1898 / 296 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Dec 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

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Doppelzentner

Am vorigèn Außerdem wurden arkttage am Markttage i (Spalte 1) ‘nah übers{chläglicer Schäßung verkauft Doppelzentner (Prets unbekannt)

Durchschnitts- Verkaufs, | preis

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O e L —— a Q i A 13,00 Stettin . j 13,00 Greifenhagen —-

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11,60 1200

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Neuß Dinkelsbühl Schweinfurt Giengen .

Bieberah Ueberlingen . Rosto i d ¿ E aa N Braunschweig . ; Altenburg 13,80 Breslau . 11,50

14,590 13,50 13,40 14,00 12,67 13,25 13,80

13,40 12,60 12,00 13,70

Die verkaufte Erik wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt.

Ein liegender Stri

12,00 11,60 11,40 14,80 13,50 13,40 14,50 13,00 13,50 13,80

13,60 19,60

13,40 13,70

13,80 11/80 |

Noch: Hafer. 13,40 14,00 13,50 12,00 12,50 12,60 12,40 12,40

12,80 12,00 13,20 12,20 12,20 12,70

11,80 15,10 15,00 13,80 15,10 13,33 14,00 14,00 13,40 12,40 14,20

13,20 14,40 15,60 13,00 12,60 14 90

13,00 13,20

13,40 14,00 14.00 12,30 12,90 12,80 12,40 12,40

13,00 12,00 13,40 12,30 12,40 12,70 12,00 15,40 15,00 13,80 16,00 13,67 15,00 14,40 13,80 13,40 14,40

14,40 14/60 15,60 13,00 12,80 14.90 15,00 12,70

13,50 13/40

13,50 13/30

12,40 12.00

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12,40 12,00

11,00 12,60 11/80 12,80 11,90 12,00 12,49 12,00 11,50 14,80 14.00 13,60 14,60 13,00 13,50

11,60 12/00

12,60 11,60 12,60 11,80 12,00

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14,50 14,10 15,00 12,30 12,50 Bemerkungen.

14,50 14,10 12,00

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40 13,24 1 008 13,20 -

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1 121 12,80 78 12,20 146 12,30 113 11,47 872 12,87 423 11,90 1 038 13,00 342 12,20 920 2 12,00

8 160 13,60

632 13,20 870 14,50 6 845 14,17 1158 13,60 153 12,75 1737 13,80

9 516 13,75 6 610 13,86

10 959 13,00

13,20

13,17 14,50 14,33 13,77 12,85 13,95

13,60 13/85

12,84

d s Der D —) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis niht vorgekommen ift, A Pat ( . ) in den leßten fechs

preis wird aus den unabgerundeten p berechnet. palten, daß entsprehender Bericht fehlt,

Deutscher Reichstag. 5. Sißung vom 14. Dezember 1898, 1 Uhr.

Tagesordnung: Fortsezung der ersten Berathung des Reichshaushalts-Etats und des Etats der Schug- gebiete für 1899, sowie des Anleihe- und des Schulden- tilgungsgeseßes.

Abg. von Kardorff (Rp.): Die gestrige Rede bes Abg. von Vollmar bewegte siv tm Großen und Ganzen in demselben Gleise, wie wir es von der sozialdemokralischen Partei gewohnt sind, wenn sie es für an der Zeit erachtet, verbältnißmäßig milde Saiten auf- zuziehen. Was er über den Militär-Etat, den zunehmenden Mili- tarismus, über die Finanzen des Reichs, die Anleihen ch2. vorgebracht hat, war ganz dasselbe, was wir font von anderen Nednern feiner Partei, namentli von dem Abg. Bebel, gehört habea. . Wenn er meinte, daß das Neich mit Schulden überlastet werde, so möchte ih doch darauf aufmerksam machen, daß Deutschland ungefähr nur den vierten his fünften Theil derjenigen Schulden besißt, welhe Frank- rei hat. Die Schulden des Reihs und der Bundesstaaten zu- sammengerechnet betragen 6 bis 62 Milliarden, die Frankreichs 30 Milliarden. Der deutshe Export is dem französischen bedeutend überlegen, unfere Kauffahrteiflotte if sehr viel stärker, und unter folchen Umständen braucht man nicht sehr besorgt zu fein, wenn wir Jeßt wirklid ein paar Millionen Schulden machen sollten, und die Gefahr, daß dadur etroa neue Steuern nothwendig we: den follten, dheint mir nah den Ausführungen des Reihs-Schaßhsekretärs ür die nähsten Jahre in der That ausgeschlossen. Uehberrasht aben mich von Vollmar’'s Aeußerungen über die Kolonien; er theilt darin vollständig den Standpunkt des Abg. Richrer, welcher meinte, es wäre ain besten, wenn unsere Kolonien rerkauft würden. Auf demselben Standpunkt stand man einmal bezügli der deutschen Flotte, und wir haben ein gewisses Gefübl der Scham, wenn wir an diese Zeit zurückdenken. Es wird eine Zeit kommen, wo "man {ih wundern wird, wie ein so hervorragender Politiker wie der Abg Richter, so von | unseren Kolonien sprehen konnte. Die Foit- \{rittspartei ift darin außerordentli konservativ, sie bleibt immer bei ihrem alten Steckenpferd. Es is das ein Parteigeschrei, das vielleiht eine Zeit lang gezogen hat, heute aber niht mehr zieht. Die Herren dort (links) gehören zu denen, die nihts gelernt und nichts vergessen haben, Wenn der Abg. von Vollmar gemeint hat, die ganze zivilisierte Menschheit sei bérufen, gegen das aus- beutende Kapital zu kämpfen, so war das eine Redewendung, die wir von den Herren von der Soztaldemokratie {hon oft ehört haben. Wie weit die Sozialdemokratie berechtigt ist, diesen

riégéruf gegen das internationale Kapital zu erheben und von einer | Ausbeutung der produzierenden Klassen durch das internationale Kapital zu sprechen, das zu erörtern, behalte ih mir vor, wenn wir über die Verlängerung des Neichsbankprivilegs sprechen werden. Der Abg. von Vollmar sagte, die Junker in Oftelbien drängten ihre deutschen Arbeiter heraus in die Industriebezirke, um sih mit billigeren slaroishen Arbeitskräften zu versehen. Glaubt der Abg. von Volimar das wirkli selb? Wenn er es glaubt, fo verräth er damit nur eine grôteske Unwissenheit über die Verhältnisse in den östlihen Provinzen. Die Landwirthschaft leidet darunter, daß der Arbeiter dur die viel höheren Löhne in die Industriebezirke gelockt wird und wir Land- wirthe gezwungen sind, statt unserer ländlihea deutshen Arbeiter slawishe anzunehmen. Auf die oftelbishen Junker kommt es dabei am allerroenigften an; sie können \ich mit! den slawishen Arbekern behelfen. Die hohen Löhne der Industrie kann die Landwirthschaft nicht bezahlen. Dié Herren fordern immer billige Lebensmittel, die Landwirthschaft foll alles so billig wie möglich hergeben, aber ultra posse nemo obligatur, Man kann doch nit billiger ver- kaufen, als man produzieren kann. Die Produktion und Absatßverhältnisse sid fo, daß bet der hohen Steigerung der Löhne ‘au in der Landwirthschaft die Industrie reißt ja die Landwirthschaft immer mit fort nun eine Grenze eingetreten ift, wo wir nicht mehr * mitgehen können. Auf die ostelbishen Groß- Rd kommt es * dabei nit an, der leidende’ Theil ist die

auernshaft. die mit Gesinde arbeiten muß. Der Großgrundbesiger kann flawishe Arbeiter vertragen, da is immer ein Vorarbeiter auf dem Hofe oder ein Beamter vom Wirthschaftspersonal, der ih mit diefen Arbeitern verständigen kann, aber der deutshe Bauer kann sich mit dem polnishen Knecht niht verständigen, dieser versteht einfach! nit, was der deutshe Bauer von ihm will. Der Bauernstand [leidet also barunter, aber die Sozialdemokratie, besonders der Abg.

Schippel, hat es? f oft ausgesprochen, -daß ‘der Untergang unseres! Bauerrstandes ihr! Zweck ünd Ziel ist. Wenn álso Herr von: Vollmar! Be die ostelbishen Junker drängten ihre deutschen Leute in die ndustriebezirke, ‘um ‘billige polnishe Arbeiter! zu“ haben,!

so kann er das selbst nicht eine große Unwissenheit in den Auch gegen seine fernere Behauptung einlegen, daß nur die Ausstände zur Aufbesserung der Löhne in der Industrie beigetragen hätten. Von der Richtigkeit dieses Saytes kaun Herr voi Vollmar selbst nicht überzeugt sein. Angebot und Nachfrage sind doh das Erste, was die Löhne reguliert. Wenn die Produktion steigt, so steigen au die Löhne, weil jeder Arbeit- geber eine möglichs\t große Anzabl von Arbeitern heranzuziehen sucht. Das ist der Zustand, den wir gegenwärtig etleben. Jch erinnere ¿. B. daran, daß bei meinem verehrten Freunde, dem Freiherrn von Stumm niemals ein Ausstand gewesen ist, aber die Whne in diesem Revier und namentlih bei meinem Freunde genau ebenso ge- stiegen sind und vielleicht noch mehr wie in anderen Revieren. Wenn Herr von Vollmar glaubt, die Judustriellen thäten absolut nichts von felbst für die Arbeiterklasse, so kann er au das nit wirkli für richtig halten gegenüber dem, was geschieht. Erst neuerdinas hat ein Großindustrieller in Oberschlesien eine Stiftung von einer Million

verräth n des Ostens. muß ich Verwahrung

glauben, oder er Verhältnissen

Mak zu Gunflen der Arbeiter seiner Werke gemacht, eine Million |

auf einmal ! Da kann man nit sagen, daß erst dur Ausstände die Lage der Arbeiter verbessert werde. Wir roerden ein Gesetz erhalten, das die arbeitswilligen Arbeiter vor dem Terrorièmus der Ausständigen \{ügt. Ich hoffe, daß dieses absolut nothwendige Geseß im Neichötage nicht

allzusehr abgeschwächt wird und überhaupt zur Annahme gelangt. Aber |

es wäre ein großer Irrthum, zu glauben, daß damit allein das An- wachsen der Sozialdemokratie eine Aenderung erlitt:2. Dazu gehören

| immer noch folhe Bestimmungen, wie sie das zu meinem großen Be-

dauern aufgehobene Sozialistenge|cß gehabt hat, Bestimmungen gegen die Vergiftung der Nation durch die sozialdemokratishe Presse. Herr von Vollmar wies den aräßlihen Mord an der Kaiserin von Oefster- reich durch einen Anarchisten weit von sich, er verabscheute die Gewalt- thaten, aber es ift doch wunderbar, daß alle diese gewaltthätigen Morde an einzelnen Personen, wie zuin Beispiel der an dem Kaiser von Rußland, der die Leibeigenshaft aufgehoben hat, in einem fozial- demotratishen Kalender, wie er in Meckleuburg verbreitet if, als besondere Ruhmes- und Ebrendäten perzeihnet stehen. Daß die Sozialdemokratie troy des Sozialistengeseßes gewachfen ist, ist ja richrig, aber es verlohnt sich do, die Ziffern dieses Anwachsens sich zu vergegenwärtigen, um den Einfluß des Gesetzes zu erkennen. Fn der Legislaturperiode bis 1874 waren 124000 sozialdemokratische Stimmen abgegeben, 1874—1877 352 000, 1877—1878 493 000 Stimmen ; dann kam das" Sozialistengeseß; 1878—1881 waren es 473 000, 1881—18*#4 312 000, 1884—1887 allerdings wieder 550 000 Stimmen. Dieses Anwachsen war die nothwendige Folge der Aus-

eisungen der verschiedenen SozialistenfüHrer aus-den großen Industrie- zentren in die kleinen Städte. Ueberall dort haben si sozialistische Verde gebildet. Das war eine der unglücklihsten Bestimmungen des Sozialistengeseßes, und auf deren Konto seße ih das Anwachsen der Stimmen von 312 000 auf 550 090. In der Periode 1887/90 wareu es 736 000 Stimmen. Ja, da wußte man son, daß das Sozialisten- gefez aufgehoben werden würde. Das Anwachsen der Sozial- demokratie um 200000 Stimmen is ja s{ließlich niht s{hlimm; aber 1890/93 waren es 1427 000 Stimmen, 1893/98 waren es 1736 000 Stimmen und jeut find es über 2 Millionen. Wenn man sih übeclegt, daß diese Partei, welche über so viele Stimmen verfügt, eine Zwangsbesteuerung ihrer Mitglicder eingeführt hat, wie wir sie so hoh im Staate nicht haben, so muß diese Partei für ihre Agitation Summen zur Verfügung haben wie keine andere Partei auch nur annähernd. Wenn folchen Zuständen gegenüber die Nogierung hofft, mil dem Gesey zum Schuß der Arbeitswilligen dem Anwachsen der Sozialdèmokratie Einhalt zu gebieten, so ist das ein großer Irrthum. Ich wende mih nun zur auswärtigen Politik mit derjenigen Borsicht, woelhe der Graf Limburg gestern empfohlen hat. Was zunächst die Ausweisungen aus Nord)cleswtg betrifft, so verkennen die Herren, was es heißt, wenn in einem Landvestheile, der zu Deutschland gehört, sich eine Agitation fühlbar macht, welche darauf abzielt, diesen Landes- theil wieder von Deutschland loszureißea und wieder zu Dänemark zu bringen. Daß bet solhen Ausweisungen unter Umständen Härten vor- kommen, wer wollte das leugnen? Ich habe mi aber gewundert, daß die Regierung von der Ausweisungsbefugniß do einen sehr spar- famen Gebrauch. gemacht hat. So konnte z. B. in einem sozialistischen Blatt ein Ausländer, der scine Artikel mit „Parvus“ unterzeicnet, gegen Staat und* staatlihe Ordnung unbehindert Artikel veröffentlichen, ohne daß er ausgewiesen wurde, während der Korrespondent eines konservativen Blattes in Paris kurzer Hand aus Frankreih aus- gewiesen wurde, weil er Artikel verfaßte, die niht ganz die Meinung der französischen Machthaber vertraten. Die Franzosen {find eben darin kurz angebunden: Was Oesterreich betrifft, so haben wir aus den Ausführungen des Staatssekretärs des ‘Aeußern vernommen, daß zuë Begleichung der Differenzen freundliche Verhandlungen \{chweben.

Jch habe mich auch gefreut über die verhältnißmäßig harmlose Auf- fassung, die er von den Vorgängen im österreihi|hen Parlament ih verstehe darunter namenilich diè Aeußerungen des Grafen Thun hat. Wenn man diese Auffassung nicht theilen wollte, dann müßte man allerdings zu dem merkwürdigen Schluß kommen, daß Oester- rei cine Frontschwenkung gemacht hat und den Versuch macht, die berüchtigte Shwarzenberg'’|che Politik der Undankbarkeit zu treiben. Die erinnern si, daß wir den Handelsvertrag mit Oesterrei haupt- \ählich bewilligten aus dem politishen Grunde, den ODreibund zu stärken. Träfé jene Auffassung nit zu, so gäbe es kein beredteres Plaidoyer für die Militärvorlage, als die Nede des österreichischen Minister-Präsidenten im dortigen Parlament. Abg. Richter hat sein Freude darüber ausgesprohen, daß wir mit England in freundschaft- lien Beziehungen stehen, und er hat ausèrüdlich dabei auf die Aeußerungen Chamberlain’8 hingewiesen. Ich wünschte, wir hätten viele Staatsmänner von der Art Chamberlain's, weil er den gesunden englishen Nationalegoismus besigt, der uns Deutschen leider oft feblt. Chamberlain hat vor [lurzem gemeint, die cnglishe Politik brauche ‘von der kontinentalen nichts zu lernen, er glaube, England verfolge idealere Ziele als diese; ja, die idealeren englischen Ziele scheinen mir bestanden zu haben in einer fehr geshiÆten Ausnußung aller fremden Nationen. Aber so viel ist gewiß, daß wir Interessen haben, wo wir mit den Engländern sehr gut ¡ufammengehen können. Was Amerika anbetrifft, so sagte Abg. Friten, beim fpanis-ameritanischen Kriege ‘seien die Sympathien des deutschen Bolks auf seiten der Spanier gewesen. Bis zu einem gewissen Grade hat er Recht. Es liegt in der Eigenthümlichkeit unseres Nationalcharakters, sür den Shwäweren Partei zu nehmen, wenn er von einem sehr Starken angegriffen wird. Ich war selbst auch nit frei von dieser Auf- fassung, aber eine folhe fentimentale Auffassung is in der Politik niht verwerthbar. Die Amerikaner sind eine große ausstrebende Nation, in der ih viel bessere Zustände herausgebildet haben als in Spanien. Es mag ja im ersten Augenblick auffallen, daß Amerika anfängt, eine Expansionspolitik zu treiben, gegen die sich früher die amerifanishen Staatsmänner verwahrt haben. Aber Deutschland hat eigentli ein Interesse daran, daß zu den Groß- mächten, die auf der Welt konkurrieren, die eine kampfbereite Flotte haben, auch Amerika hinzutritt. Wir haben keine Veran- lassung, das “irgendwie zu bedauern, Außerdem haben wir es bei Amerika mit einem anglosähsishen Staate zu thun, Und es kann uns als Germanen nur angenehm fein, daß ein zum großen Theil germanisher Staat in so kräftiger Weise aufgetreten ist, wie wir es im leßten amerikanish-\panischen Kriege geschen haben. Ich hoffe aber, daß man Amerika gegenüber den alten Bismarck'schen Grundfaß, daß man handelspolitishe Fragen niht mit aaderen politi- schen Fragen verquicken dürfe, wieder zur Geltung bringt. Wir hatten diesen Grundsaß bei den Handelsverträgen etwas vergessen. Die ganze Natur der Amerikaner ist so geartet, daß sie für ein {chwächliches ZurückEweichen unsererseits in handelspolitischen Fragen gar kein Verständ- niß haben, wenn es ihnen allerdings auh ganz angenehm sein würde. Was unsere Sozialpolitik betrifft, so stehen wir auf dem Stand- punkt, den wir son früher vertheidigt haben. Jch halte cs nicht für angebracht, bei der gegenwärtigen Lage der Dinge, dem Wachsen der Sozialdemokratie durch Anträge zu Hilfe zu kommen. könnte uns damit gehen wiêë den Kindern, die mit Streichhölzjern in der Nähe einer Scheune spielen. Von der internationalen Konferenz gegen den Anarcismus versprehe ih mir auch nicht viel. I fürchte sogar, daß die Regierungen glauben könnten, mit dieser Konferenz das Wesentliche gethan zu haben, und daß der Kampf gegen die Sozialdemokratie niht in derselben Weise fortgeseßt wird wie bisher. Jch habe kein Verständuiß dafür, wie die verbündeten Regierungen die Verantwortung vor Setner Majestät dem Kaiser und dem Lande tragen können, daß Millionen von Arbeitern willenlos in die Sklaverei der Herren Bebel und Singer gerathen. In Bezug auf die Militärvorlage hat der Abg. Nichter wieder das vorgebracht, was wir von dem Fortschritt hon einigèrmaßen kennen. Es mag sehr paradorx klingen, was ih jeßt sagen will; aber der Abg. Richtek felbst ist der Vater des gesteigerten Militarismus in Deutschland.

werde es Ihnen beweisen. Das Wachsen des Militaciómus besteht nicht darin, daß fo und so viel Hunderttausende jährlich dur die Armee gehen, die nahher zu ihrem bürgerlihen Beruf zuräckehren, sondern vielmehr in der Vermehrung det Zahl der Becufssöldaten. Als - ver frühere Kriegs - Minister von Verdy einen längeren Vor- fas über die künftige Entwicklung der deutschen Armee“ hielt, plaidierte Abg. Richter für die zweijährige Dienstzeit. Jch habe ihn damals gefragt, ob er die finanzielle und sonstige Tragweite der. zweijährigen Dienstzeit einmal vergegenwärtigt hätte Er antwortete niht weiter darauf. Die finanzielle Tragweite ist seinerseits sehr untershäßt worden, Die zwéijährige Dienstzeit seßte dodj’ voraus, daß auh das Inftruktionspersonal, die Offiziere und

e “i Vater ist der Abg. Richter» Wenn tamals der Ge-

nfe laut wurde, die zweijährige Dienstzeit sei die ideale Ver- iung der allgemeinen Webrpfliht, so folgt doch daraus, daß, wenn wir diefen Idealen nahstreben, wir dann allerdings eine Schraube ohxe Ende haben, so lange bis das deutshe Volk zu derjenigen Stagnation gelangt, in welcher die französische Be- völkerung ih befindet. Vorläufig sind wir, Gott sei Dank, in einem gesunden Wachsthum. Nun muß ih offen gesteben, daß ih die stille Hoffnung gehabt habe, daß das, was jegt in den Forderungen für das Landheer an uns herantritt, sih in sehr viel engeren Grenzen be- wegen würde, als wir es heute vor uns haben. Diese Hoffnung hatte ich namentli mit Rülsicht auf die deutsche Flotte. Ih glaube nicht, daß wir mit der jeßigen Flotte auëskommen werden und können; anderer- seits muß ich zugeben, daß ein Theil, und zwar der wichtigste, das un- mitt-lbare Ergebniß derjenigen Bewilligungen - ist, die wir im leßten Reichstag gemacht haben. Auch die Bermehrung der Artillerie hatte id mir nicht so groß gedacht, aber auch sie war einigermaßen vorbereitet. Da aber der hauptsächlihste Theil der Militärlast wieder auf die ländlihen Bezirke fällt, so möchte ih die verbündeten Regierungen bitten, uns einmal eine genaue statistische Uebersicht zu geben, wie viele von den augentlicklich im Heere besindlihen Mannschaften vom platten Lande herstammen und wie viele aus den Städten. Professor Brentano hat darüber ganz falsche Behauptungen aufg-stellt. Ich habe als Landrath einmal eine sole Statistik aufzustellen versuht und habe gefunden, daß die ländlichen Bezirke unglaublich stärker herangezogen wurden als die städtishen. Graf Mirbach hat im vergangenen Jahre eine Berechnung aufgestellt, wonach in der landroirthschaftiGen Pro- vinz Ofipreußen jährli 13 000 Rekruten ausgehoben werden, in der Provinz Brandenburg mit WBerlin nur 18000, während nah der Bevölkerungsziffer eigentlich 30 000 ausgehoben werden müßten. Das platte Land ist dur die Ausgaben für Krankenpflege, Neckehrswege, Schullasten 2c. viel stärker belastet als die Städte mit ihrer diht zusammenwohneaden Bevölkerung. Jh greife wohl ni6t zu hoch, wenn ih die kommunale Belastung der ländlichen Distrikte ziemli dopyelt so hoch taxiere wie die der großen Städte. Die Provinz Ostpreußen ift, wie ih höôre, au durch die gegenwärtige Regelung der Alters- und Invalidenverforgung überlastet zu Gunsten der großen Städte. Die Erhöhung des Bankdiskonts kann die vrospertierende Industrie mit Leichtigkeit tragen, niht so der belastete Landwirth. Für diese Belastung hat der Land- mann keine Entschädigung, wie der Industrielle in den hohen Preisen und dem glänzenden Geschäftsverkehr. Und dazu kommi die Ueberlastung durch die Aushebungen! Gegenüber dieser Belastung ist es keine Unbilliakeit, wenn die Landwirthschaft denselben Schuß beansprucht wie die Industrie. Sie kann verlangen, daß, solange die Handelsverträge gelten, die verbündeten Regierungen der Landwirthschaft auf andere Weise helfen. Der Staatssekretär des Jnnern meinte, daß es der Landwirthschaft etwas besser gehe. Wenn er die Ergebnisse der Domänenverpachtung ansehen würde, würde er das nicht behaupten, denn die Domänenpachtpreife sind zurückgegangen. Ein Theil der Presse hat daraus, daß die Throu- rede die Landwirthschaft niht erwähnt, gefolgert, daß die Regierung davon Abstand nehmen wolle, die Landwirthschaft zu unter- stüßen. Ich ziehe dicsen Schluß nicht. Es ist besser, wenn in der Thronrede keine falshen Hoffnungen erweckt wurden, wenn die Hoff- nungen \sih auch fo erfüllen. In der Thronrede is auÿ manches Andere nicht erwähnt. Der Dreibund ist auch nicht erwähnt worden, und man braucht doch wohl deshalb keine Schlüsse auf das Bestehen des Dreibundes zu ziehen, ebensowenig wie daraus, daß das Ableben des großen Kanzlers, des Fürsten Bismark niht erwähnt ist. Jn einem auswärtigen Blatte habe ih einmal gelesen: in Deutschland wachse die Sozialdemokratie so rapid, daß mit mathematischer Genauigkeit auszurech{nen wäre, daß in fünfzig Fahren . von deutschen Fürsten überhaupt keine Rede mehr sein könnte. Jh denke, ' der alte Gott lebt noch, er wird es nit zulassen, daß die Sozialdemokratie die Oberhand gewinnt. Der vorige Reichêétag bezann eigentlih nit unter sehr günstigen Au}pizien; Sie erinnern s\ch der {hafen Parteigegensäge bei der Ehrung des Fürsten Bismark. Gleihwohl bat der vorige Reich3tag groß? nationale Werke zu Wege gebracht, das Bürgerliche Gesetzbuch, die Militär-Strafpcozeßordnung, und vor Alle:n bat er den Grund für die deutsche Flotte gelegt. Der gegenwärtige Reichstag is unter günstigeren Auspizien eröffnet worden; ih hoffe, daß er nah Ablauf seiner Thätigkeit ebenso mit gutem Gewissen darauf wird zurückblicken können wie der vorige NRetchôtag auf die seinige. Abg. Rickert (fr. Vag.): - Der Vorredner hat wieder die alte Fordcrang nach einem Sozialistengeseß auszesprohen. Wollen Sie denn durchaus die Macht der fozialdemokratiszen Partei stärken, daß Sie ein folches Gesetz fordern in einem Auzenblick, wo felbst der Staatssekretär des Innern sih dagegen ausgesprochen hat ? Jch kann mit der Statistik des Anwachsens der sozialdemokratishen Stimmen das Gegentheil von dem beweisen, was H?rr von Kardorff beweisen wollte. Die sozialdemokratishe Partei hat sh in der Intensität ihrer Be- strebungen mehr und mehr den anderen Parteien in ihrer Methode genähert. An Vorlagen haben wir reichlich genug, wir brauchen nit noh neue Arbeit, Jch will die Mittheilung des Grafen Posadowsky, daß lediglich der Stand der geseßzgeberishen Vorarbeiten die Ein- berufung des Reichstages verzögert habe, niht anzweifeln. Wenn die Arbeitskräfte niht ausreihen, dann könnte man die Frage aufwerfen, ob nicht die Geseßgebungsmaschine übermäßig in Anspru genommen wird. War es nöthig, daß alle uns angekündigten Vorlagen in dieser Session eingebraht werden? Ein großer Theil der Geseß- gebungsarbeit kann nit fertiggestellt werden, aud) wenn der Reichs: tag bis in den Sommer hinein tagt. Ist es da niht zweckmäßig, daß die verbündeten Regierungen sich in ihren Vorlagen beschränken? Denn nichts ermüdet und entmuthigt mehr, als fortgeseßte Arbeit ohne Erfolg. Es ist mehr Fühlung mit dem Volke und dem Parlament notwendig. Wenn es sich um Forderungen des Reichstages handelt, wo bleiben da die verbündeten Regierungen? Wie steht es mit dem kleinen Nothgeset, betreffend das Verbindungsyverbot der Vereine? Im Jahre 1897 i} der Gesetzentwurf wegen Beseitigung des Ver- bots mit großer Mehrheit angenominen worden. In der offiziöfen cefse hat man es so dargestellt, als wenn der Reichskanzler jeßt eines Versprechens ledig wäre. Jh bestreite das. Das WVer- [prechen besteht heute noch in vollem Umfange. Der Gefeßentwurf zum Schutze der Arbeitêwilligen wird im Metchstage garnicht ver- langt. Weine Freunde Pachnicke und Nösidke haben etwas Anderes verlangt, nämli eine Erweiterung des Koalitionsrechtes. . Die Bor- lage ist noch nit eingegangen, deshalb kann ich noch nit darüber urtheilen; aber ih glaube, daß wir shwerlich der Vorlage zustimmen werden. Auch die Nationalliberalen wollen das Koalitionsrecht unangetastet aufrecht erhalten. Man hat im preußischen Ab- geordnetenhause versucht, das Freizügigkeitsgeseß zu beseitigen, indem man vorgab, nur die Auswüchse beseitigen zu wollen. Wir können uns aber feine Vorstellung davon machen, wie das möglich sein joll. Herr von Kapbengst hat es allerdings als eine kleine Gefälligkeit bezeichnet, die ihm die Arbeiter erweisen müßten, daß sie für einen von ihm bezeihneten Kandidaten \timmen. h verwerflihen Anschauungen dürfen aller- dings bei uns keinen Ny gewinnen. Der Staatssekretär Graf ojadowsky hat die alleinige Verantwortlichkeit des Reichskanzlers etont, Jch nehme an, daß der Reichskanzler nur für die Regierungs- akte die volle Verantwortlihkeit übernimmt; nux von Regierungs- akten sprechen wir hier. Die Frage der Ausweisungen ist eine Frage der inneren Politik, soweit nicht internationale Verträge dem Auslande ein Recht zur Eitmisun geben. Ein Kulturstaat, wie es Preußen und das Reich tin will, muß aber prüfen, ob nicht durch die Ausweisungen ta A der Humanität verleßt werden. Diese Prüfung muß um so mehr geschehen, als dem Auslande niht das Recht zusteht, Einspruch zu erheben. Im preußishen Abgeordnetenhause wird die Sache auch ündlih zur Sprache gebracht werden. Ich muß mein lebhaftes edauern darüber aussprechen, daß in Deutschland solhe Dinge wie

würden. Das is ter gesteigerte Militariêmus, 1 Di

-Dienstbo! verleßt hätten, da | ihre fanatishen Arbeitgeber bestraft werden follten. Ju Presse wird immer so gethan, als wenn man durch die Be- zeichnung dieser Frage als einer nationalen die Opposition mundtodt machen fônne. Wir lafsen uns das nicht gefallen. Ein solhes Ver- fahren sollte man endli einmal aufgeben. Graf Limburg-Stirum hat die Sozialdemokraten zu Vätern des Anarhismus gestempelt, weil fie fortwährend gegen das Bestehende jepen und dadur die gewalt- thätigen Naturen aufreizen. Vielleicht besfucht Hexr Graf Limburg einmal die Versammlung der Agrarier in Hinterpommern. Der Rufer im Streit, der Gründer des Bundes der Landwirthe, fordert die Bauern auf, unter die Sozialdemokraten zu gehen. Bei dieser Neigung zur Sozialdemokratie sind also auch die Agrarier die Väter des Anarchismus. Der Bund der Landwirthe steht ja auf den Schultern der Konservativen, der Nationalliberalen und des Zentrums. In dem konservativen Ostpreußen hat die Sozialdemokratie erhebliche Fortschritte gemaht. Sollte daran nicht die agrarische Agitation huld sein? Rufen Sie nur nah Ausnahme- gesegen, nah Lebensmittelvertheuerung, und die Sozfaldemokraten werden sich noch zahlreiher hier einfinden. In Oberschlesien haben die Sozialdemokraten gerade durh die Fleishtheuerung erheblich gewonnen. Jch theile die Auffassung der Regierüng von der wirth- \chaftlihen Lage; vor einigen Jahren war die Regierung nicht dieser Meinung, sie hatte neue Steuern verlangt. Daß wir jeßt hon beim Beginn des Niederganges seien, wie Herr von Vollmar meint, glaube ih nicht. Daß der Schaßsekretär die Schuldentilgungsvorlage gebracht hat, ftatt sie erst wieder vom Reichstaoe beschließen zu lafsen, darüber freue ih mich im Gegensay zu dem Grafen Limburg; er möge auf diesem Wege fortfahren. Eine Scheidung zwischen den einzelstaat- lichen und den Reihs-Finanzen wünsche ih au, aber nit so, wie sie der Minister von Miquel will. Die Matrikularbeiträge stellen das Einnahmebewilligungsreht dar, ohne welches die Volksvertretung keine eigentlihe Volfavertretung wäre. Die Matrikularbeiträge dürfen nur dur eine konstitutionell gleihwerthige Steuer beseitigt werden. Das Defizit von 90 Millionen ift allerdings vorhanden, aber es ist nicht so bedenklih, weil es kein ungünstiges Verhältniß ist, wenn zu den einmaligen Ausgaben des Reichs aus den laufenden Einnahmen noch 162 Millionen verwendet werden. Graf Limburg und Herr Frißen haben auch Anstoß genommen daran, daß - der Reichs:Etat für Kunst und Wissenschaft etwas enthält. Gönnen Sie uns doch diesen Lichtblik! Soll der Etat nur aus Meilitär- und Marineau8gaben bestehen? Was foll bezüglich der Zuckerstzuer geshehen? Wohin foll der Uebershuß unserer Zudcker- produktion gehen? Bis vor wenigen Jahren war der Zucker- verbrauch 124 kg pro Kopf. Es giebt nur einen guten Weg zur Hebung der Zuckerindustrie, welhe durch die Beseitigung der cubanischen Wirren ihren Export nah Amerika verlieren wird: die Steigerung des Verbrauhs im Auslande. Man follte daher das Geseß wieder aufleben lassen, welches die allmählihe Beseitigung der Prämien herbeiführen follte. Herr von Kardorff hat gemeint, die Rede des Minister-Präsidenten Grafen Thun wäre die beste Begründung für die Vilitärvorlage. Das ist ja die reine Kriegs- erklärung, Wir sind mit Herrn von Bülow 124 Meinung, daß der Dreibund noch fest besteht. Der Kriegs-Minister hat mir in der früheren Session eine Antwort gegeben, rwoelhe ich dahin aufgefaßt habe, daß eine solche Militärvorlage niht kommen würde. Ueber die Frage der Miliz können wir uns bei der Militärvorlage felbst unter- halten. Jh bin ein Gegner der Miliz, Nah der Schrift des \chweizerishen Obersten WiYAe werden die Sozialdemokraten sich niht mehr auf die Schweiz berufen. Die Stellung Deutsch- lands in Bezug auf militärische Leistungen hängt allerdings von den Verhältnissen in Rußland úünd Frankreich ab. Die zwet- jährige Dienstzeit ist niht die Ursahe der Steigerung der Zahl. Bon der zweijährigen Dienstzeit kann der Kriegs-Minister jeßt nicht mehr zurück. Ih möchte jznen sehen, der die Verantwortung für die Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit übernehmen wollte. KFedenfalls hat der Reichstag immer ein Wort mitzusprehen. Zur Kolonialpolitik habe ih mit meinen Freunden eine andere Stellung eingenommen als die uns nahestehenden Parteien, und. zwar {on feit 1884, als der Reichskanzler Fürst Bismark in der Budgetkommission fich über diese Frage aus\fprah. Die Kolonien sind vorhanden und wir müssen bewilligen, was nothwendig ist, um das angelegte Geld fruhtbar zu machen. Woran wir Anstoß nehmen, das ist die Ver- waltung der Kolonien und die Art, wie man den Kaufmann be- handelt, wie man in den Kolonien reglementiert. Herr von Kardorff und Graf Limburg waren sehr vorsichtig in Bezug auf ihre Forderungen für die Landwirthschaft. Wollen wir die guten Finanzen erhalten, dann muß die Handelsvertragspolitik fortgeseßt werden. Der Schaßtzsekretär wird nicht bestreiten, daß die Finanzen des Reichs dur die Erhaltung der Handelsvertragspolitik günstig beeinflußt find, und er wird kaum die Verantwortung dafür übernehmen, die Handels- vertragspolitik aufzugeben. Das wäre ein Schlag für Deutschland. Wer will denn die übershüssige Bevölkerung Deutschlands er- nähren? Zeigt nicht die Statistik, daß eine halbe bis eine ganze Million der deutschen Bevölkerung niht von der Landwirth- schaft ernährt werden kann? Ih kann nur meiner Freude Ausdruck geben, daß die deutsche Regierung jeßt auch mit England in ein befseres Verhältniß gekommen ist. Der Staatsfekretär des Auswärtigen war fehr knapp in feinen Aeußerungen darüber, aber fie waren erfréulich. Wir können ftolz darauf sein, daß der deutshe Unternehmungsgeift sich auch neben England Raum geschaffen hat. Zu einer Abrüstung ift der jeßige Augenblick allerdings nit geeignet und auch die Friedenskonferenz wird uns vorläufig nicht viel bringen können, aber mit Freude begrüßen wir cs, daß gerade der russishe Zar den Anstoß dazu ge- geben hat. Solhe großen Dinge kann man niht in einem Auzgzenblick erledigen, ist aber ers einmal der Anfang gemaht, wird es auch weitergehen. Die deutshe Regierung wird dieses Steben durdjaus unterstützen. So lange Frankreih -allerdings die Lösung der elfaß-lorhringishen Frage zur Worbedingung macht, so wird eine Verständigung niht mögli fein. Keine Partei in Deutschland wird aber an dem Frankfurter Frieden rütteln lassen. Angesichts der aktiven Betheiligung der Vereinigten Staaten von Amerika an der Weltpolitik muß man fagen, daß die deutshe Macht aufmerksam die Dinge verfolgt; Deutschland wird seinen Anspruch in dem Wettstreit der Völker niht aufgeben. Aber ih gebe dem Staatssekretär Recht, das deutshe Schwert darf nur im Interesse des Friedens scharf ge- halten werden, die Macht Deutschlands darf nur für den friedlichen Wettbewerb in Bewegung geseßt werden. Fürst und Volk“ in Deutschland wollen nihts Anderes als den Frieden. Jch bin überzeugt, die Neise Seiner Majestät des Kaisers hat keinen anderen Zwecken

edient, als dem deutschen Namen in friedlihem Sinne Ansehen zu ver- chaffen. Aber es giebt auch eine innere Politik, welhe der Machtstellung eines großen Kulturvolkes entsprehen muß. Wir haben gute Finanzen und werden fie hoffentlih behalten, wir haben eine ftarke Urmee, aber damit erschöpft sich das Interesse eines Kulturvolkes niht. J

widersprehe dem Ausspruch des Staatssekretärs des Innern, da

Deutschland eines der freiheitlihst regierten Länder sei. Jm Land- tage werden wir zeigen, daß in großen Kreisen des preußishen Staats von einem fretheitlihen Regiment nicht die Rede ist. Wir verlangen neben guten Finanzen und einer starken Armee auch eine innere volts- De Politik. Nur dann kann \sich Deutschland auf der Höhe erhalten. s

Staatssekretär des Neihs-Schaßamts, Wirklicher Gcheimer Rath Dr. Freiherr von Thielmann:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat den Zucker allerdings nur kurz gestreift, hat aber einen Punkt berührt, über den meiner Ansicht nah besser keine Unklarheit herrsht, und ih fürchte, sie würde herrshen, wenn den vom Herru Vorredner vor- gebrachten, aus Hamburger Quelle stammenden Einzelheiten betreffs ‘des Zuckers seitens dieses hohen Hauses Glauben geschenkt würde. Der Herr Vorredner führte einen Hamburger Sachverständigen ins

ten keine Gesehe

in Schleswig vorkommen können. Ih erinnere nur daran, daß der Ober-Präsident von Köller selbft erklärt hat, daß die cas Wes

Gefeht, der ihm erklärt hätte, Cuba unter amerikanischer

urch nur

Herrschaft, oder sagen wir, unter amerikanis

in allerfürczester Frist das Bedürfniß der Verein aaten nach Zucker allein voll befriedigen. Ich bedauere, daß dieser Ham- burgishe Sachverständige niht benannt worden i (Zuruf links), sonst würde ih ihn morgen um seinen Besuch bitten und ihn noch

um nähere Details ersußen. Jch muß aber seiner Behauptung

widersprehen. Ich bin weit davon entfernt, zu leugnen, daf, nachdem - Cuba einmal unter den Einfluß der Vereinigten Staaten gékommen

ist, auch die cubanishe Zuckerausfuhr nach den Vereinigten Staaten

nit noch erheblich wahsen und dadurch zum theil anderer- Zucker

verdrängt werden wird; aber die Ziffern sind jeßt noch nicht so ge-

fährlich, wie der Herr Vorredner sie darstellte. Die Vereinigten

Staaten verbrauchen jährlich rund 2 Millionen Tonnen Zucker ih

rede hier in ganz runden Ziffern —. Zunächst lieferte Cuba vor der

jüngsten Revolution ungefähr die Hälfte : 1 Million Tonnen. Gegen-

wärtig ist aber durch die Ereignisse der Revolution die cubanische

Zuckererzeugung von 1 Million Tonnen auf wenig über } Million

Tonnen heruntergegangen. Nun bitte ih die Herren Landwirthe hier

im Hause, zu berechnen, wie viel Zeit dazu erforderlih ift, um einen

Aker, sei er mit Zuckerrohr oder womit bestellt, der devastiert ift,

sodaß er in den leßten Jahren nur 4 Million Tonnen Zucker hat er-

zeugen können, bis auf das Doppelte der früheren Normalproduktion,

also auf 2 Millionen Tonnen" Ertrag zu fieigern. Der Moment

kann ja einmal eintreten; ich bin weit davon entfernt, es zu leugnen,

aber keineswegs mit der Geshwindigkeit, die der Hamburgishe Sach-

verständige dem Herrn Abg. Rickert geschildert hat. Also die Gefahr des Ausschlusses unseres Zuckers vom amerikanischen Markt, so ges wichtig sie au für die spätere Zukunft ist, ist doch für die nächste Zukunft noch nicht fo dringend, umsomehr, als infolge des gegen- wärtig in den Vereinigten Staaten geltenden Zolltarifs, des sogenannten „Dingley tariff“, der deutsche Zudker ohnehin {hon so gut wie aus- geschlossen ist. Es sind nur in den leßten Monaten einige Posten hinübergegangen, nit sehr bedeutende Mengen.

Der Herr Abg. Frißen hatte vorgestern meiner Bemerkung | gegenüber, daß das deutsche Volk gegenwärtig mehr Zucker verzehre als früher, gesagt, das sei nur scheinbar: die Mehreinnahme an Zuckersteuer komme nicht von dem höheren Zuckerverbrauch inner- halb Deutschlands, sondern von der geringeren Ausfuhr her, indem geringere Ausfuhrprämien zu zahlen waren. Auch diese Behauptung is nicht zutreffend. Jh kann Ihnen ziffermäßig nachweisen, daß einerseits die Bruttoeingänge an Steuecn von Monat zu Monat, allerdings nicht genau regelmäßig, aber doch ziemli regelmäßig, gewachsen sind, bis sie im November dieses Jahres, also im verflossenen Monate, eine Höhe von 147 Millionen erreicht haben, die noch nie da war. Gleichzeitig aber if der Betrag der Ausfuhrzushüsse niht etwa heruntergegangen, fondern er hat den Voranschlag für das Rechnungsjahr 1898, soweit sich bis jeßt be- renen läßt, noch um eine Million überschritten. Also auf der einen Seite erhöhte Einnahmen, auf der anderen Seite nicht etwa Erspar- nisse an Ausfuhrzushüfsen; das, meine Herren, läßt nur zwei Schlüsse zu: entweder speichert der Kaufmann die Zuckerhüte bei fh auf, oder der Deutsche thut mehr Zuker in seinen Kaffee ;- ih glaube das leßtere, von dem ersteren find mir keine Anzeichen zur Kenntniß gekommen. Sie sehen also, daß die Sache keineëwegs fo {chlimm liegt, wie sie von mandhen Seiten dargestellt wird.

Ferner. möchte ih mich noch gegen einen Ausdruck verwahren, den der Herr Abg. Nickert mir vorhin in den Mund gelegt hat, ih hätte im verflossenen Jahre das Zuckersteucigeseß von 1896 verurtheilt. (Widerspruch links.) So hatte ih verstanden! Jh habe damals gesagt- „es hat vielleiht niht alles gehalten, was man von ihm er- wartete; aber es is nihtsdestoweniger doch ein Geseß, mit dem wir im Großen und Ganzen jeßt vollkommen zufrieden fein können.“ Und dieser Ansicht bin ich noch heute.

Abg. Dr. Graf zu Stolberg-Wernigerode (d. kons.): Daß die Sozialdemokratie eine Frucht des Freisinns ift, ist offenbar. Der Freisinn hat das Volk zuerst unzufrieden gemacht, und die Sozial- demokraten haben diese Unzufriedenheit benußt. Wenn die Zudtersteuer herabgesct würde, fo würde zunähft ein Defizit entstehen. Vielleicht hebt sih aber der Inlandverbrauch des Zuckers, dann könnten wir dem Gedanken einmal nähertreten. Daß unfere Kolonien ihre jeßige Berwaltung haben, ift eine Folge davon, daß die dort angesiedelten Kaufleute noch nicht die genügende Selbständigkeit haben, Die Kolonie Neu - Guinea wurde nach den Wünschen des Herrn Nickert verwaltet; jeßt soll die Verwaltung auf das Reich über- nommen werden. Wenn Herr Rickert die Wahl hätte, in welches Land würde er auswandern, wenn er ein möglichst freibeitlihes Leben wünsht? Der glänzenden Lage der Industrie steht eine Kehrseite gegenüber: das Abströmen der Arbeiter vom Lande in die Industrie- gegenden. Dadurh leiden nicht allein die Landwirthe; das vlatte Land und die kleinen Städte werden überall entvölkert. Es giebt kein unbedingt wirksames Mittel dagegen; aber man muß diese Be- wegung systematisch abzushwähen suhen und fie nicht bestärken, wie das vieifah geschehen ist, z. B. bezüglih der Kleinmühlenindustrie, welhe ges{hädigt wird durch die Gewährung der Zollkredite und die falshe Bestimmung des Rendements. Ih möchte die dringende Bitte an die Regierung richten, hier Abbilfe zu shaffen. Das i} um fo nothwendiger, weil in Preußen der Ausbau eines Kanalnetzes geplant ist. Die großen Mühlen würden von der billigen Wasserfracht ia ausgedehntem Maße Gebrauch machen. Es wird uns eine Vorlage wegen der Invalidenversiherung in Aussicht gestelit, welche einige Verbesserungen bringt, aber der A UGA s der großen Belastung des platten Landes wird niht beseitigt. Ich theile das Gefühl der Sympathie für Nord-Amerika, welhem Herc von Kar- dorff Ausdruck gegeben hat. Wir müssen mit Amerika in Frieden leben. Aber wir können uns seinen Forderungen niht ohne weiteres unterwerfen; wir find bezüglih des Zudckers seitens Nord-Amerikas differentiell behandelt worden. Jett handelt es us niht mehr um Zucker allein, sondern no um ganz andere Dinge. Troß des mit Frank- reih abgeschlossenen Vertrages werden Deutschland gegenüber die des autonomen Zolltarifs angewendet. Ein folcher Zustand ist d nicht haltbar, daß wir die Meistbegünstigung gewähren, / aber nicht wieder erhalten. Diesem Zustand muß ein Ende gemacht werden, au ohne zah man sih leihtsinniger Weise in einen HoBTE stürzt. Die Einführung des Postheckverkehrs halte ih für etwas Wünschens- werthes und Praktisches, weil dadurch den weniger Bemittelten die Wobhlthaten zugänglich gemacht werden, die bisher nur die | durch das Girogeshäft hatten. Auch die anderen Reformpläne des Staatssekretärs der Reichspost halte ich durchaus für zweckmäßig. Die Ausführungen des Abg. Motty über die Behandlung der Polen gehörten eigentlich vor den Landtag. Wir befinden un den Polen gegenüber lediglich in dem Zustande der Abwehr. Die

olen halten das ehemalige Polenreih noch nit für beseitiat, denn e verlangen den freien Verkehr innerhalb desselben. Es fü: e latent noch weiter und bei güasliger Gelegenheit

olen es wieder errichten. ichter meinte, daß

effserung des Artilleriematerials eine ng der anwa g, B Das Umgekehrte ist ‘der f v i wir Material in dieser Beziehung haben, müssen wir auch mögli

davon haben. Jh glaube, daß gegen die Vermehrung der 2