garantie des Staats für das Anlagekapital einer Eisenbahn von Halle über Nordhausen nah Heiligenstadt. — Dann seßte das Haus die Berathung des Etats des Ministeriums der geistlihen u. f. w. Angelegenheiten fort. i
Zu Kapitel 123 (Universitäten) lagen folgende Anträge und
Resolutionen der Budgetkommission vor: E
1) Zu Tit. 1, 3 und 5 bei den Universitäten Königsberg, Bres- lau und Kiel die Remuneration der Universitätskuratoren von 800 Thlr. in die Kolonne der fünflig wegfallenden Zahlungen wieder auf-
unehmen, E l Z f 2) Zu Tit. .7. Bei der Uziversität- Marburg eine ordentliche
Professur für National-Oekonomie mit ‘einem Besoldungsbetrage von 1400 Thlr. in die Kolonne der künftig wegfallenden Ausgaben zu
übernehmen. | E : G 3) Demnach die Kolonne „künftig wegfallend“ in folgender Weise
zu beschließen: In Tit. 1 mit 6500 Thlr., in Tit. 3 mit 4150 Thlr., in Tit. 5 mit 3520 Thlr., in Tit. 7 mit 2850 Thlr.
4) Im Uebrigen die Tit. 1-13’ zu bewilligen.
5) Zu Tit, 1. Die Königliche Staatsregierung aufzufordern : bei Vorlegung des nächstjährigen Etats eine vergleichende Nachweisung über die Kur- und BVerpflegungskosten, Löhne und andere Ausgaben bei den flinischen Anstalten der Universitäten vorzulegen.
6) Zu Tit. 6. Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, mit dem Etatésentwurf pro 1875 eine Denkschrift über die Entstehung, den rechtlihen Charakter und den Umfang der Verbindlichkeiten des han- novershen Klosterfonds dem Hause vorzulegen.
7) Zu Tit. 9. Die Königlibe Staatsregierung aufzufordern : durch Verstärkung des Staatszuschusses auf eine Erhöhung der Aus- gaben für die Paulinische Bibliothek an der Akademie zu Mürster im Etat pro 1875 Bedacht zu nehmen.
8) Zu Tit. 1—8. Die Königliche Staatsregierung aufzufordern: im nächsten Etat dafür Sorge zu tragen, daß die Minimalgehzalte der außerordentlichen Professoren angemessen erhöht werden.
Nachdem der Abg. Dr. Virchow als Referent der Budget-Kom- : mission diese Anträge motivirt hatte, spra der Abg. Krecy seine Freude darüber aus, daß endlih auch die Universität Greifs- wald einen Staatszuschuß erhalte; es wäre {hon Vieles ge- leistet, es wäre aber noch mehr zu leisten, denn die meisten In- stitute und besonders die Bibliothek entsprächen durchaus nicht den Bedürfnissen. Es wäre zu wünschen, daß Greifswald in dem künftigen Etat noch höher bedacht würde.
Nachdem die Regierungs-Kommissarien Geheimer Ober- Regierungs-Rath Knerk und Professor Dr. Geppert dem Refe- rent erwidert hatten, daß die Regierung sich damit befasse, Ber- bessecungen überall möglichst eintreten zu lassen, ergriff der Minister der geistlichen u. \. w. Angelegenheiten Dr. Falk das Wort, um speziell für die Universität Marburg die Beibehaltung der Professur für Nationalökonomie zu befürworten; darauf ver- theidigte ih der Finanz-Minister Camphausen dem Referenten gegenüber gegen den Vorwurf der Kärglichkeit. Nachdem der Abg. Miquel darauf aufmerksam gemacht, daß die Universität Göttingen sehr ungünstig gestellt sei, ergriff der Abg. Dr. Lasker das Wort, um dem Finanz - Minister Camphausen zu antworten, daß allerdings gegen früher mehr ge- \hehen sei für Universitäten; daß aber noch viel mehr dafür geschehen müßte, wenn nur einigermaßen den Ansprüchen genügt werden sollte. Nach einigen berihtigenden Bemerkungen des Finanz-Ministers und des Ministers der geistlichen Ange- legenheiten, sowie des Referenten genehmigte das Haus die Titel mit allen Anträgen der Kommission. Bei Schluß des Blattes trat das Haus in die Diskussion eines Antrages des Abg. Virchow:
die Königliche Staats1egierung aufzufordern, in Erwägung zu ziehen, ob nicht die landwirthschaftlichen Anstalten zu Eldena und Poppels- dorf in eine unmittelbare Verbindung mit den Universitäten zu Greifs- wald und Bonn zu bringen und unter die Verwaltung des Ministers der geistlichen, Unterrichtê- und Medizinal - Angelegenheiten zu stellen sind.
— Die Sammlung des Deutschen Gewerbe-Museums hat durch Herrn Wilhelm Borchert eine galvanoplastishe N a ch- bildung von 30 Stücken des Hildesheimer Silberfundes aus der Fabrik von Christofle in Paris zum Geschenk erhalten. Dieselbe umfaßt alle künstlerish ausgestatteten Theile des Schatzes und is mit Zuhülfenahme der von Küsthardt in Hildesheim gemachten Gipsabgüsse auf das Sorgfältigste hergestellt.
Da galvanoplastishe Nachbildungen über Originale noch niht hergestellt sind, so sind die Christofle'shen Arbeiten die besten vorhandenen Kopien dieses berühmten Schatzes, welcher in dieser vollständig zusammengesezten und ergänzten Nachbildung ein besonders glänzendes Gesammtbild gewährt.
Potsdam, 30. Ianuar. Am 27. d. Mts. starb hierselb|t der Königliche Ober-Regierungs-Rath und Dirigent der hiesigen Regierungsabtheilung für indirekte Steuern, Rudolph Gustav Bamihl.
Bayern. München, 28. Ianuar. In der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten beantwortete der Minister-Präsident von Pfrehschner die jüngst vom Abgeordneten Stenglein gestellte Interpellation wegen Fortseßung der Kronacher- bahn nach Norden dahin, daß er nicht fagen fönne, ob und wann das Bahnprojekt zur Ausführung gelange, das betreffende Konsortium habe die zur Kaution hinterlegte Summe zurück- verlangt, und eine geseßliche Verpflihtung zum Bau dieser Bahn auf Staatskosten liege niht vok. Eine Interpellation des Ab- geordneten Julius Knorr: ob noch diesem Landtag ein Geseß- entwurf über die Ausscheidung der Kompetenzen der Polizei- direktion, des Magistrats und der Lokal-Baukommission München vorgelegt werde, wurde vom Minister von Pfeufer bejaht. Der Wasserbau-Etat wurde nah den Anträgen des Aus\hu}es an- genommen, darunter auch die Summe für die Herstellung eines Staatshafens und Ländebaues am Main bei Würzburg. Der Bau-Etat des Finanz-Ministeriums wurde ebenfalls nach den Aus\hußanträgen genehmigt. Heute Abend wird über das pro- visorishe Steuergeseß berathen werden.
— Der Finanzaus\chuß der Kammer der Abge- ordneten hat den gestern von der Staatsregierung wegen der zu erwartenden Vertagung des Landtags eingebrachten Geseÿ- entwurf bezüglih der provisorishen Steuererhebung und vor- läufigen Bestreitung besonderer Ausgaben für 1874 (und zwar bis zum 30. Juni d. I.) hon gestern Abend erledigt. Der Ausschuß beantragte mit nicht wesentlichen Aenderungen die An- nahme des Gesezentwurfs, durh welche auch die Theuerungs- zulagen der Beamten, sowie sie die Kammer bei der bisherigen Budgetdebatte beschlossen hat, bewilligt werden sollen. Sobald über den Gesetzentwurf Gesammtbeshluß beider Kammern erzielt ift, was wohl bis Freitag oder Sonnabend der Fall sein wird, erfolgt die Vertagung der Kammern. Nach Beilage A. zu die- sem Geseßentwurf erhalten als Iahresbeitrag der Theuerungs- zulagen: A. Präsidenten der Appellgerihte, dann Klasse 1. und 11, des Regulativs von 1872, sowie die betreffenden Be- amten gleiher Kategorien 420 fl., B. U]. und 1V. Klasse 350 fl, C. V. bis VIII. Klasse 280 fl., D. IX. und X. Klasse 210 fl. — In der Beilage B, is eingestellt; Für die Pensionisten: für einen
Pensionsbetrag unter und bis inkl. 600 fl. 20 Proz. Zulage, für einen Pensionsbezug von 601 fl. bis 1200 fl. 15 Proz. Zulage und für einen Penfionsbezug von 1201 fl. bis 1800 fl, 10 Proz. — 2) Für die Wittwenpensionen unter und bis 200 fl. 20 Proz. von 201—400 fl. 15 Proz., von 401—600 fl. 10 Proz. Zulage. 3) Für Doppelwaisen : für den Bezug unter und bis 60 fl. 20 Proz., von 61—120 fl. 15 Proz., von 121—180 fl. 10 Proz. 4) Für einfahe Waisen, für den Bezug unter und bis 40 fl. 20 Proz. von 41—80 fl. 15 Proz. und von 81—120 fl. 10 Proz. Zulage.
— 99, Januar. (W. T. B.) Die Zweite Kammer be- {loß Heute, die Staatsregierung zur Forterhebung der Steuern nah den gegenwärtigen Normen bis zum 30. „Juli
d. I. zu autorisiren, au dieselbe zur Erhöhung des Tarifs für»
den Personentransport auf den Staatseisenbahnen und zwar um 154 Prozent in erster, um 15 Prozent in zweiter und um 104 Prozent in dritter Klasse zu ermächtigen.
— 30. Januar. (W. T. B.) Der Kaiser von Dester- reih is heute Morgen zum Besuch seiner Tochter, der Prin-
zessin Leopold | von Bauern im strengsten Inkognito hier_ ein- getroffen. E
7 Sachsen. Leipzig, 28. Ianuar. Der König und die Königin sind heute Nahmittag hier eingetroffen und von der Bevölkerung in enthusiastisher Weise empfangen worden. Schon Tage lang vorher war an einer ebenso sinnigen als geschmack- vollen Aus\chmückung vornehmlih der Straßen und Plägze, welche das Hohe Königspaar bei seinem Einzuge passiren würde, gearbeitet worden. Von der Bürgerschaft war die ausgedehnteste Thätigkeit in der Ausschmückung der Häuser und Geschäftsge- wölbe entfaltet worden. In den Handlungen waren kostbare Stoffe innig zu Tableaux und Gruppen vereinigt und mit den Büsten und bez. Portraits Ihrer Majestäten geschmüdckt. Vor dem Haupt-Portal des Rathhauses war eine Estrade errichtet und mit Flaggen, Wappen, Emblemen, Laubwerk x. reich verziert, während das Rath- haus selbs in vollem Schmucke prangte. Der Königliche Extra- zug lief um 12 Uhr in den Dresdener Bahnhof ein, woselb|t sich zur ehrfurchtsvollen Begrüßung der Majestäten eingefunden hatten: die Herren Kreisdirektor v. Burgsdorff , Stadtkommandant General-Major v. Montbé, Bürgermeister Dr. Koh, Vice-Bürger- meister Dr. Stephani, Polizei-Direktor Dr. Rüder, Stadtverord- neten-Vorsteher Dr. Georgi, der derzeitige Rector magnificus, der Reichs - Oberhandelsgerichts - Präsident, der Bezirksgerichts- Direktor, die Staatsanmwalte, mehrere Räthe der Kreisdirektion und des Bezirksgerihts, der Ober-Postdirektor, die Vorstände der Gerichtsämter 1. und Il, der Universitätsrichter, der Amts- hauptmann, der Direktor der Landeslotterie, die Direktoren der Leipzig-Dresdener Eisenbahn-Compagnie u. \. w. Beim Eintritt in den Empfangssalon rihtete Bürgermeister Dr. Koh an Ihre Majestäten eine Ansprache.
Nach der offiziellen Begrüßung Ihrer Majestäten nahmen
dieselben in dem bereit gehalten-n Hofwagen Plaß, und es er- folgte nunmehr unter Glockengeläute der festlihe Einzug dur die Bahnhofs\traße, Augustusplat, Grimmaische Straße, Markt, Katharinenstraße, Brühl und Goethestraße zum Palais in folgender Ordnung: Dem Zuge voran ritt eine Kavalkade von freiwillig zu diesem Zwecke vereinigten Herren, ihr folgten der zugführende Wagen (Stadtrath Peuer), der Wagen mit dem Bürgermeister und den Stadtverordnetenvorstehern, der Wagen des Kreisdirektors, der Wagen mit den Majestäten (zu beiden Seiten xitten der Königliche Ober - StaUmeister unv der Stadt-Kommandant, General-Major v. Montbé), die Wa- gen des Königlichen Gefolges und die Wagen der Empfangs- Deputationen. Schußmänner ‘und Feuerwehrleute {lossen den Zug, der vom Austritt der Majestäten aus dem Bahnhof bis zum Eintri.t in das Palais von dem Jubel der Bevölkerung begrüßt. : Als die Hohen Herrschaften bis an die große Ehrenpforte am Augustusplaze und am Eingange zur Grimmaischen Straße angelangt waren, traien fünfzig weißgekleidete Jungfrauen, den besten Familien der Stadt angehörend, hervor, deren Führerin den König begrüßte. Auf dem Marktplaße hatten die Studentenschaft, sowie die Militärvereine und die Innun- gen und Korporationen sämmtlich mit den Fahnen sih aufgestellt und Spalier gebildet. Als der Zug vor dem Rath- hause \elbst| angelangt war, traten die Herren Vice-Bürgermeister Ôr. Stephani und Stadtverordneten-Vorsteher Dr. Georgi an den Wagen, von denen der Letz'ere eine Ansprache an die Ma- jestäten hielt. Dann sehte dex Zug seinen Weg fort, überall von Hochrufen begleitet. Vtittags 13 Uhr wurden die Mitglieder des Raths und die Stadtverordneten in pleno empfangen.
Der erste Besuch der Majestäten galt dem typographischen Institut von Giesecke und Devrient. Nah der Rückehr Ihrer Majestäten ins Palais fand daselbst große Tafel statt, zu welcher die Vertreter der Königlihen und städtischen Behörden und die hiesigen Konsuln Einladungen einpfangen hatten. Mit dem Einbruhe der Dunkelheit strahlten die öffent- lihen Pläße, namentlich aber das Rathhaus und der Plaß vor dem Palais im vollsten Lichterglanze. In den späteren Abendfstunden aber brachten die hiesigen Gesang- vereine den Majestäten einen Fackelzug nebst Serenade.
— 99, Januar. Heute Morgen 7t Uhr fuhr der König und der Prinz Georg nebst Gefolge in Hofequipagen zur Iagd auf Ehrenberger Revier. Morgen Vormittag zwischen 9 und 10 Uhr findet auf dem Augustusplaz vor Sr. Majestät große Parade des hier garnisonirenden achten Infanterie-Regi- ments Prinz Iohann Georg Nr. 107 statt.
JIVürttemberg. Der „St.-A. f. W.“ vom 29. Januar theilt die Verlobung des Herzogs Wilhelm Eugen von Württemberg mit der Großfürstin Vera wie folgt mit:
„Stuttgart, 27. Ianuar. Mit Zustimmung der beidersei- tigen Hohen Eltern und mit gnädigster Genehmigung Sr. Ma- jestät des Königs, sowie Sr. “Majestät des Kaisers von Rußland, als der Oberhäupter der beiden Höchsten Häuser, hat heute in den Appartements Ihrer Majestät der Königin die feicrlihe Verlobung Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs Wilhelm Eugen von Württemberg, einzigen Sohnes des zu Carlsruhe in Schlesien wohnenden Herzogs Eugen Erdmann und der Herzogin Mathilde, geb. Prinzessin von Schaumburg- Lippe, mit der Nichte Ihrer Königlichen Majestäten, der Groß- fürstin Vera, Tochter Seiner Kaiserlihen Hoheit des Groß- fürsten Constantin von Rußland und der Großfürstin Alexandra, geb. Prinzessin zu Sachsen-Altenburg, stattgefunden.
Durch die Verbindung des Ihren Majestäten so nahe ver- wandten Herzogs mit der Frau Großfürstin Vera, welche Höchstdieselben stets wie Ihre eigene Tochter betrachtet haben, ist die ganze Königliche Familie mit innigster Freude erfüllt wor- pl g sicher auch im Lande einen frohen Wiederhall fin-
en wird, “ i
Baden. Karlsruhe, 26. Januar. Nach der gestrigen Bürgeraus\hußsizung folgte eine Besprehung über den Städteordnungs-Entwurf. Die Versammlung ersuchte die anwesenden Abgeordneten, in ihrer Fraktionsfizung zu er- flären, daß erstere die Vertagung der Berathung dieses Ge- sezes in den Kammern als nothwendig erachte.
Hessen. Darmstadt, 27. Januar. Auf Befehl des Großherzogs is den Ständen ein Geseßesentwurf wegen Revifion der Bestimmungen über Verseßung der Civil- beamten in den Ruhestand zur verfassungsmäßigen Zu- stimmung vorgelegt worden. Ebenso wurde den Ständen auf Allerhöchsten Befehl ein Geseßesentwurf wegen Aufhebung des Gesehes vom 14. August 1867 über die Aufbringung der Ko sten für das zur Erbauung von Eisenbahnen erforder- liche Gelände vorgelegt.
Meelenburg. Schwerin, 29. Ianuar. Der Erb- großherzog und der Fürst Windischgräß nebst drei Prin- zessinnen Töchtern sind gestern Nachmittag bez: heute früh hierselb| eingetroffen.
Sachsen-Weimar-Eisenach. Weimar, 29. Januar. Der Fürs Reuß j. L. Heinrich XVI. kam heute zu einem Besuch am Großherzoglichen Hofe hier an.
Schwarzburg-Sondershausen. Sondershausen, 96. Januar. (R. u. N. Bk.) In der heutigen öffentlihen Sizung des Landtags wurde der Antrag, betreffend die Einführung von Tagesjagdkarten, bei nochmaliger Abstimmung abgelehnt. Der von der Staatsregierung eingebrahte, aus 17 Paragraphen be- stehende Entwurf eines Gesehes, Abänderungen der Feldpolizei- Ordnung vom 1. April 1854 betreffend, gelangte, nah Bericht- erstattung dur den Abg. Reinhardt, zur Annahme.“ Das Ge- seß hat den Zweck, mancherlei Uebelstände, die sich aus der âl- teren Feldpolizei-Ordnung nach den seit ihrem Erlasse eingetre- tenen wihtigen Veränderungen in den thatsächlihen und redht- lihen Verhältnissen auf dem betreffenden Gebiete herausgestellt haben, zu beseitigen. Ueber den aus 3 Paragraphen bestehenden und von ciner ausführlichen Darlegung der Motive begleiteten Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des §. 7 des Gesezes vom 10. März 1852 über die gerihtlihe Zuschreibung, berichtete Abg. Helmkampf als Vorsizender der Deputation für Rechts- pflege. Dem Antrage der Deputation gemäß wurde dem Geseß- entwurfe die verfassungsmäßige Zustimmung im Ganzen ertheilt.
— 98. Januar. In der heutigen öffentlichen Landtags- uns wurde die Petition mehrerer Gemeinden der Unterherr- schaft, sowie der Antrag des Abgeordneten Weberstedt, beide darauf abzielend, daß den Gemeinden gegen Gewährung der ge- sezlichen Lehrergehalte die Benußung der zu den Schukstellen gehörigen Landgrundstüke u. \. w. überlassen werde, nah län- gerer Debatte abgelehnt. Sodann wurden in geheimer Sißung, deren Protokoll aber zu veröffentlichen beschlossen wurde, der Staatsregierung 25,000 Thlr. zur Aufbesserung der Beamten» gehälter zur Verfügung gestellt. Sodann beshloß der Landtag, die Fürstlihe Regierung zu ersuchen, daß den öffentlichen Die- nern - der Eintritt in die Direktion oder den Verwaltungsrath von Afktiengesellshaften untersagt werde. j
Lübe , 29. Januar. Die „Lüb. Anz.“ publiziren fol- genden vierten Nachtrag zu dem Geseßze vom 29. September 1866, das Unterrichtswesen im Lübeckischen Freistaate betreffend :
Der Senat hat, im Einvernehmeu mit vex Bürgerschuft, bes \ch{lossen und bringt hiermit zur öffentlihen Kunde:
Dem Art. 41 des Ge}eßzes vom 29. September 1866, das Unter- rihtswesen im Lübeckischen Freistaate betreffend, wird die folgende veränderte Fassung gegeben :
Art. 41. Die Schulpflichtigkeit beginnt mit dem auf das voll- endete sechste Lebensjahr nächstfolgenden Ostern, beziehungsweise Mi- chaclis, und erstreckt sich -bis zu dem auf das vollendete vierzchnte Lebensjahr folgenden Ostern, sofern nicht ausnahmsweise eine Dispens sation durch das Ober-Schulkollegium ertheilt ist.
Gegeben Lübecck, in der Versammlung des Senates, am 26. Ja- nuar 1574.
Desterreich-Ungarn. Wien, 28. Ianuar. Der „P. Lloyd“ meldet: Die Kaiserin wird am 2. Februar von Dfen nach Wien und dex Kaiser in den nähsten Tagen von Wien nah München zum Besuch der Erzherzogin Gisela fahren. Für den 4. Februar is ein Hofball in Wien angesagt, auf welchem Beide Majestäten erscheinen; einige Tage später tritt Se. Majestät die Reise nah Petersburg an.
— In der heutigen Sizung des Herrenhauses wurden
die auf der Tagesordnung stehenden Gesezentwürfe den Kom- missionen zugewiesen. Fürst Schwarzenberg begründete seinen Antrag auf Ausdehnung der Steuerfreiheil auf Bauten in klei- nen Städten und auf dem flachen Lande, worauf der Finanz- Minister bemerkte, daß er einen solhen Gesehentwurf bereits im Abgeordnetenhause eingebracht habe; der Antrag ward der Finanz- fommission zugewiesen. Sodann fanden die Kommissions- wahlen ftatt.
— Ueber den am 28. d. M. in Zürich verstorbenen General Freiherrn Ludwigvon Gablenz euinehmen wir der „N. Fr. Pr.“ Folgendes: Der Verstorbene war von Geburt fein Oesterreicher. Seine Wiege stand in Iena, wo er 1814 als der Sohn eines sächsischen General-Lieutenants geboren wurde. Von frühester Jugend auf für das Militär bestimmt, besuchte er anfänglich die Dresdener Ritter-Akademie, trat später in die sächsishe Armee und wurde Lieutenant in dem Garde-Reiter-Regiment. Seinem Drange nach Thaten bot aber die vaterländishe Armee keinen Spielraum, und \o suchte und fand er denn in der Folge Auf- nahme in die österreichishe Armee, der er seit jener Zeit, 1833, ununterbrochen angehöcte und zu deren hervorragendsten Führérn er zählte. An Gablenz Namen knüpfen si viele der stolzesten Erinnerungen des Kaisexlihen Heeres. Seine erste Feuerprobe legte Gablenz in Italien ab, wo er in zahlreihen Schlachten, Gefechten und Scharmügßeln kämpfte und Lorbeeren errang. 1848 wurde Gablenz aus Italien, wo «e es schon bis zum Major gebraht hatte, zurückberufen, und nah der Einnahme von Wien erfolgte seine Ernennung zum Generalstabs-Chef des gegen Ungarn operirenden Schlicfschen Corps. Hier war es, wo Gablenz sich durhch seinen verwegen erkämpften Uebergang über die Theiß und durch den Sieg über die weit überlègenen Insurgenten bei Kaschau die höchste militärishe Auszeibnung, das Theresienkreuz, errang. Von Ungarn wurde Gablenz nah Wien berufen und nun wie- derholt vom damaligen Minister - Präsidenten, dem Fürsten Schwarzenberg, zu diplomatischen Missionen verwendet, welcher Aufgaben er \sich mit Geshick und Takt entledigte. Im Jahre 1854 rüdte er zum General-Major vor und ward Brigadier beim siebenten Armee-Corps. Als solcher nahm er auch an dem Kriege des Iahres 1859 Theil. Die glänzendsten Erfolge und große,
allgemeine Popularität errang Gablenz während des Winterfeld=
zuges gegen Dänemark, den er als Führer des Kommandos über das sechste Armee-Corps mitkämpfte und in welhem Ruhm und Sieg sich an die Fahnen seiner Truppen hefteten. Als nach dem Friedens\{chlusse das Gros der Trúppen mit Gablenz an der Spitze nach Oesterreich zurückehrte und in Wien seinen Einzug hielt, da kam die Beliebtheit, deren sih der Feldherr bei dem Volke erfreute, zum lebhaftesten Ausdrucke. Der Gemeinderath ernannte Gablenz einhellig zum Ehrenbürger von Wien. Zwei Jahre lang weilte hierauf Gablenz als Statthalter in Shhleswig- Holstein und kehrte erst wieder nah Desterreih zurück, um an dem Feldzuge von 1866 theilzunehmen. 1867 trat Gablenz aus Gesundheitsrücksichten in Disponibilität und verblieb in derselben bis zum Jahre 1869, wo er zum Kommandirenden in Ungarn ernannt wurde. Hier ward Gablenz die s{hwierige Aufgabe, ver- mittelad und wohl auch- versöhnend zwischen der Reihsarmee und den neugeschaffenen Honveds zu wirken. Es is dies auch seinem Takte glücklih gelungen. 1871 ging Gablenz mit dem Range eines Generals der Kavallerie in Pension.
Seit 1867 war Gablenz Pair von Oesterreih. In dieser Eigenschaft fand er oft Gelegenheit, seine liberale Gesin- nung und seine Verfassungstreue zu bethätigen. Als fast ftän- diges Mitglied der Delegationen entfaltete Gablenz au in den einzelnen Sektionen eine bemerkenswerthe Thätigkeit und führte mehrere wichtige Referate. Baron Gablenz war seit 1853 mit Helene Baronin von Eskeles vermählt. Dieser Ehe entstammen zwei Söhne im Alter von 16 und 17 Jahren und eine Tochter, die gegenwärtig 14 Jahre zählt. Gablenz domicilirte abwechselnd in Wien und Graz. Die Nachricht von der {weren Erkrankung seines Bruders rief ihn vor wenigen Tagen nah Zürich, wo ihn, der in voller Gesundheit und Rüstigkeit zu stehen \chien, ein unerwarteter Tod ereilte.
Pesth, 28. Ianuar. Im Eisenbahn- und Finanzaus\{hus}se wurde die Ostbahnvorlage mit vierzehn gegen vier Stimmen mit dem Zusaße angenommen, daß die eingeleitete Untersuchung durch Annahme des Gesezentwurfes nicht präjudizirt werde. Die Deak-Partei beschloß mit großer Majorität, für den Geseßz-
entwurf zu stimmen.
— In der Sigzung des Abgeordnetenhauses inter- pellirte Ernst Simonyi die Regierung wegen des Umstandes, daß die Konzessionsurkunde der Ostbahn, ohne der Legis- lative vorgelegt zu werden, der Allerhöchsten Sanktion unter- breitet wurde; ferner, daß die wechselgerihtlihe Protokollirung der Firma dieser Bahn ohne vorhergängige Inartikulirung der Statuten vorgenommen wurde ; er verlangte die Vor- lage der bezüglichen Aktenstücke. Gorove, als Präf:dent des In- compatibilitätsaus\{u}ses , erklärte, daß die Mitglieder desselben zum großen Theile in anderen Ausschüssen in Anspruch genom- men und dadurch an der Erfüllung ihrer Aufgabe verhindert seien; das Haus möge daher entscheiden, ob eine Neuwahl vor- zunehmen sei oder die Berathungen des Aus\husses auf einige Zeit suspendirt werden könnten. Die Majorität entschied \sih für die Vertagung der Ausshußberathungen. Sodann wurde der Bericht des Eisenbahn- und Finanzaus\hu}ses über den Ostbahn- Geseßentwurf vorgelegt und den Sektionen überwiesen; der- felbe gelangt wahrscheinlih übermorgen zur Verhandlung.
— 30. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sizung des Centralaus\husses erklärte der Minister - Präsident v. Szlavy, ec habe bisher die Annahme des Geseßentwurfs über die Ofibahn nicht als eine Kabinetsfrage bezeichnet, um keine Pression auszuüben; es sei ihm aber unmöglich anzunehmen, daß man im Falle der Ablehnung des Entwurfs ihm die Fort- führung des Portefeuilles zumuthen könne. Ein Minister, der im Auslande jein Ansehen verloren habe, dürfe niht länger an der Spitze der Regierung bleiben.
Schweiz. Bern, 29. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sizung des Nationalraths wurde vom Bundespräsidenten Schenk und dem Bundesrathe Céresole betreffs der am 27. d. M. eingebrachten Interpellation konstatirt, daß allerdings Umtriebe stattgefunden hätten, um eine Intervention Seitens einer fremden Macht zu Gunsten“ der Ultramontanen herbeizuführen. Der Bundesrath habe indeß die erforderlichen Maßregeln dagegen getroffen. Zum Verfasser des von dem Journal „Conféderé“ (in Freiburg) veröffentlichten bezüglichen Memoriales habe sich der Nationalrath Vuilleret bekannt, und der Abbé Callet, bei welchem sich ein Packet mit Interventionsgesuchen vorgefunden, sei verhaftet worden. Nationalrath Vuileret erklärte, er habe das gedachte Memorial in seiner Eigenschaft als Advokat ver- faßt. Nach längerer Debatte wurde der Antrag, die Mißbilligung der im Memoriale Vuillerets kundgegebenen Ansihten auszu- sprechen, in der Erwartung zurückgezogen, daß Vuilleret seinen Sig im Nationalrathe aufgeben werde, und der Uebergang zur Tagesordnung beschlossen.
— 390. Januar. (W. T. B.) Der Urheber und die Ver- breiter des in Bar le Duc gedruckten Aktenstücks, welches die Intervention der Mächte zu Gunsten der Ultramontanen anruft, werden, gutem Vernehmen nach, vor die eidgenössischen Assisen verwiesen werden.
Niederlande. Haag, 26. Januar. Eine heute Nahck mittag hier ausgegebene Extrabeilage des „Staats - Courant“ brate folgende Mittheilung: „Nach einem heute Morgen ein- getroffenen vorläufigen Berichte des niederländischen Konsuls in Penang isst der Kraton von Atchin mit sehr geringem Verluste genommen worden.“ Mit Bligesschnelle verbreitete der Telegraph diese Freudenbotshaft nah allen Hauptorten des Reichs, und shon geht von allen Seiten die telegraphische Mel- dung ein, daß die Kunde von diesem, den vollständigen Erfolg des Feldzuges entscheidenden Ereignisse allerorts den größten Jubel hervorrief; überall wurde \ofort auf den Staats- und Gemeindegebäuden die nationale Flagge zur Feier des ruhm- reihen Sieges aufgehißt; besonders enthusfiastisch waren die Freudenbezeugungen in Amsterdam und Rotter- dam; fast undurchdringlihe Menschenmassen wogten dort unter dem Gesange patriotischer Lieder und mit wehenden Fahnen dur die Hauptstraßen, und auf den Marktpläßen wur- den Feuerwerke abgebrannt; von Rotterdam wurde sofort Na- mens der Societät „Amicitia* an den General van Swieten ein Beglückwünschungs-Telegramm abgefertigt. In der Residenz, dem Haag, war der Volksjubel niht minder lebhaft; unablässig war der Zudrang zu dem Hotel des Marine-Ministeriums zur Beglückwünshung des Ministers Fransen van de Putte; im Königlichen Theater stimmten vor dem Beginne der Vorstellung das Orchester und mit ihm das Auditorium den „Wilhelmus“ und die Nationalhymne an, der Enthusiasmus war allgemein.
— Das Wogenblatt „De Nederlandsche Industrieel“ theilt mit, es sei beschlossen worden, ein besonderes Ministerium für Wasserbauwesen und öôffentlihe Arbeiten zu er- rihten; an die Spitze dicses Departements würde Herr Hubrecht, Generalsekretär im Departement des Innern, oder Herr Klerck, Chef der Eisenbahn-Abtheilung im Departement des Jn-
nern, geftellt werden; wie man weiter vernehme, werde das De- partement der Marine mit dem der Kolonien vereinigt werden.
Großbritannien und Jriand. London, 929, Januar. (W. T. B.) Gladstone ist, dem Vernehmen nach, für den Fall, daß die Neuwahlen zum Parlament eine gar zu geringe Majorität für das dermalige Kabinet ergeben sollten, entshlofsen, von seinem Posten zurückzutreten und Lord Granville als Premier in Vorschlag zu bringen. Das Amt als Kanzler der Schaß- fammer würde Gladstone in. diesem Falle eventuell beibehalten.
Frankreich. Paris, 29. Januar. Der Conre-Admiral Martineau du Cheneß, Direktor des Personals der Marine, hat an die See-Präfekten folgendes Rundschreiben erlassen:
Herr Präfekt! Es is mir über politische Umtriebe berichtet werden, deren sich auf mehr oder weniger offene Weije einige Offiziere der verschiedenen Corps der Marine schuldig gemacht haben. Obgleich fich diese Tendenzen nur bei einer geringen Anzahl kundgegeben haben, fo haben dieselben ungeachtet dessen doch eineli ungeseßlichen Charakter, den es zu bezeichnen gut ist, wie es auch nüßlich ist, alle Militär- Beamten üler die Haltung aufzuklären, welche ibnen in solchen Dingen auferlegt ist. Ich fordere Sie deshalb auf, die Offiziere und Beamten der verschiedenen Corps der Marine, welchen Grad sie auch haben mögen, daran zu erinnern, daß die Pflicht eines Offiziers heute mehr denn je die ist, sich einer jeden politishen Kundgebung zu enthalten. Die Kund- gebungen dieser Art sind gefährlich, weil sie ein offenes Vergehen ge- gen die ersten Vorschriften des Geießes vom 27. Juni 1872 konîtitui- ren, welches von dem Wahlrecht alle bei den Corps stehenden Militärs ans\chließzt. Indem fich die unter Fhren Befehl gestellten Offiziere und Beamten dieser Kundgebungen - enthalten, welchen sie dur ihren Grad, ihre Stellung und ihre Intelligenz eine große Wichtigkeit geben würden , werden sie si in einem gesunden Geiste der Disziplin nur nach dem Verbot betreffs des Votums richten, das eine der wesent- lichsten Grundlagen des neuen Militärgeseßes bildet. Ich habe 2c.
Martineau du Cheneß.
— (W. T. B). În der Sihung des Munizipal- rathes wurde heute von 35 Munizipalräthen beantragt, für die Repräsentation der Stadt Paris die Summe von 60,000 Francs auszuseßen. Der Munizipalrath Metivier stellte darauf den Antrag, 40,000 Francs für die Familien und Frauen der deportirien Kommunemitglieder zu bewilligen. Der Präsident des Kollegiums, Vautrain, verlangte die Beseitigung dieses Antrages durch Annahme der Vorfrage; es wurde in- dessen beschlossen, den Antrag zur Abstimmung zu bringen, und derselbe darauf abgelehnt. Vautrain hat aus Veranlassung dieses Vorfalls seine Entlassung eingereicht und der Seine- Präfekt darauf die Schließung der Sißzungen des Munizipal- rathes verfügt. : :
Versailles, 29. Januar. (W. T¿BZJ Die National- versammlung genehmigte ohne jede Debatte die Zusaßkon- vention zu dem Handelsvertrage- mit Großbritannien. Der An- trag Loisels, das Budget pro 1875 dur die Budget-Kom- mission und durch die Kommission für das Heerwesen gleich- gleichzeitig prüfen zu lassen, wurde von Gambetta unterstüßt. Gambetta äußerte, daß die augcenblickliche Lage Europas und
das Interesse Frankreichs geböten, die militärischen Hülfsmittel
mehr zu entwickeln, und meinte, daß es besser sei, etwas zu viel zu thun, um zu haben, was man nothwendigenfalls bedürfe. Der Antrag Loisels wurde abgelehnt.
Spanien. Madrid, 27. Januar. Das Memorandum an die auswärtigen Mächte, über welches der Ministerrath si vorgestern \chlüssig gemacht hat, ist in der amtlihen Zeitung veröffentlicht. Es verbreitet sich über den Ursprung und das Wesen der jevigen Regierung, deren politisches Programm in der Aufrehthaltung der Verfassung von 1869, mit Ausnahme des durch die Thronentsagung des König Amadeo's hinfällig gewordenen Art. 33, und in der Beibehaltung der vorge- fundenen Organisation der Staatsgewalt bestehe. Die von dem früheren Ministerium ausgeübte Diktatur habe die neue Regierung übernommen und werde, einstweilen ohne den Beistand eines Parlaments, le Mittel Zur Beendigung des Bürgerkrieges und zur Unterdrückung der leidenschaftlihen Ausschreitungen der Demagogie aufbieten. Befreit von der. Unruhe, welche die nothwendige Folge der Auf- stände und der Tyrannei bewaffneter Volkshaufen sei, werde der Wille des Volkes alsdann zu gelegener Zeit seinen Ausdruck durch die zu wählenden Cortes finden. Die durch die Abdankung des Königs entstandene Lücke werde die Regierung ausfüllen und in der Verfassung die als unabweisbar erkannten Verbesserungen einführen. Sie stehe fest zu den Prinzipien und Ergebnissen der Revolution von 1868, deren politische Bedeutung in der Amtsführung der vollziehenden Gewalt zu Tage treten werde.
— Nach einem der „Jndépendance belge“ aus San Se- bastian unterm 29. Januar zugegangenen Telegramme is an der Mündung des Nervion, westlich von Bilbao, eine fkleine Flotille angekommen, um Bilbao zu helfen und dem General Moriones zur Unterstüßung zu dienen. Der Fluß selbft ist dur Torpedos unschiffbar gemacht. Die Carlisten hatten die Auswewselung der 900 Gefangenen angeboten, die sie in Por- tugalete gemaht hatten. Dem General Moriones, der sein De- missionsgesuh zurücgezogen hatte, waren beträchtlicher Verstär- kungen zugegangen. Derselbe hatte bereits seine Operationen in Biscaya begonnen, und hieß es, es sei ihm gelungen, über Du- rango vorzudringen und Bilbao zu entseten.
Ftalien. Rom, 24. Januar. Nach einer Turiner De- pesche ist in dem Zustande der Herzogin von Ao fta eine kleine Besserung eingetreten.
— Der Justiz-Minister gedenkt in seinem Entwurfe des neuen Strafgeseßbuchs auch einen Paragraphen aufzunehmen, welcher die Staatsbeamten betrifft, die öffentlihe Urkunden ohne Erlaubniß der Regierung zu Privatzwecken benußen.
— Gestern haben \ich der Finanz-Minister und die zur Prüfung und Berichterstattung über den die Papiergeld- Emission betreffenden Gesezentwurf niedergeseßte Kommission über alle Artikel desselben verständigt. Heute Mittag. ist die Kommission noch einmal zusammengetreten, um dem Berichte des Abgeordneten Mezzanotte ihre förmliche Zustimmung zu geben; demna soll er der Kammer vorgelegt werden.
— Die ösfterreichish- ungarische Regierung hat dem italienischen Kabinet vorgeschlagen, dem zwischen beiden Ländern abgeschlossenen Auslieferungs - Vertrage einen Zusagzartikel beizufügen, wonach gerade wie in Folge der zwischen Italien und der \chwei- zerishen Eidgenossenschaft getroffenen Uebereinkunft, alle Staats- beamten, welche sih Unterschlagungen anvertrauter Gelder haben zu Schulden kommen lassen, ausgeliefert werden müssen.
— Dée italienishe Regierung wird, wie die „Italie“ mit- theilt, niht allein den mit Frankreih, sondern auch die mit andern Ländern abgeschlossenen Handels - Verträge einer Revision unterziehen und mit Berücksichtigung der dur die industrielle Untersuhungs-Kommission ermittelten Angaben einen General-Zolltarif aufstellen, der ihr zur Grundlage für die neuen Vorschläge dient, welche sie den anderen Regierungen zu machen gedenkt.
— In der Deputirten-Kammer wurde heute der die Rekrutirung der 1854 geborenen Militärpflihtigen betreffende Gesezentwurf vertheilt. Die Zahßl der Rekruten erster Kategorie ist wie im vorigen Jahre auf 65,000 Mann festgestellt; die Re- gierung behält fich aber die Bestimmung des Zeitpunktes noch vor, wann fie unter die Fahne berufen werden sollen. Die heutigen Verhandlungen betrafen das Geseß über den obligato- rischen Elementarunterriht; die Kammer genehmigte ohne be- sonders bemerkenswerthe Debatte die vier ersten Artikel.
— Die chemalige päpstlihe Accademia di San Luca ist durch ein Dekret des Ministers des Unterrichts aufgehoben und eine Königliche Kunstakademie nach den Grundsäßen der modernen Anschauung und damit ein neues Lehrerpersonal an ihre Stelle gesezt worden. Professor Filippo Prosperi wurde als Direktor auf drei Iahre am Dienstag feierlich bestellt.
— Dem Quästor in Livorno war son seit einiger Zeit die Anzeige gemacht worden, daß der sozialdemokratische Arbci- terbund daselbst an der Spitze der internationalen Bewegung in Toscana steht. Am 21. Ianuar nahm der Quästor nun im Einver- ständniß mit der Iuftizbehörde gegen dreißig Haussuchungen in dem Lokal des sozialdemokratishen Arbeiterbundes, in dem des Guerazzivereins und bei andexen Gesellschaften, sowie in den Privatwohnungen bekannter Agenten und Vereins - Präfiden- ten 2c. vor. Dabei fielen der Polizei Papiere in die Hände, welche die Verzweigung der Internationalen über ganz Itatien beweisen und die Namen und Zahl ihrer Mitglieder in den ver- \chiedenen Provinzen angeben.
— Wie die „Sentinella“/ von Brescia berichtet, sind auf verschiedenen Punkten der Provinz Brescia Heuschrecken- \chwärme derselben Art niedergefallen, welche im vergangenen Jahre die Felder der Insel Sardinien abgefressen haben.
— Letter Tage is die Legung von zwei neuen Telegra- phenkabeln zwishen Ganzirri und Cannitello in der Meerenge von Messina beendet worden. Das eine hat einen und das andere zwei Telegraphendrähte, so daß nun einschließ- lih der bereits früher gelegten vier Drähte sieben telegraphische Kommunikationen mit der Insel vorhanden sind.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 27. Januar. Heute brachten das diplomatishe Corps, das Gefolge der aus- ländischen Fürstlihen Gäste, die Damen des Hofes und die hof- fähigen Damen den Hohen Neuvermählten ihre Glü ck- wünsche dar, die von Zarskoje-Sselo nah der Residenz ge- fommen waren. Bei der Kaiserin fand zu Ehren der Neu- vermählten ein Frühstück statt, welhem auch die deutschen Kronprinzlihen Herrschaften beiwohnten, nahdem fie vorher eine Schlittenfahrt unternommen hatten. Zum Diner versammelten sich die Hohen Gäste bei Ihrer Majestät. Abends war Rout bei dem großbritannischen Botschafter Lord Loftus.
— Hente Nachmittag um 5 Uhr hatte die Deputation der hiesigen Angehörigen des Deutschen Reihs, unter Führung des Herrn Uthemann, die Ehre, von Ihren_ Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der KronprinzessindesDeutshenReihsundvonPreußen in dem Palais der Eremitage empfangen zu werden in Gegen- wart des deutshen Botschafters Prinzen Heinrich VIl. Reuß, des Botschaftsraths Baron von Alvensleben, des Konsuls Pr. Busch und den übrigen Herren der Botschaft, des Militärbevollmächtig- ten, Generals von Werder, sowie der Damen und Herren des Gefolges, der Gräfin von Brandenburg, der Gräfin von Brühl, des Generals der Kavallerie Hann von Weyhern, des Hof= marschalls Grafen von Eulenburg, des Kammerherrn Grafen von Seckendor} und der Adjutanten Oberst Mischke und Ka- pitän von Liebenau (\. die Adresse unter Berlin).
— Wie die „St. Pet. Ztg.“ erfährt, werden die deutschen Kronprinzlihen Herrschaften von Moskau nicht über Warschau, sondern über S\smolensk, Witebsk und Dünaburg die Rückreise antreten.
— Ueber die Vermählungsfeier am 23. Januar eni- nehmen wir russishen Blättern noch Nachstehendes:
Um halb 12 Uhr seßte sich der Hochze tszug von den inneren Gemächern des Winterpalaftes nah der Kapelle in Bewegung. An demselben nahmen nebst dem Kaiser Alexander und der Kaiserin Maria Alexandrowna folgende Fürstliche Personen Theil : der Großfürst Thronfolger Alexander Alexandrowitsch, die Großfürstin Cesarewna Maria Feodorowna, der Prinz und die Prinzesfin von Wales, der Kronprinz und die Kronprinzessin des Deutschen Reichs und von Preußen und der Kronprinz von Dänemark, der Herzog von Edinburgh und die Großfürstin Maria Alexandrowna, Prinz Arthur von Großbritannien, der regierende Herzog von Sachsea - Coburg- Gotha, die Großfürstin Wladimir Alexandrowirts{h, Alexander Alexandrowitsch, Sergii Alexandrowitsch und Paul Ulexandrowilfh ; der Großfürst Konstantin Nikolajewitsch und die Großfürstin Alexandra Josefowna; die Großfürstin Nikolai Konstantinowitsch, Kon- ftantin Konstantinowitsh, Dimitri Konstantinowitsch und Wiatscheslav Konstantinowitsh; der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch d. Ae. und die Großfürst n Alerandra Petrowna; die Großfürstin Nikolai Niko- lajewitsh d. J. und Peter Nikolajewitsch; die Großfürstin Maria Nikolajewna; die Großfürstin Katharina Michailowza und Se. Groß- herzcgliche Hoheit der Herzog Georg von Mecklenburg-Streliß; die Fürsten Romanowski, Herzoge von Leuchtenberg, Iewgenii, Sergii und Georgii Maximilianowit\ch ; die Prinzessin Maria Marimilianowna von Baden, Prinz Peter von Oldenburg, Prinz Alexander von Hessen, Prinz Alexander und Prinzessin Fewgenja Maximilianowna von Ol- denburg, Prinz Konstantin von Oldenburg. *
Zunächst nah den Kaiserlichen Majestäten {ritten die drei Thron- folgcciunen von Rußland, Großbritannien und dem Deutschen Reiche, ebenfalls in ruffischem Kostüm und mit langen Schleppen. Ihnen folgten ihre drei Gemahle und der Kronprinz von Dänemark, hierauf die übrigen Mitglieder der Kaiserlichen Familie und die fremden Fürst- lichkeiten. Als der Hohe Bräutigam, . in der Uniform eines englishen Obersten, mit der "Kette des Audreas - Ordens und dem Bande des Alexander - Newski - Ordens geschmüdckt, die Kirche betrat, so ergriff Se. Majestät die Hände des Braut- paares und führte sie unter dem Gesange: „Es frohloeckt meine Seele; o Herr“, zu dem erhöhten Plaße, wo der Trauungsaltar errichtet war. Dort stand, sie erwartend, der Beichtvater Jhrer Ma- jestäten, der Oberpriester, Bashanow, mit vier Hofgeistlichen und zwei Oberdiakonen. Die höhere Geistlichkeit nahm den Plaß am Altar ein. Auf dem Haupte trug sie den Brautkranz und die Großfürstliche Krone in Diamanten. Ihr Kleid war von Silberbrokat, mit silbernen Bouquets gestickt, von den Schultern fiel der Großfürstliche Mantel von Purpursammet und Hermelin, getragen von drei Kammerherren und einem Stallmeister. Se. Majestät der Kaiser, die Mitglieder der Kaiserlichen Familie, der deutsche sowie der dänische Kronprinz, der Herzog von Sachsen-Coburg und der Prinz von Hessen trugen 1ussishe Uni- form mit der Andreas-Ordenskectte um den Hals und dem Großkorden des Alcxander-Newski-Ordens; der Prinz von Wales die rothe eng- lische Generalsuniform mit dem Alexander-Newskibande, Prirz Arthur die shwarze Uniform der Riflemen, auf welcher nichts Glänzendes oder Metallishes zu sehen. Sieben Hojenbandritter, kenntlich an den weißen Schleifen auf beiden Schultern, waren bei der Ceremonie anwesend; Se. Majestät der Kaiser, der deutsche Kronprinz, die drei englischen Prinzen, der Herzog von Co- burg-Gotha und Lord Sidney, der Vertreter der Königin Victoria.
Die Krone über der Hohen Braut hielten die Großfürsten Wla- dimir uad Alexeci Alexandrowitsch, über dem Herzog von Edinburgh der Prinz Arthur und der Großfürst Ssergei Alexandrowitsch. Zwei