1874 / 33 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Feb 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Se. Majestät der Kaiser hat zur Verherrlichung der Vernraähluvg Jhrer Kaiserlicbben Hcheit der Großfürstin Maria Al: xandrowna in Ueboreinstiwmung mit einem Gutachtcn des Ministerkomites am 9. Januar 1874 den obeng nannten Personen folgende Erleichterungen zu gewähren geruht: 1) Denjenigen, welhe mit Verlust aller per- fönlihen und Stand-srehte und Prärogative zum Aufentha:t an einem anderen Orte verbannt worden und sich im europäischen Rußland sowobl, als anch in Sibirien befinden, sind die früheren persönlichen Stardesrechte wieder zu gewähren und diese auch auf die nach der Verurtheilung der Eltc.rn geborcnen legitimen Kinder auszudehnen. 2) Denjenigen Personen dieser Kate-

orie, die fich in Sibirien befinden, ift es gestattet, falls sie es mün- chen, in eines der inneren Gouvernemrnts auf Anw isung der Regie- rung überzusiedeln. 3) Diej nigen aber, w-lche sich im europäischen Rußland befinden, sind nah den in Puxki 3 des Allerböchsten Bef-hls vom 13. Mai 1871 über die Erleichterung. des Loo'es einiger Ver- brecher angegebenen Bestimmungen von der polizeilihen Aussicht zu befieien. 4) Den bis jeßt von der polizeilih-n Aufsicht Befreiten ist auf Grundlage des genannten Punktes des Allerhöchsten Befehls vom 13, Mai 1871 das Recht des E ntritts in den Staatsdienst an den- enigen Orten zuzustchen, an denen ihncn der freie Aufenthalt gestattet ¿ist und 5) den in gleicher Weise von der - polizeiliben Aufsicht Be- freiten, welche von ihrem früheren Wohnort ohne Verlust der R-chte entfernt worden waren, ist die Nück. hr in die Heimath gestattet.

Moskau. Die „D. M. Z.° schreibt: Ihre Kaiserlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin des Deutschen Reiches sollten heute früh um 3 Uhr aus St. Petersburg abfahren und dürfen mithin heute Nachmittag gegen 6 Uhr in Moskau erwartet werden. Die Hohen Gäste sollen beabsichtigen, morgen eine Fahrt nach Sergejewski Possad zu unternehmen, um das berühmte Troizki Kloster zu besuchen. Der Kaiserliche Hof mit dcn übrigen Hohen Gästen wird am Mittwoch zwischen 6 und 7 Uhr Abends erwartet. Die Straßen unserer Stadt prangen bercits im s{hönsten Flaggen- \{chmudcke und die überall sihtbaren Vorbereitungen zur Illumi- nation bezeugen den Eifer, mit welhem Moskau fich rüstet, seine Hohen Gäste würdig zu empfangen:

Asien. Ueber die bengalishe Hungersnoth wird den „Times“ aus Calcutta vom 4. d. M. gemeldet:

Auf cinem heute hier stattgefundenen Meeting zur Erwägung von Maßregeln für die Unterstüßurg dir ncthlei denden Distrikte erfkiärte der Vicekönig, welcher den Vorfiß führte, daß die Mißernte eine Be- vslferung betrôfe, welche die Großtritanniens übersteige. Troß des Regens sei eine Bevöikerung, welche die Jrlands überjiteige, einem iangen und ernstlichen Nothstand ausgeseßt. Er führ!e der Versamm- kung in warmer Weise die G-dald der Bevölkerung sowie die mäch- tigen Ansprüche, welche ihr Tuübsal ihn an ihre H-errschec geb», vor Augen, und ermabnte das Putlikum dringend, dem Elend durch reich- liche Beiträge zu steuern. Er dankte England für seine Sympathie. Die Mittheilung, daß die Königin dem Hülfskomite einen Beitrag vou 1000 trl. übersandt habe, wurde von den Eingeborenen mit Jubel begrüßt. Sir George Campbell detaillirte die Leiden der grundbesißlosen Klasse allen‘halben. Die versprohene Unterstüßung hat bercits Gutes gewirkt, indem keine Panik, wie in Orissa, cintrat, und die Bevölkerung seßt Verlrauen in die Re- gierung. Sir Richard Temple hat telegraphisch gemeldet, daß unter 1,500,0C0 hülfloscn . Personen ernstliher Nothstand vorhanudcn fei. Es herrs{cht auch große Sterblichkeit und Entvölkerung. Eine un- zählige Masse von Personen genießen täglich nur ein Mahl. Die große und arme Vevélkerung von Sarun wird später leiden. In Burdn'an hat der Maharadshah 2600 Lftrl. gezeibnct. Benarcs, íIngpore, Vizianagram u. s. w. helfen. Die -britishen Pflanzer lei- sten edle Dienste.

Dem „Reutershen Bureau“ wird aus Calcutta vom 4. d. M. telegraphiri: „Es hat in ganz Bengalen gcregnet. Die wachsenden Saaten sind dadurch schr bevortheilt norden und das Pflügen für die Frühjahrs\aa:en if in hohem Grade erleichtert.“

Nach offiziellen im Haag eingegangenen Meldungen aus Atchin vom 1. Februar wurde cine niederländishe Rekognos- zirungstruppe, welhe am 29. Januar ausgesandt worden war, von dem Feinde angegriffen und verlor 3 Todte und 18 Ver- wundete. Drei Provinzen scheinen geneigt, sich zu unterwerfen, nachdem ihnen die freie Ausübung der Riligion zugesichert wor- den. Neue Verstärkungstruppen sind nicht mehr erforderlich. Die Cholera: Epidemie ist im Abnehmen begriffen.

Afrika. Eine neue Kappost bringt Nachrichten, die bis zum 11. Januar reihen. Der rebellishe Kaffernhäuptling Langabalele is sammt 300 seiner Anhänger in Basutoland von einer Abtheilung berittener Polizei gefangen genommen worden. Dic Waffen und Pferde der besiegten Krieger sind rel 5000 Haupt Hornvieh ebenfalls in die Hände der Sieger

allen. 9 Die bercits erwähnte Depesche, die das Kriegs-Ministe- Ce am 5. Februar vom General Wolseley erhalten hat, autet :

„Udansi Hügel, 24. Januar 1874. Sämmtliche weiße Gefange- uen sind nun in meinem Lager. Der König nimmt die Bedingungen, die ih ihm gestellt habe, an, und erklärt sich bereit, die von mir ge-

forderte Kriegsentschädigung im Beirage von 200,000 Lstr. zu zahlen. Ich mache morgen auf einige Tage in Jommanah, 30 Meilen von Kumassi, Halt. Alles geht gut.“

Kunst, Wissenscvaft und Literatur.

Berlin, 7. Februar. Ueber die Säkularfeier des Ber- linishen Gymnasiums zum Grauen Kloster hat im Ein- verständniß mit dem Direktor Boni der Magistrat der Stad'verord- netenversamlung folgendes Programm vorgeschlagen, welch. s die Stadt- versammlung in ibrer Sißung am 5. d. M. genehm gt hat :

1) da der 13. Juli in die Ferienzeit fällt, fo wird der Tag der Feicr auf ken Donnerstag der leßten Schulwoche vor den Sommer- ferien angesetzt ;

2) der seit Jahrzehnden bei Säkularfeiern von Gymnasien be- stchenden Sitte g-mäß, wird ein Festprcgramm cdirt, in welchem die dermaligen Mitglieder des Lebrer-Kollegii eine Probe ihrer wiss?n- schaftlichen Studien geben und gleichsam der Schule als Festgabe darbringen. Es wird beantragt, die Stadt tur Gewäbrung der dau erfordeilihen Geldmittel dem Gymnasium cs ermögliche, diese löbliche Sitte auch seinerseits beizubehalten.

Die Kosten dieser Publikation, die nicht unter 20 Druckbogen umfassen wi: d, werden auf 600 800 Thlr. veranschlagt;

3) unabhängig von diesem Feftpregramm und chne Anspruch an die städtishen Mittel wird als Festschrift eine von dem Dr. Heide- mann nach urkundlich-n Quellen verfaßte Geschichte des grauen Klo- sters von seiner St ftung a!s Kloster bis zur Gegenwart erscheinen, und kat das D rektorium der Streitsclen Stiftung die Uebernahme der Kosten der Veröffentlichung dieser Schrift zugesagt ;

4) am Tage der Frier (Donnerstag der leßten Woche vor den Ferien) 12 Nhr wird der Direktor des Gymnasiums in einer ausrei- chenden Räuml chk-it, wozu die Klosterkirche in Aussicht genommen ist, die Festrcde halten;

5) an demselben Taae Nachmittags wird ein Festmahl auf Kosten der daran Theilnehmenden veranstaltet ;

6) als Vorfeier wird an dem voi: hergehenden (Mittwoc) Abend von Schülern der obersten Klassen dcs Gymn. sii in dem Hörsaale desselben der Sophokiles\ce Oedipus auf Kolones ina griechischer Sprache vor geladenen Gästen aufgefühct. Die Kosten dieser Auf- führung zu tragen hat tas Direktorium der Streitschen Stiftung übernommen ;

7) den dermaligen Schülern des Gymnasii wid zur Erinnerung an diefen Ehrentag ibrer Schule cin Fest gegeben, durch eine na der offiziellen Feier (Freitags) zu v-ranstaltende Fahrt an einen geeigneten Ort außerhalb B.rlins (etwa Freicnwalde), Turnspicle und Gesang. Damit Lie Theilnahme allen Schülern, den armen wie den wohlt a- b»nden, gleich sehr ermöglicht werde, werden hierfür die crforderl'cen Mittel von 1000 Thlrn. aus städtischen Fonds beantragt.

Im Verlage der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Deer) hierselbst erschien so eben: „Elisabeth, Königin von Preußén. Eia Erinnerunrgsblatt von Alfred von Reumont.“ gr. 8 Der Verfasser sagt üm Eti- ganze dieser Schrift: „Ein edles, warmes Herz hat zu \{chlag-n aufgehört, ein flares Auge hat sih auf immxr geschlossen. Die Fürstin, welcer das gegenwärtige Erinnerungsblatt gewidinet ist, war seit Jahren gewisser- maß n zurückgetreten in di? Sklille des Hauses. Nur Wake der Wohtthät'gkeit waren noch Merkmale einer Thätigfeit, die nur solche, welche sie nit kannten, und doch über sie vrtheilten, auf andere Kreise bezogen. Dur:h man+#ten Sonnenblick des. Glücks erhellt, durch trübe Wolken wiederholt umnachtet, aber des unwandelbaren Leitsterns nie beraubt, ift ihr Leben dabin gegangen, äußerlich bewcgt, innerl'ch mit sih eins inmitten webselnder Stimmungen und in versch edenen Lag: n."

Paris, 5. Febr. Marschall Mac Mahen empfing gestern Hrn. Normand, der mit der Aufrichturg der Vendôme-Säule betraut ist, Derselbe ver prach dem Marsch.ll, daß das Menument am 1, Juni cnihüllt werdea könne.

Gewerbe und Handel.

Elbing, 7. Februar. (W. T. B.) Sänmiliche Tischler und Stellmacher der der hiesigen Aktiengesellschaft für Eisen- bahnbedarf gehörigen Fabrif haben h ute die Arbeit eingestellt.

Die „Zeitschrift für Gewerbe, Handel und Volk®2- wirthschaft", Organ des Oblerschlesischen Beig- und hüttenmän- nischen V:.reins*, redigirt von Dr, Ad. Franß zu Beuthen O.-S,, enthält in Nr. 5 vom 5. Februar d. I.:. Die Gutertarife d r Eisen- bahnen 2c. Von Eduard Reißzenstein I, Oberschlesiens Berg- und Hüttenwerke 11, (Tarnowilz-r Hütte, Koks- Anstalten, Kathæxinen- grube, Fiékalische Königêgrube.) Deutschlands Eisenbahn - Tarif- Frage ven Wun. T Mulœany. Vom Kohlen- uvd Metallinarkt. (Kohblcnbaisse, Montan-Aftien, Eisenbahn -Tarif-Frage.) Eisen- marfktbericht von C. F. Müller zu M:ddlesbrough. 11. Briefe aus und über Rußlaud. Aus Belgien. Aus Frankreih. Vom Zinkmark, Jahresberichte für 1873. Tülsit Elbing. Bremberg. Glogau. Dux-Bodenbacher Eisenbahn. Geseßgcbung, Verwal- tung (Aenderung der Gewerbe-Ordnung, Arbeits - Kontraktbruh. Zum Etat der Berg-, Hütten- und Salinen-Verwaltung.) Die Zeitschrift ift dur alle Postanstalten und Buchhandlungen zu be- ziehen, jedoch bei den erstern nur in Bierteljahrê-, bei den l ßteren nur in Viertel-, Halb- und Ganzjahr-Abonnement.

London, 6. Februar. (W. T. B.). Baron Mayer von Rothschild ist heute gestorben.

London, 7. Februar. (W. T. B) Die „Times" schreibt: Obgleich sih der New-Yorker Wechselceours andauernd zu Gunsten des engli)chen Geldmarfkftcs bewegt und auf dem F ftlande die Geldabun-

danz fortdauert, so {eint es toch wahbrsceinlich, daß hier im laufen- den Monate der gegenwärtige Ba nkzinsfuß behauptet wird, viclleicht wird selbst eine Erhöhung dessclben auf 4% als zwcckmäßig befunden,

Verkehrs-Anftalten.

Königsberg i. Pr., 7. Februar. (W. T. B) Nach der von der „Ostpreußischen Zeitung*" veröffenilihten Uebersicht der Betriebs- einnahmen der Ostpreußischen Südbahn betrug die Einnähme pr. Januar 1874 123,1C8 Tetlr., d. h. 45,609 Thlr. mebr als im Januar 1873 (in Folge der Eröffnung der verlängerten Südbahn über Proßken-Salzwed-l’ hinaus).

London, 5. F bruar. Sir Daniel A. Lange, der englische Di-ektor der Suezkanal-Gesellschaft, hat ein Telegramm er- halten, welches meldet, daß 111 Schiffe den Suezkinal im Januar passirten, und daß in dem Zeitraum vom 1.—31. Januar die Durh- gangszölle allein einen Ertrag von 2,190,000 Frs. lieferten.

izn ea M riet i E L

Königliche Schauspiele.

Sonntag, 8. Februar. Opernhaus. (38. Vorstellung.) Lohen- arin. Romantische Oper in 3 Akten von Richard Wagner. Elsa: Fr Mallinger. Ortrud: Frl. Lammert, König Heinrih: Hr. Krolop. Lohengrin: Hr. Niemann. Teklramund: Hr. Beh. Anfang halb 7 Uhr. Hohe Preise.

Schauspielhaus. (38. Vorstellung.) Der Spieler. Schau- spiel in 5 Abtheilungen von A. W. Iffland. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-Preise.

Sonntag, 8. Februar. Im Saal-Theater des Königlichen Schauspielhauses. Dreiundzwanzigste Vorstellung der sranzösischen Schauspieler-Gesellshast. Seconde représentation. de: Les Méli- Mélo de la rue Meslay. Comédie-Vaudeville en un acte par Mrs. Mare-Michel et Ad. Choler. Seconde représentation’ de: La tasse cassée. Comédie en un acte par Mrs. Panl, Vermond et Lubize. Seconde représentation de: Toto chez Tata. Co- médie en un acte par Mrs. Henri Meilhac et Lud. Halévy. Seconde représentation de: Les souliers de bal. Comédie en un acte, en prose, par Mr. Octave Gastineau,

Montag, 9. Februar. Opernhaus. (39. Vorftellung.) Flick und Flo. Komisches Zauber-Ballet in 3 Akten und 6 Bildern von P. Taglioni. Musik von Hertel. Frl. Lamy aus Paris, als Gast. Anfang 7 Uhr. Mittel-Preise.

Schauspielhaus. (39. Vorstellung). Was ihr wollt! Lustspiel in 4 Akten von Shakespeare. Anfang 7 Uhr. Mittel»

Preise.

Dienstag, 10. Februar. Opernhaus. (40. Vorstellung.) Alessandro Stradella. Romantishe Oper in Z Abtheilungen mit Tanz. Musik von F. v. Flotow. Leonore: Frl. Lehmann. Mal-

Stradella: Hr. Theodor Wachtel, als vorlette Gastrolle. Anfang 7 Uhr.

volio: Hr. Krolop. Barbarino: Hr. Schleich. Mittel-Preise.

Schauspiclhaus. (40. Vorstellung.) Göß von Berlichingen mit der eisernen Hand. Schauspiel in 5 Abtheilungen von Göthe. Anfang halb 7 Uhr. Mittel Preise.

Dienstag, 10. Februar. Im Saal-Theater des Königlichen Schauspielhauses. Vierundzwanzigste Vorstellung der französischen Schauspieler-Gesellshaft. CQuatrième représentation de: Mer- cadet. Comédie en trois actes et en prose, par Mr. H. de Balzac. Troisième représentation de: L’homme à la Mode. .. . de Cacn. Comédie-Vaudeville en un acte de Mr. Jules Moinaux.

Zu dem bevorstehenden „Subskriptions-Ball“ am 17. Fe- bruar d. I. werden nur \chriftlihe, an die General - Inten- dantur der Königlichen Schauspiele zu richtende Meldungen an- genommen und kann über die eventuelle Berücksichtigung der- selben erst nach dem 9. d. M. entschieden werden. Eine Be- nachrihtigung Über die erfolgte Ablehnung der Gesuche findet nicht statt, dagegen iverden die bewilligten Billets den Betheilig- ten rechtzeitig zugesendet.

Auf eine Korrespondenz in Ball-Angelegenheiten kann die Verwaltung {h unter keinen Umständen einlassen. General-Intendantur der Königlihen Schauspiele.

Meldungen um Theater - Billets im Bureau der General- Intendantur oder an anderen Orten werden als nicht eingegangen angesehen und finden keine Beantwortung.

Die in den Königlichen Theatern gefundenen Gegenfl.inde fönnen von den Eigenthümern innerhalb 4 Wochen bei den

meifter (Schauspielhaus) in Empfang genommen werden. Erfolgt die Zurückforderung der betreffenden Sachen in ‘der angegebenen Frist nicht, so werden dieselben den Findern ohne Meiteres ausgehändigt.

Königliches Schauspielhaus.

Ifflands Schauspiele, welche früher neben denen Koßebue's die deutsche Bühne in einer Ausdehnung überwucherten, daß selbst die {chönsten Blüthen der deutshen Klassizität darunter erstiden zu müssen schienen, sind im Laufe der Zeit \o vollständig pon der Bühne verschwunden, daß ihre Aufführung zu den Seltenheitcn gehört. Mit Ausnahme der „Jäger“ und des Lust- \spiels „Die Hagestolzen“, welches lehtere Goethe sogar zu einer Fortschung anregte, und eiwa der Schauspiele „Die Advokaten“ und „Der Spieler“, welches gestern im Königlihen Schau- \spieihause neu einstudirt wieder aufgeführt wurde, sind Ifilands Bühnendichtungen als gänzlih veraltet zu betrachten. Seinen Boden fand das bürgerlihe Familienschauspiel, dessen Hauptoertreter Iffland is}, in der Zeitströmung, deren Impuls von der aufstrebenden Mittelklasse ausging und die gegen die privi- Tegirten Stände andrängte, andererseits aber in dem friedlichen Leben der Vürgerfamilie einen Koncentrationspunkt suchte. Cha- rafteriftish fürdas Ansehen, in welchem Iffland beider zeitgenössischen Kritik gestanden, ist ein Urtheil Knigge's, welches hier folgen mag: eDas ernsthafte Drama und vorzüglich diejenige Art von rüh- renden Familieng-mälden, wovon Iffland uns \chon eine be- trächtliche Anzahl ge\schenit hat, Schauspiele, in welchen häusliche Glüseligkeit, Einfalt und Reinigkeit der Sitten, Arbeitsamkeit, Genügsamkeit, Zufriedenheit mit feinem Zustande reizend darge- stellt und empfohlen, die gegentheiligen Verderbnisse und Thor- heiten hingegen verähtlich und läherlih gemacht werden: diese Art theatralisher Produkte \{heint unter allen Gattungen von Schauspielen dem echten Bedürfnisse des deutschen Publikums (besonders auch in Rücksicht auf die moralishe Wirkung) am angemefsenslen zu sein; und Iffland verdient gewiß sehr großen Dank für seine auf alle Weise mit Erfolg gekrönten Be- mühungen *

Im Eanzen wird man dieser Ansicht auch heute noch zu- Kimmen dürfen, wenn auch die ausgesprochen lehrhafte Tendenz

sich in vielen seiner Stücke dermaßen vordrängt, daß der Dialog von Moralpredigten überfließt, welche in der gestrigen Darstel- lung des „Spielers“ offenbar durch Kürzungen —- nur zum Vortheil der dramatishen Wirkung beseitigt waren. Wie Schiller, der ihm “au in seinem Trauerspiel „Kabale und Liere“ nacheiferte, hatte Iffland die Idee, im Theater eine Bil- dundásanstalt für Gemüth und Herz zu errihten. Er vergriff sich aber im Thon, wenn ex durch Alltäglichkeit der Charaktere und Stoffe und durch undramatische Deklamation diesen Zweck zu fördern suchte, während er die Kunst schädigte und das Pubklikum der wahren Poesie entfremdete. Was Iffland als Schauspieler, als Leiter des Berliner National - Theaters und späterer General-Direktor der Königlichen Schauspiele in den Iah- ren 1796—1814 nicht blos für das Gedeihen des hiesigen Kunstinstituts in trüber Zeit, sondern für die Gntwickelung des ganzen deutschen Theaters gewesen, wird unvergessen bleiben.

Die gegenwärtige Epoche der dramatischen Dichtung kenn- zeichnet fih in bemerfenswerther Weise durxh eine der Wiederbe- lebung Jfflands günstige Richtung. Die neuere französische Dramatik hat neben dem cntschieden vorwiegenden Familienschau- spiel eine Mischgattung geschaffen, welhe Gottshall treffend „Rührkomödie“ nennt und die in Deutschland bereits Nachahmung gefunden hat. Auh Gustav zu Putliß spriht in seinen „Theater - Erinnerungen“, gestüßt auf seine langjährige praktishe Erfahrung, die besremdlih erschei- nènde Ansicht aus, wie der Bühnendichter der Gegenwart mit Nachdruck auf -das deutsche bürgerlihe Schauspiel hingewie- sen werde, wofern ihm an dem Beifall des Publikums ge- legen sei. Charlotte Birch-Pfeiffer hatte dieser richtigen Erkennt- niß die großen Erfolge iyrer Dramen ‘zu verdanken.

Auch die gestrige freundlihe Aufnahme des „Spie- lers" s\cheint dieses Urtheil zu bekräftigen. Üllerdings war das Stük mit - den besten Kräften der König- lichen Bühne - beseßt, die alle an ihrem Playe maren,

Hr. Liedtke wußte für die von ihm dargestellte Titelrolle des leihtsfinnigen Spielers, der sich und seine Familie durch seine Leidenschaft an den Rand des Abgrunds bringt und deshalb kaum das Mitleid des Beschauers verdient, in der Schlußscene, im Augenblick seiner tiefsten Erniedrigung und Strafe, dennoch zu erwärmen. Fr. Erhartt gab als Baronin Wallenfeld, geborne Stern, eine ihrer gelungensten Leistungen. Auf solche der bürger- lien Sphäre entnommene Muster echter, edler Weiblichkeit wird die Künstlerin durch ire Begabung besonders nachdrücklih“ hingewiesen. Ein Gegenstück zu seiner glücklihsten Gestalt, dem Wachtmeister in „Minna von Barnhelm“, {uf Hr. Wünzer aus dem braven Lieutenant Stern. Ihm zur Seite stand würdig Hr. Berndal als Kriegs-Minister Graf Bildau, wahren Edel= * muth und soldatisch brave Gesinnung lebendig verkörpernd, Die“ fehr chargirte, mit großem Apparat ausgestattete Rolle des alten Geheimen Raths von Wallenfeld war Hr. Oberlaender in diskres ter Weise bemüht, lebensfähig und wahrscheinlich zu machen. Hr. Döring gab in dem „genuesislhen-Hauptmann“ von Posert,

Kabinets \tück,

mimishen Einzelnheiten kricchenden

rend “Qr; Ql: Den kretär Gabrecht treffend charakterisirte.

ausgeführtes hinterlistigen, Se-

Den

Hofrath von Fernau gab

sen wiederholt mit Beifall ausgezeichnet. | Der Vorstellung wohnten Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Carl bei. i

Redaktion und Rendantur: Schwieger.

Berlin: Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner, Vier Beilagen

(cius{ließlich Börscn- und Handelsregister-Beilage).

Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Slaals-Anzeiger.

0 Ds

Berlin, Sonnabend, den 7. Februar

187A

Neichstags- Augelegenheiten.

Berlin, 9. Februar. Dem Reichstage sind vorgelegt worden :

Entwurf eines Reichs-Militärgeseßes mit Erläuterung T.

die allgemeine Rechnung über den Haushalt des Norddeut- hen Bundes für das 11. Semester 1867,

die allgemeine Rechnung über den Haushalt des Norddeut- sen Bundes für das Jahre 1868, E i

die allgemeine Rechnung über den Haushalt des Norddeut- {en Bundes für das Jahr 1869, 1

die allgemeine Rechnung über den Haushalt des Norddeut- {en Bundes für das Jahr 1870.

Entwurf eines - Gesetzes, betreffend einige Abänderungen und Ergänzungen des Geseßes vom 27. Juni 1871 über die Pensioni- rung und Versorgung der Militärpersonen und Bericht der Kom- mission über Vorscläge zur Wahl eines Plaßes für das Reichs- tagsgebäude._

Hauspolizei - Jnspekloren Schewe (Operuhaus) und Hof f- i

einem alten habgierigen Gauner, cin mit Meisterschaft in N p way=

des Geheimen Raths in seiner Bosheit 4

Hr. Dehnicke, den rechtshaffenen Rektor Berger Hr. Krause, : Die Hauptdarsteller wurden bei offfener Scene und in den Paus *

* aus dem stenographischen Berichte erseßen

Landtags- Angelegenheiten.

Berlin, 7. Februar. In der gestrigen Sizung des

Hauses der Abgeordneten bemerkte der Finanz-Minister

Camphausen in Betreff des ‘eingebrahten Nachtrags zum Etat Kap. 5 Tit.- 14 (S. Nr. 32 d. Bl.): E

Ich seße voraus, daß der Herr Präsident eine Erläuterung wünscht. Es handelt sih hier um den Zusaß, welcher durch das Geselz vom 2. Januar bedingt ist, wonach die Gebühren zu Gunsten der Gemeinde erh3ht worden sind, das macht einen Mehrbetrag von 2:6,000 Thir., und der wird der ursprünglichen Summe hinzuzufügen jein.

Ueber den Anirag des Abg. Köhler, die (nur bis zum 1. Juli bewilligten) Kosten der Königlichen Polizeiverwaltungen in Göttingen 2c. auf 1 Iahr zu genehmigen, erklärte der Mini- ster des Innern Graf zu Eulenburg:

Meine Herren! Jch möchte Ihnen rathen, den Antrag, der jeßt eingebracht ist, anzunehmen und- die Position, wie sie im Entwur e des Etats vorgeschlagen ist, zu genchmigen. Jch habe {hon so häufig Veranlassung genommen, den Standpunkt der Regierung in Bezug auf das Bestehen Königlicher Polizeivecwaltungen an bestimmten Orten des Staates auseinander zu seßen, daß ih heute niht nöthig habe, darauf wieder zurücckzukommen. Nur das möchte ich hek- vorheban, daß ich immer * betont habe und auch eßt wieder betone, daß die Regierung keineswegs von Der prinzipielleu Ansicht ausgeht, es sei für sie wünschenswerth, fo viel wie möglich Polizeiverwaitungen in ihre Hände zu bekommen, sondern daß sie es nur prinzipiell für nothwendig hält, in jeder Provinz- an einer Stelle, in der Provinzial-Hauptstadt, eine Königliche Polizeiverwaltung etablirt und fortbestehen zu schen, und daß fie außerdem die Königlichen Polizeiverwaltungen aufrecht erhalten will, die bishèr mit gegenseitigem Einyverständnisse der städtischen und Königlichen Behörden bestanden haben und für deren Einführung gewisse kombinirte Gründe gewirkt haben, die” heute noch nicht ver- {wunden sind. In diefen leßteren Fällen ist die WNegierung bisher nicht in der Lage gewesen, aus eigener Initiative auf die Aufhebung der Königlichen Polizeiverwaltung hinzuwirken, fie hat vielmehr ab- warten zu müssen geglaubt, daß von Seiten der städtischen Behörden der Antrag gestellt würde, ihnen die Polizei zu überlassen. Auch sind in früheren Fällen hier bei der Debatte über dieien Punkt in der Regel die neu enworbenen Provinz:n ganz aus dem Spiele gelassen worden. Man hat darüber diskutirt, ob die Königliche Polizeiverwaltung in Aachen, in Coblenz oder sonst an einem Orte der alten Provinzen aufzu- geben sei, man hat aber immer guédrücklih gesagt, man wolle an den Königlichen Polizeiverwaltungen in den neuen Provinzen nicht rühren. Ich bin also auch gar uicht veranlaßt gewesen, über diesen Punkt be- sonders nachzudcuken und mir Mateiial für das Urtheil zu schaffen, ob der Zeitpunkt gekommen sei, um dieje Polizeiverwaltungen aufzu- geben. Plöblich wird nun hier cin dahingehender Beschluß -gefaßt. Die Regierung war dabei ganz unvorbereitet. Die städtischen Ber- waltungen sind überrascht und schon gus finanziellen Gründen s{chwer aufzufinden, weil ihnen schon nach einem halben Jahre eine Verwaltung aufgebürdet werden soll, deren Kosten bisher zum größten Theil aus Königlichen Kassen bestritten worden sind. Außerdem fürchten sie, die Aufgabe, - welche ihuen gestellt wird, nmcht erfüllen zu können. Die Mehrzahl derselben hat sich theils durch Petitionen an das Haus, theils in Vorstellungen an mich dringend dafür aus- esprochen, daß man ihnen den bisherigen Zustand lassen möge. Gs find von Göttingen an mich Vorstellungen gekommen Seitens der städtischen-Behörden, Seitens der Universitätsbehörden, Seitens der Königlichen Behörden. “Alle sagen, daß gerade für Göttingen bei den jeßt dort herrschenden Zuständen, bei den Persönlichkeiten, die an den maßgebenden Stellen augenblicklich stehen, das Fortbestehen einer König- lichen Polizeiverwaltung eine wesentliche Bedinguzg des Wohlergehens der Stadt sei. Aus Hanau erhielt ih heute Morgen eine Vorstellung der städtischen Behörden, die auf das Dringendste bitten, die dortige

Königliche Polizeidircektion nicht aufzuheben. Sie weisen mit dem

größten Nachrruck auf die sozialdemokratische Bewegung in den in

vieler Beziehung vereinigten Orten Frankfurt, Offenbach, Hauau hin und sagen, daß sie vollständig außer Stande seien, aus städtischen Mitteln und mit städtishezn Persönlichkeiten eine Ueberwachung der dortigen Zustände und im Nothfalle eine fiäftige Einwirkung ins Werk zu jeyen. So, meine Herren, ist, glaube ih, praktisch Ver- anlassung genug, es bei dem bisherigen Zustande zu lassen.

Wenn ich nun noch das hervorheben darf, daß ja auch formell ein entgegengeseßt-x Beschluß nicht unbedenklich ist, so führe ich in dieser Bezichung an, “daß alle diese Polizeidirektionen auf landes- herrlichen Verordnungen basirew welche auf Grund der in den dorti- gen Ländern früher bestandenen Geseßen erlassen und in den Geseß- Sammlungen publizirt sind, sowohl die Hannoverschen als die Hefsi- schen, und daß wir doch bisher niht angenommen haben, daß JIn- stitute, die auf einec solchen yeseßlihen Basis beruhen, dur eiuen einfachen Beschluß des Abgeordvetenhauses aus der Welt geschafft werden können. Wenn in den früherern Etats in der Kolonne „künftig wegfallend“ gerade diese Polizeidirektionen aufgeführt sind, so erlaube

ih mir daran zu erinnern, daß man damals ausdrüdlih sagte, es_

(2 dies nicht bedeuten, - daß sie im nächsten Jahre fortfallen sollten ondern es solle nur bedeuten, daß es Polizeidirektionen seien, in Betre

deren man mit der Zeit klar stellen solle, ob ihr Fortbestchen zweck- mäßig sei. oder niht. An dieses Klarstellen erinnert zu werden, das kann ja_von Zeit zu Zeit nichts haden, und es soll gewiß auch dieser Beschluß des Hauses eine neue Anregung dazu sein. Allein gestatten Sie in dieser Beziehung für die Regierung die Juitigtive. Jch habe, wie ih wiederhole, gar fein Interesse daran, eine besondere Hand auf der Feet in jenen Städten zu haben, aber so lange die dortigen Zu- tände es erheischen, die dortigen Behörden und die Bevölkerung es wünschen, glaube ic, thut man Unrecht, wenn man im Widerspruch

mit allen diesen einen Beschluß. faßt, wonach jene Polizeidirektionen

mit einem Schlage plößlih wegfallen sollen. Ich bitte Sie, den Antrag, der auf Gewährung der Forderung der Regierung gerichtet ist, anzunehmen. : s Demnächst nahm der Finanz-Minister Camphausen das ort: s : Meine?Herren! Ich möchte Sie ebcnfalls bitten, auf diesen, wie ih N habe, mit einec geringen Majorität gefaßten Beschluß zurückommen zu wollen. ‘Wenn sonst in

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diesem Hause die städtischen Juteressen in Frage kommen, fo häbe ih noch jederzeit wahrgenommen, daß man deuten mit größtem Wohlwollen begegnete. Das scheint mir nun bei dem vorliegenden Beschlusse _in der That sich in eine Art Härte umgewandelt zu - haben. Die Staats- regierung wird vollständig bereit sein, die Frage, ob für die Dauer es sich empfehlen wird, in den genannten Orten eine Königliche Polizeiverwaltung beizubehalten oder nit, einer eingehenden sorgfältigen Prüfung zu unterwerfen und darauf Bedacht zu nchinen, wenn die Enischcidung für die Beseitigung der Königlichen Polizei ausfallen sollte, dazn dot nichtgerechtfertigte Härt-n zu vermeiden. Dagegen, meine Herre, würde cs ein unerwünschter Präcedenzfall sein, wenn das Hohe Haus einen Beschluß fassen wollte: Jn der Mitt: des Jahres, da werden die V.rhältnisse abgebrochen, wir können nur noch für so und so viel Monate das Verhältniß mit unserer Zustimmung fortdauern lassen; nun gehet so zu Werke. Jt das wirklich der Stellung des Hohen Hauses zur Staatsregierung ganz entsprechend? Ich mtine doch, bie gegzuwärtige Regierung darf für fich in Anspruch nehmen, daß sie im Ganzez und Großen sich“ des Vertrauens des Hohen Hauses erfreut, und wenn ih Ihnen nun die Erklärung abgebe, daß wichtige staat- liche Interessen es eufordern, in dieser Organisat’on mitten im Laufe des Jahres nicht ändernd einzugreifen, dann hätten wir doch wohl den Anspruch, daß eiñe Frage von so geringer finanzieller Tragweite nicht gegen unsere Ansicht entschieden werde. Jch bitte Sie dringend, die- Positionen, wie siz die Staatsregierung in Auspruch genommen hat, zu bewilligen. :

Auf eine Entgegnung des Abg. Dr. Lasker erwiderte der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg:

Éin Wort zur Erwiderung auf die Rede des Hrn. Abg. Lasker. Ich be‘-aupte, daß in den Städten, um die cs sich jeßt handelt, die Königlichen Pol zeidirektionen nicht blos im Wege des Büdgets ein- geführt sind, fondern daß sie auf Bestimmungen beruhen, die viel mehr einen legiélativen Charaëter tragen, als der Hr. Abg. Laéfker meint, Für Hannover bestimmt die hannoversche Städte-Ordnung, daß in einzelnen Städten je nah Bedürfuiß durch landes- herrliche Verordnung cine Königliche Polizeidirektion eingeseßt werden fann. Die Königliche Polizeidirektion in Göttingen ist durch landesherrliche Verordnung vom 25. Mai 1859 eingeseßt.

Diese ist abgedruckt in der Gescßsammlung Seite 641; die Direktion -

in Celle ift eingeseßt durch landesherrliche Verordnung vom 25. Mai 1859, abgedruckt in der Geseßsammlung Seite 659. Es sind also auf Grund von allgemeinen Gescßen erlassene Königs- und landeéherrliche Berordnungen, welche dice Polizeidirektionen ins Leben gerufen haben. Mir ist mehr als zweifclhaft, L durch einen einfachen Beschluß di:ses Hauses fo zu-Stande “gckommcne Einrichtungen aufgehoben weiden können. Dasselb® Verhäitniß findet in Hessen statt. Die Königli te Polizeidireftionen in Cassel, Marburg, Fulda, Hanau find durch landesherrliche Verordnung vom 10. November 1853 ins Leben ge- rufen. Auch diese Verordnung ist im C csetesblatt! abgedruckt. Fch bemerke und wiederhole, . daß die Zweckmäßigkeit der in Rede stehenden Polizeidirektionen nicht jahraus, jahrein Gegen- stand der ODiskussion im Abgeordnetenhause gewesen, sondern daß “immer ganz ruhig darüber chinweggegangen, ist. Auch ist der Auêdruck „künftig wegfallend" voni Hause und von der Regie- rung nicht so aufgefaßt werden, als ob kein Beamter, der abgeht, dur einen andern Beamten definitiv erféßt werden könnte, ini Gegen- theil, die Organisation der in Bêttacht kommenden Polizeiverwaltun- gen ift biéher vollständig aufrccht_ erhalten wordèn, und die Hinwei- sung auf „künftig wegfallend* -hat nur den Sinn, den ih mix erlaubt hake, vorhin auseinanderzuseßen, Jch habe nicht gesägt: ih habe kein Sntercsse, die Haud auf die Polizeiverwaltimg zu legen, ich have gesagt, ih habe fein Interesse, die Hand auf alle Polize!verwaltun- gen zu legen; aber ich muß dabei stehen bleiben, daß die Aufrecht- erhaltung der besprochenen Königlichen Polizeidirektionen in den be- _treffenden Städten dem allgemeinen Interesse und dem speziellen dieser Städte entspricht.

Hicrauf ergriff der Finanz-Minister noch einmal das Wort:

Meine Herren! Jh möchte die Frage, wie weit die Befugniß des Hauses in der Ausgabenbewill:gung diesen Positionen geg:nüber sich erstreckt, meinerseits nicht anregen and nicht verfolgen; es würde, wenn man sich in eine wich1ige Fonstitutionelle Frage einlassen wollte, doch wohl erforderlih sein, daß auf allen Seiten das strengste Studium der konkreten Frage vorausgegangen wäre, und das kann ih für mich allerdings nicht in Anspruch nehmen. Um was ih Sie aber bitten mêchte, das wäre, vorausgeseßt, daß Jhnen das unzweifelhaste Recht zustände, die Abseßung, wie fie in zweiter Lesung mit geringer Majerität angenommen ist, definitiv zu bestim- men, daß Sie unter dieser Borausseßung die Freundlichkeit haben möchten, dem Antrage der Regierung für das Jahr 1874 zu entsprechen. Wir sind davon überzeugt, daß wir die Interessen dex Uviversität Göttingen schädigen, wenn mit dem 1. Juli die Königliche Polizeiverwaltung beseitigt wird, wir siad über- zeugt, daß wir der Kommune Göttingen gegenüber nicht in einer Weise vorgehen, die das ggenseitige Einvernehmen fördern kann, wcun wir ihr plößlich anzeigen: vom 1. Juli ab schieben wir die Lasten der Polizei auf eure Schultern. Ich sage in diesem Augenblicke_ nicht : das wird nie geschehen, sondern ich sage nur, genehmigen Sie die Forderung der Regierung, legen Sie uns die Vaipflichtung auf, “das Perhältniß gehörig und sorgfältig zu Lrüfen, dann werden wir mit der Vorlage des Etats für das Jahr 1875 Ihnen unsere weitere Antwort sagen. Ich bittè, bewilligen Sie die Position.

Demnächst nahm der Minister des Junern Graf zu Eulenburg nochmals das Wort:

Ich habe Demjeniger, was die Herren Vorredner angeführt haben,

- nichts hinzuzufügen, das Bedürfniß der Institution ist meiner Ansicht

nah klar; wenn das aber der Fall ift, wenn fih die Majorität der Versammlung davon überzeugt, daß in den dortigen Kreisen Zustände existiren, die besondere Maßregeln erheischen, indem man mit den ge- wöhnlichen Organen ter Polizei voraussihtlich und exfahrungêmäßig niht auskommt, dann glaube ih, ist es doch richtig, ein Vakuum von einem Jahre nicht eintreten zu lassen und nicht darauf zu warten, daß crft darüber nachgedacht wird, in welcher Weise eine Einrichtung getroffen werden soll, deren Form keinem berechtigten Be- denken mehr unterliegen kann, sondern daß man eine Einrichtung fort- bestehen läßt, die sich bisher bewährt hat, und die, wenn sie der Kreisordnung nicht direkt entspricht, doch jedenfalls der Kreisordnung nicht widersyricßt. Darauf, glaube ih, muß doch das Hauptgewicht gelegt werden, Die Analogie mit Berlin, die der Herr Atg. Richter heranzog, trifft doch wohl nicht ganz zu. Das Berliner Polizei-Präsidium mit {einem großen Kriminal-Kommissariat ist so jehr in der Nähe aller diescr Ortschaften, daß, wenn ein wirkliches Bedürfniß eintreten sollte, sofort Abhülfe geschaft werden kann. Dit dortigen Gegenden aber haben dergleil;e Beamte gar nicht zur Disposition, man müßte für e itA Fälle von weither Beamte kommen en und die Zustäude würdèn an den Tag legen, daß außerordêntliche Hülfe doch nothwendig sei. Wenn nun im Laufe des Jahres, vorausgeseßt, daß Sie den Posten bewilligen, aus der Stellung dieses— wir wollen ihn einmal nennen „Kreis - Polizei - Inspektor“ fih Disharmonien herausstellten, dann ist es immer noch Zeit in eine geseßliche Regelung eixzutreten; ih glaube aber, man thut nicht Ret, aus Beforgniß vor Unzuträglichkeiten cin Vakuunt zu etabliren, was für die dortigen s von höchst nachtheiligen Folgea scin kann. Jch schlage Ihnen daher vor, den früheren Beschluß, den Sie gefaßt haben, zu modt-

fiziren und durch einstweiliges Fortbestehenlafsen der Pelizei-Inspektor- stellen eine Garantie für die dortigen Zustände herbeizuführen.

Ueber die Anträge des Abg. v. Benda und Miquel, im Etat des Ministeriums der landwirth\chaftlihen Angelegenheiten Kap. 106 die Regierungsvorlage wiederherzustellen, erklärte der Handels-Minister Dr. Achenba ch:

Ich kann mich um so kürzer fassen, als diejenigen Gründe, welche der Herr Vorredner bereits angeführt hat, vollkommen zutreffend sind. Œs ist erstens rihtig, daß der früber gefaßte Beschluß inkorrekt ift, ivdem der Durbschnittsgehalt eines Dirigenten einer General - Kom- mission 2650 Thlr. beträgt, also 350 Thlc. vom Hause zu wenig be- willigt worden sind. Auf der anderen Seite halte ih mich für verpflih- tet, nowmals hervorzuheben, daß die General-Kommissare in ihrem Range mit dem Vice-Präsidenten der Regierukg und der Appellationêgerichte gleichstehen, und daß mix kein Grund vorzulicacn scheint, diese Beamten anders zu behandeln, als jene. Sodann find die Generalkommissionen Provinzialbehérden. Alle Beamte von den Generalkommissionen, mit Ausnahme der Vorsißzenden, sind in ihren Gehaltsverbältnissen ganz wie die Beamten der übrigen Próovinzialbehörden gesteüt. Es ist daher nicht abzusehen, warum man den Versißenden bezüglich des- Gehalts niht mindestens die Gleichstellung mit den Regierungs-Viccpräsidenten gen -ähren will. Ich muß auch das bestätigen, wazs der Herr Vorredner hervorgehoben hat, daß wir es gerade mit Beamten zu thun haben, welche diejenige Geseßgebung, welche die ruhmvollste des preußischen Staates ist, zur Ausführung zu bringen berufén waren. Sie sind das Werkzeug gewesen, um die bäuerlichen Verhältnisse zu regeln, die Ablösung der Reallasten und die Gemeinheitstheilung durchzuführen. Es wäre in der That ein eigenthümliches Schifsal, wenn in dem gegenwärtigen Moment dicjenig-n Behörden, welche fcne Geseße durzuführen hatten, in ihren peisönlichen Angelegenheiten derartig benachtheiligt werden sollten. “Ich kann daher im Interesse der Sache nur wünschen, daß das Haus von Fo! Beschluss abstche und die ursprüngliche Vorlage der Regierung annehme.

Den Titel 7a. des Kapitel 125 (196,137 Thlr. zu Schul- auffihtskosten, und zwar sowohl zu Remunerationen für kom- missarishe Verwaltung von Schulinspektionen, wie zu zeikwei- ligen Remunerationen für Schulinspektoren im Nebenamt) beaitragte der Abg. Richter (Hagen) zu zerlegen in: Titel 7a. Zu Sqchulauffichtskosten, und zwar zu Remunerationen für die fommissarishe Verwaltung von Sculinspektionen 146,137 Thlr. Titel 7b, Zu zeitweiligen Remunerationen für Schulinspektoren im Nebenamt 50,000 Thlx. Vermerk: Ersparnisse können zur Verstärkung von Titel 7a. verwendet werden.

Der Mirtister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Falk äußerte hierüber :

Die Ausführungen der Herren- Redner - haben gezeigt, daß es \ckwer fein wird, den Antrag des Herrn Abgeordneten Richter und den Antrag, - den die Königliche Staatsregierung in den Nachtrags- etat gebracht hat, getrennt zu Lehandeln. Jch möchte deshalb zur Erwägung des Herrn Präsitenten stellen, ob es nicht zweckmäzig wäre, die Diskussion über beide Momente zu verbinden.

In der Diskussion erklärte der Staats-Minister Pr. Fal f:

Meine Herren! Ich stelle an das Hohe Haus die Bitte, zunächst bci dem Titel Schulaufsichtskosten an dem Beschlusse der zweiten Lesung festhalten zu wollen u-d außerdem die im Nachtrags-Etat auêgebrachte Pofition von 250,000 Thlx. zu bewilligen.

Was die exste Position betrifft, so ist es ja nah deu eingehenden Verhandlungen der betreffenden Sißung zweiter Lesung erinnerlich, daß cs allerdings in der Intention der Staatsregierung gelegen hatte, dur die Position Schulaufsichtskosten uicht blos dem gerechten Anspruche der im Schulauffichtsdienst nüßlih verwendeten Geistlihen zu genügen, indem fie ihnen eine angemessene Belohnung geben wollte, sondern auch in der That indirekt dahin zu wirken, daß die Einnahméver- hältnisse der Geistlichen überhauyt verbessert würden. Ich habe mir gestattet, in jener Sißung die Gründe darzulegen, die die Staats- regierung veranlaßt hatten, Jhnen gerade diesen Vorschlag ouch zur Erreichung des leßterwähnten Zweckes zu maten. Das Holhe Haus hat diesem Gesichtspunkte keine Folge gegeben, es hat weggestrichen aus den Motiven dieser Position die Rücksicht auf die Verbesserung der Lage der Geistlichen überhaupt, es hat im Ganzen und Einzelnen ledigzlich daran festgehalten, daß cs sich in diesem Titel darum handelt, cine Summe zur Verfügung der Staats- regierung zu stellen, mittelst deren sie in der Lage sei, den vou mir erwähnten gerechten Ansprüchen geistlicher Schulaufseher zu genügen, daß also nichts weiter geshchen solle, als daß der Staat die Geist- lichen bezahlt für eine Leistung, die fie lediglich im Jnleresse des Staates übernehmen. Darum find 250,000 Thlr. abgeseßt, und dem- nächst auf den Titel: „Zur Besoldung der Elementarschullehrer“ über- tragen worden. Es fam also bei der Bewilligung, die das Haus auëgesprochen hat, die Rücksicht, die Geistlihen im Ganzen einiger- maßen in ihren Einnahmen förde:n, gar ni{cht in Betracht, und das möchte ih cuch den Herrn Abg. Kiesel, der das glaubte, bitten, festzuhalten. Es lagen damals zwei Anträge vor: der eine Antrag, den heute der Abg. Richter wieder gestellt hat, und der An- irag des Pert Abg. Nasse, den das Haus in der zweiten Lesung sh zu eigen gemacht hat. Wenn der Antrag des Abg. Richter angenommen wird, wonach also für die geistlichen Schul- inspektoren, die in ihrem eigentlihen Amte als Nebenamt die Funktion der Schulinspektion üben, 50,000 Thlr. ausgeworfen werden, und im Nebrigen die Summe von 146,000 Thalern für kommissarische Ver- waltung hingestellt wird, dergestalt, daß irgend eine Beziehung zwischen diesen beiden Titeln nicht stattfindet, eine Uebertragbarkeit nicht eintritt, so bin ich auch heut noch der Ueberzeugung, die ih in einer früheren Sihung ausdrückte, daß nämlich in der That der Ge- rechtigkeit niht Genüge geleistet wird. Eine Summe von 50,000 Thlr. ist nicht hinreichend, um auch nur den hervorragendsten und den am meisten beschäftigten geistlichen Schulaufsehern einigermaßen das zu erseßen, was sie dem Staate leisten, die Sumine muß in dieser Be» ziehung cine größere sein. Jch habe in der leßten Sißung ver- \chicdene Möglichkeiten hingestellt, die. die Sache auësglichen, ih habe hervorgehoben, es würde statthaft sein, auszusprechen, daß die Position von 146,030 Thlr. ganz oder theilweise als über- tragbar erklärt werde, oder aber daß, was ja dies am allerdent- lichsten ausdrüdckt, der Antrag des Abg. Nasse Annahme findet. Jch habe dicsen Vorschlag deshalb gemacht, weil ih überzeugt bin, daß, wie die Sachen liegen, zu dem“ Zwccke, zu dem die 146,000 Thlr. zunächst ausgeworfen worden sind, sie nicht völlig verwendet werden, sondern, daß ein Theil übrig bleiben würde und daß diescr Theil dann wohl geeignet sei, das Unrecht, welches in der Beschränkung der Summe für die, geistlichen Schulaufseher auf die glatte Ziffer von 50,000 liegt, auszugleichen, ohne daß es erforderlich sei, im Ganzen eine größere Summe zu fordern, als bei den Vorshlägen der Budgetkommission inêgesamm!t in Aussicht ge- nommen werde. Jch muß in der That sagen, daß nur dann Recht geschehe, wenn der Antrag Nasse, also der Besluß der zweiten Lesung, aufrecht erhalten wird. Sollte das nicht beliebt werden, so würde ih wünschen; daß eine Uebertragbarkeit dieser Position überhaupt aus- gesprochen würde oder doch die Uebertragbarkeit bis zu einer gewissen Summe.

Was uun die zweite Position betrifft, so ist ja ganz richtig, was der