1873 / 212 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Sep 1873 18:00:01 GMT) scan diff

f s f L A D A 1 A e na n BRE : B E Df

mit Allerhöchster Ermächtigung des Königs eine Erklärung über die Regelung der Befugnisse der Sicherheitsbeamten an den Landesgrenzen zwischen dem Königreich Bayern und dem Groß- herzogthum Baden mit dem Großherzoglich badischen Ministerium des Großherzoglichen Hauses, der Justiz und des Auswärtigen ausgetauscht hat, gleichfalls zur allgemeinen Kenntniß und Be- obachtung veröffentlicht. Die neuen (6 Paragraphen) enthalten- den Bestimmungen haben an die Stelle der durch Austausch von Ministerial-Erklärungen d. d. München, den 27. April 1855 und Karlsruhe, den 16. April 1855 getroffenen Vereinbarungen zu treten und neben den allgemeinen Vorschriften des §. 30 des Reichsgeseßcs vom 21. Juni 1869, die Gewährung dev Rechts- hülfe betreffend, zu gelten.

Der König hat in der Absicht, die Anforderungen an Studirende zum Eintritte in den einjährig freiwilligen Dienst in Bayern mit den in andern deutshen Staaten ge- stellten Anforderungen in thunlihsten Einklang zu bringen, ge- nehmigt, daß, statt des bisher verlangten Besuches der zweiten Gymnasialklasse und der vierten Klasse des Kadetten-Corps, der Besuch der ersten Gymnasialklasse beziehungsweise der dritten Klasse des Kadetten-Corps zum Nachweis der wissenschaftlihen Qualifikation für den einjährig-freiwilligen Dienst hinreichend er- achtet werde. Hiernah hat §. 154 Ziff. 2 Lit. þ. und e. der Militär-Ersaß-Instruktion für das Königreih Bayern vom 30. Juli 1872 nunmehr zu lauten:

Den Nachweis der wissenschoftilichen Qualifikation durch Atteste

hay-rischer Lehranstalten können nur führen: þ. Die Schüler eines

bumanistishen oder Realgymnasiums, welche ein Jahres\chlußzeugniß

- über den regelmäßigen Besuch der ersten Klasse und die hierdurch er-

langte Befähigung zum Aufrücken in die nächst höhere Klasse bei- bringen. Die Zeugnisse hierüber müssen von der Lehrerkonferenz fest- gestellt sein. e. Die Zöglinge des Kadeilin-Corvs zt München nach Absolvirung der dritten Klasse und erlangter Bewilligung zum Auf- rüdcken in die nächst höhere (vierte) Klasse. i :

Im Uebrigen hat cs bei den bisherigen Bestimmungen sein Verbleiben. | j

Nah einer Bekanntmachung, welche die verschiede- nen Kreis - Amtsblätter enthalten, wird das Oktoberfest in München in diesem Iahre Allerhöhster Entschließung zufolge nicht abgehalten werden.

Die Gemeindebevollmächtigten der Stadt München traten am 3. d. M. über den vom Magistrat vorgelegten Entwurf bezüglih der Regelung der Kompetenzen zwischen Polizei-Direktion, Magistrat und Lokal-Baukom- mission in Berathung und ertheilten folgenden, an die König- liche Kreisregierung zu stellenden Anträgen ihre Zustimmung:

1) Die Lokal - Baukommission ist gämlih aufgehoben; 2) der Magistrat der Stadt München hat alle Geschäfte der Lokal- und Distriktêpolizei auszuüben, soweit dieselben nicht durch Geseß an die Polizei-Direktion überwiesen sind; 3) der Polizei-Direktion München wird innerhalb des nahbezeichneten Wirkungskreises die Zuständigkeit der Lokalpolizei- und Distrikts - Verwaltungébchörden zugestanden. Dieser Wirkungskreis erstrecki fih auf folgende Gebiete: Sicherheit des Staates und einzelner Staatseinrichtungenz öffentliche Ruhe, Ord- nung und Sicherheit; Reisc- und Fremdenpolizei; Arbeitëscheue, Land- streicherei und Bettel, unbefugtes Sammeln und Gaukeln; Sitten- Polizci; unerlaubte Glücksspiele; religiöse Einrichtungen; Gefährdung verschiedener Art; Dienstbotenwesen; Auêwanderungs- und Mobiliar- Feuerversicherungs-Agenturwesen; Vermögensgefährdungen; Vorschriften in Bezug auf cinzelne Erwerbsarten; Vorschriften in Bezug auf das

gewerbliche Hülfspersonal.

Weitere Anträge lauten:

Die Sicherheitêmannschaft der Königlichen Polizei-Direktion soll auch zu Dienstleistungen in Gegenständen der magistratischen Polizei verpflichtet sein. Zur Bestreitung des Aufwandes auf die Polizei- Verwaltung wolle dem Magistrat ein entsprechender Zuschuß aus Staatsfonds gewährt werden.

Sachsen. Dresden, 8. September. Dem „Dr. J.“ zufolge wird die Herzogin von Genua zu einem längeren Besuche bei den Königlichen Majestäten Ende dieser Woche in Pillniß eintreffen.

Baden. Karlsruhe, 5. September. Ueber den A U f- enthalt der Großherzoglihen Familie in England erhâlt die „Karlsr. Ztg.“ Mittheilungen, denen wir Folgendes entnehmen: Am 21. August machten der Großherzog und die Großherzogin einen Ausflug nach London, wo dieselben der deutshe Botschafter, Graf Münster, im Bokschaftshotel auf- nahm und in freundlihster Weise bewirthete. Die Hohen Herr- haften besuhten unter seiner Führung das South Kensington Museum, die Albert Hall und das Albert Memorial und kehr- ten des Abends nach Eafstbourne zurück. Von hier aus wur- den mehrere Ausflüge in die Umgegend, insbesondere nah den historish bekannten Punkten, wie Pevensey Castle, Hastings, Battle Abbey, Herstmonceur u. \#. w., unternommen. Ihre Königlichen Hoheiten besuchten aber auch in Eastbourne verschie- dene Schulen, Hospitäler und andere Anstalten und machten dabei die Bekanntschaft der hervorragendsten Persönlichkeiten der Stadt. Ueberall wurde denselben unter Erweisung der ausgesuchtesten Aufmerksamkeiten die zuvorkommendste und freundlihste Aufnahme zu Theil.

In den jüngsten Tagen empfingen die Hohen Herrschaften noch den Besuch des Prinzen Christian von Schleswig-Holstein, Gemahl der Prinzessin Helene von Großbritannien, und verlie- ßen am . 4. September Eastbourne nah einem Aufenthalte von vier Wochen, welcher von dem besten Erfolge für die Gesundheit der Großherzogin und der Großherzoglichen Kinder begleitet war. Dieselben begaben fich nach London, um dort einige Tage zu verweilen, und gedenken am 12. September in der Heimath ein- zutreffen. Die Großherzogin, der Erbgroßherzog, die Prinzesfin Victoria und der Prinz Ludwig Wilhelm begeben sich dann so- fort nah Mainau, während der Großherzog nah mehrtägigem Aufenthalt in Karlsruhe dorthin nachfolgen wird.

Die Großherzogliche Familie beabsichtigt bis Ende Septem- ber auf Shloß Mainau zu verbleiben.

Bruchsal, 5. September. Das Großherzogliche Be- zirksamt hat die auf 8. d. M. üblihen Wallfahrten nah Waghäusel wegen der in der Nachbarschaft vorgekommenen éoleraartigen Erkrankungen untersagt.

essen. Darm®#xdt, 7. September. Der Zweite Ausf\chuß der Ersten Kammer ift am 4. d. M. wieder zu- sammengetreten und hat in den Sißungen vom 4. und 5. die Kreisordnung, dieStädteordnung und Landgemeinde- ordnung, in der Sizung vom 6. d. M. den Entwurf des Schulgesezes erledigt. Am 9. d. M. wird der Erste Aus- \chuß mit der Berathung des Hauptvoranschlages der Staatseinnahmen und Ausgaben beginnen.

8. September. Am 7. d. M. if der seitherige Abge- ordnete für den 13. Wahlbezirk der Provinz Starkenburg (Wolfskehlen) Stüber von Darmstadt, der sich wegen seiner Beförderung zum Hofgerihts-Direktor einer Neuwahl unterzie- hen mußte, durch einstimmiges Votum der Wahlmänner wieder- gewählt worden.

Sachsen - Weimar-Eisenach. Weimar, 7. Sep- tember. Ueber die Feierlichkeiten zu Ehren des Ein- zuges Ihrer Königlichen L fab des Erbgroß- herzogs und der Erbgroßherzogin von Sachsen meldet die „Thüring. „Corr.“ Folgendes: Die Vorkeh- rungen zum Empfang des neuvermählten Erbgroßherzog- lihen Paares waren am Freitag Abend bereits beendet. Schon am Nachmittag waren am Großherzoglihen Hofe Ihre König- lihen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Georg von Sach- sen eingetroffen. Abends 9 Uhr 15 Minuten trafen Jhre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin und Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Carl von Preußen auf dem Bahnhofe cin, dort empfangen von Sr. Kö- niglihen Hoheit dem Großherzog und Ihren D ies den Prin- zessinnen Marie und Elisabeth. Eine große Menschenmenge hatte auf und vor dem Bahnhof sih aufgestellt und begrüßte Ihre Majestäten mit wiederholten Hochrufen. Zu dem Empfange des Erógroßherzogs und Seiner Gemahlin hatten sih der Land- tags-Vorstand, sowie der Bezirks-Direktor, der Bezirks-Comman- deur, die Bürgermeister und die Geistlihen der betreffenden Städte nah Sulza, resp. Apolda begeben; auf dem Bahnhof der Stadt Weimar, der in buntem Flaggenshmuck prangte, hatten sich die Mitglieder des Staats-Ministeriums \owie einige Kava- liere des Hofes versammelt. Eine Compagnie des 94. Infan- terie-Regiments war als Ehrenwache aufgestellt. Nachdem hier die Begrüßung stattgefunden, und an der städtishen Ehrenpforte der Gemeinderath dem Erbgroßherzoglihen Paare \eine Huldi- gungen dargebracht, seßte sich der Zug unter dem Geläute sämmtlicher Glocken in Bewegung: voran ein mit Schärpen in den Landesfarben geshmückter Trupp hiesiger Bürger zu Pferde, ein stattlihes Corps blasender Postillone und weimarisher Kam- mer-Husaren; es folgten im offenen vierspännigen Wagen Ihre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzo- gin, geleitet von dem Obersten des 94. Infanterie-Regimentes und dem Hofftallmeister, in einem zweiten die Hofstaaten des Ervgroßherzoglichen Paares. Zu beiden Seiten der Straßen, welche der Zug berührte, waren die Schulen, die Vereine, die Bürger aufgestellt, welche, nahdem der Zug an ihnen vor- übergekommen und Seitens des Erbgroßherzogs die glückwün- \chenden Anreden entgegengenommen, sich dem Zuge anreihten. Im Großherzoglihen Schlosse hatten sih die Spißen der Be- hörden, die hier afkfkreditirten Gesandten, die Vertreter der be- nachbarten Fürstenhöfe, Prorektor und Dekan der Universität Jena, die Erbstaaten und zahlreiche Fremde von Distinktion ver- sammelt, während im Schloßhofe das 1. Bataillon des 94. In- fanterie-Regiments (Großherzog von Sachsen) aufgestellt war. Als die Erbgroßherzoglichen Herrschaften in den Schloßhof cinfuh- ren, begaben Sich die Allerhöhsten und Höchsten Herrschaften unter Vortritt der Hofstaaten dur die Reihen der Geladenen, um das junge Paar zu begrüßen. Se. Königl. Hoheit der Großherzog führte die Erbgroßherzogin in die Gemächer, während Se. Ma- jestät der Kaiser mit Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin, Se. Königliche Hoheit Prinz Carl mit Ihrer Majestät der Kai- serin, Prinz Georg -.von Sachsen mit der Prinzessin Carl, die Prinzen Heinrih und Alexander der Niederlande, Erbprinz von Sachsen - Meiningen und Prinz Gustav von Sachsen - Weimar folgten und vom Balkon des Schlosses aus dem Vorbeimarsh des Zuges zusahen. Eine zahlreihe Menschenmenge füllte die Plätze vor dem Schloß und drängte in den Schloßhof selbst, wo sie in ununterbrochenen Hochrufen das Hohe neuvermählte Paar und den Kaiser „Wilhelm begrüßte. Gegen Abend hellte sich das Regenwetter auf und begünstigte die dent. Hohen Paar um 8Uhr gebrahteSerenade. Ein langer Zug von Lampions- trägern bewegte sich unter dem Vortritt mehrerer Musikchöre dur die illuminirten Straßen nah dem Schloß, woselbst der Sängerbund die weimarishe Hymne, von Fr. Lißt komponirt, vortrug. Nach Beendigung - des Gesanges richtete der zweite Bürgermeister der Stadt, Dr. Schumann, cine Ansprache an das Erbgroßherzogliche Paar, welche mit cinem jubelnd aufgenomme- nen Hoch auf das Kaisferlihe Paar, den Großherzog und die Großherzogin und die Neuvermählten \{chloß. Inzwischen waren die Ufer der Ilm und der vor dem Schloß gelegene Theil des Parks mit Pechtonnen, Lampions 2c. erleuhtet worden, während auf dem Thurm des Schlosses benga!ishe Flammen angezündet wurden, so daß das Ganze einen überaus malerischen und präh- tigen Anblick bot. Heute findet Kirhgang der Neuvermählten, sodann Empfang der Deputationen statt, wehe die Gaben der einzelnen Bezirke und Genoffenschaften überreihen; Nachmittags Galatafel und Abends Hofkonzert.

Anhalt. Dessau, 6. September. Der Herzog is in Begleitung der Prinzessin Elisabeth nach den Festlichkeiten des 2. September in Berlin von dort, die Herzogin nah Be- endigung der Kur in Marienbad gestern Abend nah Wörliß zurückgekehrt.

Neuß. Gera, 7. September. Vom Fürstlihen Fina nz- Ministerium if eine, die Einführung des Submissions- verfahrens in Untersuhungen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Gesetze über Zölle und andere indirekte Steuern, betreffende Bekanntmachung exlassen worden, nah welcher in solchen Fällen, und fobald der Angeschuldigte die Zuwiderhandlung ein- räumt, gleih von der betreffenden Steuerstelle aus die verfallene Geld- und Konfiskationsftrafe bekannt gemaht werden kann, ohne erft die Ertheilung eines Strafbescheids höheren Orts ein- zuholen. Die Einsendung der ergangenen Akten hat ers nach- träglich an den General-Inspektor des Thüringishen Zoll- und Handelsvereins behufs dessen Genehmigung zu erfolgen.

Elsaß-Lothringen. Met, 8. September. (W. T. B.)- Außer den Ergänzungswahlen für 22 Mitglieder des Be- zirkstages sind vom Bezirkspräsidium auch die Neuwahlen für 39 Mitglieder der Kreistage angeordnet, Die Wahlen werden am 27. und 28. September stattfinden.

Hesterreich-Ungarn. Wien, 8. September. (W. T. B.) Das Kaiserliche Patent, welches das Abgeordnetenhaus und den Reichsrath auflôöst, direkte Wahlen für den Reichs- rath anordnet und zugleih den Reichsrath auf den 4. November einberuft, wird in den nächsten Tagen veröffentliht werden.

Schweiz. Bern, 5. September. Heute hat der Bun- desrath die Tratftanden für die am 15. d. M. wieder ein- berufene Bundesversammlung genehmigt. Es sind 31 Botschaften des Bundesrathes, welche, mit Ausnahme einer ein- zigen, sämmtlih Eisenbahnkonzessionen betreffen, darunter auch die neue Konzesfion für die Ligne d'Italie.

Die internationale Konferenz für Anshluß der Gotthardbahn an die Eisenbahnen Ober-Italiens is abermals vertagt worden. Dieselbe wird nunmehr erfi nah der Bundesversammlung stattfinden.

8. September. (W. T. B.) Die Kommission des

Nationalraths für Revision der Bundesverfassung

ist heute, wie die „Baseler Nachrichten“ melden, in Bern zu- \sammengetreten. Von den 16 anwesenden Mitgliedern der Kom- mission wurde Oberst Philippi aus Neuenburg zum Prä- sidenten gewählt.

9. September. (W. T. B.) Die Kommission des Nationalraths für Revision der Bundesverfassung hat in ihrer gestrigen Abendsizung beschlossen, in die Berathung der cinzelnen Artikel des vom Qundesrathe vorgelegten Ent- wurfs einzutreten. In der voraufgehenden Generaldiskussion entwickelten Carterot und Ruchonel das bereits bekannte revisio- nistishe Programm.

Genf, 8. September. (W. T. B.) Nachdem bereits in voriger .Woche der Kongreß der föderalistishen Fraktion (Ba- kunin) der Internationale bei sehr spärliher Betheiligung eröffnet war, erfolgte heute der Zusammentritt der centralistishen Fraktion (Marx) im Hotel „Navigation“. Im Ganzen sind bis jezt 50—60 Theilnehmer erschienen und erfolgte in der ersten Sitzung die Konstituirung des Bureaus.

Niederlande. Haag, 4. September. Nach einer beim hiesigen Auswärtigen Amt eingegangenen Mittheilung beabsichtigt der König der Belgier den König der Niederlande in nächster Woche anläßlih der Eröffnung des Vlissinger Hafens dort in seinem Namen durch den Statthalter West- Flanderns begrüßen zu lassen.

Der ehemalige Kolonien-Minister und früherer Statthalter Ostindiens, C. F. Pahud, ist am 31. vorigen Monats im Alter von 70 Iahren mit Tode abgegangen.

HSerr van Lynden van Sandenberg is gestern Abend von dem Könige in Audienz empfangen worden und hat in derselben die Mission, ein Kabinet zu bilden, definitiv übernommen. Man versichert, Herr van Lynden beabsichtige eine Zusammenseßung des Ministeriums aus gemäßigten Elementen der konservativen Opposition. Das neue Ministerium würde in folgender Weise zusammengescßt werden: van Lynden für die Finanzen, van der Heim für das Innere, de Brauw für die Justiz, van den Bosshe für die Kolonien, General van der Sqrieck für das Kriegs-Departement, Wichers oder Gregory für die Marine und van Goltstein für die auswärtigen Angelegen- heiten. Das Kabinet würde demnach aus fünf Konservativen und zwei Ultramontanen bestehen.

Belgien. Brüssel, 4. September. Der Kriegs- Minister hat den kommandirenden Generalen der drei Terri- torial-Divisionen einen Erlaß zugehen lassen, dem zufolge das Departement der öffentlichen Arbeiten in dringenden Fällen, wie sie durch Arbeitseinstellungen veranlaßt werden können, die Vollmaht hat, Soldaten zum Dienste an den Stationen heranzuziehen. In dem Erlaß heißt es, daß die Staatsverwal- tung nicht immer in der Lage sei, den hohgehenden Ansprüchen der Arbeiter Genüge zu leisten. Die Landesbahnen aber beschästigten 20,000 Arbeiter, \o daß, von außerordentlihen Vorfällen und Naturereignissen abgesehen, die Gefahr, für dringende Arbeiten der nöthigen Arbeitskräfte zu entbehren, der Verwaltung große Unruhe mache. Als Entschädigung soll jeder zur Arbeit heran- gezogene Soldat für die ersten fünf Tage der Dienstleistung je zwei Franken, der Korporal drei, der Unteroffizier vier für den Tag erÿjalten. Mit dem sechsten Tage tritt eine Ermäßigung dieses Lohnes ein. Die Regierung drückt zum Schlusse noch den Gedanken aus, daß die auf diese Weise gesammelte Er- E den Truppen bei ‘einer Mobilmachung nüßlich werden önne. :

Großbritannien und Irland. London, 6. September. Die Fürstin Dietrichstein-Mensdorff ist in Begleitung ihres Sohnes, des Fürsten Hugo, zu einem Besuch der K ö- nigin auf Schloß Balmoral angekommen. Der Marquis von Hartington isst daselbst eingetroffen, um an Stelle des Premier-Ministers als diensithuender Minister am Königlichen Hoflager zu fungiren.

Frankreich. NParis, 7. September. Das „Journal officiel“ veröffentliht ein Dekret, durh welches der jeßt pro- visorisch im Collége de France eingerichteten Schule für lebende orientalishe Sprachen cin dem Staate gehöriges Gebäude Rue de Lille Nr. 2 eingeräumt wird.

Eine der wichtigsten Fragen, die Reorganisation der Militär-Divisionen, wird, wie „Siècle“ meldet, in kur- zer Zeit entschieden sein. Der unter Leitung des Präsidenten der Republik angefertigte Entwurf wird wahrscheinlih am nächsten Donnerstag dem Ministerrathe vorgelegt werden. Alles, was betreffs der Generale gesagt wurde, denen die Konmandos ar=- vertraut würden, ist, dem genannten Blatte zufolge, sehr verfrüht.

Das gestern hier eingetroffene offizielle Journal. von Algerien zeigt an, daß der unter dem Namen Cherif Ben- Schouscha bekannte Agitator eine Niederlage erlitten hat, die ihm vom Lieutenant Bon-Driss, Agha von Wargla, zuge- fügt wurde. Ben-Schouscha verlor 16 Mann, seine Frau, seine Negerinnen, seine Zelte, 3000 Kameele und eine bedeutende Beute.

8. September. (W. T. B.) Gestern ist in allen Kirchen cin Hirtenbrief des Erzbishofs von Paris verlesen worden, in welhem Gebete für die Kirhe und den Papft an- geordnet werden.

9. September. (W. T. B.) Nach amtlicher Mittheilung find am 5. September zur Tilgung des Restes der Kriegs- \chuld 263,466,000 Fres. bezahlt worden. Von den der Re- gierung zu diesem Zwecke durch die Bank zur Verfügung ge- ftellten 200 Millionen in Metall wurden, in Folge der während der Monate Juli und August erfolgten weiteren Einzahlungen auf die leßte Anleihe, nur 150 Millionen in Anspruch genom- men. Der Totalbetrag aller bis zum 1. September d. I. auf die gedachte Anleihe gemachten Einzahlungen beläuft \sich auf 3 Milliarden 795,000 Frcs. An Metallbeständen warcn in der Bank nach der vollständigen Abzahlung der Kriegs\{huld noch 700 Millionen vorräthig, während bei Beginn dieser Zahlungen sich nur 550 Millionen vorfanden. Das Goldagio is niht ge- stiegen und beträgt 3 pro Mille.

Nach dem „Rappel“ soll in der am Donnerstag statt- findenden Sitzung der Permanenzkommission die Frage wegen des Belagerungszustandes in den Departements aufs Neue zur Sprache gebraht werden.

Spanien. Madrid, 8, September. (W. T. B.) Heute wird in den Cortes die Wahl eines neuen Präsidenten der Versammlung an Castelars Stelle vorgenommen werden, welche vorausfihtlich auf Salmeron fallen wird.

Der Marquis von Drense (der Sohn) soll, wie verlautet, zum Civilgouverneur von Madrid ernunnt werden.

Die erste Anordnung, welhe von dem neuen Mini-

erium wird getroffen werde1, dürfte, dem Vernehmen nah, in der Ernennung eines oberen militärishen Ausschusses (Iunta) bestehen. Derselbe soll aus Generalen der Armee

gebi!det und mit der Besegung aller Stellen in Gemeinschaft

mit dem Kriegs-Ministerium betraut werden. Sodann würde ch der Ministerrath mit der Reorganisation der Ar- tillerie beschäftigen und eine Neubesezung aller Chargen vom

Oberst-Lieutenant ab vornehmen. : Eine spätere Depesche meldet: In der heutigen Sihung

‘der Cortes wurde zunächst die Ministorliste zur Kenntniß

gebracht, die insofern modifizirt ist, als Gil Berges das Mini- flerium der öffentlihen Arbeiten, Delrio das der Justiz, Dreiro das der Marine übernimmt, leßterer au interimistisch mit der Verwaltung des Kriegs-Ministeriums beauftragt ist. Als Castelar mit den Ministern eintrat, wurde er mit Beifallsrufen begrüßt. Dersebbe entwickelte das Programm seiner Regierung und erklärte, er repräsentire zwar dic Föderativ-Republik, über Allem stehe ihm aber die Einheit des Landes. Nachdem er sich gegen das Treiben der Demagogie ausgesprohen und um die Unterstüßung aller Liberalen im Kampfe gegen die Carlisten gebeten, fügte er inzu, er werde zur Wiederherstellung einer Armee die Kriegs-

‘Artifel mit Strenge, aber ohne Grausamkeit zur Anwendung bringen. Castelar erwähnte noch einige andere von ihm ange-

strebtc Reformen und {loß seine Rede mit den Worten: Europa werde die spanische Republik nur dann anerkennen, wenn die- selbe im Stande sei, den Geseßen Gehorsam zu verschaffen.

Jtalien. Rom, 5. September. Im Finanz-Ministe-

‘rium wird, den „It. N.“ zufolge, an einem Nachtrage zum

provisorishen Budget für 1874 gearbeitet. Dieser Nah- trag soll einige Veränderungen und zwar erhebliche Ersparnisse in dem vom vorigen Ministerium entworfenen Budget herbeiführen.

Aus Mantua schreibt man, daß das Genie-Kommando Befehl erhalten hat, die Arbeiten zu stärkerer Befestigung des Plazes einzustellen und die Festungswerke nur im status quo zu erhalten. : S

Wie „Popolo Romano“ meldet, ist eine ständige Kar- dinals-Kommission unter dem Vorsiße des Kardinals de Luca ernannt worden, welche die ersheinenden Journale und Bücher zu prüfen und darüber direkt an den Papft zu be- rihten hat.

: A Rücksicht auf den öffentlihen Gesundheitszustand hat der Präfekt von Rom die am 7., 8. und 9. September üblihen Wallfahrten nach Genazzano verboten mit dem Bemerken, daß Zuwiderhandelnde an dem Weichbilde der Ge- meinde abgewiesen werden würden.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 7. September Der Abgesandte des Chans von Kaschgar, Turan- Chodsha, gedenkt, wie der „Golos“ mittheilt, St. Petersburg demnächst zu verlassen, um in seine Heimath zurückzukehren und seinem Gebieter Briefe von verschiedenen hochgestellten Personen und für etwa 7000 Rbl. Geschenke zu überbringen.

Demselben Blatt zufolge steht die Ankunft des japani- \chen Gesandten, Sawa Nabuiosi, in naher Aussicht.

Gegen die Verbreitung des Sektenwesens in den nöôrdlihen Gegenden beabsichtigt man ernste Maßregeln zu ergreifen. Es is die Nothwendigkeit in Erwägung gezogen worden, die Lage der orthodoxen Geistlichkeit in den nördlichen Eouvernements zu verbessern, indem man ihr einen fixen Gehalt zuweist, der ihnen die Möglichkeit gewährte, bei Amtshandlungen auf die Zahlungen Seitens der Gemeindeglieder zu verzichten.

Das Telegraphendepartement beabsichtigt, wie die „R. W.“ meldet, auf legislativem Wege um die Anweisung von 389,800 R. zur Deckung der Kosten für Erweiterung des Tele- graphennegzes im Iahre 1874 nachzusuchen. Von dieser Summe sollen 141,000 Rbl. für die Anlage neuer Linien und 248,800 R. für die Anlage von Ergänzungsleitungen Verwendung finden.

Am 17. Juni war in Chiwa für die bei den Expedi- tionstruppen befindlihen Georgenritter ein Festessen veranstaltet worden. Dasselbe wurde von dem Großfürsten Nikolai Konstantinowitsh und dem Fürsten Eugen Maximi- lianowitsch Komanowski, Herzog von Leuchtenberg mit ihrer Gegenwart beehrt.

Livadia, 7. September. (W. T. B.) Der Kaiser und die Kaiserin sind mit ihren Kindern heute Nahhmiitag 5 Uhr glücklih hier eingetroffen.

Amerika. New-York, 9. September. (W. T. B.) Nah eingetroffenen Nachrihten aus Texas richtet das gelbe Fieber in Galveston, Houston und Shreveport große Verheerungen an. Viele Einwohner ver[assen die infizirten Drt- schaften. Die Geschäfte liegen völlig darnieder. :

Aus Havannah wird gemeldet, daß cin Häuserviertel auf der Plaza vapor durch eine Feuersbrunst zerstört ist. Man vermuthet, daß das Feuer durch Brandlegung entstanden ist, 20 Menschen sind umgekommen; der Verlust wird auf 8 Millionen geschätzt.

Afrika. Aus der Cap stadt sind Berichte vom 2. August eingegangen. Die „Constitution“ West-Griqualands, wie nun- mehr die Diamantbezirke benannt sind, war endlih verkündet worden. In den „Diamond-News“ vom 7. Juli wurde eine Reihe diesfälliger-Proklamationen veröffentlicht. Die erste dieser Proklamationen giebt jenem Gebiete den Namen „Provinz West- Griqualand'“. Die zweite bestätigt Herrn Southey als stellver- tretenden Gouverneur. Durch die dritte wird das Land in drei Distrikte eingetheilt und erhalten dieselben die Namen 1) Kim- berley (der frühere Distrikt Pniel) mit dem Hauptorte Kimberley, 2) Barkly (der frühere Distrikt Klipdrift) und 3) Hay (früher Griquastad). Eine vierte Proklamation enthält die eigentliche „Constitution'‘, auf Grundlage „offener Briefe“, welhe am 27. Februar d. I. von der Königin Viktoria verliehen worden; es wird ein „geseßgebender Rath“! bestchen, zusammengeseßt aus ‘vier gewählten und vier nicht gewählten Mitgliedern.

Australien. Australishe Mittheilungen melden, daß Ka- pitän Moresb y, der Kommodore des britischen Kriegs\chiffes „Basilisk“, auf einer Kreuzungstour um die Torresstraße meh- rere neue Inseln, die man bisher für Theile von Neu-Guinea hielt, entdeckt und die Nationalflagge des entdeckenden Ss aufgehißt hat. Kapitän Moresby hat auf dieser Kreuzungsfa rt auch mehrere gute Häfen entdeckt, von denen er zwei „Moresby/“ und „Fairfax“ taufte. In Neu-Guinea fanden einige Seeleute des „Basilisk“ Stücke Goldes, und in Brisbäna is das Projekt aufgetauht, eine Expedition zur „Erforschung des goldreihen Territoriums auszusenden.

Statistische Nachrichten.

Stand der Cholera. Danzig, 8. September. Seit Sonnabend Mittag Zugang an Erkrankungen 4, an Sterbefällen 9. Berlin, 8. September. Von gestern auf heute sind als an der Cholera erkrankt gémeldet 41 Personen, darunter 17 Todesfälle. Seit Beginn der Epidemie find bis heute Mittag im Ganzen als erfrankt gemeldet 463, davon siud genesen 59 Personen, gestorben 297, in der Behandlung geblieben 111 Personen.

Posen, 8. September. Am 6. d. M. erkrankten 1 Person, am 7. d. M. 4 Perionen, in Behandlung verblieben- 5 Personen Magd c- burg, 8. September. Vom Militär ist_ am 6 hier 1 Mann an der Cholera gestorben, erfranft feiner. Stendal, 6. September. Bis heute find 161 Personen als an der Cholera gestorben bei der hiesigen Polizeibehörde angemeldet. Hannover, 8. Sep- tember. Im Landdrosteibezirke Lüneburg sind nah amtlichen Mittheilungen an der Cholera seit Ausbruch derselben in diesem Jahre bis zum 31. August d. J. erkrankt: 279 Personen; hiervon sind 168 gestorben, 22 in ärztliher Behandlung verblieben und 98 genesen. Hiervon kommen auf: die Stadt Harburg 142 Erkrankungs- mit 99 Todesfällen, das Dorf Drohe, Ant Oldenstadt, 39 Erkrankungs- mit 21 Todesfällen, die Stadt Hißacker 21 Erkrankungs- mit 8 Todes- fällen, die Stadt Lüneburg 5 Erkrankungs- und d Todesfällen, die Stadt Celle 1 Erkrankungsfall, die Stadt Uelzen 2 Eckrankungsfälle, die Stadt Winsen a. d. L 1 Erkrankungsfall, den Amtsbezirk Har- Lurg 29 Erkrankungs- mit 20 Todeéfällen, den Amtsbezirk Winsen a. d. L. 3 Erkrankungs- mit 3 Todesfällen, den Amtsbezirk Lüneburg 3 Erkcankungs- mit 2 Todesfällen, den Amtsbezirk Dannenberg 4 Erkrankungs- mit 3 Todesfällen, den Amtsbezirk Bleckede 3 Erkran- fungs- mit 3 Todesfällen, den Amtsbezirk Lüchow 1 Erkrankungë- mit 1 Todesfall, den Amtsbezirk Tostedt 25 Erkrankungs- mit 3 Todesfällen. —- München, 7. September. Von Freitag bis Sonnabend Abends sind 13 Erkrankungs- und 7 Todessälle vorgekommen. Augs- burg, 6. September. Seit gestera ist wieder ein Erkrankungsfall vorgekommen, so daß gegenwärtig 4 Personen_in ärztlicher Behandlung stehen. Würzburg, 7. September. Stand der Erkrankungen an Cholera, Cholerine, Brechdurchfall in der Stadt inkl. Juliusjpital am 6. September 5 Uhr Abends: Gesammtsumme der seit 8. Juli bis 6. Seytember 1873: Erkrankten 126, Verstorbenen 49, Bestand am 2. September 3 männl., 5 weibl., Zugang vom 2. bis 6. Sep- tember 4 männl, 8 weibl., g-storben 1 weibl, genesen 3 männl, 4 weibl., verblêiben am 6. September, 5 Uhr: 4 männl., 8 weibl, Dresden, 8. September. Während von vorgestern bis gestern Mittag hier 3 neue Erkrankungen an der Cholera, jowie je 1 Todes- fall und 3 Genesungsfäslle zu verzeichnen waren, ist von gestern Mittag bis heute Mittag weder ein Erkraukungs- s cin Todes- oder Ge- nesungsfall zur amtlichen Meldung gel«ngt. Der Krankenbestand_ be- trägt somit leute Mittag 4 Personen. St. Petersburg, 7. Sep- tember. Vom 20. August bis zum 6. September sind im Ganzen 140 Personen an der Cholera erkrankt; davon genasen 10, starben 41, so daß noch 89 in Behandlung verblieben.

(Wien.-Z.) Auf den s sterreichischen Eisenbahnen, deren Betriebs|änge mit Ende des zweiten Quartals 1851 93 Meilen be- trug, sind im zweiten Quartal 1873 254 Unfälle vorgekommen. Dieselben zerfallen in a. 193 Unfälle bei fahrenden Zügen inkl. ihres Aufen halts auf den Bahnhöfen und b. in 61 sonstige Unfälle in den Babnhöfen und auf der kurrentcn Strecke. i E /

A. Die Unfälle bei fahreaden Zügen vertheilen sich_ nach ihren Entstebungsursachen folgendermaßen: Jn Folge atmosphärischer Ein- flüsse 5, in Folge von Hindernissen auf der Bahn 21, in Folge fal- scher Handhabung der Signale, Weichen der Lokomotiven und anderer Betriebscinrihtungen 28, in Folge mangelhaften Zustandes der Bahn 11, in Folge Schadhaftwerdens der „Fahrzeuge 53, in Folge unbe- fannter Ursachen 15. Aus diesen Ursachen entstanden 16 Zusammen- sttöße, 74 Entgleisungen, 23 andere Betriebsstörungen. h

. Die sonstigen Unfälle vertheilen fich nach den Veranlassungen wie folgt: Unfälle, bei denen Personen beschädigt oder getödtet wur- den, wurden veranlaßt èurh das Rangiren der Züge in 21, dur son- stige Ursachen in 21 Fällen. Unfälle, bei denen Personen nicht verleßt, aber Fahrzeuge bedeutend beschädigt wurden, würden veranlaßt durch Rangiren der Züge in 4 Fällen, durch Anfahren der Züge an still- stehende Wagen in 1, durch Entgleisung in 7, durch Achsbrüche in 1, dur sonstige Ursachen in 9 Fällen. A

Bei sämmtlichen Unfällen wurden 75 Personen beschädigt und 58 Personen gelödtet und zwar wurden 9 Bahnbedienstete beschädigt und 3 getödtet, ferner von anderen Pecsonen 2 beschädigt und 1 ge- tödtet durch Verschulden der Bahn; durch eigene Schuld oder Zufall wurden beschädtnt 5 Reisende, 49 Bahnbedienstete,.14 andere Perso- nen, getödtet 2 Reisende, 24 Bahnbedienstete und 28 andere Personen. Somit entfallen auf das Verschulden der Bahnanstalt und ihrer Or- gane 7 Beschädigungen und 4 Tödtungen.

Kunst und Tissenschaft.

Berlin, 9. September. Der hiesige Akklimatisations- Verein wird im Hotcl de Rome hierselbst am 20. d. M. eine Ausstellung von fremdländischen, hier ausdauernden, Gehölzen und diesjährigen, hier angebauten Nußpflanzen, Getreidearlen, grüchten, Gemüsen, Sämereien, Knollen, Wurzeln sowie von Erzeugniffen der Seiden- und Bienenzucht ‘veranstalten. Mit der Ausstellung wird eine öffentliche Sißung des Vercins verbunden sein, in welcher die ausgestellten Gegenstände und die Vorzüge ihrer Afklimatisation einer eingehenden Besprechung unterzogen werden sollen.

Jm Verlage der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) hierselbst, erschien soeben: Preußischer Term in- Kalender für das Jahr 1874, 22. Jahrgang. Zum Ge- brauch für Justizbeamte. Die Beilagen umfassen 115 Bos gen Text und enthalten: Die in der Praxis am häufigsten vorkom- menden Eidesnormen, die geseßlichen Bestimmungen in Alimenten- und Schwängerungssachen, Zeitberehnungs-Tabellen, bezüglich leßterer, sowie solche für die Fristen zur Anmeldung und Rechtfertigung civiltecht- licher Berufungs\chriften, das Gescß vom 20. März 1872, betreffend die Aufstellung neuer Besoldungsce its u. #. w., Gejeß vom 12. Mai 1872 über die Wohnungsgeldzuschüsse an die unmittelbaren Staatsbeamten, eine Uebersicht über die Normalbesoldungen der Justizbeamten, das Pen- sionsgeset, die Pensionstabelle, Uebersicht der neuen Maße und Gewichte, Zinstabellen, Verzeichniß sämmtlicher Justizbeamten inel. der Refe- rendarien, mit ihren Anciennitätslisten, sowie sließlih ein äußerst praktisch eingerihtetes Ortschaftsverzeichniß mit der Bezeichnung der Arten der einzelnen Gerichte, des Kreis- und Appellationsgerichts- Bezirks, Angabe der Servisklasse, sowie des eventuellen Vorhanden- seins eines Gymnasiums oder der sonstigen höheren Schulen.

In dem Verein für Nassauische Alterthumskunde wurden vom Dezember 1872 bis August d. I. folgende Borträge ge- halten : Am 21. Dezember 1872: Gymnasial-Oberlehrer Dito referirte ber die neueren Resultate der Sage vom Kyffhäuser. Am 25. Ja- nuar 1873: General-Lieutenant von Röder hielt einen Vortrag über den Spreewald in - der Niederlausiß. Pr. Schalk sprach über die

Bronzethüre des Wiesbadener Museums und Oberst von Cohausen*

beribtete über die Alterthümer-Sammlungen in Mannheim. Am 22. Februar: Professor Dr. Bolg hielt einen Vortrag, in welchem er den Namen von Wiesbaden in einer von der bisherigen abweichenden Art zu erklären versuchte. Hofrath Lehr hielt sodann einen Vortrag über Heraldik, an welchem Regierungs-Asse\sor Himly Mittheilungen übec die neuesten literarishen Erscheinungen im Gebiete dieser Wissenschaft an- fnüpfte. Am 15. März: Regierungs - Baurath Cremer sprach über die Wiederherstellungsarbeiten der Stiftskirche Sk Georg, des jeßigen Domes, zu Limburg a. d. Lahn. Am 26. April: Obkerst von Cohausen sprah anknüpfend an eine Szenitsäule des Wiesbadener Museums, aus dem Palaste Karls des Es zu Ingelheim stammend, über die Bearbeitung der Stein- brüche im Alterthum. Am 28. Juni: Regierungé-Afsessor Himly pra über die rheinischen Kurfürstenthümer während ihres leßten

estchens. Oberst Bronsart von Shellendorff machte Mittheilungen über cine Episode aus dem leßten Kriege und zwar über die Unter- handlungen, welche zur Uebergabe von Sedan führten. Am 2. August: Regierungs- und Schulrath. Beyer hielt einen Vortrag über die Erzichung der Römer. Geheimer Hofrath Schneider aus Potsdam theilte einige Züge aus dem Leben Sr. Majestät des Kaisers während des leßten Feldzuges mit.

Die Nr. 72 der „Wissenschaftlihen Beilage der Leipziger Zeitung“ vom 7. September hat E Inhalt: Aus dem Leben des Generals der Cavallerie, Freiherrn Edwin von

Manteuffel. Hymnologisches. Heinr. Kurz, Leitfaden zur Ge- schichte der deutschen Literatur. Allgemeine Erdkunde. Schleier- machers Predigten. Reichstagsverhandluagen über das sogenannte Jesuitengeseß. : :

Chur, 6. September. Heute haben die Sißungen der Ver- sammlung des schweizerishen Juristenvereins begonnen. Es waren 40 Mitglieder anwesend.

Landwirthschaft.

In der Provinz Preußen ist die Ernte im Allgemeinen gut ausgefallen, im Regierungsbezirk Gumbinnen hat jedo der Klee nur cinen mittelmäßigen Ertrag ergeben, Im Regierungsbezirk Königsberg war die Rübsenernte ungenügend. Im Regierungsbezirk Danzig zeigen die Kartoffeln Spuren von Krankheit. Der Obstertrag ist überall nur gering. Ú

Im Regierungsbezirk Posen entspricht die Roggenernte nicht den

. Erwartungen, der Weizen i} besser gerathen. Die Sommerung hat

zwar durch Dürre gelitten, wird jedoch im Allgemeinen eine Mittel- ernte ergeben. Vom Futter ist der zweite Schnitt gering ausgefallen. Hopfen wird reichlich und in guter Qualität gewonnen werden. Jm Regierungsbezirk Bromberg ist die Ernte im Ganzen befriedigend.

Im Regierungsbezirk Cöslin übersteigt die Ernte in Stroh das Mittel, bleibt aber in den Körnern dahinter zurück, weil das Getreide stark * gelagert hatte. Im Regierungsbezirk Stralsund sind der Roggen mittelmäßig, aber andere Getreidearten gut gerathen; jedoch hat das Regenwetter während der Ernte nicht unerheblichen Schaden angerichtet. Kleehcu ist in Folge der ungünstigen Witterung gar nicht gewonnen worden.

Der Regierungsbezirk Oppeln erreiht im Reggen kaum eine Mittelernte; auch für die Kartoffeln sind die Ausfichten ungünstig. Obst ist gänzlich mißrathen. Dagegen haben ODelfrüchte, Weizen, Gerste und Hafer bessere Erträge geliefert, die aber den Ausfall an den Hauyptnahrungsfrüchten des Regierungsbezirks nicht ausgleichen.

In der Provinz Hannover is die Getreideernte durchweg befriedigend. Der Buchweizen und die Kartoffeln berechtigen zu den besten Erwartungen. In einigen Gegenden zeigen sich Spuren der Kartoffelkrankheit. Der Klee bat durch Frost und Mäusefraß einen faum nennenswerthen Ertrag geliefert. Die Heuernte ist in einigen ostfriesishen Bezirken, die Obsternte über=ckll ungenügend geblieben.

Gewerbe und Sandel.

München, 9. September. (W. T. B) Die von Adele Spitßeder gegen das Urtheil des Schwurgerichts erhobene Ni ch- tigkeitsbeschwerde ist von dem biesigen Ober-Appellationsgerichte verworfen worden, und hat das Sc{wurgerichtserkenntniß nunmehr die Rechtskraft erlangt.

Nürnberg, 6. September. (Allg. Hopfenz.) Wir haben freund- liche Witterung, aber kalte Nächte, welche an den herrannahenden Herbst erinnern und der Ausreife des Späthopfens nicht gut zu Statten kommen. Indeß ist die Ernte überall im besten Gange und am Markte die hereinkommende trockne Waare, heute wie gestern be- liebt, während feuchte nur zu den niedrigsten Kurscn anzubringen ist. Es famen bis jeßt Mittags aus verschiedenen Bezirken ca. 100 Ballen zur Stadt, welche entsprechend konservirt 60—66 fl., Hallertauer ohne Siegel 68—70 fl, prima Badische und Württemberger in Kleinig- feiten 66—70 fl. erzielen fonnten. Im Allgemeinen war das Geschäft in der heute beendeten Woche lebhaft zu nennen; es find circa 400 Ballen durch den Markt gegangen und hätte der Verkehr viellcicht größere Diwensionen erreicht, wenn entsprechend getrocknete Waare zahl- reihcr vertreten wäre, immerhin ein Beweis von der hohen Bedeutung des Nürnberger Marktes, an dem die Saison mit so großem Ver- fehr beginnt, gegenüber andern Handelspläßen und Märkten, an denen das Geschäft noch kein Lebenszeichen von sich gegeben hat. Während aus fast allen Hopfenländern des Kontinents Betichte über den befriedigenden Ausfall der Hopfenernte eingehen, welche konstati- ren, daß das Resultat des Vorjahres weit übertroffen wird, lassen doch die weniger günstigen Nachrichten aus Amerika einige Hoffnung auf überseeishen -Export aufkommen, Heutige Notirungen sind: Marfktwaare L. 58—62 fl, Marktwaare I1. 54—56 fl., Marktwaare IIT. und geringe 48—52 fl, Württemberger T. 70—75 fl, Württem- berger I. 66—68 fl, Badische L. 70—7d fl, Badische T1. 62—68 ffl., Hallertau-r Siegel 70—7ò fl., Hallertauer I. 66—68 fl, Hallertauer 1T. 60—64 fl., Aishgründer I. 60—66 fl., Altmärker 38—45 fl.

Dresden, 7. September. Königlich sächsische Erfindungs- patente. Verlängert bis 4. September 1874 die Frist zur Aus- führung des Herrn Heinrich Rätke zu Berlin für Herrn William Campion zu Sneinton und Herrn William Campion zu Nottingham auf cinen mechanischen Strumpfstuhl für reguläre Waare unterm 4. September 1872 ertheilten Patents. Verlängert bis 2_ Oktober 1874 die Frist zur Ausführung des den Herren F. Edmund Thode u. Knoop zu Dresden für Herrn Luke Woodward in Not- tingham auf Verbesserungen an Apparaten zur Erzeugung von Strümpfen und dergl. Wirkwaaren unterm 2, Oftober 1872 er- theilten Patents.

London, 6. September. Das Handelsamt ist vom Staats- Sekretär für auswärtige Angelegenheiten benachrichtigt worden, daß nach einer Anzeige des britishen Konsuls in Bilbao vom 23. ult. die dortigen Behörden den Ober-Lootsen instruirt haben, britische Schiffe gegen das Einlaufen in den Hafen unter den gegenwärtigen Umständen zu warnen, und empfchlen, daß britishe Schiffe in Eng- land övffentlich vor der Gefahr, die mit der Fahrt nah Bilbao ver- fnüpft ist, gewarnt werden mögen. Dieselbe Behörde hat auch eine Depesche des englischen Gcsaudten in Lima erhalten, welche meldet, daß das peruvianishe Salpeter-Monopol am 1. d. Mts. in araft treten würde. i:

Berkehrs- Anstalten.

Southampton, 9. September. (W. T. B.) Der Dampfer des norddeutschen Uoyd „Hannover" ist heute hier eingetroffen.

St. Petersburg, 7. September. Die große nordische Telegraphengesell\chaft hat am 30. August die Legung der Telegrayhenkabel zwischen der schwedischen Küste bei Marstrand unweit Gothenburg und der dänischen bei Skagen, sowie zwischen der däni- cen Küste bei Jljörring und Newcastle am Tyne in Großbritannien beendigt. j 1

Halifax, 7. September. (W. T. B.) In der Nähe von Arichat (Insel Kap Breton) sind in Folge der Stürme in den lelzten Tagen 56 Schiffe gescheitert.

Königliche Schauspiele.

Mittwoch, 10. September. Opernhaus. (159. Vorstellung.) Die Hugenotten. Oper in 4 Abtheilungen. Musik von Meyer- beer. Ballet von Taglioni. Margarethe von Valois: Frl. Lehmann. Valentine: Fr. v. Voggenhuber. St. Bris : Hr. Salomon. Nevers: Hr. Bey. Raoul: Hr. Diener. Marcel: Hr. Fricke. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-Preise.

Mittwoch, 10. September. Schauspielhaus. (173. Abon- nements-Vorfstellung.) Der Kaufmann von Venedig. Schauspiel in 5 Abtheilungen von Shakespeare. Anfang 7 Uhr. Mittel-

reise. 7 N aarhns: 11. September. Opernhaus. (160. Vorstellung). Flick und Flock. Komisches Zauber-Ballet in 3 Akten und 6 Bildern von P. Taglioni. Musik von Hertel. Hr. Poigny, aus Brüssel, wird mit Frl. David im zweiten Akt cin Pas de deux ausführen. Anfang 7 Uhr. Mittel-Preise.

Donnerstag, 11. September. Schauspielhaus. (174. Abon- nements-Vorstellung). Donna Diana. Lustspiel in 4 Abthei= lungen des Don Augustin Moreto, von West. Anfang hal 7 Uhr. Mittel-Preise.