Wohlthäterin beraubt, welche unermüdlich im Stillen Gutes zu thun wußte. Aber Ihr Segen wird uns bleiben, und die Veranlassung zum Helfen wird \sich stets darbieten. Die großartige Wirksamkeit der Stadt geht auch in diesem neuen Jahre ihrer weiteren Entwickelung entgegen, und ist es gewiß für die Vertreter derselben eine wahre Be- friedigung, das Gute und Nüßliche allseitig fördern zu können, in welchem Bestreben Meine besten Wünsche sie begleiten. Berlin, den 2. Januar 1874. Augusta.
An den Magistrat zu Berlin.
Ich danke dem Magistrat der Hauptstadt für seine aus Anlaß des Jahreswechsels an Mich gerichtete freundliche Zuschrift und er- widere dieselbe gern mil den besten Wünschen für das fernere Wohl und Gedeihen Berlins. Die Theilnahme, welche der Magistrat Meinem Schmerze um den Heimgang Meiner geliebten und verehrten Tante, Ihrer Majestät der Königin Elisabeth, widmet, hat Meinem Herzen wohlgethan, und verpflichtet Mich zu besonderem Danke. Ich bin gewiß, daß die Trauer des Königlichen Hauses im ganzen Lande und weit über den zahlreichen Kreis von Armen und Bedrängten jeden Standes hinaus, welche in der Verstorbenen eine gütige und stets bereite Helferin fanden, aufrichtig getheilt und mitempfun- den wird.
Berlin, den 4. Januar 1874,
: Friedrich Wilheïm, Kronprinz. An den Magistrat zu Berlin.
Der Magistrat von Berlin hat Meiner auch bei dem diesmaligen Sahreswehsel freundlih gedacht und Mich dadurch zu aufrichtigem Danke verpflichtet, mit dessen Ausdru Ich gern Meine besten Wünsche für das fernere Wohl der Hauptstadt verbinde.
Berlin, den 4. Januar 1874.
Bictoria, Kronprinzessin. An den Magistrat von Berlin.
— Des Kaisers und Königs Majestät haben die Widmung des von Franz Leu in München komponirten Musik- ftücktes „Barbarossa“ anzunehmen geruht.
— Der Bundesrath trat heute zu einer Sizung zu- sammen.
— Der Bundesrat hat in seiner Sizung vom 21. v. M. u. I. beschlossen, den Entwurf einer deutschen Gemeinschuldorödnung einer Vorberathung durch eine be- sondere, aus aht angesehenen Juristen Und drei angesehenen Vertretern des Handelsstandes bestehende Kommission unterziehen zu lassen. Die Mitglieder der Kommission werden auf den Vorschlag des Ausschusses für Juftizwesen vom Bundesrath ge- wählt werden und im Laufe des Monats März d. I. hier zu- \fammentreten. Den Vorsißenden der Kommission wird der Reichskanzler aus der Zahl der Mitglieder ernennen ; die Grnen- nung des Berichterstatters erfolgt auf Vorschlag des Vorsißenden mittels Vereinbarung oder in Ermangelung einer solhen dur Abstimmung in der Kommission.
— In der heutigen 25. Plenarfizung des Hauses der Abgeordneten, welcher am Ministertish die Staats-Minister Dr. Ahenbach, Camphausen und mit zahlreihen Regierungs- Kommissarien beiwohnten, wurde vom Präsidenten zunächst dexr Eingang folgender Vorlagen mitgetheilt: 1) Vom Minister des Innern der Gesetzentwurf, betreffend die Pro- vinzialordnung für die s\echs östlihen Provinzen; 2) vom Finanz-Minister ein Dau, , betreffend die anderweite Regelung der Wasserlaufabgaben; 3) von demselben ein Nach- trag zum Staatshaushalts-Etat für 1874; 4) vom Finanz- und Handels-Minister ein Geseßentwurf , betreffend die Auf- nahme einer Anleihe von 50,600,000 Thlr. zur Erweiterung des Staatseisenbahnneßtes; 5) vom Handels-Minister ein Ge- seßentwurf, betreffend die Anlage von Eisenbahnen; 6) von den Ministern der AuswärtigenAngelegenheiten, der Finanzen, desInnern und der Justiz ein Gesehentwurf, betreffend den mit demHerzogthum Anhalt abgeschlossenen Rezeß über die Regulirung der Grenzen und Hoheitsrechte; 7) von den Ministern des Innern und der Justiz ein Geseßentwurf, betreffend die Regelung der s\taats- rechtlichen Stellung des standesherrlihen Hauses Sayn-Wittgen- stein-Berleburg; 8) vom Justiz-Minister ein Gesezentwurf über die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger; 9) vom Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten ein Gesehentwurf, betref- fend die evangelishe Kirchen, Gemeinde- und Synodal- ordnung. Außerdem wurde vom Abgeordneten Hagen ein Antrag auf Heranziehung der Forensen, juristischen Per- sonen u. f. w. zu den Kreis- und Kommunalabgaben einge- braht. Dec Finanz-Minister hatte ferner die Rechnungen der Königlihen Ober - Rehnungskammer eingesandt. Schließlich wurde ein Schreiben des Justiz-Ministers verlesen, in welhem derselbe die Aufhebung des Strafverfahrens gegen die Abgg. von Iaédé¿ewski und von Cgzarliúski anzeigt.
Der erste Gegenstand der Tages - Ordnung war die erste Berathung des Entwurfs eines Gesezes, betr. die Betheiligung des Staats an dem Unter- nehmen einer die Stadt Berlin durch\s{chneidenden, von einem Punkte in der Nähe des Ostbahnhofs ausgehenden Eisenbahn nach Charlottenburg. (S. denselben in Nr. 300—304 Jahrg. 1873 d. B.).
Der Abg. von Kirhmann bekämpfte die Vorlage, weil die in den Motiven aufgestellten Rentabilitätsrehnungen durch- aus keinen genügenden Anhalt gäben und überhaupt die Kosten dieses Unternehmens so große sein würden, daß die 7 Millionen à fonds perdu gegeben würden. Außerdem würde auh, was mit beabsichtigt wäre, dem Uebelstande der Wohnungsnoth gar nicht abgeholfen; auch der Verkehr würde niht wesentlich erleihtert werden, weil ja die Bahn nur in Einer Richtung die Stadt durhshneide. Der Redner beantragte deshalb eine Kommisfions - Berathung. — Diesem Antrag \{loß fih der Abg. v. Benda an, spra aber im Uebrigen für die Vorlage, weil fie ein allgemeines In- teresse habe und man deshalb, bei dem überhaupt geringen finan- ziellen Risiko, nicht zu viel Rücsicht auf die Rentabilität nehmen müsse. Nachdem der Redner noch der Kommission dringend empfohlen, sich eingehend mit den juristishen Fragen zu beschäftigen, und eine Verwahrung dagegen eingelegt hatte, daß niht etwa in falscher Analogie au andere Aktiengesell- schaften auf Staatsunterstüßung Anspruch machen sollten, wies bei Schluß des Blattes der Handels-Minister Dr. Achenbach in längerer Rede die absolute Nothwendigkeit der Bahn im Inter- effse der Verbindung des westlihen und östlichen Staatseisenbahn- netes nach,
— Der General-Major und Commandeur der 1. Garde- Kavallerie-Brigade von Krosigk, welcher fih vor einiger Zeit mit Urlaub nah Dessau begeben hatte, is von dort hierher zu- rückgefkehrt. *
— Der General-Major von Voigts-Rhetz, beauftragt mit Führung der 20. Division, welcher mit kurzem Urlaub von Hannover hier eingetroffen war, hat fih dorthin zurückbegeben.
— Die „Kölnische Zeitung“ veröffentlicht in deutscher Ueberseßung die päpstlihe Konstitution „Apostolicae sedis munus“ vom 28. Mai 1873, von welcher sie bemerkt, daß dieselbe gerühtweise als Bulle „„praesente cadavere“” citirt und wegen dieser irrigen Bezeihnung abgeleugnet worden war. Sie lautet nah der „Kölnischen Zeitung“ folgendermaßen :
E, Bijchof, Diener der Diener Gottes, zu ewigem Gedächtniß.
ir halten billig dafür, daß es Amt und vorzügliche L des heiligen Stuhles sei, für die gegenwärtige und zukünftige Unversehrt- heit desselben zu sorgen. Da die Keckheit Unserer Feinde nichts unver- sucht läßt, der freien Ausübung der heiligen Autorität zu \{haden, so werden mit Gottes Hülfe und Gnade Wir überall wachsam sein, daß Wir dieselbe gehegt und gewahrt erhalten. Und damit sie nicht irgend welchen Schaden nehme, auch nach Unserem Tode, wenn man etwa die Wahlverjammlung zu verhindern oder auf irgend eine Weise zu stören unternehmen möchte, fo sind Wir genöthigt, wegen der Wahl des Nachfelgers auf den höchsten Stuhl Petri Vorsorge zu treffen. Nach demjenigen nämlich, was von Seiten solcher Menschen, welche dem fatholishen Glauben feindlih, von dem Winde der Weltströmung ge- \{chwellt, das höchste Regiment führen, auch in auswärtigen Gegenden gegen Unsere ehrwürdigen Brüder Bischöfe ge\chieht, muß man All-s erwarten. Sie finnen vielleiht {hon in ihrem erten darauf, wie sie s und. wie sie öffentlih sich entgegenstellen, damit entweder demnächst gar kein Papst gewählt werde oder ein solcher, von dem sie meinen, daß er ihren bösen Planen fügsam sein werde. Deshalb folgen Wir Unserem Vorgänger glücktlichen Angedenkens, Papst Pius VI., welcher ebenfalls in größten Bekümmernissen \{webte und der ge- fährdéten christlihen Republik zu Hülfe zu kommen nicht abstand, und beabsichtigen gegen die gegenwärtigen wie zukünftigen Gefahren der Kirche nach bestem Vermögen Fürsorge zu hafen.
Da Wir nun schen, daß von Tag zu Tage neue und größere Schwierigkeiten sich erheben, so gestehen Wir, daß die Zeitlage auch neuer Beschränkungen bedarf. Aus diesen und anderen Beweggründen wollen Wir durch den Juhalt gegenwärtigen Schreibens mehr dafür sorgen, daß auf eine leihte Weije und mit der gebührenden Schnellig- keit uach Ünserem Tode ein römischer Pontifer- erwählt werde, als daß dieses mit der pünktlihen Beobachtung derjenigen Ceremonien und feierlihen Bräuche vor sih gehe, unter denen ein so bedeutungsyolles Geschäft vollzogen zu werden pflegte. :
Daher wollen Wir aus eigener Entschließung und kraft Unserer apostolishen Vollmacht Betreffs jener abzuhaltenden Wahlyersamm- lung aufheben, und heben überhaupt auf mcht nur diejenigen Gesebe, welche über den Ort des zu haltenden Wahlaktes festgestellt sind, nämlich dort, wo der römische Pontifex gestorben sei, sondern auch die anderen, welche die Ceremonien und Me betreffen, die zur Völligkeit und Wesenheit einer kanonischen Wahl keineswegs ge- hören. Zwar wissen wir wohl, daß, sofern keine oder sehr entfernte Hindernisse und Gefahren beständen, jene Geseße mit großer Klugheit und Würde zu beobachten vorgeschrieben ist, bejonders aus der Konstitution „Ubi periculum“, die von dem heiligen Gregor X. auf dem öskumenishen Konzil zu Lyon gegeben ward, und aus einer andern Clemens V. „Ne Romani“, die ebenfalls auf einem allgemeinen Konzile bekannt gemaht ward, welche? im Jahre 1311 zu Vienne abgehalten wurde, ferner aus den Konstiiutionen Clemens’ VI. vom Jahre 1351 „Licet in constitutione“, Pius’ IV. vom Jahre 1562 „In eligendis“ und zweien Gregors XV. vom Jahre 1621 „Aeterni Patriß? “und „Decet Romanum Pontificem“, endlich
- Urbans VIIL „A4 Rómêni Poùtificis“ vom Jahre 1626 und Clemens’ -
XII. „Apostolatus officium“ vom Jahre 1797. Da aber die Um- stände sih dermaßen geändert haben, daß Alles zu befürchten steht von Seiten jener arglistigen Menschen. sowohl, welche fich Katholiken wollen nennen lassen, als d welche zum Heerlager der Keber gehören, so entbinden Wir Unsere Brüder der heiligen römischen Kirche Kardi- näle gesammt und jeden besonders von der Verpflichtung des Eides, durch welchen fie sich anheischig gemacht hatten, alles Jenes, was in vorgenannten Konstitutionen enthalten ist, gehegt und gewahrt zu er- halten, und erklären sie durH Gegenwärtiges (dieses Eides) entbunden.
Und dies soll nicht blos für diejenige Wahlversammlung Geltung haben, welhe nach Unserem Tode unmittelbar statt haben wird, jondern auch für folgende, wenn es sich etwa ereignen sollte, daß Unsere Nachfolger auf dem allerheiligsten Stuhle Petri für die künftige Wahl durch eine besondere Konstitution Fürsorge zu treffen nicht in der Lage wären, sei es wegen vorzeitigen Hinscheidens, sei es aus irgend einem andern Grunde. s : /
Da Wir nun wissen, daß durch apostolische Konstitutionen, ins- besondere die Paulus IV. „Quum secundum“, mit hârtesten Zensuren belegt wird, wenn Einer noch bei Lebzeiten und ohne Vorwissen des De es wagte, über die Wahl des Nachfolgers sich zu besprechen, o entbinden Wir der heiligen römischen Kirhe Kardinäle in allen diesen Dingen in so weit, daß ihnen freistehen soll, auch bei Unseren Lebzeiten alles dassenige vorher zu bedenken, was die Heiligkeit der i L A der zweckmäßigen Eile in Uebereinstimmung zu bringen geeignet ist. :
Demgemäß werden sie ungestraft über die Festseßung des Tages des zukünftigen Wahlaktes, über die Beibehaltung oder Aufhebung der Klausur, mit Eincm Worte, über alles das, was auf rechtzeitige, freie Erwählung eines héchsten Pontifex abzielt, sich besprehen können. Was den Ort anlangt, wehin die Wahlversammlung zusammenberufen ist, fo soll Demjenigen, welchem nach Unserem Hinscheiden jenes Recht naturgemäß, wie es der Brauch ist, zufällt, freistehen, falls dieselbe, was Wir fürchten, in Rom nicht sicher und frei statt finden kann, sie nah dem Fürstenthum Monaco auszuschreiben oder nach einer französischen Stadt oder sogar nah Malta, wenn nur, wo es nun sein mag, man sich völliger Freiheit daselbst erfreut, als welche zur Voll- endung des hochheiligen Werkes durchaus erforderlich ist. c
Das jedo schreiben auch Wir vor, wie es alle Unsere Vorgänger gethan, daß keinem der Kardinäle der heiligen römischen Kirche jemals erlaubt sein soll, so lange Uns des allmächtigen Gottes langmüthigste Gnade am Leben erhält, über die Fa dessen, der demnächst zum alte zu erwählen sein würde, Zusammenkünfte und Berathungen zu
alten.
__ Und sofern nun die vorliegende Angelegenheit von der größten Wichtigkeit ist, sintemal von einer rechtzeitigen Erwählung des höchsten Pontifex zweifellos sowohl die Einheit als die Ruhe der katholischen Kirche abhängt, so - Dig Wir kraft Unserer apostolischen Autorität allen der heil. rômishen Kirche Kardinälen und jedem Einzelnen unter AnauiuritGnabine des heiligen Gehorsams und bei Strafe der Exkom- munifation vor, daß sie dieser Unserer Konstitution Gehorsam leisten und alles, was in derselben enthalten ist, mit allem Fleiße beachlen und bereitwilligst ausführen.
__ Vir {ließen aber mit den Worten Unseres Vorgängers glück- lichen Angedenkens, Pius VL., des unbesiegt muthigen Pontifex in seiner (Konstitution) „Quum Nos superiori anno“.
„Bei den Eingeweiden des Erbarmers unseres Gottes, bei der in unsere Herzen ergossenen Liebe des heiligen Geistes und bei der Hei- ligkeit des Gides, mit welcher sih jeder Einzelne in das heilige Kol- legium der Kardinäle Aufgenommene gebunden hat, die Kirche Christi zu shüßen und zu vertheidigen bis zur Vergießung seines Blutes, er- mahnen Wir sowohl die Einzelnen als Alle insgemein, daß sie in dieser so großen Gefahr der christlichen Religion die persönlichen Er- wägungen der Ehre Gottes und der Ruhe der Kirche nachsteilen und mit willigem und einträhtigem Sinne auf die Eine Sorge Gewicht legen, daß nit allzulange das E Petri yon solchen Stürmen h und her geworfen, des Leiters und Lenkers ledig zu schwanken gezwungen sei, daß nicht die gesammte katholische Erde, da so viele Wölfe von allen Seiten
auf Raub der Schafe einbrechen, aus persönlichen Rücksichten ihres Hirten und Hüters entbehren, von dem sie beschüßt und vertheidigt werden können. Davon sollen sie überzeugt sein, daß, wenngleih fie ihre Treue ducch Ertragung so vieler und so großer Kümmernisse um Christi willen in aller Geduld und Sitenniih zu so großer Ehre der Kirche bezeugt haben, sie dennoch keine leuhtenderen Beweise ihrer Treue geben könnten, als wenn fie in einträhtigem Eifer durch s{nelle Erwählung des Pontifer gezeigt hätten, daß sie mit Zurückseßung der eigenen Vortheile lediglih auf die Ruhe der Kirche, auf das Heil der christlichen Heerde, auf die Gefahr des gesammten Erdkreises ihr Augenmerk zu richten beschlossen hätten.“ (Folgen die gewohnten furialen Bestätigungen der apostolischen Kanzlei.) -
Gegeben bei St. Peter zu Rem, im Jahre der Menschwerdung des Herrn 1873 am 28, Mai, Unseres Pontifikats im 28. Jahre.
— Der Courierzug VIIl. der Königlihen Ostbahn traf gestern wegen Reifensprunges der Maschine mit 3 Stunden 57 Minuten Verspätung hier ein.
Bayern. München, 9. Januar. Nah einem von Hohenshwangau eingetroffenen Telegramm befindet \ich der König gegenwärtig in Reutte in Tirol, weshalb der Königlich \ächsishe Kammerherr von Gersdorf seine Abreise von hier nah Hohenschwangau zum Zwecke der offiziellen Anzeige von der e O des Königs Albrecht von Sachsen verschieben mußte.
— Die Abreise der Kaiserin von Oesterreich aus Wien wurde laut eingetroffener telegraphisher Depesche dahin abgeändert, daß Ihre Majestät erst| morgen Nachmittag 1 Uhr 25 Minuten mittelst Extrazuges hier eintrifft. Auch der Kaiser Franz Ioseph wird, wie der „Korr. v. u. f. D.“ mittheilt mit dem Kronprinzen Rudolph übermorgen früh hier er- wartet und im Palais des Prinzen Leopold Wohnung nehmen. — Die Taufe der neugebornen Prinzessin, Tochter des Prinzen Leopold von Bayern, wird übermorgen stattfinden. Zur Taufpathin wurde die Erzherzogin Elisabetha, Gemahlin des Erzherzogs Karl Ferdinand, erwählt.
— Die nächste Sizung der Kammer der Reichsräthe, welche künftigen Montag abgehalten werden sollte, ist wegen der an diesem Tage stattfindenden Taufe der Tochter des Prinzen Leopold vershoben und nun auf Dienstag, den 13. Januar, Vormittags 11 Uhr anberaumt worden.
Württemberg, Stuttgart, 9. Januar. Gestern Abend fand im Weißen Saale des Königlichen Residenz\shlosses und den anstoßenden Räumen ein großer Hofball1 ftatt, an welchem die Königlihe Familie Theil nahm und zu welchem außer den Angehörigen des Königlichen Hofftaats das diploma- tishe Corps, die Minister und der Königlihe Geheime Rath, Mitglieder beider Kammern, die Generale und Stabs-Offiziere, sowie eine größere Anzahl von Subaltern-Offizieren der Garni- sonen Stuttgart, Ludwigsburg und Ulm, die Vorstände der Landeskollegien u. A. Einladungen erhalten hatten.
— In der vorgestrigen Abendsizung der Zweiten Kam- mer wurden von der Regierung die Retablissementsgeseße wieder eingebracht, die im vorigen Jahre nur in dem Theil erledigt wurden, der die Staatskasse anging, während die Kammer der Ansicht war, daß das weitere Retablissement das Reih angehe. Dieses hat jedoch eine solche Beiziehung der Reichskasse abgelehnt, Und das Retablissement auf die dem Einzelstaat zugewiesenen e verwiesen. vor: über das Retablissement und die Neubewaffnungz; über Militärbauten und Garnisonseinrihtungen und endlich in Folge eines aus dèr Kammer der Standesherren hervorgegangenen Antrags auf Erhöhung der Pension der Wittwen und Hinterbliebenen von Offizieren und Militärbeamten. Hierzu werden verlangt rund 7,505,000 Fl. und 2,795,000 Fl., sowie 85,000 Fl. Angefügt ist ein Nachweis über Württembergs Antheil an der französischen Kriegsentshädigung und deren bis- herige Verwendung: Württemberg hat sonach im Ganzen er- halten rund 49,685,000 Fl., wovon aber nach den früheren Vérwendungen den bereits eingebrahten Exigenzett zu außer- ordentlichen Staatsbauten und den vorliegenden: Mgengen nur noch 586,000 Fl. zur Verfügung stehen. Diese: Geseßentwürfe sollen nebsstt Beilagen gedruckt und einer noch zü wählenden be- sonderen Kommission zur Begutachtung übergebên werden. Der Entwurf eines Verfassungsgeseßes wurde in der Endabstimmung mit 69 gegen 7 Stimmen angenommen.
— 10. Januar. Der König hat heute den Königlih Baye- rishen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Freiherrn v. Gasser in Audienz empfangen, um dessen Abbe- rufungs\chreiben entgegenzunehmen.
Hessen. Darmstadt, 9. Januar. Gestern Abend traf der älteste Sohn des Prinzen Alexander von Hessen, Prinz Ludwig von Battenberg, aus London wohlbehalten hier ein. Der junge Prinz trat im Jahre 1868 in die britishe Ma- rine und hat seitdem dem praktishen Seedienste in Westindien und Amerika obgelegen. Nach kurzem Verweilen im Kreise der Familie gedenkt Se. Durhlauht nach England zurückzukehren, um sih dem Lieutenants-Examen zu unterziehen.
— Wie die „D. Z.“ vernimmt, hat der Großherzog die Verfassung der evangelishen Kirhe des Groß- herzogthums, wie fie aus den Berathungen der außerordent- lihen Landes-Synode hervorgegangen is, mit einigen, von den kfirhlihen Behörden beantragten , Modifikationen genehmigt. Diese Modifikationen betreffen, dem genannten Blatte zufolge, hauptsächlih den §. 1, welher nach dem Regierungsentwurfe, mit Hinweis auf die denselben erläuternden Paragraphen der Verfassung, und den §. 66, welcher in der von der Synode bei der ersten Lesung beshchlossenen Fassung aufgenommen wurde.
Braunschweig. Braunschweig, 10. Januar. Der Herzog hat neben denjenigen Mitgliedern, welhe von Amts- wegen ordentliche oder außerordentlihe Mitglieder der Herzog- lihen Ministerial-Kommission sind, folgende ordentliche und außerordentliche Mitglieder für die verschiedenen Sektionen dieser Behörde ernannt: 1) für die Sektion der innern Landes- verwaltung und Polizei: zu ordentlihen Mitgliedern: den Kreis- Direktor Culemann, den Kammer - Direktor von Pawel, den Polizei-Direktor Meyer; 2) für die Sektion der Finanzen und Han- dels-Angelegenheiten: zu ordentlihen Mitgliedern: den Finanz- Direktor von Hantelmann, den Landesökonomie-Direktor Dommerich, den Geheimen Finanzrath Grafen Görß-Wrisberg; 3) für die Sektion der Justiz: zu ordentlihen Mitgliedern; den Oberge- rihts-Vice-Präsidenten Knittel, den Dber-Staatsanwalt Rhamm, den Ober-Gerichtsrath Schmid; 4) für die Sektion der geistlichen und Schulsachen : zu ordentlihen Mitgliedern: den Konsistorial- Rath Abt Ernesti, den Schulrath Professor Dr. Gravenhorst, den General- und Stadt-Superintendenten Pfeifer; zum außer- ordentlihen Mitgliede: den Hof- und Domprediger Dr. Thiele; 5) für die Sektion der Militärsachen: den General-Lieutenant von Erichsen, den Obers von Seckendorf, den Oberst von Wachholt§.
Es liegen drei Entwürfe
Schwarzburg-Sondershausen. Sondershausen, 9. Januar. Dem einstweilen vertagten Landtage find von der Fürstlihen Staatsregierung mehrere wihtige Gesezentwürfe vorgelegt. Unter diesen Entwürfen ist besonders hervorzuheben ein Geseßz, den Mißbrauch des Versammlungsrehts betreffend. Das Gesetz, zusäßlihe und abändernde Bestimmungen zur Ge- chäftsordnung für den Landtag betreffend, ist nunmehr publizirt und in Kraft getreten. Von Bedeutung ift in diesen Bestimmungen, daß der Landtag bei geeigneten Gegenständen mit Genehmigung des Ministeriums anstatt in einer Deputation, die Sbebecatbitiig \sogleih im Plenum oder auch ohne Vorbe- rathung sofort die Schlußberathung im Plenum vornehmen fann. Die Diäten der Abgeordneten find, wenn diese am Drte der Versammlung wohnen, auf täglih 5 Mark, wenn sie aus- wärts wohnen, auf täglich 10 Mark festgejtellt.
Oesterreich-Ungarn. Wien, 10. Januar. Die Er- gänzungswahlen für das Haus der Abgeordneten des öster- reihishen Reichsrathes nehmen heute theilweise ihren. Anfang.
— Ueber den von den Abgeordneten Steudel und Genossen im niederösterreihischen Landtage gestellten Antrag hat der Aus\huß jeßt Bericht erstattet. Der Aus\{huß beantragt :
Das Hohe Haus wolle beschließen: Der niederöfterreichische Landesauëshuß wird beauftragt, durch ein Mitglied des Hohen Reichs- rathes sich an das Hohe Haus der Abgeordneten des Reichêrathes im
‘ Wege einer Petition und unter Zugrundelegung der Motive, welche
den niederösterreichishen Landtag zu seinen am 11. Oktober 1871 und 4. Dezember 1872 gefaßten Beschlüssen veranlaßten, mit dem Er- suchen zu wenden, derselbe wolle aus eigener Jnitiative ein Geseß behufs einer zeitgemäßen Reforin, eventuell Aufhebung der Verzeh- rungssteuer, im verfassungsmäßigen Wege beschließen. s
Brünn, 10. Januar. Auf der Tagesordnung des mäh- rishen Landtags stand heut die Regierungsvorlage, be- treffend die Fälle der \trafgerihtlihen Verurtheilung von Abge- ordneten. Prazak erklärte, seine Partei könne an der Verhand- lung hierüber niht Theil nehmen, da sie sonst auch frühere Aen- derungen der Landesordnung und Landtagswahlordnung, die ohne ihre Mitwirkung zu Stande gekommen sind, anerkennen würde. Nachdem die ganze Rechte den Saal verlassen, mußte der Gegenstand von der Tagesordnung abgeseßt werden, da zur Beshlußfassung hierüber drei Viertel der Abgeordneten, näm- lih 75, erforderlich find und die Linke und das Centrum zu- sammen nur 71 zählten. : i
Prag, 10. Januar. (W. T. B.) Bei den Reihs- rathswahlen siegte in allen Wahlbezirken die altczehishe Partei. Nur in einem Wahlbezirk wurde Sladkowsky (Iung- Czeche) gewählt. i
Graz, 9. Januar. Morgen wird im Landtage der Ent- wurf einer neuen Gemeindeordnung für Steiermark eingebracht,
„wonach die bisherige Geschäftsordnung der Gemeinde eine gründ-
lihe Reform erfährt. j L
Pesth, 10. Januar. Die hier eingetroffene Deputation des russischen Garde-Grenadier-Regiments, dessen Inhaber der Kaiser ist, wurde gestern Vormittags von Sr. Majestät empfangen.
— Die Kaiserin reiset heute Abends halb 9 Uhr von Ofen direkt nah München ab.
— Die Nachricht, daß die feierlihe Ertheilung des Kar- dinalsbaretts an den Fürstprimas von Simor \{chon heute, statt am 12. d. M,., stattfinden dürfte, hat sih niht bestätigt.
— Die Reichstagssißungen beginnen am 17. Januar; die Sektionen treten am 12, Januar zusammen.
Schweiz. Genf, 10. Januar. (W. T. B.) Der Erz- bischof (in partibus infidelium) von Lydda, Demanico di Panelli, der lange Zeit hindurch in Jerusalem als Priester thätig war, sol — wie das „Journal de Genève“ erfährt — die Wahrnehmung der bischöflihen Funktionen füx die libera- len Katholiken der Shweiz bis dahin übernommen haben, wo die Episkopatfrage für dieselben definitiv geregelt ist. Der- selbe hat bereits am Dienstag in der hiesigen, den liberalen Katholiken überlassenen Kirhe von St. Germain den Gottes- dienst geleitet und wird auch morgen in derselben Kirche den
Gottesdienst wieder abhalten.
Frankreich. Paris, 9. Januar. Das „Journal officiel“ veröffentlicht folgende Mittheilung:
In Folge der Sißung der Nationalversammlung begaben sich die Minister in das Hotel der Präsidentschaft und legten ihre Ent- lassung in die Hände des Marschall-Präsidenten nieder. Der Marschall ließ ihnen zu wissen thun, daß er sih niht dazu eutschließe, diejelbe für jeßt anzunehmen, und sich vorbehalte, darüber zu Rathe zu gehen. Die Minister behalten die Leitung ihrer betreffenden Departements bis zur Entscheidung des Marschalls.“
Versailles, 10. Januar. (W. T. B.) Dem Vernehmen nah hat die Fraktion der Rechten und des rechten Centrums beschlossen, das Ministerium am nähsten Montage über die gegenwärtige Krisis zu interpelliren, um auf diese Weise ein Vertrauensvotum zu provoziren. Dieselbe wird \o- dann beantragen, daß der Gesehentwurf über die Maires auf die Tagesordnung geseßt werde. Unter den Fraktionen der Rechten herrs{ht vollständige Einigkeit.
Spanien. Madrid, 10. Januar. (W. T. B.) Die Re- gierung wird, wie verlautet, die Cortes vor Ablauf eines Jahres nicht wieder einberufen, um vor dem Zusammentreten derselben die Insurrektion völlig zu unterdrücken.
— Eine starke Truppenabtheilung ist heute nah Albacete, welches von den Carlisten bedroht ift, marschirt.
— 11. Januar. (W. T. B.) Die amtliche „Gaceta“ ver- öffentlicht ein Dekret der Regierung, durch welches die A uf- [ôsung aller politishen Vereine und Gesellschaften angeordnet wird, die gegen die öffentlihe Sicherheit und die ge- heiligten Interessen des Vaterlandes, sowie gegen die Integrität des Landes und die neu eingeseßte, über der Provinzialdeputa- tion von Madrid stehende Gewalt wörtlihe oder thätlihe An- griffe richten.
— Ueber die Fortseßung der Belagerung von Carta- gena sind günstige Berichte eingegangen.
— In Bayonne eingetroffenen Nachrichten vom 10. Ja- nuar zufolge haben die Carlisten Portugalete genommen. General Moriones hat sich zu Santona eingeschifft. Wohin sih derselbe begeben wird, ist niht bekannt. Die Carlisten be- finden sich jeßt im Besiß \{chwerer Geschüße, mit welchen fie Bilbao bombardiren. Dieselben bereiten ferner einen Angriff auf Tolosa vor.
— Nach in Perpignan eingegangenen Nachrichten vom 10. Januar ist in Barcelona ein Aufstand ausgebrochen. In den Vorstädten waren Barrikaden gebaut. Die Stadt wurde vom Fort Montjoy aus beschossen.
Ein verspätetes Telegramm des “W. T. B. aus Bar- celona vom 8. Januar Abends bestätigt diese Nachricht, meldet aber genauer Folgendes: Die hier ausgebrochenen Unruhen be- gannen bereits am 7., an welchem Tage die föderalistischen Ar-
beiter in dèn Werkstätten und Fabriken die Arbeit einstellten. Heute Morgen sammelten sich zahlreiche Trupps von Arbeitern auf den Straßen und dem Play von Catalonien, welhe durch die Truppen ohne Blutvergießen zerstreut wurden. Gegen 11 Uhr wurde ein Kapitän der Jäger durch einen aus der Volksmenge fallenden Schuß getödtet, worauf die Truppen einen Angriff auf die Arbeitermassen machten und dieselben bis in die Vorstädte zurütrieben. Die Aufständischen begannen darauf Barrikaden zu errichten, die von den Truppen mit Artillerie angegriffen und genommen wurden. Der Verlust an Todten und Verwundeten ist auf beiden Seiten sehr beträchtlich. Man erwartet, daß mor- gen der Kampf von Neuem beginnen wird. Wie es heißt, find Mitglieder der Internationalen die Anführer der Aufständischen. — Die Stadt bietet einen sehr traurigen Anblick dar. Nufßland und Polen. St. Petersburg, 9. Januar. Der Kaiser hat am 23. November das Gutachten des Reichs- raths bestätigt, nah welchem außer den bereits bestehenden vom 1. Juli 1874 an in den Lehrbezirken von St. Petersburg, Moskau, Charkow, Kasan und Odessa nohch T Lehrer- seminarien zur Ausbildung von Volks\shullehrern gegründet werden sollen. : — Die neue Städteordnung ist nah der „Börse“ seit ihrer Einführung in 360 Städten und 13 Niederlassungen in Wirksamkeit und tritt “in diesem Augenblick in 65 Städten in Kraft. Es bleiben also noch 105 städtische Wohnorte übrig, bei welchen die Einführung der neuen Städteordnung noch nicht entschieden “zl1 — Der „N. Z.“ wird geschrieben, daß in mehreren Kreisen des Gouvernements Kasan die Noth nicht viel geringer ist, als in Sfsamara. So hat das Kreislandschafts-Amt in Ts\chisto- pol telegraphish von dem Gouvernementsland-Amt in Kasan augenblicklihe Hülfe verlangt, worauf leßteres \sogleih einen Be- vollmächtigten mit 24,000 R. in den Kreis Ts\chistopol absandte. Der Bevollmächtigte fand nah angestellten Untersuchungen nicht weniger als 141,000 R. nöthig, um die von Hungersnoth heim- esuhte Bevölkerung des Kreises bis zum 15. Juli 1874 zu er- falten und ihr Saatkorn anzuschaffen. Die allgemeine Land- \haftsversammlung bewilligte die Unterstühung, nachdem sie vor- her eine Kommission zur Untersuchung und Begutachtung der Angelegenheit erannt hatte. Deren gründlihe Nachforshungen ergeben, daß die vier Wolosten Maksimkinskaja, JIegorkinskaja, Ts\chelkinskaja und Andrejewskaja, welche zwischen dem Flusse Tscheremschan und “der Grenze des Gouvernements Sfamara in der Steppe liegen, hauptsählich Noth leiden, daß aber auch an- dere Wolosten, wenngleih in geringerem Grade durch Mißernte und Heuschrecken gelitten haben. Die Kommission hat vorgeschla- gen, 130,000 R. (statt 141,000) zu bewilligen und die Regie- rung um Erlaß der Steuern für die Nothleidenden zu bitten. Asien. Das wöchentliche Telegramm des Vicekönigs von Indien betreffs der drohenden Hungersnoth in Bengalen meldet, daß der Ertrag der Wintevernte die allgemeinen Erwar- tungen übertroffen hat, und daß die Ausfichten der Frühjahrs- ernte ziemlich günstig sind. Die Preise steigen indeß allgemein. In Behar ist der Nothstand unvermeidlih, und man glaubt, daß er ernsilih sein und sich ausbreiten wird, falls kein Regen eintreten sollte. Es werden allenthalben Hülfs-Komites gebildet. Penang, 10. Januar. (W. T. B.) Die Niederländer sehen die Beschießung des Kratons mit 12 {weren Geschüßen Und 4 Haubigzen fort und haben, wie hierher - aus guter Quelle gemeldet wird, bereits die Moschee von Atchin genommen. Die Uebergabe der Stadt wird täglih erwartet. Der Gesund- heitszustand der Truppen ist besser “geworden. — Ueber die Krönung dés Königs von Siam ent- nehmen wir einer Korrespondenz der „Times“ aus Bangkok, N des Königreiches, vom 23. November 1873 Fol- endes: 9 Diese Stadt war wäßrend der vorigen Woche in Folge der noch- maligen Krönung des Königs, der unlängst seine Vollsährigkeit er- reichte, eine Scene von Festlichkeiten, glänzender Aufzüge und Jllumi- nationen. Der König war ursprünglich vor etwa sechs Jahren beim Tode feines Vaters gekrönt worden ; aber da er damals nur ein acht- jähriger Knabe war, konnte er ‘die alleinige Führung der Regierung nicht übernehmen, und dieselbe wurde daher einem Regenten anvertraut, der seine Pflichten in einer Weise erfüllte, wie man ihr in orientalischen Ländern selten begegnet. Vor der jeßigen Ceremonie war der König nah fiamesishem Gefeß gezwungen, auf kurze Zeit in den Priesterstand zu treten, und er hatte alle die Pflichten des jüngsten Novizen zu vollziehen, sowie den für seine künftige Stellung passenden Unterricht zu erhalten. Nach dieser Ceremonie wurde er am 16. No- vember um 54 Uhr Morgens von den Priestern seines Gefolges ge- krönt, welche Thatsache der Bevölkerung durch 101 Kanonenschüsse von dem Palast und weitere 21 Schüsse von einer französischen Fregatte, die zu Ehren der Gelegenheit nah Bangkok kam, verkündigt wurde. Um 10 Uhr Vormittags begab sich der König, in prächtige Staatsroben gekleidet und umgeben von seinen Edelleuten, welche die verschiedenen Insignien feiner Gewalt trugen, nach dem Königlichen Thronsaale, Dort hatte \sich vorher eine glänzende Versammlung vor dem Throne eingefunden, und Vertreter fast jeder civilisirten Nation waren zugegen. Kurz, nahdem Se. Majestät seinen Siß auf dem Throu eingenommen, verlas er eine Proflamation, welche das Kriechen und Niederwerfen in Gegenwart eines Oberen ab- schafft. Seit undenklichen Zeiten war es die siamesische Sitte, niemals in Gegenwart des Königs zu ftehen, und die höchsten Edelleute im Lande konnten sih dem Könige nur auf ihren Knieen, mit den Ell- bogen auf dem Fußboden ruhend und die Hände wie zum Gebet ge- faltet, nähern. Ein Edelmann, der einen anderen von höherem Range besucht, würde in einer ähnlihen Lage zu bleiben haben, gleichviel, wie lange die Unterredung dauern dürfte, Jn der Proklamation erklärte der König, daß er von der Ueberzeugung dur{chdrungen worden ei, daß kein Land gedeihen könnte, wo solche gegenseitige Servilität und Verehrung Sitte wäre, und daß er die Menschen auf einem gleicheren Fuß zu sehen wünsche, so daß der ärmste Unterthan im Königreich die Gewißheit haben dürfte, dieselbe Gerechtigkeit wie der Reiche zu finden. Während der Ins dieses Edikts blieben alle anwesenden Siamesen, etwa 400 an Zahl, in einer hingestreckten Lage auf dem Fußboden, aber nah deren Be- endigung erhoben fie sih - gleichzeitig -und machten Sr. Majestät eine Verbeugung nach europäisher Sitte. Nach der Verlesung der Proklamation hielt der Regent eine Lobrede, in welcher er dem Könige im Namen des Adels und Volkes dankte für die Abschaffung der Niederwerfung und die vielen Verbesserungen, die auf Sr. Majestät eigene Anstiftung eingeführt worden seien, deren eine, wie er erwähnte, ein viele Meilen langer Kanal sei, der dur bezahlte Arbeit aus des Königs Privatschatulle während seiner Mino- rität gebaut worden sei. Nachdem er seinem Souverän alles Glück gewünscht, {loß der Regent, worauf der britische Konsul und andere Vertreter europäischer Nationen mit Glückwunsch - Adres- sen folgten. Nach einigen weitexen Formalitäten zog fich der König, während die nationale Musik lauter \pielte zurück. Der König besißt außerdem einige in der europäischen Musik ziemlich ausgebildete Militärkapellen, Am Abend hielt der König in einer im europäischen Style gebauten und für die Gelegenheit eigens ges{chmückten prächtigen neuen Kapelle einen Empfang. Nachdem die Ceremonie der Vorstellungen vorüber war, ließ sich der König in eine allgemeine Unterhaltung mit den anwesenden Ausländern ein. Es ist wahrscheinlich, daß der jeßige König Europa besuchen wird, obwohl dies nicht eher geshehen wird, bis seine Regierung wohlbegründet ist.
Afrika. (A. A. C) Von der Goldküste liegen folgende bis zum 16. v. Mts. reihende Nachrichten vor. Das unter englishem- Protektorat stehende Gebiet i|ff nun von den Aschantis gründlih geräumt; sie org sich über den Prah geflühtet, und die Engländer find ihnen bereits hart auf den Fersen. Kapitän Glover hat seine ursprünglihe Absicht, fihch Kumassi auf einer unabhängigen Route zu nähern, aufgegeben, und wird fich mit seinen Streitkräften am Prah mit Sir Gar- net Wolseleys Armee vereinigen. Ein Berichterstatter der Liver- pooler „Daily Post“ erwähnt des etwas unwahrscheinlih klin- genden Gerüchts, daß General Wolseley sich mit der Absicht trägt, König Koffi, falls er gefangen genommen wird, _in eine ehrenvolle Gefangenshaft nach England zu \{icken und einen anderen Herrscher auf den Aschanti-Thron zu seßen.
Nr. 2 des Amtsblatts der Deutschen Reichs- Postverwaltung hat folgenden Inhalt: General-Verfügungen vom 7. Januar 1874: Korrespondenzverkehr mit Konstantinopel, Verkauf der neuen Portotaxe; desgl. vom 8. Januar 1874: Postmandate mit JFâlligkeitstag; desgl. vom 7. Januar 1874: Kontrolverfahren über die Einnahme- und Ausgabe-Ergebnisse aus dem Postanweisungs- verkehr; Bescheidung vom 5. Januar 1874: Unzulässige Vereinigung von Se mit im Wege des Postdebits bezogenen Zeitungs- exemplaren.
— Nr. 1 des „Central-Blatts der Abgaben-, Gewerbe- und Handels-Geseßgebung und Verwaltung in den Kö- niglich Preußischen Staaten“ hat folgenden Inhalt: Cirkular- verfügung des Königlichen Finanz-Ministeriums, die Einreichung der Notizregister über Deklarationsscheingüter zur Registerrevision betref- fend, vom 10. September 1873. — Cirkularverfügung des Königlichen Finanz - Ministeriums, die den Baubeamten zu ertheilenden Aufträge betreffend, vom 5. Oftober 1873. — Cirkularverfügungen des König- lichen Finanz - Ministeriums, die Befugniß 2c. von Zoll- und Steuer- stellen betreffend. — Verfügung des Königlichen Finanz-Ministeriums, die Erhebung der Brausteuer von an sich \teuerpflihtigen Braustoffen betreffend, vom 14. November 1873. — Cirkularverfügung des Ksnig- lichen Finanz - Ministeriums, die Kontrole der Postanstalten über die Versteuerung der vom Auslande unter Band ‘eingehenden steuerpflich- tigen Zeitungen betreffend, vom 28. Oktober 18738. — Cirkularverfü- gung des Königlichen Finanz - Ministeriums, die Prüfung der Mittel zur Denaturirung von Salz betreffend, vom 30. September 1873, — Verfügung des Königlichen Finanz - Ministeriums, die Tarifirung von nicht mit Schießpulver gefüllten Patronen betreffend, vom 30. Oktober 1873, — Personal: Chronik.
Die Finanz-Verwaltung Preußens in den Iahren 1870, 1871 und 1872. (S. Nr. 8 d. Bl.) M 4. Gewerbesteuer.
Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer vom stehen - den Gewerbebetrieb find in stetiger Zunahme begriffen gewesen. Nach der Veranlagung sollten in den einzelnen Steuerklassen an Gewerbefteuer aufkommen :
Im Jahre:
1869, 1870. 1871. Thlr. Thlr. Thlr.
in Klasse A. T.
(Handel in bedeuten- derem Umfange) . in Klasse A. IT.
(Handel in mittlerem …__ Umfange) in Klasse B.
(Handel in geringem
O
(Handel mit geistigen
Getränken) in Klasse C.
(Gast- und Schank- __ wirthschaft) in Klasse D,
(Bâäker) in Klasse E.
(Fleischer) in Klasse F. S in Klasse U.
__ (Handrverker) in Klasse T.
(Müller) in Klasse K,
(Schiffer und Fuhr-
leute) 102,432 | 102,514
Gegenüber dem Veranlagungs-Soll für das Jahr: mit:
1869 4,412,300 Thlr. 1870 4,558,492 4562814 7 1871 4,568,981 4612794; 1872 4,668,592 , 4789,306 „
Es hat sonach auch das Veranlagungs-Soll von Jahr zu Fahr eine Steigerung erfahren.
Die bei der Veranlagung der Gewerbesteuer für das Jahr 1871 in Ansehung einzelner Steuerklafssen (der Kleinhändler, Bäcker, Fleischer, Handwerker, Schiffer und Fuhrleute) hervor- getretenen Einwirkungen der kriegerischen Ereignisse sind durch Zugänge bei den übrigen Steuerklassen dergestalt ausgeglichen worden, daß nicht allein das Veranlagungs- Soll, sondern auch die Ist-Einnahme des Jahres 1871 die betressenden Positionen des Jahres 1870 um 10,488 Thlr. resp. 49,920 Thlr., und die des Jahres 1869 um 156,681 Thlr. resp. 113,156 Thlr. über- steigen. Die im Jahre 1870 für den stehenden Gewerbebetrieb eingetretenen Störungen haben auf den Ertrag der Steuer feinen erheblihen Einfluß ausgeübt; das “Veranlagungs - Soll ist von der Jst - Einnahme noch am 4382 Thlr. übersticgen worden.
Bei der Veranlagung für das Jahr 1872 hat sich im Vergleiche mit der für die Jahre 1870 und 1871 eine zum Theil sehr erheblihe Zunahme . (insbesondere in den Handelskassen A. I. und A. 11, C., D. E. und F.) herausgestellt; eine nennenswerthe Abnahme is nur in der Handwerkerklasse ein- getreten.
Die Einnahmen aus der Hausir-Gewerbesteuer haben {ih
im Jahre 1869 au 685,134 Thlr. Geo S 724,400 - - 1871 i 641,916 - =IST2 N OOICOI belaufen. Die Erscheinung, daß die Einnahme des Jahres 1871 gegen die aus der Hausirsteuer in den Jahren 1869 und 1870 erzielten Erträge zurückgeblieben ift, erklärt sich aus dem Umstande, daß eine nicht unbeträchhtliche Anzahl von Hausirern durch die Fortdauer des Krieges an der Fortsetzung ihres ‘Ge- werbebeiriebes im Jahre 1871 gehindert worden ist. Diesem
288,896 | 302,616] 303,188 | 317,790
1,068,159 | 1,093,268 | 1,094,668 | 1,115,247
898,161 56,013
872,079 53,816
878,520 57,928
888,435 98,942
745,401 226,963 207,323
69,966 399,932 377,353
777,206 235,130 214,514
75,552 426,500 377,018
823,986 233,572 213,450
81,098 406,226 376,095
948,798 240,207 222,596
86,328 412,276 377,887
100,250] 99,446
hat die Ist-Cinnahme betragen:
4,496,638 Thlr.
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