— Se. Majestät der Kaiser und König "haben das Protektorat über das von dem Baron von Beaufort-Belforte zu Breslau mittelst legtwilliger Verfügungen begründete, zur Er- zichung, Unterstüßung und dauernden Versorgung adeliger Per- sonen bestimmte „Herrmanns-Stift“ zu übernehmen geruht.
— Die nächste Sizung des Herrenhauses findet am 27. d. M. Mittags 12 Uhr ftatt.
— In der heutigen (33.) Sihung des Hauses der Abgeordneten, welher am Ministertish die Staats-Minister Camphausen, Graf zu Eulenburg, Dr. Falk und Dr. Achenbah mit zahlreihen Kommissarien beiwohnten, wurde zunächst das Resultat der Wahlen für die Kommissionen zur Vor- berathung der Provinzial-Ordnung (Abgg. Miquel und Haenel Vorfißende; Wachs, Lux, Schlüter Schriftführer) und der Kreis- Qrdnung für Posen (Abgg. Roepell und v. Roy, Vorsigende; Nolte und v. Worzewski, - Schriftführer), sowie der Eingang einer Interpellation des Abg. v. Loë über die Betheili- gung an den Katholiken-BVereinen und die Auflösung der Ka- tholiken-Versammlungen, mitgetheilt.
In namentlicher Abstimmung wurde darauf das Gesetz, be- treffend die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung, mit 284 gegen 95 Stimmen definitiv angenommen.
Dann erledigte das Haus fast ohne Debatte die Etats des Staatsarchivs, der General-Ordenskommission, des Geheimen Civilkabinets, der Ober-Rehnungskammer, der Landesvermessung, des Disziplinarhofes, des Gerichishofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte und der Ober-Examinationskommission zur Prüfung für die höheren Verwaltungsämter (S. dieselben in Nr. 17 d. Bl.), zu welchem lehten folgender Antrag des Abg. v. Bonin angenommen wurde : {tut E E l
„die Staatsregierung wiederholt und dringend aufzufordern: die
anderweite geseßliche Regelung der bestehenden, ab.x nicht mehr
auéführbaren Vorschriften über die Befähigung- zu den höheren
Nerwaltungsämtern nunmehr durch eine, dem Landtage noch im
Laufe der jeßigen Session zu machende Vorlage, herbeizuführen." Bei den noh restirenden Theilen des Gtats des landwirthschaft- lichen Ministeriums (S. Nr. 288 Iahrg. 1873 d. Bl.) knüpfte fich eine längere Debatte an die Summe von 150,000 Thlr. zur Errichtung des landwirthschaftlihen Museums. Nach einem ein-
ehenden Referate des Abg. v. Benda machte der Abg. Dr. Vir- Eow im Interesse der Universität, hauptsählih der medizinischen Fakultät, Bedenken gegen die Verwendung des betreffenden Grundstückes geltend, die darauf von den Ministern für Handel 2c. Dr. Ahenbach und der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Falk widerlegt wurden, worauf die Position bei Schluß des Blattes bewilligt wurde.
— Der General der Kavallerie von Tümpling, komman- dirender General des VI. Armee-Corps, hat sich nach Breslau zurüdckbegeben. ;
— Da das neue Porto für Packcte bis 5 Kilogramm in- nerhalb 10 Meilen 24 Sgr., darüber hinaus 5 Sgr., und für Geldbriefe in gleiher Weise 2 und 4 Sgr., die Versicherungs- gebühr aber ohne Unterschied der Entfernnng # Sgr. pro 100 Thaler mit einem Minimum von 1 Sgr. beträgt, \o genügt es, außer diesen wenigen Grundtaxen die Namen der innerhalb 10 Meilen belegenen Postorte zu wissen, um danach für den größ- ten Theil der Sendungen das Porto selbst bemessen und #o die Freimarken auf die gelbe Adresse kleben zu können. Diese Ortsnamen sind bei allen Postanslalten in einem Spalter- aushange verzeihnet. Außerdem kann von den Posftanstal- ten ein vollständiger Fahrposttarif, mit dessen Hülfe das Porto auch für mehr als 5 Kilogramm \{chwere Patete und für alle Orte mit Leichtigkeit fich berechnen läßt, bezogen werden. Zur Frankirung der Patete 2c. bis 10 Meilen besteht eine Frei- marke zu 24 Sgr. Beim Frankiren wird der Portozuschlag von 1 Groschen erspart, und die Abfertigung an den Schaltern \chneller bewirkt. Diese Vorzüge machen sih beim Privat- verkehr bereits geltend, und wenn in der Geshäftswelt die Anschauung, daß auch beim Bezuge und Versandt von Waaren und bei Rimessen die Frankirung sehr wohl unter die Usancen aufgenommen werden könne, immer mehr zur Anerken- nung gelangt, so wird dieselbe binnen Kurzem ebenso allge- meine Regel werden, als fie es im Briefverkehre geworden ift, und das wäre ein sehr erhebliher Fortschritt, dessen Her- beiführung das Publikum felb| in der Hand hat.
— In neuerer Zeit sind wieder mehrfach Beschädigun- gen an den Anlagen im Thiergarten verübt; so sind im Wintergarten, links vom Brandenburger Thor, \echs seltene Exemplare von Taxus und Buxus um den Stamm abgeschält und in der Sieges-Allee sechs junge Allee-Bäume und Stämme abgeschält und aufgeschlizt. Die Thiergarten-Berwaltung hat sich genöthigt gesehen, auf die Entdekung der Thäter eine ange- messene Belohnung auszuseßen.
Bei der Ausdehnung des Thiergartens ist die Ueberwachung der Anlagen eine sehr {hwierige, und es gelingt dem Aufsichts- personal im Ganzen selten, die Thäter bei der That zu ertappen; ein nahhaltiger Erfolg in dem Schuße der Anlagen, welche mit großen Kosten und oft jahrelanger Mühe geschaffen sind, wird vielmehr nur dann zu erreichen sein, wenn das Publikum sich für die Sache interessirt, und bei Wahrnehmung von Freveln diese unnachsihtlich zur Bestrafung anzeigt. Da Polizeibeamte sowie die Thiergartentoächter in niht zu weiten Entfernungen von einander stationirt sind, so wird die Feststelung der Per- \önlichkeit der Thäter in der Regel mit großen Unbequemlich- keiten nicht verbunden sein.
Hannover, 22. Ianuar. Ihre Königliche Hoheit die Herzogin Wilhelm von Mecklenburg ist heute Naht um 2 Uhr, von Berlin kommend, hier eingetroffen.
Bayern. München, 22. Januar. In der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten versprah der Minister-Präsident, die Interpellation des Abg. Stenglein, die Verzögerung der Fortseßung der Kronacher Bahn betreffend, demnächst zu beantworten. Ueber die Anträge verschiedener Ge- meinden auf Abänderung des Grundentlastungsgesezes wurde zur Tagesordnung übergegangen; Ministerial-Präsident Pum- merer sicherte zu, je nah der mißlihen Lage der Ablösungspflich- tigen Stundung eintreten zu lassen. Die Bitte mehrerer Ge- meinden um Zutheilung zu andern Bezirken wurde dera Mini- sterium zur Würdigung übergeben, nahdem der Antrag des Abg. Iöórg ‘auf Inkompetenzerklärung in Administrativangelegeaheiten abgelehnt worden war.
— Bei der Berathung der Zollgefälle im Finanzausshusse der Kammer der Abgeordneten wurde die Frage angeregt, ob es in der Absicht der Staatsregierung liege, die Malzauf\chlags-
Zollbehörden zu überweisen, und welhe Bewandtniß es mit der Einziehung der Hauptzollämter habe. Der Finanz-Minister Berr antwortete auf die erste Frage, er hoffe, in diesem Jahre die in Rede stehende Organisation vollziehen zu können; bezügli der zweiten Frage crwiderte er, daß sobald als möglich weitere Auf- hebungen von Haupt-Zollämtern erfolgen würden.
— Die „Hoffmannsche Korrespondenz“ \{chreibt: Von einer Ernennung des Grafen Seinsheim-Grünbach zum erblichen Reichsrathe is bis jeßt dem Betheiligten nichts bekannt geworden. — (W. T. B.) Die Kammer der Reichsräthe hat heute der Modifikation zum Geseze über die Ent- lastung der Schwurgerihte ihre Zustimmung ertheilt. Der Antrag Voelks, die Regierung zu veranlassen, beim Bundes- rathe auf Erhaltung der Schwurgerichte hinzuwirken, wurde wegen mangelnder Kompetenz mit 28 gegen 10 Stimmen ab- gelehnt. Für den Antrag \prach nur Fürst Hohenlohe.
Sachsen. Leipzig, 22. Ianuar. (W. T. B.) In dem Schwurgerichtsprozess\e gegen die 25 wegen des Tumultes in der Pleissengasse (im August v. J.) Angeklagten wurde heute das Urtheil gefällt. Nah demselben find 2 Angeklagte wegen schweren Landfriedensbruchs und Aufruhrs zu je 4 Jahren, 2 andere zu 23 resp. 24 Iahr Zuchthaus, 2 Angeklagte wegen Landfriedensbruchs zu je 2, einer zu 1 Jahr Zuchthaus ver- urtheilt. Gegen die übrigen Angeklagten wurde wegen Land- friedenbruchs oder Aufruhrs auf Gefängnißstrafen von 8 Mo- naten bis zu 2 Jahren erkannt.
Württemberg. Stuttgart, 20. Januar. In der gestrigen Sizung der Ersten Kammer interpellirte Professor Dr. Kuhn aus Anlaß einer Verwilligung für die landständische Sustentationskasse: „warum zwishen dem Diätenbezug der Mit- glieder der Ersten und der Zweiten Kammer ein Unterschied be- stehe“. In der Ersten Kammer E die in Stuttgart domizi- lirten Mitglieder keine Diäten, während die der Zweiten, auch wenn fie in Stuttgart ständig wohnen, solche beziehen. Finanz- Minister v. Renner berief fih auf frühere geseßliche Bestimmun- gen und erklärte sich im Uebrigen bereit, auf Gleichheit hinzu- wirken, sowie die Gelegenheit dazu sih ergebe.
— In der Z weiten Kammer wurden zuerst jährlich 2600 fl, für die israelitishe Centralkirhenkasse verwilligt, behufs der Aufbesserung des Einkommens der Rabbiner, Vorsänger und israelitischen Konzessionsshullehrer um ein Sechstel, wie andere sie auch erhielten. Hierauf wurden 690,500 Fl. aus der französischen Kriegsentschädigung verwilligt zum Bau eines neuen JIustizgebäudes in Stuttgart, worin das Ober-Tribunal, der Kreisgerichtshof in Stuttgart und das mit demselben zu ver- einigende Kreis - Strafgeriht sammt Schwurgeriht (eventuell Schöffengericht) in Eßlingen ihren Siß haben sollten. Der Minister von Mittnacht begründete die Bedürfnißfrage als eine dringende und erläuterte ferner, daß durch dieselbe auch die neue, vom Reich zu erwartende Reihs-Justizgeseßgebung nicht alterirt werde. Die Kammer verwilligte die Exigenz fast einstimmig. Endlich wurden noch 165,000 Fl. für weitere Telegraphenanlagen verwilligt, woraus auch große Erweiterungen des Stuttgarter Haupt-Tele- graphenamts bestritten werden, und ein zweites Telegraphen- aufgabebureau hier errihtet werden soll.
Braunschweig. Braunschweig, 22. Januar. Der großbritannishe Botschafter Lord Russell ‘und der Militär- Bevollmächtigte General W alker trafen gestern Nachmittag von Berlin hier ein, wurden von dem Herzog in Audienz em- pfangen und nahmen an der später stattfindenden Herzoglichen Galatafel Theil.
— Der Landtag hat in seinen leßten Sizungen u. A. ein Gesetz,“ ‘betreffend das Feuexlöshwesen, berathen und geneh- migt. — In der ‘gestrigen Sißung -wurde der Exekutions-Etat der Haupt-Finanzkä}fsé für 1870/7 genehmigt und der Antrag der Finanz-Kommissibn: an das Herzogliche Staqts-Ministerium das Ersuchen zu richten, von den aus der französischen Kriegskontribution eingegangençn Geldern 500,000 Thlr. den Kreisfonds zu überweisen, nah längerer Debatte an- genommen. Abg. Koch stellte den, von fast sämmtlichen, dem Drn gane nicht angehörenden Abgeordneten unterstügten
ntrag:
Die Landesversammlung wolle beschließen, Herzogli®es Staats- Ministerium dringend zu ersuchen, die Lage der Staatsdiener erster und zweiter mean lis zu der in Aussicht gestellten Regelung des Nor- malgehalts “ durch einen prözentweisen Zuschlag zu ihrem jeßigen Diensteinkommen, etwa in folgender Weise zu verbessern: bis inkl. 500 Thlr. 15 Prozent Zuschlag, zwischen 501 Thlr. und 900 Thlr. inkl. 10 Prozent, zwischen 901 bis 1400 Thlr. 77 Prozent.
Sachsen-Altenburg. Altenburg, 21. Januar. Der Herzog hat sich heute zum Besuch des Großherzoglichen Hofes nach Schwerin begeben.
Sachsen-Coburg-Gotha. Gotha, 21. Januar. Heute ist der Sonderlandtag durch den Staats-Minister von See“ ach vertagt worden, nahdem er dem Beschlusse des gemeinschaft- lihen Landtags wegen Abänderung des Etats pro 1874 und wegen Modifikation einiger Bestimmungen der Verfassuug bei- getreten war. Bekannt is bereits, daß diese Modifikationen sich auf eine Erweiterung der Union beider Landestheile im Gebiete der Justizverwaltung beziehen. — Der Abgeordnete Staatsanwalt Morchutt hatte einen Antrag gestellt, der dahin ging, die Re- gierung um einen Gesezentwurf zu ersuchen, durh den das Vereins- und Versammlungsrecht in der Weise geregelt würde, daß nicht nur die Befugnisse der polizeilihen Behörden in Bezug auf die Beaufsihtigung der Vereine und Versammlungen fest- gestellt, sondern auch die Freiheit des Vereins- und Versamm- lungsrehtes gegen terroristi‘che Ruhestörungen geschüht werde. Der betreffende Antrag wurde einstimmig angenommen.
Coburg, 21. Januar. Der seit ‘ dem 12. d. M. hier tagende Sonderlandtag des Herzogthums Coburg hat zu den beiden Anträgen des Staats-Ministeriums, welche von dem gemeinschastlichen Landtage beider Herzogthümer Coburg und Gotha bereits genehmigt worden waren, zu welchen aber die beiden Sonderlandtage ihre Zustimmung zu ertheilen haken, seine Zustimmung. gegeben. Diese Anträge gingen dahin, daß der Voranschlag für die gemeinschaftlihen Etatspositionen auf die Jahre 1874/7 und ferner, daß die Abänderungen des Staasgrundgeseßes vom 3. Mai 1852, wonach künftig der ge- meinschaftliche Landtag aus den sämmtlichen Abgeordneten der beiden Landestheile bestehe und für manche Gegenstände nicht mehr die Zustimmung der Sonderlandtage nöthig sei, genehmigt werden. Nachdem noch den sämmtlihen Volks\chullehrern an den Land- und Landstadtshulen eine Remuneration von je 25 fl. auf Antrag des Staats-Ministeriums bewilligt worden war, wurde der Landtag wieder vertagt, worauf der Aus\huß des Speziallandtages zur Prüfung mehrerer Staatskassen-Rechnungen
Schwarzburg-Sondershausen. Sondershausen, 21. Januar. Der Landtag ges gestern die mit dem Königreich Preußen neu abgeschlossene Militär-Konvention.
Hamburg, 22. Januar. In der gestrigen Sizung der Bürger\chaft wurde auf Antrag von Dr. Hahmann und 82 Genossen folgender Beschluß gefaßt:
„Die Bürgerschaft beauftragt ihren Präsidenten, am 27. d. M. das nachfelgende Telegramm an den Präsidenten der in London statt- findenden Versammlung abzusenden: „Die Bürgerschaft der freien und Hansestadt Hamburg spriht der zu Exeter-Hall tagenden Ver- sammlung von Vertretern sämmtlicher englischer Städte und Graf- schaften ihren warmcn Dank aus für die vom englischen Volke be- zeugte ermuthigende Theilnahme an dem Kampfe Deutschlands gegcn die freiheitsfeindlichen Bestr-bungen des Ultramontanismus,**
2 Ein Antrag des Hrn. I. F. Martens, betreffend Tagegelder für die hamburgishen Abgeordneten zum Deutschen Reichstage, wurde dem Berichte des Bürger-Aus\chusses gemäß in Betracht gezogen, der Antrag selb jedoch abgelehnt. :
Oesterreich-Ungarn. Wien, 22. Januar. Das Reichs- gesehblatt veröffentlicht das Gese, womit der Stadt Wien die Bewilligung zur Aufnahme eines Darlehens von zwanzig Millionen Gulden in Silber oder Gold ertheilt wird.
Pesth, 20. Ianuar. Die Kaiserin ist gestern Abend hier wieder eingetroffen.
— Den Vorlagen, welche die Regierung hinsihtlih des Staatshaushaltes in den Jahren 1875 bis 1877 dem Einundzwanziger - Aus\husse gemaht, entnimmt die „Wien. 3.“ folgende Daten: Summarium der jährlichen ordent=- lihen Ausgaben in den Jahren 1875, 1876 und 1877: Allerh. Hofhalt 4,650,000 fl., Kabinetskanzlei 74,691 fl, Reichtstag 700,000 fl, gemeinsame Ausgaben 25,863,677 fl., gemeinsame Pensionen 240,000 fl., Pensionen 2,608,742 fl., Staatsschulden 65,964,241 ffl., kroatischz - slavonishes Erforderniß 4,842,000 l. Fiume 88,430 fl, Staats-Rehnungshof 150,000 fl., Minister- präsidium 329,800 fl., Minister am Hoflager 60,000 fl., kroatish- \savonishes Ministerium 46,550 fl., Ministerium des Innern 8,445,006 fl., Finanz-Ministerium 51,373,361 fl., Kommunika- tions-Ministerium 14,665,934 fl. Handels-Ministerium 11,736,401 fl, Kultus- und Unterrichts-Ministerium 4,396,740 fl., Justiz- Ministerium 11,031,836 fl., Landesvertheidigungs - Ministerium 7,038,978 fl. In Summa 214,306,387 fl.
Außerordentlihes Erforderniß in den Jahren 1875 1876
fl. fl. 3,353,826 83,353,826 39,064 39,064 15,609,318 12,783,278 8,143,250 4,740,000 466,000 419,000 243,000 153,000
1877
fl. 3,393,826 39,064 11,251,288 3,940,000 129,000 148,000 340,000
Gemeinsame Angelegen- DeiteA Ministerium des Innern . Finanz-Ministerium Kommunikationen . D Kultus und Unterricht U L A 340,000 340,000 Landesvertheidigung 1,394,648 1,394,648 1,394,648 In Summe . 29,589,106 23,222,816 20,595,826 Ordentlihe Einnahmen in den genannten drei Jahren : Schwebende Schulden 144,600 fl., Fiume 5570 fl., Ministerium des Innern 687,610 fl., Finanz-Ministerium 185,021,676 fl, Kommunikation 7,616,600 fl., Handel 10,374,344 fl., Kultus und Unterricht 391,457 fl., Justiz 251,886 fl., Landesvertheidi= gung 43,593 fl., in Summa 204,532,536 l, Außerordentliche Einnahmen in den Jahren 1875 1876 1877
fl. fl. (f 10,764 10,764 10,764 ¿ 5,551,865 4,950,817 4,954,817 Kommunikationen . 150,000 150,000 150,000 Kultus und Unterricht 10,500 10,500 i In Summe . 5,723,129 5,122,081 5,115,581 Ausga" en für die Kreditoperationen 9,354,872 fl. ; Einnah- men ebensovi.l, daher nur cine durhlaufende Post. Gesammtes Defizit in den Jahren 1875 1876 1877
fl. fl. fl. 33,639,108 27,373,866 25,257,376 Hiervon is in Abzug zu bringen in Folge der Steuer- reform und Ersparungen im Staatshaushalte . 12,608,906 12,608,906 12,608,906
Bleibt unbedecktes Defizit 21,030,202 14,764,960 12,648,470
Schweiz. Bern, 20. Ianuar. Die heutige Sißung des Nationalraths füllte die Berathung des gestern vershobenen Art. -25 der Bundesverfassung, welher das Unterrihts- wesen zum Gegenstand hat, aus, ohne daß die vollständige Ueber- einstimmung mit dem Ständerath in einigen Fragen des höheren Schulwesens über diesen Hauptrevisionspunkt erzielt werden konnte. — Was den Primärunterricht betrifft, so {loß \ihch der National= rath der ständeräthlihen Redaktion an, welche, wie folgt, läutet: „Die Kantone sorgen für genügenden Primärunterricht, welcher aus\cließzlich unter staatlicher Leitung stehen soll. Derselbe ift obli- gatorish und in den öffentlihen Schulen unentgeltlih. Die öffent» lichen Schulen sollen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können. Gegen Kantone, welche diesen Verpflichtungen nicht nach- fommén, wird der Bund die nöthigen Verfügungen treffen."
— 22. Januar. (W. T. B.) In Folge der Gewalt- thätigkeiten, die bei Gelegenheit der Volksabstimmung über das liberale Kirchengeseß und an den darauf folgenden Tagen im Jura, namentlih in den 3 Gemeinden Saulcy, Courfaivre und Cerneux gegen Personen verübt worden sind, wurden vom Regierungsrathe heute weitere 3 Schüßen-Compagnien aufge- boten, um nah dem Iura abzugehen.
Großbritannien und Jrlaud. London, 21. Januar. Nach einer Melduñg der „A. A. C.“ aus Chichester sind Untere handlungen für den Ankauf des Gutes West-Dean als Landsi für den Herzog von Edinburgh im Gange.
—- Der Königliche Rath A mphlett hat die durh den Rüt=- tritt des Baron Martin erledigte Richterstelle am Schahkammer=- gerichishofe angenommen.
— Die Admiralität hat Instruktionen für die Feier der Hochzeit des Herzogs von Edinburgh in den vers schiedenen Marinehäfen erlassen. Um 9 Uhr Morgens am 23. d. M. wird jedes britishe Kriegs: an der Küste Großbritan=- niens einen Flaggenschmuck anlegen. Um 1 Uhr soll von jedem im Dienst befindlihen Schiffe ein Königliher Salut (21 Kano- nenshüsse) abgefeuert werden, und die russische und englishe Flagge zu gleicher Zeit aufgehißt werden. Um 8 Uhr Abends sollen bei bengalisher Beleuhtung wiederum 21 Kanonenschüsse
Ministerium des Innern. Finanzen .
ämter aufzuheben und die Erhebung des Malzaufschlages den
und Erledigung einiger anderer finanziellen Angelegenheiten zu- \sammentrat. i
abgefeuert werden. In den Garnisonsstädten sollen die Trup= pen paradiren und eine Freudensalve abfeuern.
Frankreich. Paris, 21. Januar. Dem Trauer- gottesdienste am Jahrestage der Hinrichtung Ludwig XVI. wohnten die in Paris anwesenden Prinzen von Orleans, mit Ausnahme des Herzogs von Aumale und des Grafen von Paris, welche si vertreten ließen, der ehemalige König und die Königin von Neapel, die Königin Isabella, fast sämmtliche De- putirte der Rechten und mehrere Minister bei. Der Präsident
‘der Republik war dur einen seiner Adjutanten vertreten.
— Von der Münzkonferenz bringt die „Opinione'! die Mitlheilung, die Konferenz habe; troy der Bemühtingen von Herrn Feer-Herzog, den Uebergang zur reinen Göldwährung ab- gelehnt. Das Maximum der zulässigen Ausprägung von filber- nen Fünffrankenthalern wolle die Konferenz auf im Ganzen 60 Millionen bestimmen, welcher Betrag sodann unter die in der Münzkonvention stehenden Staaten nach Maßgabe ihrer Bevöl- ferungszahl repartirt würde. Indessen solle dieser Zusaz zur Münzkonvention nur auf ein Jahr in Kraft erwachsen und nach Ablauf desselben wiederum eine Konferenz zusammentreten, um über allfällige definitive Abänderungen der Konvention zu
berathen.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 20. Januar. Heute Morgen 10 Uhr fand in der Petrikirche in Gegenwart des Kaisers, der Großfürsten, der fremden Fürstlichkeiten und ihres Gefolges, der Generalität, der Angehörigen des Verstor- benen und eines zahlreihen Publikums die Einsegnung der Leiche des Statthalters von Polen, Grafen Berg, statt. Nach beendigtem Gottesdienst wurde unter dem Klang aller Glocken des Gotteshauses der Sarg aus der Kirche heraus- getragen und nah dem Warschauer Bahnhofe gebracht. Zu- nächst dem Leichenwagen folgten in tiefer Trauer die Angehö- rigen und Verwandten, hierauf zu Pferde der Kaiser, der Prinz von Wales, der Herzog von Edingburgh, die Großfürsten, die Prinzen von Oldenburg und die fremden Gäste. Um 12 Uhr langte der Zug am Warschauer Bahnhof an, wo eine Abtheilung des Pawlowschen Garde-Regiments nebst Artil- lerie aufgestellt war. Infanterie und Artillerie gaben nun drei Salven und wurde der Sarg in den Leichenwaggon getragen, der um 1 Uhr mit zwei Personenwaggons als Extrazug den Bahnhof verließ, um die Leiche zunächst nah Pskow zu bringen.
_— Die Ankunft Ihrer Kaiserlihen und Königli- chen Hoheit des Kronprinzen und der Kronprinzef- sin des Deutschen Reichs und von Preußen, sowie Sr. Hoheit des regierenden Herzogs von Coburg-Gotha erfolgte am 20. d. M. pünktlih um 2 Uhr 30 Minuten auf dem Warschauer . Bahnhof. Se. Majestät der Kais er, Ihre Königlichen Hoheiten die Großfürsten, Ihre Königlichen Ho- heitèn der Herzog von Edinghburgh und die Kaiserliche Braut, Großfürstin Maria Alexandrowna, der Prinz und die Prinzessin von Wales und Prinz Arthur von Großbritannien empfingen die Hohen Gäste. Die Ehrenwache bildete eine Abtheilung des Preobrashenskischen Regiments, unter dem Kommando Sr. Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch d. A. Beim Ankommen des Zuges und bis zur Abfahrt spielte das Musikcorps die preußishe Nationalhymne. Se. Majestät der Kaiser sowie die anwesenden Großfürsten tru- gen die preußische Uniform. Se. Kaiserlihe und Königliche Ho- heit der “Kronprinz des Deutschen Reichs und von Preußen die russishe Feldmarshallsuniform mit dem Andreasbande. Nach den üblichen militärischen Ehrenbezeigungen, begaben si die Höch- sten Herrschaften in das Winterpalais und zwar in folgender Ordnung: Se. Majestät der Kaiser mit Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen des Deutschen Reichs und von Preußen in offener Equipage, hierauf in ges{lo}senem Wa- gen Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten die Kron- prinzessin des Deutschen Reichs und von Preußen, die Prinzessin von Wales, die Hohe Braut, Großfürstin Maria Alexandrowna und die Großfürstin Cesarewna. Dann folgte Se. Kaiserliche Hoheit der Großfürst Thronfolger Cesarewitsch mit Se. Hoheit dem Herzog von Coburg und nah ihnen die übrigen Groß- fürsten und Prinzen. Ein nicht endenwollendes Hurrah der versammelten Sas i Bañe: die Abfahrt der Kaiserlichen
¡milie und ihrer Hohen Gäste. j L Am 20. Uiunde um 8 Uhr traf Se. Königliche Hoheit der Kronprinz von Dänemark auf dem Warschauer Bahn- hof cin. Die Ehrenwache, vom Ssemenowschen Regiment ge- ftellt, wurde von dem General-Adjutanten von Güldenstubbe, Ober - Befehlshaber der Truppen des Moskauer Militär- bezirks, kommandirt. Beim Einfahren des Zuges in die Bahnhofshalle intonirte die Militärmusik die dänische Nationalhymne. Zum Empfange des Hohen Gastes war Se. Majestät der Kaiser, Ihre Kaiserlichen Königlichen Hoheiten die Großfürsten und sämmtliche anwesende fremde Prinzen erschienen. Auch Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen hatte sih gleihfalls ein- gefunden, um den dänischen Thronerben zu begrüßen. Der Letztere trug bei seiner Ankunft die russiscye Uniform mit dem Bande des Andreasordens.
— Wie die „Börse® meldet, verhandelt man über die Tarife zur Herstellung einer direkten indish-russisch-österreihi- \chen Handelskommunikation, welche von Bombay nah Odessa mittelst Dampfer der russischen Gefellshaft für Dampf- \chifahrt und Handel und dann auf den russischen Bahnen bis zur österreichishen Grenze, von dort aber auf der Karl-Lud- wigsbahn ins Innere des österrcichishen Kaiserreihs gehen soll.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 18. Januar. Das in nächster Zeit zur Ausmünzung fommende Bronze- geld wird etwas fkleiner als das jegt vorhandene, w gegen die silbernen 10 Oerestüce bedeutend größer werden is die jegigen, so daß _1 Oerestück in Bronze kleiner wird 0” die neuen silbernen 10 Oerestücken. L
_— In einer Bekanntmachung für Seefahrende zeigt die Königliche shwedische Loosen-Direktion an, daß in diesem Jahre cin besonderes Lootsenwesen mit zwei Stationen im Sunde errichtet werden soll, die eine Station im nördlichen und die andere im südlichen Theile des Sundes. Die bei diesem Lootsen- wesen angestellten Personen follen die Berechtigung zum Lootsen in dem Fahrwasser haben, welches in der Bekanntmachung näher bezeichnet ist. i /
Christiania, 18. Januar. Die Storthingspropo- sition der norwegischen Regierung wegen Gehaltserhöhung für ‘den Beamteustand is nah Mittheilung des norwegischen „Aften- blad* dem in Stocholm gestern vor aht Tagen stattgehabten Staatsrath vorgelegt worden, ohne jedoch eine Königliche Resolution erzielt zu haben, welhe dem Vernehmen nah auf eine spätere Staatsraths-Versammlung aufgeschoben ist.
Amerika. Im Staatssenat von Californien wurde eine Resolution eingebracht, der Kongreß möge ersucht werden, die Ver-
wanderung von Chinesen nah den Vereinigten Staaten verhindert werde. Eine gleiche Resolution wurde im Unterhaus der Staats-
Legislatur vorgelegt.
Asien. Ueber die bengalische Hungersnoth wird den „Times“ aus Calcutta unterm 20. d. M. noch Folgendes gemeldet: :
„Die Aussichten in Theilen von Tirhut, Sarun und Chumparun vers{limmern \ih tägli. Angebliche Hungertodfälle in Sarun sind amtlich als gewöhnliche Sterbefälle erwiesen worden. Der Vice-König hat versprod;en, den unter Anstrengungen für das öffentliche Wohl leitenden Zemindars die Zahlung einer halbjährlichen Bodensteuer zu stunden. Dem „Reutershen Bureau“ wird aus Calcutta vom 21. ds. gemeldet, daß es der Vice-König auf Grund der über die gegenwär- tige Lage der Bevölkerung in Theilen von Behar eingegangenen Be- rihte für nothwendig erachtet, daß ein höherer Beamter in dieser Pro- vinz stationirt werden sollte, mit Vollmachten, die Operationen in Verbindung mit der Linderung des vorherrschenden Elends zu leiten und zu kontroliren. Se. Excellenz hat mit diesem Amte Sir Richard Temple betraut, und derselbe wird der bengalischen Regierung unter- gestellt werden. Sir Richard wird nach einem Besuche von Behar sih nach den anderen nothleidenden Distrikten begeben. “
— Nach offiziellen Nachrihten aus Penang vom 21. Ja- nuar hatten die Athinesen die Hauptposition der Niederländer angegriffen, waren aber mit einem Verluste von 44 Todten zurügewiesen worden. Die Niederländer hatten bei diesem Ge- fehte 6 Todte gehabt. Die Leßteren hatten sodann ihre Haupt- position verstärkt und während dessen dem Feinde Ruhe gelassen. Zur Wegnahme des Kraton is} eine vollständige Einschließung desselben für nothwendig erachtet und deshalb die andere Hälfte der in Padang stationirten Reserve herbeibeordert worden. Die einheimishe Bevölkerung besteht auf Fortsezung des Kampfes; der Sultan hat keine Macht mehr- über dieselbe.
Australien. Sydney, 17. Januar (per Kabel). Die öffentlihen Einkünfte von Neu-Süd-Wales beliefen sich während des abgelaufenen Jahres auf 3,339,913 Lstr., d. i. 581,000 Lstr. mehr als im vorhergehenden Jahre. Die Ausgaben be- trugen 2,609,366 Lstr.z es verbleibt somit ein Uebershuß von 721,547 Lstr.
Die Nr. 6 des „Amtsblatts der Deutscheu Reichs- Postverwaltung“ hat folgenden Inhalt: Generalverfügungen : Vom 16. Januar 1874. Beschränkung der Garantie für rekomman- dirte Gegenstände nah Spanien. — Vom 18. Januar 1874. Er- leichterte Einlieferung der Pakete. — Vom 19. Januar 1874. Be- handlung der ven dem Kaiserlichen Post-Zeitungsamte hierselbst an die Postanstalten zu versendenden Nummern des Reichégeseßblatts, der preußischen Gejez-Sammlung und des Geseßblatts für Elsaß- Lothringen.
— Nr. 1 des „Deutschen Postarchivs*, Beiheft zum Amtsblatt der Deutschen Reichs - Postverwaltung, hat folgenden Inhalt: 1. Aftenstücke und Aufsäße: 1) Aus den An- fängen der Preußischen Landespost. 2) Beförderung von Briefpost- Gegenständen durch Vermittelung der Landbriefträger. 3) Das Post- Kontraventions- und Defraudationswesen früherer Zeit. 4) Die Nord- friesischen Uen vormals und jeßt. — 11. Kleine Mittheilungen : Der Weihnachts-Hostverkehr in Berlin. Der Oesterreichish - Ungarische Lloyd. Fortbewegen dec Eisenbahnschienen. Aufhebung der Briefporto- freiheit in Jtalien, Kriegssteuec auf Briefe in Spauien. Eine Be- steigund des Cotopaxi. — I1I. Literatur des Verkehrêwesens. IV. Zeit- \chriften-Ueberschau. caei ei ti did
_ — Nr. 4 des Justiz-Ministerial-Blaits für die preu- ßishe Geseßgebung und Rechtspflege, herausgegeben, im Bureau des Justiz-Ministeriums enthält: Allgemeine Verfügung vom 19, Januar 1874, betreffend die Gewährung der Wohnungsgeldzuschüsse an suspendirte Beamte.
Neichstags - Angelegenheiten.
Elberfeld, 22. Januar. Bei der heute hier ftattgehabten engeren Reichstagswahl im 2. Wahlbezirk Düsseldorf crhielt Redacteur W. Hasselmann în Berlin 12,946, Justiz-Rath a. D. Dr. Stader 12,567. Stimmen. Der eee ist somit gewählt.
Solingen, 23. Januar: (W. T. B.) Bei der gestern statt- gehabten engeren Reichstagswahl fielen nah der vorläufigen amtlichen Feststellung des Wahlresultats auf Klöppel 9525, auf v. Scholemer- Alst 6065 Stimmen. Sonach ist der Erstere gewählt.!
Landtags - Angelegenheiten.
Berlin, 22. Januar. DieMotive zu dem in Nr. 17 d. Bl. abgedruckten Entwurf eines Geseyes über die Verwaltung erledigter katholischer Bisthümer lauten:
Nachdem die feindliche Haltung, welche die römisch katholischen Bischöfe und der von ihnen abhängige Klerus der Ausführung der Gesetze vom 11. und 12 Mai 1873 gegenüber bis jeßt eingenommen haben, bereits in einem Falle bis zur Anwendung des äußersten Mikt- tels, der Einleitung des Verfahrens auf Aitsentlassung gegen einen Prälaten geführt hat, ist es erforderlich, die Fälle näher in das Auge zu fassen, in denen eine solhe Amtsentlassung wirklich erfolgt. Mit diesemm Moment tritt der dem Staate aufgezwungene Kampf in ein Stadium, welches dem Leßteren die Pflicht auferlegt, sowehl sich selbst neue, der Lage der Verhältnisse entsprechende Abwehrmittel zu schaffen, als auch der durch eine weitere Auflehnung gegen die Staats- geseße entstehenden Verwirrung in der Verwaltung der Diszesen, soweit dics in seiner Macht liegt, vorzubeugen. i
Bei der Stellung, welche der römische Episkopat und feine An- hänger zu den bezeichneten Geseßen genommen haben, ift zu besorgen, daß man in der Opposition gegen die Staatsgeseße so weit gehen werde, einem Erkenntniß des Königlichen Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten, welches die Amtsentlassung eines Kirchendieners, ins- besondere eines Bischofs, aussprechen möchte, die Anerkennung zu ver- sagen und die Folgeleistung abzulehnen. Daß es, wenn die Rechts- ordnung nicht in ihren Grundlagen erschüttert werden soll, unabweiösliche Pflicht des Staates ist, ein solches gerichtliches Urtheil, nöthigenfalls dur Anwendung der strengsten Straf- und Zwangsmittel zum Vollzug zu bringen, bedarf der Darlegung nicht.
Zur Vollstreckung eines auf Amtsentlassung lautenden Eikennt- nisses gehört aber y 1
1) daß der abgeseßte Bischof aus seinem Amte, und zwar sowohl dem officium, als auch dem b-neficium entfernt, und
9) daß den bischöflihen Behörden und Beamten, sowie dem ge- sammten Diözesan-Klerus gegenüber zur Anerkennung gebracht werde, daß durch die Amtsentlassung des Bischofs Sedisvakanz eingetreten ist.
Was den ersten Punkt betrifft, jo hat zunächst nach der Bestim- mung des Alinea 2 §. 24 des Geselzes vom 12. Mai 1873 die Ent- lossung aus dem Amte den Verlust des Amtseinkommens zur Folge, und da nah der Vorschrift des §. 36 a. a. O. die Entscheidungen des Gerichtshofes im Verwaltungswege vollstreckbar sind, so wird ein- tretenden Falls der Staat in der Lage sein, eincn aus seinem Amte entlossenen Bischof aus dem Genuy seines gesammten Amtseinkomso mens, einschliezlich sämmtlicher Nußungen, Hebungen und Leistungen
zu seßen. i L Was hingegen die für das öffentlihe Interesse weit wih- tigere Frage anlangt, in welher Weise einer Fortsetzung der Amtsthätigfkeit entgegenzutreten sein wird, so gewährt das bestehende Recht nicht die genügenden Mittel, um dem die öffentlihe Ortnung
gefährdenden Treiben eines aus seinem Amte entlassenen Bischofs ein
träge mit China derartig zu amendiren, daß die fernere Ein-
bestimmtes Ziel zu seßen.
“Zwar bedroht der § 31 des Geseßes vom 31. Mai v. I. die enigen Kirchendiener, welche Amtshandlungen vornehmen, nachdem fie in Gemäß“eit des 8. 30 aus ihrem Amte entlassen worden sind, mit Geldbuße bis zu 100 Thlrn. und im Wiederholungsfalle bis zu 1000 Thlrn. Indessen dieKbieherige Erfahrung bei Ausführung der Gesetze vom 11. und 12. Mai v. J. hat leider gelehrt, daß bloize Geldbußen unzureichend sind, um das Ansehn des Geseßes aufrecht zu erhalten, den Ungehorsam der Bischöfe au nur bei solchen Pankten zu brechen, bei denen in anderen Staaten den staatliden Anordnungen wesentlich ähnlicher Art von der katholischen Geistlichkeit Folge geleistet wird. Es wird daher wirksamerer Mittel bedürfen, um den Bollzug eines Urtheils des Gerichtshofes für firchlihe Angelegenheiten nach der be- zeichneten Richtung hin sicher zu stellen. : In dieser Beziehung kann zunächst in Frage kommen, ob die Strafbestimmung des §8. 31 a. a. O. nit angemessen zu verschärfen und ob insbesondere nicht von vornherein eine Gefängnißstrafe für cin Vergehen anzudrohen sein möchte, welches sich als eine Schädi- gung der öffentlichen Ordnung der allershwerwiegendsten Art dar- stellt. Wenn indessen die Staatsregierung von einem solchen Vor- schlage, wenigstens für jeßt, Abstand nehmen zu sollen geglaubt hat, so beruht dies in dem Umstande, daß sie selbst noch in der Erwägung darüber begriffen ist, ob es nicht gegenüber der feindlihen Haltung des Episkopats, welche die Grundlagen jeder staatlichen Ordnung, nit minder die der einzelnen Staaten, als die des Reichs in Frage stellt, an der Zeit sei, zur Bekämpfung dieser staatsfeindlichen Ele- mente die Mitwirkung der Reichsgeseßgebung in Anspruch zu nehmen, zumal anzucrfennen sein wird, daß in der weitergehenden Kompetenz der Reichsgeseßgebung die Möglichkeit geboten ist, zum Schuße der bedrohten Rechtsordnung des Staates Sicherungsmittel aufzurichten, die in ebenso wirksamer, als der Lage der Verhältnisse entsprechender Weise vollkommenern Erfolg hoffen lassen, als eine im Wege der Lan- desgesegebung herbeizuführende Strafvershärfung. i / Demgemäß behandelt der vorliegende Geseßentwurf nur die zweite der oben aufgeworfenen Fragen, nämlich diejenige, ó e
wie, abgesehen von der Person des jeines Amtes entseßten Bischofs, der Diözese gegenüber der Eiutritt der Vakanz des Bischofsstuhles
zur Anerkennung zu bringen sein wird. j
Menn die Kapitel und der Diözesanklerus anerkennen, daß dur die Abseßung eines Bischofs in Folge gerichtlichen Urtheils Sedis- vakfanz eingetreten sei, so wird sich die Angelegenheit în dem geordne- ten Wege weiter entwickeln. Das Gescß muß aber auch nach Lage der Verhältnisse den anderen Fall voraussehen, daß die Kapitel einem solchen Urtheil keine Wirkiamkeit beilegen, und dew gemäß auch nicht anerkennen wecden, daß die Vakanz des Bischofssißes eingetreten sei. Sie sowohl, wie der General-Vikar, werden alsdann den abgeseßten Bischof als noch in Amtswirksamkeit stehend betrachten und nit nur demgemäß fortfahren, zu handeln wie bei befeßtem Stuhle, sondern auch ablehnen, eine einstweilige Verwaltung der Diözese durch Be- stellung eines Kapitels-Vifars einzurichten und demnachst zur Wahl des neuen Bischofs zu s{hreiten. Es ist zu erwarten, daß einer solchen Auffassung der Kapitel zunächst auch die Geistlichfeit, wenigstens zum größeren Theile, folgen wei de.
Es muß daher im Wege der Geseßgebung ;
1. Vorsorge getroffen werden, daß die Anerkennung der eingetre- tenen Vakanz und damit die Einstellung jedes amtlichen Verkehrs mit dem entlassenen Bischof, sowie die daran sich knüpfenden Maßnahmen wegen Bestellung eines einstweiligen Biéthumsvyerwesers und Wieder- wahl eines Bischofs erforderlichen Falles erzwungen werden können.
Hieran knüpft sich sodann L, ;
Îl. die fernere Frage, welche Mitwirkung vom Staate bei der Einrichtung einer einstweiligen Verwaltung der Diözese in Anspruch zu nehmen ist, um eine Garantie dafür zu gewinnea, daß diese Ver- waltung in Uebereinstimmung mit den Staat®geseßen und nicht zum Nachtheil der wichtigsten Interessen des Staates und seiner Angehöri- gen gefühit werde. In dieser Beziehung kommt in Betracht, daß zur Zeit in Preußen staatlicher Seits bestimmte Erfordernisse an die Person des Seitens des Kapitels zu bestellenden Vifars nicht gestellt werden. Der Grund hiervon mag darin zu suchen sein, daß nach den wegen Wiederbeseßung der Bischoféstühle in Preußen für die einzelnen Digzesen geltenden Bestimmungen die Wayhl des neuen Bischofs inner- halb drei Monaten erfolgen soll, die Verwaltung des Kapitels-Vikars daher nur als eine kurze, vorübergehende gedacht war. Die Erfahrung, insbesondere auch in anderen deutschen Ländern, hat aber gelehrt, wie die Wiederbeseßung der Bischoffiße sih oft Jahre lang verzögert, und wie es die Römische Kurie in der Hand hat, dur außerordent- zie Vollmachten, welhe dem Kapitelsvikar ertheilt werden, odex durch Entsendung eines apostolischen Vikars, der alle Rechte eines Mol unbeschränkt zu üben hat, die Wiederbeseßung der Bischofs- tühle bis in eine ungemessene Zeit auszudehnen und damit alle die Garantien, welche dem Staate durch die thm zustehende Mitwirkung bei Beseßung der bischöflichen Stühle gegeben werden sollen, illusoris zu machen. Erwägt man ferner dle eingangserwähnte offene Auflehnung gegen die Staatsgeseße, fo muy es als Pflicht der Selbsterhaltung für den Staat ancrkannt werden, hinfort Niemanden als einstweiligen Verwalter eines Bisthums zu dulden, der ihm nicht die volle Garantie giebt, daß die in den bischöflichen Amte beruhende Macht nicht zum Nachtheil des Staates gemiß- braucht werde. Diese Garantien werden, da eine positive Mit- wirkung bei Bestellung eines solchen Bisthumêverwalters nah Art. 18 der Verfassungs-Urkunde, auch nach seiner neuen, dur das Gesetz vom 5. April 1873 festgestellten Redaktion, nicht in Anspruch zu nehmen ist, darin zu suchen sein, daß einmal die Vorschriften des Ge- seßes vom 11. Mai pr. über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen auf den Bisthuméverwalter zur Anwendung gebracht wer- den und außerdem von ibm das eidliche Gelöbniß, daß er Sr. Majestät dem Könize treu und gehorsam sein und die Gesetze des Staates be- folgen wcrde, verlangt wird.
Da diese Erwägungen übrigens niht nur auf den Fall der Er-
ledigung eines Bisthums in Folge gerichtlichen Uttheils, fondera all- gemein für jeden Erledigungsfall, gleichviel auf wélhen Gründen er bervht, zutreffen, so werden die}e Anforderungen für die einstweilige Wahrnehmung bischöflicher Rechte während der Vakanz des Si1uhles generell gestellt werden müssen,
Das Gesetz darf endlich : j E A III. die (68 atualität niht außer Acht lassen, daß die vorzuschrei-
benden Zwangsmittel sich als nicht genügend erweisen, einen etwaigen Widerstand der Domkapitel gegen die Staatsgeleße zu beugen, so daß fie in dem Falle einer Sedisvakanz 1n Folge gerichtlichen Urtheils die Bestellung eines Biéthumsverwe]ers beharrlih verweigern oder in Fällen einer auch von ihnen anerkannten Sedisvaßgnz einen dem Ge- seße nicht entsprechenden Verweser bestellen. Ju allen diesen Fällea tritt eine völlige S1örung in der Diözesanverwaltung ein, indem eine rechtmäßig bestellte Verwaltung alsdann überhaupt nicht vorhanden ist. Die Folgen eines solchen Zustandes für das g*sammte kirchliche Leben in der Diözese, für die kirchlichen Institute, die Kirchengemein- den und die einzelnen Diözesanen sind die allershwerwicgendsten und es erscheint als eine dringende Pflicht des Staates, soweit es an ihm ist, hier Vorkehrungen zu treffen, um wenigstens die ärgsten Schä- den, namentlich im Leben der Einzelgemeinden, fern zu halten. Dies wrd geschehen, indem einerseits Fürsorge getroffen wird, um die kir- lihe Vermögensverwaltung, sowohl des bishöflichen Stuhles selbft, als auch der der Aufsicht des Bischofs unterstellten kirchlichen Jnstitute und Stiftungen, sowie der einzelnen Kirchengemeinden in regelmäßigem Betriebe zu erhalten und indem andererseits den Gemeinden die M ôg- lichkeit eröffnet wird, bei eintretenden Vakanzen wiederum einen Seel- sorger zu gewinnen.
Auf diesen allgemeinen Gesichtspunkten beruht der Entwurf des Gesetzes über die Verwaltung erledigter fatholischer Biethümer, zu dessen Erläuterung im Einzelnen noch Folgendes zu bemerken ift.
Ju den §8. 1—3 sind, den obigen h oi n, bige entsprechend, all- gemein die Erfordernisse geregelt welche derjenige zu erfüllen hat, der während der Vakanz eines Bischofesißes die mit dem bischöflichen Amte verbundenen Rechte und geistlichen Verrichtungen ausüben will.
Diese Bestimmungen treffen mithin jeden Fall einer Ecledigung, sei es, daß dieselbe durch gerichtliches Uctheil, aljo sowohl auf Grund der