1874 / 16 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 19 Jan 1874 18:00:01 GMT) scan diff

In Begleitung Sr. pee des Herzogs zu Sachsen-Coburg-Gotha auf der Durchreise nah St. Pe- tersburg waren hier eingetroffen : Der Oberst-Lieutenant von Schhrabish, Flügel-Adjutant Sr. Hoheit des Herzogs zu Sachsen-Coburg-Gotha, und der Premier-Lieutenant Graf von Schwerin 1. vom Magdeburgischen Kürassier-Regiment Nr. 7.

Der Rest des vor einiger Zeit zur Ausführung von Dynamit-Sprengarbeiten nach Hirshfelde, Königreih Sachsen, abgerückten Detachements des Eisenbahn-Bataillons is nunmehr hierher zurückgekehrt.

S. M. S. „Arcona“ ist am 19. Dezember 1873 in Rio de Janeiro eingetroffen. An Bord Alles wohl.

Die Preußische Hauptbank hat heut den Diskont auf 4 Prozent und den Lombard-Zinsfuß für Waaren und Effekten auf 5 Prozent ermäßigt.

Bayern. München, 17. Januar. Der König is heute Nacht zur Begrüßung der Kaiserin von Oefterreih von Hohen- \{chwangau hier eingetroffen.

Wie die „Allg. Ztg.“ vernimmt, hat der König den Grafen Max von Seinsheim auf Grünbach dur offenes Dekret zum erblichen Reichsrath der Krone Bayern ernannt.

Die Kammer der Abgeordneten hat gestern die Berathung des Justizetats beendigt; die sämmtlichen Po- fitionen wurden nach den Vorschlägen des Aus\hus}ses ange- nommen. Auf den Antrag Trillers wurde der Gehalt der Geist- lihen in den Gefängnißanstalten erhöht. Schließlih ward der Antrag Freytags, daß die bewilligten Theuerungszulagen für die pragmatish angestellten Beamten als pragmatische Gehaltszulage zu betrachten seien, mit 92 gegen 40 Stimmen abgelehnt. Die nächste Sizung findet am Montag statt.

Bei der vorgestern Abends zwischen den Mitgliedern der beiden Fraktionen der Abgeordnetenkammer wegen Vertagung des Landtags stattgefundenen Besprehung einigte man \{ch dahin, der Staatsregierung vorläufig einen die Vertagung bezie- lenden Wunsch niht auszudrücken.

18. Januar. (W. T. B.) Der König hat den Frei- herrn Schenk v. Stauffenberg, anläßlih seines 25jährigen Jubiläums als erster Präsident der Kammer der Reichsräthe, in den erblihen Grafenstand erhoben.

Baden. Karlsruhe, 17. Januar. In der heutigen 5. öffentlihen Sizung der Ersten Kammer theilte der Präfident Ober-Hofrichter Obkirher den Inhalt eines Schreibens des Staats-Ministers mit, welhes nach Allerhöchster Entschließung ans Großherzoglihe Staats-Ministerium vom 15. d. auch der Ersten Kammer die Beschlüsse der Zweiten Kammer vom 22, v. M., eine allgemeine Verfassungsrevision betreffend, zur Berathung und Beschlußfassung vorlegt. Nachdem Graf von Berlichingen, unterstüßt von dem Prinzen Karl von Baden, beantragt hatte, daß eine Kommission von 7 Mitgliedern hierfür eingeseßt werde, wurden gewählt: Prinz Wilhelm von Baden, Fürst Löwenstein-Freudenberg, Graf von Berlichingen, Freiherr von Rüdt, Geheimer Rath Dr. Renaud, Präsident Hildebrandt, Hr. Dennig.

Die Zweite Kammer erledigte heute das Budget des Großherzoglihen Ministeriums des Innern für die Jahre 1874 und 1875. Darauf folgte die zweite Berathung und unverän- derte Annahme der Geseßentwürfe „über den Betrieb der Dampf- kessel“ und über die „Zuständigkeit der Amtsgerichte als Vor- munds\schaftsbehörde.“

(Fr. I.) Der Kommissionsberiht über den Gesetzent- wurf wegen Abänderung einiger Bejrimmungen des Gesetzes über die rechtliche Stellung der Kirhen und kirch- lihen Vereine im Staat vom 9. Oktober 1860 bejaht die Fragen, ob eine Ergänzung des leßteren Gesetzes in den Ver- hältnissen begründet sei, und ob die von der Regierung vor- geshlagene Ergänzung und theilweise Aenderung mit den Prinzipien des Geseßes im Einklang stehe. Die Kommission ist im Allgemeinen mit der Vorlage einverstanden, beantragt aber verschiedene Aenderungen. So die folgenden Zusätze: „Vom dreijährigen Besuch einer deutshen Universität darf Dex niht dispensirt werden, welcher \eine Studien an einer Anstalt gemaht hat, an der Jesuiten oder Mit- glieder anderer verwandter Orden lehren“; und: „Die Knaben- Seminarien und Knaben-Konvikte find mit Ende des laufenden Schuljahres, die Konvikte für Studirende mit Ende des Sommer- Semesters 1874 zu \{chließen“. Für den Paragraphen, durch welchen die freie Ausübung des Wahlrehts gegen kirchliche Beeinflussung möglihs gefichert werden soll, \{chlägt die Kom- mission tine Fassung vor, welche die Wahl-Agitation in bestimm- ter Parteirihtung verbietet und auch die mit Strafe bedrohte Handlung unzweideutig ausdrückt, nämlih folgende: Geiftliche, welche in Anwendung ihrer kirhlihen Autorität aus Anlaß öffentlicher Wahlen auf die Wahlberechtigten in einer bestimmten Parteirihtung einzuwirken suchen, werden an Geld von 60 bis 600 Mark bestraft“. Das Geseg wird in der nächsten Woche in der Zweiten Kammer zur Berathung kommen. Für die Uebergangs-Bestimmung beantragt die Kommission fol- gende Fafsung: „Diejenigen Geistlichen, welche zur Zeit der Ver- kündung dieses Gesehes bereits die theologishe Prüfung b:\tan- den haben, bezw. zu Priestern geweiht sind, können, fofern fie unter die Verordnung vom 6. September 1867 fallen, cin Kirchenamt nit erlangen, bevor sie die Staatsprüfung über ihre allgemein wissenshaftlihe Vorbildung bestanden oder von der Regierung auf persönlihe Bitte Dispens erhalten haben; da- gegen wird ihnen gestattet, bis auf Weiteres kirhlihe Funktionen auszuüben; die Regierung aber is ermächtigt, durch Verordnung ihnen diese Befugniß wieder zu entziehen.“

Hessen. Darmstadt, 17. Januar. Die Berichte der Zweiten Kammer über die abermalige Rekommunikation der Ersten Kammer bezüglih der Geseßentwürfe, die innere Verwaltung und die Vertretung dcr Kreise und Provinzen, die Städte-Ordnung und die Landgemciade-Ordnung, erstattet von dem Abg. Küchler, und bezüglich des Entwurfes des Volks\{hul- gesetzes, erstattet von dem Abg. Greim, sind jeßt im Druck er- schienen. Hinsichtlih des Entwurfs wegen der Verwaltung und Vertretung der Kreise waliet, wie „D. Z.“ mittheilt, keine Dif- ferenz mehr ob, dagegen bestehen noch diejenigen über die andc- ren Entwürfe (also namentlih wegen der von der Erstcn Kam- mer angenommenen Wahl der Hälfte der Stadtverordneten aus dem höchstbesteuerten Viertheil des Wählbaren, wegen des von der Zweiten Kammer verfohtenen Prinzips der direkten Wahl des Bürgermeisters, wegen der Zulassung r ligiöser Orden an Lehr- und Erziehungsanstalten des Großherzogthums und des Aus- \chlusses fsolher Orden von öffentlihen Volksschulen). Der

Aus\{chuß der Zweiten Kammer beantragt nun allenthalben Be- harren auf den früheren Beschlüssen, fs in diesen \{chon so gründlih und ershöpfend behandelten Fragen sich# auf neue weitläufige Entwickelung einzulassen. «#228 E R)

Er achsen-Weimar-Eisenach.; Weimar, 18. Januar (W. T. B.) Der ordentlihe Landtag des Großherz og- thums is heute in der herkömmlihen Weise eröffnet worden. In der landesherrlichen Propositions\hrift wird der erfolgten Vermählung des Erbgroßherzogs gedacht; die fortschreitende Befestigung des Deutschen Reichs und der weitere Ausbau der Reichsinftitutionen werden besonders hervorgehoben, ebenso der Abshluß der neuen Militärkonvention mit Preußen. Die für den Landtag bestimmten Vorlagen umfassen ein neues Volks- \hulgeseß, eine neue Gemeindeordnung, die Einführung von Friedensgerihten und ein neues Wahlgesezg. Das neu gewählte Präsidium des Landtags besteht aus den Abgeordneten Fries (Präfident), Brehm und von Rothenhan (Vice-Präsidenten. )

“S C E Rar GAP O vi 5REIEA Neuß. Greiz, 15. Januar. Zu der in Nr. 11 des „R. u. St.-A.“ veröffentlichten, der „Weimarischen Zeitung“ ent- lehnten Mittheilung über einen Vorgang im hiesigen Landtage ist berihtigend zu bemerken, daß nach dem Protokoll dem Land- tage von Fürstliher Regierung niht im Allgemeinen das Recht, auf die Abstimmung der Regierung im Bundesrathe beeinflussend einwirken zu wollen, abgesprohen, sondern lediglih die formelle Frage, ob die vom Abg. Leidholdt dem Landtage vorgeschlagene Erklärung, wie solhe in dem obengedahten Artikel ihrem we- sentlihen Inhalte nah enthalten is, als ein Antrag im Sinne der Landesverfafsung zu behandeln sei, diskutirt und von Fürst- licher Regierung unter Bezugnahme auf die einshlagenden Ver- fassungsparagraphen verneint worden ift.

Desterreich-Ungarn. Wien, 16. Januar. Der Kaiser hat gestern Nachmittags 2 Uhr den außerordentlihen Gesandten und bevollmächtigten Minister des souveränen Iohanniter-Ordens am Allerhöhsten Hoflager Feldzeugmeister Bailli Sigismund Frhr. v. Reischah empfangen und 'dessen Beglaubigungs- schreiben entgegengenommen,

Die Landtage von Böhmen, Ober - Oesterreich, Tirol und Schlesien sind heute geschlossen worden.

Der Kaiser hat am 12. d. M. 211 Personen Straf- nacsiht, beziehungsweise Strafmilderung zu Theil werden lasen. In Folge Allerhöchster Entschließung vom 5. d. M. ift bereits der Rest der Strafe 387 Sträflingen erlassen worden. Der Begna- digung auf Grund des Allerhöhsten Handschreibens vom 1. De- zember 1873, in welchem der Kaiser an dem 25. Jahrestage der Thronbesteigung au der dem Arme der strafenden Gerechtigkeit verfallenen Bewohner des Reiches in Gnaden gedachte, find mithin 598 Personen theilhaftig geworden. i

Lemberg, 17. Januar. Der Landtag nahm den Dring- lihkeitsantrag an, welcher die Regierung auffordert, nebft der deutschen Rejhs- und Rechtsgeschichte auh das polnische Recht als obligaten Prüfungsgegenstand an der Lemberger und Kra- kauer Universität einzuführen.

Triest, 18: Januar. (W. T. B.) Die Infantin Donna Maria Theresa von Spanien, geb. Prinzessin v. Beira, Wittwe des Don Carlos (Gräfin Molina), is gestern Abend hier im 80. Lebensjahre gestorben.

Pesth, 17. Januar. Im Unterhaus erklärte auf eine Interpellation Emerih Huszars der Minister des Innern, daß er von den Ungeseglichkeiten bei der Pancsovaer Abgeordnetenwahl Kenntniß habe und die strenge. Ahndung derselbe, \o wie das Vexbot des Gebrauches serbisher Fahnen angeordnet habe. Die Antwort wurde zur Kenntniß genommen. Horn interpellirte den Minister-Präsidenten wegen Benachtheiligung der ungarischen Industrie bei der Offertausschreibung für die Heeresausrüstung. Der Kultus-Minifler unterbreitete eine Geseßvorlage betreffs Baus einer medizinish-chirurgischen Klinik.

Schweiz. Am 31. v. M. sind zwishen dem Bundes- Präsidenten Cresole und dem italienischen Gesandten Meslegari unterzeichnet worden: 1) eine Uebereinkunft zur Berichtigung des auf dem Verlauf der Grenzlinie zwischen Brusio und Tirano bezüglichen §8. 4 eines am 9. August 1867 zu Andeer in Aus- führung des Vertrages von Piattamla vom 27. August 1863 über die Grenzregulirung zwishen Graubünden und Veltlin ab- geshlofsenen Marhprotokolls; 2) ein Vergleich, betr. Auf- stellung eines Schiedsgerichts für die endgiltige Festseßung der \chweizerisch-italienishen Grenze auf der Alp Cravairolo (Tessin).

19. Januar. (W. T. B.) Von 100,000 stimmfähigen Bürgern des Kantons Bern haben 70,000 für das vom Regierungsrathe vorgeschlagene liberale Kirchen gesetz gestimmt, 16,000 dagegen.

Belgien. Brüssel, 19. Januar. (W. T. B.) Die Stadt Brüssel hat eine Anleihe über 70 Mill. Frs. ef-

‘fektiv mit einer Gruppe von Finanz-Instituten und Bankhäusern

abgeshlofsen, an deren Spiye die Bank von Paris und die „Societé générale“ stehen.

Frankreich. Paris, 17. Ianuar. (W. T. B.) Baron Bourgoing is nach St. Petersburg abgereist, um wegen eines neuen Handelsvertrages zwishen Rußland und Frankreich zu verhandeln.

Versailles, 17. Januar. (W. T. B.) Die National- Versammlung fuhr heute in Berathung des Maire-Ge- eyes fort. Zu einer längeren Diskussion führte ein von der Linken eingebrahtes Amendement, wonach die Regierung gehalten scin soll, die Maires aus der Zahl der Munizipalräthe zu wählen. Der Herzog von Broglie sprach \ih gegen dieses Amen- dement aus und hob hervor, man müsse eine Institution haben, welche hinreihende Garantien für die konservativen Interessen biete und die Heilung der vorhandenen Schäden \ih angelegen sein lasse; die gegenwärtigen Mittel hätten ih als unzureichend erwiesen. Broglie rief für seine Behauptung Thiers zum Zeugen auf und erklärte, es bedürfe eines ganzen, niht eines halben Heilmittels, wie ein folhes mit dem Amendement vorgeschlagen werde. Das Amendement wurde darauf mit 343 gegen 329 Stimmen abgelehnt.

Spanien. Madrid, 18. Ianuar. (W. T. B.) ier eingetroffenen Nachrichten zufolge find die auf ständischen Banden in der Provinz Burgos in der Stärke von 3000 Mann vollftändig geshlagen worden und haben beträchtliche Verluste erlitten, Der Viadukt bei Toquella auf der Eisenbahnstrecke von Valencia nah Almansa if bei der Aus-

‘führung von Reparaturen eingestürzt. 33 Arbeiter verloren hier-

bei das Leben.

—' Ein Telegramm aus Oran vom 18. Januar meldet: Die „Numancia“ wird heute Abend unter Begleitung des aus den Fregatten „Vittorig* und „Carmea* bestehenden

\spanihen Geshwaders von dem Hafen Mers-el-Kebir nah Car- tagena abgehen.

Italien. Rom, 13. Januar. Die „Unita cattolica* giebt nachstehende Einzelnheiten über das Kardinalskollegium: Die Zahl der italienischen Kardinäle beläuft \sich auf 35 und rehnet man die sechs neu ernannten dazu, auf 41. Frankrei hat 6, Oesterreih 4, Spanien 3, Deutschland, Portugal und Irland je einen, zusammen 57. Zwei hat Papst Pius 1X. er- nannt, es bleiben also noch 11 zu ernennen, um die in der Bulle Sixtus V. festgeseßte Zahl von 70 Kardinälen voll zu machen. An Jahren is der Kardinal de Angelis der älteste, denn er is am 16. April 1792 geboren und im Konsttorium vom 13. September 1838 ernannt, aber in petto behalten wor-

den. Proklamirt wurde er im Konsistorium vom 8. Iuli 1839.

Dem Datum der Ernennung nach is Patrizzi der älteste, denn er wurde im Konsistorium vom 23. Juni 1834 ernannt, aber in petto behalten und am 11. Juli 1836 proklamirt. Er wurde demnach 4 Jahre früher als de Angelis zum ‘Kardinal ernannt, obgleich er 4 Jahre später als jener in Siena am 4. September 1798 geboren wurde. Von den Kardinälen, welche den gegen- wärtigen Papst erwählt haben, leben nur noch aht: Patrizzi, Amat, de Angelis, Vannicelli, Casoni, Schwarzenberg, Asquini, Carasa und Riario Storza, Erzbischof von Neapel.

Geftern verkaufte die Liquidations-Kommission wieder mehrere sequestrirte Klostergrundstücke. Ihr Werth war auf 144,120 Frs. taxirt worden, fie erbrahten aber 248,300 Frs.

Nah dem von dem Handels-Minister veröffent- lihten Rehnungsabschlusse der italienishen Kredit-In- stitute am Ende November hatten die 89 Volksbanken und 114 gewöhnlichen Kreditanstalten, zusammen 233 Stück mit einem Einlagekapital von 393 Millionen Fr., 25,934,211 Fr. an Kassenscheinen in Umlauf gegen 27,492,309 Frs. am Ende Oktober. Die Cirkulation der sechs Emissionsbanken isst von 1551 Millionen auf 1544 Millionen und der baare Kassenbestand von 396 auf 373 Millionen gefallen. Die Sparkassen haben 9,039,892 Frs. eingenommen und 11,954,318 Fr. ausgezahlt, also 2,914,426 mehr als fie eingenommen hatten, Auch im ver- gangenen Monat wurden 2,949,323 Frs. mehr zurückgezogen als eingelegt.

17. Januar. (W. T. B.) Der König hat in Folge der geschehenen offiziellen Notifikation vom Ableben der Königin- Wittwe Elisabeth von Preußen eine 20tägige Hoftrauer an- geordnet.

Nußland und Polen. S t. Petersburg, 3. Januar. Das im Auszuge telegraphish mitgetheilte Kaiserliche Ma- nifest, betreffend die Einführung der al. gemeinen Dienstpflicht, lautet: : |

Von Gottes Gnaden Wir, Alexander der Zweite, Kaiser und Selbstherrscher all-r Reußen, König von Polen, Großfürst von Finn- land u. f. w. u. f. w. u. st. w. thun allen Unseren getreuen Unter- thanen hiermit fund und zu wissen:

In der beständigen Sorge um das Wohl Unseres Reiches und um V.rleihung besserer Institutionen für dasselbe haben Wir nicht umhin gekonnt, der bisher bestehenden Art und Weise für die Lei- stung der M!litärpflicht Unser Augenmerk zuzuwenden. Nach den bis j-t zu K.aft bestchenden Geseßen hatten diese Le stung nux die Stände der Kteinbürger und Bauern zu tragen, und cin großer Theil rufsfischec Unterthanen war von einer Verpflichtung befreit, die Allen

leich heilig sein muß. Dieser Motus, der sih unter anderen Ver- hältnissen gestaltet hat, entspricht weder den veränderten Bedingungen des Staatslebens, noch genügt er den Anforderungen an das Militär der Jeßtzcit. Die jüngsten Ereignisse baben dargethan, daß die Stärke der Staaten nicht allein in der Masse der Truppen becuht, sondern voczugêweise in den fittlihen und intellektuell-n Eigenschaften derselben, die zur höchsten Entfaltung erst dann aclangen, wenn die Sache der Vaterlandsvertheidigung Gemeingut des Volkes wird, wenn Alle, ohne Unterschied des Berufs und des Standes, sich zu diesem heiligen Werk vereinigen. : 5

In der Erkenntniß der Nothwendigkeit, die Organisation der militärischen Kräfte des Reiches nah den Fingerzeigen der derzeitigen Erfahrung-n umzugestalten, befahten Wir im Jahre 1870 dem Kriegs- Minister, zur Äbfafsung von Entwürfen zu einem vollkommeneren Modus der Kompletirarg Unserer Truppen unter Heranziehung aller Stände zur Militärpflicht zu schreiten. /

Die erprobte Bereitwilligkeit Unserer Unterthanen, si der Hei- math zum Opfer zu bringen, war Uns eine Bürgschaft, daß Unser Ruf in den russisch-n Herzen einen \ymvathischen Widerhall finden werde. Wir haben darin nicht geirrt. Unser großherzigec Adel und die anderen, von der Refrutirung ausg \{chlossen n Stände haben Uns in vielfachen Kundge“ungen den freudigen Wunsch erk nnen lassen, mit dem übrigen Theile der Bevölkerung die Beschwerden des okliga- torishen Kriegsdienstes zu theilen. zj

Wir haben diese Kundgebungen mit dem erhebenden Gefühl dcs Stolzes und mit ehrfurchtsvoller Dankbarkeit für die Vorsehung ent- g-gengenommen, welche Uns das Scepter über ein Voik in die Hand gegeben, in dem die Liebe zum Vaterlande und die Selbstve: leugnung ein unveräußerliches, von Geschleht zu Geschlecht überfommenes Gut aller Stände bilden.

Um nach den angedeuteten Hauptgrundzügen das neue Statut über die Militärpflicht zu entwerfen, wurde sodann eine besondere Kom- misfion aus Beamten verschiedener Resso:ts und anderen Personen mit der erforderlihen Sachkenntniß gebildet, Das von der Kommission entworfene und nach eingehender Berathung vom Reicbsrathe verbesserte Statut entspricht vollkommen Unseren Absichten. Ven d-r Grund- bestiminung ausgehend, die Vertheidigung von Thron und Vater- land eine heilige Pflicht jedes russischen Unterthanen ist, zieht dieses Statut zur Betheiligung an der Ableistung der Militärpflicht die ge- sammte männlihe Bevölkerung heran, ohne Zulassuug des Loskaufs durch Geld oder der Stellvertretung durch Freiw.llige. Die W'rksam- keit des neuen Geseßzes hat sih nur nicht auf die Kosakenbevölkerung zu erstrecken, welche den Militärdienst in einer sür sic festge)eßten Weise leistet, auf einige Nichtzussen, das transkaukasishe Gebiet und andere, in Unserem Edikt an den dirigirenden Senat benannte entferute Gegenden, fur welhe besondere Bestimmungen erlassen werden sollen. Mit diesen Ausnahmen und einzeinen zeitiveiligen Vergünsti- gungen, die in demselben Edikt erwähnt sind, wird die 'ge- sammte männliche Bevölkerung des Reiches und des Königreichs Polen nach Erreichung des 20jährigen Lebensalters dem Loos unterworfen, welches ein für allemal entscheidet, wer in den aktiven Dienst zu treten hat und wer von demselben befreit ist. Obgleich für die bei den Landtrupypen Dienenden eine allgemeine 1öjährige Dienstfrist angenom- men ift, so werden dieselben doh nach Veriauf von ses Jahren und, falls die Möglichkeit vorliegt, au früher entlassen, mit der Verpflich- tung, fih auf den Ruf der Regierung nur bei Gelegenheiten außer- ordentlichen militäri\chen Bedarfes zur Fahne zu stellen. Für die Mannschaften der Flotte und der in einigen entfernten Gegenden sta- tionirten Truppen werden besondere Dienstfristen f. tgeeßt werden. Für junge Leute, die Schulunterricht, selbst den der Volksschul. n nit ausgeschlossen, genossen haben, wird die Dauer des obligatorischen Verbleibens bei den Trnppen ?ur Friedenszeit nah dem Grad und der Art ihrer Bildung bedeutend abgekürzt und außerdem werden ihnen andere wesent'iche Erleichterungen zugestanden.

_ Indem Wir das nah diesen Prinzipien en worfene Statut über die Militärpflicht bestäfigten und Unsere Unterthanen im Namen des uns allen theuren Vaterlandes zu hing: bender Erfüllung der ihnen auferlegten Pflichten berufen, haben Wir nicht die Absich!, die Grund- säße aufzugeben, denen Wir während Unserer ganzen Regierung unab- weichlich gefolgt sind, Wir suchen nicht den Gianz des Kriegsruhmes,

diesem Vorschlage nicht

wie Wir ihn bis jeßt nit gesuht haben, und s{äßen als das {önste Loos, das Uns Gott hat zu Theil werden lassen, Rußland auf dem Wege friedlichen Fortschritts und allseitiger innerer Entwickelung zur Größe zu fübren. Die Organisation einer gewaltigen Militärmacht wird diese Entwickelung weder aufhalten nech verzögern; sie wird im Gegentheil ihren regelmäßigen und unaufhaltsamen Gang gewährleisten, indem fie die Sicherheit des Reiches {ütt und jedes Attentat auf seine Ruhe im Voraus abwendet. Mögen aber die den jungen Leuten, denen Bildung zu Theil geworden, jeßt verliehenen wichtigen Vorrechte ein neues Mittel zur Verbreitung wahrer Aufklärung in Un!erem Volke werden, in dcr Wir den Grund und das Unterpfand seines künftigen Wohlergehens erblicken.

Gegeben zu St. Petersburg am 1. Januar im Jahre des Herrn eintausend ahthundert und vierundfiebenzig, Unserer Regierung im ueunzehnten. S

Das Original i|st von Sr. Kaiserlihen Majestät Höchst- eigenhändig unterzeichnet.

18. Januar. (W. T. B.) Der Feldmarschall General- Adjutant Graf von Berg ist ernsilih erkrankt.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 13. Januar. Auf Antrag der am 1. Januar eröffneten „Bank für Helfing- land“, haben alle \chwedischen Banken, welhe zum Aus- stellen von Zetteln befugt sind, Erlaubniß erhalten, dieselben auf Kronen lautend auszustellen. Im nächsten Monat \foll die Ausmünzung des größten Theils der 10- und 20-Kronen- ftücke in Gold ihr Ende erreichen. Um die Verwechslung der 20-Kronenstücke mit den 2-Oerestücken zu verhindern, gedenkt man den Glanz von den Bronzemünzen zu entfernen, so baß diese ihre ursprünglih dunklere Farbe beibehalten.

Amerika. (A. A. C.) Die neueste brasilianishe Post bringt die Nachricht von dem Ende des Krieges in Entre- Rios. Der „Buenos Ayres-Standard“ vom 16. Dezember berichtet darü' er Folgendes: Die Regierungstruppen haben einen Höchst entschiedenen Sieg über Lopez Jordan errungen, dessen Streitkräfte völlig zersprengt wurden. Ueber 1000 Mann vi die gesammte Artillerie und Baggage wurde erbeutet, und

er Rebellenführer selber ergriff mit nur 20 oder 30 Anhän- gern die Flucht. Die Freude, welche diese Nachrichten in Buenos Ayres hervorgerufen haben, beweist die Bedeutung des Sieges, und eine der größten Ursachen der anhaltenden Handelsstockung und Geldverlegenheit is beseitigt worden. Oberst Grinza, der Jordan besiegte, ist auf dem Schlachtfelde auf Befehl des Präsi- denten zum General proklamirt worden, und gestrige Telegramme von Rosario melden, daß sämmtlihe höheren Offiziere des JIor- dan sich im Lazjer einfanden, ihre Degen übergaben und der Nationalregierung den Lehnseid leisteten. Die Angelegenheit kann mithin als endgültig geregelt betrahtet werden.

Oberst Martin de Gainza hat folgenden Bericht über die Niederlage des Lopez Iordan erstattet: „Schlachtfeld, Don Gonzalo. Dienstag, 11 Uhr Abends. Heute stieß ih nah cinem Marsche von 10 Meilen mit Iordans Armee, die aus 5000 oder 6000 Mann, incl. großer Massen Kavallerie und 5 Bataillonen Infanterie nebst 8 Feldgeshüßen bestand, zusammen. Wir haken einen vollständigen Sieg errungen, indem wir die gesammte feindlihe Infanterie tôdteten oder gefangen nahmen, während viele ertranken oder vermißt werden. Wir erbeuteten auch die ganze Artillerie des Feindes 6 oder 7 Fahnen und eine Menge von den Flüchtigen im Stich gelassene Waffen und Mu- nitonsvorräthe. Seine Kavallerie flüchtete nah allen Richtungen hin, und wenn ih eine Stunde mehr Tageslicht gehabt hätte, würde ich Lopez Jordan, der mit einem Gefolge von nur 40 Personen über den Strom seßte, gefangen genommen haben.“

Die peruanische Regierung hat eine aus fünf Mitgliedern bestehende Kommission ernannt, welche die Guano- lager in Peru inspiciren soll. Dieselbe hat in Iquique bereits ihr Werk begonnen.

(Monatsübersiht) Die durch die Wegnahme des „Virginius" entstandenen Differenzen zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten, welche eine Zeit lang die Erhaltung friedlicher Beziehungen zu bedrohen \thienen, find dur das Ent- gegenkommen der spanischen Regierung glücklich beigelegt worden. Der Rest der gefangen genommenen Passagiere und Mannschaft wurde am 18. Dezember in Santiago an den amerikanischen Kriegsdampfer „Juniata“ ausgeliefert und von demselben nah New-York gebracht. Der „Virginius“' selbs wurde {hon am 16. in Bahia Honda, wohin derselbe Tags zuvor von Hg- vannah gebracht worden war, dem amerikanischen Aviso- dampfer „Despath“ übergeben. Da es sich bei der in Washington angestcllten Untersuchung herausgestellt hatte, daß der „Virginius“ nicht berechtigt gewesen war, unter amerikanisher Flagge zu fahren, so unterblieb bei der Uebergabe das von der amerifanishen Regierung früher beanspruhhte Salu- tiren der Flagge der Vereinigten Staaten. Während der Fahrt nah New-York scheiterte der „Virginius*“ am 26. Dezember in der Nähe von Cap Fear in Nord-Carolina.

Am 1. Dezember trat in Washington der 43. Kongreß zu seiner ersten Session zusammen Da d23s jetzige Repräsentanten- haus das erste ist, welches nah der auf Grund des Census von 1870 neuf eingeführten Distriktseintheilung gewählt wurde, \o ist dasselbe um einige vierzig Mitglieder stärker als bisher. Was die politishe Zusammensezung des Kongresses anbetrifft, \o hat die Regierung in jedem Hause über eine große Majorität zu ver- fügen. Im Senate "-7.aden fih 49 Republikaner, 18 Demokraten und 6 liber-i. Republikaner, im Repräsentantenhause gehören 193 Mitglieder der Regierungspartei, 93 der Opposition an. Die an den Kongreß gerichtete Botschaft des Präsidenten beschäf- tigt sich, neben der seitdem erledigten Virginius- Angelegenheit, hauptsächlich mit den finanziellen Zuständen des Landes, nament- lih wird in derselben die Wiederaufnahme der Baarzahlungen befürwortet, welche das einzige Mittel sei, die augenblicklih so gerrütteten Finanzverhältnisse zu einer gesunden Basis zurückzu- führen. Ferner fpriht sih der Präsident darin zu Gunsten einer politischen Amnestie aus, welchem Wunsche das Haus durch die Erlassung eines Gesezes, welches allen früheren Theilnehmcrn an der Sezesfion volle politishe Rechte zurückgiebt, bereits entsprochen hat. Der Kongreß hat den vom Marine- Minister geforderten Kredit von 5 Millionen zur Ausrüstung der Kriegsmarine genehmigt. Dagegen war man bis zu der am 19. erfolgten Vertagung niht darüber einig geworden, auf welche Weise das seit etwa 4 Monaten sih zeigende Defizit in den Staatseinnahinen, wel- ches sih am 1. Januar bereits auf über 20 Millionen belaufen dürfte, für das nächste Finanzjahr aber auf 42 Willionen ge- \chägt wird, zu decken wäre. Der Finanz-Minister, welcher augenblicklich genöthigt ist, den Reservefond von 44 Millionen anzugreifen, hat den Antrag gestellt, dies durch die Erhebung neuer Steuern, namentlich durch Wiedereinführung der Zölle auf Thee und Kaffee, zu erreihen, doch \{eint die Majorität beistimmen zu wollen, und ftatt einer neuen Anleihe oder der Verausgabung wei-

dessen Vorläufig isst die

teren Papiergeldes geneigt zu sein.

Regierung um Angabe der . in allen Departements mögliherweise zu machenden Ersparnisse angegangen worden, doh dürften fih dieselben niht höher als auf 5 Millionen be- laufen. Das vom vorigen Kongresse angenommene Geseg über die Erhöhung des Gehaltes der Kongreßmitglieder, wodurch im ganzen Lande eine große Mißstimmung hervorgerufen wurde, ist abermals Gegenstand der Berathung gewesen. Im Hause beschloß man, das Gehalt auf 6000 Dollars und die wirklichen Reisekosten zu normiren, doch hat der Senat diesen Antrag nicht angenommen, vielmehr hat das Finanzkomite desselben vor- geschlagen, dies Gehalt auf die frühere E zu reduziren.

Die seit dem Frühjahre \{webende Frage, welche der beiden Legislaturen, bez. welcher Gouverneur in Louisiana als rechtmäßig gewählt zu betrachten sei, ist noch nicht zur Ver- handlung gekommen; doch hat sich das Haus dazu entschlofsen, vorläufig die Abgeordneten der Kellogg-Partei zuzulassen.

Die Schuld der Vereinigten Staaten belief fich am 1. De-

zember auf 2,150,862,053 Dollars 46 C., nah Abzug des Be- standes an baarem Gelde und aus\chließlich der zu Gunsten der Pacificbahnen emittirten Obligationen. Dieselbe hat demnach seit dem 1. Novemb.r um 9,028,576 Dollars zugenommen, In Bezug auf die am 1. Januar 1874 fällige Anleihe von 1858 zum Betrage von 20 Millionen hat der Kongreß die Bestim- mung getroffen, daß es den Inhabern derartiger Papiere frei- stehen solle, dieselbe bis zum 1. Juli gegen andere fünfprozen- tige Obligationen zu vertauschen. - In industrieller Beziehung haben sich die Verhältnisse bedeutend gebessert. Die Mehrzahl der in den Neu - England Staaten und Pennsylvanien befindlihen Wollen - und Baumwollenwaaren - Fabriken, welhe in Folge der finan- ziellen Krisis geschlossen wurden, haben wieder angefangen zu arbeiten. Ebenfo haben die pennsylvanischen Eisenwerke begonnen, den Betrieb wieder aufzunehmen. Doch ist diese Wiederauf- nahme faft überall mit einer Reduktion der Arbeitslöhne um 10—20 pCt. verfnüpft gewesen. Wie aus den auf einer Massen- Versammlung in New-York mit großem Enthusiasmus ange- nommenen Beschlüssen hervorgeht, beginnen sfozialistishe Ten- denzen unter der dortigen Arbeiter-Beoölkerung um sih zu greifen. In diesen Beschlüssen wird niht nur das „Ret auf Arbeit“ und deren Beschränkung auf aht Stunden, sondern au die „Verpflichtung* der Gemeinde, die unbeschäftigten Ar- beiter und deren Familien auf öffentlihe Kosten zu erhalten, beansprucht. Auch wird darin die Errichtung eines Sicherheits- Aus\chusses in Ausficht genommen.

Am 16. Dezem'er wurde in Pennsylvanien die neue Kon- stitution des Staates mit großer Majorität angenommen, und wird dieselbe am 1. Januar in Kraft treten. Die dadurch ins Leben tretenden Veränderungen find durchgreifender Art. Die Legislatur wird um das Doppelte stärker fein, doh werden die Befugnisse derselben in hohem Grade eingeshränkt, und den größeren Städten eine fast vollständige Selbstverwaltung ge- geben. Ebenso enthält dieselbe vielfahe Bestimmungen, welche eine Shußwehr gegen die Machtausdehnung ‘der Eisenbahnge- sellshaften und anderer Korporationen, namentlich au gegen den Einfluß politisher Verbindungen bilden sollen. In den Staaten New-York und Kentucky, wo ähnliche korrupte politische Organisationen herrschen, wie bisher in Pennsylvanien, werden gleichfalls konstitutionelle Abänderungen beabsichtigt.

Mexiko. In einzelnen Gegenden dauert die dur die neuen Kirchengeseße hervorgerufene Aufregung fort. So haben in Zinacantepec, Tenancingo und Tejupilco blutige Aufstände der Indinner stattgefunden, welche indessen durh die Energie der Behörden bald unterdrückt wurden. Die Anstifter derselben, die katholishen Priester Arias und Gillas, befinden sih in den Hâän- den der Regierung. Da indessen der Bischof von Queretaro das Bolk aufgefordert hat, allen Widerstand gegen die Regierung aufzugeben, so erwartet man, daß die dur die Geistlihen ver- anlaßte Aufregung sih überall in kurzer Zeit legen werde.

In Yucatan dauert die Revolution fort. Von Vera Cruz wurden Regierungstruppen nah Progreso befördert, und schien es, als ob ernstlihe Maßregeln gegen den Anführer der JIn- furgenten Vasquaz ergriffen werden sollten. Die Deputirten von Yucatan protestirten im Kongresse gegen jede Intervention der Bundesregierung in die inneren Angelegenheiten des Staates. Der Erklärung der Regierung zufolge if dieselbe indessen nur auf die Aufforderung der mir dem Gouverneur in Konflikt ge- rathenen legislativen Versammlung erfolgt. :

Vom Kongreß if die Einseßung einer aus 15 Deputirten und 14 Senatoren vestehenden Permanenz-Kommission be- {lossen worden. Dieser Kommission, welche den Kongreß wäh- rend der Ferien desselben zu vertreten hat, steht das Recht zu, nah Besprechung mit der Exekutivgewalt, und wenn zwei Drittel der Stimmen fih dafür erklären, eine oder beide Kammern zu einer außerordentlichen Sizung einzuberufen. Von Seiten der Regierung ist ein Geseß vorgelegt worden, wonach alle im Lande neu zu errichtende Fabriken und neu einzuführende Gewerbs- zweige völlig frei von Abgaben sein sollen.

Zwischen Meriko und Guatemala i ein Auslieferungs- vertrag abgeschlossen worden.

Centralamerika. Seit der Vertreibung Palacios erfreut fich Guatemala andauernd eines inneren Friedens. Die Re- gierung ift auf das Eifrigste darauf bedacht, für die Hebung der Landwirthschaft und Industrie zu sorgen, und sucht durch die Errichtung von Schulanstalten auch das geistige Wohl des Volkes zu fördern. Auch Salvador war ruhig, doch hatte die Regie- rung in Folge des mit Nicaragua und Honduras abge- \{lo}ssenen Schußz- und Trugzbündnisses Truppen abgesandt zur Abwehr der unter Führung des Obersten Tinoco, angebli mit Hülfe von Costa Rica, gemachten Invasion, welche bei San Bernardo gelandet war und sowohl Honduras als Nicaragua bedrohte. Tinoco beseßte am 23. November die im Depar- tement Chotuleca, nahe der Grenze von Nicaragua in Honduras gelegene Stadt Corpus. Die amtliche Zeitung von Nicaragua sagt, daß der Präsident von Cösta Rica, Thomas Guardia, den Plan habe, im Verein mit Correoso Panama und Nicara- gua zu anneftiren. Präsident Guardia dagegen beschuldigt Nicaragua fkriegerisher Gelüste, und behauptet, daß es Costa Rica von allen Vortheilen des interoceanischen Kanals aus- \hließen wolle, auch dränge es unter dem Vorwande, daß der Präsident von Costa Rica als Verschwörer gegen den Frieden Central-Amerikas beseitigt werden müsse, zu Feindseligkeiten. In einer an das Volk von Costa Rica erlassenen Ansprache er- klärt Präsident Guardin, daß er, von den Wünsche beseelt, daß um seine Perfon kein Blut vergossen werde, sein Amt auf den ersten Stellvertreter übertragen habe. Demgemäß hat Salvador Gonzales, bisher Finanz-Minister, am 21. November die Regie- rung übernommen.

In den Vereinigten Staaten von Columbien er- regte die Wahl des nächsten Präsidenten allgemeine Aufregung. Da das Recht der Wahl. den Legislaturen der einzelnen Staa-

ten zusteht und die Legalität einzelnex derselben, angeblih wegen vorgekfommener Wahlfälshungen, angefohten wird, so wirkt dies auch auf die Rechtmäßigkeit der Präfidentenwahl zurü.

In Panama hat der Präsident, General Nigra, sein Amt niedergelegt und \fich nach Buenventura eingeschifft. Der Legis- [atur des Staates is es überlassen, einen Stellvertreter für den Rest seines Amtstermins zu ernennen. Die Ruhe ist in Panama dadur nit gestört worden. :

Aus Grund der Grenzstreitigkeiten mit Columbien hat der Präsident von Venezuela, Guzman Blanco, alle Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Columbien abgebrochen. Im Staate Zulia brach aus Veranlassung eiuer vom Gouverneur Pulgar erhobenen Kontribution von 30,000 Dollars eine Re- volution aus. Die Regiecungstruppen wurden geschlagen und fieht man weiteren Zusammenstößen entgegen. Der übrige Theil des Landes war ruhig.

Bolivien. Der zu Anfang Oktober in Chuquisaca erôff- nete Kongreß, iff am 7. November geschlossen worden. Ein Theil der von der Regierung verlangten Anleihe wurde bewilligt. Der fchlende Theil \foll durh neue Steuern und Herabseßung der Beamtengehälter aufgebraht werden. Präsident Ballivian ist bereits nah La Paz zurückgekehrt. Die Gerüchte von der be- vorstehenden Abdankung desselben gewinnen mehr und mehr an Wahrscheinlichkeit, und dürfte in diesem Falle r. Frias, wie nach der Ermordung des Präsidenten Morales, provisorisch die Leitung der Staatsgeshäfte übernehmen.

Chili. Der Kongreß hat das neue Strafgeseßbuch ge- nehmigt. Von besonderer Bedeutung sind die darin enthaltenen Bestimmungen, welche die freie Ausübung jeder Religion fest- seßen und die Geistlichkeit in gewissen Fällen der weltlihen Ge- richtsbarkeit unterwerfen. Die Regierung hat den Antrag, jun- gen Damen, welche sich dur eine Prüfung über ihre Kenntnisse ausgewiesen haben, die Fakultätsstudien zu gestatten, genehmigt.

Die argentinishe Regierung hat bei der chilenishen Protest gegen die von der leßteren beabsichtigte Erbauung eines Leucht- thurms am östlihen Eingange der Magellansstraße eingelegt.

i Brasilien. Die religiöse Aufregung ist in Pernambuco im Wachsen. Der Bischof hat allen Geistlichen, zu deren Kirchen die interdizirten Brüderschaften gehören, untersagt, Gottesdienst abzuhalten, und sind in Folge dessen alle Pfarrkirchen geschlossen worden. Die Vikare find indessen dadur mit der weltlih-n Macht in Konflikt gerathen, da der Präsident von Pernambuco verfügt hat, daß allen den G.istlichen, welche nicht nachweisen

4 können, daß sie regelmäßig Gottesdienst abvehalten haben, das

Gehalt ferner nià:t mehr ausbezahlt werden soll. Um die kleri- tale Partei zu stärken, haben die Ultra :ontanen im ganzen Lande die Bildung von Katholikenvereinen unternommen und dadur der Regierung neue Schwierigkeiten bereitet. Gegen den Bischof von Para is gleihfalls eine Untersuchung eingeleitet worden.

Die Regierung hat ein Dekret veröffentliht, wonach vom 1. Januar ab wesentlihe Veränderungen in den bisher erhobenen Zuschlägen auf die Einfuhrzölle eintreten follen. Auch soll von demselben Zeitpunkte ab von allen fremden Schiffen, gleichviel ob in Ballast oder mit Ladung, ob fie aus einem fremden oder einheimischen Hafen kommen, ein Hafengeld von 200 Reis per Tonne von 1000 Kilogramm crhoben ive: den, doch nit öfter als sechsmal im Jahre von demselben Schiffe. Ebenso sollen in allen Häfen, in denen sich Hospitäler befinden, welche Seeleute unentgeltlich aufnehmen, besonde e Abgaben erhoben werden.

Argentinische Republik. Die Rebellion in Entre Rios ist noch immer nit unterdrückt. Wie es eint, versuht Lopez Jordan eine Entscheidung bis zum nächsten Mai, zu welcher Zeit die Präfidentenwahl stattfindet, hinzuziehen. Präsident Sarmiento, welcher sih auf den Kriegs\chauplaß begeben hatte, ist nach Buenos-Ayres zurückgekehrt. Eine Reserve-Armee von 9000 Mann unter General Iwanowski foll in Rosano aufge- stellt werden.

Asien. Aus Calcutta wird den „Times“ vom 15. d. Méts. gemeldet :

„Die heute eingegangenen Berichte der Pflanzer von Tirbut lauten s{chlimmer. Es ist unwahrscheinlich, daß der Vice-König dieses Jahr Simla besuchen wird. Sir G. Campbell hofft die beiße Saison in Calcutta zuzubcingen. Er hat der Regierung cinen V-ranschlag für weitere Einfuhren unterbre'tet und er dringt auf ein Verbot der Aus- fuhr. Im leßten Monat wurden 42,000 Tons Reis ervortirt S.lber wird in Calcutta, Madras und Bombay fkaapy. Schnee hat die Ankunft von Depeschen von der Kaschgar-G-sandtschaft verhindert. Ruïssishe Waar-n sind in Yarkund reichlih vorhanden Der Atalik ist im Begriff, einen anderen Gesandten nach Konstantinopel zu sen- den. Der Fürst von Arcot starb gestern. *

Afrika. Die britishen Kriegs\hiffe an der Goldküfte haben, wie ein Telegramm aus London vom 17. d. M. meldet, Befehl erhalten, sich nah dem Kap zu begeben, weil im Natal- lande Unruhen ausgebrochen sind.

Statistische Nachrichten.

München, 16. Januar. Von vorgestern bis gestern Abend sind 21 Erkrankungen und 10 Todesfälle, von gestern bis hente Abend 33 Erfrankungen und 21 Todesfälle an Cholera hier vorgekommen.

Nach der „Austria* umfaßte der Postverkehr in Wien i. J. 1872 29,222,999 Br efe im internen, 11,539,230 B. im inter- nationalen Verkehr, zusammen 40,761,759 Briefe; im internen Fahbr- postverkehr 182,412 Packecte und 2,527,236 Geld- und Werthsendungen im Gesfiummtwerth voa 329,089,772 Gulden; im internationalen Fahrpostverkehr 169,290 Packete und 455,580 Geld- und Werthsen- dungen im Gesammtwerth von 258,656,293 G., zusammen im Fahr- postverkehr 351,702 Paete und 2,982,816 Geld- und Werthsendungen im Werthe von 087,746,055 G.

Landwirthschaft.

Wien, 17. Januar. Die „Wiener Z-“ schreibt : Jn landwirth- schaftlichen Kreisen ist von mehreren Seiten der Wunsch geäußert wor- den, daß füc jene Wollen, die auf die auswärtigen Woilmärkte geführt, aber als unverfauft von denselben Eigenthümern zurückgeführt werden, der uniererseits gezahlte Ausfuhr- sowie der jenseits gezahlte Einfuhrzoll rückerseßt, das heißt das volle Losungsverfahren eingerämt werde.

Zur Information für die betheiligten Kreise wicd hier bemerkt, daß dem erwähntcn Wunsche, sofern es fich um die wittigsten Woll- a Se in Deutschland und Italien handelt, thatsächlich bereits ent- prochen ei.

Es bestebt nämlich einerseits ein Ausfuhrzoll für Wolle nah un- serem Zolltarife niht und andererseits ist durch unsere Handelsverträge mit dem deutschen Zollvereine vom 9. März 1868, Reichs-Geseßblatt Nr, 12 (Art. 6 a) und mit Jtalien vom 23. April 1867, Reichs- Ge- seßblatt Nr. 108 (Urt. X a), hinsichtlich unseres Verkehres mit diesen Staaten das volle Losungver‘ahreu für den Marktverkchr im Allge- meinen (ausgenommen bei Verzehrungêgegenstäuden) son eingeführt

worden. Verkehrs-Anstalten.

Berlin. Der Centralverein für Hebung der deutschen Sluß- und Kanalschiffahrt hielt am Sonnabend im Bürger-