1898 / 227 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Sep 1898 18:00:01 GMT) scan diff

D S C A E T E M E R T G T C O T T T E F E E E C E E E E E E R E E E

Qualität :

1898 gering

mittel gut i Verkaufte

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Menge

niedrigster M

hödster

höhfter höchster [Doppelzentner

M Mt. M M. M.

niedrigster niedrigster

E E S

Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1) nach überschlägliher Schäßung verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)

Durchschnitts- preis

für Durch- 1 Doppel- \chnitts- zentner preis

Mt. M. M.

Am vorigen Markttage

dem

I

12,60

14,20 13,95 12,50

14,00 11.30

Bopfingen

Emmendingen .

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Anklam . é S

Breslau . . alter Hafer } . neuer ,

Neuß . alter Hafer

w . . . . neuer y U Duudial. A 12,00 Arnstadt i. Thb. ¡ I

12,00

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt. (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis niht vorge

Ein liegender Stri

XXITV. deutscher Juristentag.

Die Beschlüsse des XXIV. deutshen Juristentages, welWer vom 12. bis 14. September in Posen stattfand, sind bereits mitgetheilt worden. Da die dietjährigen Berathungen aber nicht allein für den Fachmann und den Gesctzgeber wichtig find, fondern au in foztaler und volkswirths{aftliher Hinsicht Beachtung verdienen, geben wir nach- stehend ncch eine ausführlichere Darstellung der Verhandlungen.

Unter dem BVorsiß des Reich8gerihts-Raths a. D. Dr. Stenglein wurden zwet T gep und unter dem des Landgerichts- Präsidenten Thomsen-Münster bezw, des Justiz-Raths Neaßt-Gießen und Stenglein?'s je zwei Sitzungen der drei Abtheilungen abgehalten. Aus der ersten Sißung des Plenums ist nur ein eingehender Bericht des Ge- heimen Justiz-Raths Wilke-Berlin über die Nechtsentwickelung in Deutschland während der leßten drei Jahre zu erwähnen. Der Schwerpunkt der Arbeit lag wie immer in der Thätigkeit der Abtheilungen, Der ersien sind stets Privatrecht, juristisches Studium und praktishe Ausbildung, der zweit:-n Handels-, Weh el-, See- und internationales Recht nebs Gerichtsverfassung und Zivil- prozeß, der dritten Strafreht, Strafprozeß und Gefängnißwesen zu- gewiesen. Es waren zwölf Berathungêsgegenstände unter sie vertheilt, von denen zwei, die der erften Abtheilung zugefallen waren, unerledigt blieben, nämlich die Fragen: welhe Stellung ist in dem zu erwartenden Ve!sicherungsgeseze ten Veisicherungögesellshaften auf Gegenseitigkeit zu gewähren ? und: werden durch das Bürgerliche Geseßbuh die Bor- {riften der Landesrehte Über den Uebergang und die Führung adliger Namen berührt? Diese Punkte, über welhe ausführliche Gutachten in den drei starke Bände füllenden Vorarbeiten für die diesjährige Tagung erstattet waren, sind für das nächste Jahr zurückgestellt.

Erledigt wurde von der ersten Abtbeilung zunächst die Frage: empfietlt es sih, zum Schuße der Bauhandwerker die Ertheilung der Bauerlaubniß an den Unternehmer von einer durch diesen zu be- stellenden Sicherheit oder Sicherheitshypothek abhärgig zu machen ? Gutachter: Justiz-Rath Dr. Ekels-ESöttingen und Landgerichts-Rath Thinius-Berlin, Referenten: Geheimer Justiz-Rath, Professor Dr. Brunner-Berlin und Gebeimer Justiz-Rath Wiike-Berlin. An den Debatten betheiligten fh Rechtsanwalt Baumert - Spandau, Justiz - Rath Beckh - Nürnberg, Justiz - Rath Boyens - Leipzig, Geheimer Justiz-Rath, Professor Enneccerus-Marburg, Geheimer Justtz- Nath, Professor Gierke - Berlin, Kreiëgerichts:Nath a. D. Dr Hilse- Berlin und Rechtsanwalt Scherer- Leipzig. Uebereinstimmung herrschte darüber, daß die Bauhandwerker cines besonderen Schuges theilhaftig werden müßten da sie, die heute den eigentlichen Stamm der Hand- werker überhaupt bilden, nothgedrungen ihre Arbeiten und Materialien vorleisten müssen und der Bauherr an letzteren sofort Eigenthum erwirbt, ohne daß eine ausreihende Sicberung dieser wirthshaftlich {lecht gestellten und oft durch niedrige Machenschasten um den Lohn für ihre Arbeit gebrahten Personen nah Loge der gegenwärtigen Gefeßgebung möglich ist. Die überwiegende Mehrheit verlangte den gleihen Schuß auch für die Lieferanten von Baumaterialien, eine große Zahl ferner für den Unternehmer des Bauwerks oder einzelner Theile desselben, auch wern die betreffenden Werkverträge nicht vom Eigenthümer der Baustelle oder für dessen Rechnung ge- {lossen find. Darüber, ob der erforderlite Shuß nun im Wege der dur eine kommunale Behörde auszuübenden polizeilichen Kontrole der Bauherren oder anderweit zu erzielen sei, gingen die Meinungen auseinander. In Erwägung kommen namentli% Vorschläge zur Ab- änderung des öffentlichen Rechts oter des privaten ; in letzterer Hinsicht solhe auf Gewährung eines Vorrehts an die Baugläubiger ohne Pfandrecht, auf Einräumung eines Pfandrehts mit dem Vorreht vor allen Forderungen oder eines Pfardrehts mit unbeshränktem Vorrecht betreffs der aus dem Bauwerk zu erzielenden Einkünfte. Die Ver- sammlung verwarf alle Neuregelungen, welwe sih mit den Grund- fäßen des Grundbuhwesens in Widerspruch seßen und dadurch den auf dem Glauben an kas Grundbuh und auf dessen Vollständigkeit und Grkennbarmachung der Immobiliar-Nechtsverbältnisse beruhenden Realkredit \{ädigen würden. Auch war man nicht geneigt, Eingriffe weitgehender Art in das freie Verfügungöreht des Eigenthümers über seinen Grundbesiß zuzulassen. Man einigte sich auf Zustimmung zu dem Vorschlag des Entrourfs von 1897, wonach die Bauerlaubniß von der Eirtragung eines mit Sicherung der Bauforderungen zu ver- knüpfenden Bauvermerks abhängig zu machen ist. Ob und wie hier- mit die Einseßung von BVavschöfferämtern zu verbinden ist, blieb streitig. Die hauptsächlihste Schwierigkeit bei Einführung einer folchen Bebörde liegt tor, wenn diese den Werth der Baustelle niedriger einscätt, als dicse zur Zeit der Eintragung des Bauver- merks bereits belasiet ist. Die damit verbundenen Unzuträglichkeiten wollte Brunner dadur beseitigen, daß in Höhe der Differenz zwischen Belaflung und Taxe eine Kaution zu leisten sei, drang aber hiermit nicht durch. Mehrfoh betont wurde von den Rednern, daß man alles vermeiden müsse, was die Bautenausführungen zum Monopol der Großkapitalisten machen oder den Zwang der minder vermögenden Bauherren zur Aufnahme von wucheri|chen Darlehen zur Folge haben würde. Zahlreich waren die Anregungen über - die

rt und Weise, in welcher cine Sicherheit dafür zu {afen sei, daß die Baugelder, namentlich die von Baubanken gegebenen, auch thatsähzlich nur zur Befriedigung der Baugläubiger Verwendung finden. Gierke bezeihnete eine Neuordnung des gesammten Immo- biliargüterrechts nah sozialpolitishen Gesichtspunkten als nothwendig. G olgenve Beschlüsse wurden angenommen :

) Es empfiehlt fih, zum Schuße der Baugläubiger in Neubaus- bezirken die Bauerlaubniß von der Eintragung cines Bau- vermeiks in das Grundbuh abhängig zu machen, an den die Sicherung der Bauforderungen zu knüpfen ist.

2) Sind die Verträge mit ten Bauhandwerkern und Arbeitern niht im Namen oder für Rechnung des Bauherrn geschlossen, so können jene durch wirksame Anmeldung ihrer Ansprüche ein Pfandrecht an den angemeldeten Bauforderungen des Vormanns erwerben. j

Der zweite Berathungsgegenstand ter' ersten Abtheilung lautete : Nach welchem örtlichen Rechte sind auf Grund internationalen Privat- rechts die Vertragsobligationen zu beurtheilen? Gutachter: Pro- fessor von Seeler:- Kiew und Rechtsantoalt Dr. Hugo: Neumann- Berlin; Berichterstatter : Geheimer Justiz-Rath, Professor Enneccerus-

Noch: Hafer. 13,40 14,00 15,70 16,74 :15,50 13,00 15,00

13,40 85 14,00 4 15.70 : 16.74 94 16/00 20 13.00 33 15.20 l E 16,

12/50 48 13/00 i 13/00 39

12,60

14,20 1414 13/50

14,40 14/60 11/60 1180

13,00 13,00

15,80 15/00 12/50

14,80 12,10 12,30

14,60 ——— 12,90

12,00 12,50 12,50 13,00 12,00 12,80

BVemerTun den

14,88 1450 12.50

Marburg und Professor Mitteis-Wien. An der Debatte betheiligten fich außer den Referenten nur Dr. Neumann und Justiz-Rath Boyens- Leipzig. Das Bürgerliche Geseßbuch hat in seinem Einführungsgesete das internationale Privatrecht theilweise für Deutshland geregelt, über den Siß der VertragLobligationen aber nichts bestimmt. Man ift nun darüber einig, daß, wenn alle rechtswirkenden Thatsachen eines bestimmten Veitrages in räumliher Beziehung auf das Inland oder aber einen bestimmten ausländischen Staat verweisen, die Rechts- saßungen des Inlandes, bezw. des bestimmten fremden Staats zur Anwendung zu gelangen haben. Betreffen sie verschiedene Staaten, so kann jeder von ihnen nur über die Rehiswirkungen Bestimmungen treffen, welche in maßgebender rävmliher Beziehung zu ihm selbft stehen. Bei der hier entstehenden Kollision muß jeder Staat davon ausgehen, daß er zwar anordnen darf, urter welhen Vorausfcßungen in seinem Gebiet ausländishes Net in Anwendung zu kommen hat, daß er jedoch keine Befugniß hat, dem Auélande Vorschriften zu mahen. Oie in Deutschland vom Geseßgeber der Wissenschaft überlassene Frage, welche räumlihen Beziehungen bei den Vertragsobligationen die über- wiegenden sind, fand auf dem Juristentage zwei entgegengejeßte Ant- worten. Die Einen nollten für Schuldverhältnisse aus Verträgen, die im Inlande abgesclossen sind, Beurtheilung nah dem Rechte des Ortes eintreten lassen, an wel@em der Schuldner zur Zeit des Vertrags- {lu}scs scinen Wobnsiß hatte, falls niht ein anderes Recht durch Partei- willen bestimmt oder den Umständen zu entnchmen ist, Nur wenn die Umstände ergeben, daß die Anwendung dieses Rechts ron den Parteien nicht vorauégeseßt ist, soll die Beurtheilung nah dem am Orte des Vertrags\{lusses geltenden Rechte erfolgen. Die Anderen wollen leßteres stets an erster Stelle anwenden und machen geltend, daß die Gegner konsequenterweise niht das Wohnsitzreht, sondern das Heimathsrecht des Schuldners anwenden müßten. In Erwägung, daß die Erfüllungshandlung von dem Staat, in dessen Bezirk der Vertrag zu erfüllen ist, erzwungen werden muß, und daß auch das Reichs, Dber-Handels- und das Reichsgericht sih für das Recht des Erfüllunzsorts entschieden haben, wurde beschlossen :

Inhalt und Wirkung der Vertragsobligationen ift, soweit nicht |

zwingende Rechtsnormen entgegenstehen, nach demjenigen Rechte zu beurtheilen, dessen Anwendung die Parteien vereinbart oder stillschweigend vorausgescßt haben, Js hiernah ein maß- gebendes Recht nicht vorhanden oder erkennbar, fo ent- scheidet das Necht des EFrfüllungsortes. bverweisung findet auf dem Gebiete der Vertragsobligationen keine Anwendung.

Endlich erledigte die erste Abtheilung woŸ die Frage: Ist nach i

den Vorschriften des WBörgerlihen Geseßbuhes die Ver- folgung des dinalihen Rechtes auch gegen den mittelbaren Besißer zulässig? Gutachter; Professor Wendt - Tübingen und Geheimer Justiz-Rath, Professor Gierke. Berlin; Reterenten : Professor Strohal-Leipzig und Ober-Landesgerihts-Rath Dr. Meisner- Posen. Eine Debatte fand nach den Vorträgen der Berichterstatter nicht statt. Die angeregte Frage findet im Bürgeclihen Geseßbuch keine direkte Antwort. Sie war namentlich durch Wendt’'s Aus- führungen f\treitia geworden, woelher eine Vindikation nur gegen den körperlihen Besißer für statthaft erahtet. Der Juristentag hat sich ibm jedoch nicht angeschlossen, vielmehr einstimmig mit zwingenden Gründen die aufgetauhte Kontroverse im entgegen- geseßten Sinne entschieden. Er ist ater hierbei davon aus- gegangen, daß Besiß eine selbständige thatsählide Sachherrschaft gegenüber der urxselbständigen der JInnehabung i, und daß bei dem durch das Bürgerlihe Geseßbuh eizgeführten, deu römischen Recht unbekannten ODoppelbesip auch , der nittel- bare Besiy sich als eine thatsächlihe, mit Änspruch auf Herautgabe der Sache verbundene Sachherrschaft darstelle, sodaß bis zum Erweise des Gegeniheils jede sahenrechtlihe Vorschrift über den Besitz s{hlect- hin, mithin auch die über die Vindikation, auf ihn auszudehnen ift. Bei der weiten Ausdehnung des mittelbaren Besites würde der Eigen- thuméschuß höht unvollkommen und unzweckmäßig geordnet sein, wollte man eine Verfolgung des dinglichen Rechtes gegen ten mittel- baren Besißer ausschließen. So gut der: Eigenthümer ihn neben dem unmittelbaren verklaaen kann, kann er ihn auch allcin in Anspruch nehmen. Es giebt Fälle, in tenen man sonst ihm seine Eigenthums- verfolgung überhaupt abschneiden würde; so bei den bandelêrehtlichen Traditionspapieren. Es führen die Berücksichtigung der Bedürfnisse des Lebens, die Entstehungsgeschichte des B. G.-B. und desscn Wortlaut zu einer unbedingten Bejahung der aufgeworfenen Frage. Die Ab- theilung bes{chloß auf Strohal’s Antrag :

Die Verfolgung des dinglichen Rechtes is auch gegen den

mittelbaren Besiger zulässig.

Der zweiten Abtheilung waren vier Punkte zugewiesen. Der erste lautete: Empfiehlt sich die Einführung eines Heimstättenrechts, insbesondere zum Schuhe des kleinen Grundbesißes gegen Zwangs- vollstreckung ? Gutachter: Professor Max Weber-Freiburg i. Br. und Privatdozent Dr. Gruenberg-Wien; Berichterstatter : Regierungs-Rath Meier-Bromberg. An den Debatten betheiligten sh Rechtéanwalt Dr. Fuld - Mainz, Gierke, Dr. Gruenberg und Rechts- anwalt Orgler - Pesen, ferner an der sch anschließenden, überaus langen Abstimmungsdebatte Justiz - Rath Dr. Goldscomidt - Berlin, Rechtsanwalt Dr. Staub - Beclin und zahlreihe Andere. Wenn man von einer Heimstätte spricht, so muß man klar zu erkennen geben, ob man mit ihr ein agrarpolitisches Institut hafen oder nur zum Schuße von Familienvätern eine Grweiterung der bestehenden Exckutionsbefreiungen gewähren will. Das amerikanische Buntesheimstättengeseß wollte nur die rechtliche Möglichkeit zur fast unentgeltlichen Niederlassung auf 200 Acres un- bebauter öffentliher Ländereien unter Vefretung des Grundbesißers von der Hastung für vorher kontrahierte Schulden bis zur Ausfolgung des definitiven Besittitels f{chafen. Die Geseßgebung der Einzel- PN hat dies in einen Si, des Besißers gegen Zwangsvoll- treckung betreffs eines bestimmten Theiles des Mobiliarbesitzes und au eines gewissen, geseßlich bestimmten Höhstmaßes an Immobiliarbesitz verwandelt. Jn Deutschland versteht man unter Heimstätten recht oft Maßregeln zur Erhaltung des Mittel- und Kleinbetriebs in der Landwirthschaft, sowie zur Seßhaftinahung von lanzlosen Bevölkerungs- shichten. Die meisten Redner waren gegen Pee Experi- mente; ein agrarishes Sonderrecht werde der Landwirthschaft nichts

| Posen,

Die Rück‘ oder Weiter- i

; Gewerbetreibenden zu versagen ift, sei vorzuziehen.

1 097 12,90 96 14,00

380 15,83 284 14,20 417 12,83

12,68 14,00

16,04 14,20 12,74

715 14,89 14,90

480 12,30 13,94

Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet. ommen ist; ein Punkt (.) in den leßten sechs Spalten, daß entsprehender Bericht fehlt.

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nügen, deren Krisis hauptsählich durh den überseeisGcn Wettbewerb hervorgerufen worden sei. Weder die Verschuldung, noch die Be, wucherung der Landbesißer, noch der Landhandel lassen sich durch eine Heimstättengeseßgebung hindern; sie bewirkt vielmehr cin starkes An- ziehen des Zinsfußes für Personalkredit, Eine Regelung der Angelegen- heit nah amerikanishem Muster wurde von keiner Seite empfohlen. Wohl aber wurden vorgeschlagen : Einbeziehung von landwirthschaftlih genußtem Grund und Boden in den Kreis der unpfändbaren Ver- mögensobjefte, die allerdings eine vorhergehende Lösung der (Erb- rechts- und Kreditfragen erbeishe, amortifable Nentenshulden , Ver- mehrung der Ansiedelungsgüter, Festseßung eines pfandfreien Ver- mögensmindestbetrages, Versuch der Etnführung eines Heimstätten- rechtes unter Ausscheidung der agrarpolitishen Gesichtépunkte, etwa mit einer Vershuldungsbeschränkung. Nachdrükiih wurde betont, daß man dur rechtliche Bindung des Bodens eine Stabilisierung der Bevölkerung nicht erzielen könne. Berlin habe vrozentual mehr orts- gebürtige Bevölkerung als viele Nittergüter. Die Versammlung be- trahhtete aber die nationalökonomishen Vorfragen als noch nicht genügend çeklärt und lehnte deshalb eine definitive Beschlußfassung ab.

An prozessualen Fragen war nur eine aufgeworfen: Ist die Vor- chrift des § 296 Z-P.-O,, kraft welcher der Nichter bei der Schöpfung des Versäumnißurtheiles gegen eine vom letzten Termine weggebliebene Partei alles ignorieren muß, was sie in früheren Terminen vorgebracht hat, oder die Bestimmung des § 399 der öfterreihischen Z.-P.-O., welche in diesem Falle Vollversäumniß nicht annimmt, innerlih gerechtfertigt? Guta%ter: Dr. Sperl-Graz und Nechtsanroalt Emil Koffka-Berlin; Referent : Privatdozent Dr. Schtwoarz- Berlin. An den Debatten nahmen tbeil: Landgerihts-Nath Albinus- Justiz-Rath Goldschmidt - Berlin, Justiz-Rath Humser- Frankfurt a. Main, Rechtêanwalt Scherer - Leipzig, Ober- Landesgerichts - Rath Simon - Posen und Gebeimer Ober - Justiz- Rath Vierhaus-Berlin. Es {anden sih drei Meinungen gegen- über; die eine befürwortete unbedingt das reichsdeutsche, die zweite ebenso das österreihishe System; die dritte, namentlich von dem Geheimen Ober - Justiz - Nath Vierhaus vertretene erahtete ‘dafür, daß die Bestimmungen jeder der beiden Prozeßordnungen nur unter Rücksichtnahme auf ihr Syftem voll ver- ständlich, innerhalb dieses aber eine jede für sich durhaus folgeritig entwideit seien. Vierhaus erwähnte, daß eine grundsätzliche Durchsicht der deutschen Z.-P.-O. auf die Dauer sih nicht werde vermeiden lassen, und daß cine Abshwähung des starren Versäumnißprinzips erfolgen werde. Auf seinen Antrag wurde beschlossen:

In Erwägung, daß die Frage mit den Grundlagen der Z.-P.-O. zufammenhängt und daher nur bei deren grundsäßlicher und \ystematischer Revision gelöst werden kann, leznt der Juristen- tag ihre Beantwortung zur Zeit ab.

Ob sich die geseßlihe Regelung des Gewerbes der Grund- und Hypothekenmakler empfiehlt, war ber dritte Berathungsgegenstand der zweiten Abtheilung Gutachter: Dr, Friedrich Tetner - Wien und Privatdozent Dr. Burchard - Berlin; Referenten: Zustiz - Rath Dr. Goldschmidt-Berlin und Rechtsanwalt Dr. Fuld-Mainz. An der Debatte nahm noch Justiz-Nath Humser-Frankfurt a. Main theil. Unter den Gutachtern sowohl, wie unter den Berichterstattern fand \ich je ein Vertreter entgegengeseßter Anschauungen: Burchard und Fuld ver- langten ein Spezialgeseß, die beiden Anderen verwarfen diese Forderung. Für jene Meinung wurde ins Feld geführt, daß starke Mißstände im Im- mobilienmäklerwesen herrshten, welche cin geseßgeberishes Einschreiten erheiswen, und daß die Makler felbst ein Sondergeseß als nothwendig bezeihnen. Vorgeschlagen wurde, die Zulassung als Grund- und Hypothekenmakler von einer behördlihen Konze|sionierung abbängig zu machen, die auch eine räumlihe Beschränkung für den Wirkungs- freis der einzelnen Makler zu umgrenzen habe; Einführung von Immobilien-Maklerkammern ; Aufstellung subsidiär anzuwendender Maklertaxen; Anwendung der Vorschriften der Gewerbeordnung auf die Makler auhch für den Fall, daß diese Kaufleute sind oder werden. Die Gegner, welche sih namentlih auf die bestehenden Zustände in Berlin, Süddeutschland und Oesterreih und die dort gemachten Erfahrungen beriefen, hielten die bestehende Gesetzgebung für ausreihend, um die vorhandenen Mißstände zu beseitigen. Man s\teuere fon auf eine Monopolisierung des Gewerbes los und begünstige damit das Auftauchen geheim betriebenen unbefugten Agententhums. Ein frei betriebenes und nur der Anmeldepflicht unterliegendes Maklergewerbe, dessen Betrieb bei Unzuverlässigkeit des Jedenfalls komme man mit dem Verordnungsrecht des Staats auf diesem Gebiete aus. In Annahme dieser Gründe wurde beshlof}sen :

Die geseßlihe Regelung des Gewerbes der Grund- und Hypo- thekenmakler empfiehlt fih nicht, weil die bestehenden geseß- lihen Vorschriften eine ausreichende Grundlage für den Ausbau der das Immobiltarwesen beherrshenden Grundsätze durch die Nechtsprehung und die Verwaltungspraxis gewähren.

Gleichfalls das Immobiliarweïen betraf der leßte der zweiten Abtheilung zugewiesene Punkt der Tagesordnung : Ist die reihhsgeseb- lihe Regelung des Hypothekenbankwoesens und die- der gemeinsamen Rechte der Besißer von Schuldverschreibungen zu empfehlen ? Gut- achter: Geheimer Hofrath Dr. Hecht-Mannheim ; Berichterstatter : Justiz-Rath Dr. Nießer-Berlin; Theilnehmer an der Debatte : Justiz Rath Dr. Goldshmidt-Berlin, Syndikus Dr. Minden-Berlin und Bank- direktor Dr. Freiherr von Pechmann-München. Zwei Gesetzentwürfe des Neichs- Justizamts zielen auf dinglihe Sicherung der Rechte der Pfand- briefbesißer im Falle des Konkurses; der zweite geht noch über diesen Rahmen erheblich hinaus, indem er die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen überhaupt zu regeln unternimmt. Von den beiden sich hiernach für den Juristenstand ergebenden Hauptfragen ist die erste, ob überhaupt eine reihsgeseßliche Ordnung der fraglichen Verhältnisse erwünscht sei, bejahend beantwortet worden. Audsschlag- gebend war die wirthshaftlihe Bedeutung der Hypothekenbanken, welche jeßt bereits mit über 5 Milliarden Mark an dem insgesammt 8 Milliarden Mark umfassenden Umlaufe von Pfandbriefen deut|her Bodenkreditanstalten betheiligt sind. Die zweite Grundfrage, ob die Aufficht dem Reich oder den Landesgeseßgebungen zu übertragen sel, wünschte der Juristentag im ersteren Sinne entgegen dem. Reichs- geseßentwurf gelöst zu g Darüber, ob zur Deckung nur Hypo- theken oder au Grundschulden zuzulassen seien, wurde keine Entscheidung

by

etroffen. Als wünschenswerth wurde bezeihnet, daß das behördlihe Aufsichtsrecht unzweideutig als eine Aufsichtspfliht hingestellt werde und ih gleihmäßig auf alle Banken zu erstrecken habe; ab-

Lt Kritik begegnete die Festsetzung verschiedener Beleihung8grenzen

ür städtishe und ländliche Grundstücke im Entwurfe und der Aus- chluß der kommunalen und staatlihen Pfandversreibungen aus dem Geltungsbereih des Geseßes. Die Schaffung eines Neichs-Pfand- briefamts is erwünscht, aber z. Z. nicht zu erlangen. Von Vortheil für die Allgemeinheit wird die Aufstellung einbeitlicher Normen für die Bilanzierung und für gleihmäßige Berichterstattung der Banken sein. Das Hypothekenbankwesen is in Deutsch- land in gesunder Entwickelung; doch wird auch die Staats- aufsiht niemals dem Publikum die Pflicht zu eigener Prüfung benehmen können. Sie vermag weder die Schäßtzungs- methoden für die Beleihung noch die Pfandbriefpolitik der einzelnen Banken einheitlich zu gestalten. Auch aus dem Kurse der Pfandbriefe ift kein siherer Anhalt für deren Werthshäßung zu entnehmen, da die Kursbildung nit bloß von der Qualität der Banken, fondern zum Theile auch von anderen Bedingungen abhängt. Man beschloß :

I. Eine reichsgeseßlihe Regelung des Hypothekenbankwesens und der gemeinsamen Rechte der Besißer von Schuldverschrei- bungea ift dringend empfehlenswerth.

11. Die in diesen beiden Materien \eitens des Reichs- Justizamts ausgearbeiteten Gesezentwürfe bilden eine gute und sahgemäße Grundlage für das gesetzgeberishe Vorgehen.

IIL. Die Aufsiht über die Hypothekenbanken soll dem NMNeich und nicht den Landesregierungen überlassen werden.

Den Verkbandlungen der dritten Abtheilung wohnten mit Rük- ht auf die Wahl der Berathungs!hemata diesmal viele Juristen bei, die sonst nicht den Saal der Kriminalisten aufsuhen. Besonders interessierte man sih für den ersten Punkt von deren Tagesordnung: die Behandlung des dolus eventualis im Strafrecht, bezichungsweise im Strasprozeß. Gutachter: Reichsgerihts-Rath a. D. Dr. Stenglein und Geheimer Justiz - Rath, Professor von Liszt - Halle a. S. Die Referenten Reichsgerihts-Rath Dr. Olshaufen-Leipzig und Ge- heimer Justiz-Rath, Professor Kahl. Berlin hatten beide noch kurz vor Eröffnung des Juriftentages absagen müssen; für sie trat Ober- Reichéanwalt Hamm- Leipzig ein. Theilnehmer an den Debatten waren Landgerichts-Direktor Buddee-Greifswald, Rehtsanwalt Dr. Scherer- Leipzig und Rechtsanwalt Werner - Magdeburg. Zwar nit für den Fahmann, wohl aber für den Fernerstehenden mußte es in hohem Grade auffällig ersheinen, welche Einhelligkeit über den viel um- strittenen Begriff des Eyentualdolus, den Buddee lieber als bedingten Vorsaß bezeichnet schen wollte, hecrshte. Es handelt \ih bei ihm niht um einen neuen, fonvdern um einen uralten Begriff, dessen Wissenschaft und Praxis garniht entbehren können, und der nur dur Mißverständnisse, namentlich der Presse, die ihn oft als einen mög- liherweise vom Tktäter gehegten Vorsaß auffaßt, zu einem Stilhwort geworden ist, dessen Erwähnung zur Erzeu- gung des Gefühls tendenziéser VBerfolgungssußt genügt. Er trägt gar keine Besonderheiten an ih, sodaß er für folgerichtig denkende Menschen an si überhaupt keiner Erwähnung bedurfte. Soweit seine Wirkung fi auf den Erfolg erffreckt, kommt wie bei jedem Vorsaz in Betracht, ob der Thäter den Erfolg vorausgesehen hat. und ob er die von ihm verursahte Handlung wollte. Sieht der Thäter weder einen bestimmten noch einen unbestimmten Erfolg voraus, fondern nimmt er an, es werde der cine oder andere von mehreren bestimmten Erfolgen eintreten, und nimmt er in seinen Willen auf, es solle die cine oder die andere Folge seiner Handlung eintreten, fo hat er beide vorfäglih gewollt. Nichtet er seinen Willen in erfter Linie auf die etne Folge, in zweiter aber auch auf die andere, so will er die leytere mit Eventual- dolus. Wer eine Bombe zwecks Tödtung einer bestimmten Person auf die Straße wirft, will mit Eventualdolus die Verletzung und den Tod der mitbetroffenen Passanten. Wer hingegen etnen Erfolg thatsächhlich nicht vorautgesehen und auch niht gewollt hat, handelt niemals mit Eventualdolus, sondern hôch\tzns nur fahrlässig, au wenn er bei Anstrengung seiner Aufmerksamkeit diese Folgen feines Thuns sich hätte vorstellen können und müssen. Genau ebenso liegt es, insoweit der Vorfayz auf bestimmte Vorauéseßungen des That- bestandes gerichtet sein muß. Gehört zur Strafbarkeit die Kenntniß gewisser Thatumstände, z. B. des Alters eines Mädchens, fo handelt derjentae nur fahrläfsig, welher das Vorliegen dieser Thatsachen nicht vo1aussieht ; will er aber seine strafbare Handlung au für den Fall begehen, daß der Thatumstand, z. B. eine Altersstufe unter der geseßlihen Grenze, vielleiht doch vorhanden ist, so handelt er mit Eventualdolus. Diese klaren Begriffe baben nun leider hier und da in der Praxis, au des Reichsgerichts, mißverständlihe Anwendung gefunden und find in der Bespreung durch die Tagesblätter ver- dunkelt worden. Der eventuelle Vorsay aber, richtig verstanden, kann weder entbehrt noch) beseitigt werden, da er keine Abart, fondern ein Anwendungsfall des Vorsatzes ist. Die Schwierigkeiten liegen nur in den Zweifeln, welche sih in der Praxis bei Anwendung der feststehen- den theoretishen Begriffe auf die oft sehr ve:wickelte Lage des Einzel- falles herausstellen; hier muß der Strafcihter sehr feine psychologische Unterschiede treffen können. Einem von Werner gegen das Reichgericht erhobenen Vorwurfe, daß dieses niht zwischen bedingtem Vorsatze und bedingtem Wissen \{eide, und einem Antrage desselben, den Eventualdolus da nicht für ausreichend zu erklären, wo das Gesey Wissentlichkeit als Thatbestandsmerkmal hinstellt, trat der Juristentag A bei. Es wurden folgende Anträge Hamm's zum Beschluß er- oben :

[. Der Erfolg einer Handlung, auf den der Wille des Thâters nit direkt gerihtct, der aber vom Thäter als möglich erkannt war, ift \trafrehtlichÞ dem Thäter als vorsäglih von ihm verursacht anzurechnen, wenn er die That auch für den Fall wollte, daß se diesen Erfolg haben würde.

IT. Desgleichen ist der Thäter, der das Vorhandensein eines zum Thatbestande- einer strafbaren Handlung gehörigen Merk- males nit kannte, aber für mögli hielt, wegen vorsäßlicher Begehung der f\trafbaren Handlung zu verurtheilesz, wenn er die That auch für den Fall wollte, daß dieses Thatbestanbs- merkmai vorliegt.

Es folate die Fraze: Soll zur Veijährung der Strafyerfolgung der bloße Ablauf einer geseßlich besttmmten Frist seit Verübung der Strafthat genügen, oder fol diese Verjährung auch noch an andere Bedingungen geknüpft werden ? Gutachter : Staatsanwaltsstellvertreter und Hilfsarbeiter im Justiz-Ministerium Dr. Hoegel-Win und Pro- fessor Lammasc - Wien; Berichterstatter: Landgerichts - Direktor Dr. Felisch - Berlin und Ober - Reichsanwalt Hamm - Leipzig; Redner in der Debatte: Erster Staatsanwalt Pr. Jsenbiel- Posen. Hoegel und Hamm erachteten dafür, daß für die Ein- führung der Kiiminalverjährung nur Zweckmäßigkeitsgründe ge- sprohen hätten; Lammasch und Felisch führten fie auf Rechts- ründe zurück. Leßterer gab eine umfassende Uebersicht über die isher aufgestellten Theorien und führte seinerseits die Verjährung darauf zurück, daß der Staat geseßlih auf fein Strafreht verzichtet, weil die dem leßteren entsprehende Stra‘pfliht wegen Wegfalls ihres Grundes niht mehr ausgeübt werden darf. Die Thatsachen aber, welche die Strafpflicht fortfallen lassen, sind niht für die Jahr- tausende in den ewigen Sternen vorgezeihnet, sondern wechseln mit den sozialen Verhältnissen der kommenden und gehenden Zeiten und Völker. Gerade aus dieser Erwägung heraus müßte man es nun mit Freuden begrüßen, wenn man An- zeichen sozialer Gesundung oder aufhörender sozialer Gefährlichkeit des ‘Thâters als Vorbedingung für das Verjähren der Straf- verfolgung gegen thn hinstellen könnte. Allein alle Versuche, Besserung des Verbrechers, Freibleiben von weiteren Strafthaten, Schadensersay an fein Opfer, Nichtergreifen der Flucht u. f. w. als weitere Vorausseßung der Verfolgungsverjährung neben den Zeitablauf hinzustellen, erweisen sich als praktisch undurchführbar. Jedes solche neue Merkmal hat zur Folge, daß man nach Ablauf der Verjährungs- frist die ganze Verfolgungsprozedur gegen den Verdächtigen vornehmen muß, um zunächst festzustellen, ob er überhaupt wohl der Thäter ge-

wesen, und dann sein Wöohlverhalten u. st w. zu prüfen

hat, um nunmehr zu ermitteln, ob deren Verjährung eingetreten Damit wird die {on vergessene That, deren Beweise bercits ver- dunkelt sind, zwecklos nochmals aufgerührt. Zum gleihen Ergebniffe gelangten die Vertheidiger des Standpunktes, daß die Verfolgungs- verjährung, welhe übrigens von der Bollstreckungsoerjährung scharf zu {heiden i}, nur auf kriminalpolitishen Gründen beruhe. Felish vlug nun aber noch zweterlei vor: in Erwägung der sozialen Wich- tigkeit eines vom Thäter an sein Opfer zu leistenden Schadensersatzes die Verkürzung der normalen Verjährungszeit für diesen Fall, und ferner eine feste Begrenzung der Zeit, um welche eine laufende Ver- jährung durch rihterliche Unterbrehungshandlungen verlängert werden darf. Leßteres fand Zustimmung, da die Gesezesvorschriften in der der- zeitigen Praxis zu einer Farce geworden seien; ersteres wurde abgelehnt, als gegen den Grundfay „Gleiches Recht für Alle“ verstoßend. Hiernach gelangten die Anträge Felisch in folgender Form zur Annahme :

Der seit Verübung einer Strafthat erfolgte Ablauf einer geseßlich bestimmten Frist genügt zur Verjährung der Straf- verfolgung. Es empfiehlt \ich, einen Endtermin für unter- browene Verjährungsfristen zu bestimmen.

. Einen unerwartet glatten Verlauf nahmen die Verhandlungen derselben Abtheilung über die Frage: Empfiehlt sih der Versuch der Deportation nach Kolonien als Strafe? Gutachter : Profefsor Bornhak-Berlin und Regierungs-Rath Freund- Koblenz ; Berichterstatter : Rechtsanwalt Dr. Wilke-Berlin an Stelle des am Erscheinen ver- hinderten Professors Bru - Breslau und Rechtsanwalt Dr. Korn- Berlin ; in der Debatte ergriff nur Ober-Reichsanwalt Hamm das Wort. Die Anhänger der Deportation hatten deren Erörterung sehr sorgfältig durch Darstellung ihrer Geschichte und Anführung aller Gründe, welche bisher für sie geltend gemaht worden sind, vorbereitet. Sie wird aus kolonifatorishen und friminalistishen Gründen empfohlen ; Zwangsarbeit foll die erworbenen überseeischen Besitßangen wirth- s{aftlich entwideln und zugleih eine bessere Strafe und einen voll- kommeneren Schuß der bürgerlichen Gesellschaft gegen das Gewohn- heitsverbreherthum abgeben als die Maßnahmen des mangelhaften geltenden Strafsystems. Ueberaus {arf wurde allseits der Gedanke Bornhak's zurückgewiesen, man könne nah dem Grundsaß: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt" die Deportation ohne Gesetz im Verwaltungs- wege als Strafvollstreckung in den Kolonien einführen. Eingehend aber wurden die fonst igen Vorschläge geprüft und der Vorwurf der Deportationsfreunde anerkannt, daß wir auf dem Gebiet der Sträflingsbeschäftigung und der Entlassenenfürsorge zurükgeblieben sind. Für die Deportation wurde ins Treffen geführt, daß {sie ih in Aufiralien und Sachalin bewährt habe, daß sie bei prinzipieller Abweichung von den bisherigen geschi{chtlihen Vorbildern au für uns Erfolge versprechen wecde, in Südwest: Afrika ein gecignetes Territorium für sle vorhanden fei, unser Ansehen bei den Eingeborenen nit schädigen könne, billiger und gesünder als Strafvollstreckung in Einzel- haft sei, dauernde Besserung der Strafentlassenen, Mehrung des Bodenwerthes und Eröffnung eines Atsatzgebietes für die einheimische Industrie zur Folge haben werde und das Vaterland von zahlreichen Gewohnheitsverbrehern, die jeßt entweder das Vermögen dec arbeit- famen Bevölkerung direkt s{chädigen oder auf Staatékosten ernährt werden, definitiv befreien müsse. Die Versammlung trat jedo den Gegengründen Korn's bei, der soeben den von der tinter- nationalen kriminalistishen Vereinigung über die Deportations- frage ausgeseßten Preis von 1600 46 gewonnen hat. Er erklärte das Strafmittel für unannehmbar aus juristischen, wirth\ckaftlicen, gefell- schaftlihen und kolonitalpolitishen Gründea. Vor allem muß man sich klar werden, ob man die Deportation als Ansiedelung oder als überseeisWe Strafvollstreckung will. Als Ansiedelung ist fie zu ver- werfen. Sie hat si als solche nirgends bewährt, namentlich auch in Sacalin nicht, von wo die auf Zeit dorthin Geschickten sofort nach der Strafverbüßung wieder heimkehren, weil das Klima zu rauh ift. Australien bildet nur eine scheinbare Ausnahme, da es seine Blütbe niht den dorthin verschickten englishen Verbrechern, sondern der GEntdeckung feiner Goldfelder verdankt; die {weren Verbrecher legte man dort an die Kette, und Erschießhen von Verbrechern war an der Tagefordnung, Niemand kann aber heute noch, wie es damals geschah, Gelegenheitsdiebe und Verüber anderer leihter Strafthaten tranéportieren. Verschickt man aber die {weren Berbrecher, fo entfällt die Besserungshoffnung zum großen Theil. Sie verderben die wenigen guten Elemente unter ihnen {on auf dem langen Meere8strantport, sind faul und betrahten nah threr Ent- lassung das Nichtéthun als ihr Naturreht So mußte das verliehene Land in Neu-Caledonien 8209/9 der damit bedahten Sträflinge wieder entzogen werden. Hunderte ron Zwangsarbeitern entspringen jährlich in jeder Kolonie und beunruhigen diese fortwährend. Die freien Arbeiter leiden in ihrer fkolonisatorishen Thätigkeit dur die entlassenen Verbreher. Aber auch als - überseeishe Strafvoll- ftreckung is die Deportation unbrauhbar. Sie bedeutet eine Blankovollmacht des Geseßgebers an die Strafvollstreckungsbebörde : Berbannung nah Cayenne ist sicherer Tod, nah Neu-Caledonten Reise in einen klimatischen Kurort. Sie ist theurer als der einheimische Strafvollzug ; in Preußen kostet die täglihe Verpflegung eines Sträf- lings 311/5 „3, die Gefammtauelage für thn 547/10 4, während sie in Südwest. Afrika sich nicht unter 3 4 stellen würde. Denn dort sind die Lebensmittel, deren Transportkosten, die Unkosten für Lazareth-

erpflegung, höhere Beamtengehälter u. \. w. viel theurer als im Inlande, wozu noch etne weit höhere tägliche Krankenzahl tritt. Es gehen außerdem nicht die tüchtigsten und bewährtesten Beamten in die Kolonien, die Aufficht über sie ist mangelhaft und fehlt meistens ganz, sodaß jahrelange Bestehungen unentdeckt bleiben, und bei der ständigen Gemeinschaft i} die Erreichung der Strafzwecke um fo s{chwerer zu erzielen, als Meutereien beständig wiederkehren. Auch vom Standpunkte der Gerechtigkeit ist die Deportation nicht zu billigen, da sie eine Sonderstrafe für körper- lih kräftige Verbrecher ist. Je nah der Körperkraft und der Be- \chäftigung9art des von ihr Betroffenen wirkt sie überdies fehr ungleih, Vernünftiger is €s, den einheimischen Straf- vollzug zu verbessern, Beschäftigung im Freien, Moorkulturen und dergl. ergiebig im Inlande als Sträflingsarbeit einzuführen und eine Reichsfarm in den Kolonien nicht an Verbrecher, fondern an ehrliche und arbeitswillige Auswanderungslustige zu ver» leißen, Ober - Reichsanwalt Hamm fügte hinzu, daß die Deportation eine Vernihtung des Grundzuges der modernen MNeformbewegung, nämlih der individuellen Behandlung der Sträflinge, bedeute. Die Ansiedelung scheitere au an der Heiraths- frage, da niemand bei uns das französische Vorbild, Dirnen “zu heirathslufstigen Sträfling-n zu deportieren, werde nachahmen wollen. Und gerade die Kolonialfrrunde müßten sih aufs beftigste der De- portation widerseßen, da sie den besten deutshen Besiß, Süd-Wests- afrika, für freie Einwanderung unbrauhbar machen würde. Unter allgemeinem Beifall wurde mit überwältigender Mehrheit der Korn'she Say angenommen: : | \

Die ua ist für L nicht geeignet, ein Ver- such mit ihr nicht zu empfehlen.

Gewissermaßen eine Ergänzung hierzu war die Schlußfrage :. Empfiehlt sich der Vorschlag bedingter Begnadigung für den Fall der Auswanderung? Gutachter und Referenten: dieselben; Redner in den Debatten: Reichsgerichts-Rath a. D. Dr. Stenglein und Rechtsanwalt Dr. Scherer-Leipzig. Es herrs{te Einstimmigkeit, daß Begnadigung mit Ausweisung keine Gnade, fondern eine Strafe it, und daß deren Reglementierung durch Verordnung einen Eingriff in das Gnadenreht der Krone bedeutet. In Hessen und in Württem- berg hat sie sich als Verwaltungsmaßregel in vielen Fällen bewährt. Mit Einstimmigkeit wurde ein Antrag Stenglein mit Zufagantrag des Staatsanwalts Conrad-Posen angenommen: i

Die Begnadigung für den Fall der Auswanderung entzieht si der Regelung durch Gesetz.

Damit {lossen die Abtheilungésißungen. In der zweiten

lenarversammlung berichteten für die erste Abtheilung Geheimer S utiMath Wilke - Berlin, Geheimer Justiz - Rath, Professor Enneccerus-Marburg und Professor Strohal-Leipzig; für die zweite Regierungs-Rath Meier-Bromberg, Privatdozent Dr. Schwarz- Berlin und Justiz-Rath Dr. Goldshmidt-Berlin; für die dritte

Berlin und Rechtsanwalt Dr. Korn-Berlin. Ein Versuch des Privat- dozenten Dr. Gruenberg-Wien, die Heimstättenfrage zur Plenar- erôrterung und -Abstimmung zu bringen, {lug fehl. Hingegen war die e E von der dritten Abtheilung selbst hierfür be- stimmt worden. [s Deportationtfreunde ergriffen Rechtsanwalt Baumert-Spandau und Rechtsanwalt Scherer-Leipzig das Work. Erfterer erregte lebhaften Widerspruch der Versammlung, als er bet der Behauptung, die Deportation könne \ih sehr wohl bei uns bewähren, wenn dies auch anderwärts bisher niht der Fall gewesen sein sollte, beispielsweise erwähnte, das Schwurgericht sci in England eine guté Einrichtung und tauge doch in Deutschland nichts. Leßterer be- hauptete, die Moorkultur mit Sträflingen fei unausführbar; sonst hätte man sie hon längst durhgeführt. Das Plenum trat jedo den Korn’shen Ausführungen bei, daß das Deportationésystem an inneren Fehlern leide, welhe es überhaupt als unannehmbar erscheinen lassen, und erhob den die Deportation verwerfenden Abtheilungs- beschluß zum Plenarbeshluß gegen nur wenige abweihende Stimmen. Nach Entlastung der Kafsenführung, die mit 21 000 Vermögens- bestand abschließt, wurden Ober-Landesgerihts-Präsident Dr. Grzyzewski- ofen, Neichsgerihts-Rath Dr. Olshausen-Letipzig, Bankdirektor Dr. retherrr von Pehmann-München und Landgerichts-Präsident Pfaff- Tübingen fowie die übrigen aussheidenden Mitglieder wiederum in die ständige Deputation gewählt und hierauf der XXIV. Deutsche Juri#ten- tag mit den üblichen Dankesworten geschlossen.

Ober-Reichsanwalt Hamm-Leipzig, Landgerihts-Direktor Dr. Privat:

Handel und Gewerbe,

Tägliche Wagengeftellung für Kohlen und Koks an der Nuhr und {n Oberschlesien, __An der Ruhr sind am 23. d. M. gestellt 14 405, nit recht- ¡eitig geftellt 457 Wagen. R) Oberschle ten find am 23. d. M. geftellt 5396, nit recht- ¡eitig gestellt keine Wagen.

Zwangsversteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand zur Versteige- rung das Grundstück Muskauerstraße 32 belegen, dem Gastwirth Nobert Kaul hier gehörig; Fläche 8,90 a; mit dem Gebot von 89 000 6 blieb der Rentier Herm. Königs burger, Königgräter- straße 64, Meistbietender. Aufgehoben wurde das Verfahren, be- treffend die Zwangsversteigerung des Grundstücks Friedrichsfelder- straße 42, dem Grafen Felix von Königs8dorff in Cassel gehörig.

Beim Königlichen Amtsgericht Il Berlin standen zur Versteigerung: Grundstücke zu Lankwitz, angeblih in der Calandrellistraße und Beethovenstraße belegen, dem Maurer- und Zimmermeister Johannes Schmidt, in Groß - Lichterfelde wohn- haft, gehörig; Fläche 22,89 a bezw. 11,88 a; Nußtßungswerth 2490 M; für das Meistgebot von 507 4 wurde Frau Landrath Anna Seifert, geborene von Hupfermann, zu Verden Er- steherin. Grundstück zu Deutsch-Wilmersdorf, angeblich in der Schaverstraße 2/3 belegen, dem Maurermeister Gottfried Laub \ch, in Halenfee - Berlin gehörig; Flähe 9,25 a; Nugtungswerth 11 400 4; für das Meistgebot von 230 200 6 wurde der Kaufmann Gustav Lefeber zu Berlin, Albrech{t\tr. 15, Ersteher Grundstück zu Groß-Lichterfel de, angebli in der Dürerstc. 7 belegene dem Kaufmann Julius Teseler gehörig; Fläche 12,74 a; tuzungs- werth 2655 Æ.; für das Meistgebot von 37000 wurde der Architekt Franz Schal in Berlin, Curhavenerstraße 8, Ersteher. Grundstück zu Lankwitß, an der Steglitzer Grenze belegen, dem Kaufmann Bernhard Bielecke gehörig; Flächz 19,48 a; für das Meistgebot von 225 /( wurde Fräulein Wil - helmine Francke in Schöneberg, Hauptstraße 140, Ersteherin. Grundstöck zu Schöneberg, angeblich in der Bahnstraße 22 belegen, dem Architekten Richard Beyme, zu Charlotten- burg wohnhaft, gehörig; Veranlagung zur Gemeinde - Grund- steuer Werth des Grundstücks 150 000 4; für das Meistgebot von 1600 A wurde der Rittergutsbesißer Wilhelm Lenz zu Lichterfelde bet Eberswalde Ersteher. Grundstück zu Deutsh-Wilmersdorf, angeblich Bruchsalftraße 5 belegen, dem Malermeister Franz Krüger in Berlin, Shönholzerstraße 7 wohn- haft, gehörig; Fläche 6,16 a; Nußzungswerth 6900 6; für das Meist- gebot von 114000 A wurde Hauptmann a. D. Eugen Meisner zu Berlin, Kochstraße 7, Ersteher. Grundstück zu Groß-Lichter - felde, angeblih Mittelstraße 18 belegen, der Frau Hedwig Stabl, geb. Lyck, zu Groß-Lichterfelde wohnhaft, gehörig; Fläche 8,64 a; Nutungswerth 1386.46; für das Meistgebot von 610.4 wurde der Kaufmann Max Magnus zu Charlottenburg Ersteher. Grundstück zu Steglitz, angeblih in der Schütenstraße 47 belegen, dem Kunst- gärtner Gustav Heyer gehörig; Fläche 20,57 a; Nußungswerth 1080 &; für das Meistgebot von 21 800 6 wurde der Fabrikant Paul Zimmermann zu Stegliß, Lindenstraße 40, Ersteher. Grundstück zu Zehlendorf, angebli in der Königstraße 15 belegen, dem Pensionäâr Joseph Scholz, zu Zehlendorf wohnhaft, gehörig ; Fläche 4,78 a; Nußungswerth 2190 A Für das Meistgebot von 23000 4 wurde Frau Emma Kulper, geb. Schepler, zu Zehlendorf Er- steherin. Grundstück zu Neu-Weißen see, Friesickestraße 22 belegen, dem Schmiedemeister August Palleschke, zu Weißensee wohnhaft, gehörig; Fläche 6,05 a; Nuzßungswerth 1725 4; für das Meiftgebot von 22750 # wurde der Fuhrherr Heinr. Apels zu Weißensee, Straßburgstraße 68, Ersteher. Aufgehoben wurde das Verfahren betreffend die Zwangsver- steigerung der nachbezeihneten Grundstücke: Sech8s Grundstücke zu Weißensee, Sedanstraße und Straßburgstraße belegen, dem Maurermeister Robert Kunst zu Berlin gehörig. Zu Schöneberg, Ecke Wicland- und Friedenauerstraße 1, belegen, dem Kaufmann Karl NRoefeler in Berlin gehörig. Zu Schöneberg, in der Fregestraße belegen, dem Bauunternehmer Wilhelm Loth zu Britz gehörig. Zu Rummelsburg, Schillerstraße 21 belegen, dem Konditor Max Schulenburg gehörig. Zu Deuts - Wilmersdorf belegen, dem Malermeister Rudolf Kuberzig

gehörig. F

Berlin, 23. September. Marktpreise nach Ermittelungen des Königlichen Polizei-Präfidiums. (Höchste und niedrigste Preise.) Per Dovpel-Ztr. für: * Weizen 18,30 4; 16,00 A *Roggen 14,75 4; 13,50 G * Futtergerste 14,00 A; 11,90 A *Hafer, gute Sorte 16,20 A; 15,50 A Mittel-Sorte 15,40 A; 14,50 M geringe Sorte 1440 Æ; 1340 A Richtstroh 3,82 M 3,32 A Heu 6,60 4: 3,60 e ** Erbsen, gelbe, zum Kochen 40,00 A ; 25,00 A ** Speisebohnen, weiße 50,00 6; 25,00 A ** insen 70,00 4; 30,00 A Kartoffeln 6,00 A; 4,00 M Rindfleish von der Keule 1 kg 1,60 A; 1,20 A dito Bauchfleisch l kg 1,20 A; 1,00 « Schweinefleish 1 kg 1,60 46; 1,20 M Kalbfleisch lkg 1,8046; 1,00 A Hammelfleish 1 kg 1,60 4;

Butter 1 kg 2,60 4; 2,00 A Gier 60 Stück arpfen 1 kg 2,00 A; 1,20 A Aale 1 kg der 1 kg 240 A; 1,00 A Hechte 1 ug rsche 1 kg 1,60 A; 080A Sgjleie Ma Blete 1 kg 1,40 A; 0,80 A Krebse ; 2,00 M

* (Frmittelt pro Tonne 1zon der Zentralstelle der preußishen Land- wirthshaftskammern Notterungsstelle und umgerechnet vom Polizei-Präsidium für den Doppelzentner.

** Kleinhandelspreise.

Berlin, 23. September. (Bericht über Speisefette von Gebr. Gause.) Butter: Der Konsum war in “ieser Woche besser, und es kamen haupt\ählich aus der Provinz größere Aufträge. sodaß die nicht großen Ankünfte feiner Butter kaum zur D des Bedarfs ge- nügten. Die Preise konnten \sich daher bei festem Markt gut behaupten. Jn Landbutter ist noch immer kein Geschäft. Die heutigen Notierungen find: Hof- und Genossenschaftsbutter Ta. Qualität 104 #, dito Ia, Qualität 100 4, Landbutter nominell. ——