1828 / 284 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Wed, 22 Oct 1828 18:00:01 GMT) scan diff

den, das Heiligthum umzustärzen, als es zu vertheidigen. Zu den Zeiten Ludwigs XL1Y. war es das Primat der Wis- senschaft und des Genies, worauf sih das der Geistlichkeit beinahe immer gegründet hatte; Bossuets mächtiger und er- habener Geist, Fenelons herrliches Talent, seine Tugend und die Reinheit seines Herzens „, Massillon mit einer Bered- samkeit, sciner Einfachheit und Bescheidenheit zeugen dafür. Und so- hatte diese Zeit von der geistlichen Macht einen ih- rer Gebräuche und Geheimnisse überkommen ; sie erhob das Talent mehr als die Geburt. Flechier war aus dem Laden eines Lichtziehets hervorgegangen, um gewaltig von der bi- \chöflihen Kanzel zuNismes zu predigen. Viele berühmteMänner des 17ten Jahrhunderts haben das Dunkel ihrer Geburt mit den Würden der Kirche vertauscht. Jm Gegentheil berief der vom Hofe ausgehende Geist, welcher die Regierung Frauk- reichs im achtzehuten Jahrhundert beherrschte, aus}chließlih Männer zur höchsten Würde. des geistlichen Standes, welche durch nichts als durch ihren Adel ausgezeichnet waren; und so shmückte kein großes Talent mehr die Kanzel. Auf diese Weise fiel von den Säulen, worauf Ludwig der Vierzehnte seine Macht gegründet hatte, eine, nämlich die moralische und geistige Macht der. Geistlichkeit.

Die andere Stübe der alten Regierung, der Adel, hatte ohngeächtet der Auszeichnungen, welche man an ihm ver- shwendet hatte, auf gleiche Weise viel verloren von jenem Vertrauen auf sich- selbst, von jenem Glauben an seine Privilegien und Nechte, welche einen Theil seiner Macht bildeten. Ludwig der Vierzehnte selbst hat diesen Verfall des Adels zu veranlassen begonnen. Der Tag, an wel- hem er ihn von den Thürmen seiner Burgen und dem militairischen Gouvernement der Provinzen zu dem glän- zenden. Dienste des was “rief, dieser Tag hat dem

»- des Léhnwesens seine Kraft und seinen Stolz gebro- chen. Bald aber hatte auch der Hof selbst den Glañz und die Würde, welche ihm Ludwig der Vierzehnte gegeben, ver- loren. Judem Laster auf jene feinen Vergnügen, jene glän-

zenden Feste. folgten, wurde der Hof die Klippe, an welcher der Adel scheiterte. i

Nicht minder war ein anderer Theil des Ruhmés der alten Monarchie gesunken, die Handhabung des Rechts näm- lich. Ludwig der Vierzehnte hatte die Parlamente, so wroie den Adel, unter seinen stolzen Scepter: gebeugt ; nach. seinem Tode sah man, wie viel der Wille des mächtigsten Königs gilt, wenn er selbst aufgehört hat, zu wollen. Der erste Act dieser Parlamente, so schwach, so unterthänig bei Lud- wigs Leben, war nach seinem Tode, das Testament des gro- ßen Königs umzustößen. Aber keineswegs behauptete das Parlament diese Macht, welche ihm die Regiexung eines

schwachen Fürsten gab; beschäftigt mit theologischen Strei- tigfeiten, bald gegen -die Molinisten , bald. gegen die Philo- sophen fämpfend, wurde es Jansenistish, um die Jesuiten zu hassen, und jo war es niemals ergriffen oder hingerissen von. einem großen staatlichen Jnteresse. Die Form selbst der Parlamente, die Erblichkeit des Ranges und der Stellen, welche das Patriciat der Justiz immer in den Familien ließ, entfremdete sie den Fortschritten der Aufklärung und der Wiedergeburt des Geistes. Kühn und verwegen gegen den Hof, waren sie furhtsam und verzagt gegen die Ansichten, P sie nicht hervorgerufen, welche sie nicht anerfannt

atten. Es fragt sich nun noch, ob nicht ein Staatsmann da war, welcher durch die Macht und das Uebergewicht seines Geistes die verschiedenen einander entgegen geseßten und ein- ander aufreibenden Elemente des Staats vereinigen und er- heben fonnte. Und wirklich hielt mehrere Jahre hindurch ein Mann das Ruder des Staats in Händen, welchen ein edler, erhabener und thätiger Geist auszeichnete, der Herzog von Choiseul nämlich; und doch bemerkt man, gerade wäh- rend. seiner Verwaltung, die Schwäche der Regierung am meisten. Der Herzog vollbrachte nichts wahrhaft heilsames und dauerhaftes. Er machte ungeheure Pläne, «hatte kühne Gedanken, er wollte. die Politik von Europa ändern, aber die Wirkung seiner Macht, das Ende seiner Pläne reducirte sich zuleßt darauf, den Kampf mit den Jesuiten zu beenden

und, sie aus dem Königreich zu weisen.

rung war ohne Kraft und das Volk ohne Freiheit, Ursachen schrieb man das Unheil zu. welche am meisten darüber erröthen mußte, schrieb ay General. der Armee diese merkwürdigen Worte: | „„Was ist aus unserer Nation geworden? die y mente und die Encyclopädisten haben sie ganz uny verändert. Wenn man jo aller Principien ermange| man weder einen Gott noch einen Herrn anerkennt man ein Spielwerk der Natur, und das is uns ges Während dieses alles, mit der größten Wichtigkä die Folgezeit, sich im Staate entwickelte, ging die phily sche Literatur ihren eigenthümlichen Gang fort. Sie in Frankreich dieselbe Stelle ein, welche die religiösen 6 tigfeiten in England hatten. Die eine sowohl als j dere gingen den bürgerlichen Unruhen voran, die eine s als die andere stürzten jene alte Ansichten und Meinü auf denen nicht sowohl die alte Verfassung, als di Form des Staats beruht hatten. (Fortseßung folgt.)

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Königliche Schauspiele.

Dienstag, 21. Oct. Jm Opernhause: Die {dn lerin, Oper in 2 Abtheilungen; Musik von Paesiello.} Seidler wird als Röschen hierin wieder auftreten.) F Zephir und Flora, Ballet in 2 Abtheilungen, von À Kaiserl. Russischem Balletmeister. Eingerichtet vom Balletmeister Telle. Musik von Venna. (Dlle. Y Romain : Flora.)

Im Schauspielhause: Les acteurs français auroni| ncur de doner: 1) La Quarantaine, vaudeville enf par Scribe. 2) Le Voyage à Dieppe, comédie eni et en prose, par Mr. Mr. Wafflard et Fulgence.

Königsstädtsches Theater.

Dienstag, 21. Oct. Die Brautschau. Mittwoch, 22. Oct. Zum Erstenmale wiederholt und Claudio. Komische Oper in 2 Aften, nach dem/ nischen. Musif von Mercadante. : Die zu dieser Oper bereits gekauften mit Dis zeichneten Billets werden eingelöst, oder gegen mit M bezeichnete eingetauscht.

Berliner Börse. Den 20. Oct. 1828.

Amtl. Vonds- und Geld-Cours-Zettel. (Preu/s.|

[Z/T Brief | GeTd] TZETErk 905 { 892 [Pomm. Pfandbr.| 4 [108 102 jKur- u. Neum. do. 103 41012 | jSchlesische do. [99 Pomm. Dom- do. 895 Märk. do. do. 892 Ostpr. do. do. Rückst. C. d.Kmk do. do. d.Nmk. Zins-Sch. d. Kmk.

dito d. Nmk.

St.- Schuld - Sch. Pr. Engl. Anl. 18 Pr. Engl. Anl. 22 Bo.Ob.incl.Litt.H Kurm. Ob. m. 1. C.|- Neum.Int.Sch.do. Berlin. Stadt-Ob. dito dito Kön1igsbg. do. Elbinger do. Danz. de. inTh.Z. VVestpr. Pfdb. A. dito dito B. Grosshz. Pos. do. Ostpr. Pfandbrf.

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106 | 53 | 53 54 | 54

Ill Iaaarnr

Holl. vollwy. Duc. Friedrichsd’or .

Disconto . .….«

Pa ckA| R

Auswärtige Börsen.

London, 11. Oct. Consols S6Z. Bank-Actien 2085. VV ien, 15. Oct.

5pCt. Metall. 9477. Bank - Actien 1077.

N a

__ Paris, 15. Oct. Oberst Gerücht, daß zu Sevilla das gelbe Fieber ausgebrochen sey ; Gestern {loß 3pCtige Rente 74 Fr. 25 Cent. Frankfurt a. M., 17. Oct.

Loose zu 100 Fl. 1533. Brief.

Gedruckt hei A.“ W. Hayn.

Fabvier ist hier angekot

Oesterr. 52 Metallig. 93ié.

nmen. Nachrichten aus Bayonne | die von Cadix kommenden Französischen Truppen - hätl

halb Halt gemacht, und sollten einen Cordon um die Stadt ziehen. 5pCtige Rente 105 Fr.

85 Cent.

Bank-Actien 1290. Partial-Oblig. 1234

Redacteur Jo h n, Mitredacteur Cl

u ver Die Franztj Waffen hatten ihren Glanz nicht wieder erhalten, die y

Die Person i

zufolge ging dasel}

Allgemeine

reußishe Staats-Zeitung.

D

284.

mtlihe Nachrichten.

Kronik des Tages.

e. Majestät der König haben dem Dienstknecht Fer- d Schmidt zu Eichen im Kreise Olpe das Allge- Ehrenzeichen zweiter Klasse zu verleihen geruhet.

he, Hoheit der ; t v Schwerin, is von Ludwigslust hier eingetroffen.

der bisherige Hber-Landesgerichts-Referendarius Carl rich Kühn ist zum Justiz-Commissarius bei den Un- hten des Pyriker und Greiffenhagenschen Kreises be- orden, :

Bekanntmachung. i as Publikum wird hierdurch benachrichtigt , daß die Dampfschifffahrt zwischen Greifswald und Ystadt mit

Nov. d. J. (an welchem Tage die leßte Fahrt von

wald nah Ystadt statt findet) aufhdren wird.

n da ab bis zum nächsten Frühjahr wird die Post-

dung zwischen beiden Orten, in so weit als die Wit-

es gestattet , mittelst der

ilceen werden.

erlin, den 20. Oct. 1828. General-Post-Amt.

Nagler. -

Der Fúürstlih Schwarzburg-Sonders- Kanzler und Consistorial - Präsi- Sondershausen.

gewöhnlichen Post - Jachten

ngefkommen: he Geheime - Rath, von Ziegeler, von

Zeitungs-Nachrichten. Ausland.

Frankreich. )aris, 15. Oct. Durch eine Königliche Verordnung lsten v. M. sind die bisher bei den Militair-Divisio- estandenen Registrator-Posten abgeschafft worden. Die de jeder Militair-Division sollen fortan unter der Auf- des jedesmaligen Chefs des Generalstabes der Division

m 12ten d. M. hatte der berühmte Augen - Arzt , Dr. nze, welcher kürzlich von sciner Reise nah Jtalien hie- rückgekehrt ist, die Ehre, der -Herzogin von Berry in Privat-Audienz ein cizenhändiges Schreiben ihres er- en Vaters zu überreichen, welches derselbe für J. K. s Neapel mitgebracht hatte.

¡Man versichert,“ sagt der Messager des Cham- / ¡daß Herr Béranger für seine „Sammlung unge- ter Lieder‘/ gerichtlih belangt werden wird. Auf die riht hiervon (fügt jenes Blatt hinzu) waren wir, bei Gedanken, daß man auf Quodlibets und wikige An- ngen einen solchen Werth legen könne, sehr geneigt, in utes Gelächter auszubrechen. Ein Blick in jene Lieder- mlung ließ uns jedo bald andern Sinnes werden, und è erste Stimmung machte der Verwunderung Raum, ir nothwendig darüber empfinden mußten, daß ein geist- r und talentvoller Mann Alles, was Vernunft, guter mac und Schicklichkeit verlangen, so ganz aus den Au- eben fonnte. Wie war es möglich, daß der Verfasser duch herausgeben konnte, wo jede Seite die Absicht ver-

Berlin, Mittwoch den 22er October.

Herzog Albrecht von Mectlen-

1828.

räth, sein Land verächtlich und lächerlih zu machen und Per- sonen an den Pranger _zu stellen, denen man, wenn man unglücklich genug ist, sie nicht lieben zu fônnen, mindestens Achtung schuldig is? Wir wissen niht, was die Gerichte von verblúmten Reden denken. Auch sind sie es niht, an die wir uns wenden. Unser Tribunal, vor welches wir den Verfasser von Gedichten laden, die uns bis in die tiefste Seele verleßt haben, is die öffentliche Meinung, is die Va- terlandsliebe, ist die Französische Ehre. Sie sind. es, denen wir das Buch unterwerfen, und zu Zeugen nehmen wir den

freudigen Ruf der Lothringer und Elsasser, der noch in Aller

Ohren erschallt, an; vor solchen Richtern werden Frankreich und der Thron gerächt werden.“

Eben dieses Blatt commentirt das (gestern mitge- theilte) furze und bündige Schreiben des Erzbischofs von Toulouse an den Minister der geistlichen Angelegenheiten iro- nischer Weise in folgender Art: „Dieses Schreiben wird stets ein Denkmal der Gottesfurcht und des guten Geschmacks bleiben. Jene ritterlihe Großthuerei, jene gute Lehre, die mit so vieler Anmuth den religiósen Prälaten gegeben wird, welche sich in den Willen des Königs gefügt haben, Alles dieses athmet eine gewisse Würde, welche in Frankreich rich- tig erfannt werden wird; es ist nicht das erste Mal, daß der Erzbischof von Toulouse sich auf solche Weise den Ver- fügungen der Regierung widerseßt; sein Name ist berühmt geworden, nicht wie der eines Fenelon oder Bossuet, wohl aber durch die Widerspänstigkeit, die sich an denselben knüpft. Der Herr Erzbischof kann übrigens fest versichert seyn, daß - der Monarch seines Beistandes nicht bedarf, und daß seine Bemühungen eben so wenig als eine unverschämte Sprache die Dg des Königl. Willens hemmen werden.“ Das Journal des Débats bemerkt bei Mittheilung des gedachten Schreibens nur ganz kurz, dasselbe lege den Mini- stern große und ernste Pflichten auf ;-es hoffe, daß sie diesel- ben zu erfüllen wissen würden. Der Courrier fran- çais äußert über denselben Gegenstand: „Noch nie hat sich die bischdfliche Demuth auf eine so beleidigende und dünfelhafte Weise geäußert. Ein Erzbischof treibt mit seinem Familienwappen in der Hand mit einem Minister Scherz, der von ihm die Ausführung der Staatsgejeße ver- langt! Herr von Feutrier wird also in Zukunft genöthigt seyn, die A zu studiren, um zu wissen, ob das Wap- pen eines Bischofs nicht irgend einen Wahlspruch oder eine Figur enthält, die man der Vollziehung der Königlichen Ge- walt entgegenseßen könnte; er wird die alten Pergamente darüber um Rath fragen müssen, ob nicht etwa ein Papst einer Familie vor sieben oder acht Jahrhunderten eine räth- selhafte Juschrift ertheilte, durch die sich ein heutiger Prä- lat für berehtigt hält, dem Gesebße Widerstand zu leisten. Der Minister wird sich bei dieser Arbeit mit spibfindigen Deutern umgeben müssen, denn Niemand in der ganzen Welt möchte errathen, daß etiamsi omnes, ego non, \o viel heißt, als: „Macht Gesebe, Verordnungen, Reglements, und besißt immerhin eine Charte, eine repräsentative Ver- fassung, das Alles verpflichtet mich zu nichts. Mit meiner Devise, die Papst Calixtus Il. 1120 meinem Hause gab, seße ih mich über euere Chaxte, euere Geseke, euere Verord- nungen und euere Gerichtshöfe hinweg.‘ Bisher versuchten die Bischöfe doch wenigstens ihren Widerstand durch Ver- núnfteleien, in Ermangelung triftiger Gründe, zu rechtferti- gen; sie gaben Beweggründe für ihren Ungehorsam an, und ließen sich in Erörterungen mit dem Staate ein. Dieses Verfahren war aber nicht ehrenvoll genug; es wak für die, eine Stufe tiefer stehenden, Bischöfe angemessen. Aber in den Augen eines Erzbischofs, dessen Adel bis zum Jahr 1120 hinaufreiht, würde ein mit Gründen begleiteter Widerstand fast eine Unterwerfung seyn. Es ist anständiger sich nicht zu Erläuterungen herabzulassen, sondern nur sein