1874 / 18 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 21 Jan 1874 18:00:01 GMT) scan diff

zu ermächtigen. Dabei wurde ein Antrag angenommen: der Re- gierung gegenüber die Erwartung auszusprehen, daß die ge- sammte Civilrehtspflege erster Instanz in Einem Gerichtsgebäude vereinigt werde.

Württemberg. Stuttgart, 17. Januar. In der gestrigen Sißung der Zweiten Kammer konnte wegen Un- wohlseins des Justiz-Ministers v. Mittnaht die Berathung über den Neubau eines Iustizpalastes, die als erster Gegenstand auf der Tagesordnung stand, niht vorgenommen, sondern mußte auf Montag Abends verschoben werden. Die Berathung über den Bau eines weiteren akademischen Krankenhauses in Tübingen war daher einziger Gegenstand. Die neue Anstalt foll zu 70 Betten eingerihtet werden und außerdem noch eine besondere Abtheilung für die Augenheilkunde mit 24 Betten erhalten, das alte der chirurgischen, das neue der medizinishen Klinik dienen, Exigirt is dafür die Summe von 475,000 Gulden, die aus den Mitteln der franzöfischen Kriegsentshädigung genommen werden sollen. Die Kommission trug einstimmig auf Verwilligung an, und auch in der Kammer erhob \ih keine Stimme dagegen. Die Debatte betraf die von Freiherrn W. v. König aufgeworfene Frage der Konkurrenz für Baupläne bei größeren Staatsbauten überhaupt, auf welhe sein Antrag lautete. Finanz-Minister v. Renner erklärte sich gegen den Antrag in seiner Allgemeinheit, war aber nit gegen denselben in der vom Abg. Baumgärtner vorgeschlagenen, von Mohl empfohlenen Form, nämlich die Frage der Regierung zur Erwägung zu geben. Die Exigenz von 475,000 Gulden wurde einstimmig verwilligt und der nah Baumgärtners Ansicht formulirte Antrag des Freiherrn v. König gleihfalls an- genommen.

Baden. Karlsruhe, 46. Januar. Jn der heutigen 18. Sihung der Zweiten Kammer, in welher der Abg. Friderih über die Nachweisung der in den Jahren 1871 und 1872 eingegangenen Staatsgelder und deren Verwendung Be- richt erstattete, handelte es fih auch um die seit dem 1. Januar 1872 ertheilten Administrativkredite, zu welchen es in dem Be- riht der Budget-Kommission heißt :

„Indem wir die nähere Prüfung dieser ungewöhnlich hohen und zahlreichen Administrativkredite dem kommenden Landtag hiermit vor- behalten, beantragen wir, die Kammer wolle die Erwartung ausspre- chen : Die Regierung werde Administrativkredite nur in dringenden, durch die Staatsinteressen gebotenen Fällen ertheilen.

Die Unterbringung der Großherzoglichen Gesandtschaft zu Berlin in einem von der Großherzoglihen Staatsverwaltung zu erwerbenden eigenen Gebäude daselbst hatte sich bei den seit einer Reihe von Jahren in Berlin herrshenden außergewöhnlihen Wohnungsverhältnissen als ein dringendes Bedürfniß heraus- gestellt. Nachdem die Ermächtigung zur Einleitung von Kaufs- verhandlungen und zum Abschluß eines Kaufvertrages ertheilt worden war, wurde bereits im Mai 1872 ein entsprechendes Haus, Behrenstraße Nr. 70 zu Berlin, um den Preis von 115,000 Thlrn. oder 201,250 fl. angekauft. Diese Summe und weitere Kosten für Umbau u. dgl., zusammen 290,500 fl., wurden durch Administrativkredite aufgebraht. Staats- Minister Dr. Jolly erklärte: „Ende März 1872 war der Landtag geschlossen, und in Berlin war cine ge- meinsame Kanzlei für umfassende Registraturen und Akten für die Bundesrathsmitglieder und den Gesandten, sowie auch im Interesse der Reichstagsabgeordneten Badens dringend noth- wendig. Das gleihe Bedürfniß hat \fich für andere Staaten des Reichs berausgestellt. Hätte man: damals den Landtag abwarten wollen, so würden die Uebelstände für drei Sessionen des Reichs- tags fortgedauert haben; es mußte dem dringenden Bedürfniß abgeholfen werden.“ Damit wurde der Gegenstand verlassen. Der oben mitgetheilte Antrag in Betreff der Adminifstrativkredite wurde angenommen. Vom Abgeordneten von Buß ist ein Antrag gestellt :

„Das Haus spriht den Wunsch aus, daß die Vertreter Badens im Bundesrathe sich dort für Gewährung von Diäten an die Reichs- tagsaLlgeordneten erklären.“

Aus denStaatsrechnungen ist noch Folgendes erwähnens- werth: Die Gesammtkosten der Eisenbahnen betrugen 1872 143,434,755 fl. Diese Summe hat sich pro 1872 verzinst mit 4,21 Proz. Eine Abrechnung über den badishen Antheil an den Einnahmen der Reichspost, an welche mit dem Jahre 1872 die badische Post übergegangen ist, hat bis Ende 1872 noch nicht stattgefunden; als geringsier Antheil ist für die Dauer von 8 Jahren an Baden die Summe von 175,000 fl. garantirt; es wird dieser Antheil nah dem Budget der Reichspostverwaltung auf 209,303 fl. berechnet für das Jahr 1873. Die Bodensee- Dampfschiffahrtsverwaltung hat den veranschlagten Ueberschuß von 3400 fl. nit geliefert, es zeigte \sich vielmehr eine Unzu- länglihkeit von 63,965 fl. 53 Kr.

Hessen. Darmstadt, 19. Januar. Der Prinz Alexander ist heute zu den Feierlichkeiten der Vermählung der Großfürstin Marie nah St. Petersburg abgereist.

Sachsen-Weimar-Eisenach. Weimar, 20. Januar. Der Großherzog hat am 29. Dezember v. J. den Königlich sächsischen Gesandten und bevollmächtigten Minister, Kammerherrn und Geheimen Legations-Rath von Carlowiß in feierlicher Audienz empfangen und aus dessen Händen ein Schreiben Sr. Majestät des Königs Albert von Sachsen entgegengenommen, durch wel{ches derselbe wiederholt als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am Großherzoglichen Hofe beglau- bigt wird. Herr ron Carlowig hatte hierauf die Ehre, von der Großherzogin in einer Audienz empfangen und dann zur Groß- herzoglihen Tafel gezogen zu werden.

In seiner heutigen Sizung beschäftigte sh der Land- tag mit der Wahl des Finanz-, Petitions-, Rechtsgeseßgebungs-, Administrativgesezgebungs- und Verfassungs-Aus\chusses.

Sachsen-Coburg-Gotha. Gotha, 19. Ianuar. In der heutigen Sißzung des Sonderlandtages wurde ein An- trag auf Regelung des Vereins- und Versammlun gs- wesens eingebracht. Nach einer vom Staats-Ministerium abgegebenen Erklärung is auf das Herzogthum Coburg-Gotha bei den beiden Vertheilungen (50 und 30 Millionen) der fran- zösischen Kriegsentshädigung die Summe von 411,213 Thlrn. entfallen, so daß für Gotha der betreffende Betrag auf 287,840 TZhlr. 21 S sih beziffert, der zeitweilig bei der hie- figen Grundkreditbank niedergelegt ift.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 20. Januar. Der Kaiser ertheilte gestern hier Audienzen. Die Kaiserin ift gestern Vor- mittags von München in Wien angekommen und Nachmittags nach Budapesth abgereist. (

(V. T. B.) In der nächsten Sißung des Herren- hauses wird die Regierung, wie in gut unterrihteten Kreisen verlautet, Gesezentwürfe über die Wahrung der Rechte der Be- fißer von Pfandbriefen, über die Anlegung von Eisenbahn-

büchern, sowie über die Wirkung der an einer Eisenbahn einge- räumten Hypothekarrehte und die Sicherung der Rechte von Eisenbahnprioritätsgläubigern einbringeu.

21. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sihung des Reichsraths sind die konfessionellen Gesezesvor- lagen eingebracht worden, und wird über den Inhalt dersel- ben folgendes Nähere mitgetheilt : Der erste Geseßentwurf, wel- her von der Beseßung der Kirchenämter und Pfründen han- delt, hebt das Konkordat formell auf. Jede Besezung muß der Staatsbehördé angezeigt werden und kann eventuell in- hibirt werden. Die Bischöfe sind verpflichtet, ihre Er- lasse gleichzeitig mit der Publikation derselben der Staatsbehörde mitzutheilen. Kirchlihe, den Gottesdienst be- treffende Anordnungen. können aus öffentlihen Rüksichten unter- sagt werden. Der Geseßentwurf regelt ferner den Einfluß des Staates auf das Kirchhenvermögen.

Der zweite Gefeßentwurf ordnet die Rechtsverhältnisse der tTlôsterlihen Genossenschaften. Nach demselben i| zur Errichtung eines Klosters oder Ansiedelung einer klösterlihen Genossenschaft die Genehmigung des Staates und die Vorlage der Statuten erforderlich. Im Falle der Nichtgenehmigung soll die betreffende kirh- lihe Korporation aufgehoben resp. derselben die Bewilligung ent- zogen werden. Wenn ein Mitglied einer kirhlihen Korporation vor der politishen Behörde seinen Austritt erklärt, \oll daselbe vom Staate als ausgeschieden Letrahtet werden. Die Vorstände der Korporationen sollen alljährlih ein Verzeichniß der Mit- glieder bei den staatlihen Behörden einreihen und die ertheilten Disziplinarstrafen angeben. Stiftungen, Schenkungen, Legate zu Gunsten kirchlicher Korporationen sollen der staatlichen Genehmigung bedürfen. Bei Verdacht - geseßwidriger Vor- gänge fktann eine Visitation durch die Staatsbehörden erfolgen. Zur Niederla}sung auswärtiger kirchliher Korporatio- nen oder zur Erwerbung von Grundbesiß für die inländischen ist ebenfalls Genehmigung des Staats erforderlich.

Der dritte Gesehentwurf regelt die Beiträge aus dem Ver- mögen der Pfründen zu dem Religionsfonds behufs Deckung der Bedürfnisse des katholishen Kultus. Die Beiträge sollen auch zur Aufbesserung des Einkommens der Geistlichkeit und zur Deckung des bisher aus den Staatsfinanzen bestrittenen Auf- wandes dienen.

Der vierte Gesezentwurf enthält Bestimmungen über die geseßliche Anerkennung der noch nicht anerkannten Religions- genossenschaften. Dieselbe soll erfolgen, wenn die Religionslehre, der Gottesdienst und die Verfassung diefer Genossenschaften nichts Gesetwidriges oder sittlich Anstößiges enthält und die Genossen- haft einen Namen führt, der keine Verleßung Andersgläubiger involvirt. Die übrigen Bestimmungen find den entsprehenden Bestimmungen über die bereits anerkannten kirhlihen Korpora- tionen analog.

Pesth, 20. Januar. (W. T. B.) Das Ministerium hat heute im Einundzwanziger-Aus\hu}se die Entwürfe für die Budgets der Iahrgänge 1875, 1876 und 1877 vorgelegt. Nach denselben würde \sich ein Defizit für 1875 von 21 Millionen, für 1876 von 147 Millionen und für 1877 von 123 Millionen ex- geben. Durch Ersparungen und Steuerreformen wird fih indeß voraussfihtlich eine jährlihe Mehreinnahme von 125 Millionen über den Anschlag herausftellen.

Schweiz. Bern, 20. Januar. (W. T. B.) Dex Bun- desrath hat die Einladungen zu dem internationalen Postkongresse erlassenzWelcher, nahdem Rußland feine Theil- nahme an demselben Zugefagt: hat, nunmehr am 15. September d. I. hier zusammentreten es Das Budget dex inter- nationalen Telegraphen-Verwaltung isstff mit einem Ausgabeübershusse von 86,500 Francs vom Bundesrathe ge- nehmigt worden.

Dex Nationalrath setzte heute die Berathung über-

die Revision der Bundesverfassung fort und ertheilte der vom Ständerathe beschlossenen Fassung des vom Unterrichts- wesen handelnden Art, 25 in allen wesentlihen Punkten seine Zustimmung.

Frankreich. Versailles, 20. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sißung der Nationalversammlung stand die Inter- pellation des Generals du Temple über die Wiederbeseßung des Gesandt\schafts3postens beim italienishen Hofe auf der Tagesordnung. Der Minister der auswärtigen Angelegen- heiten, Herzog von Decazes, verlangte die Vertagung der Interpellation, und gab bei dieser Veranlassung folgende Er- klärungen ab: Nichts rechtfertigt die Erregung der lèßten Tage. Keine Mißhelligkeit hat unsere guten Beziehungen zu Italien gestört. Ih bin autorifirt, dies unter der speziellen Zustimmung des Marschall - Präsidenten zu versichern. Un- sere Politik besteht darin, den Papst mit frommer Ehrerbie- tung und \ympathisher Fürsorge zu umgeben und diese unsere Fürsorge auch auf seine geistlihe Autorität und Unabhängigkeit auszudehnen. Unsere Politik besteht aber auch darin, mit dem Italien, wie es die Umstände geschaffen haben, aufrichtige Beziehungen des guten Einvernehmens und der Freundschaft zu unterhalten. Unsere Politik gegen die anderen Mächte ist dieselbe. Wir wollen den Frieden, weil wir ihn für das von allen Parteien erstrebte Wohlergehen Frank- reihs für nothwendig halten. Wir wollen den Frieden mit ganz Europa und werden unaufhörlih arbeiten, um allen Kon- flifsten und Mißverständnissen vorzubeugen. Wir werden uns bemühen, allen Aufreizungen von welcher Seite sie au fkommen mögen, zu unterdrülen. Die Würde - Frank- reihs würde nur gefährdet werden durch eine abenteuerliche Politik, welche uns zu einem Afte der Shwäche oder zu einer Tollheit führen würde. Frankreih is stark genug, um immer verständig handeln zu können. Der Minister \sprahch darauf die Erwartung aus, daß diese Erklärungen genügen würden, um unfruchtbare Debatten abzuschneiden, die nur die Sicherheit des Landes C könnten, und verlangte deshalb die Vertagung der Interpellation du Temple. Der Antragsteller Hielt troß dieser Erklärungen des Ministers seine Interpellation aufrecht und verlangte das Wort. Die Versammlung beseitigte aber die Interpellation durch Annahme der Vorfrage. Sodann wurde das Maires-Gesey mit 367 gegen 324 Stimmen ange- nommen.

Nufßland und Polen. St. Petersburg, 19. Januar. Die beim Ministerium der Reihsdomänen eingeseßte Kommission zur Berathung der Frage von der Vershmelzung der ausländischen Kolonisten des europäishen Rußlands mit der bäuerlihen Kommunalorganisation hat auch eine Umgestaltung der Verhältnisse der ackerbautre!benden Juen in den Gouverne- ments Cherfson und Iekaterinoslaw ins Auge gefaßt, die jeßt unter dem Ressort des besonderen Fürsorgekomites für auslän- dishe Ansiedler stehen.

Ueber die Kriegsmarine im Baltishen Meere bringt der „Kronst. Bot. folgende Daten: Während des ab-

gelaufenen Jahres zählte die Ostseeflotte im Ganzen 81 aus- gerüstete Schiffe mit 4 Admiralen, 738 Stabsg- und Ober-Offi- zieren, 9787 Mann, 134 Gardemarines und Condukteuren,. 355 Zöglingen und 96 Personen verschiedener Berufèarten an Bord. Außerdem find aus der Ostsee sieben Schiffe ins Ausland ab- gegangen, auf denen fich 166 Stabs- und Ober-Offiziere, 97 Gardemarines und Condukteure und 2764 Mann befanden.

20. Januar. (W. T. B.) Heute hat das feierliche Leichenbegängniß des General-Feldmarschalls Gra- fen Berg stattgefunden. Graf Berg war am 26. Mai 1790 geboren und \chon im Jahre 1814 Kapi:än im rusfischen Generalstabe ; im Iahre 1826 hatte ihn Kaiser Nikolaus zum General-Major ernannt. Im Jahre 1849 war der Verstorbene russisher Bevollmächtigter im österreihishen Hauptquartier während des Feldzuges in Ungarn und wurde für seine hervorragende Thätigkeit durch die Er- hebung in den österreihishen Grafenftand ausgezeichnet. Als General - Gouverneur und Truppen - Commandeur in Finnland bestand Graf Berg das dreitägige Bombardement von Sweaborg dur die british-französishe Flotte vom 8. bis 10. August 1855; für die Vertheidigung Sweaborgs verlieh Kaiser Alexander an seinem Krönungstage (7. September 1856) dem General Berg den Titel eines finnländishen Grafen. Im März 1863 wurde Graf Berg zum Adjunkten des damaligen Statthalters von Polen Großfürsten Konstantin und nah dem Rücktritte des leßteren am 31. Oktober desselben Jahres zum Statthalter und Oberbefehlshaber der russishen Armee im Kö- nigreihe Polen ernannt.

Schweden und Norwegen. Stockholu, 17. Ianuar. Am 21. d. M., dem 45. Geburtstage des Königs wird im Schlosse ein großer Ball mit Souper veranstaltet werden, wozu etwa 1800 Personen, und darunter die. Mitglieder des Reichstages Einladungen erhalten sollen. Am 183. d. M. gab die Königin große Cour für die bisher noch nicht präsentirten Damen, welche um die Erlaubniß angehalten hatten, Ihrer Ma- jestät vorgestellt zu werden. In den ersten Tagen des Februar werden die Majestäten wahrscheinlih nah Christiania reisen.

Seit vorgestern is der Reichstag wieder eröffnet. Am 15. wurden die Vollmachten der neu gewählten Repräsentanten von dem Justiz-Minister geprüft und sämmtlich rihtig befunden. Gestern hatten beide Kammern ihre erste Zusammenkunft, und diese wurde eröffnet von dem ältesten Mitgliede jeder Kammer, nämlich in der Ersten von dem General-Lieutenant, Freiherr I. M. Sprengtporten, dem früheren Oberstatthalter in Stockholm, der seit der Einführung der neyen Repräsentation bei jedem Reichstage diese Pflicht gehabt hat, und in der Zweiten zum erstenmal von dem Landeshauptmann Grafen E. Sparre, Um 113 Uhr begaben sich die gewählten Deputirten nah dem Schlosse, um den König um die Ernennung der Sprecher und Vicesprecher zu ersuchen, und kehrten zurück mit der Nachricht, daß der König die Vorsizenden des vorigen Reichstages au für diesen dazu ausersehen habe, nämlih zu Präsidenten den Landshauptmann Grafen G. Lagerbjelke in der Ersten und den Landshauptmann G.' F. Asker in der Zweiten Kammer, und zu Vice-Präsidenten den Kabinets-Kammerherrn Frhr. F. A. Funck in der Ersten und den Gutsbesißer Frhr. I. G. N. S, Akerhjelm in der Zweiten Kammer, worauf die Präsidenten an die Kam- mern eine Anrede hielten. Heute finden die Wahlen zum Se- kretär und anderer Aemter beim Reichstage statt, und über- morgen wird nach einem vollständigen Gottesdienste in der Nicolaikirhe der Reichstag im Reichssaale des Schlosses dur die Thronrede eröffnet werden. (S. d. gestr. Nr. d. Bl.)

Die Stadt Gothenburg, welhe jeßt über 60,000 Bewohner hat, beansprucht die Wahl von 2 Repräsentanten in der Ersten und 6 in der Zweiten Kammer des Reichstags oder in jeder Kammer von einem mehr, als der Stadt bei der Wahl im September 1872 zukam.

Dänemark. Kopenhagen, 17. Ianuar. Der Krone prinz is heute Nachmittag um 4 Uhr mittelst Dampfschiff ab- gereist, um fih ‘über Stralsund und Berlin nah St. Petersburg zur Vermählung des Herzogs von Edinburgh mit der Groß- fürstin Marie zu begeben. Der Kronprinz is auf dieser Reise vom Hofchef, Graf Danneskjold-Samsò, dem Commandeur der Leibgarde, Kammerherr Oberst Baudiy und dem Premier-Lieu- tenant im Garde - Husaren - Regiment, Baron A. F. Wedell- Wedellsborg, begleitet.

Die Interpellation, welche die Folkethings-Abgeord- neten Graf Holstein-Ledreborg, L. Larsen, Schjörring und Ter- mansen an den Conseil-Präsidenten stellen wollen, lautet wörtlich:

„Erkennt das Ministerium an, daß es die Verantwortlichkeit für die Veröffentlichung des Königlichen Handschreibens vom 2. Januar 1874 zu tragen hat ?“

Amerika. Washington 20. Januar. (W. T. B.) Das Finanzkomite des Kongresses empfiehlt, die Cir kulation des Papiergeldes auf 400 Millionen Dollar zu beschränken, und erklärt fih mit einer neuen Emission von Re= \ervenoten einverstanden.

Aus New-York wird unterm 17. d. Mis. gemeldet: Der zur Untersuhung des Unterganges des Freibeuterschiffes „Vir- ginius“ ernannte Marine - Gerichtshof hat das Sinken des Fahrzeuges für unvermeidlih befunden.

Asien. Aus Bengalen wird über London, 20. d. M. gemeldet, daß die Regierung die größten Anstrengungen maht, um der drohenden Hungersnoth vorzubeugen.

-- Ein vom 13. d. M. datirtes und am 16. in Penaug aufgegebenes Telegramm des General-Lieutenants van Swieten

über die niederländishe Expedition gegen Atchin

meldet: i

„Wiederum ist eine Hauptstellung des Feindes mit Sturm ge- nommen worden, diesînal mit einem geringen Verluste, der sich nur auf 17 Verwundete belief. Wir bemächtigten uns nämlich der Linie von der Moschee (dem Missigit). nah Kota-Potjoet, wodzrch der Feind im Kraton seine wichtigste (voornamsle) Kommunikation nah außen verliert; denn das Hauptthor des Kratons nah der Uferseite ist gesperrt und unter dem Schusse unserer Artillerie. Man beherrscht (beheerst) ten Kraton von Kota-Potjoet aus mit Gewehrfeuer. Was Alles der Feind gearbeitet hat, und welch eine Energie er zeigt, um uns zu widerstehen, ist unglaublich. Abex wir find auch nit müßig, Sappenarbeit, Batteriebau, Tranchce- und andere W*chten oder Sicherheitédienste und blutige Gefchte gehen Hand in Hand. Dennoch ist der Geist der Truppen fortwährend vorzüglich, und mit Recht; denn fie haben bei allen Gelegenheiten obgesiegt. Der Fall des Kratous wird ganz in Kurzem (nabij) erwartet. Doch is, um diesen Plaß ohne ansehnlichen Verlust dem Feinde zu entreißen, noch viel zu thun, wegen gedeckten Terrains und dahinter gelegener Werke. Dreien von den Begleitern unseres Sendboten, der beauftragt gewesen war, Briefe (an den Sultan) nah dem Kraton zu überbringen, ist es geglückt, denon zu entfliehen; sie haben berichtet, daß der Sendbote. ermordet worden.

„Atchin, 12. Januar. 2000 Atchinesen haben das Hauptquartier

der niederländischen Truppen im Rüdcken angegriffen, während der

rößte: Theil der niederländischen Streitkräfte von da abwesend war. ie Angreifer wurden nichtsdestoweniger zurückgeschlagen.“

Wie der niederländische „Staats-Courant“ angiebt, is der

Kota-Potjoet an der Südwefiseite des Kratons gelegen. *

Afrika. (W. T B.) Nach den vorliegenden Meldungen von der Goldküste, welche bis zum 3. Januar reichen, waren die Truppen im Vorrücken begriffen und sollten am 15. den Prah-Fluß überschreiten. Die unter dem Kommando des Ober- sten Glover stehende Abtheilung seßte ebenfalls in Gemäßheit der Instruktionen des Generals Wolseley ihren Marsh in das Innere fort. Der Gesundheitszustand der Truppen war der beste.

Nachrichten aus Casablanca vom 3. d. M. melden die Ankunft des Sultans von Marocco in Mequirez, wo ihm zu Ehren große Festlichkeiten stattfanden. Mulai-el-Kabir wurde von des Sultans Bruder, Mulai Smain, gefangen genommen, und es darf angenommen werden, daß die Thronbesteigung Mulai Hafsan's nunmehr geregelt ift.

Landtags- Angelegenheiten.

Berlin, 21. Januar. In der gestrigen Sizung des Hauses der Abgeordneten erklärte der Justiz-Minister Pr. Leonhardt in der Diskussion über den Gesezentwurf, betreffend die Beurkundung des Personenstandes 2., nah den Abgg. Dr. Petri und von Bismarck- (Flatow), welche das Petri'sche Amendement zu §. 52:

„Ein Gleiches gilt von den Bestimmungen, welche die Schlie- ßung einer Ehe wegen Verschiedenheit des Religionsbefkenntnisses oder die Trennung einer Ehe dem Bande nach wegen des Neligions- bekenntnisses verbieten u. f. w.“

befürwortet hatten: /

Meine Herren! Ich vermag mich für das Amendement des Hrn. Dr. Pctri nicht zu erklären. Soviel ist gewiß, d 8 dieser Antrag für das Geseß nicht nothwendig ist, keine Lücke ausfüllt; er enthält mehr eincn äußeren Zusaß. Jch glaube nicht, daß es thunlich ist, fo ganz beiläufig einen der wichtigsten Grundsäße des kanonischen Eherechts, wie es in den gemeinrechtlichen Provinzen noch besteht, zu beseitigen. Es mag sein, daß nah Lage der Verhältnisse, in}onderheit auch mit Rüesicht auf den Juhalt dieses Gesehes es sih empfichlt, diesen be- treffenden Grundsaß des fkanonischen Rechts zu beseitigen; diess kann aber nur geschehen nah forgfältiger Er- wägung der Verhältnisse. Eine solhe Behandluug erfordert innere und äußere Gründe. Wenn man aber den Grundsaß beseitigen wollte, welchen der Herr Abgeordnete im Auge hat, so würde es meines Er- achtens nit genügen, so zu diôsponiren, wie der Herr Antragsteller disponirt wissen will. Der Herr Akgeordnete faßt. die Sache negativ; er will den Grundsaß insofern beseitigen, als derselbe ein negatives Erforderniß für die Eheschließung abzielt. Es müßten jedenfalls da- neben aber auch positive Vorschriften getroffen werden, es muß be- stimmt werden, wie vun erkannt werden und was nun Rechtens sein soll. Richtig ist es allerdings, daß der kanonishe Grundsaß auch als negatives Erforderniß für die Eheschließung in Betracht fommt. Bei Erwägung der Verhältnisse habe ih geglaubt, daß es wohl erforderlich werden könnte, über das Eheschließungérecht beson- dere Borschriften zu erlassen; ih habe in dieser Richtung auch bereits die weiteren Vorarbeiten eintreten lassen. Kommt man dahin, die Vorausseßungen der Eheschließung zu regeln, so wird man auch das bctreffende negative Ei forderniß mit in Betracht ziehen können. Jn der Form, welche der gestellte Antrag an sich trägt, glaube ih nit, daß ich ihn zur Annahme des Hohen Hauses empfehlen fann.

Dem Abg. Dr. von Gerlach, welher die Streichung des 8. 52 beantragt hatte, erwiderte der Staats-Minister Dr, Fal f:

Die Beiaexkungen. des Hrn. Abg. von Gerlach in Verbindung mit denj-nigen Ausführungen, die der Hr. Abg. von Wedell-Vetlings- dorff vor cinigen Tagen machte, nöthigen mich zu einigen Gegenaus- führungen Der Hr. Abg. von Gerlach hat heute dem Herxu Justiz- Minister, wenn ih recht verstanden habe, eine gewe Inkonsequenz entgegengehalten, infofern der Herr Minister sich gegen den Antrag des Hrn. Aktg. Dr. Petri auch aus dem Grunde erkläzte, daß dersclle eine Materie berühre, die nicht mit Nothwendigkeit in diejes Geseß gehöre. Diese leßte Eigenschaft hat der Herr Abgeordnete auch dem- jenigen Saße des §. 52 der-gegenwärtigen Zusammenstellung, welcher das Ehehinderniß der Religionsverschiedenheit beseitigen soll, zugeschrieben. Jn den Motiven ist darauf hingewiesen worden, daß eine derartige estim- mung eine ganz nothwendige Konsequenz des vorliegenden Gesetzes sei, und ich muß roch binzufügen, uicht blos eine theorctisch no1hwendige, sondern eine solche, die durchaus gezogen werden muß, um Verwirrung zu verhüten. Wir müsscn uns nämlich vergegeuwärtigen,, wie jeßt in Altpreuß-:n die Sache liegt. Es bestcht für die Juden die Borfchrift, daß ihre Ehen vor dem Richter geschlossen werden. Dieselbe Bor- schrift besteht für diejenigen Christen, welche aus der Landeskirche ausgeschieden sind, und es ift von Anfang an, seit 1847 also, wenig- stens Praxis des groszen Stadtgerichts in Berlin gewesen, daß durch diese Bestimmung die Ehe zwishen Juden und der Landeskirche nicht angehörenden Christen eine vollkommen zulässige sei. Auf Grund dieser Auffassunz sind Hunderte von Ehen geschlossen werden, und diese AuFassung bat in den lehten Jahren auch bei andexen Gerichten eine weitgeh:nde Anerkennung gefunden, seitdem von dem Herrn Justiz- Minister vorgeschrieben worden ist, Day- es möglich sein soll, dur Herstellung gemeinsamer oder gleichlauterder Register, auch einen formalen (Finwand zu beseitigen, der gegen die Zulässigkeit solcher Eh: n aufgestellt worden ist. Wir haben aljo bereits den Zustand, daß auf Grund der Civilehe die Ehe zwischen Christen und Juden zulässig ist, und wenn nun die Civilehe im Ganzen für alle Fälle cingeführt wird, so glaube

* i, die Konsequenz is eine absolut gebotene, dasselbe auszusprechen für alle Fälle.

Thätcn wir das nicht, wir würden das größte Be- denken erregen R Ae M es Sabßes, daß jene seit zwanzig ahren ges{chlossene Ehen gültige seien. : 8 s Raa A Sage des Taufzwanges betrifft, jo hat ja dieje Bestimmung einen doppelten Grnnd gehabt, einmal den Grund, das Interesse des Staates zu wahren, welches verbunden ift mit einer regelmäßigen, sicheren Konstatirung der Geburten, dann aber auch will ih nicht lengnen, daß das Reskript von 1802, aus welchem die Be- timmung des Anhangs zum Allgemeinen Landreht, um die es sich hier handelt, hervorgegangen is, auch davon au3geht, daß es ein Segen sei, die christliche Taufe zu empfangen, und aus diesem Grunde fi gleichfalls ein staatliher Zwang zur Erzielung derselben recht- fertige. E : Î Was den ersten Grund betrifft, so glaube ih, bedarf es feiner Ausführung, daß er vollkommen hinfällig wird, wenn dieses E ur Annahme gelangt, was aber den firhlichen Standpunk etrifft, so muß ih zunächst konstatiren, daß es vom Er- einen der Verfassungéurkunde an, wie es auch bald nach dcr- Llben zum Ausdrack gebracht worden ist, die . Auffassung der Staatsregierung war, daß eigentlich dicse Rüdcsicht- bereits dur die Verfassungsurkunde beseitigt sei, Und daß ein staatlicher, ein polizeiliher Zwang in der That ist es nichts Anderes nicht mehr vereinbar sei mit den Gedanken, die in der Verfassungsurkunde Ae Formulirung gefunden haben, namentlich in dem Art. 12 der erfassung, Y e Legt nun doch außerordentlich nahe, daß, wenn dieses Kapitel vom staatlichèn Standpunkte aus dergestalt geregelt wird, daß der Staat fein Interesse mehx haben kann, den Täufzwang aufrecht zu erhalten, außerdem die Frage aufgeworfen wird, ift dean überhaupt ein solher Zwang mit der E vereinbar ? daß diese Angelegenheit ganz und klar in diesem Gesetze geregelt wird; es {cheint mir dies do also auch nicht etwas rein Aeußerliches zu

sein, sondern etwas, was inneren Zusammenhang mit der Vorlage hat.

Ich kann nicht umhin, noch einen andern Gesichtépunkt geltend zu machen, der vielleicht das Bedenken des Abg. v. Wedell-Vehlings- dorff beseitigt. Jh bin vollständig durchbrungen, daß es im Interesse der Kirche ist, den Zwang zur Taufe abzuschaffen. Es3 ist das eine Auffassung, meine Herren, die in recht kirchlichen Kreisen seit lange gehegt wird. Wenn ih mich dem Abg. von Gerlach geg-nüber auf den eyvangelishen Ober - Kirchenrath in seiner -jebigen Zusammensetzung ‘beriefe, dann würde das vielleicht keinerlei Autorität für ihn sein; aber anders stet es am Ende, wenn ich den verehrten Herrn bitte, anzuhören einen Auszug aus einem Schreiben des Evan- gelischen Ober-Kirchenratl,s an den Minister v. Raumer vom 17. Fe- bruar 1851, in welchem sich diese Behörde darüber verbreitete, ob es im Interesse der Kirche läge, in Bezug auf die Angelegenheiten des Civilstandes Aenderungen eintreten zu lassen durch die Geseßgebung. In diesem Schreiben if zunächst eine lange Auseinanderseßung über die Civilehe gegeben, dann aber heißt es: j;

2) Aehnliche Mißstände, wie auf dem Gebiete der Ehe, ergeben sih in Bezichung auf die Taufe. Die Thatsache der Geburt kann nah der bestehenden Gesetzgebung, mit Ausnahme der Personen, welche {hon aus der Kirche ausgeschieden sind, nur durch den Aft der Taufe und die Eintragung in das Taufreg:ster konstatirt werden. Die Allerhöchste Ordre vom 23. Februar 1802 {reibt daher ein Zwangsverfahren gegen diejenigen vor, welche ihre Kinder nicht innerhalb der ersten 6 Wochen taufen lassen, und dieses Zwangs- verfahren is noch neuerdings von dem Herrn Minister des Jnnern als fortdauernd bestehend exklärt worden, da ein di- refter Austritt aus der Kirhe nicht angewendet werden kann, das civilrehiliche Interesse eincr Urkunde aber irgend eine Form nothwendig macht, durch welche eine beweiskräftige Urkunde darüber geshaffen werde. Auch gegen diese Zwangstaufe haben sih bereits gewichtige Stimmen in der Kirche erhoben. Naménilich ift in einem Berichte des hiesigen Konsistoriums ausgeführt worden, daß die evangelische Kirche niemals das Sakrament der Taufe in ein! sogenanntes bloßes opus operatum verkehren lassen dürfe, dergestalt, daß sie auch da taufen müsse, wo der widerstrebende Wille der Eltern keine Bürgschaft bietet für die Entwickelung des noch unbewußten Glaubenslebens des Kindes durch eine riftliche Erziehung. Wir haben überdem in der neuesten Zeit wiederholt die Wahrnehmung zu machen Gelegenheit gehabt, daß- diese in Gemäß- heit der Allerhöchsten Ordre vom 23. Februar 1802 angeordnete Zwangstaufe der evangelischen Kirche in einem Theile ihrer Glieder die Mißdeutung zuzieht, als suche fie, ungetreu ihrem Grundprin- zipe von der freien Aneignung der freien Gnade Gottes in Christo, ihr Heil nur noch hinter polizeilichen Zwangsmaßregeln, und daß daher díe evangelische Kirche um ihrer selbst ünd um der Wahrung ihres geistigen Einflusses auf die Genossen ihres Glaubens willen mit Nothwendigkeit darauf dringen muß, von dieser Art s\taatliher Freihülfe befreit zu werden. Dies fann aber nur dadurch geschehen, daß das Zwangsver- fahren der genannten Allerhöchsten Ordre abgejtellt, und für Die- jenigen, welche ihre Kinder innerhalb einer gewissen Frist nicht tau-

fen lassen, nicht ferner die Zwangstaufe, sondera eine bürgerliche Einzeichnung der Geburt vorgeschrieben und nöthigenfalls erzwungen würde. : Und ih weiß, daß der Evangelische Ober-Kirchenrath in der Wandlung der Zeit diesen Gesichtspunkt stets festgehalten hat, daß er sogar den ihm untergeordneten Behörden gegenüber dahin wirksam ge- wesen ist, daß von diesen wenigstens formelle Anträge auf Bollziehung der Zwangstaufe möglichst nicht eingingen. & Ih möchte raih noch anf ein anderes Zeugniß berufen, welches vielleicht einiges Gewicht hat. Jh war der Meinung, daß der Herr Abg. v. Gerlach vielleicht eine von seinem Standpunkte aus, oder einer von den Anhängern seines Standpunkts gern in Bezug genom- mene Thatjache auch hier vortragen würde. Das sind nämlich die Verhältnisse, die in diejer Beziehung sich in Hamburg entwielt haben. Jch würde dann in der Lage gewesen sein, aus den nackten statistischen Ziffern eine Beleuchtung hinzuzufügen, welche doch die daraus entnommene Argumentation shlüge. Jch habe es nicht nöthig, da nicht da: auf Be- zug genommen worden.-ist; aber E Ntlide: doch, daß derjenige Geistliche, auf dessen kirchlich-statistishe Mittheilung hin diese Bor- würfe gemeiniglich erhoben werden, in einer an das statistishe Bu- rz:au des Hamburger Senats ih habe eine amtliche Mittheilung vor mir gerichteten R nach einer Ausführung über diesen unkt folgendermaßen \chließt: S

E "Mein Cape tell t also : Die seit Aufhebung des Tauf- zwanges bemerkte Abnahme der Taufen ift nicht Folge einer durch die Civilstandsgeseßgebung bewirkten Abnahme kirchlichen Sinnes

und darauf allein kann es doch nur ankommen, : sondern eine Folge des Aufhörens nicht religiöser Antriebe zur Taufe. Demnach halte ih die Aufhebung des Tauszwangs, wie sie die selbstverständliche Folge der Civilstandsgefeßgebung ist, auch firdlich für unbedenklih und heilsam.“

Dem Abg. Dr. Baehr, welcher hierauf das Wort nahm,

entgegnete der Justiz-Minister Dr. Leonhardt:

Meine Herren! Jch Huldige auch dem Grundsaße, welher von dem Herrn Äbgeordneten Bachr hervorgehoben worden ist, daß auf eine Rechtseinheit in der Monarchie hinzuwirken fei; ih habe diesen Grundsaß außerdem genügend praktis bethätigt. Demgemäß bin ih auch gar nit abgeneigt ih habe das son vorher erkiärt dahin zu wirken, in der betreffenden Richturg ein einheitlihes Recht herzustellen. Jch habe bereits bemerkt, daß sich die Gelegenheit, dies zu thun, sehr bald ergeben wird, aber es widersteht nach wie vor, einen so wichtigen Grundsaß des kanonischen Eherehts so bei wege- lang zu beseitigen. Wenn man sich dazu entschließt, dann muß man auch die Ueberzeugung in sich tragen, daß _man die Sache in ihrem vollständigen Zusammenhang? übersieht. So lange mir diese Ueber- zeugung nicht beigebracht wird und diese Ueberzeugung hate i mir bei dem Antrage, der erst gestern in das Haus gekommen ift, uicht verschaffen können möchte ih mi für. den Antrag nicht er- flärcn. Es ist auch ganz unrichtig, wenn der Herr Abgeordnete Dr. Baehr einen Gegensaß dahin macht, wir hätten dan eine Ehe, deren Schließung von bürgerlichen G. seben, die Scheidung aber von firhlichen Geseßzen abhängig ist. Das erscheint infofern unrichtig, als dieses Geseß gar niht die Eheschließzng regelt, fondern lediglih und allein die Form der Eheschließung. Das alte Zherect besteht im Uebrigen neben diesem Geseg. Es scheint mir aber doch, soweit ich die Sache übersehe, nothwendig oder doch wünschenswerth zu sein, daß das E geregelt werde. Mein Herr Kollege hat mi bereits in Schuß genommen gegen den Vorwurf dér öInkon- sequenz. Jch scheue übrigens einen solhen Vorwurf der Inkonsequenz gar nicht. Es hat seine ganz besonderen Gründe, welche entwidckelt worden find, wenn das Erforderniß der Gleichheit des Neligionsbekennt- nisses im Entwurf berührt worden ist. Man kann weiter sagen, der Punkt war zweifelhaft, fonnte zweifelhaft sein, ist jedenfalls zweifel- haft gewesen, deshalb empfiehlt es si, ihn hier zu regeln. Ganz wesentlih kommt in Betracht, daß das Erforderniß, welches in dem Entwurf berührt worden ist, ein rein - negatives tit: Mas der Hr. Algeordnete Dre Petri will und was sein nunmchr ver- besserter Antrag auch sagt, ist etwas Positives, das ist eine Vorschrift, welche prinzipaliter die Auflösung der Ehe bezielt und nur rein fekun- där als etwas Negatives. für die Eheschließung in Bêtracht kommt. Deshalb kann ih Jhnen nur anheimgeben: verwerfen Sie den An- trag. Das Geseßz ist schon schwierig genug, als daß cs angemessen er- scheinen könnte, die Schwierigkeiten noch durch Zusäße der einen oder andern Art zu erhöhen.

Uebex die von dem Abg, Dr. Hammacher beantragte

Refolution erklärte der Justiz-Minister: ;

Die Königliche Regierung ist mit dem Gedanken, welcher der Resolution zu Grunde liegt, einverstanden und bethätigt damit vou Neuem den lebhaften Wuns nah Einheit des Rechtes in der ganzen Monarchie. Uebrigens mache ih bemerklich, daß die erforderlichen Schritte zur Vorbereitung des Beschlusses, ob und mit welchen Modi-

fikationen dieses Gesez auf die Rheinprovinz und das Gebiet der Stadt Fraukfurt auszudehnen sei, bereits getroffen sind.

Die Berathung der Provinzialordnung leitete der Minister des ‘Innern, Graf zu Eulenburg, wie folgt, ein: _ Jch erlaube mir, meine Herren, Jhnen als Einleitung in die Diskussion der Provimialordnung ein kurzes Bild von Demjenigen zu geben, was im verflossenen Jahre zur Ausführung der Kreisordnung geschehen ift.

Die erste Cirkularverfügung, welche ih zu diesem Zwecke erlassen habe, datirt vom 29. Januar 1873; sie drückt aus, daß ih es für zweckmäßig erachtete, die Ausführung tes Geseßes nicht in die Hände der Regierungen als solcher, sondern in die Hände der Regierungs-Prä- sidenten zu legen, daß ih dieselben aufforderte, mit den Landräthen, als den Spezialorganen, sich in persönliche Beziehung zu e und nah ihren Kräften für ein Verständniß der Absichten des Geseßes n in amtlichen als außeramtlichen Kreisen möglichst wirksam zu sein.

Bei derjenigen Instruktion, welhe ih demnäcst erlassen habe habe ich den Weg befolgt, daß die ersten Entwürfe hier gemacht, dann zur Begutachtung an die Regierungs-Präsidenten ANRETE und erst, nahdem ih deren Bemerkungen entgegengenommen hatte, als Instruktion an die Behörden versendet worden find. Die erste Jn- struftion der Art betraf die Zusammenseßung des Kreistages und datirt vom 7. März 1873. Es ist darin Vorschrift ertheilt über die Aufstellung der Verzeichnisse der Wahlberechtigten, die Feststellung der Zahl der Mitglieder des Kreistages, die Vertheilung der Kreis- tags-Abgeordnet-n auf die einzelnen Wahlen. Außerdem entbält die Instruktion eine Anweisung über das Verfahren bei den Wahlen selbst, scwie die Anweisung, die Wohien rorzunehmen, sobald die Borarbeiten dazu vollendet seien. Als wünschenswerth glaubte ich bezeichnen zu müssen, daß die Wahlen bis zum 15. September beendigt sein möchten, und sie sind auch wirklich, wenn auch nicht bis zum 15. September, so doch bis Anfang Oktober sämmtlich zu Stande gekommen.

Es folgte sodann eine Instruktion vom 16. Juni 1873 über die Bildung der Amtsbezirke, die Berufung der Amtsvorsteher und deren Stellvertreter und die Bestellung fkommissarischer Amtsvorsteher. Dieser Theil der Ausführung des Gesetzes war der schwierigste. ŒEs8 ist in diejer Beziehung mit großer Sorgfalt vorgegangen worden. Meiner Anordnung gemäß haken sich die Landräthe zuerst mit Ver- trauensmännern in Verbindung gescßt, um das erste Tableau der Amtsbezirke ihrer Kreise zu entwerken. Dieses Tableau ist dem Re- gierungs-Präsidenten vorgelegt, welcher dasselbe, mit seinen Bemerkungen begleitet, dem Ober-Präsidenten cingereiht hat. Von diesem ist es ge- prüft und an mi gesendet worden, und nachdem ih eine Prüfung desselben hier habe vornehmen lassen, habe ih das Tableau heraus» gegeben und die Landräthe angewiesen, sich nun noch mit der zunächst Betheiligten zu besprechen und das Tableau dann dem Kreistage vorzulegen. Nachdem die Kreistage ihr Urtheil atgegeben Hhattcn, find mir die Tableaus abermals mitecingebracht, um nun von mir entweder so, wie sie der Kreisteog befürwortet hatte, oder mit denjenigen Kerrekturen, die ih für nöthig hielt, bestätigt zu werden, und einstweilen als maß- gebend zur Ausführung zu kommen. Wenn Sie fi vergegenwärtigen, daß die Operation mit 214 Tableaus vorzuehmen war, daß etwa hundert und einige neunzig bereits von mir bestätigt worden sind und die übrigen in nächster Zeit bestätigt werden jollen, so werden Sie sich ein Bild der Arbeit machen, welche erforderli gewesen_ ist. Jch habe demnächst den Entwurf einer Ge- \{äftêordnung für die Kreistage anfertigen lassen. Derselbe ist durch Cirxkularverfügung vom 7. Juli 1873 an die Landräihe herausgcgebu, und ih habe die Genugthuang, daß eine große Mehrzahl der Kreis- tage die Ges@äftsordnung adoptirt hat. Jch habe ferner am 7. SepÞ- tember 1873 ein Cirfular wegen der Wahl der Kreisdeputirten er- lassen Sodann habe ich eine Instruktion herausgegeben zur Aus- führung der drei Abschnitte des zweiten Titels der Kreisordnung und zwar am 20. September 1873, Diese drei Abschnitte handelu namentlich von den Gemeindevorstehern und Schöffen, von Gutsvorstehern und von den Lebnschulzen. Ferner habe ih ein Regulativ anfertigen lassen zur Ordnung des Geschäftsganges bei den Kreisauss{üssen. Dasselbe datirt vom 20. November 1873. Ich habe einen Tarif für die Berechnung des Pauschquantums in den vor den Kreisavsschüssen zu entscheidenden streitigen Berwaltungsfachen am 4. Dezember 1873 aufgestellt. Jh habe endlich eine Instruktion erlassen am 18. Dezember 1873 über die Bildung der Amtsaus\chüsse, ein Cirkular erlassen am 12. und 22. Dezember 1873 wegen Bildung der Verwaltungsgerichte, und am 27. Dezember 1873 ein Geschäfts- regulativ für die Verwaltungsgerichte. Daneben richtete ih weitere Cirfulare am 10, Juli 1873 wegen Vertheilung des Kreisfonds, am 11. Januar d. J. wegen Veranstaltung vollstän- diger Sammlungen der in einzelnen Regierungsbezirken geltenden Lan- despolizeiverordnungen und wegen Erlaß einer Geschäftsinstruktion in Betreff der Amtsvorsteher; ferner ein Cirkularreskripè wegen Bes handlung der am Tage der Inkrafttretung der Kreisordnung anhängigen

PBerwaltungsstrafsachen. Datirt ist das Nejkript vom 25. Dezember 1873,

Es muß nun noch erfolgen eine Instruktion für die Gemeinde- und Gutsvorsteher, eine Instruftion für das formelle Geschäftsverfah- ren in Dismembrationsanzelegenheiten und ein Kostentarif für die Vexwaltungögerichte. E

Konstituirt find jeßt alle Kreistage, alle Kreisausfchüsse, alle Verwaltungsgerichte mit Ausnahme von einem oder zweien. Es sind außerdem, wie ih {hon die Ehre hatte zu bemerken, in mehr als 90 Kreisen die Tableaus der Amtebezirke- festgestellt, bis zum 1. April werden sie alle festgestellt und alle Amtêversteher und namentlih auch die fommissarischen Vorsteher in den anderen Bezirken. A

Sie werden mir zugeben, meine Herren, daß von Seiten der Geutralstelle dasjenige geschehen ist, was das Geseß von ihr verlangt. Mir liegt es aber ob, den mir nachgeordneten Behörden warmes Lob auszu)prechen für die aufopfernde Thätigkeit, welche sie der Lösung der mit großem Verständnisse von ihnen aufge'aßten Aufgabe gewidmet haben. Ein gleiches Verständniß hat auch die betheiligte Bevölkerung an den Tag gcl-gt. Der Dissens, welcher während dec Debatte über das Gesetz so lebhaft war, ist während der Ausführung des Geseßzes in den Hintergrund getreten. Jn dem V-rständnisse, daß in dem er- weiterten Rechte auf Vertretung der Kreise und in dem erweiterten Rechte der Veitretung selbst eine lebhafte Aufforderung liege, diese Vertretung sahgemäß und würdig herzustellen, hat sih die Wahl der Kreiseingesessenen, mit Ausnahme von vielleicht vier oder fünf Kreisen, auf Männer gerichtet, welche durch ihre Lebentstellung, durch ihre Intelligenz, und namentlich durch das Interesse, welches sie schon bisher den Kreisangelegenheiten gewidmet hatten, als würdige Reprä- sentanten des Kreises angeschen werden können. Ein gleiches Urtheil fann man von den Kreisausfchüssen fällen, und, was die Amtsvor- stehérschaft anbetrifft, so hat sich die Bereitwilligkeit zur Uebernahme dieser Aemter in erfreulicher Weise kundgegeben; es sind die Hoffnun-

ea, welche man bei der Beraihung dieies Gesetzes auf diese Bereit- willigkeit seßte, zum großen Theile in Erfüllung gegangen. Die Zahl der kommissarischen Amtsvorsteher wird cine nicht zu aroße sein.

Das Räderwerk ist zusammezgeseßt und die Uhr aufgezogen. Hoffentlich wird sie richtig gehen. N Ha :

In Bezug auf die Provinzialordnung habe ich einstweilen wenig u sagen, es ist der Regierung außerordentlich erwünscht gewesen, bei Uuffteung des Entwurfs der Previnzialordnung die Kreiéordnung {on soweit durhgeführt zu sehen, daß mit Ueberzeugung vorgeschlagen werden konnte, die Wählerschaft für die Provinzial-Landtage in die Hände der Kreistage zu legen. ; h

Im Uebrigen liegt der Provinzialordnung îm Wesentlichen das System der Kreisordnung zum Grunde, die Regierung giebt sich dcé- halb der Hoffnung hin, daß im Großen und Ganzen der Entwurf die Billigung des Landtags finden werde; einzelne Bestimmungen sind natürlich noch einer eingehenden, genauen Guwägung fähig und bes dürftig. Jch würde Jhnen deshalb vorschlagen, meine Herren, daß Sie den Entwurf der Provinmialordnung an cine Kommisfion verwei- sen, damit die Berathung desselben denselben Weg gehe, den wir bei der Kreisordnung glücklih und mit Erfolg betreten haben.