1920 / 265 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Nov 1920 18:00:01 GMT) scan diff

persönliche erhob. Einen Höhepunkt erreihte diese Entwiklung in den großen Philosophen Platon und-Aristotele3, ihre Weiterbildung bei den Stoikern und Neuplatonikern. Mit der alten Volksreligion1 hatte diese religióse Philosophie keine inneren Berührungspunkte mehr, wenn diese- ald nur die Auswüchse der alten Kulte angriff. Obwohl der Gottesbegriff von ihr pantheistish gefaßt wurde, gewann sie do ein persönliches Verhältnis zur Gottheit, deren \ittlihe Macht auf Erdea auch in der Einheit und Ordnung ihren Ausdruck findet. Als die antike Welt dann müde und zukunftslos sih ihrem Tode näherte, wurde thr der Imperator als Träger der Einheit und Ordnung nicht nur zum irdishen Stellvertreter der Gottheit, sondern selbst zu einer solchen. Aus dieser Erniederung erlöste_ das Christentum den ster- benden Gottesgedanken und {uf einen Kultus, der ein Träger der Neligion des Herzens war. So starben die alten Götter, denn au Götter sterben. Wenn aber der Menschen Gemüter unter dem Streckensruf: „Der alte Pan ist tot!“ erbeben, ist die Gottheit hon in neter Gestalt wiedererstanden, denn „Dionysos firbt nur, um zu [eben“.

Literatur.

GustavFrenssen: Jacob Alberts. Ein deutsccher Maler. Berlin, G. Groteshe Verlagsbuhhandlung, 1920 (52 S., 4 Farbentafeln, 31 farbige Abbildungen). Der Maser der blühenden Halligen und friesishen Bauernstuben hätte keinen besseren Interpreten finden können, als den Dichter von der deutsden Nordsceküste, den Landsmann der engeren Heimat. Ein ferner stehender Kunst- bistorikfer würde nur Interesse für Alberts haben als ge- \{madckvollen Darsteller seiner heimisGen Gegend, als cinen, der dies Thema für den Impressionismus entdeckt bat. Aber bahnbrehend war er weder für die Freilihtmalerei, noch für cine der jüngeren Nichtungen. Frenssen hingegen vertieft sich mit liebe voller Eindrinalichkeit in das Stoffgebiet, das den Maler trotz seiner Studien in München, Berlin und Paris am meisten fesseln mußte, weil er durch eine alüdcklihe Kindheit auf dem väterliden Weidehof mit der beimis{en Scbolle fest verwachsen war, vom Vater boden- ständiae Kraft und bäuerlibe Bedächtiakeit, von der vrachtvollen, halb bolländisden Mutter künstlerishen Sinn geerbt hatte. Wie eine Novelle liest sich die Schilderung vom langsamen Wacbsen und Werden dieses deutshen Malers und von den Menschen, die - seinen Weqg fkreuzten und auf irgendeine Weise be- deutungsvoll für ihn wurden. Au das Besondere der Landschaft, ibre Stimmung und ihre Bewohner kommen zu ibrem Necht, und es ist gut in “dieser troß offiziellen Friedens friedelosen, gärenden Zeit an die gesunde, bodenständige Kraft norddeutshen Volkstums erinnert zu werden. Ausstattung, Druck und Abbildungen, auch die farbigen, find mustergültig.

Im Verlage von Dietrichß Reimer (Ernst Vohbsen) A. G. in Berlin ist soeben eine neue Ausgabe des ersten Teils von Goethes Faust erschienen, die mit Reproduktionen nach Zeich- nungen des Peter Cornelius aus den Jahren 1808/15 ges{müdckt ift. Diese Zeicbnungen haben Goethe persönlich vorgelegen, der die Wid- mung des Künstlers annahm. (Preis Æ 60, numerierte Vorzugs- ausgabe 4 300).

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln. Dem Reich38gesundheit2amt is das Erlöschen der Maul-

und Klauenseuche vom Shlachtviehhof in Dresden am 15. November 1920 gemeldet.

Theater und Musik.

Im Overnhause werden morgen, Dienstag, „Die Meister- finger von Nürnberg“, mit den Damen Schwarz, von Scheele-Müller und den Herren Kirchner, Node als Gast, Helgers, Habich, Stock, Henke, Philipp, Krasa, Babmann und Lücke beseßt, aufgeführt. Musikaliscber Leiter ist Dr. Friß Stiedry. Anfang 5 Uhr.

; Im Schauspielhause wird morgen „Peer Gynt“ mit Carl de Vogt in der Titelrolle und Margarethe Schön als Solveig ge- geben. A=afang 62 Uhr.

_ Dscar von Chelius’ neue Oper ,Magda-Maria” wird am 28. d. M. zum ersten Male in Deffau unter der Leitung des Generalmusikdirektors Knapyertsbush aufgeführt werden.

Mannigfaltiges.

Der Reichsminister des Innern Koh hat der Technischen Nothilfe folgende Mitteilung zugehen lassen: „Es ist mir als zuständigem Reichsminister eine freudige Pflicht- erfüllung, der Technischen Nothilfe für die aufopfernde Saabe zu danken, mit der sie si leptbiy während des Berliner Clektrizitäts- streifs wieder selbstlos in den Dienst der Gesamtheit gestellt hat. Die stattliche Zahl von Männern und Frauen, -die in unserer von {weren wirtschastlichen Kämpfen erfüllten Zeit ihre eigene Person zurückstellen und keine Mühe und Gefahren s{euen, erstreben keine Parteinahme Wg widerstreitender Kräfte und Interessen. Ihr Ziel ist, in

iesem Kampfe, die Gesamtheit vor shwersten Ershütterungen infolge

Stillegung lebenswichtiger Betriebe zu bewahren. Durch ihre Hilfs- bereitshaft mildern die Nothelfer die Art der Austragung solcher Kämpfe. Je mehr unsere Verhältnisse gesunden, um fo seltener wird es erforderlich sein, die Technische Nothilfe zu ihrer freiwillig über- nommenen Pflicht aufzurufen. Aber immer wird sie das Bewußtsein haben dürfen, in {chwerer Zeit dem Staat und der Wirtschaft wert- volle Dienste geleistet zu haben.“ (W. T. B.)

__Ein Deutsch-Scchwedischer Gesellschaftsabend wird von der Deutsch - Shwedischen Vereinigung Donnerstag, den 2. Dezember d. J., im Marmorsaal des Zoologischen Gartens veranstaltet. Im künstlerischen Teile wirken u. a. mit: Maria Ekeblad, Anneliese Impekoven (Tänze in Nationaltraht), Ferdinand Gregori fowie die Kapelle Zimmer. Dem \chwedischen Volke soll bei dieser Gelegenheit für die uns erwiesene Hilfe gehuldigt werden. Alle hiesigen Schweden und alle Freunde Schwedens sind herzlich ein- geladen. Der Reinertrag wird dem Roten Kreuz über-

esen. (Kein Weinzwang. Gesellshaftsanzug in beliebiger Form, Beginn 7 Uhr.) Karten zu 10, 30 4 sind bei der Geschäftsstelle der Deutsh-Schwedischen Vereini a Berlin-W. 50, Regensburger Straße 14 a (durch Zahlkarten, Postsheckonto Berlin Nr. 87 770), bei Bote u. Bock, A. Wertheim und in den Buchhandlungen, die as Plakate kenntlich sind, zu haben. Sammelbestellungen werden erbeten.

_Beüthen, 20, November. (W. T. B.) Heute naGmittag er- schienen in der Wohnung von Theophil Kuvpke, dem Herausgeber der „Wola Ludu * („Der Wille des Volkes“), der bis vor einiger Zeit Mitarbeiter Korfantys im Hotel Lomnißz war, drei maskierte Personen, die na Beschäftigung fragten. Kupke, der an der Wohnungstür zunähst die Namen verzeichnen wollte, erhielt sofort vier Schüsse, darunter je

einen in Kopf und Brust, die seinen Tod auf der Stelle hber- beiführten. Der Mord is offenbar politischer Natur. Bereits seit Tagen wurde Kupke von den verschiedenen Seiten dur allerlei Nach- fragen nachgeforscht, sodaß festzustehen scheint, daß seine Beseitigung pon langer Hand geplant war.

Essen, 20. November. (W. T. B.) Der 10. Kongreß der christlichen Gewerkschaften ist, aht Jahre nah dem neunten, heute hier zusammengetreten: die Verhandlungen sollen vier Tage dauern. Die zuständigen Behörden find vertreten. Der preußishe Wohlfahrtsminister Stegerwald hielt die Er- öffnungéansprahe. Vom Auslande, find Vertreter vom Inter-

offentlicht eine Kundgebung, in der mitgeteilt wird, daß

nationalen Arbeitsamt in Genf und dem Internationalen Ge- werkschaftsbunde, von der römis - fatholis{Gen Fachorganisation, und den cristlih-nationalen Fachverbänden Hollands, den christlichen Gewerkschaften in Oesterreih-Ungarn und andere anwesend. Der Kongreß wählte zu Vorsißenden den Minister Stegerwald und die Herren Behrens, Bieber und Jmbush. Nach dem Berichte des Aus- {usses des Gesamtvorstands ist die Mitgliederzahl des Ge- samtverbands der christlichen Gewerkschaften von 350 900 Ende 1912 auf 1950000 gestiegen. Der Gesamtverband hat sich mit anderen Verbänden zum Deutschen Gewerkschafts- bund zusammengeschlossen, der als Gegengewicht geaen den Nadikaliemus in der Gewerkschaftsbewegung positive Wiederaufbauarbeit leisten will. Dann wurden die Saßzungen des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften angenommen. Er Can O umfaßt danach alle deutshen christlichen Gewerk-

aften. lihen Gewerkschaften gemeinsamen der sih aus der Tätigkeit der einzelnen Gewerkschaften ér- gebenden Aufgaben von allgemeiner Bedeutung und Herbei- führung umfassender Unterstüßung der Bestrebungen der Gewerk- schaften durch die Gesamtheit. Den Verhandlungen des zweiten Tages unter Leitung des Neichstagsabgeordneten I mb uf ch wohnten unter anderen der Arbeitsminister Dr. Brauns, der Reichspostminister Giesberts, Skaatssekretär Becker sowie der Präsident des Bayerischen Landtages Bauer bei. Der Staatsminister Si egerwald sprach über „die christlich-nationale Arbeiterschaft und die Lebensfragen des deutschen Volkes“, behandelte die Probleme der äußeren und inneren Politik in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht und forderte eine Aenderung des Versailler 7Friedens- vertrages, der ein unübersteiglihes Hindernis für die Pro- duktion der ganzen Welt sei. „Wo bleibt“, fragte der Redner,

Interessen; die Vertretung

unter stürmishem Beifall der Versammlung, „der flammende Protest }

der Oberhäupter aller christlihen Kirchen gegen diese bewußte Ver- neinung des Christentums ?“ Bei den innerpolitishen Fragen pra er entschieden gegen die Zershlagung Preußens, welche die Reichs- einbeit gefährde. In der Wirtschafts- und Finanzpolitik forderte der Redner strengste Sparsamkeit. In der Landwirtschaft müsse darauf hingewirkt werden, die Produktion zu heben und möglichst viel Menschen auf dem Lande festzuhalten. In sozialpolitischer Hinsicht müsse die feelishe Bewertung des Arbeitnehmers eine andere werden. Zum Wiederaufbau des Vaterlandes müßten im Sinne einer beharrlichen äußeren und inneren Politik die vaterländisch, hristlich, volkstümlich ‘und wahrhaft sozial denkenden Kreise aus allen Volksschichten zu- sammengefaßt werden, auh parlamentarish. Angesichts der Not- wendigkeit, das ganze öffentlihe Leben mit wahrhaft christlicchem Geiste zu durchdringen, sei für die christlihe Arbeiterbewegung das gegenwärtige vorrevolutionäre Parteisystem unerträglich. Der Sozialdemokratie fehlten die Vorbedingungen für die über- ragende Führung. Nötig fei eine einheitlihe und » politis geshlossene Ideengemeinschaft zwischen der gemäßigten Arbeiter- bewegung Deutschlands und allen übrigen Volksgenossen, die in gleichem Sinne am Wiederaufbau und an der Erneuerung Deutsch- lands arbeiten wollten : deutsch, christlich demokratish, sozial! Träger dieses Programms müßten die im deutschen Gewerkshaftsbund ver- einigten christlih-nationalen Arbeiter, Angestellten und Beamten werden. Eine starke christlic-nationale Volkspartei, die Zusammenfassung der politischen Kräfte im katholischen und evangeliscen Lager sei das Ge- bot der Stunde. Einstimmig angenommen wurden vier von dem Minister befürwortete Entschließungen: erstens auf grundlegende N e - vision des Versailler Friedensvertrages, zweitens gegen die weitere Beseßung großer TeileDeutsc- lands, drittens gegen die Forderung auf Ablieferung von 810 000 M ilcchküben, viertens auf Schaffung eines parla - mentarisGen Komitees, einer eigenen Tage8zeitung der christliß-nationalen Bewegung und einer V olksbank, welche die wirtschaftli®en Kräfte der christlih-nationalen Arbeiter, An- gestellten und Beamten und der ibnen nabestehenden Kreise bei dem Wiederaufbau Deutschlands einheitlih zur Geltung bringen soll.

Qu den deutsch{chfeindlichenKundgebungen undden Ausschreitungen gegen Deutfche in Prag und Deutsch{böhmen liegen heute folgende Meldungen des „W, S. M,/: vor:

Zittau, 21. November. Wie aus Neichenberg gemeldet wird, baben der akademishe Senat und die Vertreter der Studenten- schaft der Universität Prag aegen die Stimme eines Senators infolge der leßten Vorgänge in Prag die Verlegung der Prager deutschen Hochschule nach Deutshböhmen beschlossen und Reichenberg dafür in Ausfiht genommen. Dort haben si bereits viele vertriebene Prager Studenten eingefunden, die heute vor- mittag eine öffenilihe Versammlung abhielten.

Wien, 21. November. Im Laufe der gestrigen Ginspruchs- versammlungen gegen die Gewalttaten der Ts\chechen in Prag und Deutshböhmen gaben fast fämtliche Nedner der Hoffnung auf einen baldigen Ans{luß an das Deutsche Neich Ausdruck. Der Abgeordnete Kallina (Karlsbad) erklärte, die Deutschen würden in der Tschelbo-Slowaket in ihrer Abwehr vor feinem Opfer zurückschrecken, denn das Hauptziel der Deutschen in der Tschechoslowakei sei die Freiheit und die Vereinigung mit dem großdeutschen Volksftamme. Der Abgeordnete Dr. Prunar führte u. a. aus: „Veber der Treue zum Staat steht die Treue zum angestammten Volkstum. Wir wollen ein gesichertes Volkstum. Die Tschechen machen es den Deutschen im ts{echis{chen Staate unmöglih, am Staate mitzuarbeiten.“ In einer unter leb- haftem Beifall einstimmig angenommenen Entschließung heißt es: „Wir vertrauen fester denn je auf die Vereinigung des ganzen deutschen Volkes. Es wird seine losgerissenen Brüder und Schwestern nicht preisgeben.“ Einer Abordnung der Kundgebungon erklärte der Polizeipräsident, er werde in Zukunft t\chechische Veranstaltungen solange in Wien verbieten, als die Mißhandlungen der Deutschen in der Tschecho- \lowakei andauern.

Salzburg, 21. November. Die Großdeutsche und die Mehr- heits sozialistishe. Partei veranstalteten heute im Verein mit dem Hilfsaus\{huß der Sudetendeutsben eine von der deutschen Bevölke- rung ohne Ünterschied der Partei besuhte Massenversamm- lung, die sih zu einer eindrucksvollen Kundgebung der Sympathie und Sokdarität mit den Deutschböhmen, für das Selb st- bestimmungs8recht der Deutshen Oesterreißs und für den Anschluß gestaltete.

Brünn, 20. November. (W. T. B.) Das Deutsche Haus in Brünn, das während der leßten Kundgebungen von Studenten und Legionären beschlagnahmt worden wär, wurde der Verwaltung des Deutsen Hauses wieder Furück- gegeben. Ein Verzeichnis der angerihteten Schäden ist aufgestellt.

i; De a0, 21. November. Das „Prager Tagblatt“ und die „Bobemia“ sind gestern wieder erschienen. Der Deutsche Parlamentarishe Verband und die sozialdemokratischen Ab- Vet und Senatoren haben vom Ministerpräsidenten ie Zusicherung erhalten, daß Vorkehrungen für das Wieder-

erscheinen der deutschen Blätter, für die Sicherung des Neuen Deutschen Theaters und die Räumung des Deutschen Hauses und der übrigen widerrechtlich be- \{lagnabmten Baulichkeiten getroffen worden seien. —- Ein Aufruf des Deutschen Parlamentarischen Ver- bandes stellt fest, daß unter den jetzigen Verhältnissen cine geord- nete Tagung der Volksvertretung undenkbar ist, und verlangt daher die Vertagung leider Häuser bis zur Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung, Schadloshaltuug der Betroffenen und Beseitigung der geseßwidrigen Zustände. Ein Aufruf des sozialdemokra- tishen Parteivorstands wendet sich gegen den Chaubvi- nismus auf beiden Seiten, warnt vor wirts{aftlicher und politischer Reaktion und stellt fest, daß die Massen des ts{echischen Proletariats der nationalen Heze in Prag fernstchen. Der Ausschuß der deutschen Studenten in Prag e nfolge

@ein Zweck und Ziel ist Wahrnehmung der den rist.

der Ereignisse der leßten Woche -ckin Teil der deutsWen Studenten Prag verlassen mußte, die übrigen aber entschlossen seien, ih bis zum leßten Augenbli& in Prag zu_ halten. Immerhin sei ‘an ein längeres Verbleiben der - deutshen Hochschule in Prag nicht zu denken. Nach einer Meldung der „Bohemia“ aus A\ch hat die Stadtvertretung für die t\chechischen Legionären zum Opfer gefallenen Deutsch: böhmen eine viertägige Trauer angeordnet. ;

- Prag, 22. November. Der* Aus\s{huß der Mitglieder- \chaft des T\shechishen Nationaltheatérs in Prag faßte gemeinsam mit Vertretern der t \chechiscchen Mitglieder des Neuen Deutschen Theaters in Prag sowie Vertretern der Legionäre den Beschluß, die tshechi{hé Deffentlihkeit auf- zufordern, „die Aufführungen im Neuen Deutschen Theater nicht zu hindern.

IFnnsbruck, 21. November. (W. T. B.) Am heutigen Hauptfesttag des Landesschießens der Tiroler Heimatwehren zogen die Shüßengilden unter klingendem Spiel zur Wiltener Pfarrkirhe, wo der Abt die seierlihe Einsegnung der Standarten der Heimatwehren vornahm. Zur Feier waren aus allen Teilen des Landes Vertreter erschienen.

Paris, 21. November. (W. T. B.) Am beutigen Toten - sonntag legte der deutshe Botschafter Dr. Mayer am Den fk- mal .für-die auf dem Friedhofe Bagneux in der Pariser Vorstadt Montrouge G ALeN deutshen Soldaten einen Kranz nieder. Dr. ayer hielt dabei an die ver-

sammelten Mitglieder der deutschen Botschaft, det deutshen Friedens- |

delegation und der übrigen deutschen Missionen folgende A n- sprache: „Ueber eine Million deutshe Soldaten liegen auf französishem Boden Unermeßlich i die Zahl der Mütter und Witwen, y fallenen, die heute in der Heimat in ihren Gedanken und Gebeten an den Gräbern threr Lieben weilen. Mit ihnen gedenkt das ganze deutsche Volk in Trauer und Ehrfurcht seiner für das Vaterland ge- fallenen Söhne. Zur Ehrung des Andenkens an alle die Treuen,, die an der Front, in Hospitälern oder in Gefangenschaft ihr Leben für ihr Vaterland dahingegeben und nun in französisher Erde thr Heldengrab gefunden haben, lege ih namens der Reichs- regierung und der deutshen Heimat diesen Kranz nieder. Das deutsche Volk wird auch in Unglück Und Not seine Helden und ihre Taten nie vergessen; es neigt sich in unaussprech- licher Dankbarkeit und Bewunderung vor ihrem Andenken, das ihm ein heiliges Vermächtnis bleiben wird immerdar“. Für dic deutshen Mütter und Frauen legte die Gemahlin des Botschafters einen Kranz nieder, für die deutsche Friedensdelegation der Gesandte von Mutius

begraben.

Merten, 91. November. (W. T. B.) Aus einem Teile des Departements werden Erdershütterungen gemeldet.

Aeronautishes Observatorium. Lindenberg, Kr. Beeskow. 20. November 1920. Drachenaufstieg von a bis 6} a.

Relative Wind Temperatur C9 Feuchtig- Geswind. feit |Rihtung| chw oben | unten 0%

Secehöhe | Luftdruck

mm

Sekund.- __ Meter

9

19 9

14

20

1%, bedeckt. Reif. Sichtweite 10 km,

| omman Ï

21. November 1920. Dratenaukfstieg von 8 3 bis 9 a.

Relative Wind Feuhtig- Ges{wintd,

oben unten T Nichtung| Sefund.-

4,8 96 OzN 90 | OzN 24 24 24 25 27 32

Seehöhe| Luftdruck Temperatur

m mm

122 766.4 520 730 740 T11 1600 637 1750 629 2410 579 2530 967 3610 495

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N IDORD 00 03 M

Halb bezogen.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.) I

Theater.

Dpernhaus. (Unter den Linden.) Dienstag: 208, Dauer- Lee NUN Die Meistersinger von Nürnberg. Anfang D T.

Mittwoch: Bohême. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Dienstag: Karten- reservesay 120. Peer Gynt. Anfang 6+ Uhr. Mittwoch: König Richard der Dritte. Anfang 7 Uhr.

Familiennachrichten.

Gestorben: Hr. Kammergerichtsrat, Geheimer Justizrat Dr. Georg Richard (Berlin). Hr. Generalmajor z. D. Otto O e (Nordhausen). Hr. Kommerzienrat Hermann Putsch Hagen i. W.). Hr. Frhr. Carl von Merck (Hamburg). Hr. Rittmeister a. D. Bodo Hans. Friedrih Thiko Frhr. von Maltzahn (Kemniß bei Neubrandenburg). Frau Matie Gans Edle Herrin zu Putlitz, geb. von Flotow (Berlin).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyr ol, Charlottenburg. Vetankworälis) für den Anzeigenteil : Der Vorsteher der Geschäftsstelle echbnungsrat Mengering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.

Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, : Berlin, Wilhelmstr. 32.

_ Vier Beilagen \ (einshließlich Börsenbeilage.) und Ersie, Zweite, Dritte und Vierte Zentral-Handelsregister-Beilage.

der Kinder und Geschwister der Ge- |

Erste Beilage

zum Deutschen ReichSanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Ir. 265.

Berlin, Montag, den 22. November

1920

Nichtamtliches.

(Fortseßung aus dem Hauptblatt.)

Deutscher Reichstag. 30. Sizung vom 19. November 1920. i Nachtrag.

…_ Die Rede, die bei der ersten Lesung des Entwurfs n tatt O bes An E L u! er Reichaminister des Innern Ko ehalten hat, hatte folgenden Wortlaut: ; E Reichsminister des Innern K o ch : Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kahl hat mit dem Tone ciner leisen Nüge gesagt, daß sih der Entwurf in seiner Begründung mit der Vorgeschichte dieses Geseßentwurfs zu wenig beschäftige. Jch glaube, daß der Herr Ab- geordnete Kahl das in aller Gründlichkeit und Ruhe nachgeholt hat, und daß Herr Abgeordneter Kahl ebenso wie die übrigen Herren, die

an dieser ganzen Vorgeschichte viel mehr Anteil gehabt haben als ih |

=— denn ih war während der wesentlichen Vorgänge noch nicht

Minister —, ein viel besseres Bild davon geben können als ic, zumal

die vielfalen Verhandlungen, die über diese Frage hin- und her- gelaufen sind, selten einen aktenmäßigen Niedershlag gefunden haben. MWeun der Herr Abgeordnete Kahl aber geglaubt hat, ih hätte am Z. Oktober 1919 es war der zweite Tag, nahdem ih Reichsminister geworden war mir erlaubt, eine gewisse Ungnade über ihn aus- zuschütten, so ist Herr Abgeordneter Kahl in dieser Richtung dur{zus im Jrrtum. Der Herr Abgeordnete Kahl erinnert si vielleiht nicht mehr,@daß ih gerade damals betont habe, daß die Art dieses Vorgehens, nämlich olne einen eigentlihen Regierungseniwurf zu verhandeln, an sich ein parlamentarisch unerwünshter Vorgang sei, und daß ih ledig-

lih mit Rücksicht auf die Versprehungen, die nah dieser Richtung |

hin von meinem Vorgänger abgegeben worden seien, daran festhielte. gemäßen Verhandlung dieser Frage durchaus keinen Abbruch getan hat,

Entwurf hervorgetreten ist. Jch glaube deswegen, daß das Verfahren, das ih geübt habe, einer Kritik standhalten kann.

Kahl in wesentlichen Punkten zustimmen. Jh kann namentlih auh seitens der Regierung eine Prüfung zusagen, ob e3 sih eiwa empfiehlt, den Entwurf näher an das Reichsverwaltungsgericht anstatt an das NReichsgericht angugliedern. Die Gründe, aus denen wir hier das Reichsgevicht in den Vordergrund gestellt haben, liegen ja wesentlich

gœtreten ist, und daß es bei der ungeheuerlihen Ueberlastunag, die die Verfassung8abteilung meines Ministeriums erleidet, niht mit Sicher- heit vorauszusagen ist, wann ih diesen Entwurf Ihnen vorlegen kann. Meine Damen und Herren! Das ist ein eigenartiges Kapitel. Es wird über die zu vielen Geseße geklagt, die von der Regierung vorgelegt werden; aber wir schen bei jeder Verhandlung, daß, wenn die Regierung zu irgendeiner Zeit niht alsbald dazu kommt, einen erwarteten Geseßeniwurf vorzulegen, dann eine Lüdke zu entstehen pflegt und aus dem Parlamente der Ruf nah bes{chleunigter Vor- legung eines solhen Geseßes hervortritt. Jh werde versuchen, das Gesebß sobald wie möglih vorzulegen und damit den Wünschen des Hexrn Kahl und wohl eines großen Teiles des Hauses zu entsprechen.

Dagegen geben mir die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Graef in ihrer Gesamtheit keinerlei Veranlassung, darauf irgendwie einzugehen. Eine Stellungnahme zum Gesetze, die in irgendeiner Weise tiefer geshürft hätte, habe ih in diesen Ausführungen niht gefunden, und wenn der Herr Abgeordnete Graef es für erforderli gehalten hat, bei dieser Gelegenheit über die Minister des neuen Negimes ganz allgemein abfällige Aeußerungen zu machen, so halte ih es unter meiner Würde, darauf mit einem Worte einzugehen. Nur das eine will ih sagen. Wenn gesagt wird, früher sei ein solcher Gesebentwurf niht nötig gewesen, so darf man darauf erwidern, daß in früherer Zeit selbs von den radikalsten Parteien in einer solhen alle Autorität erschütternden Weise hier von der Tribüne des Hauses zu Ministern niht gesprohen worden ist, wie es zum Beispiel Herr Abgeordneter Graef heute für zweckdienlih gehalten hat. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten.)

Der Herr Abgeordnete Radbruch hat an meinem Entwurf vor allen Dingen bemängelt, daß er die Frage der Kriegsschuldigen außer aht läßt. Meine Herren, ih glaube in der Tat, daß, wie die Dinge gelaufen sind, es im Interesse der Regierung, des Parlaments und des Volkes liegt, daß wir niht noch einmal zu strafgerichtlichen Ver- handlungen über die Kriegsshuld kommen. Jh bin der Ansicht, daß der Untersuchungsausshuß seinerzeit gebildet worden ist, um diefe Verhältnisse zu prüfen, und daß der Untersuhungsaussuß, der ja eine Einrichtung des Parlaments ist, seinerseits auf diesem Gebiete so arbeiten muß, wie er es für richtig hält. Daß aber hinter die Verhandlungen des Untersuchungsausshusses nun eiwa noch ein staatsgerichtlihes Verfahren geseßt werden sollte, hat um jo weniger Zweck, als Herr Radbruch selbst darauf hingewiesen hat, daß ein solches Verfahren mit irgendeiner Bestrafung oder au nur mit einer Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung eines Amtes oder zur Ausübung eines Berufs und dergleichen niht enden könnte. Ich frage mi also, was ein solhes Verfahren hinter eiwaigen Ver- handlungen des Untersuhungsaus\husses noch für einen Zweck haben kann, wenn eine wirklihe Bestrafung damit nicht verbunden ist. Ich bin der Ansicht, daß unser ‘Volk der Verhandlungen über die Frage der Kriegs\huld, namentlich wenn sie in einer strafretlich zugespißten Weise vor sich gehen, müde ist, und daß feine Ver- anlassung vorliegt, durch ein besonderes gerichtliches Verfahren diese Verhandlungen in der Form strafrehtlicher Verhandlungen wieder aufzunehmen.

Wenn der Herr Abgeordnete Radbruch aber weiter geglaubt hat, au in Zukunft sei es Pflicht und Schuldigkeit, jeden, der sich im Staate irgendwie verginge, der irgendwie seinen Pflichten niht nah- Fäme, vor den Staatsgerichtshof zu ziehen, so bin ih als überzeugter Anhänger des parlamentarischen Systems genau der entgegengeseßten

Ansicht. Nach meiner Ansicht übernimmt die Verantwortung für ein derartiges Vergeben für jeden Beamten, füc jede untergeordnete Stelle der Minister, und es ist Aufgabe des Parlaments, den Minister zur Verantwortung zu ziehen, wie es dieser Entwurf vorsieht, niht aber jeden einzelnen Beamten, gegen den die Regierung ihrerseits vorzu- gehen verpflichtet ist, sei es, disziplinarish, sei es kriminell oder wie sonst. Wir würden zu einer vollkommenen Verwirrung unserer par- lamentarishen Verantwortlichkeit kommen, wenn wir etwa anstatt des Ministers einen Staatssekretär, einen Oberpräsidenten oder wen irgendwie sonst zur Verantwortung vor den Staatsgerichtshof ziehen würden. Jh habe mih deshalb in dem Entwurf absihtlih und grundsäßlih darauf beschränkt, die Ministerverantwortlichkeit ebenso wie natürli die des NReichspräsidenten festzustellen.

Daß in dem Entwurf der Nichter, und zwar der Berufsvichter, als wesentlihe Stüße und Säule des Verfahrens vorgesehen ijt, wird, wie ich glaube, der Ueberzeugung der überwiegenden Weehrheit unseres Volkes entsprechen, die niht wünscht, daß solhe Verhand- lungen der nötigen Rechtsgarantien und der nötigen richterlichen Objektivität entbehren. Wenn hier gesagt worden ist, daß nicht jeder Nichter fleishgewordene Gerechtigkeit ist, so ist das cine Selkst- verständlihkeit in einer unvollkommenen Welt. Der Ersaß des Richters aber dur irgendeine andere Persönlichkeit würde, wie mir scheint, keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung mit sich bringen.

Der Entwurf, meine Damen und Herren, ist deswegen heute dringend, weil die Notwendigkeit, einen Staatsgerihtshof für Urf- gelegenheiten unseres öffentlichen Lebens zu besißen, auf manchen Ge- bieten hervorgetreten is. Ich denke dabei niht an die Vtinister- verantwortlichkeit, bezüglih welcher der Entwurf im Augenblick wohl nit brennend erscheint. Jh denke aber an Verfassungsstreitigkeiten, wie sie auf Grund des Art. 19 in verschiedenen Ländern vor- gekommen sind und einer Entscheidung des Staatsgericht8hofs drin-

4 evan abér glaube S, þ i: 6 : | gend bedürfen. Ich denke an die Ausführung des Art. 18 wegen Im übrigen aber glaube i, daß es der ruhigen, kaltblütigen und sach | Neugliederung des Reichs, namentlih auch mit Nücksicht auf den

/ Ihnen vor wenigen Tagen zugegangenen Geseßentwurf für Ober-

wenn die Regierung erst t t i it ei | T H g erst heute anstatt vor einem Jahre mit einem | \{lesien, wo ausdrüdcklih eine Auseinanderseßung durch den Staats-

gerihtshof in vermögensrechtliher Beziehung vorgesehen ist, und

Jm übrigen kann ih den Ausführungen des Herrn Abgeordneten ! \chließlih drängt mih auch der Herr Verkehrsminister zur Errichtung

des Staatsgerichtshofs mit Nülsicht auf die Uebernahme der Wasser-

| straßen auf das Reich, die, vielleicht, im Wege der Verhandlungen

zwischen Neich und Ländern nicht glatt zustande kommen werde. Sie sehen, es ist eine Reihe solher mehr wirtschaftlicher Fragen

! oder folher Fragen der sachlichen politishen Auseinandersebung, die

darin, daß das Reichsverwaltungsgeriht heute noch niht in Kraft | zur Errichtung dieses Staat3gerihtshofs drängen, und darin sehe ih

seinen Hauptwert. Nachdem die Verhältnisse in Deutschland, wie ih hoffe, eine gewisse Beruhigung erfahren haben, soll ein Staats- gerichtshof errihtet werden, der niht ein Werkzeug der politischen Leidenschaft ist, sondern einen Baustein für den vernunftmäßigen und gesicherten Aufbau unsever Repubbik bildet. (Bravo bei den Deutschen Demokraten.)

31. Sißung vom 20. November, Vormittags 10 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *).)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung des Gesezentwurfes zur beshleunigten Er- hebungdesReichsnotopfers und der Kriegs- abgabe vom Vermögenszuwachs. Auf Antrag Dr. Rießer (D. Vp.) wird der Geseßentwurf ohne Erörterung dem Steuerausschuß überwiejen.

Es folgt die Jnterpellation der Abgg. Müller (Sieañlen) und Gen. (Soz.):

„Ist die Reichsregierung bereit, zu erklären, wann sie den hon wiederholt und besonders eindringlih nach dem Abkommen von Spaa zugesagten Gesebßentwurf über die Sozialisierang des Soulenbtrabanes vorlegen wird, und zwar einen Entwurf, der sich niht etwa auf eine Gewinn-, Kapitals- oder Grtragsbeteiligung der Arbeiter beschränken, vielmehr die Voll» sozialisierung der Kohlenförderung und der Kohlenverteilung durhführen wird?“

Zur Begründung der Jnterpellation nimmt das Wort

Abg. Löffler (Soz.): Der Arbeit8minister Dr. Brauns erklärte am 5. August von dieser Stelle, daß die Reichs- regierung von heute der Frage der Sozialisierung nicht aus dem Wege gehe. Dann bemerkte er: „Jh bin ermächtigt, zu erflären, daß die Reichsregierung auf dem Beschluß des Reichswirtschaftsrats vom 24. Juli steht. Sie hat den MNeichs- wirtschaftsminister beauftragt, unverzüglich die E der Angelegenheit zu betreiben, sobald der Bericht ber Sozialisierungs- kommission vorliegt.“ Dann hat das Reichskabinett am 22. Sep- tember einen Beschluß gefaßt, der amtlich dahin bekfannt- gegeben wurde, daß das Kabinett einstimmig be chlossen hat, den Reichss wirtschaftsminister zu beauftragen, auf der Grundlage des nun vor» liegenden Berichtes der Sozialisierungskommission umgehend einen Gesebentwurf über Sozialisierung. des Bergbaues vorzulegen, Schließ- lich hat der MReichsshaßminister v. Raumer im Reichswirt- shaftsrat am 18. Oktober erklärt, daß das Kabinett auch heute noch

eshlossen auf dem Boden der Erklärung vom 5. August und des

eshlusses vom 22. September stehe. Daraus ist ersihtlih, daß die Regierung eine klare und bündige Erklärung abgegeben hat, wenn fie sich auch nicht auf eine der vorliegenden Gutachten der Soziali- sterungskommission Fee ‘hat. Aber die Vorlegung eines Sozialisierungsgeseßes ist bestimmt und unzweideutig in Durs gestellt worden. Seitdem ist in allen Regierungswipfeln Ruh. Dar 9 deshalb fragen, auf welchem Standpunkt steht das Kabinett? Hat L die Regierung etwa bei der Abgabe ihrer Erklärungen die Cchternahshz Springprozession zum Vorbild genommen, einen Schritt vor- wärts, zwei Schritte zurü? Die Gegner sozialistisher Wirt- haftsformen haben sich inzwishen mächtig gerührt. Will die Regierung vor thnen zurückweichen? Auf diese Frage muß klipp und klar eine Antwort erfolgen. Um was handelt es sich? Es handelt ih darum, ob der Bergbau lediglich privatkapitalistischen Interessen oder dem Volksganzen dienen soll. Es handelt sich darum, ob mit der Verleihung zur Ausbeutung auch das Eigentumsret verlichen worden sei. Dieser Zus muß mit aller Schärfe entgegengetreten werden. (Sehr richtig! bei den 2 Bis zum Jahre 1860 bestand in Preußen, dessen Berggeseßgebung anderen Ländern zum Vorbild diente, das Direktionsprinzip. Die

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s Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben werden. f N :

anze LÆitung des Bergbaues war Sache der Staatsorgane. Die

âter und Großväter der heutigen Grubenbesißer haben hiergegen natürlih im Interesse der Ausbeutungsfreiheit heftig protestiert. Der westfälische Industrielle Harkort schrieb einmal, a man si in einer Zeit befände, wo im Sturm die alten Formen zu ammenbrechen und eine großartige Anstrengung der Nation zur Erhaltung des Ganzen einzuseßen hat. In solchen Zeiten befinden wir uns auch jeßt. (Sehr rihtig! bei den Soz.). “Damals soUten die Interessen der Landes- herren vor den Interessen der Bergwerksbesißer zurückstehen, heute sollen die Sonderinteressen der kapitalistishen Gewinnstreber aus- scheiden. Ein shlesisher Arzt hat seinerzeit gegen das Direktions- prinzip eingewendet, daß mit dessen Aufhebung das goldene E da wäre. Er meinte aber nur das goldene Zeitalter der rubens- besißer und nit der gesamten Menschheit. In den Müärztagen 1848 befanden sich unter den Vorkämpfern einer radikalen Umgestaltung der Dinge sehr viele Grubengewerke. Der konstituierende preußische Landtag hatte sih bereits im August 1848 mit einem Antrag Harkort ju befassen, der verlangte, daß vor allem die Besteuerung der Aus- eute bis auf 5 % des MNeinertrages freigegeben werde. Ver Antrag war durchaus nit PelGe n. Insgesamt kamen damals 8 000 Taler ein, eine für 1847 recht große Summe, bei der damaligen Pro- duktion. Aus dieser hohen Summe, die der Staat erhielt, ift klar zu entnehmen, daß der Staat das Eigeniumsrecht über die Schäße der Erde in der Gewalt hatte. Damals wurde dem Verlangen ¿war nicht entsprochen, aber die Regierung gab die Erflärung ab, daß sie demnächst einen Gesetzentwurf vorzulegen gedenke, der ANEA ae Bergbaufreiheit entgegenkomme. Der Kampf um die staatliche Gebundenheit wurde durch die Annahme eines Gesetzentwurfs vom 12. Mai 1851 beendet, wodurch die Verwaltungs» redte den Privaten übertragen wurden. Immer mehr rang ih dann in der Zeit des, Manchestertums die Auffassung durch, daß das freie Walten der Kräfte das Allheilmittel für die sozialen Nöte set. 1861 wurde dann das Donn aufgehoben, und damit begann die Zeit, wo aus dem einst hochgeahteten und mit besonderen Vor- rechten ausgestatteten Bergknappen ein \{werarbetiender Proletarier wurde, der bittere Kämpfe um den sozialen Aufstieg und die organt- satorishe Anerkennung zu führen hatte. Mit ihrem Verlangen der vollen Ausbeutungsfreiheit hatten die Grubenbesißer 1865 endl Grfolg. Das damals geschaffene Berggeseß gilt in feinen Grund- zügen noch heute. Aber daran ist festzuhalten, daß es ein Cigen- tumsreht an den Bergshäßen nicht zugestand, was von den Werks- juristen nachzuweisen versucht wurde. Dieser Gesichtspunkt muß im Vordergrund des Sozialisierungsgesebes stehen: Ein privates Eigen- tumsredht an den ershleossenen oder unershlossenen Adern der Erd- häße besteht niht. Sie gehören zum Besiß des Sitiaates, der politishen und wirtschaftlichen Zusammensassung des ge- samten Volkes. Nachdem die Grubenindustriellen die Bergbaufreiheit erlangt hatten, erschien ihnen die dadurch eingetretene Produktions» steigerung alsbald gefährlih, und fie schritten dazu, diese Freiheit einzuschränken, um den Wirkungen der Ueberproduktion, die sie 1m fapitalistishen Interesse als üble empfanden, baldigst ein Endo zu machen. Es kam 1893 zur Bildung des Kohlensyndikats, der Ver- faufsvereinigung der Bergindustriellen von Rheinland und Westfalen und damit wurde im _politishen Staate ein Wirishaft8monopo Privater geschaffen. Der Handélsminister Möller hat selbst ¿u- gegeben, wendge Gruppen von Großkapitalisten fi des Kohlenbesißes bemächtigt hätten, den der Staat für die Allgemein- heit zu vergeben habe. Auch der konservative Nationalökonom Pro- fessor Adolf Wagner vertrat die Auffassung, daß ein solches Privat- monopol gemeins{chädlich und durch ein Staatsmonopol zu erseßen sei. Ganz ähnlich äußerte sih 1900, als die Kohlenpreise scharf angezogen hatten, die „Deutsche Tageszeitung", die ebenfalls die Verstaat- lichung aller Kohlenbergwerke forderte. Der Versuch, den der Reichs foblenrat und der NReichswirtschaftsrat gemacht baben, in einer ge- meinsamen Kommission zu einem Vorschlag zu aelangen, auf den ich alle Teile vereinigen könnten, ift aeseitert. Die Konzentration der Wirtschaftszweige in vertikaler Richtung, wie sie vorgeschlagen worden ist, ist ein vom privatkapitalistishen Standpunkte aus wahrhaft groß- artiger Gedanke, er würde aber in der Praris zur Begründung anes Wirtstkafts\taates im politishen Staate führen, der für die Einheit Deutschlands zu einer Gefahr werden müßte. Der Gedanke muß nicht nur von der Arbeiterschaft, sondern auch von den Koblen ver- brauchenden Industrien abgelehnt werden. Noch s{limmer ist die Ferm, unter der man dem Sozialisierungsgedanken entgegenkommen will; es wird chlagen, die Arbeiter und Beamten des Kohlen- bergbaues durh die Ausgabe von Kleinaktien an de: Kapital- aufbringung und am Gewinne zu beteiligen, und die Beteiligung oer Allgemeinheit soll auf dem Wege der Besteuerung realisiert werden. Das ist bloß eine SMLULRRENe S die zur Bildung eines Berufs fapitalismus führen würde, der niht nur tiber Leichen, sondern über das gesamte Volkswohl himwvegschreiten könnte. Es ist nit der Zweck der Sozialisierung, größere Teile des Volkes mit privatkapitalisti- schen Ideen zu infizieren. Vielleiht mögen 5 Prozent der rheinish- westfälischen Bergleute, frühere Gelbe, jest Kommunisten, dafür zu haben sein, 95 Prozent der Bergleute verzichten darauf, sie verlangen die Ueberführung der Erdshäße in den Besiß der Volksgesamtheit, das ist es, was sie unter Sozialisierung verstehen. Würden die Bevg- arbeiter in ihren Erwartungen getäuscht, so sind die Folgen gar nit abzusehen. (Zuruf des Abg. Wimnefeld.) Herr Winnefeld, Ste sind nicht autorisiert, über den nken der Sogzialisierung_ F \spreten. Sie sien in der Deutschen Volkspartei; der christliche Gewerkverein hat Ihnen jede Autorität abgesprochen und Sie sind ein Eingänger genannt worden. Die Soztalisierung kann nur im organischen Aufbau erfolgen, sie darf nicht einhergehen mit einer Einschränkung der Produktivität. Die Regierung muß nunmehr aus ihrem Versteck hervortreten und Farbe bekennen, ein längeres mern wäre unerträglih. Hic rhodus, hic salta! (Beifall bei den

taldemokraten.)

Neichêwirishaftsminister Dr. Scholz: Meine Damen und Herren! Auf die, wie ich anerkennen will, außerordentlich maßvolie und sachlide Begründung der Interpellation habe ih namens der Reichöregierung folgendes zu erklären.

Die Reichsregierung wird gemäß den Erklärungen des Herrn Reichskanzlers vom 27. Oktober d. J. einen Geseßentwurf über die gemeinwirtschaftlihe Regelung des Kohlenbergbaues mit größtmöglicher Beschleunigung den geseßgebenden Körperschaften vorlegen. Jm gegen- wärtigen Augenblick sind die Beratungen der berufenen Sach- verständigen des vorläufigen Reichsroirtschaftsrats und des ReiŸs8- Fchlenrats über die Grundlagen dieses Entwurfs noch nicht abge- \{lossen. Vielmehr ist, wie bekannt, in den leßten Tagen die ursprüng- lich nur aus Vertretern des Kohlenbergbaues bestehende Ver- ständigungskommission durch weitere Sachverständige der anderen großen Betrufsgruppen ergänzt worden, um endgültig eine gemeinsame Grundlage für diese entsheidende Frage der Neuordnung unseres Wirt« schaftslebens zu finden. Die Kommission beabsichtigt, ihre Verhand- lungen am 1. Dezember dieses Jahres aufzunehmen. Solange die berufenen Sacverständigenvertretungen noch in aussihtsreichen Ver- handlungen über einheitlihe, aus gemeinsamer Verständigung hbervor- gegangene Nichtlinien beraten, denen angesihts der Bedeutung der zu lösenden Aufgabe die größte Wichtigkeit beigemessen werden muß, wäre

es eine nicht genügende Beachtung des Gedankens fahmännischer Mit-