1898 / 298 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 17 Dec 1898 18:00:01 GMT) scan diff

mittel Verkaufte

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Menge

niedrigster

höchster M. M M. M, 074 M.

niedrigster höchster | niedrigfter Doppelzentner

hödhster

Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1) nah überschlägliher Schäßung verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)

Durchschnitts- Am vorigen preis Markttage

für Durch- 1 Doppel- | schnitts- zentner preis

M. M.

dend

13,80 14,65 12,00 13,00 11,50 12,00

Bopfiagen Mainz S{hwerin . St. Avold . Breslau . . auer . E as Bua... C C E |

_—_=_« «

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth u pole Mark abgerundet mitgetheilt. Ÿ (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß

Ein liegender Stri

13,80 14,65 12,30 13,50 11,80 12,00

Noch: Hafer.

- 14,20 14,40

—— 15,60 12,60

12,60 14,50 15,00 12,39 12,90 13,00

13,30 14,80 15,30

14,20

12,30 14,00 12,00 13,00

14,40 241 15,60 i

13,00 v 15,50 200 12,70 .

13,30 4 12,40 30

“e 14,80

12,49 13,80 14,00 14,30 106

15,30 14,30 Bemerkungen.

er betreffende Preis niht vorgekommen ift, ein

3:430- 14,23 14,18 9. 12.

2 960

14,80 14,70 | 9,12.

12,76 14,35

372 12,40 1 048 13,97

16, 12. 10. 12.

Der E tei wird aus den unabgerundeten amten berechnet. unkt (.) in den leßten ses

palten, daß entsprehender Bericht fehlt.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Abgg. Dr. Hasse, Dr. Lehr, Graf von Arnim und Genoffen haten im Reichst age folgenden Entwurf eines Ge- lr ges über die Erwerbung und den Verlust der Reichs- und Staatsangehörtgkeit eingebraht (die Abweichungen von A eye vom 1. Juni 1870 sind dur gesperrte Schrift hervor- gehoben) :

S1.

Die NReichsangehörigkeit wird dur die Staatsange- hörigkeit in einem Bundesjtaate erworben.

Die Staatsangehörigkeit in einem oder mehreren Bundesstaaten erlisht durch den Verlust der Reichs- angehörigfkeit, s

Die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate wird fortan nur begründet:

1) durch Abstammung 3),

2) dur Legitimation 4),

L durch Verhbeirathung 9),

4) für einen Deutschen durch Aufnahme “und

5) für einen Ausländer dur Naturalifation.

Die Adoption hat für fich LO diese Wirkung nicht.

Durch die Geburt, au wenn diese im Auslande erfolgt, er- werben ebelihe Kinder eines Deutschen die Staatsangehörigkeit des Naters, uneheliche Kinder einer Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter. 14

Ift der Vater. eines unehelichen Kindes ein Deutscher und besißt die Mutter niht die Staatsangehörtgkeit des Vaters, so erwirbt das Kind durch eine den geseßlihen Bestimmungen gemäß erfolgte Leg i- timation die Staatsangehörigfkeit des Vaters.

J,

Die Verheirathung mit einem Deutschen begründet für die

Chefrau die Staatsangehörigkeit e: Mannes.

8 6.

Die Aufnahme, sowie die Naturalisation erfolgt dur) eine von der obersten Verwaltangsbehörde eines Bundesstaats aus- gefertigte Urkunde. ;

óIn diefer Urkunde müssen sämmtliche Personen, auf die sich die Aufnahme oder Naturalisation bezieht, ein- zeln namhaft aufgeführt werden. H y

Non jeder Urkunde ist eine Abschrift dem Neichsamt des Innern mitzutheilen. i /

Für Ertheilung der Naturalisations-Urkunde ist eine Gebühr von 50 Mark an die ausftellende Behörde zu entrichten. i

Die Beméssung der Gebühr für Ertheilung der Aufnahme-Urkunde bleibt 4 Bundesftaaten überlassen.

Die Aufnahme - Urkunde wird jedem Angehörigen eines anderen Bundesftaats ertheilt, welcher um diefelbe nachfucht und nah- weist, daß er in dem Bundesstaat, in welhem er die Aufnahme nach- fut, sih niedergelassen hat, fofern kein Grund vorliegt, welWer nah den 88 2 bis 5 des Gesegzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867 die Abweisung etnes Neuanziehenden oder die Versagung der Fortsezung des Aufenthalts PeTertigE:

Zum Zwecke der Erwerbung der Staatsangehörig- Yeit in einem Bundesfstaate bedarf es der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundes- ftaate niht; auch geht die Staatsangehörigkeit in einem Bundesfstaate durch Erwerbung der Staats- angehörigkeit in einem anveren Bundesstaate nicht verloren.

8 9.

Die Naturalisation soll Ausländern in der Regel nur dann ertheilt werden, : È

1) wenn dieje Naturalisation im Interesse des Deutschen Reiches liegt; /

2) wenn diese Ausländer deutsher Abkunft und der deuilHen Sprache mächtig sind. Die Naturalisation an Ausländer darf nur dann ertheilt werden, i

a. wenn sie nach den Gesetzen ihrer bisherigen Heimath dispo- fitionsfähig sind, es sei denn, daß der Mangel der Dispositions- fähigkeit dur die Zustimmung des Vaters,. des Vormundes oder Kurators des Aufzunehmenden ergänzt wird; L

b, wenn sie einen unbescholtenen Lebenswandel geführt haben ;

e. wenn fe an einem Orte, wo fie sich niederlassen wollen, eine eigene Wohnuag oder ein Unterkommen finden;

d. wenn sie an diesem Orte nah den daselbst bestehenden Ver- hältnissen fich und ihre Angehörigen zu ernähren im f\tande sind.

‘- ¿8:10, i

Vor Ertheilung der Naturalisations - Urkunde hat die oberste Merwaltungsbehörde in Beziehung auf die Erfordernisse § 9, Nr. 1 und 2 das Reichsamt des Innern zu hören, das bei Be- urtheilung dieser Erfordernisse an die Anweisungen des Bundesraths gebunden ist. E

Jn- Beziehung auf die Erfordernisse § 9, a, b, c und d if die Gemeinde, bezw. der Armenvezrband desjenigen Ortes zu hören, wo der Aufzunehmende sich niederlzssen will.

S 11. ú Eine von einer Neichébehörde oder von ciner Zentralbehörde eines Bundesstaats vollzogene oder bestätiate Bestallung für einen .in den unmittelbaren oder mittelbaren Reihsdienst oder Staats- dienst *) aufgenommenen Ausländer oder Angehörigen eines ánderen Bandesstaats vertritt die Stekle der Naturalisation be;w. Aufnahme, ier niet ein entgegenstehender Vorbehalt in der Bestallung aus- gedr t. f die Anftellunz eines Ausländers im Reichsdienste erfolgt, so. erwirbt der Angestellte die Staatsangehörigkeit in demjenigen Bundes- ftaate, in -welchem er seinen dienstlichen Wohnsiß hat.

L Weqggefallen ift: „oter in den Kirhen-, Schul- und Kom- munaldien|{t*.

Ist dieser Wohnsiß in einem deutshen Shußgebiet oder im Auslande, so erwirbt der Angestellte die An- gehöôrigfkeit des preußishen Staats.

Von den Fällen der Naturalisation (8 9) und Auf- nahme nah §11 sind das Reichsamt des Innern und die betheiligten Regierungen der Bundesstaaten zu benachrichtigen. is

S Die Naturalisations-Urkunde, Aufnahme-Urkunde oder Beftellungs- Urkunde begründet mit dem Zeitpunkte der Aushändigung alle mit der Reichs- und Staätsangehörigkeit verbundenen Rechte und Pflichten.

8 13. Die Verleihung der Reis- und Staatsangehörigkeit erstreckt sich, insofern niht dabei eine Ausnahme gemaht wird, zuglei auf die Ehefrau und die noch unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder.

8 14.

Der Wohnsitz innerhalb eines Bundesstaats begründet für si

allein die Staatsangehörigkeit nicht. 8 15,

Die Ertheilung der Neichsangehörigkeit an solche Ausländer, die sich in einem deutshen Schußgebiete niedergelassen haben oder niederlassen wollen, erfolgt auf deren Antrag durh die Kolonial - Abtheilung. des Auswärtigen Amts.

Diese ist dabei an die Erfordernisse von § 9, Punkt 1 und § 9a und b, nicht aber § 9, Punkt 2 und § 9c und d, gebunden. 8 46

Ob ein deutscher Bundesstaat einem Ausländer, der nah § 15 die deutsche Neichsangehörigkeit erworben hat, oder dessen Angehörigen und Nachkommen die Staats- angehörigkeit verleihen will, ist nicht nah §7 zu bes urtheilen, sondern steht im freien Ermessen dieses Bundesstaats. s 17

Die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat geht fortan nux verloren durch Verlust der Reichs- angehörigkeit. L 18

Die Neich3angehörigkeit geht fortan nur verlor en**):

1) durch Entlassung auf Antrag ;

2) durch Ausspruch des Reichs8amts des Innern ;

3) bei unchelihen Kindern durch eine ven geseßlichen Bestimmungen aemäß erfolgte Legitimation, wenn der Vater etnem anderen Staat angehört als die Mutter ; :

4) bei einer Deutschen durch Verheirathung mit einem Ausländer.

8 19,

Die NReichsangehörigkeit geht fortan weder dur vorübergehenden, noch durch dauernden Aufenthalt im Auslande (Auswanderung), noch durch Erwerb einer fremden Reichsangehörigfkeit verloren.

8 20.

Die Entlassung aus der Neichs3angehörigkeit auf Antrag der Betheiligten wird nah Gehör der höheren Verwaltungsbehörde des Heimathsstaates oder, wenn der zu Entlassende die Staatsangehörigkeit mehrerer Bundesstaaten besaß, dieser Heimathsstaaten, soweit sie aktenkundig sind, durch eine vom Reihs3amt des Innern ausgefertigte Entlassungs-Urkunde ertheilt.

S: Il.

Die Entlassung auf Antrag wird nur denjenigen deutschen Staatsangehörigen ertheilt, die als Kinder deutscher Staatsangehörigen im Auslande geboren sind und im Auslande ihren dauernden Aufenthalt haben.

Sie kann auch dann ertheilt werden, wenn ein deutsches Staatsinteresse vorliegt oder wenn sie durch Staatsverträge bedingt ift. Hierüber hat das Reichs- amt des Innern nah Anwetsung des Bundesrathes zu befinden.

S 22.

Deutsche, welche sich im Auslande aufhalten, können auf Antrag oder nah Gehör der Zentralbehörde ihres Heimathsstaates durh Be- \{chluß des Reichsamts des Innern ihrer Reichs- und Staatsangehörig- keit verlustig erklärt werden, wenn sie i

a. im Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr ciner dur die zuständigen Behörden erlassenen allgemeinen oder besonderen Aufforde- O zur Nückkehr binnen der darin bestimmten Frist keine Folge leisten ;

b. wenn sie sich feindseliger Handlungen gegen das Deutsche Neich shuldig gemacht haben;

ce. oder wenn ste wegen Landesverrathes von deutschen Gerichten verurtheilt worden sind;

d. oder wenn sie von deutschen oder fremden Gerichten zum Ehrverlust oder zu solhen Strafen verurtheilt worden sind, die mit Ehrverlust verbunden sind;

e. wenn fie ohne Erlaubniß der Regierung ihres Heimathsstaates in fremde Staats- und Kriegsdienste getreten sind und einer aus- drücklichen Aufforderung zum Austritt binnen der darin bestimmten Frist keine Folge leisten. s 23

Die Entlassung aus der Neihs- und Staatsangehörigkeit kann auch auf die Ehefrau und die noch unter väterlicher Geroalt stehenden minteijährigen Kinder erstreckt werden.

8 24. ür den Wiedererwerb der ReicGs- und Staats- angehörigkeit ift die Naturalisation nach den §S 8 und 9 erforderlich.

Wittwen, die vor threr Verheirathung die deutshe Neichs- und Staatsangebörigkeit besessen und diese ledigliÞh durch Verheirathung mit einem Ausländer verloren ‘hatten, darf die Wiedererlangung der deutscen Reichs- und Staatsangehörigkeit niht versagt werden.

l uis Also niht mehr „durch zehnjährigen Aufenthalt im Aus- ande“,

8 25. _ Für Ertheilung der Entlassungsurkunde auf Antrag ist eine Gebühr von 10 ( an das Reichsamt des Innern zu entrichten, a

8 26.

Veber alle Entlassungen. aus der Reihs- und

Staatsangehörtigkeit und über alle Naturalisationen

hat das Neichsamt des Innern fortlaufende Register zu

führen. Es ist befugt, auf Grund dieser Register Be-

s{cheinigungen auszustellen und für solhe Befcheinigungen eine Gebühr von je 10 A Ln LEBEDEn,

Alle diefem Gesetz zuwiderlaufenden Vorschriften, insbefondere das Gesey vom 1. Juni 1870, werden ufgeboben,

Diefes Geseh tritt am

Ferner haben die Abgg. Graf von Klinckowftroem, Dietrich und Genossen folgenden Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung desStrafgeseßbuhs für das Deutsche Rei, im Reichstage eingebradit :

/ Einziger Artikel.

Dem Strafgeseßbuch wird ORG N Paragraph hinzugefügt:

53a.

Ein Beamter, welcher amtliche Schriftftücke, deren Gehei nhaltung angeordnet ist, Anderen zur Veröffentlihung durch die Prefse wider- rechtlich mittheilt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.

Wer Schriftstücke, von denen ec weiß oder den Umftänden nah annehmen muß, daß sie ihm durch eine Handlung der im Abs. 1 be- zeichneten Art zugänglih gemaht worden find, durch die Presse ver- öffentlicht, wird mit Geldftrase bis zu eintausend Mark oder mit Gefängniß bis zu brei Monaten beftraft.

mr, rp rer

Die Abgg. Dr. Arendt und Genossen haben im Reichstage den Antrag gestellt, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen :

behufs Herbeiführung internationaler Maßregeln zur Verhütung von Schiffsunfällen und zur Sicherung des Lebens der Seeleute und der Seereisenden mit den übrigen Seemächten in Verhandlungen einzutreten.

Die Abgg. Noesicke (Dessau) und Dr. Pachnicke haben im Neichstage folgenden Antrag eingebracht :

Der Reichstag wolle beschließen: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstage baldmöglichst einen Geseßentwurf, betreffend die Errichtung von Arbeitsnahweisen, vorzulegen, durch welchen bestimmt wird, daß auf Antrag und nah ‘Anhörung einer entsprehenden Anzahl betheiligter Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gemeinden bezw. weitere Kommunalverbände, insoweit innerhalb ihrer Bezirke kommunale oder gemeinnüßige Arbeitsnahweise, weldze den Vorschriften des zu erlaffenden Gesetzes und den örtlihen Bedürf- nissen entspreen, nicht vorhanden find, durch die Landes-Zentral- bebörde zur Errichtung und Unterhaltung folher Arbeitsnahweise an- gehalten werden können; durch welchen ferner bestimmt wird, daß an der Verwaltung folher Arbeitsnahweise Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleiher Zahl unter dem Vorsiß eines Un- parteiishen zu betheiligen find.

Literatur.

Jahrbuch der Internationalen Vereinigung für vergleichende Rehtswissenshaft und Vollswirthschafts- lehre zu Berlin, im Auftrage der Vereinigung herausgegeben von Professor Dr. Bernhöft in Rostock und Landgerihts-Rath Dr. Meyer in Berlin. I1V. Jahrgang (1898), 1. Abtheilung. 283 S. Verlag von K, Hoffmann, Berlin. Den Inhalt dieser Abtheilung bilden sechs in der Vereinigung gehaltene Vorträge und eine Rethe fonfstiger Originalarbeiten von erheblihem Werth. „Gegenstand des ersten der zum Abdruck gelangten Vorträge sind die Rechts - verhältnisse in Niederländisch - Indien. Der Verfasser, ordentliher Professor der Rechte an der Universität Leiden Dr. P. A. van der Lith, schildert, wie ich in Niederländish-Ostindien aus dem Zusammenleben vielfah verschiedener Elemente auf maunigfah ab- gestufter Bildungshöhe ein Komplex von Rechtsinteressen heraus- gebildet hat, dessen Lösung die Aufgabe der Kolontalgesezgebung und der Verwaltung seit langer Zeit gewesen ist. Die Reformen, denen man Eingang zu verschaffen 1uchte, konnten jedoch niht immer und nicht überall zum Durchbruch gelangen. Zwet Rechtssysteme bestehen in dem niederländischen Kolonialgebiet: 1) das Neczt, welches im Namen der Königin gesprohen wird, und 2) der sogenannte native state der einheimishzn Jurisdiktion der Gingeborenea, In den Protektorats- verträgen, die von der niederläadishen Regierung mit den ein- heimishen Häuptlingen abgeschlossen worden sind, hat diese eine Bürgschaft für ihre erworbenen Rechte. Ste ift in diesen Schuß- gebieten von jeher bestrebt geroesen,. R LONT im Recht zu beseitigen, die Guropäer und die Orientalen aus der Jurisdiktion der Häupt- linge auszusheiden und Grausamkeiten im Rechtsverfahrer der Eingeborenen abzustell-en, die nach europäischen Begriffen Unrecht sind. Ja dem „Gouvernementsgebiet“, den Ländern unter direkter niederländisher Verwaltung, haben im Laufe der leßten 2 Jahre die einheimishen Richter dea von der . Regierung mit den Richteramt betrauten Häuptlingen den Plaß geräumt ; auch hier gt? für Europäer cin anderes Recht als für die Eingeborenen, für die vor nehmlich ihre religiösen Gesetze, Sitten und Gebräuche in Anweadung kommen sollen. Dieser Grundsaß hat sich durhweg als richtig erwicfen ; denn nur die in das Bewußtsein eines Volks aufgenommenen i rihtungen genießen dessen Achtung und haften. Dies zeigt si stets, remdes Recht zur Rezeption gelangt, beispielsweise au bei Den, Sei ührung des moslemishen Rechts in die vom Islam e En Gebiete. Das mohamedanishe Rehi fol in diesen Län

S

eigentlich bedingungslos gelten, Volksinstitutionen sollen da- e E niht oder nur in seltenen Ausnahmefällen zur Geltung kommen. Ds die Verhältnisse siad in diesen Fällen, au in Niederländish-Ostindien, stets stärker gewesen als das moslemische Regt. Dieses hat weihen müssen. So herrsht auf Sumatra zum großen Theil unter den rig gui niht mohamedanisches Ehe- und Erbrecht. Dort besteht heute noch das Matriarchat, das fog. Mutterrecht, in voller Kraft, nach dem die Ehegatten keine eigene Familie bilden, leßtere vielmehr auss{ließlich aus der Mutter mit ihren Nachkommen und demnähst den Brüdern und Schwestern mit ihten Kindern besteht. Der Mann und Vater ist für seine Kinder ein Fremder; er gehört in die Familie seiner Ge- s{chwister, in der] er“ auch sein eigentlihes Unterkommen findet. Die Güter der Ehegatten find völlig getrenat, und die Geshwister des Vaters uad ihre Nachkommen erben voa ihmck nicht seine Kinder, für die er lediglich über das von ihm felbst durch Arbeit erworbene Gut verfügen kann. Dieses von den Mohamedanern als Greuel an- gesehene Multterrecht konnte troy blutiger Kämpfe und Niederwerfung von Aufftänden am Anfang diejes Jahrhunderts im Sunda-Archipel nicht beseitigt werden und besteht auf Sumatra und in den Bergen von adang heute noh. Dagegen handelt die Kolonialregierung nah dem Rechte der Selbsterhaltung, wenn sie den Saß aufstellt und seine Durch- führung sichert, daß der Richter religiöse Gebräuche, die den europäishen Anshaunngen von Sittlichkeit widerstreiten, nicht an- erkennen darf; befonders wichtig wird. dies für das Strafreht, welches europäisbe Richter häufiger als das Zivilrecht in Anwendung zu bringen haben. So gilt da, wo noch etinheimishes Recht herrscht, 4. B. bei den Dajaks auf Borneo, die Blutrache, aber nur innerhalb einer bestimmten Qn A dem Morde; ist diese ver- {trichen, dann müssen die Geschädigten Wer- oder Sühnegeld an- vebmen. Es gilt dort für die einzelnen Körpertheile ein bestimmtes Preiéverzeihniß; für alle Körpertheile zusammen steht der Preis von 86 Realen fest, mit der Maßgabe, daß für Frauen ftets nur halb fo viel Wergeld wie für Männer zu zahlen ist. Auch bei Diebstahl gilt dort allgemein das MRachereht, wenigstens beim Ergreifen auf frisher That; es is dann gestattet, den Dieb zu tödten. Da, wo es um die allgemeine Ruhe, Ordnung und Sicherleit der Personen und Güter handelt, sind indeß von jeher die europäishen Rectsgrundsäße bes altholländischen und römischen ets in Anwendung gekommen. 1872 hat die niederländish-indische Ne- gierung, wie England in British-Indien und Frankreich in Cochinchina, ein eigenes Strafgesetbuch für die Eingeborenen erlassen, doch ist deren Bestrafung in vielen Fällen heute noch fehr s{wiertg. Auch im Zivilrecht der Eingeborenen sucht die Regierung Reformen einzu- führen. So ks sie gegen die Schuldhaft streng vorgegangen, die den Schuldner und dessen Nachkommen zu Sklaven erniedrigt, und der Krieg gegen Atjeh is aus dem Widetstreit dieses Stammes gegen die Bestrebungen der Kolontalregierung entstanden. Auch bie Leibcigenshaft auf Java ist \{chon aufgehoben, ebenso die Pfändlings- haft des mittellosen Mannes auf Sumatra, der den Kauf- preis für seine Frau an deren Sippe nicht hat zahlen können ; in solchen Fällen wurde die Frau, wo sie uach der Landessitte in die Familie des Mannes übertrat, Sklavin. Diese Anschauungen der Eingeborenen boten der Regterung anfangs s{were Hinderuisse. Da von einem europäischen Nichter, dec in den Gouvernementsgebieten als Vor- fißender mit einheimishen Richtern als Beisigern zusammenwirkt nur für Ehe- und Erbschaftssachen siad die lediglich aus Eingeborenen bestehenden Priesternäthé beibehalten worden —, Unkenntniß der religiösen Anschauungen und des ganzen Volkslebens zu befürhtei war, ist, wie der Verfasser am Schluß seiner Abhandlung mittheilt, eine richterlihe Koloniallaufbahn von der niederländischWen Regierung ein- geführt worden, die den Juristen zunächst in weniger verantwort- licher Stellung die Möglichkeit {chaffi, Land, Leute und Sitten, wie Rechte und Volks8anschauungen geuauer kennen zu lernen. Geheimer Ober - Regierungs-Rath Dr, Karl Krohne, vor- tragender Rath im preußischen Ministerium des Innern, erörtert die Stellung und Aufgabe des Strafvollzugs in der Stra f- rewtspflege der Neuzeit. „Der Zwek im Recht ist der Schutz der Lebenkéinteressen der Gesellschaft“, und der „Zwcck im Strafrecht der verstärlte Schuß befonders ([Nopwürdiger und s{chußzbedürftiger Interessen durch Androhung und Voll¡ug der Strafe“. An diese Ausfprüche Rudolf von Ihering's und Franz von Lifzt's anknüpfend, be- tont der Verfasser, daß das Fundament der modernen Straf rechtépflege international if. Zwar if dieselbe im Zusland seh“ verschteden, gemäß den nationalen Institutionen, doch stelit sich di:-se Verr siedenheit nur als eine äußerliche dar. Wie für die Politik, so gilt auch für die Strafrehtépflege und deren Richtung der Satz: Salus publica suprema lex. An der Gestaltung und Handhabung derselben sind Geseyaebung, Wissenschaft und Strafvollzug in gleicher Weise betheiligt. Dem leßtgenannten Faktor der Strafrehtspflege, dem Strasfvollzug, ift indessen gegenüber der großen Mühe und Sorgfalt Tausender, die der Ausarbeitung des Rechts Jahrhunderte hindurch gewidmet worden is, bisher nur wenig Beachtung zu theil ge- worden. Auch die Wissenschaft hat denselben fast übergangen. Sie if} zu vornebm, um die vielen grausamen Urtheile, die von den Zeiten der Römer an bis in unser Jahrhundert hinein ausgeführt wurden, einer aufmerksameren Beachtung für werth zu halten, während sie als Führerin und Wächterin des Rechts längst energishen Einspruch Warn derartigen Strafvollzug hätte erheben müssen, der mit den nteressen der Allgemeinheit zu oft im Widerspruch stand. So gab es in London, wenn ein Taschendicb gehenkt wurde, kaum einen besseren Geschäf1stag für Leute seinesgleihen, und man hat durch die Zu- sammensperrung der verschievenartigsten Jndiv;duen in Zuchthäusern und Gefängnissen diese letzteren zu wahren Brutstätten ded Berbrehens auswachsen schen. Der erste moderne Staat, der diesem Uebel abzu- helfen bemüht war, sind die Niederlande gewesen. Hier sah man zuerst in dem Verbrecher den Menschen, den es wieder zu einem nüß- lien Bürger zu erziehen gelten mußte. In dieser An- shauung lag ein Weg für die Reform des Strafyollzugs. tesem Beispiele sind dann die deutschen Reichsstädte gefolgt. Papst Clemen3 X1. baute eine Besserungeanstalt für Verbrecher, und die Quäker besuchten die Gefängnisse, um die Verbrecher um Christi willen zur Buße und Besserung zu bekehren. John Howard hat die britishen Gefängnisse durchwandert und die Mißstände der Welt kund- gethan, die er daselbst gefunden hat; denn eine Nevision des Straf- volzugs Tonnte faum cher sich Bahn brehen, als bis man in jedem erbreher neben dem Individuum stets auß ein Produkt bestimmter fozialer Zustände und ein Glied einer gegebenen sozialen Schichtung u fehea sich gewöhnt hatte Wird der Say anerkannt, daß der Verbrecher nit vernichtet, sondern gebessert werden soll, fo tritt damit auch der Strafvollzug gleihwerthig neben die anderen Faktoren der Rechtspflege. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts findet man in allen Geseßbüchern die Abshrelungstheorie herrshend, die, wie dou aus den Bezeihnungen der {weren Freiheitsstrafen in den einzelnen Ländern als „schwerec Kerker“, „ponal servitude“ u. f. w. bervorgeht, es auf die Vernichtung des Verbrechers abgesehen hat, Dem Strafvollzug kam die erste Hilfe von seiten der Politiker. Diese suchten dem Wachéthum des Verbrechens, das sie erschreckte, entgegenzuarbeiten. hnen wurde von Aerzten, Philosophen und Sozialpolitikern Bei- ftand geleistet. In Deutschland hat von Holyendo1ff zuerst dahin gewirkt, dem Strafpollzug seine gebührende Stellung in der echtspflege zu fichern; nah seiner Anschauung „giebt der trafvolzug der Strafe erst Wesen und Inhalt uad is be- sonders geeignet, der sozialpolitishen Aufgabe der Strafrechts- pflege gerecht zu werden“. Seit 17 Jahrhunderten is der Kamp? füc dieje sozialpolitishe Auffassung des Strafvollzugs in den Kultur- staaten p worden, und er hat den Erfolg gehabt, daß man allmählich die ritige Erkenntniß von der Bedeutung des Straf- vollzuas gewonnen hat. Bei dieser Auffassung treten nun an den Stra}vollzug neue, vorher niht geahnte Aufgaben heran, Da derselbe die Sicherung der Lebensinteressen der Gefell- saft zum Zwccke hat und ihm die Aufgabe gestellt ist, aus einem avnormen Menschen wieder einen normalen duch die rihtige Behand- ae zu machen, so ift es vor allen Dingen die Individualität des erbrecherishen Menschen, die man zu erkennen die Pflicht hat, um

‘ihn dieser Erkenntnis

entsprehend durh die Behandlung zu bessern. Die eute bestehenden, nur dem Wort- laute nach verschiedenen, in der Behandlung der Verbrecher wenig von einander abweichenden Freiheits\trafen, a der Verfasser aus, beruhen auf dem falshen Prinzip etner Behandlung mit bedingtem und mit unbedingtem Arbeit8szwange. Hier ist elne historische Ver- folgung der Abstammung und des Lebens eines jeden Verbrecers nothwendig. Der Mann ift anders zu behandeln als das Weib, der Erwachsene anders als der Jugendliche, der Gebildete anders als der Ungebildete, der vom Lande Stammende anders als der Großstädter. Der Strafvollzug foll, wie es auch Papst Clemens XI. aus- drüdte, durch die Strafe den Verbreher zuglei beugen unter die Ahtung vor dem Geseß und vor der sozialen Ordnung und ihn erziehen zu einem- nüßlihen Mitglied eben dieser sozialen Ordnung, deren Lebensinteressen seine verbreherishe That gefährdet hatte. Darum if} etne Zusammensperrung s{chwerer Verbrecher mit solchen, die nicht so hart sih vergangen haben, s{ädlich; denn diese Strafe beugt fie nit, sie macht erfahrungsgemäß die weniger shweren Verbrecher noch in höherem Grade zu Feinden der Gesell- schaft. Dagegen soll man die Einzelzele gegen Wider- spenstige anwenden; denn in der Einsamkeit kommt dem Sträflng der Gedanke an seine Schuld, und dieses Moment zur Erzeugung dec Buße if von den Quäkern mit Erfol in Anwendung gebracht worden. Der Verfasser ist der Ansicht, daß einer falschen Behandlung eine große Anzahl rückfälliger Verbrecher auf das Konto zu seßen ist. Er fordert darum mit Entschiedenheit eine bessere Ausbildung der \trafvollziehenden Beamten. Der Ver- breher ist ihm ein sozialer Kranker, und wie es heilbare, bedingt heilbare und unheilbare Kranke giebt, so sind auch diese sozialen Kranken nach "Graden der Besserungéfähigkeit zu unterscheiden. und dementsprehend zu behandeln. Der Strafe vollzug muß ebenso wie die Krankenpflege und die Hygiene verbessert werden. Die heutige, oft rühmlih hervorgehobene Reinlich- keit und peinlihe Ordnung in den Gefängnissen, auf die von den Gegnern als auf eine für den Verbreher ungereht: Rücksicht- nahme verwiesen wird, stellt sich nah ten Anschauungen des Verfassers nux als etwas rein Aeußerlihes dar und geschieht mehr zum Schuß und zur Hygiene für die Außenwelt, die in den Gefängnissen leine YJufektionsherde dulden kann, als aus der tieferen Ueberzeugung von dem Werth des Strafvollzugs als Faktor der Nechtsrflege. Die erziehende Wirkung, “die der Straf- vollzug, rihtig angewendet, haben würde, erhelle hon aus der er- shreckenden Thatsache, die das heutige System erzeugt habe, daß in Preußen 33 %/o der minderjährigen Verbreher und 429/60 der Ver- breher bis zum 46. Lebensjahre gewissermaßen zum Ver- brechen erzogen worden seien. Deéhalb fei die Forderung aufzustellen, daß man dem Verbrecher, soweit es seiner Individualität entspreche, zum Wiedereintritt in die Gesell- {haft Gelegenheit geben soll; denn unter den Verbrechern seten viele minderwerthige, chwache Individuen, die allein den Kampf um das Dasein zu führen niht im stande gewesen und fo allmählich zum Schaden der Gesellschaft zu Verbrehern geworden seien, und bei denen, wean ihnen nicht Beistand ge- leistet werde, die Gefahr der Nückfälligkeit vorliege. Von vorwiegend theoretisher Bedeutung is der Beitrag des Land- gerihts - Raths Dr. Ernft Neukamp in Göttingen über das Zwangsmoment im Necht in entwickelungsgeschichtlicher Beleuchtung, der alle Zweige des Rechtsgebiets ins Auge faßt, soweit fle für die Entwikelungsgescbichte des Zwangémoments im Necht bedeutsam sind.

„Aus dem Gebicte der Volkswirthschaft bringt Dr. Hermann von Schullern zu Shraitenhofen, Privatdozent der politischen Dekonomie an der Universität in“Wien, die Grundlagen der neuesten Steuer-Reformen zur Darstellung. Er geht dabei von der ncch nit abgeschlossenen Reform der österreihishen Gesetzgebung über die direkten Steuern aus, die bei der im Jahre 1812 eingeführten Grwerbsteuer einer „Ertragsfteuer im \{limmsten Sinne des Wortes“, welche der Napoleonischen Bedrängniß ihre Enlstehung verdankte und bis zum Schluß des vorigen Jahres auf Fabrikbetrieben, Handels- unternehmungen, Künsten, Gewerben und Dienstleistungen (Ertheilung von Unterricht, Geschäftsvermittelung, Beförderung von Personen und Sachen) lastete sowie bei der dur Kaiserliches Patent vom Jahre 1849 „proviforisch“ eingeführten, thatsählih aber fast 50 Jahre lang erhobenen fog. Einkommensteuer einseßte. Die leßtere zeifiel in drei Klassen, von denen die erste im wesentlichen nur die Belastung der Gewerbe erhöhte. Die ¿weite Klasse war eine überaus stark progressive Besoldungs- steuer (1—10 9% der Bezüge, mit 70 bezw. 100% igem Zu- schlage und Freilassung eines Existenz-Minimums von 630 Fl), die dritte cine Kapitalrentensteuer, von der 315 Fl. Renten frei waren, wenn nachweitbar der Bezugsberechtigte keine anderen Einkünfte hatte. Interessant sind die Mittheilungen des Verfassers über die Geschichte der öfsterreihischen Steuer- reform. Von dem ganzen S elePgeBungswerte vom 25. Oktober 1896 is nur die Perfonal - Einkommensteuer eine wirkliche Neuerung und von modernen Ideen getragen; alle anderen Theile der Reform, die allgemeine Ecwerbsteuer (eine Roh- ertragésteuer, welhe alle jene * trifft, die ein Gewerbe oder einge fonstige Beschäftigung zum Zwecke der Erzielung eines Gewinnes betreiben, mit Au83nahme der Beamten, der Pes mit Lande und Forstwirthschaft beschäftigenden, sowie der Personen, deren Gewinne nur einen minimalen Betrag ausmachen), die Erwerbsteuer der zur öffentlihen Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen (eine Reinertragésteuer der von der Personal-Ein- kommensteuec freien juristischen Personen) und die Rentensteuer, stellen nur Verbesserungen, keine grundlegende Umgestaltung dar, ob- wohl auch le die Entlastung der weniger \teuerkräftigen Bevölkerungs- \{ichten anstreben. Die Kritik der neuen österreihishen Steuern, von denen die Personal-Einkommensteuer vorläufig nur den Charakter einer Ergänzungösteuer hat, während ihr die vorherrschende Stellung zukommen follte, giebt dem Verfasser Gelegenheit, einen Vergleich derselben mit der preußischen Eiakommensteuer anzustellen, der durchaus zu Gunsten der leyteren ausfällt. Wenn aber auch die österreihis{he Reform bisher noch niht fo weit gegangen ist, wie die preußishé, so ist sie doch den Verhältnissen der meisten anderen Staaten hon weit voraut- geeilt. Nach dem Vorgange Preußens hat man auch in Oesterreich die Anpassung der Steuerlast an die Leistungsfähigkeit der Steuer- träger und Hand in Hand damit die Entlastung der Personen mit f RoeO Ginkommen als leitenden Gedanken aller Refocmen be- rachtet.

Professor Dr. M. Biermer in Greifswald verbreitet sih über die britishe Arbeiterbewegung, ein Thema, mit dem zuerst Brentano’s am Anfang der siebziger Jahre erschieneàes grundlegendes Werk „Die Arbeitergilden der Gegenwart“ das deutshe Publikum bekannt gemaht hat. Brentano hat erstmals das Aufsteigen des Arbeiterstandes untecsuht, und das Prinzip der Assoziationsfreiheit hat in ihm und feiner Schule warme Vorkämpfer gefunden. In Gngland wirkten deren Schriften wie ein Stimulus, und das Versäumte nachholend, schuf man ¡jenseits des Kanals eine umfangreihe Literatur über die Arbeiterbewegung. Die optíimistische Anshaaung der Arbeiterbewegung hat zur Nachprüfung der thatiählihen Verhältnisse herauszefordeit, ‘und eine Reihe industrieller Vecbände haben fh eingchend mit dem Studium jener Bewegung beschäftigt. Je nahvem die in die britishen Industrie- zentren entsandten Berichterstatter die Bewegung vom Standpunkte der steigenden oder der sinkenden Konjunktur aus betrachteten, cder mit mehr oder weniger ODbjektivität verfuhren, lauteten ihre Urtheile verschieden. In den leyten 5 Jahren nun hat die britische Arbeiterbewegung andere, Bahnen eingeschlagen, als die ena und die deutshen Autoritäten vorchergejazs haben. Man muß sich vor dem Febler hüten, den wirthshaftlihen Glan Bro hiritannlens zu übershäßen, und daf niht übersehen, da Deutschland andere Bahuen in politisher und sozialer Be- at zu wandeln “hat als roe da die deutsche

utfassung von Staat und Volkswirths{haft verschieden von der

britischen is. Die Chartistenbewegung in England zweckte, eine Aenderung der Rehts- und Wirthschaftsordn Interesse der Arbeiter herbeizuführen, \cheiterte wegen politis revolutionären Natur, legte aber den Grund zur Idee ie Assoziation. Die Gründüng von Unterstützungskassen, Genossenschaften und Gewerkvereinen wirkte wohlthätig und besserte die Lage der Be- theiligten. Eine unzweifelhafte soziale Hebung der englischen Arbeiter- haft trat damit ein, aber ein neuer Geist, etwa durch Carlyle beeinflußt, macht sch niht bemerkbar. Die besseren Arbeiter- elemente haben fsich eine befriedigende soziale Ordnung ge- schaffen, aber durchaus nicht für die Allgemeinheit, sondern nur für einen Theil der Arbeiterschaft. Dies wird in Deutschland übersehen. Nah langen und s{hweren sozialen Wirren hat si drüben eine Scheidung der besseren Elemente vollzogen, eine „Aristokratie der Arbeiterschaft" is entstanden; diese bildet den Kern der Trade-Unions. Von nun an tritt die geschlossene Berufsgenossen{Haft ftatt des einzelnen Arbeiters in den Lohnkampf ein. Das größte wirthschafts- politische Produkt der CTrade-Unions bilden die Einigungskammern. In diesen im Wege ber sozialen Selbstverwaltung geschaffenen Einigungékammern sißen Arbeiter und Arbeitgeber an einem Tische zur \riedlihen Schlichtung von Streitfragen ; so entstand ein modecnes Arbeiterreht. Die Enquête über Arbeiterverhältnisse von 1891 bis 1894 hat festgestelt, daß fich seit den 40er Jahren die Lage der britishen Arbeiterscha\st wesentlich und andauernd gebessert hat. Der Saß „the rich richer, the poor poorer“, als soziales Entwickelungsprinzip, hat durch die Enquête einen neuen, kräftigen Stoß erlitten. Der den Kern der Trade-Unions bildenden Aristokratie der Arbeiter steht freilich der nit fkoalierte arme Arbeiter und ‘/s aller britishen Arbeiter sind arm gegenüber; bei ihm findet man in England Arbeitslosigkeit, Massenelend, Ueberstunden 2c. Die Reform der Gewerkvereinigung vollzog si in der Zeit von 1850 bis 1880, einer Periode glänzender nationalöfonomisher Æutwidelung Er britanniens; in dieser Periode steigender Konjunktur für die britische Industrie konnten die Unternehmer Konzession auf Konzession machen. So wuhsen Macht und Wohlstand der CTrade-Unions, und diese spielen heute eine große Rolle in den posliti- {en Parteikämpfen Großbritanniens. Die Arbeitervertretung ift diplomatisch fehr gewandt, fehr glatt nah oben und fehr exflusiv nah unten. Man hat es also niht mit einem sozialen Frieden, sondern mit einem sozialen Waffenstillstand zu thun. Während nun bei steigender Konjunktur die Unternehmer große Konzessionen machen konnten, ift das Ergebniß des Lohnkampfes bei siakender Konjunktur meist ungünstig für die strikenden Arbeiter, und da die Konjunktur der britishen Jndustrie im allgemeinen seit zwet Jahrzehnten sinkt, fo hat die Zahl der verlorenen Strikes beträchtlich zugenommen. Von 1870 bis 1880 kaben ca. 2350 Arbeits- einstellungen ftattgefunden, von denen allein 114 den Arbeitern 102 Millionen Mark an Löhnen entzogen haben. Es - hatten \ich inzwischen au die ungelernten Arbeiter} organifie:t, Aeußerlih unter den bewährten Formen der Trade - Unions traten diese mit radikalen Programmen in die Arena. Dieses Auftreten der neuen, ftrikelustigen Gewerkvereine führte zu heftigen Gegensäßen und damit zu Kämpfen der beiden Nichtungen der Trade - Unions auf den Jahreskongressen. Schoa auf dem Gewerkvereins-Kongreß zu Liverpool im Jahre 1890 hat die Politik der Ungelernten die Billigung der Mehrheit ge- funden. Durchaus in das sozialdemokratishe Lager übergegangen ist die britishe Arbeitershaft jedoch nicht; dazu is sie yolfswirthschaftlih zu gut durchgebildet, und der britische Arbeiter ist nit nur praktisch, sondern auch national gesinnt. Aber es läßt sich eine gewisse Nadikalisierung der Ansichten nicht leugnen, und der Verfasser bemerkt daher zum Schluß, man müsse sih vor der von Brentano und feiner Schule zu günstig beurtheilten Ueberspannung des Koalitionsprinzips, wie es sih in Großbritannien herauëgebiidet habe, hüten; andererseits seien verständige Koalitionen geciane, planlose Strikes unmözlih zu machen und das System der ues Enquêten, der Arbeiterauss{chü}e und Einigungsämter zu ördern. j

Von den übrigen Beiträgen verdienen noch Beachtung der zweite Theil einer Abhandlung über „Die Geisteskranken als Verbrecher“ von Raoul de la Grasserie, Richter in Rennes, übersezt von Ernst Waltjen, Gerihts-Assessor in Berlin, ein Aufsaß über „Die Revision des Erbrechts in Belgien“ von Dr. F. van Biervliet, ordentlichem Professor an der Universität Löwen, überseßt von Dr. Ernst Rosen- jeld, Kammergerihtê-Referendar in Berlin, der erste Theil der „Bei- trâge zur Geschichte der diplomatischen Verhandlungen zwischen Rußland und England im 18. Jahrhundert“ von Professor Vasilij Nikiforovié- Alexandrenko in Warschau, ein Aufsaß über „Vie Arbeitecfrage in den Kolonien“ von Karl von Stengel, Professor der Rechte in Vlünchen, und eine für Nationalökonomen und Soztalpolitiker besonders werthvolle Ab- handlung über den „Zug der Gesetzgebung in den Vereinigten Staaten hinfichtlih Kavital und Arbeit“ von Frederik A. Cleveland, Dozent der Staatswissenshaften in Chicago. Von dem Inhalt dieser Auf- säße auch nur in Umrissen ein. Bild zu geben, verbieten die Mannig- faltigkeit des Stoffs und der knapp benessene Raum.

Bilder aus der deutschen Seekriegsgeschichte von Germanicus bis Kaiser Wilhelm 11. Ven Vize - Admiral a. D. Reinhold Werner. Mit 165 Abbildungen nach Quellenwerken und Originalzeihaungen von A. Hoffmann, H. Petersen u. A. München, J. F. Lehmann's Verlag. Pr. geh. 9 A In diesem Buche wird zum ersten Male von einem hérvorragenden Fahmann eine zusammenhängende Geschichte der Eatwickelung der deutschen Flotte von den älteflen Zeiten bis auf den heutigen Tag dargeboten. Der ‘Verfasser s{ildert, von den Kämpfen und Raub- zügen der Brukterer, Friesen und Wikinger mit ihren primitiven Fahrzeugen beginnend, wie später die deutshe Hansa eine Welt- macht wurde und England ihre Geseße aufzwang und wie die nordishen Könige nur mit Erlaubniß der Hansa ihre Kronen an- nehmen durften. Was Eintracht stark gemacht hatte, zerfiel dur Zwietracht, und mit der Stärke der Flotte ging auch der blühende deutshe Handel zu Grunde. Der Große Kurfürst hatte mit seinem weiten Blick die Bedeutung - einer Flotte für sein Land erkannt und bot alles auf, sie zu heben und ein Kolonialreih zu s{afen, aber leider ohne dauernden Erfolg. Erst 200 Jahre später wurde sein Werk wieder fortgeseßt. Der Darsteüung der Flottengründung im Jahre 1848 sowie der Norddeutschen und der Reichsflotte ist selbftverständlih cin besonders breiter Raum gewidmet. Es wird darin dargelegt, wie die deutshe Flotte durch die Fürsorge, welche Seine Majeftät der Kaiser Wilhelm 11. seit seiner Thronbesteigung derselben widmet, mächtig gewachsen ist, sodaß fie in vielen Fen bereits kraftvoll für die Interessen des Reichs eintreten konnte. Wegen seiner zugleih unterbaltenden und belehrenden Form und der Be- geifierung für die Sache der deutshen Flotte verdient das Werk, welches auch vorzüglih illuftriert ist, als Feftgeshenk für die Juzend befondere Beachtung. i

Die Kohlenbrenner. Erzählung von Zawharias Nielsen. Autorisierte Pebersegnng aus dem Dänischen von Pauline Klatiber. Verlag von Fr. Wilh. Grunoro ia Leipzig. Schön ge- bunden, Pr. 5 # Der dänishe Dichter verbindet in feiner Novelle mit der Schilderung des Swicksa1s seines Helden eine fo lebendige Zeichnung der kulturellen Entwickelung des Volkes, daß auch solhe Leser davon werden ergriffen und erfüllt werden, welche mit den innerstaatlichen Verhältnissen Dänemarks niht eingehend vertraut nd. Die Erzählung beginnt mit der Schilderung eines Ge- chlechts von Kohlenbrennern, welche wild und gewaltthätig in den ihten Buchenwäldern Seelands hausten. Syend At ohr | der see- - ländishe Bauer und 1ypishe Kohlenbrenner, bildet das Bindeglied zwischen der alten Zeit, welhe mit ihrem Elend, ihren Frohn- Sora b und i K Jus rwe v Pi es i in \st

nderjahre und Jugen neinreiht, un r neuen Zeit, welche das Joch des Bauern gebrochen und seinen Geist aus ela der Unwissenheit 62 lôst hat. Mit der Entwickelung des dänischen

mathlandes t die geiftige und feelishe GEntwick-lung des und wilden Svend gleichen Stihritt. Aus dem äderuittblgoi