1874 / 24 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Jan 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Der S taats-Minister Dr. Fäustle reist heute zur Theil- nahme an den Verhandlungen des Bundesrathes nah Berlin und is für die Dauer der Abwesenheit die Leitung des Staats- Ministeriums der Iustiz® dem Staatsrath v. Fischer übertagen worden.

Sachsen. Oresden, 27. Ianuar, Der Geburtstag der Königin Marie wurde heute festlih begangen.

Der König hat sich zum Chef des 1. Leib-Grenadier- Regiments, des Feld-Artillerie-Regiments, Corps-Artillerie und des Garde-Reiter-Regiments erklärt. Au hat Se. Majestät im Verfolg der legztwilligen Verfügung des Hochseligen Königs Jo- hann allen in- und ausländishen Regimentern, deren Chef er gewesen, die Säbel resp. Degen, die der Verewigte als Chef dieser Regimenter getragen hat, zum Andenken an den erlauh- ten Chef übersenden lassen.

Die Erste Kammer berieth in ihrer heutigen Sizung das Postulat der Staatsregierung für Justizbauten bez. Erwer- bung von Baupläßen zu Erbauung von Landgerichten, und \chloß sih allenthalben den von der Zweiten Kammer gefaßten Beschlüssen an, abgeschen von den Poftulaten für Landgerichte in Döbeln und Freiberg, worüber die Berathung ausgeseßt wurde. Vorher ging eine allgemeine Diskussion, die sich in Veranlassung mehrerer Bemerkungen der Deputation in ihrem Berichte über die Höhe des diesmaligen außerordentlihen Budgets zu einer Generaldebatte über das außerordentliche Budget selbst gestaltete. Staats-Minister Freiherr von Friesen nahm Gelegenheit, dem Vorwurfe gegenüber, der in jenen Bemerkungen gefunden wer- den könnte, eingehend die Grundsäße darzulegen, nah denen die \ächfishe Finanzverwaltung unter seiner Leitung verfahren sei, und auf die vorzüglichen Erfolge hinzuweisen, die während dieser Zeit erzielt worden sind. Die Mitglieder der Kammer, welche über diese Angelegenheit das Wort ergriffen, erklärten, daß in dem Berichte der Deputation in keiner Weise ein Vorwnrf gegen die Finanzverwaltung liege, daß aber die Höhe des außerordent- lihen Budgets dringend dazu auffordere, ein wachsames Auge darauf zu haben, daß die Lage der sächsischen Finanzen auch in Zukunft cine gleih günstige bleibe, wie bisher.

Die Zweite Kammer brachte heute die gestern abge- brochene Berathung des Landtagsordnungsentwurfs zu Ende. Eine längere Debatte rief bei Î: 27 der Vorschlag der Deputation hervor, nah welchem an die Beantwortung einer Interpellation oder deren Ablehnung auf genügend unterstüßten Antrag eine Besprehung des Gegenstandes der Interpellation sich anschließen kann, wogegen das Recht des Interpellanten zur Begründung seiner Interpellaticn wegfallen sol. Für diesen Vor- \chlag \prahen die Abgg. - Dr. Biedermann, von Könnerig, Referent von Einsiedel, dagegen die Abgg. Günther und Jungnickel und Seitens der Regierung Staats-Minister v. Nostih- Wallwiß und Geheimer Rath Schmaly. Die Kammer nahm den Antrag der Deputation in seinem ersten Theile an, stellte aber zugleih durch Annahme eines Antrags des Abg. JIung- nickel das Recht des Interpellanten wieder her, seine Interpella- tion näher auszuführen. Bei §. 32 rief die Diätenfrage eine Debatte hervor, welche jedoch bald durch Annahme eines Schluß- antrags abgeschnitten wurde. Der Deputationsantrag , die Tagegelder auf 12 Mark festzusegen, wurde angenom- men, damit fiel ein Antrag des Abg. Fahnauer, sie auf der bisherigen Höhe von 3 Thlr. zu belassen. Ebenso wurde ein Antrag desselben Abgeordneten, welche: Staatsbeamte , die Diäten als Abgeordnete beziehen, gehalten wissen will, ihre Stell- vertretung aus eigenen Mitteln zu übertragen | abgelehnt. Den Beitritt zu dem Beschluß der Ersten Kammer, wonach in der

Regel nah Konstituirung der Kammern und Wahl der Deputa- tionen die Kammern auf vier Wochen vertagt und hierbei die- jenigen Deputationen bezeihnet werden sollen, welche während der Vertagung zusammenzubleiben und ihre Arbeiten fortzuseßen haben (einem Beschlusse, der auf Anregung der die Abkürzung der Landtage be;weckenden Anträge der Abgg. Walter und Krehschmar gefaßt worden war), lehnte die Kammer nach län-

gerer Debatte ab. u R Si

Leipzig, 27. Ianuar. (W. T. B.) Die beiden hiesigen politishen Vereine, die gemeinnüßige Gesellschaft und der stati- tische Verein, beschlossen in gemeinschaftlihey Versammlung eine engere Verbindung der Mitglieder der reichstreuen liberalen Partei, znnächst im Königreih Sachsen, herzustellen und zwar zur Hebung des politischen Lebens, zur Verständigung über die auf wirthschaftlihhem Gebiete möglihen und zu erstrebenden Re- formen und endlich zur gemeinsamen Bekämpfung der reihs- und fulturfeindlihen Tendenzen, insbesondere der ultramontanen und sozialistishen Parteien. Zur Herbei- führung dieser engeren Verbindung wurde ein Aus\{chuß von 15 Personen gewählt, der fih unverzüglih mit sämmtlichen libe- ralen Wahlkomites in Sachsen in Verbindung schen soll. Die Versammlung beschloß, nah London folgende telegraphapischen Depesche abzusenden :

Den in London am 27. d. versammelten Engländern sagen heute die in Leipzig vereinten, allen Konfessionen angehörenden, deutschen Männer ihren herzlichsten Dank. Sie betrachten die dortige Ver- j+mmlung niht nur als eine wihtige moralische Unterstüßung des Deutschen Reiches in seinem Kampfe mit der herr’henden Richtung der katholischen Kirche, sondern auch als Anerkenntniß der Thatsache, daß es sih weder handelt um die Berkümmerung der fatholischen Glaubenswahrheiten, noch um eine nur Deutschland angehende An- gel: genheit, daß vielmehr die Juteresscn der gesammten Ku!tur ge- schüßt werden follen als die Lebensbedingungen, auf denen alle Staaten bcruben und die darum von allen Staaten vertheidigt werden müssen.

I&ürttemberg. Stuttgarx, 25. Januar. Der Land- tag wird, wie Minister von Mittnacht andeutete, wahrscheinlih noch in dieser Woche vertagt werden, falls bis dahin der Haupt- finanz-Etat und das Finanzgeseß für 1873/75 vollends zum Abschluß gebracht find. aber mehrere wichtige Vorlagen, wie das Eisenbahnbaugescß und das Retablissement der Armee, noch ihre Erledigung finden sollen, so steht die Wiederberufung des Landtags für die Zeit nach Beendigung des Reichstages, wie bis jeßt vermuthet wird, auf die Woche nah Ostern in Au- sicht.

In der gestrigen Sizung der Kammer der Abgeord- - neten wurde von derselben eine Exigenz von 74,618 fl. 28 kr. verwilligt zur Entschädigung der durch die reihsgeseßlihe Auf- hebung der Floßabgaben benactheiligten früheren Befiger dieser Gefälle, so weit sie das bisherige Recht auf die Erhebung er- weisen. Die Entschädigung erfolgt im zwölffahen Maßstab des reinen Iahreswe:ths sammt 44 Proz. Zins vom 1. Juli 1872 bis 1. Mai 1874, und wird aus den franzöfischen Krieg€geldern genommen. Da beide Kammern selbs in einer Eingabe an Se. Majestät den König um die Entschädi- gung gebeten haben, so war die Verwilligung selbstverständlich. Außerdem wurde in der gestrigen Sizung noh der Gesehentwurf über die Aufhebung des Lehensverbandes berathen und in seinen gan Artikeln mit allen abgegebenen Stimmen gegen die eine nta Mohl angenommen, Der erste Artikel des Entrourfs

„Das Ober-Eigenthum über Lehen, welche nach den Grundsäßen des Ritterlebens verliehen sind, mit Ausnahme der fronlehnbaren Erb- ämter und der Art. 5 genonnten Mannleben, erlist mit Verkündigung dicses Geseßes. Die Errichtung neuer Lehen, sowie die Wiederver- leihung heimgefallener Lehen, leßtere mit Ausnahme der kronlehnbaren Erbämter, ‘# ungültig.“ s

Die weiteren enthalten uur die Modalitäten der ; Ablösung, den Maßstab u. #. w. :

Baden. Karlsruhe, 26. Ianuar. Der Landgraf Friedrich von Hessen, sowie dessen Gemahlin, Prinzessin Anna von Preußen, trafen vorigen Sonnabend, den 24. d., von Baden kommend, zum Besuch der Großherzoglichen Familie dahier ein und kehrten am nämlichen Tage dorthin zurü.

Heute haben die Herzogin von Hamilton, Prinzessin von Baden, fowie die Erbprinzessin von Monaco und die gleichfalls in Baden weilende Fürstin Leontine von Für- stenberg, Wittwe des Fürsten Maximilian von Fürstenberg, ihre Hohen Verwandten dahier besuht und verabschiedeten fich am Abend von den Großherzoglihen Herrschaften, um nah Baden zurückzukehren.

Die Abgeordnetenkammer beschloß, den erzbis{chöf- lichen Tischtitel nur für das Iahr 1874 nit aber für 1875 zu bewilligen und die Zahlung des Tischtitels pro 1874 einzustellen, wenn das Domkapitel die Vorlage neuer Vorschlagslisten für die Besezung des Erzbisthums verweigern sollte. Staats- Minister Jolly theilte mit, das Domkapitel habe die demnächstige Vorlage neuer Vorschlagslisten für die Beseßung des Erzbis- thums angezeigt.

Sessen. Darmstadt, 26. Januar. Die Berathungen des Großherzoglihen Justiz-Ministeriums über den Gesetzen t- wurf, betreffend die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen, haben, wie die „D. Z.“ vernimmt, zu Ende der verflossenen Woche ihren Anfang genommen.

Meeflenburg. Schwerin, 27. Januar. Der Erb- großherzog is am Sonntag Nachmittag von hier nah Rostock wieder abgereist, die Großherzogin Mutter gestern Abend von Berlin hierher zurückgekehrt. F

Schwarzburg -Sondershausen. Sondershausen, 93. Januar. In der gestrigen öffentlihen Sizung des Land- tags wurde der Geseßentwurf, die Schonzeiten des Wildes be- treffend, nah Berichterstattung durh den Abg. Drechsler, in den 7 ersten Paragraphen unverändert angenommen. Bezüglich eines Antrags des Abg. Drechsler auf Einführung von Jagd- tagesfarten zu 15 Sgr. für im Auslande wohnende Jagdtheil- nehmer, ergab sich bei der Abstimmung Stimmengleichheit, in Folge dessen in der nähsten Sizung nochmals über den Antrag abgestimmt werden muß.

Schweiz. Bern, 27. Ianugr. (W. T. V.) Der Stände- rath hat die zweite Revision der Bundesverfassung beendet und den bezüglichen Beschlüssen des Nationalraths gegen- über sich für Beibehaltung der Todesstrafe erklärt, auch daran festgehalten, daß betreffs des Referendums {hon die Anzahl von 30,0900 stimmberechtigten {hweizer Bürgern genügen soll.

—. Der Nationalrath hat den Handelsvertrag mit Persien ratifizirt. :

—— Der Bundesrath wurde von 88 Mitgliedern des National- raths darüber interpellirt, ob er Kenntniß habe von den Um- trieben, die fürzlih zum Zweck der Intervention einer aus- ländischen Macht in der Schweiz zu Gunsten der Ultramon- tanen stattgefunden haben sollten, und welche Maßregeln er eventuell dagegen zu treffen gedente.

In dem jurassishen Grenzort Fahy Hat sich die Be- völkerung der Verhaftung des seiner Stellung entseßten Pfarrers gewaltsain widerseßt, und ist eine Kompagnie Infanterie dorthin entsendet worden.

Génf, 27. Januar. (W. T. B.) - Ein an Abbé Collet, Sekretär des Bischofs Mermillod, adressirter Ballen des in Bar le Duc gedructen Aufrufs an die Mächte um Intervention zu Ea der \{chweizer Katholiken, ist hier mit Beschlag belegt worden.

Belgien. Brüssel, 27. Ianuar. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer stellte heute der Deputirte Bergé die Anfrage an die Regiceung, ob die Mittheilung des „Daily Telegraph“, daß die deutsche Regierung betreffs der Haltung der kflerifalen Presse und des Klerus eine Note an Belgien gerichtet habe, rihtig sei und welche Antwort eventuell darauf ertheilt worden sei. Der Interpellant hob bei Begründung - der Inter- pellation hervor, daß die belgische Konstitution die Freiheit der Presse garantire, welhe erst nach langen Kämpfen er- rungen sei. Die “Kammer könne nicht gestatten, daß dieselbe beeinträhtigt werde. Wenn auch - die wenig ge- mäßigte Sprahe gewisser katholisher Journale zu be- klagen und zu bedauern. sei, daß das belgishe Episkopat nicht Patriotismus genug besize, \sih einer solhen Sprache zu ent- halten, so könne die Regierang doh nicht für Journalartikel ver- antwortlih gemacht werden. Der Minister der auswärtigen An- gelegenheiten gab hierauf eine Erklärung ab, in welcher er die Informationen der ausländischen Presse über diesen Gegenstand als unrichtig bezeihnete und es in Abrede stellte, daß die deutsche Regierung eine Note, betreffend die Haltung der belgischen Presse \o- wie des Klerus an die belgische Regierung gerichtet habe. Der Minister fuhr alsdann fort: „Vor nicht langer Zeit hat ein damals im Amte befindliher Minister es für angemessen gehalten, die Presse zur Beobachtung ciner maßvollen und unparteiishen Haltung auf- zufordern. Ih glaube den Interessen des Landes zu dienen, wein ih diese Aufforderung erneuere; ih gebe mih der Hoff- nung hin, daß dieselbe niht vergeblich sein wird. Ich nehme um so weniger Anstand, mich in diesem Sinne auszusprechen, als ih dabei aus freiem Antriebe den berechtigten Rücksichten und Gefühlen Rehnung trage, zu denen wir den befreundeten Mäch- ten gegenüber verpflichtet find, und indem ih mich gleichzeitig auch von dem Bestreben leiten lasse, die vortrefflihen Beziehun- gen dieser Mächte zu Belgien noch mehr zu befestigen.“ Der Zwischenfall ist damit erledigt.

Großbritannien und Jrland. London, 26. Januar. Zur Feier der Vermählung des Herzogs von Edin- burgh gab die Königin auf Osborne am Freitag ein Diner, bei welchem Prinz Leopold, Prinzessin Beatrice, der Herzog von Cambridge, Prinz Leiningen, Graf und Gräfin Gleichen, \owie die Mitglieder des Hofstaates Ihrer Majestät zugegen waren, Am Abend fand ein Ball für die Dienerschaft und Pächterschaft des Gutes Osborne statt, dem die Königin und die Königliche Familie eine Zeit lang anwohnten.

Unter dem Vorsiß der Königin fand heute auf Osborne ein Ministerrath statt, in welchem die Auflösung des alten Par- laments und die Einberufung des neuen Gegenstand der Erör- terung bildeten.

927. Januar. (W. T. B.) Das auf heute Nahmittag in St. Iames Hall anberaumte protefstantishe Sympathie- Meeting für die Kirchenpolitik der deutshen Regie- rung hat unter außerordentliher Betheiligung stattgefunden. Das Meeting, das gegen 4 Stunden dauerte, begann mit einem Gebete, das Prediger Cadman für Erhaltung der Freiheiten und Privilegien \prah, deren ih Großbritannien erfreue, und das mit dem Wunsche \{chloß, daß es dem Deutschen Kaiser gelingen möge, die nämlichen Freiheiten auch für seine Unterthanen zu erringen. Präsident Sir Iohn Murray zeigte demnächst an, daß unzählige Zustimmungs - Adressen und Erklä- rungen aus allen Gegenden der Welt eingegangen seien, unter Anderem von Seiten der Erzbischöfe von Canterbury uad York, von 337 Mitgliedern des Parlaments, von 1200 den ver- \chiedensten religiösen Bekenntnissen angehörenden Geistlichen und aus 60 größeren Provinzialstädten. Nah demnächstiger Ver- lesung der Briefe Lord Rufsells und Stanleys erklärte der Prä- sident, der Zweck des heutigen Meetings sei ein zweifacher. Es solle der Sympathie Ausdruck gegeben werden, die das englische Volk für Deutschland in dessen Kampfe mit dem Ultra- montanismus empfinde, es folle aber auch Großbritannien selbst aus seinem lethargishen Schlafe zur nachdrücklihen Bekämpfung des gefährlichsten aller Feinde erweckt wer- den. Die unübertrefflihe Antwort des Deutschen Kaisers auf die Zuschrift des Papstes habe nicht nur bei allen Protestanten Europas die lebhafteste Billigung gefunden, soncern sei vor Allem auch als ein noch zeitiger Warnungszuruf für die britische Nation hoh anzushhlagen. (Stürmischer Beifall). Das heutige Meeting solle nun bekunden, / daß Männer des verschiedensten religiösen Bekenninisses und der verschiedensten politishen Partei- ftellungen zusammengekommen seien, um alle ihre kleinlichen Meinungsverschiedenheiten aufzugeben und zu begraben und sich zu einigen in dem einen Ziele, daß dem Papste und den Vertre- tern des Papstthums ein energishes Halt! zugerufen werden müsse. (Wiederholter stürmisher Beifall). Der Dechant von Canterbury begründete hierauf die erste Es handle sich niht darum, \sfich über diejenigen Punkte auszusprechen, in denen die Katholiken und Protestanten als religióse Körperschaften auseinandergchen ; die gegenwärtigen Forderungen der Katholiken seien viel weitgehender als vor 40 Jahren, wo dieselben in Großbritannien die Emanzipation ihres Klerus verlangten. Den Protestanten komme es nicht entfernt bei, die religiöse Freiheit der Katholiken zu beschränken ; cs sei aber ihr Recht, für sih dicselbe Freiheit in Anspruch zu nehmen, welche die Katholiken genössen. Es handele sih bei der ganzen Frage überhaupt nicht um die Religion, sondern um die jedem Bürger eines Staates obliegende Pflicht des Gehorsams gegen Geseß und Verfassung. Die Theilnehmer des Meetings seien lediglich in ihrer Eigenschaft als Bürger eines Staates zusammengetreten ; nicht ber Katholizismus, fondern der Ultramontanismus werde von ihnen bekämpft, dem Kampfe Deutschlands gegen diesen Ultramontanismus solle durch das Meeting Zustimmung und Sympathie ausgedrückt werden. Der Deutsche Kaiser aber er- fülle eine ihm obliege1de Pflicht, wenn er seine Unterthaneu in ihren Rechten und in ihrer Gewissensfreiheit \{chüze. Der Ultra- montanismus sei unmögli, denn derselbe sei nichts als das Verlangen absoluter Gewalt in allen materiellen und geistigen Angelegenheiten für den Papst. Alles solle dem Papste unter: worfen sein; Der Papft habe jeßt sogar auf Kosten der frühe: ren Unabhängigkeit seiner Bischöfe und Priester seine Macht vergrößert. * Die römische Kurie bestehe thatsählih nur aus Ie

suiten, deren Ansichten dem Geiste der Zeit diametral entgeger#-

geseßt seien. Dr. Döllinger in München sei früher gleihfalß ultramontan gewesen, er habe jedoch den Jesuiten auf dem vor diesen eingeshlagenen Wege niht weiter zu folgen vermoc, mit ihm viele Andere, wie sich dies aus der religiösen Bew- gung in Deutschland und der Schweiz ergebe. Der Deutsgde Kaiser und der Reichskanzler Fürst Bismarck (stürmischer Bä- fall) seien die Vertreter der Ideen und der Gefühle des deut- \chen Volks. Ihnen werde von den deutschen Bischöfen haît- näiger Widerstand geleistet. Der Deutsche Kaiser sei aber än so großer Mann und besie in seinem Reichskanzler ein \o {e- waltiges Rüstzeug seiner Pläne, daß er die Rechte seiner Unkr- thanen niht verkümmern und die Zukunft der großen deutsgen Nation nicht aufs Spiel seßen lassen könne. Es sei daher der Wunsch gerechtfertigt, daß der begonnene Kampf erfolgreich zu Ende geführt werde. Parlamentsmitglied Sir Thomas Chtm-= bers drükte seine Befriedigung darüber aus, daß bürgerlihe 1nd geistige Freiheit und päpstlihe Herrschaft einander im Kanpfe gegenüber ftehen. Seit 500 Jahren sci kein Augen|lick vergangen, in dem es nicht nothwendig gewesen, ggen Vergewaltigungen durch die römische Geistlichkeit E ja sogar dagegen anzustreben, daß niht aller Grundbesiß de- ren Hände gerathe. Die Rechte der Krone seien gefährdet ge=- wesen und, bevor noch das Wort: „Ultramontanismus“ erfuiden worden, habe \sih Großbritannien dagegen erhoben. Wollten Kai- ser, Könige und Präsidenten die jeßigen Forderungen" des Papstes fich gefallen lassen, so würden sie nur einfache Mitifter des Papstes sein. (Lebhafter Beifall.) Namens der unabhän- gigen Religionsbekenntnisse führte Jobson für die Refolutitmen das Wort. Die zweite Resolution wurde von Wjisile begründet. Derselbe machte hauptsächlih geltend, daß in allen Ländern ein gemeinsames Bestreben hervortrete, die Ein- flüsse der jedem Fortschritt feindlihen katholischen Geitt- lichkeit zurückzuweisen. MNewdegate untcrstüßte die Resolution und wies darauf hin, daß der Jesuitismus fast alle politishm Verwickelungen und Kriege unter den Völkern heraufbes{hwörent habe. Als Begründer der dritten Resolution trat Sir Kobert Peel auf. Er gab hauptsählich dem Wunsche Ausdrud, daß Deutschlands Macht so wachsen möge, daß dasselbe im Stande fei, in dem begonnenen Kampfe Sieger zu bleiben unî dem deutschen Stamme, in dem die Tugenden der Girechtigkeë und Nachsicht vereinigt seien, seine bürgerlihe und religiöse Feiheik ficher zu stellen. Alle-Redner hoben hervor, daß es an Giwßbri- tannien sei, den Vergewaltigungen des Ultramontanismuws: den entschiedensten Widerstand entgegen zu seßen.

Aus vielen deutshen Städten waren zustimmende Tele- gramme eingegangen, welche zur Verlesung gebraht wurden.

Die von der Versammlung angenommenen Resolutionen follen Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser mitgetheilt werdén.

28. Januar. (W. T. B.) Das zweite, gestern Abend in Exeter-Hall statigehabte Protestanten-Meeting war gleih- falls außerordentlih zahlreih besucht. Sir John Murray führte gleichfalls den Vorsig. Die beantragten Resolutionen find die nämlichen, die in dem Meeting in St. James-Hall angenmmen waren. Die erste \spriht dem Briefe des Deutschen Kaisers an den Papst Anerkennung aus. Die zweite erklärt, daß „es Reczt und Pflicht der Völker ist, bürgerlihe und religiöse Fr.iheit zu wahren und daß daher die Versammlung dem deuts Volke in seinem Entschlusse, der Politik der ultramontanen Partei in

Resolution.

de r katholischen Kirche standfesten Widerftand zu leisten, tiefes Mit- gefühl entgegenbringe.“ Die dritte Resolution beauftragt den Borfigenden, die vorstehenden Beschlüsse zur Kenntniß des Deutschen Kaisers und des deutschen Volkes zu bringen. Die Begründung der ersten Resolution erfolgte durh Pr. Smith. Derselbe hebt hervor, was der Deutsche Kaiser gethan, sei durchaus recht und billig ; es sei zu wünschen, daß derselbe auf der betretenen Bahn fortschreite. Dieheutigen Meetings würden für Großbritannien von dergrößten Bedeutung werden. Die große Wichtigkeit der Frage, um die es fih handele, werde von den englischen Staatsmännern und Geistlihen noch nicht genügend gewürdigt, Man solle ja niht dem Glauben sich hingeben, daß der Kampf auf nur ein einziges Land beschränkt bleiben könne: Der Amerikaner Dr. Chi- niquy, der 25 Jahre lang katholischer Geistlicher gewesen, erklärt, der Ultramontanismus sei nichts wie eine große Vershwörung gegen die göttlihen Wahrheiten und gegen die Rechte jedes geordneten Landes. Dr. Aldwell aus Portsmouth wendet sich gegen den Erzbischof Manning und hebt hervor, das Papstthum wolle au Englands Geseße mit Füßen treten. Pr. Evans aus Birmingham \spriht dem geeinigten Deutschland seine Glückwünsche aus und feiert dessen Kaiser mit enthusiastishen Worten. Alle Reso- lutionen wurden unter großem Beifall angenommen.

Earl Russell, welher durch Unwohlsein behindert war, den Vorsiß in dem Meeting zu übernehmen , hatte an den Chairman des die Vorbereitungen leitenden Komites, Sir John Murray, folgendes Schreiben gerichtet:

; : „Pembroke Lodge, 19. Januar 1874. Lieber Sir John Murray!

Ich habe Sie bereits von dem Grunde benachrichtigt, der mich behindern wird, dem Meeting vom 27. Januar zu präfidiren. Lassen Sie uns nun erwägen, was der Zweck der Versammlung ist. Erzbischof Manning stellt seine Lehre ganz deutlich und bra U De Kle, (E L ¿stebt für G und am böchstcn (supreme). Was aber heizt am höchsten, Eine Macht, die unabbäugig ist und selbst die Grenzen ihrer eigenen Ge- ritsbarkeit, sowie damit die Grenzen aller “anderen Gerichtsbarfkeiten bestimmen kann, ist ipse facto die oberste. Die Kirche Christi in der Sphäre der Offenbarung, des Glaubens und der Moral ift Alles dieses, oder sie ist Nichts, schlechter als Nichts, eine Täuschung und eine Usurpation, d. h. fie ist Christ oder Antichrist.* Erzbischef Manning fährt fort zu sagen: „wenn sie Antichrist ist, so ist jeder Câsar von Nero bis auf den heutigen Tag gerechtfertigt.

Mit ganz demselben Rechte können wir wenn die römishe Kirhe Christus i, so ist jeder von Rodrigo Borgia bis auf den heutigen Tag gerecht- fertigt und muß als Christus betrachtct werden, Was mich betrifft, so waren viele Jahre meiner par!amentarischen Laufbahn der Förderung religiöser Freiheit gewidmet. Von 1813 bis 1829 habe ich für die Zulassung der Katholiken zu Aemtern und Parlament ge- stimmt. 1828 nahm ih leitenden Antheil an der Befreiung proteftan- tischer Dissenters von den Beschränkungen der Korporation- und Test- Afte. Viele Jahre lang nachher babe ih an der Gleichstellung der Juden gearbeitet, Aber weder für römische Katholiken, noch für protestantische Dissenters, noch für Juden habe ih jemals mehr gefor- dert, als gleiche Freiheiten und gleiche Gesetze. Erzbischof Manning sagt

beßaupten : Papst

_von der Kirche: „ween sie Christus ist, so ist sie die höchste Gewalt

unter Menschen, das heißt:

1) fie hat ihre Bestallung und Autorität von Gott, *

__ 2) ihr ist die Bewahrung des Glaubens und der christlichen Saßung übertragen,

3) fie ist die cinzige Auélegerin jencs Glaubens und jener Saßung ; „sie hat in jener Sphäre die autoritative Gewalt, Geseße zu geben und die Gewissen all r in der Taufe Wiedergeborenen zu binden.“

Das aber ist nicht Freir eit, weder bürgerliche noch religiöse. Das heißt die Knie beugen vor einer despotischin, dem Irrthum unter- worfenen Priestershaft. Dieselben Grundsäße, welche es mir zur Pflicht machten, gleiche Freiheit für römische Katholiken, protestan- riîche Dissevters und Juden zu fordern, zwingen mich, geg n eine Verschwörung zu protestiren, wielhe bezweckt, das Deutsche Kaisereih in, so hofft man, nimm:r abzuschüttelnde Ketten zu s{lagen. Jh eile mit allen Freunden der Freiheit und, wie ich vertraue, mit dem größten Theil der englischen Na- tion, zu erklären, daß ich mich nit länger einen Jünger bürger- licher und religiöser Freiheit nennen könnte, wenn ich nicht meine Sympatht-n mit dem Kaiser von Deutschland in dem edlen Kampfe erflären wollte, in dem er begriff n ist. Wir haben nichts mit den Einzelheiten der deutschen Gesehe zu thun; sie mögen gerecht sein oder hart. Wir können es nur dem deutschen Volke anheimfstellen, darin für fich selbst zu entscheiden, wie wir für uns selbst entschieden haben. P aber können wir erkeanen, daß die Sache des Deutschen

aisers die Sache der Freiheit, und daß die Sache des Papstes die Sache der Sklaverei ift. Ich verbleibe 2.

gez. Russell,“

Frankreich. Versailles, 27. Januar. (W. T. B.) Die Nationalversammlung nahm heute den Geseßentwurf über das Almosenier-Amt in der Armee mit 345 gegen 263 Stimmen an und bestätigte die Wahl von Marcou zum Deputirten für das Aude-Departement. Der Deputirte Gavardie bekämpfte die Bestätigung der Wahl auf das Lebhafteste und gerieth bei dieser Veranlassung in einen heftigen Konflikt mit Gambeita. Die nächste Sizung findet am Donnerstage statt.

Spanien. Madrid, 27. Ianuar. (W. T. B.) In dem heutigen Ministerrathe gelangte ein Manifest, welches an die auswärtigen Mächte erlassen werden soll, zur Annahme. Dasselbe wird wahrscheinlih morgen durch die amtliche Zeitung veröffentlicht werden. R

Den alphonsistishen Klubs soll, wie verlautet, in nächster Zeit gestattet werden, . sih wieder zu konstituiren.

27. Januar. (W. T. B.) Der General Moriones hat seine Operationen gegen die Carlisten im Norden wieder begonnen und Lopez Dominguez den Oberbefehl in der Pro- vinz Valencia übernommen.

Ftalien. Rom, 21. Januar. Aus der vom Finanz- Minister veröffentlichten vergleichenden Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben des Staats\chaßhes in den Jahren 1872 und 1873 ergiebt sich, daß die Einnahmen des Jahres 1873 5 Mill. 799,795 L. weniger betrugen als die des Jahres 1872.

Die Deputirtenkammer hat heute ihre Sißungen wieder aufgenommen und über den Gesehentwurf berathen, wel- cher den obligatorishen Primärunterriht betrifft.

Die zur Berathung und Berichterstattung über den die Papiergeld - Emission betreffenden Geseßzentwurf ernannte Kommission wird am 23. d. M. ihren Bericht vorlegen lassen.

Der „Esercito“ \chreibt, daß die General-Direktoren der großen italienishen Eisenbahn - Gesellschaften heute (19.) im Kriegs-Ministerium zusammentreten werden, um sich mit dem Kriegs-Minister über die Grundlagen des Eisenbahndienstes im Falle einer Mobilmachung der Armee zu verständigen.

Dem „Monitore della ftrade ferrate“ wird aus Rom berihtet, daß der Minister der öffentlihen Arbeiten der Kaznmer aim 20. Januar bei ihrem Wiederzusammeniritt den auf den Verkauf der römischen Eisenbahnen bezüglichen Geseß- entwurf zur Genehmigung vorlegen wird.

Nach einer Mittheilung der Postverwaltung waren Anfang vorigen Iahres in den 8331 italienishen Gemeinden 2618 mit Postämtern verschen und 3322 hatten Landbriefboten.

Von den italienishen Kriegsschiffen soll demnächst wieder eines, der „Vittor Pisani“, eine Reise um die Welt machen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 25. Januar. Am heutigen Tage besuchte Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz des Deutschen Reichs und von Preußen den Vormittagsgottesdienst in der Kirche zu St. Petri, wo der Pastor Dr. Stieren die Predigt hielt. Um 1 Uhr Nachmittags wohnte der Kronprinz, sowie die anteren Hohen Gäste der Parade der Garde-Equipage bei, welche in der Michael-Reitbahn abgehalten wurde. Abends wax der Kronprinz. zum Diner bei dem Bot- schafter des Deutschen Reihs Prinzen Heinrich VU. Reuß.

27. Januar. (W. T. B.) Der „Regierungs-Anzeiger“ veröffentliht den Kaiserlichen Ukas, durch welchen der General- Adjutant von Kotzebue mit der obersten Leitung der Regie- rung Polens in Civil- und Militär-Angelegenheiten beauftragt wird.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 24. Januar. Beide Kammern haben vorgestern die Mitgliedcr zu den ge- wöhnlihen Ausschüssen gewählt, nämlich 20 in den Konstitu- tions-, 24 in den Staats-, 20 in den Bewilligungs-, 16 in den Bank- und 16 in den Gesezaus\shuß nebst der halben Anzahl Suppleanten.

Das Gutachten des Komites, welches eingesezt war, um über den von dem Professor A. E. Nordenskjöld bei dem Reichstage 1872 gemachten Vorschlag, betreffend die Vereini- gung der Stockholmer Fahschulen, des tehnologischen Instituts, der Bergschule, der Kriegs-Hochschule auf -Marienberg, des Forstinstituts, des pharmazeutischen Instituts und des Unter- rihtsfurses für Landmesser, sowie die Umbildung derselben zu einer technischen Hohschule zu berathen, liegt jeßt gedruckt vor und wird allgemein als eine gründlihe und vortrefflihe Arbeit begrüßt. Das Komite billigt den Vorschlag und empfiehlt aufs Wärmste die Annahme desselben, nimmt jed-ch davon die Kriegs- Hochschule aus, geht dabei aber noch einen Schritt weiter als der Vorschlagsteller, indem es die Errichtung einer voll- ständigen polytechnishen Hochschule in Stockholm nah dem Muster der besten ausländishen, z. B. in Zürih, München, Stuttgart und Aachen, vorschlägt, wozu es die jährlihen Kosten auf 122,700 Thaler berechnet, während die jeßt bestehenden erwähnten Fahschulen 110,475 Thaler erfordern. Die Erhöhung dieser Kosten von 12,225 Thaler wird {hon durch die Errichtung einer auf jeden Fall nothwendigen Architektur- Abtheilung in der künftigen Hochschule aufgewogen, aber noh dadurch ermäßigt, daß die Gebäude der Fahshulen, besonders des Forstinstituts, durch die Verlegung nah dem jezigen teh- nologischen Institute zu andern Zwecken disponibel werden.

Das im November wegen einer neuen Organisation des Brandwesens in Stockholm eingesezte Komite hat seine Arbeiten vollendet und seine Vorschläge an die Stadtbevollmäh- tigten abgegeben. -

Zum Inspektor der praktishen Uebungen und der theoretischen Unterrichtsanstalten bei den Stationen der Flotte, mit Ausnahme der Seekriegs\chule, is für das Iahr 1874 der Contre-Admiral C. A. Sundin verordnet und ihm ein Stabs- hef als Adjutant beigegeben. S522

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2 Dänentark. XKopenhagen, 23. Ianuar. Der Geseß- vorshlag über Ermähtigung zur Ausstellung von Staats-Obligationen mit Zinsterminen am 11. März und 11. September, ging in der gestrigen Folkethingssfißung ohne Diskussion einstimmig zur dritten Berathung über.

24. Januar. Nach den von „Dagens Nyheder“ einge- zogenen Erkundigungen fann die Rückkehr des Kronprin- zen von seiner Reise nah St. Petersburg niht vor Mitte des nähsten Monats erwartet werden. Bekanntlich sollen zu Ehren des Prinzen Alfred und seiner jungen Braut in Moskau einige größere Feste und Jagden abgehalten werden, zu welchen der größte Theil der Fürstlichen Personen, welhe der Vermählung in St. Petersburg beiwohnten, sich einfinden werden und an welhen der Kronprinz von Dänemark ebenfalls Theil nehmen wird. Es is Grund zur Annahme vorhanden, daß der Prinz und die Prinzessin von Wales auf der Rückreise nach England einen kurzen Besuch am dänischen Hofe machen werden.

Die von Holstein-Ledreborg m. m. A. angemeldete Interpellation, betreffend die Verantwortlichkeit des Mi- nisteriums für die Veröffentlihung des Königlichen Handf\chrei- bens vom 2. d. Mts., is für Moutag 1 Uhr auf die Tages- ordnung geseßt. Die Frage wegen Gültigkeit des zur Behand- lung des Heergesezes niedergesezten Ausschusses lag zur Er- ledigung in der gestrigen Folkethingsfigung vor. Nach einer kurzen Verhandlung, bei welcher I. A. Hansen im Namen der Majorität des Ausschusses die Berweigerung der Gültigkeits- bestätigung anrieth und der Abg. Gad die von ihm und Mehre- ren dagegen gemachten Einwendungen zu begründen s\uhte, wurde die Verweigerung einstimmig angenommen. Nach Mit- theilung des Präsidenten sollen jeßt 15 Mitglieder zu dem Aus- chuß erwählt werden, welher das Heergesey und die übrigen Gesezvorschläge zu behandeln haben wird.

Der Führer der sozialistishen Partei, Pihl, welcher, um eine Audienz beim Könige zu erzwingen, geseßwidrige Zu- \fammenrottungen von Vöolksmassen vor - dem Schlosse veran- laßte, ist deshalb zu einer achtmonatlichen Zwangsarbeit verur- urtheilt worden. :

%6. Januar. Anläßlih Holstein-Ledreborgs JInter- pellation erklärte heute der Konseilpräsident, das Ministerium sei selbstverständlih für die Veröffentlihung des Königlichen Handschreibens verantwortlich. Holstein - Ledreborg \chlug eine M A Tagesordnung vor, worüber morgen abgestimmt wird. s

Auf der Insel Man ö haben die vielen Stürme in der leßteren Zeit, der „Ribe Anmtst.“ zufolge, große PBerwüstungen angerichtet, indem das Wiesenland- bei den Uebershwemmungen mit Sand übergossen und cine mit großem Aufwande von Geld- mitteln errihtete Eindeihung zerstört worden is, #o daß das Salzwasser jeßt bei jedem geringeren Stürme den größten Theil der Aecker dieser Insel übershweinmt, weshalb die Ernte zum Sommer daselbs wohl sehr schlecht ausfallen wird.

Amerika. Die Legislatur von Louisiana hat die Fun- dirungs-Bill angenommen, indem der Gouverveur erklärte, daß diese Maßregel das einzige Mittel biete, um ‘eine Repudiation der Staats\huld zu vermeiden.

Aus Toronto wird unterm 23. d. M. per Kabel ge- meldet: „Heute fand die Aufstellung der Kandidatea für das Parlament des Dominion statt. Von 37 Kanadiern,, die dur

- währt.

Akklamation gewählt wurden, find 29 Ministerialisten, 7 zehören der Opposition an und einer is unabhängig, .Bon 24 n der ©

Provinz Quebeck Gewählten find 17 Ministerialisten, 6 Oppo- sitions-Kandidaten und einer unabhängig. In der Provinz Ontario wurden 13 Mitglieder gewählt, von denen nur einer der Opposition angehört.“

Asien. Nah dem neuesten wöchentlihen Bulletin des Vicekönigs von Indien bezüglih der Hungersnoth in Ben- galen hat fich die Ausdehnung des erwarteten Nothstandes nicht wesentlich vergrößert. Auf der anderen Seite entwickelt fich die Hülfs-Organisation und die Transport-Vorkehrungen werden besser. Die überseeishe Reiszufuhr läßt nihts zu wünschen übrig. Auh werden Vorkehrungen getroffen zu einer Auswanderung nah Birmah auf Regierungskosten. (Auf Grund des Inhalts dieser Depesche hat der Lordmayor von London eine Subskription für die Nothleidenden Bengalens eröffnet. Eine Cityfirma hat ihm“ bereits eine Cheque über 500 Lftr. übersandt.)

Weiteres über die Hungersnoth wird den „Times“ aus Calcutta unterm 25. d. M. gemeldet: Es hat hier \sechs Stunden lang tüchtig geregnet. Der Vicekönig hat 50,000 Lstr. für die Answanderung nach Birmah angewiesen. Nothstand ist in Theilen von Goruckpore und Busti eingetreten. Die Brutto- einnahmen der Eisenbahnen betrugen im vorigen Jahre 7,100,000 Lstr., d. i. 340,000 Lstr. mehr als in 1872.

Weitere Nachrichten aus Singapore über Sir Andrew Clarke’s Expedition gegen die Piraten von Larut mel- den, daß dieselbe die Pallisaden der feindlichen Chinesen zerftörte, die weiblihen Gefangenen befreite, und dem Piratenwesen an der Seeküste ein Ende seßte.

Neichstags - Angelegenheiten.

Im 10. Königsberger Wahlbezirk (Rastenburg, Gerdauen, Friedland) ist bei der engeren Wahl der Rittergutsbesißer Neu mann- Posegnich mit 6388 Stiminen zuin Reichstagsmitgliede gewählt worden. Sein Gegner Graf Stolberg -Doenlofstadt erhielt 6072 Stimmen.

Im 1. Danziger Wahlbezirk (Elbing - Marienburg) wurde bei der engeren Wahl der Ober-Regierungs-Rath von BrauU- chitsch in Coeslin mit 5927 Stimmen zum Mitgliede des Reichs- tags gewählt. Der Gegenkandidat Rentier Geysmer in Schönwalde er- hielt 5340 Stimmen. i |

Im 8. Potsdamer Wahlbezirk (Westhavelland) fielen bei der engeren Wahl auf den Stadtrath Hausmann zu Branden- burg 7275 Stimmen. Sein Gegner W'lhelm Schweckendick zu Ber- lin erhielt 3914 Stimmen.

Ans pa, 27. Januar. Im 3. Wahlkreise von Mittel- franken (Anspah-Schwabach) ist bei dec engeren Wahl der Gasi- und Landwirth Fockerer von Wilshofen mit 7870 Stimmen zum Reichétagsabgeordneten gewählt worden. Der Gegenkandidat, Staaäts- Bibliothekar Dr. Thomas zu München, erhielt 7044 Stimmen.

Dresden, 27. Januar. Bei der engeren Reichstagswahl für den 14. Wahlkreis des Königreichs Sachsen sind für den Amtshauptmann von Könneritß 740) und für den Gegenkandidaten Fink 6319 Stimmen abgegeben worden.

Hamburg, 27. Januar. Bei den heutigen engeren Wahlen zum Reichstage siegte im 1. hiesigen Wahlkreise Möring mit 10,384 Stimmen gegen Hartmann, welcher 6151 Stimmen echielt. Jur 2. Wahlkreise wurde Schmidt mit 10,278 Stimmen gewählt. Auf Hartmann fielen 8246 Stimmen.

Landtags - Ungelegenheiten,

Berlin, 28. Januar. In der gestrigen Sihung des Hauses der Abgeordneten tadelten die Abgg. Dr. Braun und Dr. Virchow die Polizeiverwaltung Berlins, worauf der Minister des Junern, Graf zu Eulenburg entgegnete:

Der Herr Vorredner ging von einer Behauptung aus, die ih neulich ausgesprochen haben soll, die aber doch nicht fo klang, wie er fie citirt hat. Jch bin weit davon entfernt gewesen, diejenigen Män- gel, welche unserer hiesigen Polizeiverwaltung nohch anhaften, wefentlich atif das Publikum zu schieben und die Poliz-ibehörde von allen Miß- griffen und von mancher Ungeschiklichkeit frei zu sprechen; allein dabei muß ich stehen bleiben, und weiter babe ih auch neulih nichts bc- hauptet, als daß die Thätigkeit der hiesigen Polizeibehörde dadur g1nz besenders ers{chwert wird, daß das Berliner Publikum ein fehr \hwieriges und s{hwieriger ist, als in anderen großen Hauptstädten, namentli beispielweise als in Wien. Jh habe Beamte dort hin- geshickt, die während der Ausstellung fih mit den dortigen polizei- lihen Einrichtungen, namentlich dem Straßenverkehc genau befannt gemacht haben. Sie finden diese Einrichtungen vortrefflich, Vieles davon ift hier nachgemaht worden, wir wollen sehen, ob es sich be- Das Endurtheil kommt aber immer darauf hinaus, daß die wirklich große Ordnung in den dortigen Straßen treß der Engig- feit derselbcn und troß der darin zusammengedrängten Bevölkerung wesentli von der sehr guten Haltung des Publifums abhängt, welches den Weisungen der Polizei willig Folge leistet und fich in Kouflifts- fällen auch auf die Seite derselben stellt. Daß das Publikum be- sonders schwierig ist, das, meine Herren, glaube ib, werden Alle be- zeugen, die Gelegenheit haben, einige Monate sich hier aufzuhalten. Diese Schwierigkeit ist eine Eigenschaft, die nicht allein dem Berliner Publikum anhäng, es ist eine Eigenschaft, die in den jeßigen Zeit- läuften ziemli verbreitet ist; daß aber diese üble Eigen]haft des Publikums namentlich prägnant in großen Städ!en ist, das liegt auf der Hand, und Berlin liefert den Bew:-is davon. Es ist ein zufälliges Zu- sammentr-ffen, daß ih diesen Morgen eine Schilderung bekomme aus den westfälischen Bezirken, welche reich an E\sen- und Kohlenindustrie find. Vielleicht interessirt es die Herren, wenn ich Jhnen einen Passus daraus vorlese. Es gehört nicht unmittelbar zur Sache, ist aber interessant. Die Darstellung rührt nicht von einem Verwaltungs- beamten her, fondern von einem Staatsanwali. Ec sagt:

„Die Zustände in den eigentlichen Fabrik-und Beegwerk3distrikten, also ia den Bzzirfen der Kreisgerihte Essen, Bochum, Dortmund, sowie, doch in weit geringerem Maße, in den Gerichtsvezirken Duisburg, Hagen, Fserlohn sind aber auch ohne jede Uebertreibung bedenklich genug, um die erniteste Aufmerksamkeit zu gebieten. Der unerhörte Aufschwung, den die Metall- und Kohlen - Jadustrie in neuester Zeit genommen, sowie der Bau immer neuer Eisenbahnen verautassen ein maässen- haftes Zysammenströmen junger Arbeiter der verschiedensten Nationg- litäten, welche selbst mit den rohsten Handarbeiten {hon hohe hne erwerben. Mit dieser Zunahme der männlichen Bevölkerung hat die der weiblichen natürlih nicht entfernt Schritt gehalten, so daß es niht nur den Eisenbahnarveitern, sondern auch den Fabrik- arbeitern und Bergleuten meist nicht möglich ist, einen eignen Heerd zu gründen. Eine Folge diefes Mißverhältnisses ist, daß die Arbeiter the:ls auf fasernenartiges Zusammenleben, theils auf die so- genannte Kostwirthshaft angewiesen sind, bei welcher ein ver- heiratheter Urbeiter einer Anzahl unverheiratheter Kost und Wohnung gewährt, und daß sie ihre Erholung auê- \chließlich in den schr zahlreihen Wirthshäusern schen könner, Sie gebieten in der großen Mehrzahl über ein äußerst geringcs Maß von Bildung; es fehlt ihnen dec fittlihe Halt, den das Fay milienleben, die Nothwendigkeit der Sorge um Weib und Kind selbst dem Rohesten bietet; es fehlt bei dem steten Wechsel des Arbeiter-Personals und der bunten Mischung deffelben aus den fremdartigsten Elementen auch jener Gemeingeist, der sih in f- sten zusammengefügten Massen mit heilsamem Erfolge zu bilden pflegt. Dazu kommt, daß die große Mehrzahl der Arbeiter aus Katholiken besteht, d nen jelzt in der ultramontanen Presse, deren Erzeugnisse außerordentlich verbreitet sind, und von der Kanzel täglich einge- prägt wird, daß der Staatsangehöcige dem Geseße uur so lauge G--