1874 / 27 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 31 Jan 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Ihre Majestät die Kaiserin-Königin empfing gestern Abend die anwesenden Mitglieder der Königlichen Familie und Fürstlihkeiten, die Botschafter, Generale und Minister, das diplomatishe Corps, die Präsidien der beiden Häuser des Land- tags, viele Personen der hiefigen Gesellschaft und vorzustellende Fremde, sowie die Vertreter der Stadt, der Wissenschaft und Kunst im Königlihen Schlosse, /wo im Elisabethsaale das große Konzert unter Leitung des Ober-Kapellmeisters Taubert und Mitwirkung der Sängerinnen Mallinger und Lehmann, sowie der Kammersänger Bey und Niemann stattfand.

Der Bundesrath, sowie die vereinigten Aus\{hüsse für das Landheer und die Festungen und für Rechnungswesen hielten heute Sizungen. l F

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Bis zum 11. Januar d. I. waren in den Münz- fiätten des Deutschen Reihs in Zwanzigmarkstücken 818,931,260 Mark und in Zehnmarkstücken 198,604,810 Mark ausgeprägt worden. G Eg

Die Ge\sammt-Ausprägung in Reichs - Goldmünzen stellt fich daher bis zum 17. Januar 1874 auf 1,017,935,610 Mark, wovon 818,931,260 Mark in Zwanzigmatkstücken und 199,004,350 Mark in Zehnmarkstücken bestehen. In der Woche vom 11. bis 17. Januar 1874 \ind ferner geprägt in Zehn- marksiücken: in Berlin 350,460 Mark, in Frankfurt a. M. 49,080 Mark. S s Ss

An Reichs - Silbermünzen und zwar in 1 Markstücken waren bis zum 11. Januar d. I. 2,818,934 Mark und in Zwanzigpfennig- ftüden 1,791,047 Mark 20 Pf. ausgeprägt worden. In der Woche vom 11. bis 17. Januar 1874 \ind ferner geprägt in 1 Mark- ftücken: in Berlin 161,286 Mark, in Hannover 99,203 Mark, in Frankfurt 8668 Mark, in München 126,590 Mark, in Stuttgart 45,041 Mark, in Karlsruhe 54,000 Mark, in Zwanzig- pfennigstücken: in Hannover 45,298 Mark, in München 44,958 Mark 20 Pfennige, in Dresden 50,000 Mark, in Stuttgart 31,509 Mark 20 Pfennige, in Karlsruhe 32,000 Mark, in Darmstadt 13,200 Mark, mithin stellt sich die Gesammt - Aus- prägung in Reichs-Silbermünzen auf 4,609,981 Mark 20 Pfen- nige und zwar in 1 Markstücken 2,818,934 Mark und in Zwanzigpfennigstücken 1,791,047 Mark 20 Pfennige.

An Reichs-Nickelmünzen und zwar in Zehn-Pfennigstüken waren bis zum 11. Januar d. I. 421,962 Mark 50 Pf. ausgeprägt worden. In der Woche vom 11. bis zum 17. Januar 1874 find ferner in solhen Stücken geprägt: in Berlin 38,545 Mark 10 Pf., in Frankfurt a. M. 13,225 Mark 50 Pf., in München 7480 Mark 30 Pfennige, in Stuttgart 15,047 Mark 80 Pfen- nige, in Darmstadt 6875 Mcrk, mithin Gesammt - Ausprägung in Reichs - Nickelmünzen 503,136 Mark 20 Pfennige.

An Reichs-Kupfermünzen waren bis zum 11. Januar D. I. und zwar in 2 Pfennigstücken 42,978 Mark 10 Pfennige und in 1 Pfennigstücken 2794 Mark 30 Pf. ausgeprägt worden. In der Woche vom 11. bis 17. Ianuar 1874 sind an 2 Pfen- nigstücken ferner geprägt: in Berlin 2647 Markt 30 Pfennige, in Hannover 3885 Mark 70 Pf., in München 2073 Mark 16 Pfennige, in Stuttgart 1803 Mark 30 Pfennige, in Karlsruhe 9968 Mark 22 Pfennige, in Darmstadt 450 Mark; an 1 Pfen- nigstücken in Berlin 594 Mark 90 Pfennige, in München 517 Mark 66 Pfennige, mithin eine Gesaimmt-Ausprägung in Reichs- Kupfermünzen von 60,712 Mark 64 Pfennige, und zwar in 2 Pfennigstücken 56,805 Mark 78 Pfennige, in 1 Pfennigstücken 3906 Mark 86 Pfennige.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sizung des Hauses der Abgeordneten wandte sih die Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen 2c. Angelegen - heiten zu dem Kapitel 124 (Etats für Gymnasien und Real- schulen) und zwar hauptsächlich zu den beiden Titeln 4 und 5, von denen Titel 4 die Zuschüsse für die pom Staate zu unter- ftüßenden Anstalten, Titel 5 die Position zur Erfüllung des

tormaletats von 1872 bei Gymnasien und Realschulen 1. Ord- nung und zu Besoldungsverbesserungen für tehnische Hülfs- und Elementarlehrer an diesen Anstalten, sowie für die Dirigenten und Lehrer an allen höheren Unterrichts- anstalten enthält. Zu Titel 4 beantragte der Abg. Schröder (Lippstadt), die Staatsregierung aufzufordern: Auf die Durchführung des Normal - Besoldungs- Etats beim Gym- nasium zu Brilon Bedacht zu nehmen und die dazu erforderlihen Mittel bei Aufstellung des Etats pro 1875 da- dur bereit zu stellen, daß der Staatszushuß für Brilon auf mindestens 3500 Thlr. gebracht wird. Zu Titel 5 beantragte die Budgetkommission folgenden Vermerk hinzuzufügen : „Aus diesem Fonds können auch, insoweit sich hier ein Bedürfniß herausstellt, den nicht aus\chließlich vom Staate unterhaltenen höheren Unterrichtsanstalten Behufs Bewilligung von Wohnungsgeldzuschüssen an die Dirigenten und Lehrer, Beihülfen ertheilt werden.“

Der Referent Abg. Miquel bedauerte, daß eine Durhfüh- rung des Normaletats an allen höheren Lehranstalten noh nit möglich gewesen wäre, hoffte aber, daß in diesem Jahre energisch daran gegangen würde. Er empfahl die Annahme. des Vermer- Fes, um die Kommunen zu unterstüßen. Der Abg. von Schor- lemer-Alsstt machte darauf aufmerksam, daß cine von Gymna- fiasten herausgegebene Zeitshrift „Walhalla“ und die zur Redaktion und Unterhaltung derselben gebildete Verbin- dung niht wie seiner Zeit die katholishen Gymnasiasten- Vereine aufgehoben wäre. Hierauf erwiderte der Mi- nister der geistlihen u. #. w. Angelegenheiten Dr. Falk, daß dieselbe wohl nächstens aufhören würde, da eine Bedin- gung, die Mitwirkung der Lehrer, nicht erfüllt zu sein schiene. (S. untex. Landtags-Angelegenheiten.) Der Abg. Kantak be- \chwerte sich über das Fehlen des Religions-Unterrichts an den polnishen Gymnasien, da man au den Privatunterriht unter- sage; besonders vom Marien-Gymnasium in Posen würden alle polnischen Lehrer entfernt. Der Kultus-Minister Dr. Falk er- widerte. (S. unter Landtags-Angelegenheiten.) Hierauf folgte die Diskussion über den Antrag des Abg. Schröder (Lipp- stadt). Nachdem der Antragsteller scinen Antrag begründet und der Geh. Ober-Regierungs-Rath Dahrenstedt Namens der Re- gierung sih gegen denselben erklärt hatte, wurde auf Antrag des Abg. Lasker über denselben zur Tagesordnung übergegangen. Eine längere Diskussion rief der zintrag der Budget-Kom- mission hervor; es betheiligten sih an derselben die Abgg. Lucius, welcher gegen, Bethusy:-Huc, Dr. Eberty und Dr. Tehow, welche dafür sprachen. Nach einer Erklärung des Finanz-Ministers Camphausen (S. unter Landtags-Angelegenheiten) wurde die Po- fition auf dem Vermerke genchmigt. Schluß 44 Uhr.

In der heutigen (40.) Sizung des Hauses der Ab- eordneten, welher am Ministertish die Staats-Minister Camp- Basen, Dr. Falf und Dr. Ahenbah mit mehreren Regierungs-

Kommissarien beiwohnten, wurde zunächst der Nahweis über die Verwendung des Fonds für das Iahr 1872 zu unvorherge- sehenen außerordentlichen Ausgaben für die Staats-Eisenbahnen an die Budgetkommission verwiesen. Dann wurden die Geseßentwürfe, betreffend die anderweite Regelung der Gebühren! für die Voll- streckung der Exekutionen Seitens der Verwaltungsbehörden in den Hohenzollernshen Landen, und betreffend die Ablösung der den geistlihen und Schulinstituten, sowie den frommen und mil- den Stiftungen u. \. w. in der Provinz Hannover zustehenden Realberechtigungen, in dritter Berathung definitiv angenommen.

Hierauf seßte das Haus die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlihen u. . w. Angelegen- heiten fort. Zu Kap. 125 (Elementarunterriht) Tit. 1 und 2 (Schullehrer-Séminarien und Präparanden-Anstalten) lagen die Anträge der Budget-Kommission vor, die Königliche Staals- regierung aufzufordern, a. für das Jahr 1875 1) den Besoldungsfonds der Direktoren und Lehrer der Seminarien (Stellenzahl und Gehaltsfäße); 2) die sonstigen persönlichen Ausgaben; 3) die sählihen Ausgaben nah getrennten Titeln in den Etat aufzunehmen und in entsprehender Weise mit Tit. 2, Präparandenansftalten, zu verfahren; þ. in dem Etat für 1875 die konfessionellen Bezeihnungen der Seminarien und Präparandenan- stalten, soweit sie Staatsanstalten find, sowie in dem bezüglichen Extraordinarium wegfallen zu lassen.“ Der Referent, Abg. Pr. Wehrenpfennig , rechtfertigte diese Anträge; der Abg. Kiesel empfahl die Seminarlehrer der Regierung zur besonderen Be- rücksihtigung bei dem zu erlassenden Unterrichtsgeseß; eine längere Diskussion knüpfte sich besonders an den leßten

Mallinckrodt, Dr. von Gerlach dagegen, die Abgg. Dr. Tehow und Dr. Haenel fich für denselben erklärten. Nach einigen kur- zen Bemerkungen des Referenten wurden die Titel mit den An- trägen der Budget-Kommission angenommen. Die Diskussion wandte sih zunächst dem Extraordinarium zu und zwar den Positionen für den Bau von Seminargebäuden, wozu die Budget-Kommission den Antrag stellt:

„Die Königliche Staatsregierung aufzufordern , die Errichtung von Seminar-Züternaten fortau möglichst zu vermeiden, sowie bei der in Berent, Warendorf, Fulda, Usingen und Mettmaun in Aus- ficht genommenen Einrichtung das Internat nur so weit auszu- E s die örtlihen Verhältnisse cs unbedingt nothwendig machen.

Nachdem der Referent Abg. Dr. Wehrenpfennig diesen An- trag begründet hatte, befürworteten die Abgg. Kiesel und Pr. Techow denselben aus praktishen Gründen. Der Regierungs- fommissar, Geheimer Regierungs-Rath Schneider, machte darauf aufmerksam, - daß die Frage, ob Internat oder Etxternat, von pädagogisher Seite noch nicht entschieden sei; das Externat biete viele Gefahren, die im Inter- nate nicht vorhanden wären. Im Uebrigen sei die Staatsregie- rung mit der Resolution einverstanden. Nachdem noch der Abg. v. Mallinckrodt fih gegen, der Abg. Miquel fih für die Reso- lution erklärt, wurde dieselbe angenommen. e

Bei Schluß des Blattes wandte \sih die Berathung dem Titel Elementarschulen zu.

Die diesjährigen Frühjahrs-Besichtigungen des Garde-Corps werden nach Allerhöchster Bestimmung wie folgt stattfinden: 18. April. Eintreffen des Füsilier-Bataillons 3. Garde-Grenadier-Regiments, Königin Elisabeth, in Spandau. 28. April. Besichtigung des 4. Garde-Regiments zu Fuß und des 3. Garde-Grenadier-Regiments, Königin Elisabeth, bei Spandau, E g Fpril( Besichtigung des Kaiser Alexander Garde- Grenadier-Regiments Nr. 1, ‘des Kaiser Franz Garde-Grenadier- Regiments Nr. 2 und des Garde-Schügten-Bataillons bei Berlin und Abmarsch des Füsilier-Bataillons des 3. Garde-Grenadier- Regiments, Königin Elisabeth, nah Wriezen a/D. 1, Mai. Besichtigung des 2. Garde-Regiments zu Fuß, des Garde-Füsi- lier-Regiments und des Garde-Pionier-Bataillons bei Berlin. 2. Mai. Besichtigung des 1. Garde-Regiments zu Fuß, des Garde-Jäger-Bataillons und der Unteroffiziershule bei Potsdam. 22. Mai. Große Parade bei Berlin. 23. Mai. Große Parade in Potsdam. 27. Mai. Zusammenziehung des Regiments der Gardes du Corps- und des 3. Garde-Ulanen-Regiments bei Potsdam. 9. Juni. Besichtigung der Garde-Feld-Artillerie-Brigade bei Berlin. 10. Juni. Besichtigung des Garde-Kürassier-Regiments und des 1. Garde-Dragoner-Regiments bei Berlin. 11. Juni. Befich- tigung des 2. Garde-Dragoner-Regiments und des 2. Garde- Ulanen-Regiments bei Berlin. 12. Juni. Besichtigung des Garde-Husaren-Regiments und des 1. Garde-Ulanen-Regiments bei Potsdam. 13. Juni. Besichtigung des Regiments der Gardes du Corps und des 3. Garde-Ulanen-Regiments bei Potsdam. 15. Juni» Rückehr der detachirten Escadrons des Regiments der Gardes du Corps und des 3. Garde-Ulanen- Regiments in ihre Garnisonen.

Sämmtliche Besichtigungen bei Berlin beginnen um 9 Uhr Vormittags ; diejenigen in und bei Potsdam, wenn fie im Lust- garten abgehalten werden, um 9/4 Uhr, wenn fie dagegen auf dem Bornstaedter Felde abgehalten werden, um 9/, Uhr Vor- mittags; diejenigen in Spandau um 9?/, Uhr Vormittags.

Die große Parade bei Berlin beginnt um 10 Uhr, die- jenige in Potsdam um 11 Uhr Vormittags, :

Ein aus Berlin den 27. Januar datirter Artikel der

„Rheinischen Zeitung“ beginnt wie folgt: „So lange die Klagen über allzustarke Steigerungen in den Einshäßgungen zur Ein- fommensteuer nur in Berlin laut wurden, konnte man glauben, daß es fih nur um die falshe Beurtheilung der Verhältnisse Seitens einer einzelnen Einshäßungs-Kommission handle, nach- dem aber derartige Klagen in allen Theilen des Landes laut werden, darf man wohl der Mittheilung des „Börs.-Cour.“ Glauben senken, welcher auf das Bestimmteste erfahren hxben will, daß Herr Camphausen ausdrücklih verfügt hat, es solle niht nur auf die bedenklihen wirthschaftlihen Verhältnisse des Vorjahres bei der Schäßung keinérlei Rücksiht genommen wer- den, sondern es solle überall, wo das irgend thunlih, auf eine Erhöhung der Einkommenschäßung hingewirkt werden.“ Diese Mittheilung ift unrichtig; es existirt weder die erwähnte Verfügung, noh is überhaupt Seitens des Finanz - Ministerii eine Aufforderung zur Erhöhung der Einkommenshäßung behufs der Steuerveranlagung erlassen worden.

Der Chef der Admiralität , General-Lieutenant Staats- Minister von Stos\ch ist von seiner Dienstreise nah Kiel hier- her zurückgekehrt.

Der General-Major und Commandeur der'2. Infanterie- Brigade Walther von Monbary ist vou Könic sber, i. Pr. hier angekommen. \

Am 26. d. M. verstarb zu Büteburg im 88. Lebens-

Antrag, indem \ich die Abgg. Dr. Windthorst (Meppen), von f

Hor fl. Derselbe war geboren zu Charlottenburg am 19. Oktober 1786 und der Lezte von den Offizieren, welche, bei Schills Husaren-Regiment ftehend, mit diesem den Zug nach Stralsund ausführten. Dec Verstorbene hat in den Feldzügen von 1806/7, 1812, 1813—15 mit Auszeihnung gefohten und kommandirte viele Jahre hindurch das 3., jetzt Zietensche Husaren-Regiment und zuleßt die Kavallerie-Brigade in Trier. Nach einer länger als 50jährigen Dienstzeit, einshließlih der Feldzugsjahre, erbat er im Jahre 1848 den Abschicd. G

i Der Major im s{weizerishen Generalstabe von Mechel ist zur Besichtigung der Militärschieß\hule in Spandau komman- dirt worden und zur Abstattung persönlicher Meldungen hier eingetroffen.

Auf Allerhöchsten Befehl haben die Hofprediger Hey m und D. Kögel unter dem Titel: „Zum Gedächtniß an die verewigteKöniginElisabeth Luise von Preußen“, eine kleine Schrift herausgegeben, welche soeben im Verlage von Th. Chr. Fr. Gnslin hierselbst erschienen ist. Dieselbe enthält einen Vorbericht des Hofpredigers Heym über den Heimgang der Hochseligen Königin, welcher einer zum Gedächtniß Ihrer Majestät am 4. Adventssonntage in der Friedenskirhe gehaltenen Predigt entnommen is; die Beschreibung des Leichenbegängnisses Ihrer Hochseligen Majestät in der Friedenskirhe am 20. Dezember 1873, die Bekanntmachung durch den Ober-Kirchenrath über das Ableben der verwittweten Königin und die Predigt des D. Kögel am 4. Adventsf\onntage, 21. Dezember, gehalten im Dom hierselbft.

Bayern. München, 29. Januar. Die Kammer der Abgeordneten beschloß heute bezüglih der provisorischen Steuererhebung: Die Regierung is ermähtigt, die Steuern nah den bestehenden Normen bis zum 30. Juni 1874 zu erhe- len; den Tarif für den Personentransport auf den Staats- eisenbahnen in erster Klasse um 15x, in zweiter um 15, in drit- ter um 10! Prozent zu erhöhen; den Beamten, dem Bediensteten- Personal, den Pensionirten, den Beamtenwittwen und den Waisen für die erfie Hälfte des Iahres 1874 eine ' provisorishe Zulage von 20, 15 und 10 Prozent zu gewähren; endlih für Erhöhung der Bezüge der Gensd'armen ein Mehr von 119,036 Gulden zu verwenden.

Die Kammer der Reichsräthe stimmte dem Geseßent-

den Beschlüssen der Kammer der Abgeordneten bei und nahm den Geseßentwurf über die provisorishe Steuererhebung an. Mor- gen Vormittags 10 Uhr wird in der Kammer der Abgeordneten und in der Kammer der Reichsräthe das Allerhöchste Dekret der Vertagung des Landtags publizirt werden. Im Verlauf des heutigen Nachmittags hat fih bereits ein Theil der Abgeordneten in die Heimath- begeben. :

Der telegraphischen Mittheilung bezüglih des in Anre- gung gebrachten Projekts des Ankaufs der bayerischen Oftbahnen durch den Staat fügt die „Allg. Ztg.“ vorerst noch bei, daß Herr von Schlôör einen diesfälligen Initiativ-Gesehz- entwurf, aus fünf Artikeln, mit eingehenden Motiven, beftehent der Kammer der Abgeordneten in Vorlage bringen wird. Es \oll dies aus dem Grunde noch vor der Vertagung des Land- tags geschehen, damit in der Zeit bis zum Wiederzusammentritt der Kammer der allerdings fehr wihtige Gegenstand in einge- hender Weise und nah allen Seiten hin erörtert werden kann.

30. Januar. (W. T. B.) In Der heutigen Sißung Zweiten Kammer gelangte die Interpellation des Abg. Ap-e pellationsgerihts-Raths Dürrshmidt zur Berathung, ob dem Kultus-Minister die aus Anlaß der Reichstagswahl von den fatholishen Bischöfen und zwar mit Umgehung des Königlichen Placet erlassenen Hirtenbriefe bekannt seien und oh hierin nicht eine geseßwidrige, die Verfassung verleßende Handlung ge- funden werden müsse, gegen welhe Seitens der Staatsregierung einzuschreiten sei Kultus-Minister v. Luß verneinte die ge- stellten Fragen und erklärte, daß keine geseßlichen Bestimmungen vorhanden seien, aus denen die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Bischöfe, \#o erhebliche Bedenken dasselbe auch zu erregen geeignet sei, - nahgewiesen werden könne. Eine Verpflihtung zur Einholung des Königlichen Placet bestehe nur für die Ver- öf ntlihung von kirchlichen Gesezen, Verordnungen und Anord- nungen. In den gedachten Hirtenbriefen könnten aber nur religióse Mahnungen gefunden w-rden, wie dergleichen häufig von der Kanzel erlassen würden und niemals beanstandet wor-= den seien.

Am Schlusse der Sißung verlas der Minister des Innern, v. Pfeufer, ein Königliches Dekret, durch welches die Kammer bis auf Weiteres vertagt wurde.

Sachsen. Dresden, 30. Januar. In der heutigen Sizung der Zweiten Kammer interpellirte der Abg. Philipp die Regierung wegen der für die in der Nähe von Militär- Schießstätten belegenen Gemeinden bei der jegigen Tragweite der Feuerwassen fich ergebenden Ucbelstände und Gefahren. Der Kriegs-Minister General der Kavallerie von Fabrice antwortete, daß das Kriegs-Ministerium das Vorhandensein dieser Uebel- stände vollständig anerkenne und ihrer Beseitigung fortgeseßt feine Aufmerksamkeit widme. Nach kurzer Diskussion bewilligte die Kammer 250,000 Thlr. zur Vollendung des Rothschönberger Stollns. Die Forderung von 900,000 Thlr. zum Neubaue eines Zeughauses, fowie einer Kaserne für cin Infanterie-:Bataillon und von 1,520,000 Thlr. zur Errichtung anderer neuer Militär- Etablissements in Dresden, mit welcher im Laufe der jezigen Finanzpcriode vorgegangen werden soll, wurde nah längerer Debatte mit 65 gegen 7 Stimmen bewilligt.

Leipzig, 30. Januar. Bevor der König sich gestern Morgen in Begleitung des Prinzen Georg nebst Gefolge zur Jagd auf Ehrenberger Revier begab, statteten die Hohen Herr- schaften dem Neuen Schüßenhause einen kurzen Besuh ab. Das Ergebniß der Jagd waren 20 Rehe, 60 Hasen und einige Ka- ninhen. Die Königin besuchte mit Gefolge Nachmittags mehrere Geschäfte und kehrte in der vierten Nachmittagsstunde ia das Königliche Palais zurück. Am Abend beehrten beide Majestäten und der Prinz Georg das Gewandhauskonzert mit ihrem Be- suche, nah dessen Beendigung Prinz Georg 9 Uhr 50 Minuten nah Dresden sich zurückbegab. Bei ihrem Erscheinen wurden die Majestäten von dem Publikum durch Erhebung und Hoch- rufe ehrfurchtsvoll begrüßt. Die den Beginn des Konzerts bil- dende Sachsenhymne hörte das Publikum gleichfalls ftehend an, wie dasselbe fih auch von den Sigen erhob, als Ihre Majestä- ten nah Beendigung des Konzerts den Saal verließen.

Heute Vormittag 8 Uhr hörte die Königin in der katholi- \hen Kirche die Messe, während fh Se. Majestät um 9 Uhr zu Fuße nah dem Augustusplaßze begab , woselbst das hier gar- nisonirende 8. Infanterie - Regiment Prinz Johann Georg Nr. 107 in Parade ‘aufgeftellt war. Nah Beendigung der Revue

jahre der General-Lieutenant a. D. Freiherr Wilhelm von der

attete der König dem ftädtishen Museum einen Besuch ab.“ je 10 Uhr ab gedenkt Ihre Majestät mehrere Wohlthätigkeits=

1874;

wurfe über Vervollständigung der Eisenbahneinrihtungen nah .

{chuldigen Rücksichten entsprechen würde,

Instituten in Augenschein zu nehmen. Nachmittags 4 Uhr fin- det durh Se. Majestät Empfang des Kaiserlihen Reichs-Ober- Handelsgerichts in corpore statt. Um 5 Uhr findet große Kö- niglihe Tafel im Palais statt. Am Abend wird zu Ehren Ihrer Königlihen Majestäten eine allgemeine Illumination der öffentlihen und Pri atgebäude und Seiten der gesammten Stu- dentenshaft cin großer Fackelzug veranstaltet.

Württemberg. Stuttgart, 29. Januar. Das Regie- cungsblatt Nr. Z promulgirt folgende Gesegze: Geseß, betreffend die Abänderung des Geseßes vom 8. September 1852 über die Abgabe von Hunden, vom 16. Januar 1874; Gesetz, betreffend die Verwendung des württembergischen Antheils an dem Ueber- chusse aus der Verwaltung der französischen Landesposten durch die deutsche Reichspostverwaltung während des Krieges gegen Frankreih in den Jahren 1870 und 1871, vom 16. Januar Geseß, betreffend die Erhöhung der Gehalte der Lehrer an Volks\hulen, vom 22. Januar 1874.

30. Januar. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat eute mit 80 gegen 2 Stimmen 7# Millionen Gulden zur An- faffung neuer Gewehre und Geschüße bewilligt.

Hessen. Darmstadt, 29. Januar. In der heutigen Sißung der Zweiten Kammer der Stände wurde bei Be- bis der Anträge der Abgeordneten Möllinger und Ullmann wegen Aufhebung des Gesehes vom 14. August 1867, die Auf- bringung der Kosten für das zur Erbauung von Eisenbahnen erforderliche Gelände betreffend, u. #. w. die Regierung ersucht, auf gütliche Festseßung der den Gemeinden auf Grund des er- wähnten Geseßes zur Last fallenden Beträge möglichst hinzu- wirken und demnächst die Frage, ob die den Gemeinden zur Last fallenden Beträge definitiv auf die Staatskasse übernommen werden follen, in Erwägung zu ziehen und eventuell den Stän- den desfallsige Vorlage zu machen. Weiter wurde gelegentlich der Berathung einer Petition versch edener Lehrer an die Regie- rung das Ersuchen gerichtet, die Pensionen der vom 1. Januar bis 26. November 1872 pensionirten Lehrer nah Maßgabe der hiernähst nahträglih erfolgten Besoldungserhöhungen zu nor- miren. Endlich erhielt der Geseßentwurf über die Abgrenzung der Landtags-Wahlbezirke die Genehmigung der Kammer.

Nach Erledigung der Tagesordnung nahm anläßlich einer Anfrage des Abg. Sthröder, bezüglih der Nahtrag:etats und Besoldungserhöhungen, der Abg. Meß das Wort, um als Vor- fitender des Finanzausschu}ses zu konstatiren, daß die Gerüchte über Konflikte zwischen dem Finanzaus\{huß und der Regierung, ein Ultimatum des Ersteren u. \. w total unrichtig seien, fowie um weiter zu bemerken, daß Seitens des Finanzaus\chusses diese Frage als die dringlihste betrachtet werde. Der Abg. Meh fam zum Shluß noch auf die Opportunität provisorischer Be- willigungen zu \prechen- und erklärte, daß der Finanzaus\{uß, falls die Regierung jezt \{chon definitive Entschließungen zu fassen in der Lage sei, solhen niht widerstrebe. Der Minister- Präsident Hofmann glaubt, daß die allerneuesten Dispofitionen der Regierung wohl die Frage der provisorischen Verwilligung einer Lösung entgegenführen würden,

30. Januar. (W. T. B.) Die Zweite -Kammer macht das Zustandekommen des Volks\chulgesehes von derGe- nehmigung des Beschlusses abhängig, daß in den öffentlichen Sqhulen Mitglieder eines geistlihen Ordens als Lehrer nicht zu- gelassen werden dürfen.

Mecklenburg. Schwerin, 30. Januar. Die Er- öffnung des außerordentlichen Landtags wird am Sonntag, den ‘1. Februar, Mittags 1 Uhr, im Großherzoglichen Schlosse stattfinden. Zu Landtags-Kommissarien sind der Mi- nister-Präsident Graf v. Bassewiß und der Staatsrath Weyell bestimmt. Man wird nicht in Uniforin erscheinen. Auch bei den in den nächsten Wochen bevorstehenden Hoffesten wird nach der früher bereits veröffentlichten Bekanntmahung des Hof- marscallamtes vom 17. d. M. keine Gala angelegt werden.

Rostock, 29. Ianuar. Auf die von hier abgegangene Petition, betr. Veröffentlihung der für den außerordentlichen Landtag bestimmten Vorlage und Gestattung von Versamm- lungen zur Besprehung der Verfassungs-Angelegenheit im ganzen Lande, event. einer Versammlung in Rosto, ift, wie die „R. Ztg.“ mittheilt, das nachstehende Reskript ein- gegangen : / ;

„Auf das Gesuch vom 19./20. d. M. wird Jhnen hiermit er- widert, daß, da die von Ibnen gewünschte schleunige amtliche Veröf- fentlihung der dem bevorstehenden außerordentlichen Landtage zu machenden Vorlagen weder der im hiesigen Lande wie in anderen Staaten bestehenden Ueblichkeit now den der Landtags-Verfammlung Ihrem desfallsigen Antrage uicht zu willfahren ist und damit Shre weiteren Anträge gegenstands- los geworden find.

Sbwerin, den 26. Januar 1874.

Großherzeglich mecklenburgisches Ministerium des Junern. Wetell.“

Braunschweig. Braunschweig, 30. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sizung der Landesversamm- lung fand die erste Lesung des Gesezentwurfs, über die künftigen Wahlen zum Landtage att... Déêr 8. 2 desselben, welher die Einführung der direkten ge- heimen Abstimmung vorschlägt, wurde bei namentliher Ab- stimmung mit 29 gegen 16 Stimmen abgelehnt. lehnung stimmten sämmiliche ländlihe Abgeordnete.

Anhalt. Dessau, 28. Ianuar. Von der Kommission für innere Verwaltungssachen war der dringende Antrag gestellt worden, der Hohe Landtag wolle die Herzogliche Staatsregie- rung ersuchen, von dem Entwurfe einer neuen Gemeinde - Ord- nung für jezt abzusehen und der Landtag selbs wolle über den bercits vorliegenden Entwurf in pleno nicht' weiter berathen. Staats-Minister Dr. v. Larish beleuchtete in der heutigen De- batte den Standpunkt, welhen die Staatsregierung dieser Ge- meinde-Ordnungsfrage gegenüber cingenommen und zeigte, in- wiefern dieselbe ein dringendes Bedürfniß sei und die Grund- lage bilde, an die sich andere Gesege das Schullasten-, Pa- rohial-, Unterstüßungswohnsiß, Wegegeseß 2c. organisch an- fügen könnten. Daß nicht gleih damals (im ersten Stadium) eine Vereinbarung stattgefunden habe, sei bedauerlich. Uebrigens sei man über die Verhältnisse ers nach den Reichstags wahlen recht klar geworden. Die Stadtgemeinden seien dadurch in eine gewisse Aufregung verseßt. Das Klafsensystem erscheine an \sch als das rihtige. Die Staatsregierung könne in Bezug - anf diese Sache kein Vorwurf treffen, die- selbe sei au jeßt noh bereit, auf ein Provisorium einzugehen. Ein Interim sei bedenklich. Da ferner die Steuereinshäßung sehr niedrig sei, so würde der Census von 300 Thlrn. viele von der Wahl ausshließen, die bei Durchführung des Klassen- \ystems berechtigt blieben. Man müsse au die Regelung dieser Verhältnisse im Auslande, z. B. in Frankreih mit seinem Census, im Auge behalten. Der Landtag beschloß, von der

Für die Ab-

weiteren- Erwägung des vorgelegten Entwurfs der Gemeinde- ordnung ganz abzustehen. Darauf folgte der Bericht der Kommission für Finanzangelegenheiten über den Abschluß der Herzoglichen Staats\{hulden-Verwaltungskasse für das Jahr 1872. Die Aktiva stellen sich auf 2,879,087 Thlr., die Passiva auf 5,213,880 Thlr. Der Antrag, daß der hohe Landtag Decharge ertheilen wolle, ward einstimmig angenommen und darauf durch Sólußabstimmung der die Abänderung des 8. 26 der Land- \haftsordnung betreffende Geseßentwur\ genehmigt. Ueber den die Erbschaftssteuer betreffenden Gesetzentwurf berichtet darauf der Abg. Pötsch. Die Vorlage, die fich mit Ausnahme von zwei Paragraphen an das preußif he Erbschaftssteuergeseß anf chließt, hat in der Kommission aflgemeinen Beifall gefunden. Der Ent- wurf wurde genehmigt und danach au der Antrag der Kom- mission, daß das Gesey erst mit dem 1. März 1874 in Kraft treten solle.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 29. Januar. Das Haus der Abgeordneten wählte heut die Mitglieder der Staats- - \{chulden-Kontrolkommisffion sowie des konfessionellen Aus\chu}ses. Harrant interpellirte betreffs der Verzögerung der Wahl an Stelle Iungbauers, dessen Wahl annulirt worden. Steudel be- antragte die Einsezung eines Aus\chu}ses zur Untersuchung der Gründe der Kohlentheuerung. Die Regierungsvorlage über die Aktiengesellschaften wurde cinem aus dem ganzen Hause zu wählenden Achtzehneraus\chusse zugewiesen. Die lehthin ge- wählten Ausschüsse konstituirten fich.

Pesth, 29. Januar. Der Gesetzentwurf über die {hwebende Schuld der Ostbahn wurde von 8 Sektionen angenommen und in der neunten mit Einer Stimme Majorität abgelehnt. Referent des Centralaus\hus}ses is Karl Detvòs.

In der Abendsizung des Abgeordnetenhauses wurde von der Rechtskommission der Notariatsgeseßentwurf und vom Centralaus\hus}se der Bericht über den Ostbahn-Gesezentwurf vorgelegt ; leßterer wurde auf die Tagesordnung der Sonnabend abzuhaltenden Sizung geseßt.

Großbritannien und Jriand. London, 28. Januar. Auf Osborne fand gestern unter dem Vorsih der Königin wieder eine Kabinetsberathung statt, bei welcher der Lord Präsident des Geheimen Raths, der Premier Gladstone und der Garl von Kimberley zugegen waren. Nach der Berathung ertheilte Ihre Majestät Hrn. Richard Amphlett, dem neuen Ritter des Schahkammergerichtshofes, die Ritterwürde.

Der französische Botschafter am hiesigen Hofe, Herzog de la Rohefoucauld-Bisaccia, is von Paris auf seinen Posten hierher zurügekehrt. Graf Xavier de Florian, Attach® bei der französishen Botschaft in Berlin, ist zur Botschaft in London verseht worden.

Frankreich. Paris, 28. Januar. Der gestrige Ball im Elysée war eben so glänzend und noch stärker besucht, als der erste; es waren dazu 8500 Einladungen erlassen worden. Das Fest ging erst um 6 Uhr Morgens zu Ende.

Der Oberste Unterrichtsrath hat in seinex lezten Sizung beschlossen, daß das Examen für das Baccalaureat ès lettres von jeßt ab in zwei Stationen abgelegt werden soll. Bisher machte das Examen den Schluß der gesammten Schul- bildung; jeßt soll es in zwei Theile zerlegt werden; der erste umfaßt die Ünterrichtsgegenstände bis zur „Rhetorigue“— (Unter- prima), der zweite, mit mindestens éineë Zwischenzeit von einen Jahre, repetirt und nimmt den Spezial - Unterricht des leßten Jahres, der Philosophie (Dberprima) in seinen Bereich auf.

Versailles, 80. Januar. (W. T. B.) Die National- versammlung begann heute die Genecraldebatte über die neuen Steuern. Der Finanz-Minister Magne hob hervor, die Reaierung und die mit der Berathung der Vorlage betraute Kommission \cien über die Nothwendigkeit dreier Punkte einig, einmal darüber, daß das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben sithergestellt werde, sodann darüber, daß die dauern- den und wiederkehrenden Ausgaben aus dauernden und leiht zu ersezenden Hülfsquellen beschafft würden, endlich darüber, daß di? fünftlihen Hülfsmittel, namentlich weitere Anleihen, fern zu halten seien. Er könne es nur bedauern, daß die Kommission auf die Abgaben, die er vorgeschlagen, nicht cingegangen sei. Léon Say empfahl wiederholt seinen Antrag, daß die Jahres- quote der Schuldamortisation bei der Bank herabgeseßt werde. Die Berathung wird morgen fortgeseßt. p

Spanien. (W. T. B.) Nach einer aus Estella vom 25. d. M. datirten Nachricht über Bayonne hat sich das zwischen Bilbao und Portugalete gelegene Fort Erichame mit seiner aus 115 Mann bestehenden Besaßung und der gesammten Aus- rüstung an die Carlisten ergeben.

Italien. Rom, 30. Ianuar. (W. T. B.) Gestern fand ein größerer Empfang beim deutschen Gesandten von Keudell ftatt, dem viele der höheren Staatswürdenträger, sowie cine große Anzahl von Deputirten von allen Parteien, auch der französishe Geschäftsträger beiwohnten.

* _— Der bayerische Gesandte bei der päpsilihen Kurie, v. Paumgarten, ist hier eingetroffen.

Die Deputirtenkammer seht ihre Berathungen über den obligatorischen Volks\hulunterricht fort.

Türkei. Wie der „Times“ aus Konstantinopel gemeldet wird, hat die Pforte in Erwiderung auf eine dem Bey von Tunis gemachte förmliche Vorstellung die befriedigende Zusiche- rung- erhalten, daß die tunefische Regierung den Sultan stets als ihren Kalifen und Suzerain ansehen werde.

Kragujevacz, 29. Januar. Der Untersuchungs- aus\chuß- übergab der Skuptschina scinen Bericht, der auf gerihtlihe Verfolgung des gewesenen Kriegs - Ministers Beli Maxkovits lautet. Die Skuptshina lud laut dem bestehen- den Geseße den Angeklag{en ein, die Akten des Aus\chu}ses zu studiren und sich auf die Vertheidigung vorzubereiten. Bis dahin wurde die Skuptschina vertagt.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 28. Januar. Heute Morgen besichtigte der Kronprinz des Deutschen Reiches das Festungsarsenal. Hierauf besuchten die Kron- prinzlihen Herrschaften die Isaaks- und Kasansche Kathedrale und einige Magazine. : /

Ueber die Festlichkeiten amKaiserlihen Hofe meldet die „St. Pet. Ztg.“ noch Folgendes: |

Gegen halb acht Uhr kleidete sich die Stadt in den hellsten Glanz brillanter Jlluminatickn und besonders war der Weg vom Winterpalais bis zum großen: Theater und dessen Umgebung in „glänzendster Weise erleuchtet, um die Neuvermählten, das Hohe Kaiserhaus und feine Gäste auf der Fahrt zur Gala-Vorftellung zu ehren. Die große Morskaja und die Nikolskaja hatten ein ganz besonders festliches Ge-

wand angelegt. Gegen halb neun Uhr fuhren die prächtigen Gala-

wagen der Hohen Mitglieder des Kaiserlichen Hauses und seiner Fürft- lichen Gäste bei dem Theater vor, die Equipagen der Neuvermählten mit den bekannten herrlihen Graushimmeln bespannt.

Im Theater hatten si indessen alle Räume mit dem glänzendften in Uniformen, Sternen, reichen Toilctten und Edelsteinen strahlenden Publifum. gefüllt. Als die Hohen Herrschaften in die große Kaifser- liche Mittelloge eingetreten waren, intonirte das Orchester z'1erst die englisch-preußische Nationalhymne und darauf Dle rusfische, während Se. Majestät der Kaiser die Hohen Neuvermählten auf ihre Pläße in die Mitte der ersten Reihe führte. Nah: Beendigung der Hymne begrüßte das Publikum die Hohen Neuvermählten, das Kaiserliche Haus und seine Gäste mit donnerndem Hurrah.

Sn der ersten Reihe der großen Kaiserlichen Loge hatten Plaß genommen: In der Mitte die Hohen Neuvermählten. Neben Ihrer Kaiserlihen Hoheit der Großfürstin Maria Alexandrowna saß Se. Majestät der Kaiser, dann folgte Ihre Königliche Hoheit die J zessin von Wales, Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kren- prinz dés Deutschen Reichs und von Preußen, Ihre Kaiserliche Hoheit die Großfürstin Alexandra Jofephowna und Se. Kaiserliche Hoheit der Großfürst Thronfolger. Auf der “anderen Seite neben Sr. König- lichen Hobeit dem Herzog von Edinburgh folgte Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin des Deutschen Reichs und von Preußen, der Prinz von Wales, Ihre Kaiserliche Hoheit die Groß- fürstin Cesarewna, der Kronprinz von Dänemark und Ihre Kaifer- liche Hoheit die Großfürstin Alexandra Petrowna. In der zw“iten Reihe hatte die Prinzessin Marie von Baden, die Prin- zessin Eugenie von Oldenburg, Se. Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha, Prinz Arthur von England, Prinz Alexan- der von Hessen, Ihre KK. Hoheiten die Großfürsten, die Priu- zen von Oldenburg und M-cklenburg, in dritter Reihe eine zahlreiche glänzende Suite Plaß genommen. In den Kaiserlichen Seitenlogen befanden sih die unerwachsencn Mitglieder der Kaiserlichen Familie. Se. Majestät der Kaiser trug die Uniform des Leibgarde-Kosaken- Regiments und wenn wir nit irren die Schärpe des englischen Hosenband - Ordens, Se. Kaiserlihe Hoheit der Thronfolger Gesarewitsch die Uniform des Leibgarde - Ataman - Regiments und das Band des Schwarzen Adker - Ordens. Die russishen Herren trugen die preußi\chen Groß-Cordons, die fremden Fürstlichkeiten das Band des Andreaêë-Ordens. Se. Kaiserliche Hoheit der Deutsche Kron- vrinz erschien in der Uniform des russishen Regiments „Friedrich Wilhelm 111 König von Preußen“, der Herzog von Edinburgh trug die russisbe Marineuniform.

Die Vorstellung wurde mit d r Balkonscene aus Verdi's „Romeck und Giulietta*“ èröffnet. Jn der Pause wurden Erfrishungen prä- fentirt. Dann folgte ein Aft. des Ballets „Der Schhmetterling“. Die Borstellung war der glänzenden Feier würdig.

Das „I, de St. P.*_ ist in- der Lage, die Naien der Personen anzugeben, welhe den Kaiser Franz Ioseph hier- her begleiten werden.

Die Suite Sr. Kaiserlihen nund Königlichen apostolischen Ma- jestät wird bestehen aus de:n General Adjutanten Feldmarschall-Lieu- tenant Graf von Bellegarde, dem General-Adjutant-n G:neral-Major Graf Pejacsevich, den Majoren Fürst Lobkowiß, Graf v. Grünne, Freiherr v. Löhneysen, Némethy und Freiherr v. Salis, Adjutanten Sr. Majestät, den Riltmeistern Baron Wersebe und v. Keönczeöll, Professor Dr. Löbl, Leibarzt Sr. Majeftät. Die Militär-Kanzlei Sr. Majestät besteht aus deren Chef General-Major Rittec von Beck, Oberst Krans, Hauptmann Bakalowitsh_ und zwei Beamten T-sarz und Halkuwicz. Das Kábinet Sr. Majestät wird vertreten sein durch den Kabinetshef Staatsrath Baron Braun, den Gouvernementsrath von Hofmann, Hof-Sekretär Sawiczki und noch einen weiteren Beamten. Als Vertreter des Oberstallmeisters der Oberst-Lieutenant Ritter von Brecska. Endlich vom Ministerium des Neußern werden anwescnd sein: der Graf Andrafsy, Minister des Anßern und des Kaiserlichen Haujes. S. E. der Sektionêëchef Baron v. Hofmann, der Sektionsrath von Wawrik, von Okolicsanyi und der Ministerial-Rath Hofrath Ritter von Schwegel.

Das Dienstpersonal Sr. Ka. serlihe und Königliche Majestät und seiner Umgebung wird 36 Perfonen umfassen.

Das Gouvernement Augustowo, soll wie die „R. W.? aus zuverläsfiger Quelle erfährt, mit dem General- Gouvernement von Wilna vereinigt und aus den Kreisen des Gouvernements ‘Ljubiin, die von Russen bewohnt sind, nebft zwei Kreisen des Gouvernements Wolhynien ein neues Gouver- nement gebildet werden.

Der Posten des General-Gouverneurs von Neu- rußland und Bessarabien wird dem „Grashdanin“ zufolge nicht wieder beseßt werden, sondern ganz eingehen.

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Schweden und Norwegen. Stockholu, 27. Januar. Der König ift gestern Mittag um 12 Uhr in Upsala ange- fommen und am Bahnhofe vom Erzbischof und vom Amtmann empfangen worden, worauf Se. Majestät sh im Wagen des Erzbischofs nah dem Hause desselben begab, um dort während seines Besuches in der Stadt zu logiren. Später besuchte der König die Versammlung des landwirthschaftlihen Vereins, sowie die Ausstellung, dinirte um 4 Uhr beim Erzbischof Und kehrte 7 Uhr Abends nach der Hauptstadt zurü.

Unter den beim Reichstage eingegangenen Vorschlä - gen befinden sich zwei von V. Bosfon Olsfon: der eine geht darauf aus, daß verschiedene Kassen, welhe unter Verwaltung des Kriegs-Ministeriums stehen, der Staatskasse zugetheilt wer- den sollen, weil der König über jene Kassen verfügt, aus welhen im Jahre 1870 ca. 1,700,000 Rdl. zu Kriegsunkosten ausge- geben worden sind; der andere geht darauf aus, daß nur solche offentliche Arbeite in Angriff genommen werden, welche mittelst der vom Reichstage bewilligten Summen vollführt werden können.

Amerika. (A. A. C.) Aus Matamoras, 11. Januar, wird gemeldet: Die Streitmacht des Generals Zapeda, des ab- gesekten Gouverneurs von Coahulla, is abermals von den Truppen der Staats-Legislatur geschlagen worden, und Dr. Silas wurde von letzterer zum Gouverneur erwählt. Das Treffen war zwar scharf, aber nicht entscheidend, da beide Par- teien sich noch im Felde befinden. Die Bundesregierung von Mexico hat einen provisorishen Staats-Gouverneur ernannt, bis eine ordentlihe Volkswahl statifinden kann. General Flemy, der 1000 Mann Bundestruppen und 2000 National-Gardisten unter seinem Befehl hat, wird wahrscheinlih weitere Feindselig- feiten zu verhindern im Stande sein.

Asien. Ueber die bengalishe Hungersnoth wird den „Times" aus Calcutta vom 28. d. Mts. gemeldet: „Bei dem Diner des Gewerbevereins erilärte Hetr Bayley, der Kollege des Vice-Königs, die Hungersnoth füt fehr ernst. Auf dem Reismárkt wurden große Einkäufe für die Kolonien ge nat. Die Ausfuhr vergrößert \fih, und die Einfuhr für Rehnung der Regierung ist klein. In Calcutta wie im Innern steigen die Preise. Der Nothstand is} ernstlich in Nord-Behar. Die Nothbauten sind ungemein stark in Anspruch genommen. Es sind Komites organifirt worden und Vorschüsse werden nahge- suht. In Patua hat ein Hülfs-Meeting ftattgefunden. Der Frost hat die Saaten ernftlih beshädigt. Der Wasserverkehr if \hwierig und die Brunnen trocknen aus. In Singhbhun herrschte die Viehseuhe. *