1873 / 162 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 11 Jul 1873 18:00:01 GMT) scan diff

darauf in den Vorstand wiedergewählt. Endlich wurde noch beshle}sen, heute eine Abordnung an den Großherzog mit der Bitte zu entsenden, das Protektorat über den Verein zu über- nehmen.

Hessen. Darmstadt, 10. Iuli. (D. Ztg.) Die Zweite Kammer der Stände fuhr in ihrer gestrigen 26. Sitzung mit der Budgetberathung fort und beschäftigte sich vor Allem mit den Ausgaben für die Landes-Universität, hinfichtlich welcher die in der leßten Sitzung abgebrochene Debatte heute zu Ende geführt wurde. Das Resultat dieser Debatte, aus der u. A. zu erwähnen is, daß der Abg. Oncken die Fürsorge der Staatsregierung für die Landes-Universität lobend anerkannte, war, daß einmal der geforderte Staatszushuß von 130,000 Gul- den einstimmig bewilligt wurde. Weiter wurde ein An- trag des Finanz - Aus\husses über das eingercihte Pro- memoria der Landes-Universität (dasselbe war gegen die Be- merkungen in dem Bericht des Finanz-Aus\hus}ses bezüglich der Universität Gießen gerihtet und wird heute von uns in der Beilage seinem Wortlaut - nah mitgetheilt) als für eine Ver- handlung in der Zweiten Kammer nicht geeignet, zur Tages- ordnung überzugehen, in namentliher Abstimmung mit 37 gegen 11 Stimmen angenommen. Vorher ließ der Finanzaus\huß durch den Mund seines Berichterstatters, des Abgeordneten Mey, die Erklärung abgeben, es habe ihm fern gelegen, mit seinen Bemerkungen die Ehre und die Lehrthätigkeit der Landes- Universität in ihrer Totalität antasten zu wollen. Ein Antrag der Abgeordneten Buff, Edinger und Goldmann: mit Rücksicht auf diese Erklärung einfah zur Tagesordnung überzugehen, fam in Folge der Annahme des Aus\hußantrags nit zur Ab- stimmung, während vorher ein Antrag des Abgeordneten Büchner: sih auf die Geldbewilligung zu beschränken und über die beiden anderen Anträge niht abzustimmen, gegen 11 Stim- men verworfen wurde.

Sodann wurden bezüglih der Gymnasien die ursprünglich geforderten 50,865 fl. bewilligt, von einem weiteren beanspruch- ten Staatszuschuß für das Gymnasium in Darmstadt mit 9600 fl. aber nur 4000 fl. bewilligt und der Regierung anheimgegeben, den Rest durch Erhöhung des Schulgeldes aufzubringen. End- lich wurde die Staatsregierung noh ersucht, bezüglih der Gym- nasien und Realschulen Uebereinstimmung in Rücksicht auf den Lehrgeldbetrag eintreten zu laffen und leÿteres an den unter Beihülfe aus der Staatskasse unterhalten werdenden Gymnasien eintretenden Falles angemessen zu erhöhen. :

Jugenheim, 9. Iuli. Der Kaiser von Rußland is heute Abend um 64 Uhr mittelst Extrazuges in Bickenbach-Ju- genheim eingetroffen und wurde an der Station von der Kaise- rin und den übrigen in Iugenheim und Seeheim wohnenden Höchsten Herrschaften begrüßt.

Sachsen- Weimar-Eisenah. Weimar, 9. Juli. Der Großherzog is heute Nahmittag von seiner Reise nah Coblenz und Ems hierher zurückgekehrt. Vorgestern empfing derselbe den Besuch seines Shwagers, des Prinzen Carl von Preußen, auf der Wartburg. : ] :

Der „Leipz. Ztg.“ zufolge wird die Vermählung des Erbgroßherzogs mit der Prinzessin Pauline von Sachsen am 31. August in Friedrihshafen stattfinden und das neuverwählte Paar seinen Einzug in die hiesige Resi- denz in der zweiten Hälfte des Monat September halten.

Meckeklenburg. Neustreliß, 7. Juli. Der Groß- herzog is der „Nstr. Ztg.“ zufolge gestern Vormittag nach Bad Homburg abgereist.

Braunschweig, 11. Iuli. Die Gesez- und Verordnungs- Sammlung veröffentlicht eine Verordnung, das Verfahren bei der Genehmigung von Damfkesseln bis zur Inbetriebnahme derselben betreffend ; Gesetz, den Betrieb derDampfkessel betreffend; Verordnung, die Revision der im Betriebe befindlihen Dampf- kessel betreffend; Verordnung, polizeilihe Vorschriften beim Ge- brauch von Lokomobilen betreffend, sämmtlih vom 11. Juni 1873.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 10. Juli. Die Königin Olga von Württemberg und die Großfürstin Vera sind gestern Vormittags 9 Uhr 20 Min. mit dem Schnellzuge der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn abgereist.

Der Kronprinz Rudolf war gestern in Tarvis und Bleiberg. | i

Heute Vormittags fand die feierlihe Eröffnung der Musterschule für österreihische Landgemeinden dur Erzherzog Rainer statt.

Das Reichsgesetblatt veröffentlicht die Post-Ueberein- funft vom 25/13. Mai 1871, abgeschlossen zwischen der Regie- rung Sr. Kaiserlihen und Königlichen Majestät und Sr. Hoheit dem Fürsten von Montenegro ; sowie die Konvention vom 93. September 1872 zwischen der Regierung Sr. Kaiserlichen und Königlichen Majestät und Sr. Hoheit dem Fürsten von Montenegro, wegen gegenseitiger Auslieferung der Verbrecher.

Triest, 10. Juni. (W. T. B.) In Folge der in Venedig ausgebrochenen Cholera werden alle von dorther kommenden Provenienzen den Quarantänevorschriften unterworfen.

Schweiz. Bern, 7. Juli. Gestern wurde hier die 9. Centralversammlung der Vorstände der deutschen A eine in der Schweiz abgehalten, und es waren die

ereine Zürich, Basel, Bern, Genf, Aarau und Lausanne ver- treten. In den Centralverband wurden die Vereine Chur und Lausanne aufgenommen. Die verbündeten Vereine hatten im Jahr 1872 1304 Mitglieder; die Einnahmen derselben dur Beiträge beliefen fch auf 15,280 Fr.; die Centralkasse erhielt Seitens deutsher Regierungen 12,725 Fr., während si die Aus- gaben nur auf 19,980 Fr. beliefen, wodur die dur die Kriegs- jahre 1870—71 beinahe gänzlich ershöpften Lokalkassen fich wie- der zu erholen beginnen. Zum Vorort für 1873 bis 1874 wurde abermals der Verein Genf ernannt.

Großbritannien und Jrland. London, 9. Juli. In der gestrigen Nachtsipung des Unterhauses brachte H. Richard seinen lange angekündigten Antrag zu Gunsten der Herstellung eines internationalen Schiedsgerichts zur Diskussion. Er beantragte den Erlaß einer Adresse an die Königin, worin dieselbe ersucht werden soll, ihren Minister für Auswärtige Angelegenheiten zu instruiren, mit den fremden Mächten Ras der Bildung eines internationalen Gesey- Codex und der Herstellung eines allgemeinen und permanenten internationalen Schiedstribunals in Verbindung zu treten. Der - Premier-Minister Gladstone \prach im Namen der Re- gierung gegen den Antrag. Obwohl er dem Zweck desselben seinen vollen Beifall zolle, bezweifele er, ob - niht eher dur individuelle Akte, wie z. B. das Genfer Schiedsgerichts- verfahren, als dur die ehrgeizige Politik des Versuches, sämmt-

lihe auswärtige Mächte in eine allgemeine Verbindung zu bringen, erreiht werden könnte. Der Minister wies darauf hin, daß in Großbritannien eine Praxis allmählich heranwachse, die mit der Zeit in eine Regel, fich jeder Gelegenheit zu bedienen, um die friedlihe Beilegung aller internationaler Streitigkeiten finden zu können, reifen werde. Er stimme mit Lord Palmerston qus dessen Rede in Erwiderung auf einen ähnlichen Antrag, den einst Cobden stellte, er einige Sätze zitirte überein, daß von dem Fortschritte der öffentlihen Meinung mehr als von irgend einem derartigen Schritte zu erwarten sei, aber gegen- wärtig, fürchtete er, sei die öffentlihe Meinung auf dem Konti- nent für die Herstellung eines internationalen Tribunals nit reif. Existire im Auslande irgend eine Meinung zu dessen Gunsten, so sei dieselbe blos sentimental und er sich noh keinen Weg in die Kabinette oder in die Gemüther des Volkes gebahnt. Während er damit übereinstimmte, daß das von Groß- britannien und den Vereinigten Staaten in Genf geseßte Bei- spiel viel Gutes stiften werde, hielt er dafür, daß die insulare Lage Großbritanniens demselben geringere Schwierigkeiten zur An- Sa des Prinzips von Schiedsgerichten als kontinentalen Nationen biete. Er erinnerte das Haus daran, daß die Regie- rung noch die drei neuen Regeln den auswärtigen Mächten mit- zutheilen habe, und er befürhtete, daß Eifersucht und Reaktion entstehen dürften, wenn Großbritannien eine solhe ehrgeizige Aufgabe, wie die von Richard proponirte, auf sih nehme, ehe die andere Sache erledigt sei. Nachdem noch Sir W. Lawson zu Gunsten des Antrages gesprochen, beantragte Lord Enfield den Uebergang zur Tagesordnung. Das Haus weigerte sih aber mit 98 gegen 88 Stimmen, diesem Modus, einer Beschluß- fassung über den Antrag auszuweichen, beizutreten, worauf Richards Antrag zur Annahme gelangte.

In der Exeter-Halle fand gestern Abend unter den Auspicien der Anti-Sklaverei-Gesellschaft eine Ver- sammlung statt, die zum Zweck hatte, gegen die Fortdauer des Sklavenhandels zu protestiren und den von seiner Mission nah Südafrika zurückgekehrten Sir Bartle Frere zu bewillklommnen. LordCampbell und Strathedon führten den Vorsiß. Sir Bartle Frere, der enthusiastish begrüßt wurde, hielt eine längere Rede, in welcher er sich von den mit dem Sultan von Zanzibar abgeschlossenen Vertrage zur Unterdrückung des Sklavenhandels an der Osft- füste Afrikas die besten Wirkungen versprah. Zur besseren Durch- führung dieses Vertrages empfahl er die Herstellung von Konsulaten in den portugiesishen Kolonien an der Ostküste Afrikas, ein Vorschlag, der in der Gestalt einer Resolution der Staatsre- gierung zur Berücksichtigung empfohlen wurde. Weitere Be- \chlü}se der Versammlung beantragten bei der Regierung äußerste Wachsamkeit in der Beobachtung der durch Sir Bartle Frere's Vermittelung mit den Sultanen von Zanzi- bar und Muskat abgeshlossenen Verträge zur Unterdrückung des Sklavenhandels, billigten das Verhalten der spanischen Re- gierung mit Bezug auf die Sklaverei in Cuba und Porto-Rico und forderten die britische Regierung auf, Maßregeln zur Un- terdrückung des Eingeborenenraubes in der Südsee zu ergreifen und im Verein mit anderen Mächten Anstalten zur Unterdrückung des Kulihandels in Macao zu treffen.

Frankreich. Paris, 8. Juli. Heute Nachmittag 4 Uhr verkündeten die Kanonen des Mont Valérien, daß der Schah von Persien an der Sèvres-Brücke angekommen sei. Dort wurde derselbe von dem General Appert und d-m Präfekten empfangen und die Kürassin-Eskorte des Schahs durch Dra- goner abgelö}st. Eine Viertelstunde \päter traf der Schah in der „Cour d'honneur“ ein. Der Präsident Buffet in Begleitung des Vize-Präsidenten Und der Sekretäre der National-Versamm- lung empfing den Schah. am Eingange der Wohnung des Prä- siderten und geleitete ihn, so wie den Großvezir und General Hartung, die im ersten Wagen angefahren waren, in das Innere des Palais. Nach kurzem Aufenthalt fuhr der Schah darauf nach der in der Avenue de Paris gelegenen Präfektur, wo er um 5 Uhr ankam. Am Fuße der Treppe befand sih der Marschall Mac Mahon mit allen Ministern. Nach stattgehabter Begrüßung gelei- tete der Marschall, der sih in großer Marschalls-Uniform befand, den Schah in die Präfektur, wo die Gemahlin des Präsidenten den Schah erwariete. Die Begêgnung war eine sehr freundliche. Von der Präfektur aus begann der Schah eine Rundfahrt dur den Park von Versailles, vom Präsidenten, der ihm zur Linken saß, begleitet. Die Spazierfahrt dauerte bis 7 Uhr, worauf in der Spiegelgalerie ein glänzendes Banket stattfand. “Nach auf- gehobener Tafel waren die vor der Spiegelgalerie auf dem Plaße Miroir gelegenen Bassins mit bengalishen Flammen illuminirt. Das Bassin de Neptune entlang waren Tribünen ; die mittelste war für den Schah und Mac Mahon bestimmt, links eine für die Mitglieder der Nationalversammlung, die hohen Staatsbeamten und ihre Damen, rechts eine solche für das Publikum. An der

“geraden Linie des Halbkreises waren die Vorbereitungen für das

Feuerwerk hergerihtet. Es war 10 Uhr vorbei, als" die hohen Herrschaften erschienen, wiederum begrüßt von der persischen Nationalhymne. Nach dem Ende des Feuerwerks fuhr der Schah um 104 Uhr, begleitet von fackeltragenden Kürassieren, zu Wagen nah Paris zurü.

9. Juli. Aus Anlaß der Interpellation Lamy über die Aufhebung -des Belagerungszustandes wird an die De- partements erinnert, welhe sich unter diesen Ausnahme- zustande befinden. Es sind: Seine (Dekret vom 7. August 1870), Ain, Aisne, Ardennes, Aube, Cote d'Or, Doubs, Eure-et-Loir, Jura, Loiret, Marne, Nord, Oise, Pas-de-Calais, Rhone, Seine-et-Marne, Seine-et-Dise, Haute-Marne, Haute- Saone, Yonne (Dekret vom 8. August 1870), Haute-Garonne (9. August), Algérie (10. August); die Städte Cherbourg, Brest, Lorient, Rochefort (13. August), Havre (9. Sept.), Haute-Bienne und Bouches-du-Rhone (28. April 1871). Ueber Seine-et-Dise wurde am 21. März 1871 zum zweiten Male der Belagerungs- zustand verhängt.

age meldet Folgendes: Man beschäftigt sich in der Armee sehr viel mit det Bildung eines militärishen In- stituts oder einer militärishen Akademie, welche sih aus\chließlich mit den auf die Verwaltung der Armee im Kriege bezüglihen Fragen und der Herausgabe von Militärschxiften be- schäftigen soll. "

Mit den beiden vorgeshlagenen Gewehren (das eine von der Artillerie-, das andere von der Jnfanterie-Kommission) wurden in Vincennes neuerdings wieder Versuche angestellt. Das letztere hat am meisten Ausfiht, angenommen zu werden.

Wie die Lyoner Handelskammer, so protestirt auch die Pariser Handelskammer gegen die Steuer auf Ge- \pinnste.

10. Juli. (W. T. B.) Der Finanz-Minister Magne hat der Budgetkommission mitgetheilt, daß die Ersparnisse bei den verschiedenen Ministerien 40 Millionen Franks, bei dem Kriegs-Ministerium allein 23 Millionen, betragen, und \{lägt

aus, wurde aber vollständig zurückgeschlagen.

andererseits vor, die Ausgaben um 38 Millionen zu erhöhen, wovon 33 Millionen für die den Eisenbahnen gegenüber vom Staate übernommenen Zinsgarantien bestimmt werden. Der Finanz-Minister hat die Kommission ferner benachrichtigt, daß die Regierung den Geseßentwurf über die Rohstoffsteuer zurück= ziehe und an deren Stelle verschiedene andere Steuern vorschlagen werde, wozu namentlich auch die Steuer auf Gewebe gehöre, deren Ertrag auf 60 Millionen Franks angenommen werde.

An der militärishen Revue, welche heute zu Ehren des Schahs von Persien stattgefunden hat, nahmen gegen 80,000 Mann Theil. Im Generalstabe des Marschalls Mac Mahon befanden sich der Herzog von Aumale und die Militär= Attachés der verschiedenen Gesandtschaften. Eine zahllose Volks=- menge hatte sih versammelt, um der Revue beizuwohnen.

Ueber die weitere Reise des Schahs verlautet, daß der- selbe sich nach der Schweiz und nah Italien und von dort über Wien nach Konstantinopel begeben werde.

Spanien. Madrid, 7. Iuli. In Sanlucar ist die Ruhe wieder hergestellt. Die amtlihe Zeitung meldet kurz, 4 der Bürgermeister sih der revolutionären Junta gefügt habe un ein provisorisher Gemeinderath ernannt werden sol. Was die Vorgänge in Malaga betrifft, so stehen sich jeßt, nahdem Eduardo Carvajal aus eigener Machtvollkommenheit den Ge- meinderath und die Civil- und Militär-Gouverneure abgesetzt hat, wieder zwei Parteien gegenüber: die Freiwilligen Carvajals und die niht minder zahlreichen Freiwilligen, die den gestürzten Be- hörden anhangen. i

Italien. Florenz, 10. Juli. (W. T. B.) Minghett und die anderen Minister find hier eingetroffen. Dem „Corriere italiano“ zufolge i das neue Kabinet zu einem Arrangement betreffs der römischen Eisenbahnen auf Grund der autonemen Rekonstituirung der Gesellschaft geneigt.

Das neue Kabinet hat heute dem Könige den Eid geleistet. Dasselbe is folgendermaßen zu zusammengeseßt: Minghetti Präsident und Finanzen, Visconti Venosta Aeußeres, Cantelli Inneres, Vigliani Justiz, Ricotti Krieg, Saint - Bon. Marine, Spaventa öffentlihe Arbeiten, Scialoja Unterricht, Finali Ackerbau. Saint-Bon is zum Kontre-Admiral ernannt worden.

Griechenland. Athen, 28. Juni. Die Königliche Familie reist Ende dieses Monats nah Corfu. Der König wird im Juli die Wiener Weltausstellung besuhen, im August geht die Königin nah St. Petersburg und im September, kehrt. die Königliche Familie hierher wieder zurü.

Türkei. Serajewo, 7. Juli. Einem Telegramm der „Pr.“ zufolge is Militär nah Altgradisca abgeschickt wor- den, wo ein Kampf zwischen Türken und Christen statt- fand. Es gab Todte und Verwundete. Der Kamaikam blieb passiv. Seine Bestrafung wird gefordert.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 7. Juli. Der „R. I.“ veröffentliht vom Kriegs\schauplaß in Chiwa den nachstehenden Bericht des Commandeurs der Truppen des Orenburger Militärbezirks an den Kriegs-Minister vom 27. Juni über den Mars des Orenburger Expeditonscorps von Kungrad bis Chodsheili.

General-Lieutenant Werewkin berihtet vom 24. und 29. Mai, daß er am 24, Mai auf dem Wege nach Chodsheili weitermarschirt ist, nahdem er mit seinem Detachement drei Tage in Kungrad ge- standen. Am Tage vor dem Ausrücken des Detachements wurde eine Avantgarde aus drei Kosakenssotnien mit einem Rafketenkommando unter dem Befehl des Obersten Leontjew auf eine Marschweite vor- geschoben, die sich am Ufer des Flusses Taldyk, am Ausfluß des aus- getrockneten Kanals Ugus 25 Werst von Kungrad niederließ. Hier führte in der Naht zum 24 Mai eine etwa 300 Manu starke Partie Chiwesen, unter dem Zchuße der Dunkelheit und des sehr unebenen Terrains, cinen Ueberfall auf die Abtheilung des Obersten Leontjew Der Hergang dabei war folgender:

Das Lagec der Avantgarde, in Form eines Quarrés, lehnte si mit der einen Seite an den Fluß Taldyk, während die Vorderseite von der 1. Uralschen Ssotnja, die beiden anderen Seiten von der 1. Ural- schen und der 2. Orenburger Ssfotnja gebildet wurden. Kameele und Gepäck waren vor den entsprechenden Truppentheilen postirt worden. Auf Vorposten stand ein Theil der 2. Orenburger Ssotnja. Gegen 3 Uhr Nachts am 24. Mai meldete der bei den Vorposten dujourirende Fähnrih Achmetjew dem Obersten Leontjew, daß an eines unserer Piquets mehrere Menschen herangeritten friri, die nach dem Anruf Rehrt gemacht hätten, weshalb der auf Piquet stehende Kosak ihnen einen Schuß nachsandte. Oberst Leontjew hatte kaum Zeit gehabt, alle Ssotnien sich sammeln zu lassen und nach der Seite, wo sh der Feind zeigte, eïne verstärkte Patrouille vorzu- schieben, als die Chiwesen mit lautem Geschrei gegen die zweite Orenburger und 2. Uralsche Ssotnja vorgingen; sie wurden aber vom Gewehrfeuer der en schon gesammelten Kosaken empfangen und zogen wieder ab. Nach einiger Zeit versuhte der Feind einen abermaligen Angriff gegen die 1. Üralshe Ssotnja, wurde aber au hier durch Gewehrfeuer zurückgewiesen und ergriff die Flucht. Oberst Leontjew verfolgte den fliechenden Feind auf dem Wege nah Chodjheili etwa 10 Werst weit, kehrte aber wieder ins Lager zurü, nachdem er sih überzeugt, daß die Chiwesen fich vollkommen zerstreut hatten. Ver- luste hatten wir in diesem Treffen außer einem getödteten Frontepferde gar feine; der Feind aber hatte unter dem Schuß der Dunkelheit seine Todten und Verwundeten mitgenommen. Die Bande, welche den Ueberfall auf die Avantgarde ausführte, bestand nur aus berittenen und auch meist gepanzerten Leuten. j L

Als General-Lieutenant Werewkin die Nachricht erhielt, daß die Abtheilung des Obersten Lomakin am 24. Mai in Kungrad eintreffen soute, ließ er in diesem Orte, um die Ruhe aufreht zu erhalten und unsere Kommunikationen zu decken, eine Compagnie und eine Ssotnja zurück, welche er durch eine Ssotnja und zwei Berggeschüße vom De- tachement des Obersten Lomakin verstärkte. Der Oberbefehl Üübec dizse Truppen und über * die ganze bis jeßt beseßte Gegend wurde dem Obersten Nowokreshtshenow übertragen und. diesem Isset Kutebarow mit vier Gehülfen und Vertretern der verschiedenen Volksstärame, Kirgisen, Karakalpaken und Usbeken, zur Verwaltung der Angelegen heiten der örllichen Bevölkerung beigegeben.

Am 19. Mai wurde von der Flottille unter dem Befehl des Fähnrichs Schebaîïchew II. ein aus 9 Gemeinen, einem ‘Unteroffizier und dem Topographen Malinowski bestehendes Kommando detachirt, mit dem Auftrage, die Dämme auf dem Ulkun-Darja zu besichtigen und mit dem General-Lieutenant Werewkin Fühlung zu suhen. Zum Führer für dieses Kommando erbot sih der aus dem Syr - Darja- gebiet abgezogene Kirgise Uten an. Qs Kommando kehrte zum Detachement nicht mehr zurück, und bei denNachforschungen fand man etwa 10 Werst von Kungrad 11 entblößte und enthauptete Leichen, unter denen man nach einigen Anzeichen auch den Leichnam des Offiziers vermnthet. Die Leichen der Gefallenen wurden ins Lager gebracht und erhielten ein christlihes Begrabniß; zur Aufklärung der näheren Einzelheiten aber ist eine Untersuchung eingeleitet. Leider war es Uten, der nah den Betheuerungen der Kirgijen das Kommando auf verrätherishe Weise dem Feinde überliefert, gelnngen, vor dem Eintreffen der zu seiner Verhaftung ausgesandten Leute zu entfliehen; nur seiner Familie, Frau und zwei unmündige Kinder, und seines Eigenthums wurde man habhaft und zugleih wurden drei Kirgisen aus dem benachbarten Aul als Geiseln mitgenommen, aus welchem Uten für das Kommando

Pf erde genommen haite und deren Einwohner den Befehl erhielten, Uten gur Stelle zu schaffen, widrigenfalls der Aul zerstört und die Geiseln niedergeschossen werden würden. Die erste Erhebung über diese Mordthat deutet darauf hin, daß der Ueberfall des Kommandos asler Wahrscheinlichkeit nah meuchlings geschehen ist, während dasselbe ruhte, da die Körper der Erschlagenen in der Reihe liegend, wie beim Schlaf, am Ufer des Flusses in der Nähe der Trümmer irgend eines zur Vertheidigung geeigneten Gebäudes gefunden wurden und feinerlei Anzeichen eines stattgehabten Kampfes fichtbar waren. Die Leute hatten aber nah dem Bericht des Chefs der Flottille Flinten und Revolver und eine hinreichende Anzahl Ss mit sich geführt.

Die Flottille blieb wegen seiten Wassers im Ulkun-Darja etwa 95 Werst vor Kungrad stehen. Der“ niedrige Wasserstand ist durch Abdämmung oberhalb des Standortes der Schiffe hervorgebracht und wäre daher das geeignetste Mittel zur Vertiefung des Fahrwassers die Zerstörung der Dämme; da aber nah der Ausfage der Bewohner durch diese Maßregel einerseits einem großen Theil der Bevölkerung das Wasser entzogen würde, andererseits die Méglichkeit vorhanden sein joll, die Sckiffe flußaufwärts zu bringen, wobei man allerdings Kungrad meiden und direkt nah Chodsheili gehen müßte, beauftragte der Chef des Expeditions-Corps, bevor er sich zur Zerstörung der Dämme entschloß, einen der Karakalpaken-Aeltesten, die Schiffe auf dem von ihm angegeb:nen Wege nah Chodsheili zu führen.

Am 24. Mai traf beim Detachement des General-Lieutenants MWerewkin der Oberst Lomakin ein, nachdem er seine Abtheilung in Kungrad zurückgelassen. Beim weiteren Vorrücken hatte das Man- gyschlakshe Detachement Ordre, um eine Marschweite hinter dem Orenburger Detachement zu marschiren. Dem ersteren waren bis zu seiner Vereinigung mit dem Orenburger Detacheunent 400 Kameele vor Ermattung gefüfien.

10. Juli. (W. T. B.) Privatnachrihten aus Ta\ch- fent melden, daß Geveral Kaufmann mit seinen Truppen gegen die Mitte des August nah Taschkent zurückkehren werde.

Dänemark. Kopenhagen, 8. Iuli. Graf F. Moltke Bregentved, welcher, wie früher erwähnt, an der Spiße der außerordentlichen dänischen Gesandtschaft steht, die zur Krönung des Königs Oskar 11. nah Drontheim geht, ist heute nah Chri- stiania abgereist. In seinem Gefolge befinden sich der Comman- deur in der Marine F. Lund und der Graf W. Sponneck.

Asien. Der „Kronst. Bote“ meldet nah einem Privat- telegramm aus Japan vom 1. Juli:

„In dem Städtchen; Bikuzon, etwa 100 Meilen von Nangasaki entfernt, ist ein Aufstand ausgebrochen. Die bis 50,000 M nun star- fen Aufrührer haben die Festung Fikudko genommen, wo sich Regie- rungsbehörden befanden; fie brannten alle Gebäude nieder, so daß von den darin beschäftigten Beamten nur drei ihr Leben durch die Flucht nach Saga retteten; alle übrigen sind höchst wahrscheinlih

umgebracht. ; Die neueste Ueberlandpost bringt ferner u. A. fol-

gende Nachrihten: Die gefangen gehaltenen Christen find fast alle nach ihrer Heimath zurückgekehrt und haben ihre bürger- lihen Rechte wiedererlangt. Der Buddhismus soll, wie es heißt, in Zukunft geduldet werden. Die Provinzial-Gouverneure haben sh in Yeddo versammelt, um die finanzielle Lage des Landes zu besprechen.

Afrika. Utber die Expedition Sir Samuel Baker Pasha's nah Central-Afrika gehen dem „Daily Tele- graph“ aus Khartum, wo die Depeshe am 6. Juli von Sir Samuel selbs diktirt wurde, über Alexandria ausführliche Mit-

theilungen zu, denen wir Folgendes entnehmen:

Sonntag, den 29. Juni, ist Sir Samuel Baker in Begleitung seiner Gemahlin, sieben engli\cher Ingenieure und seiner Bedienten vom fernen Süden und den Seegebieten nach Khartum zurückgekchrt. Baker ist südlich bis Mosindi vorgedrungen, einem Orte in der Nähe der Hauptdörfer der Häuptlinge Kabriki und Kamrafi. Als der Pascha dort ankam, fand er, daß die Elfenbein- und Sklavenhändler allerlei üble Gerüchte über die Expedition ausgesprengt und die Ein- gebornen gegen sie aufgestachelt hatten. Kabriki hatte man eingeredet, daß Baker an der Spiße eines ägyptischen Heeres komm-, um sein Land mit Gewalt in Besiß zu nebmen, es für Aegypten zu annektiren, das Volk in die Sklaverei zu führen und {were Steuern und Tribute auf- zuerlegen. Negerhäuptlinge und Händler kamen hierauf überein, wenn irgend möglich, Baker zu ermorden ‘und auf sede Weise das Vorrüen der ägyptischen Truppen zu verhindern. Kurz nahdem Sir Samuel mit einem Theile seiner Mannschaft in Mosindi angekommen war, \hickte Kabriki nach alter afrikanischer Sitte zehn Fässer mit einem bierähnlichen Getränke an die Fremden. Dieses war mit Gift stark ver und die Soldaten, welche davon getrunken hatten, litten alsbald die heftigsten Schmerzen und fielen besinnungêlos, scheinbar todt zur Érde. Große Antidosen wurden sofort verabreiht und genügten, jeden einzelnen der Vergifteten am Leben zu erhalten. Baker schickte fert einige Offiziere ab, um zu fragen, warum Gift in das Lager geschick worden sei. Aber kaum hatten fie das Negerdorf betreten, da gab Kabriki Befehl, sie zu tödten, was auch sofort geschah. Darauf wurde der Krieg erklärt. Der Häuptling ließ* die großen Trommeln crdröhnen und befahl eine Aushebung von 10,000 Kriegern. Eine große Abtheilung dieses Hecres griff Baker an, der nur Hundert und einige ägyptische Soldaten bei fi hatte. Diese waren noch sehr ermüdet von dem eben erst vollendeten Marsch ins Innere und litten zum großen Theile noch an den Folgen der versuchten Vergiftung. Baker war daher gezwungen, vor den Schwärmen der heranrückenden Feinde sich zurückzuzichen, was er auch that, nachdem das Lager und die {were Bagage verbrannt worden war. Sieben Tage dauerte der gcfahrvolle und beschwerdenreihe Rückmarsch der Aegypter, von denen dreißig auf dem Wege den Strapazen erlagen. Am Ende dieser gefährlichen Woche kam Baker Pascha nah dem Gebiete des Kabriki feindlihen Häuptlings Rewinka, der willkommene Lun versprach. Die Verfolgung war inzwischen auf- gegeben worden. Aber um Kabriki zu bestrafen, beschloß Baker, zwei- tausend bewaffnete Männer Bewinthas nebst dreißig auserwählten ägyptischen Soldaten nah Mosindi zurückzuschicken, um, wenn irgend möglich, den verrätherishen Negerhäuptling zu tödten oder gefanzen zu nehmen. Baker versprach, daß Rewinka, im Falle die Expedition erfolgreich sein sollte, im Namen des Vizekönigs von Aegypten, zum Gouverneur seines eigenen Distrikts und desjenigen Kabrikis ernannt werden würde. Mit dem Reste seiner Mannschaft zog Sir Samuel L nördlich gegen Fatiko, wurde aber in Lazarita (?) mit seinen

euten ganz unerwartet von den Häusern der Sklavenhändler aus mit Kugeln empfangen. Dreißig Soldaten fanden hier den Tod, die Uebrigen verschanzten sich, bis Hülfe herbeigeholt werden fonnte, und machten von ihrer Verschanzung aus Ausfälle und Angriffe auf die ebenfalls in Dickichten vershanzten Sklavenhändler. Der leßte An- griff war mit dem besten Erfolge gekrönt. Das Rohrdickicht wurde im Sturm genommen, 140 von der Sklavenhändlerpartei getödtet, viele zu Gefangenen gemaht, während der Rest landeinwärts . floh. Die Gefangenen sagten aus, vas ihre Herren und die ihnen freund- lichen Häuptlinge ihnen” befohlen hätten, „den Nazarenen“ (d. i. Baker), wo und wann sie könnten, zu tödten, Die Aussage wurde zu Papier gebracht, von den Gefangenen bestätigt, unterzeichnet und gesiegelt und dann an die Regierung von Soudan nah Khartum_ geschickt, als ein dokumentarisher Beweis für die Böswilligkeit uad Verruchtheit diejer Menschenräuber. N

Diese Züchtigung reite das ganze Land um Gondotoro bis hinab nah dem Gebiete Rewinskas. Nach einer von der Noth gebotenen Ruhezeit begann Baker mit der Ocganisation der in seinem Besiß befindlichen Distrikte. Er machte Fatiko zur Hauptstadt des neuen Territoriums und ernannte Superintendenten an den anderen Orten. Der Tribut bestand darin, daß jede Hütte monatlich einen Korb Brod und ein Bündel Grar zu liefern hatte. Nachdem Sir Samuel die ihm zu-

Cöln.

gesandten Verstärkungen durch das ganze annektirte Gebiet hindur 7

vertheilt hatte, zog er nordwärts. Der Vertrag, welhen Sir Samuel Baker und die englischen Ingenieure mit dem Vize- Könige von Aegypten eingegangen sind, ist nunmehr abgelaufen und der Pascha chiffe sich nach allen diesen Arrangements zu Gondokoro in einem der von der Expedition über Land mitgebrahten Dampfer ein. Noch ein anderes Schiff von derselben Art is bis zu Gondokoro geschafft worden und wird, sobald der Kameeltranêport beginnt, zu den Seen genommen und dort vom Stapel gelassen werden. Das dritte der drei eisernen stückweise zu demselben Zwecke mitgebrahten Schiffe liegt augenblicklich in Khartum, da die Schwierigkeiten des Transports si als zu groß erwiesen.

Nach Fatiko wird Gondokoro der Hauptort in dem neuen Terri- torium sein. Baker hat noch acht andere Flecken als Hauptposten ausersehen, die eine von Nubien nah dem Albert Nyanza führende Kette bilden sollen.

Was die geographischen Entdeckungen betrifft, so wäre nah diesem Telegramm nunmehr sicher festgestellt, daß die Seen Tanganeyika und Albert Nyanzo ein Gewässer find. Die Länge die- ses prächtigen Binnensees joll 700 englische Meilen betragen, und es wird als positiv gemeldet, daß ein Schiff oberhalb der Marchison- hen Wasserfälle an der Quelle des Ryanza vom Stapel gelassen tig und bis nach Ujiji und weiter durch zehn Breitegrade segela

onne.

Sir Samuel Baker ist mit Gemahlin und Gefolge wolhlbelal- ten hier angelangt und sie verlassen uns heute, um durch die Berberei nach Sonakin sich zu begeben, wohin die ägyptische Regierung einen Dampfer zu \chicken im Begriffe ist, der sie über das Rothe Meer nach Suez bringen soll. Von den Europäern ift keiner weiter gestor- ben, mit Ausnahme des Haupt-Ingenieurs Hingginbotham.

Nach in London eingetroffenen Nachrichten aus Free- town in Sierra Leone vom 22. Iuni haben die britischen Soldaten und Marinetruppen die Stadt Elmina am 14. Juni in Brand gesteckt, weil die Bewohner die Ashantis thatsäch- lih unterstützt hatten, indem sie denselben Waffen und Munition lieferten. Die Stadt wurde vollständig zerstört. Die Ashantis halten die ganze Küste bis zum Kap Coast und der Stadt Elmina beseßt.

Die Nr. 28 des „Justiz-Ministerial-Blattes für die Preußische Geseßgebung und Rechtspflege“ enthält folgende Allgemeine Verfügung des Justiz-Ministers vom 3. Juli 1873, betreffend die Einzi-hung der Sukkumbenzgelder in den aus dem Rheinpreußischen Mee an das Reichs-Ober-Handelsgericht ge- langenden Kassations Rekursfällen: Die nachstehende, von dem Reichs- fanzler-Amte im Anschlusse an den §. 7 der Instruktion vom 4. August 1870 (Juíst.-Minist.-Bl. S. 256) am 6. Juni d. J. er- lassene Verfügung, betreffend die Einziehung der Sukkumbenzgelder in den aus dem R Rechtsgebiet an das Reichs-Oberhandels- gericht gelangenden Kassations-Rekursfällen, wird hierdurch zur Kennt- niß der betheiligten Justizbehörden gebraht. Berlin, den 3. Juli 1873. Der Justiz-Minister Leonhardt. An die Justiz-Behörden im Bezirk des Appellationsgerichtshofes zu Cöln. Ferner folgende Verfügung des Reichekanzler-Amts in derselben Angelegenheit : Im Anschlusse an den §. 7 der Instruktion vom 4. August 1870, betreffend die Einziehung und Verrech- nung der für die Geschäfte des Bundes-Ober-Handelsgerichts in Ansaß kom- menden Kosten (Centralblatt für das Deutsche Reich S. 97 ff.), wird hier- durch zur Regelung des Verfahrens bei der Berehnung der Sufkum- benzgelder, welche in den vor dem Reichs-Ober-Handelsgericht verhan- delten Kassations-Rekurssachen aus dem Bezirk des Königlich preußis hen Appellationsgerichtshofes zu Cöln von den Rekurrenten hinterlegt wer- den, Folgendes bestimmt: 1) Jn den durch Vermittelung des König- lich preußischen Ober-Tribunals an das Reichs-Ober-Handelsgericht gelangenden Kassations-Rekursfällen hat der Gerichtsschreiber des leß- teren, sobald durch Erkenntniß ein Kassations-Rekurs erledigt und ent- schieden ist, ob das Sukfumbenzgeld verwirkt oder zurückzuzahlen ist, den Gerichtsschreiber bei dem Rheinischen Senat des Königlich preußischen Ober-Tribunals von dem Ausfalle der Entscheidung in Kenntniß zu seßen. Auf Grund dieser Mittheilung wird das Königlich preußische Ober- Tribunal für die Rückzahlung des Sukkumbenzgeldes an den Hinter- leger oder für die definitive Berrechnung desselben bei der preußischen Staatskasse in derselben Weise Sorge tragen, wie bei denjenigen Kassations-Rekursen, welche bis zur Abfassung des Urtels bei dem Königlich preußischen Ober-Tribunal verhandelt werden. 2) In den unter das Geseß, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken 2c, vom 11. Juni 1870 (Bundes-Geseßbl. S. 339) fallenden Strafsachen, in welchen gemäß §. 32 desselben die Akten dem Reichs-Ober-Handels- gericht von - dem mit der Instruktion der Sache betrauten Gericht erster Instanz unmittelbar zugehen (Verfügung des Königlich preu- isen Ober-Tribunals vom 30. Oktober 1872, Preußisches Just.-

inist.-Bl. S. 318) ist die gleiche Benachrichtigung über den Ausfall der Entscheidung des Reichs-Ober-Handelsgerichts, sowie darüber, ob das Sufkkumbenzgeld verfallen oder zurückzuzahlen is, an diejenige Kasse zu richten, bei welcher dasselbe ausweislich der beigebrachten Quittung hinterlegt worden ist. Berlin, den 6. Juni 1873. Das Reichskanzler-Umt. E ck.

Die Nr. 28 des „Preußischen Handels-Archivs“ hat folgenden Inhalt: Geseßgebung: Deutsches Reich: Gesetz, betreffend die Registrirung und die Bezeichnung der Kauffahrteishiffe. Vom 28. Juni 1873. Frankreich : Befugnisse verschiedener Zollämter. Zoll auf französishe Gewebe, die in Elsaß-Lothringen veredelt werden. Oesterreih: Befugniß verschiedener Zouämter. Marokko: Ausfuhr von Mais, Bohnen und Erbsen. Statistik: Deutsches Reich: Sachsen: Jahresbericht der Handels- und Gewerbekammer zu Dresden für 1871 (Schluß). Dänemark: Jahresbericht des General-Konsulats zu Kopenhagen für 1872. Schweden und Norwegen: Handel und Schiffahrt von ODrontheim und Christiansund im Jahre 1872. Jahresbericht des Konsulats zu Gothenburg für 1872, Niederlande : Handel, Schiffahrt und Industrie von Harlingen in 1872. Rußland: Handel und Schiffahrt von Nicolajewsk. Hayti: Jahreêbericht des Konsulats zu Gonaives (Hayti) für das Jahr 1872. Vereinigte Staaten von Nordamerika: Jahresbericht des Konsulats zu Galveston für 1872. Mexiko : A des Konsulats zu Laguna für 1872. Jahresbericht des Konsulats zu Mexiko für 1872. Mittheilungen: hristianstad. Middlesborough. Mazatlan. Berlin.

Kunst und Wissenschaft.

Goslar, 8. Juli. Mit dem heutigen Tage haben die Vor- arbeiten zum MWiederbeginn der Restaurirung des Kaiserhauses be- s Mit der Leitung des Baues ist der Architekt Hennecke

etraut.

Hanau, 8. Juli. Bei dem Dorfe Mittelbuchen, eine Weg- stuade von hier gelegen, hat man in jüngster Zeit einige Skelette aus- gehoben, deren Beifunde, wie Lanzen oder Pfeilspißen, Kämme 2c., ihrer Form nah auf Franken- oder Alemannen-Grabstätten, beziehungsweise auf das siebente oder achte Jahrhundert, in welchem gerade die Hanauer Gegend schon als eine fruhtbäre galt, himveisen. Die Funde wurden in dem Lehmboden einer Bastein-Fabrikanlage 1 bis J Meter tief gemacht und lassen, da dieselben unweit von einander liegen, mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf schließen, daß noch. mehr zu erwarten ist. i

Wien. Jn Weidling ist am 7. d. Dr. J. A. Schiner, ein Dipterologe, bekannt dur sein Werk „Diptera" (Wien, bei Gerold), im 60. Lebensjahre gestorben.

London, 8. Juli. Die Königliche geographische Gesell- \chaft hielt gestern eine außerordentlihe Sißung, in welcher der neue

Präsident Sir Bartle Frere vor einer zahlreichen Gesellschaft den versprochenen geographischen Vortrag über „Zanzibar und die Ostküste von Afrika“ hielt. Das Klima daselbst ist heiß, und in einigen Theilen des Landes, das hier und da außerordentlich frucht- bar ist, herrsben bösartige Fieber vor. Die Bevölkerung, die eine Mischung +von Arabern und den Urstämmen zu sein scheint, bekundet viele Intelligenz, namentlich in der Nähe der abyssinishen Grenze, wo die Einwohner mehr einen kaukasishen Typus darbieten. Vorher verlas der Sekretär aus Herrn Hills Feder eine Abhandlung über den afrikanischen Fluß Wami. Diese Abhandlung bestreitet die Angabe Stanley's, daß der Fluß für Dampfer von geringem Tiefgange auf 200 Meilen \chiffbar sei Nach Hills Ansicht ist der Fluß für kom- merzielle Zwecke nicht \{iffbar. Ein Brief von Dr. Kirk aus Zan- zibar vom 24. Mai wurde verlesen, worin derselbe \{hreibt, daß bis dato von Dr. Livingstone feine Nachrichten eingegangen seien. Es wird beabsihtigt, zum Andenken an Kapitän Cook, den großen britischen Weltumsegler, ein Monument auf den Sandwichs- Inseln zu errichten.

Straßburg, 11. Juli. (W. T. B.) Am Mittwoch Nach- mittag hat im Kreise Altkirch ein wolkenbruchähnlicher Regen sieben Ortschaften der Kantone Hirsingen und Pfirt mit einer Ueber- \chwemmung heimgesucht. Menschenleben sind dabei nit zu beklagen, jedoch hat ein erheblicher Verlust an Feldprodukten \tattgefungen.

Gewerbe und Handel.

Wien, 11. Juli. (W. T. B.) Der Vorstand des deut |ch- österreihischen Buchdruckervereins, Buchhändler Gerold, ver- anstaltet am 13. Juli eine Versammlung der in Wien weilenden Buchdruckereibesißzer Oesterreihs, Deutsblands und der Schweiz zu einer Besprehung über die Einführung eincs Minimal- tarifs in Deatschland, der Schweiz und Oesterreich auf der Grund- lage des von den Prinzipalen und Gehülfen angenommenen Minimal- tarifs und zu der Anbahnung einer innigen Vereinigung der deutschen, \chweizerishen und österreichi]chen Buchdruckerprinzipale.

Verkehrs-Anstalten.

Ueber den Eisenbahnunfall bei Fröttstedt hat die Di- reftion der Thüringischen Eisenbahngesellschaft der „Nat. Z.“ folgende Mittheilung zugehen lassen:

Nachdem die über den höchst bedauerlihen Eisenbahnunfall am 5. d. M. bei Fröttstedt unsererseits veranlaßten Erhebungen nunmehr in der Hauptsache dem Abschluß zugeführt sind, veröffentlichen wir die bis jeßt ermittelten Resultate derselben wie folgt :

1) Durch die auf unseren Antrag von dem technischen Mitgliede des Königlichen Eisenbahn-Kommissariats sofort veranlaßte lokale Un- tersuchung ist der durchaus normale Zustand des Gleises festgestellt, so daß diesem der Grund zur Gatgleisung nicht zugeschrieben werden kann.

Der von des Herrn Handelsministers Excellenz nah der Unfalls- stätte deputirte technische Rath des Königlichen Ministeriums hat gleichfalls keinerlei Ausstellungen gegen die Beschaffenheit des Gleises zu machen gefunden.

Das Gleis und zwar sowohl Schwellen als Schienen ift im Jahre 1868 neu gelegt, mit Kiesbett versehen und aus eichenen Schwellen mit 5* hohen Schienen nah durchaus bewährter Konstruk- tion hergestellt. i:

Der normale Zustand des Gleises ergiebt sich übrigens {hon aus dem Umstand, daß die vor dem Zug befindlich gewesenen beiden \hweren Lokomotiven die Entgleisungsstelle ungefährdet passirt haben.

Wie fest insbesondere die Schwellen an der Entgleisungsstelle ge- wesen sind, beweist die Thatsache, daß bei dem durch die Entgleisung ausgeübten seitlihen Druck gegen die Schienen die Haknägel nicht in s B eingedrückt, sondern am Kopf in sich gekrümmt, aufge- vogen sind. j D

2) Die einzige, bis jeßt erkennbare Ursache der Entgleisung ist in dem Bruch der Mittelachse an dem einer Nachbarverwaltung zugehö- rigen Personenwagen zu finden. Nach der Aussage eines Passagieres, welcher in dem betreffenden Wagen seinen Plaß- hatte, muß ange- nommen werden, daß der Achsenbruch hon bei der Ausfalzrt aus dem Bahnhof Fröttstedt erfolgt ist. Derselbe hatte indeß, so lange ih der Wagen in der zunächst folgenden geraden Bahnstrecke fortbewegte, feinen Einfluß auf den ruhigen Lauf des leßteren; beim Eintritt in die demnächst sich anschliezende Kurve erfolgte die Entgleisung des einen Rades, was unmittelbar auch die Entgleisung des größeren Theiles des Zuges veranlaßte. : : :

3) Das Material der gebrochenen Achse, welche nirgends die Spur eines älteren Anbruchs zeigt, erscheint tadellos; der Wagen war erst am 25. Juni d. F., also erst 12 Tage vor dem Unfall, der vor- \hciftsmä „igen Revision unterzogen worden. ;

4) Eine den Bestimmungen des Bahnpolizei-Reglements vom 99, Dezember 1871 zuwiderlaufenden Zusammenseßung des Zuges, wie solche in einigen Zeitungsartifeln behauptet worden ist, hat nicht statt-

efunden.

: 5) Leider ist der Verlust zweier Menschenleben zu beklagen, der einer reisenden Dame und eines Zugbremsers. Außerdem haben nah den bisherigen Ermittelungen elf Passagiere mehr oder minder erheb- liche Beschädigungen erlitten; zwei derselben e am Morgen des 5. Juli nach Berlin zurückgereist, sieben andere haben ihre Reise un- mittelbar nah Frankfurt fortgeießt, und nur zwei befinden sih noch in Pflege in Eisenach; nach Ansicht des sie behandelnden Arztes indeß außer Gefahr. Weiter werden von dem Fahrpersonal noch drei Per- sonen, welche nicht lebensgefährlih verleßt sind, in Eisenach ärztlich behandelt, während eine vierte bereits am Morgen des Unfalls zu ihrer Wiederherstellung in die Heimath zurüdckgereist ift.

“— Belgrad, 10. Juli. (W. T. B.) Die Konzessionsurkunde s die neue Eisenbahn wurde heute veröffentliht. Nach der- elben ist die Konzessionsdauer auf 50 Jahre festgeseßt, jedoch kann der Rückauf bereits nah 20 Jahren erfolgen, Die Gesellschaft hat die Land-sjarisdikftion anzuerkennen.

Stockholm, 6. Juli. Die Einnahmen sämmtlicher \chweédischen Eisenbahnen für die ersten 5 Monate d. J. stellen sich folgendermaßen: die Staatsbahnen Rdl. Rmt. 4,502,420; die Bahn Köping-Hult 297,431; Boras Herrljunga 70,569; Uddevalla- Wenerêberg-Herrljunga 128,030; Weriö-Alfresta 40,146; Christian- stad-Hessleholm 67,013; Landskrona-Helsingborg 153,491; Ystad-Esl16f 128,856; Gefle-Dala 480,597.

Aus dem Wolff'fchen Telegraphen-Bureau.

München, Freitag, 11. Juli. Der Kaiser von Desterreih ist heute Morgen inkognito hier eingetroffen und am Bahnhofe vom Prinzen Leopold empfangen worden. Heute Abend wird sh der Kaiser nah Possenhofen begeben. Me

Madrid, Donnerstag, 10. Iuli Abends. Der Ministerrath hat den Finanzvorschlägen von Carvajal seine Zustimmung ertheilt, wonah cine Anleihe von 2 Milliarden Realen emittirt werden soll, welhe durch die Emission von einer Milliarde Hypotheken- scheinen, durch neue Steuern zum Betrage von 700 Mill, sowie durh andere Unterpfänder garantirt wird. ;

Perpignan, Freitag, den 11. Juli. Von der spanischen Grenze nird gemeldet: Die Truppen des General Vega, verstärkt dur ein Detachement der Garnison Vich, griffen die Carlisten, welche sihzu Herren von San Quirce gemacht u daselbst an und vertrieben fie mit dem Bajonnet. Ein Bataillon mobilisirter Nationalgarde aus Taragona hatte einen hartnäckigen Kampf mit Carlisten bei Santa Colonna zu bestehen. Die Legteren sollen 50 Todte und viele Verwundete auf dem Plaße gelassen

aben. ) Konstantinopel, Freitag, 11. Iuli. Die von dem hie- figen Journal, „Bassiret“ gemeldete Nachricht, daß eine türkische Flottenabtheilung nah Sumatra abgehen werde, wird als unbe- gründet bezeichnet.