten, dem nah dem Vorschlage der Kommission fas unverändert die verfassungsmäßige Zustimmung ertheilt werden \oll. In eingehender Weise wies der Referent das Bedürfniß der Erweiterung nah, welches in Bezug auf das Kadettenhaus von dem Abg. Frhr. v. Hoverbeck bei Schluß des Blatts lebhaft bestritten wurde.

Die Kaiserli deutsche General-Direktion der Telegraphen hat soeben die Statistik des Verkehrs der Stationen des Deutschen Reichs-Telegraphen-Gebietes pro 1872 veröffentliht. Nach derselben umfaßte ‘das Deutsche Reichs- Telegraphengebiet im J. 1872 auf 8155,65 Qu.-Meilen 1391 Stationen, auf welchen im genannten Jahre 8,249,223 Depeschen aufgegeben wurden (außerdem haben noch 1667 Bahnverwaltungs- stationen Depéschen angenommen), wofür 3,474,806 Thaler an Gebühren, einkamen. Es entfiel auf je 5,8 Qu.-Meilen und 24,654 Einwohner eine Reihs-Telegraphenstation, auf je 1 Qu.- Meile 1011,5 Depeschen und 426,1 Thlr. Gebühren, auf je 1000 Einwohner 240,2 Depeschen und 101,2 Thlr. Gebühren. Unter den einzelnen Stationen wurden die meisten Gebühren für auf- gegebene Depeschen erhoben in Berlin 727,927 Thlr., Hamburg 405,788 Thlr., Frankfurt a. M. 265,602 Thlr. und Bremen 136,886 Thlr., Die Zahl der sämmtlichen verarbeiteten Depeschen betrug 30,901,135 Stü, davon fielen auf Berlin 5,052,798, Frankfurt a. M. 2,103,924, Cöln 1,699,408, Hamburg 1,344,566 Stück. Die Entwickelung des Telegraphenwesens im I. 1872 er- weisen folgende Zahlen (verglihen mit denjenigen des Jahres

Leitungen 13,219,6 (11,396,4) Meilen, Zahl der Stationen (ink, Eisenbahnen) 3058 (2615), der Apparate 3253 (2715), der Be-

10,158,041 (8,092,684).

Ter Oberst-Licutenant à la suite des Brandenbur- gishen Kürassier-Regiments (Kaiser Nicolaus 1. von Rußland) Nr. 6, von Diebit\ch, Inspecteur des Militär-Veterinär- wesens, is von der vor Kurzem angetretenen Dienstreise nach Karlsruhe hierher zurückgekehrt.

Gestern fand im Radziwillshen Schlosse Antonin (Provinz Posen) die Vermählung der Prinzessin Felice Radziwill, Tochter des verstorbenen Fürften Boguslaw Radziwill mit dem Reserve- Lieutenant im 7. österreihishen Ulanen-Regiment, Grafen Karl Clary und Aldringen, ältesten Sohne des Fürsten Edmund Clary und: Aldringen, ftatt.

Posen, 5. Juni. Die Königliche Regierung in Bromberg hat anlößlih der in Schulit unter Flößern vor- getommenen Erkrankungen unter dem 31. v. M. folgende Veror d=- nung erlassen:

Alle aus russisch Polen auf der Weichsel herunterkommenden Traften oder Kähne z verpflichtet, bei Schloß Hauland oder Schu- liß anzulegen. Gleich nach dem Eintreffen bei einer der genannten Ortschaften haben die Schiffer oder Traftenföhrer dem Bürgermeister Spieß in Sculiß oder dem daselbst stationirten Gensd'’arm ein na- mentliches Verzeichniß sämmtlicher auf dem Fahrzeuge befindlicher S einzureichen und von dem Gesundheitszustande der Mann- haft Bericht zu erstatten, fich auch durch Vorlegung des Revisions- \cheines darüber auézuweisen, daß die angeordnete fünftägige Qua- rantäne in Schillno gehalten worden ist. Alle cus Polen kommenden Flößer resp. Schiffer sind gehalten, sih einer ärztlichen Untersuchung zu unterwerfen und dürfen dieselben ohne Erlaubniß der Polizei- behörde fich nicht von Schuliß resp. Schloß -Hauland entfernen. Uebertretungen der vorstehenden Verordnungen werden mit einer FoltacUirose von 5—10 Thalern event. verhältnißmäßigèr Haft ge- ahndet. i

Vayern. München, 3. Juni. Der Königliche Staats- Minister des Innern, v. Pfeufer, hat einen sechswöcentlichen Urlaub angetreten und wird, wie es heißt, während seines Land- aufenthaltes sich mit den dem nächsten Landtag vorzulegenden Gesezentwürfen beschäftigen. Bei den Postämtern werden vom 1. Juli d. I. an ftatt der mit der Kafsaführung betrauten Offizialen eigene Kassiere ernannt werden, wodurch dem betref- fenden Postbeamtenperfonal ein eingreifendes Avancement in

siherer Ausficht steht.

Da der Kriegs-Minister Freiherr v. Pranckh einen kür- zeren Urlaub angetreten hat, is die Leitung des Kriegs-Miniz steriums interimistisch von dem General-Major Fortenbach über- nommen worden.

Wie der „K. v. u._f. D.“ vernimmt, werden bereits in allen Ministerien die eifrigsten Vorbereitungen für die Budgct- verhandlungen der nächsten Landtagssession getroffen. Eine aber- malige Erhöhung der Beamtengehalte wird dabei in fihere Aussicht gestellt. Wie man hört, soll die Form, in welcher diesmal die Erhöhung vorgenommen werden wird, eine zweifache sein. Zunähst soll nämlih der bisherige Betrag von Gulden auf je zwei Mark geftellt, und dann follen Wohnungsgelder eingeführt werden. Leßteres namentlih deshalb, um die Ungleich- heit zwischen den Angestellten auszugleichen, die auf dem Lande und jenen, die in den Städten wohnen.

Nürnberg, 4. Juni. Der König der Belgier fam heute Mittag gegen 3 Uhr mit dem Ostbahnzuge hier an. Von dem belgishen Konsul Platner begrüßt, benußte der König den halbftündigen Aufenthalt zu einer Rundfahrt durch die Stadt, a, alsdann mit dem Würzburger Postzuge die Reise fortzu- ehen.

Sachsen. Dresden, 5. Juni. Nachdem der Kron- prinz am 26. und 27. Mai die Bataillone der beiden Grena- dier-Regimenter, am 29., 30. und 31. Mai die Escadronen der 2. Kavallerie-Brigade Nr. 24 und die beiden reitenden Batie- rien besichtigt, hat derselbe geftern früh das Schüßen-Regiment Nr. 108 auf hiesigem Kavallerie-Exerzirplaß vor sih exerziren lassen, und werden weitere Besichtigungen durch Se. Königliche Hoheit an folgenden Tagen ftattfinden: Freitag, 6. Juni, 2. Ba- taillon 4. Infanterie-Regiments Nr. 103 bei Kamenz; Sonn- abend, 7. Juni, 1, und 3. Bataillon desselben Regiments bei Bauten, 3. Infanterie-Regiment *Nr. 102 bei Zittau; Montag, 9. Juni, 1. JIäger-Bataillon Nr. 12 bei Freiberg, 2. Abtheilung Feld-Artillerie-Regiments Nr. 12 „Divisions-Artillerie“ Freiberg ; Dienstag, 10. Juni, 1., 2. und 3. Escadron des Garde-Reiter- Regiments auf hiesigem Kavallerie - Exerzirplaß ; Mittwoch, 11. Juni, 4. und 5. Escadron desselben Regiments bei Pirna.

Meeklenburg-Schwerin. Schwerin, 5. Juni. Der Großherzog, die Großherzogin und die Herzogin Marie werden, wie die „Medckl. Anz.“ vernehmen, die Reise nach Wien zum Besuh der Ausstellung am Sonnabend, den 7. d. M., antreten.

Desterreich - Ungarn. Wien, 4. Juni. von Württemberg trifft Anfangs Iuli hier ein. Die Großherzogin-Mutter von Mecklenburg- Schwerin isst unter dem Namen einer Gräfin von Güstrow am 30. d. M. zum Kurgebrauche in Marienbad eingetroffen und daselbst im Tepler Hause abgestiegen.

Die Vermählung des Erzherzogs Karl Ludwig mit der Prinzessin Maria von Braganza findet im Verlauf der zwei- ten Hälfte des Monats Juni statt.

5. Juni. (W. T.-B.) Heute Nachmittag wurde zu Schönbrunn ein Familiendiner abgehalten, an wélche die beiden Kaiser, der Großfürst-Thronfolger nebs Gemahlin, der Fürst Wladimir, der Kronprinz Rudolf und der Großherzog von Weimar theilnahmen. Am Abend fand bei dem Erzherzog Lud- wig Victor eine Soirée ftatt. Auf dem gestern von dem Fürsten von G gegebenen Ballfeste waren der Kaiser von Oesterrei nebs Gemahlin, der Kaiser von Rußland, sämmt- lihe Mitglieder des Kaiserlihen Hauses, die hier anwesenden Fürstlichen Gäste mit ihrem Gefolge und die Mitglieder des diplomatischen Corps erschienen.“ Die Kaiserin verweilte bis 2 Uhr und die Großfürsten bis 35 Uhr.

Der Käiser von Rußland hat heute Mittag die Weltausstellung besucht. Se. Majeftät begab fich zunächst in die russishe Abtheilung und nahm dann auch noch einige -an-

Der König

versammelt, In diesen Ihre Majestät die Kaiserin-Königin,

1871): Länge der Telegraphenlinien 3839 (3385,6) Meilen, der

dere Abtheilungen in Augenschein. Graf Andrassy gab dem Fürsten Gortschakoff heute ein diplomatishes Diner.

amten 5569 (4596), der sämmtlihen Depeschen (inkl. amiliher(

Verhältniß auf 3000, 9500, 2000 Fres. festgesezt. Alle Acci-

17. d. von Schottland nah Schloß Windsor zurück. Der

ford in Heigh Hall.

lassen und unter der Esforte mehrerer Kriegsschiffe die Fahrt

Gäste eingeladen werden, darunter der Prinz und die Prinzessin

_— Der Erzherzog Ludwig Victor ift bei der gestri- gen Parade O Muiser von Rußland zum Inhaber eines russishen Infanterie-Regiments ernannt worden.

weiz. Basêl, 5. Iuni. (W. T. B.) Von der piesigen - Gbeugyost’ "cit bestätigt, daß der Bundesrath Schritte gethan habe, um den französischen Gesandten Lanfrey dahin zu bestimmen, daß derselbe auf seinem Gesandtschaftsposten in Bern verbleibe. z _

_— Der Gesetzentwurf über die Reorganisation des ï a- tholishen e MieRes: welcher dem Großen Rathe von Genf gegenwärtig vorliegt, folgt fast wörtlich dem Texte des Gesetzes über den protestantishen Kultus. Die fatholishen Wäh- ler jeder Kirchengemeinde wählen ihren Pfarrer selbst, ebenso einen Kirchengemeinderath von 5 weltlichen Mitgliedern. Ein

conseil supérieur“, bestehend aus 20 weltlichen und 5 geist- lichen Mitgliedern wird von der gesammten katholischen Wähler- haft des Kantons vermittelst |Listenskrutinium ernannt und it mit der allgemeinen Verwaltung betraut. Die Pfarrbesol- dungen werden für die verschiedenen Kirchengemeinden je nach

dentien sind- abgeschafft. j

oßbritannien und Jriand. London, 4. Juni. Der 5, of Fbr nach den bis jegt getroffenen Dispositionen am

¿nz und die Prinzessin von Wales begaben sih ge- Üa va Wigan T Lancashire, um daselb ein neues Kran- fenhaus zu eröffnen. Während ihrer Anwesenheit in Lancashire find Ihre Königlichen Hoheiten die Gäste des Earls von Craw-

Wie dem „Daily Telegraph“ aus Dover gemeldet wird,

eht es nunmehr feft, daß der Schah von Persien sih über

iesen Hafen na London begeben wird. Die Ankunft des Schahs in Dover wird am 18. d. erwartet. Se. Majestät wird Ostende um 8 Uhr Morgens in der Admiralitätsyaht „Vigilant“ ver-

Dover antreten. -Das aus vielleicht 20 Panzerfregatten be- Seide Kanalgeschwader wird dem Schah entgegensegeln und ihn nah Dover begleiten, wo der Prinz von Wales, der Herzog von Edinburgh und andere Personen von Distinktion ihn mit dem seinem Range gebührenden Pompe empfangen werden. Ein aus Kö- niglihen Salonwagen bestehender Separatzug wird alsdann den persishen Herrsber und sein Gefolge nah London führen.

- In der Londoner Guidhall werden jeßt die umfassendsten Vorbereitungen für den am 20. ds. stattfindenden Empfang des Schahs getroffen. Es sollen zu dieser Festlihkeit über 3000

ales und die übrigen Mitglieder der Königlichen Familie,

die Tréfien Staatswürdenträger, das diplomatische Corps, die Kabinets-Minister und andere Mitglieder der Regierung, das aus der Pairs, der Sprecher und eine Anzahl Mitglieder des Baues der Gemeinen -u. \. w. Pa _— Die amtlice „Gazette“ enthält das Verbot des BVer- faufs von Waffen und Munition an die Ashantis an der Gold- füste sowie der Einfuhr von Kriegsmatezuial in das Gebiet der- selben. Das amtlihe Blatt meldet ferner die Ernennung des Sir G. F. Bowen zum Gouverneur von Victoria, und des Sir B. Pine zum Lieutenant-Gouverneur von

Natal.

Fraukreich. Paris, 3. Juni. - Gestern wurde den Trup-

en der Armee von Paris und Versailles folgender Tages- ehl vorgelesen : E : E Sd m vom 31. Mai ernannte der Präsident der Republik den General Ladmirault zum Kommandanten en chef der Armee von Versailles, ihm zugleich die Funktionen eines Gouverneurs von Paris, Ober-Kommandant der ersten Militärdivifion, belasseud. Jn Ausfüh rung dieses Dekrets zeige 10 den E an, daß ih mein neues o von heute än übernommen habe.

S i Kommandant en chef der Armee von Versailles, Gouverneur von Paris, Ober - Kommandant der ersten Militär-

S - : j age f iziere und Soldaten der Armee von Versailles und der ersten Mitte ivision! Zur Ehre berufen, Ste zu fommandiren, nehme ich mit Vertrauen die hohen Funktionen an, weil ich Jhre T lihfkeit an Ihre Pflichten und darum den in Jhren Reihen herr chen- den guten Geist der Manneszucht kenne. Die Mission der Armee im Jnnern ist die Aufrechthaltung der Ordnung, die allein der Ao gierung erlauben kann, die freie Ausübung der Gesche und E Entwickelung des öffentlichen Wohlstandes zu sichern. Die National- versammlung verfolgt keinen andern Zweck, aber in einer gut organt- sirten Armce muß sich eine solide Instruktion immer mit der mate- riellen Kraft vereinigen. Ich werde deshalb nicht versäumen, in diejem Sinne die Anstrengungen des berühmten Chefs, dem ih nafolge, fortzuseßen. Sie werden mi, ich zweifle nicht daran, bei dieser Auf- gabe unterstüßen, .und aus Patriotièmus und Hingebung, von denen Sie nicht aufhören, Beweise zu- geben, werden Sie das Vertrauen und die Hoffnung, die das Land in seiner Armee sieht, rechtfertigen. Dee General, Kommandant en chef u. }. w.

Ladmirault.

Die Repräsentanten der flerikal-royaliftif ch-bonapartisti\ hen Presse waren heute bei dem Präsidenten der Republik erschienen, um ihm ihre Aufwartung zu machen. Vertreten waren: Affemblée Nationale, Constitutionnel, Francçals, France Nouvelle, Gaulois, Gazette de France, Gazette des Tribuneaux, Journal de Paris, Journal des Villes et Campagnes, Monde, Moniteur, Ordre, Paris-Journal, Patrie, Pays, Petit Moniteur, Petitte Presse, Presse, Soleil, Univers und Union. Der Mar- hall hielt folgende Anf prache an die Journalisten: N

Meine Herren! Jch bin Ihnen sehr dankbar für Ihren Besuch. Ich habe schon zwei Mal die Ehre gehabt, Sie zu empfangen: das erste Mal_nach der Kommune, als Sie kamen, um mir_vorzuschlagen, eine: der Kandidaten für die Pariscr Deputation zu 1ein. Ich ent- \chloß mi nit zur Annahme und bezeichnete Ihnen dén General de Cissey, den Sie unterstüßten und welcher ernannt wurde. Ich em- pfing Sie ein zweites Mal, als Sie mir von Neuem die Parijer Kandidatur anboten, die ih nochmäls auss{lug. Jch begreife, wie wichtig e unter den gegenwärtigen Verhältnissen ift, daß die Repräsentanten der verichiedenen Sattirungen der konservativen Partei \sich vereinigen und fih Betreffs der An- nahme von Maßregeln verständigen, die am geeignetsten sind, die zu bekátupfen; welche die von Ihnen vertheidigten Principien angreifen. Was die Politik betrifft, so habe ich dem, was von der Regierung gesagt wurde, nichts hinzuzufügen. Der Herr Minister Hes Aeußern hat der Kammer auseinandergeseßt, daß, sofern es die Be- ziehungen mit dem Auslande betrifft, - die neue Regierung der von meinem Vorgänger angenommenen Richtschnur, welche immer die Zu-

timmung der Majorität der Versammlung erhielt, getreu bleiben wird. Da Innern ist unser Zweck, den Gesetzen Achtung zu verschaffen, die materielle Ordnung, was, ih hoffe es, mir leicht sein wird, Und zuU-

zu unterstüßen, auf die Mithülfe Ihrer Einsicht und [Ihrer Talènte zählen kann. : Der neuernannte Präfekt der Yonne hat folgende

roklamation erlassen: : Y Bewohner der N Ich bin zur Ehre berufen worden, Euer Departement zu verwalten. Jhr habt das Recht, zu erfahren, wer ih bin und was die Regierung will, die mich zu Euch fendet. Dieses in zwei Worten: Jch bîn kein Partcimann. Aber ih werde thatfräftigst zwei Ziele verfolgen: das eine besteht darin, alle Mämer der Ord- nung und des praftishen Sinnes auf dem Boden der konservativen Republik, der heute einzig möglichen Regierungsform, zu vereinen; das andere besteht darin, den von gewissenlosem Chrgeiz überreizien Leiden- schaften die E zu bieten und entshlossen jenen Männern zu wider- stehen, die, mit Recht Radikale genannt, alles auszuwurzeln suchen, was die Grundlage der Gesellshaft immer gebildet hat und immer bilden wird. Ordnung und Freiheit, allgemeiner Fortschritt ohne ge- waltsame Erschütterung: dieses ist mein Wahlspruch. Was den Ad- miniftrator anbelangt, so kann er nur seinen guten Willen, seine ganze Aufopferung für Eure Interessen bekräftign, aber ih wage zu hoffen, vaß ih eines Tages -aus Eurem Departement die nämlichen Sym- pathien mitnehmen werde, welche mir das Departement bezeugt hat, aus dem ih komme. Auxerre, 30. Mai F ls ber Sonne

er Präfekt der ; u Ducrest de Villeneuve.

Die Proklamation der übrigen neuen Präfekten lauten ähn- lich wie diese. _— 4. Iuni. Wie der „Corsaire“ meldet, hat die Regierung den Beschluß gefaßt, in den ersten vierzehn Tagen des Monats Juli die Wähler von Guadeloupe und der Haute-Ga- ronne einzuberufen, um ihren Deputirten- zu ernennen. Außer- dem find noch drei andere Sitze erledigt, Aube, Puyde- Dome und Loire; doch soll das Ministerium die Abficht haben, die Wahlen in diesen Departements noch für einige Zeit zu vertagen.

5, Juni. (W. T. B.) Dem Besuche, welchen der Dekan der medizinishen Fakultät dem Unterrichts - Minister Batbie abstattete, haben fich von den 52 ordentlizen und außerordentlichen Professoren dieser Fakultät im Ganzen nur 6 angeshlo}sen.

Prinz Napoleon is heute Morgen hier angekommen. Marschall Canrobert hat seine Entlassung als Vorsigzzen- der des obersten Kriegsrathes gegeben.

6. Juni. (W. T. B.) Wie von gut unterrichteter Seite versichert wird, hat sch Estancelin, Anhänger und Vertrauter der Prinzen von Orleans nach Frohsdorf bege- ben, um eine Verständigung zwischen der älteren und jüngeren bourbonischen Linie anzubahnen.

Versailles, 5. Iuni. (W. T. B.) In der heutigen Sizung der Nationalversammlung hat Jaubert seinen früheren auf Unterdrückung der Angriffe gegen die Nationalver- sammlung bezüglichen Antrag als nunmehr überflüssig zurüge- zogen, indem die Nationalversammlung jeßt entschieden fonser- vative Minister habe. Der Deputirte Herve de Saisy will morgen den Finanz-Minister über verschiedene Ernennungen in der Finanz- verwaltung interpelliren.

Spanien. Madrid, 1. Juni. Die - „Provincia““ von Gerona veröffentlicht folgende zwei Verordnungen „von Sa- balls, die E o die Alkalden der Provinzen von Gerona

arcelona \chickte. S E M S Lo Saballs, Feldmarschall der Königlichen Ar- meen undæeGeneral-Kommaudant per Provinzen von Barcelona und Gerona thun hiermit zu wissen, alle Individuen und Korpora- tionen, welche gegen unsere Königliche Armee Truppen auéheben, mit

d ode bestraft werden. A e A Von E Tage an können alle Journale im Umkreise un-

seres Kommandos S ‘cirkuliren, was wir zur Nachricht aller, die es E S Dèr Kommandant Francisco Saballs.

Sollera, den 23. Mai 1573. :

_— Bei der Brücke von Enderlasa, unweit Vera, hat, wie der „Agence Havas“ aus Bayonne vom 5. Juni gemeldet wird, ein für die Carlisten siegreihes Gefecht stattgefunden. Nach dem Telegramme wären die Carlisten Herren des Landes zwischen der franzöfischen Grenze und dem Ebro.

Nach einer aus Madrid über Paris eingetroffenen tele- graphischen Mittheilung stünde der Rücktritt Castelars als Minister der auswärtigen Angelegenheiten zu exwarten.

Italien. Rom, 9. Juni. Nach einem aus Frosinone eingelangten Telegëamme ift Ratazzi seiner Krankheit heute Vormittag 9+ Uhr erlegen. :

Urbano Ratazzi ist am 29. Juli 1808 zu Alessandria, als Sohn eines piemontesischen Gerihtsbeamten, geboren. Im Iahre 1838 wurde er Advokat am Appellhofe zu Casale und erhielt 1848 zunächst ein Mandat für die piemontesishe Depu- tirtenkfammer, in welcher et seine politische Begabung in den Verhandlungen über die lombardisch-piemontesische Unionsfrage zu dokumentiren Gelegenheit fand. Am 26. Iuli trat er in das Ministerium Casati als Unterrichts-Minister und trug als Führer der Opposition später zur Bildung des demokratischen Ministe- riums Gioberti bei, in welchem er das Portefeuille der Iustiz erhielt. Nah der Niederlage von Novara (26. März 1849) mußte er aber, nachdem Gioberti hon vorher ausgeschieden, einem konservativen Ministerium Plaß machen. Im Jahre 1853 berief Cavour bei der Neubildung seines Kabinets den Ver- storbenen, der inzwischen das linke Centrum geführt, als Iustiz- Minister in dasselbe. Später mit dem Ministerium des Innern beauftragt, übernahm er dasselbe 1855 definitiv. Seine Thäâtig- keit in dieser Zeit wird durch den Gesezentwurf bezeichnet, den er im Anfang des Iahres 1855 in der Deputirten- fammer einbrahte, wona alle Klöster, deren Insassen sich nicht mit Predigen, JIugenderziehung oder Krankenpflege beschäftigten, der Säkularisation unterliegen und. die daraus fich ergebenden Fonds zu besserer Dotation der niederen Wesltgeistlichkeit Seitens des Staats verwandt werden sollten. Nah Annahme dur die Kammer wurde derselbe am 31. Mai 1855 mit dem Senats- Amendement aus dem Erlòs eine Kirchenkasse zu bilden, unter- zeichnet. In Folge des Orsinischen Attentats mußte Rattazz! auf Veranlaffung Napoleons 111. aus dem Ministerium austreten, bildete aber nah dem Vertrage von Villafranca und dem Rü- tritt Cavours ein neues Ministerium mit della Marmora als Präsident, in welchem er dâs Portefeuille des Innern übernahm. Indessen blieb es Cavour vorbehalten, die Vereinigung der mittel-italienishen Staaten gegen Abtretung Savoyens und Nizzas zu vollenden. Das vereinigte Parlament des Königreihs Italien in Turin wählte Ratazzi nah der

oli an die Spitze der Regierung berufen wurde, die übereilten Unter- e f die öfterreichishe Okkupation im Norden und die franzöfishe in Rom zu unterdrücken, führte unter dem Ein- druck des Gefechts bei Aspromonte zu seinem Sturze (1862). Mehrere Jahre der Zurücgezogenheit waren verflofsen, während welcher er um fich eine Art von tiers parti gebildet hatte, als ihn nah Rücktritt des zweiten Kabinets Ricasoli (1867) der König wieder an die Spiße der Geschäfte rief. Verschiedene Erfolge nach Außen, darunter ein Handelsvertrag mit Oesterreich, vermochten doch niht die Mißstimmung zu beshwichtigen, welche die Maßregeln gegen Garibaldis Unternehmungen innerhalb der liberalen Partei zur Folge hatten. Noch vor der Niederlage desselben bei Mentana hatte Ratazzi seine Demiffion gegeben. Bei Eröffnung des Parlaments gab er eine glänzende Apologie seiner Handlungsweise, welche zwei Sizungen hindur währte. Unter dem Feu S Zee Derosion nahm Ra- »i wieder seinen Plaß auf Seiten der Dppositlon.

ct Seit 1862 e Rätazzi mit Mary Wyse, Tochter des Ir- länders Thomas Wyse und der Prinzessin Laetitia Bonaparte (ToËhter Lucian Bonaparte's) vermählt, welche fich als belle- tristishe Schriftstellerin einen Namen erworben.

_— Nach Eröffnung der heutigen Sizung der Deputir- tenk i Aan bér Präsident den Tod Ratazzis an. Er bezeihnete denselben als einen Fall der nationalen Trauer und s{chlug vor, die Sizung aufzuheben und um der Trauer einen äußerlichen Ausdruck zu geben, die Fahne des Parlaments 14 Tage lang mit Flor umhüllen zu lassen. Der Minister-Präsident Lanza und mehrere Mitglieder von verschiede- nen Fraktionen der Kammer betonten den \chmerzlihen Verlust, welchen das Parlament, sowie das ganze Volk durch diesen Todesfall erleide.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 31. Mai. Durch Königliches Reskript vom 27. Mai ist die Ver- sammlungszeit des jeßt tagenden Storthings bis zum Ti Juni oder einem der nächstfo!genden Tage festgestellt worden. Vas Gagen- und Pensionskomite des Storthings joll dem „Morgen- bladet“ zufolge einstimmig befürwortet haben, daß der neue Staats-Ministerposten mit 5000 Spezies Gage und 5000 Spezies Tafelgelder, ‘also im Ganzen 20,000 Rdl. dän. Rm. (37,500 Ct. Mk.) honorirt werde.

Dänemark. Kopenhagen, 3. Juni. Gestern Mittag famen die Kinder des Großfürsten-Thronfolgers von Rußland mit dem Kaiserlich russischen Dawpfschiffe „Standard/ in Helsingör an und wurden dort von der Königlichen Familie empfangen. Die Stadt Helfingör hat fich aus diesem Anlaß mit Flaggen geschmückt und die Festung Kronburg salutirte. Das Publikum bewillkommnete die Gâste mit Hurrahrufen. Die Königliche Familie begab fich darauf mit densclben nah Schloß Friedensburg zurü.

Prinz Waldemar hat sich_ heute an Bord der Fre- gatte „Sjalland“ begeben, um feine erste- Seefahrt anzutreten.

Der Kronprinz feiert heute seinen 30. Geburtstag. Aus dieser Veranlassung wird von sämmtlichen öffentlichen, sowie au von vielen Privathäusern und von den Schiffen auf der Rhede und im Hafen geflazgt.

Asien. Der Emir von Cab ul hat vor Kurzem einige Offiziere nah Lughman gesandt, um die zur Empörung geneig- ten Priester zu bestrafen. Diese sammelten etwa 3—4000 Mann, und es fam zum Kampfe, in welchem fünf bis sechs Personen verwundet wurden. Die Rebellen wurden in die Flucht ge- \chlagen, und der Emir hat Befehl gegeben, die rebellischen Priester in Haft nah Cabul zu senden.

Die „Times of India“ bestätigt insofern das Gerücht über die Blockade Zanzibars, als es die bisher hier nicht allgemein befannten Dispositionen der Flotille des Admiral Cumming und die ersten Verhaltungsmaßregeln, die dem legzteren ertheilt wur- den, meldet. Das Blatt spricht die Ueberzeugung aus, daß dem Sklavenhandel ein \{nelles Ende gemacht werden wird.

Dasselbe Blatt veröffentlihht ein offizielles Telegramm aus Rangoon über den Fall von Talifos in folgendem Wortlaut: Boten vom Prinzen Hafson bringen die Nachricht des Falles von Tolifoo und der Niedermezelung aller Einwohner vor un=- gefähr 45 Monaten. König Suliman ift todt. Die inefischen Boten, vom cinesischen Gouverneur zum König von Birma ge- sandt, haben Bhamo pasfirt.

Neichstags- Angelegenheiten.

Berlin, 6. Iuni. In der gestrigen S1zung des Reichs- tags leitete der Präfident des Reichskanzler-Amts Staats-Mi- nister Delbrü die Berathung des Additionalvertrages zum Postvertrage zwischen dem Norddeutshen Bunde und Schweden wie folgt ein: E E

Meine Herren! Der vorliegende Verträg it von einer Vent]cr1] irie Tee io Qui ist, daß ihr vielleicht die Ehre zu Theil geWoTr- den ist, gelesen zu werden. In der That fann ich dieser Denkschrift nit viel hinzufügen. Der vorliegende Vertrag dehnt die in den nencren deutschen Postverträgen enthaltenen Bestimmungen auf un}eren Verkehr mit Schweden aus, mik einer Ausnahme, welche ih auf den Transit bezieht. Diese Ausnahme lag weder in den Wünschen Deutsch- lands, noch in den Wünschen Schwedens ; sie ist vorlaufig herbeigeführt worden dur die Schwierigkeiten, welche die \chwedi|che Regierung bei einer Verständigung mit der norwegischen Regierung über den Gegen- stand hatte. Im Uebrigen beruht der Vertrag, wie gesagt, auf den von dem Hause wiederholten gebilligten Grund)äßen, und ih emvfehle ihn zur Annahme.

_— Vor der ersten Berathung des Gesehentwurfs, betreffend den Antheil des ehemaligen Norddeutschen Bundes an der fran- zösischen Kriegsentshädignng, erklärte der Präsident Delbrü ck:

a Herren! Bei den Mittheilungen, die ih" bei der Ein- leitung der ersten Berathung des Reichshaushalts-Etats pro 1874 zu machen die Ehre hatte, habe ich den wesentlichen Inhalt der jeßt zur ersten Berathung jtehenden Vorlage bereits charafterifirt. Ich habe da- mals das Bild der finanziellen Lage, soweit es damals zu geben war und seitdem haben sich in diejer Beziehung die Verh ältnisse nicht geändert —, dargelegt, wie Sie es in den Motiven des Ihnen jeßt vorliegenden Gefeßes dargelegt finden. Ich habe damals bereits die Zahl mitzu- theilen gehabt, welche für das Retablissement der Armee in Anspruch genommen, und deren nähere Entwickelung hier in der Borlane B getheilt ist. I habe endlich darauf hingewie]en, daß zur Dans - \tändigung der Magazin-, Kasernen- und Lazaretheinrihtungen die yE: bündeten Regierungen von Ihnen eine Bewilligung von S über 13 Millionen Thaler von dem auf den Norddeutschen Bund 1a A prdin Antheil der Kriegskostenentschädigung beantragen. Die Details diejer

Einnahme von Neapel im Februar 1861 zum Präsidenten.

ih mi teriellen Ordnung die moralishe Ordnung aufrecht L G Jch offe, daß die Regierung, um fie in dieser Aufgabe

Die Bestrebungen Ratazzi's, der nah dem kurzen Ministerium Rica-

Forderung liegen in den Motiven, die hier beigefügt find, und ich Taube; daß Tee gegenwärtige Augenblick nit der geeignete ist, auf