1892 / 25 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 29 Jan 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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Deutscher Reichstag. 159. Sißung vom Donnerstag, 28. Januar. 2 Uhr.

Am Tische des Bundesraths die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Malyahn und Freiherr von Marschall.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Anwendung der ver- tragsmäßigen Zollsäße auf das am 1. Februar 1892 in Deutschland vorhandene unverzollte aus- ländishe Getreide, wozu nah den Bes [üssen zweiter A Holz und Wein treten. H G

__ Abg. Fritzen- Koblenz (Centr.): Die Ablehnung der Lom- missionsbesGlüso wegen Ver Begünstigung der auf dem Wege nach Deutschland befindlichen Getreidevorräthe habe die l etreideinterefsenten am Rhein und in ganz Westdeutschland gegenüber ihren Concur- renten , welche Transfitlages hätten, in eine E Lage verseßt; denn sie hätten , da sie keine Transitlager besäßen, große S vorräthe in Holland liegen, für die nun die differentielle - O - lung eintrete, wenn sie nicht nahwiesen, daß ihr Getreide eig trags- oder meistbegünstigten Staaten herstamine. E e ero fei nicht leiht, in vielen Fällen unmögli. Der Reichskanzler habe nun zu seiner Beruhigung jede Erleichterung dieses S zuge- sagt, und er bitte daher den Schaßsecretär, daß die 90 S D Sintélstaaten sofort angewiesen würden, die Grlei terungsformalitäten

urchzuführen. : ;

Abg. Freiherr von Stumm (Np.): Im Jahre Le die Transitlager unter Zustimmung aller Parteien und des damaligen Reichskanzlers zu stande gekommen. Jede Erweiterung der Zoll- begünstigungen müsse abgelehnt werden. Schon jeyt set in anderen Ländern die Ansicht weit verbreitet, daß man von , eutschland au ohne E dieselben Vortheile wie die Vertragsstaaten erlangen könne ; Deutschland müsse daher Alles vermeiden, was feine

osition gegen das Ausland noch weiter shwäche.. Das gelte nament- ih von der Concurrenz des spanischen Weins, Er und ein großer Theil der Reichspartei werde gegen die Erleichterungen für Wein stimmen, und wenn diese angenommen würden, gegen- das ganze Geseß.

Abg. Rickert (dfr.) : Die Sache habe sich materiell und forme vollkommen anders verhalten, als der Abg. Freiherr v. Stumm es darstelle: es habe 1879 lange gedauert, bis die Abneigung des Fürsten Bismarck gegen die Transitlager überwunden worden sei. Er begreife au nit, wie der Abg. Freiherr von Stumm nach den Erklärungen des Reichskanzlers bei der zweiten Lesung am 26. d. M. sagen könne, er werde mit seinen Freunden wegen der Ausdehnung der Begünsti-

ungen gegen die ganze Vorlage stimmen. Bei einem N eiligen Gese önne do auf solche Weise nicht verhandelt werden, und es habe si wieder einmal gezeigt, wie falsch es sei, folche Verhandlungen dem ufall einer Sißung im Plenum zu überlassen. An die Herren vom entrum, die sih für die Cinbeziehung der Mühlenlager interessirt hätten, richte er die dringende Bitte, diese Erweiterung aufrecht zu erhalten. Man würde es im Lande nicht verstehen, daß man der Be- völkerung eine solche Erleichterung vorenthalte. Leider habe man die {{wimmenden Lager nicht im Gesez. Den Erklärungen des Reichs- éanzlers gegenüber fönne er nur bitten, daß der Reichstag das Geseß in der aus der zweiten Berathung hervorgegangenen Form annehme.

L von Kleist-Retzow (cons.): In der späten Stunde einer Abendsißzung sei man zu cursorisch über diese Angelegenheit inweggegangen. Es handele sich hier nicht darum, Begünsti ungen ir die ÎIntéressenten, sondern Erleichterungen für die B ovölterung herbeizuführen. Wenn Interessenten begünstigt würden, fo Wi es natürli, daß die Holzhändler, Weinhändler und Mühlenbesitzer fämen, um die Berücksichtigung ihrer Interessen zu fordern. Er halte es der ganzen Situation des Reichstags für unangemessen, auf diese Weise erfoiiale und Specialinteressen zu berücksichtigen. Es sei nicht richtig, daß* cin Compromiß stattgefunden und der Reichs- kanzler erklärt habe, daß er den Anträgen der N zustimme; er Yabe nur gesagt, wenn die Anträge so seien, daß sie den Inten- tionen der Regierung entsprächen, so werde er sie annehmen. Er stehe mit der Regierung auf dem Standpunkt, Zollerleihterungen nur ien Interesse der sangen Bevölkerung eintreten zu lassen und sei gegen alle Zusäße der Commission. : e

Abg. Dr. Buhl (nl.): Von einer unangemessenen Begünstigung Einzelner könne hier niht die Nede L Die Beschlüsse zweiter Lesung wollten nur den Interessenten Erleichterungen gewähren und den Zollbehörden selbst den Uebergang möglichst erleichtern. Es sei nicht zutreffend, daß die großen Mühlen auf Kosten der kleinen begünstigt würden. Wenn die Beschlüsse der zweiten Lesung ange- nommen würden, so würden vielleiht in manchen Fällen einzelne Be- fißer einen Nachtheil haben, im O und ganzen aber die Be- \timmungen von dem ganzen Müllergewerbe auf das angenechmste empfunden werden. Was die Erleichterungen für Wein anbetreffe, so handele es sich nicht um Wein, der etwa noch in Malaga, fondern nur um den, der am 1. Februar in Deutschland selbst lagere. Er bitte dringend, die Beschlüsse der zweiten Lesung zu j tiren. bn von Schal\{a (Centr.): Nur die ursprüngliche Vorlage habe ihrem Zweck ent prochen, alle Beifügungen der Commission seien lediglich tendenziöser Art. Warum denn alle möglichen Kaufleute für ihre verspäteten Abschlüsse berücksichtigen ? Theilweise fei sogar auf eite dur ein solches Geseß zu erwartende Ersparung an Spei hin fpeculirt worden. Man wolle auch niht der consumirenden Bevöl- ferung, sondern ewissen anderen Staaten“ die Zollerleichterungen zu âute Le (äfen, Er constatire, daß mit der Zollverbilligung Tediglich dem Auslande gedient werden solle. Man sei aber nicht in der Lage, ihm solche Geschenke u machen. _ é

: Abe A Habfeldt (Np.): Er müsse als Vorsißender der Commission dagegen Verwahrung einlegen, daß sie tendenziöfe Be- {{lüsse gefaßt habe, sie habe ih [ediglih von Zwecckmäßigkeits- gründen Setten assen. Bei seiner Abstimmung über die vorliegende Frage Tônne er sich den Motiven, die den on E N

für die Beschlüsse der zweiten Lesung

niht anschließen und werde o Im Namen der Fnteressenten, welche

Abg. Möller (nl.): 1 G ihre Waare nid in Transit. oder Milan b tapangen in de Ur dringend wünschenswerth, auc) d!

Sblhtiten O esetes einzuschließen. Im M Ne e \{wierig sein, in diesem Punkte eine beruhigende Gr! Us Zundesrathes zu extrahiren, er verzichte jedo darauf, einen Antrag einzubringen und hoffe, daß die versprochene Erleichterung in den Abfertiguugsformalitäten auch den [{hwimmenden Lagern zu gute

kommen werde „Abg. Bre : Er beantrage zusammen mit dem Abg. Büsing eine Ge na Uenbening des die Mühlenconten betreffenden

Theils des Gefe es dahin: j N „Das e 31. Sanuar 1892 einshließlih in einem Zoll- U „für zu verarbeitendes ausländisches Getreide angeschriebene Getreide, welches nah amtlicher Feststellung am 1. Februar 1892 im unverarbeiteten Zustande in den der HZollbehörde angemeldeten - Näumen oder in Form von vergütungsfähigen Mühlenfabrikaten in den zur Aufbewahrung derselben dienenden Räumen vorhanden ist, wird, soweit mangels entsprechender Ausfuhr von Mühlen-

zum Deutschen Reichs-Anze

Zweite Beilage

Berlin, Freitag, den 29. Januar

fabrikaten bei den Abrechnungen für das zweite, dritte und vierte

Quartal 1891/92 eine Verzollung von Getreide einzutreten hat, zur

Entrichtung der vertragsmäßigen Zollsäße ugntassen h i Es handele sh wesentlih darum, die Beschlüsse der zweiten Lefung mit der Praxis der Zollbehörden in Einklang zu bringen ; alle die- jenigen, welhe für die Einbeziehung der Mühlenlager in die Zoll- vergünstigung seien, bitte er, für seinen Antrag zu stimmen. Alle diejenigen, welche ih durch den Ausschluß des noch nicht in Deutsch- land befindlichen, gleihsam in ausländischen Transitlagern lagernden Getreides bestimmen lassen wollten, gegen das ganze Geseß zu stimmen, bitte er von dieser Absicht abzustehen. Nach den Er- klärungen des Reichskanzlers würden die Zollbehörden angewiesen werden, das möglihste Entgegenkommen walten zu lassen; je weiter der Reichstag den verbündeten Regierungen entgegenkomme, um so mehr würden auch sie concediren; komme aber das ganze Geseß zu Falle, so würde davon nicht mehr die Rede sein. Er bitte also, für u Beschlüsse der zweiten Lesung mit seinem Amendement ein- zutreten. \ :

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Der Reichskanzler habe keineswegs erklärt, daß die Negierungen die Bes! fe zweiter Lesung unbedingt annehmen würden, sondern er habe diese Beschlüsse als die äußerste Grenze des Annehmbaren erklärt. Darum könne es doch aber, bei aller Loyalität, jeiner Partei unannehmbar sein. Man E nichts besseres thun, als die Regierungsvorlage unverändert an- zunehmen. j

Danach wird das Geseß mit dem Antrag Broemel in seinen einzelnen Bestimmungen angenommen. /

Die Gesammtabstimmung über das ganze Geseß bleibt einstweilen ausgeseßt, weil, wenn die Beschlüsse zweiter Lesun in dritter Lesung abgeändert sind und dies geschah dur Annahme des Antrags Broemel —, die sofortige Gesammt- abstimmung nur dann erfolgen darf, wenn kein Mitglied des Hauses Widerspruch erhebt, ein solcher Widerspruh aber vom Abg. Freiherrn von Stumm erhoben wird.

Es folgt die erste und event. zweite Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend die Anwendung der vertrags- mäßigen Zollbefreiungen und Zollermäßigungen gegenüber den niht meistbegünstigten Staaten.

e O oa Kaniß (cons.): Er glaube, daß die Vorlage mit großer Mehrheit angenommen werde. Nachdem man durch die Handels- verträge einen S GIER Conventionaltarif geslossen habe, L dem Reichstage daran liegen, die a las Handels- beziehungen auf alle die Staaten auszudehnen, mit welchen das Reich überhaupt ein Interesse habe, in Beziehung zu {\tehen. Er halte den vorliegenden Geseßentwurf für eine Consequenz der letzten E Auch die Ee Ne- gierung habe fich durch das Gesep vom 7. Dezember 1891 eine ähnlihe Vollmacht ertheilen lassen, welche sich aber von der deutschen dadurch unterscheide, daß dort die Namen der Staaten, mit welchen verhandelt werden olle, genannt würden. Er wünsche, daß dies auch von deutscher Seite geschehe, und bitte, die persön- lichen Wünsche zurücktreten zu lassen, damit die Actionsfreiheit der Regierung möglihst wenig beschränkt werde. Die- Frage, welche Staaten ohne weitere Verhandlungen in den Mitgenuß der Vor- theile der letzten Handelsverträge träten, sei auch deshalb von Bedeutung, weil, je größer der Kreis der meistbegünstigten Staaten sei, um #6 geringer naturgemäß die Zahl der Staaten sei, von welchen Deutschland durch Zuwendung von Zollvergünsti s Vortheile erlangen könne. Er möchte glauben, De ie Frage der Meistbegünstigung selbst in Regierungskreisen eine controverse sei. Aus dem Text der Vorlage gehe hervor, daß nach der Ansicht der Regierungen die eis regtt igung einen mit Deutschland abgeschlossenen Handelsvertrag zur Vorausseßung habe. Bis 1881 habe sie auf handelspolitishem Gebiete eine fehr geringe Bedeutung gehabt. In diesem Jahre habe das Deutsche Reich den ersten Stcifberitäg mit der Schweiz geschlossen, welcher für die Dauer des Vertrages eine gewisse Zahl von _Larifsäßen festgelegt habe. In den Verträgen mit Spanien, Italien und Griechenland 1883 und 1884 seien dann auch Ermäßigungen für gewisse weniger wichtige Artikel bewilligt worden. Es fei 1888 der schweizer Ver- trag gefolgt, welcher den Zoll für gewisse Artikel des deutschen Gewerbe-

eißes ermäßigt habe. gle Etritiäüng sêi auf Grund des Frankfurter ¡riedens Frankreich zu theil geworden, dann auch anderen Staaten. : ach- er sei der Bundesrath der Frage näher getreten, es sei 1883 ein Gefeß zu Stande gekommen, welches den wichtigen Saß enthalte, daß, wenn Tarifconzessionen, wie sie damals gegeben worden, auf andere Staaten, welche niht vertragsmäßig darauf Anspruch hätten, ange- wendet werden sollten, die Génebinigina des Reichstags dazu D esucht werden solle. Dies sei aber niemals geschehen, vielmehr Babe der Bundesrath nur eine Liste aufgestellt von Staaten, welche nach seiner Meinung als meistbegünstigt zu behandeln seien. Dieses Verzeichniß sei niemals als Gefes publicirt worden, sondern nur im Handelsarchiv, welches allerdings amtlichen Charakter habe. Nach diesem Beschluß des Bundesraths seien sämmtliche Staaten Europas, mit Ausnahme S und Monacos, im Verkehr mit Deutschland meist- begünstigt; von außer-europäishen Staaten seien niht meistbegünstigt nur die Staaten von Süd- und Central-Amerika. Wenn das Verzeichniß weiter gelte, werde sih die Zahl der meistbegünstigten Staaten in Bälde vermehren um diejenigen, deren Vertra L ablaufe, z. B. Spanien, Rumänien, Serbien und Griechenland. Die Meist- begünstigung der . Vereinigten Staaten werde merkwürdigerweise zurückgeführt auf einen Vertrag, welchen A „am 1. Mai 1825 mit ihnen abgeschlossen habe. Bei der Wichtigkeit der Frage mae sih der Bundesrath darüber klar werden, welche Staaten als meistbe na anzusehen seien; er müsse also das von ihm aufge-

stellte Verzeichniß einer Revision unterziehen.

Staatss\ecretär Freiherr von Marschall:

Der geehrte Herr Vorredner hat die-Geschichte der Frage, welche Länder als meistbegünstigt zu gelten haben, richtig geschildert. Bekanntlich ist im Geseß vom Jahre 1883 die Ermächtigung gegeben worden durch Kaiserlihe Verordnung nah erfolgter Zustimmung des Bundesraths, zu bestimmen, daß die damals an Jtalien und Spanien gegebenen Zollermäßigungen auch soldhen Staaten gegenüber Anwendung finden sollen, welche einen vertragsmäßigen Anspruh auf diese Ermäßigung niht haben. Um von dieser Ermächtigung Gebrauch machen zu können, war es selbstverständlich zuerst nöthig, festzustellen, welche Staaten überhaupt einen vertragsmäßigen Anspruch auf die Meistbegünstigung haben. Das Ergebniß dieser Prüfung des Bundes- raths is niedergelegt in einer Bekanntmachung vom 20. Februar 1885, die der Herr Vorredner richtig citirt hat. Ganz zutreffend hat der Herr Vorredner ausgeführt, daß damals die Frage von einer weit geringeren Bedeutung war, als heute, weil damals die deutsche Meistbegünstigung einen viel geringeren Inhalt hatte, als sie es vom 1. Februar an haben wird. Der Herr Vorredner hat heute bemängelt, daß damals auch die Vereinigten Staaten von Amerika unter der Zahl der meistbegünstigten Nationen aufgenommen seien. Er hat von

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iger und Königlich Preußischen Slaals-Anzeiger. Î

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einem Vertrag mit Preußen gesprohen. Außer diesem Vertrag der Vereinigten Staaten mit Preußen bestehen noch Verträge der Hansestädte mit den Vereinigten Staaten, ein Vertrag zwischen Olden- burg und ein Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen Mecklen- burg-Schwerin und den Vereinigten Staaten. In einem ähnlichen Verhältniß befinden wir uns auch mit anderen Staaten, daß nit das Reich, wohl aber die. Particularstaaten mit anderen Staaten Meistbegünstigungsverträge abgeschlossen haben, und auch in diesem Falle ist vom Bundesrath anerkannt worden, daß diese Staaten einen Anspruch auf Meistbegünstigung haben.

Sobald der Geseßentwurf, der Jhrer Genehmigung unterbreitet ist, in Kraft tritt, halteich es für selbstverständlich, daß derBundesrath abermals in eine Prüfung der Frage eintritt, welhe Staaten gegenwärtig die Meistbegünstigung genießen und welche nicht, und ih kann dem Herrn Vorredner sagen, daß der Bundesrath diese Prüfung bereits be-

gonnen hat.

Abg. von Kleist-Ret o.w (cons.): In Europa könnten nah den bestehenden Meistbegünstigungsverträgen die nach der Vor- lage zulässigen Abmachungen nur mit Rußland gemacht werden ; nun sei zwar bis zum 1. Dezember d. J. und: wohl auch länger kein Getreideimport aus Rußland wegen der dort herrshenden Noth möglich, aber für später könnten ja gegen Erleichterung der Ein- fuhr der deutshen Industrieproducte dem russischen Getreide niedrigere Einfuhrzölle zugestanden werden. Das würde aber zu den unerträg- lihen Zuständen führen, die bis zum Jahre 1887 geherrscht hätten, und zu deren Beseitigung damals die Getreidezölle erhöht worden seien. Die deutshe Roggeneinfuhr aus Rußland sei fo bedeutend, daß dagegen der Import aus allen den Staaten, mit denen das Reich jeßt Verträge abgeschlossen habe, unerheblih sei; lafse man dagegen die gleichen Zollermäßigungen auh dem russishen Getreide zukommen, so werde die Folge eine Uebe O mit Getreide sein. Um diese zu vermeiden, empfehle er die Ablehnung der Vorlage.

Staatssecretär Freiherr von Marschall:

Es ist nicht zutreffend, wenn der hochgeehrte Herr Vorredner meint, daß dieses Geseß wesentlich gegen Rußland allein Anwendung finden könnte. Nicht nur Rußland gehört zu den Staaten, mit denen wir vom 1. Februar ab niht in dem Verhältniß der Meistbegünsti- gung stehen, es ist außerdem noch Rumänien, mit dem unser Vertrag am 10. Juni vorigen Jahres abgelaufen ist, es ist ferner Portugal, welches auf den 1. Februar dieses Jahres seinen Vertrag ge- fündigt und bereits seinen Willen - dahin kund gegeben hat, zunächst in keinen provisorishen Zustand mit uns einzutreten, und ferner wird auch Spanien zu diesen Ländern gehören, obgleich hier noch immer die Hoffnung besteht, daß wir zu einem provisorischen Abkommen gelangen.

Jch kann dem verehrten Herrn Redner unmöglich in dieser Hin- sicht auf das Gebiet folgen, ‘hier zu prüfen, welches Bedürfniß eventuell dem einen oder dem andern Staat gegenüber unsererseits besteht, in ein Meistbegünstigungsverhältniß zu gelangen oder nicht. Jch kann nur sagen: wir erbitten uns diese Bevollmächtigung zu dem Zwete, einen periodishen Zustand der Meistbegünstigung herbei- zuführen, und wir werden in dieser Beziehung namentlich in tem Falle Gebrauch machen, wenn wir bei einem nicht meistbegünstigten Staat den ernsten Willen sehen, mit uns freundlihere und ständige gute Handelsbeziehungen anzubahnen.

Abg. Freiherr von Münch (b. k. F.): Die süddeutschen Getreide- interessenten wünschten eine Begünstigung des aus Rumänien kom- menden Getreides. Es handele sich nicht darum, wie der Reichs- fanzler meine, Getreide aus Rumänien einzulassen, wodurch Rumänien in seiner Geneigtheit, mit Deutschland einen a Handelsvertrag einzugehen, minder günstig gestimmt würde, ondern die Wünsche der süddeutschen Interessenten beträfen nur das Getreide, welches bereits in festen deutschen Besiß übergegangen sei und die rumänische Landes- grenze“ verlassen habe. Es sollte deshalb der Bundesrath das Ge- treide aus nicht meistbegünstigten Ländern zum ermäßigten ad einlassen, wenn es {hon vor einiger Zeit verkauft und verschifft’ fei.

Damit schließt die erste Lesung.

Jn zweiter Lesung wird der Gesehentwurf ohne Debatte mit großer Mehrheit angenommen. 2

Es folgt die erste Berathung des Geseßentwurfs über das

Telegraphenwesen des Deutschen Reichs. 4

: ei 8 1 referirt Abg. Freiherr von Buol (Centr.) über die 111 Petitionen, welche theils eine gänzlihe Ablehnung der Vorlage, theils S Abänderungen wünschten. Die Petitionen seien erst nach Abschluß der Kommisstonsarbeiten im vorigen Jahre eingegangen und führten zum Theil ganz neue Momente zur Beurtheilung der Frage des Telegraphen- regals des Reiches an. Er stelle anheim, die Petitionen dur dié zu fassenden Beschlüsse für erledigt zu erklären.

Abg. Schrader (df\r.) zur r sordnung: Er beantrage, den Geseßentwurf zur nochmaligen Erwägung an die Commission zurückzuweisen, da inzwishen eine Reihe von damals noch nicht bekannten Dingen eingetreten sei. Zunächst seien so viele Petitionen eingegangen, nicht von einzelnen Personen, sondern von O Corporationen allerersten Ranges, hinter denen ein großer Theil der Bevölkerung stehe, daß dies s{hon zur Begründung seines Antrags ausreichen würde. Aber auch andere Momente, besonders die al g der Elektrotechnik, wie sie sih auf der Ausstellung in

rankfurt gezeigt hätten, kämen in Betracht; er erinnere nur an den groß- artigen Erfolg der elektrischen Kraftübertragung, die dort gezeigt worden sei. Das Interesse der Städte an dieser Frage sei durch die Ergebnisse jener Ausstellung und des sich daran anschliezenden, von den ersten wissen- E eia und „praktischen Autoritäten besuchten elektrotechnischen Congresses mächtig gestärkt worden. Es sei niht mehr angängig, die zu wirthschaftlichen Zwecken nußbare Clektricität als quantité négligeable zu behandeln. Die Erkenntniß von der Einwirkung. der elektrischen Anlagen auf einander habe erst in der leßten Zeit solche Fortschritte gemacht, daß die Maßregeln zu ihrem GI E Schuß gänzlih umgestaltet werden müßten. Das sei ein Novum, welches der Referent noh nicht habe vortragen können. Dazu komme jeßt eine so große Menge von Abänderungsanträgen, daß die Arbeit, der Commission wohl noch nicht ganz ausgereift sei. Die Commission habe alle diese Dinge noch nicht tberteben E Man werde also bet einer abermaligen Commissionsberathung die neuen Erfahrungen an- wenden und die bisherigen Fehler verbessern können. Es sei daher wünschenswerth, daß dieses Geseß erst zusammen mik dem Geseß über die elektrishen Anlagen zu Be komme, denn beide Gesebe hätten einen äußerst weitgehenden influß auf einander. Bis dahin würden auch die irrigen Ansichten im Publikum über die Wirkung dieses Geseßes und die Bedeutung der elekftrishen Industrie beseitigt