1874 / 36 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Feb 1874 18:00:01 GMT) scan diff

bei dem Untersuhungsamte T1. zu Cöln zur Untersuchung gezogen worden, und hiervon dem Haufe Mittheilung zu machen.

Das Haus trat nah einem ausführlihen Referate des Abg. Thilo diesen Anträgen bei. Dann erledigte das Haus in Be- rathung den Entwurf eines Gesehes, betreffend das Expro- priationsverfahren in den durch das Geseß vom 24. Dezember 1866 mit der preußishen Monarchie vereinigten vormals bayerischen Landestheilen.

Der Gesetzentwurf, betreffend die Ausführung des Vor- behaltes bezüglih der Grafschaften Wernigerode und Stolberg im §. 181 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872, wurde nah einigen Bemerkungen der Abgg. Dr. von Gerlach, Dr. Eberty und Dr. Windthorst (Meppen) in folgender Fassung ange- nommen :

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. verordnen zur Ausführung des Vorbehalts in §. 181 der Kreisord- nung vom 13. Dezember 1872 (Geseßz-Samml. 1872 S. 661) wegen der Grafschaften Wernigerode und Stolberg nebst Heringen und Ms u Zustimmung beider Häuser des Landtags der Monarchie, was folgt:

8. 1. In der Grafschaft Wernigerode, sowie in den Grafschaften Stolberg-Stolberg mit dem vormaligen Amte Heringen und Stol- berg-Roßla mit dem ehemaligen Amte Kelbra tritt die Krei2ordnung vom 13. Dezember 1872 unter Fortfall des §. 181 derselben mit der in nahstehendem Paragraphen enthaltenen Maßgabe in Kraft.

8. 2. Zu §8. 97 Nr. 5. Das Recht der Betheiligung dur Stellvertreter an der Wahl der von den Wahlyerbänden der größeren Grundbesißer zu wählenden Kreistags-Abgeordneten steht in derselben Meise, wie den Mitgliedern regierender Häuser, den Grafen zu Stol- berg-Wernigerode, Stolberg-Stolberg und Stolberg-Roßla in denjeni- gen Kreisen zy, welchea ihre Besißungen (8. 1) angehören.

Hierauf nahm das Haus folgenden Antrag der Geschäfts- ordnungs-Kommisfion an:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: daz das Mandat des Abgeordneten Dr. Philippi durch feine Ernennung zum Geheimen Ober-Justiz-Rath nicht erloschen ift. :

Dann ging das Haus zu Wahlprüfungen über. Bei S{luß des Blattes war man bei den Hohenzollernshen Wahlen.

E RE Er dn

Am Stglufse seiner se{chsten Plenarsizurg machte der Kommunal-Landtag der Kurmark das auf Errichtung eines Denkmals auf dem Marienberge bei Brandenburg zielende Unternehmen zu dem seinen, indem er den bereits vom 45. Kommunal-Landtage aus dem ständishen Dispositionsfonds der Hülfskasse bewilligten 100 Thaler ferner 7000 Thaler hinzu- fügte und cine aus dem Wirklichen Geheimen Ober-Regierungs- Rath und Domherrn des Domstiftes zu Brandenburg von Klüßow zu Berlin, dem Stadtrath Köppen zu Potsdam und dem Lehn- \hulzen Schulze zu Göt bestehende Kommission ernannte, welche im Verein mit dem bisherigen Vorstande das Denkmal zur Ausführung bringen jsoll. Dasselbe wird, nah einem Projekte des Baumeisters Hubert Stier, die Namen der in den lezten drei Kriegen gefallenen Kurmärker verzeihnen und in seinem reihen bildlihen Shmude, auf der welthistorischen Stätte des Marienberges, die geschihtlihe Entwiklung der Kurmark bis zur Gegenwart versinnbildlihen. Da der bisherige Vorstand eine gleih hohe Summe bereits gesammelt hat, und das noch feh- lende Drittel der Baukosten aus ferneren Sammlungen, nament- lih in den übrigen kurmärkishen Stadt- und Landkreisen erhofft werden darf, soll mit dem Bau sofort begonnen werden.

Seine siebente, achte und neunte Plenarsizung hielt der Landtag am 4., 7. und 9. d. Mts. In denselben wurde den günstig abschließenden' Rehnüngen der Städte- und der Land- Feuersozietät und des Landarmenwesens für das Jahr 1872 die Decharge ertheilt und der Etat des leßteren für die nächsten drei Iahre festgestellt. Wie s{chon früher den hiesigen Beamten der ersten Kategorie, sind nunmehr au denen der beiden leßteren Wohnungsgeldzushüsse nah Maßgabe des Gefeßes vom 12. Mai 1873 bewilligt. Dessenungeachtet ist der Abschluß des Etats für das Landarmenwesen als ein günstiger zu bezeichnen. Das Letztere erfuhr endlih in seiner Fürsorge für die Geisteskranken dur zeitgemäße Erneuerung des Reglements für die Land-Irren- Anstalt zu Neustadt-Eberswalde eine wesentlihe Verbesserung. Die Anträge der Land-Feuersozietäts-Direktion auf Aenderung des Beitragsverhältnisses der einzelnen Verficherungsklassen und auf Gründung eines Fonds zu Bauhülfsgeldern für folche Ge- bäude, welche durch Umbau zur Aufnahme in eine bessere Klasse fähig gemacht werden, wurden zur Beschlußfassung an den näh- ften Kommunal-Landtag verwiesen, um dieselben inzwischen einer nohmaligen Prüfung und Vorbereitung zu unterwerfen.

In seiner leßten Sißzung theilte der Ober - Präsident dem Landtage die Urkunde mit, durh welhe Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedri Carl das auf dem Felde bei Dahms- dorf im Lebuser Kreise zum Andenken an die Großthaten des dritten Armee-Corps in den leßten drei Kriegen errichtete Denk- mal der Provinz Brandenburg geschenkt hat. Der Landtag, obwohl nicht die ganze Provinz vertreten, beshloß, sofort dem Hohen Geber scine freudige Bewegung und feinen ehrerbietigsten Dank durch eine Adresse auszudrücken.

Der General-Feldmarschall von Steinmeß is zur Theilnahme an den Sizungen des Herrenhauses hier eingetroffen.

Der Courierzug Vill, der Königlihen Ostbahn traf

gestern um 8 Uhr 42 Minuten, also mit 2 Stunden und-

7 Minuten Verspätung hier ein. Grund: starkes Schneetreiben bei Simonsdorf, Freimahhung der Strecke und Reinigen der Maschine von Schnee und Eis.

Sachsen. Dresden, 10. Februar. Die Erste Kam- mer unterzog in ihrer heutigen Sizung den Vorbericht der zweiten Deputation über das ordentliche Budget ihrer Berathung. Der Be- riht spricht die Uebereinstimmung der Deputation mit den von der Staatsregierung bezüglih der Erhöhung der Staatsdienergehalte befolgten Grundsäßen aus, findet die Gehaltserhöhungen selbst bei der günstigen Finanzlage unbedenklich und bedauert \{ließ- li, daß die Zweite Kammer in Bezug auf die Gehalte der hô- heren Stellen verschiedene nah Anficht der Deputation nicht wünschenswerthe Abstrihe vorgenommen habe. Sämmtliche Red- ner sprachen ihr Einverständniß mit diesen Anschauungen aus; außerdem legten Ober-Hofprediger Dr. Kohlshütter und Professor Dr. Fricke der Deputation die Fürsorge für die niedrig besoldeten Geistlichen ans Herz. Oberschenk v. Meb#sch regte den Wegfall einiger indirekien Steuern, wie der Schlachtsteuer, Graf v. Ho- henthal die Erwägung einer theilweisen Einführung des Servis- zulagensystems, Advokat Deumer endlih die Gründung einer Vorschußkasse für ohne eigene Shuld in Schulden gerathene Beamte an, welcher leßteren Idee jedoch Staats-Minister Freiherr v. Friesen auf das Entschiedenste widersprach. Die Kammer autorisirte \{chließlich ihre Finanzdeputation, die von leßterer ent- wickelten Grundsäße ihrer Berichterstattung, welhe nah dem PNSSCEIUIGONe der Kammern erfolgen foll, zu Grunde zu

gen.

Baden. Karlsruhe, 9. Februar. Heute Nachmittag ist die Fürstin von Leiningen, Prinzessin Marie von Ba-

den, aus Amorbah zum Besuche ihrer Hohen Verwandten in Karlsruhe eingetroffen; ebenso aus Straßburg der Erbgroß- herzog von Oldenburg, um an dem heute Abend im Groß- herzoglichen Residenz\schlosse stattfindenden Hofballe Theil zu neh- men, zu welchem gegen fiebenhundert Einladungen ergangen waren.

Das Gesetzes- und Verordnungsblatt Nr. 4 enthält Bekanntmachungen: 1) des Ministeriums des Großherzog- lihen Hauses, der Justiz und des Auswärtigen: den Vertrag mit der Schweiz wegen der Berbindung der beiderseitigen Eisen- bahnen bei Singen und bei Konstanz betreffend. 2) Des Han- dels-Ministeriums: den Bau einer Eisenbahn Winterthur - Sin- gen-Kreuzlingen-Konstanz betreffend.

7. Februar. In der Ersten Kammer erwiderte heute auf eine Anregung des Abg. Hummel, es möchten bald die Matrikularbeiträge aufhören und an deren Stelle eine direkte Reichsfteuer treten, der Ministerial-Präsident Ellstätter, er gebe zu, daß die Matrikularbeiträge nur ein Nothbehelf seien ; wenn es auch als ein lebhafter Wunsh der Regierung zu betrachten sei, daß eine allgemeine Reichs\teuer eingeführt werde, so ftünden doch sehr crhebliche Bedenken entgegen. Die Einführung einer direkten Reichssteuer seße eine ausgebildete Organisation von Reichsbeamten voraus, da die Erhebung einer direkten Steuer nicht, wie die einer indirekten, durch die Beamten der einzelnen Staaten bewerkstelligt werden könne. Ueberdies greife die Einfüh- rung einer direkten Reichssteuer sehr bedeutend in die Steuersysteme der einzelnen Länder ein. Es \ei daher eher zu erwarten, daß durch Einführung beziehungsw. Vermehrung von indirekten Steuern eine Verminderung der Matrikularbeiträge erzielt werde. Im Ver- lauf der Sitzung erkiärte sch Graf Kageneck gegen den Staats- beitrag zur Dcckung des Aufwands für die kirhlihen Bedürf- nisse der Altkatholiken. Gegen die Behauptung Kagenecks, daß allein der Papst zu entscheiden habe, ob die Altkatholiken inner- halb oder außerhalb der fatkolishen Kirche stehen, erhob \ich Staats-Minister Jolly, welcher behauptete, daß diese Frage allein nach den bestehenden Landesgeseßen und von den hierzu berufe- nen Landesbehörden zu entscheiden sei. Es sei aber von lehteren bereits entschieden, daß die Altkatholiken rechtlich innerhalb der fatholishen Kirche stehen und als Katholiken juristish zu be- handeln seien. Sodann wurde über die Beshlüsse der Zweiten Kammer, betreffend die Revision der Staatsverfassung, berathen und beshlo}sen:

1) „Eine umfassende Revision der bestehenden Staatsverfassung vom 22. August 1818 ersceint dermalen nicht als geboten; 2) da- gegen erkennt die Erste Kammer an, daß eine größere oder geringere Zahl von Bestimmungen der Verfassung jeßt schon einer Revision unterzogen werden könnte; sie ist daher in diesem Sinne bereit, zu einer durch Großherzoglihe Regierung zu berufenden Verfassungs- Revisionskommission Wertrauensmänner abzuordnen.

In der Zweiten Kammer gab der Abg. Bär im Auftrage der Kommission für das Kirchengeseß, welher der Ent- wurf des Altkatholikengese:es zugewiesen is, die Erklärung, daß die Kommission die Vorberathung des Entwurfs \o weit geför- dert habe, daß der Referent zur Erstattung des Berichts im Hause vorbereitet sei; wenn die Kommission troßdem von einer Vorlage an das Haus vor der Vertagung des Landtags absehe, so geschehe dies in Folge ciner von der Ersten Kammer erhal- tenen Mittheilung, daß dieselbe niht mehr auf eine Berathung des Entwurfs einzugehen in der Lage sei. Die - Kommission weist zur Beruhigung. dé# Petenten auf die vom Staats-Minister wiederholt abgegebené Etxlärung, daß die Regierung die Alt- fatholifen als Angehörige der katholischen Kirche betrachte und auf die in das Budgét; aufgenommene Position für kirhlihe Bedürfnisse der Altkatholiken hin.

Sessen. Darmstadt, 9. Februar. Zufolge Allerhöchster Entschließung des Großherzogs und mit Zustimmung der Stände wird die seitherige Abgabe von 30 Kr. für jedes Exemplar der im Großherzogthum gehaltenen auswärtigen politischen Zei- 42044 von Anfang des laufenden Jahres an nicht mehr er- oben.

H RE T S Er E S EE D T N L L E EI E E E E L H? S K P 1 T D T S VETD

Meeklenburg. Schwerin, 10. Februar. Sicherem Vernehmen der „M. Anz nah sind die Berathungen der Kom- mission in der Verfassungs-Angelegenheit soweit vor- geschritten, daß am Montag, den 16., mit der Plenarberathung wird begonnen werden können.

Schwarzburg-Sondershausen. Sondershausen, 10. Februar. Das heute ausgegebene 6. Landesgeseß- Sammlungs-Stück enthält: Geseh, die Erhöhung der Be- soldung der Volksschullehrer betreffend vom 24. Januar 1874; Gese, die Abänderung des §. 7 des Geseßes vom 10. März 1852 über die gerichtlihe Zuschreibung betreffend vom 31. Januar cr.; Gesez, Abänderungen der Feldpolizei-Ordnung vom 1. April 1854 betreffend vom 2. Februar cr.

E Par

Desterreich- Ungarn. Wien, 10. Februar. (W. T. B.) Der Kaiser wird auf seiner Reise nah St. Petersburg am Don- nerstag, den 12. d., Morgens 62 Uhr, in Warschau eintreffen, wo derselbe einen zweistündigen Aufenthalt nehmen und während E das Grenadier-Regiment Kaiser Franz Iosef besichtigen wird.

Im Abgeordnetenhause brahte der Handels- Minister Geseßentwürfe, betreffend den fofortigen Ausbau der Bahnlinien Falkenau-Grasliß, Pilsen-Eisenstein und Rakonit- Protivin, ein und machte ferner Vorlagen, betreffend die Bedin- gungen für die Sicherstellung von 5 weiteren Bahnlinien. Der Handels-Minister machte sodann die Mittheilunrig, daß zum Bau der Bahnstrecke Leluchow-Tarnow und der österreichishen Bahnen 15,700,000 F1. erforderlich seien. Vom Finanz-Minister wurde ein Geseßentwurf über die Herabseßung der Gebühren im Falle der Fusionirung der Baugesellschaften vorgelegt.

11. Februar. (W. T. B.) Der Gesammtbetrag der Summen, die nah den von der Regierung gestern cingebrahten Vorlagen für Subventionirung von Eisenbahnbauten p Sus genommen worden, beziffert sich auf 35 Millionen

ulden.

Die „Neue Freie Presse“ meldet, die Regierung gedenke von der ihr im Hülfsgeseße eingeräumten Befugniß, eventuell eine Staats\chuld vou 80 Millionen zu kontrahiren, keinen Ge- brau zu machen, da für die nähsten Bedürfnisse vorläufig die Kassabestände ausreihen würden. Eventuell solle der weitere Be- darf dur die im Budget nachgesuchte Erlaubniß zum Verkauf von Rententiteln gedeckt werden.

Pesth, 9. Februar. Im Abgeordnetenhause wurde heute der Bericht des Unterrihtsaus\husses über den Geseßz- entwurf in Betreff der Mittelshulen vorgelegt und das Ostbahn- geseß publizirt. f

Schweiz. Bern, 10. Februar. (W. T. B.) Die Re- gierung von Solothurn hat den aus dem Berner Jura ausgewiesenen Geistlihen den Aufenthalt im Kanton unter-

fagt und fie angewiesen, denselben innerhalb drei Tagen gzu verlassen.

Niederlande. Haag, 7. Februar. Der deutsche Gesandte am niederländischen Hofe, Graf von Perponcher, is nah Ablauf eines längeren Urlaubes vorgestern aus Deutschland im Haag wieder eingetroffen. Gestern Abend wurde derselbe von der Königin empfangen.

Der Bericht der Kommission der Zweiten Kammer der Generalstaaten über den Gesehentwurf, betreffend Regelung des niederländischen Münzwesens (für Einführung der Goldwährung), ist nunmehr im Druck erschienen. An der Prü- fung in den Sektionen (am 14. November) haben danach nur 48 Mitglieder theilgenommen. Der Uebergang der Goldwährung wurde kräftig vertheidigt. Die, welhe sich für Goldwährung aussprachen, waren getheilter Meinung über das bei der Ein- führung anzunehmende System; die Einen verlangten den An- \{chluß an das Franken-System, Andere den Anschluß an die deutsche Mark, eine dritte Partei den Anschluß an das englische System, eine bedeutende Anzahl aber die Annahme eines selbst- ständigen Systems. Die Regierung selbft erklärt, sie beharre bei ihrem für die Einführung der Goldwährung aufgestellten Systeme, und ift der Meinung, der Preis des Silbers werde noch mehr finken; wenn die Niederlande mit ihrer Silberwährung allein stehen blieben zwishen großen Reichen, welche Goldwährung hätten, dann fei der niederländishe Geldmarkt Gefahren nah- theiliger Störung ausgeseßt. Die Regierung dringt auf baldigste Entscheidung und will deshalb selbst das Zustandekommen einer Vereinbarung mit Indien bezüglich der Frage des indischen Münzwesens nicht abwarten.

Großbritannien und Jrland. London, 9. Februar. Wie das Hofjournal meldet, werden der Herzog und die Her- zogin von Edinburgh am 27. d. M. St. Petersburg ver- lassen und nah einem kurzen Aufenthalte in Berlin am 5. März in Windsor zu einem Besuche der Königin eintreffen.

Die Königin hat den Erzdiakonus von Surrey, Dr. Utterton zum Weihbishof des Bischofs von Winchester mit dem Titel B ishof von Guildford ernannt.

Der permanente Unterstaats - Sekretär im Ministerium für Indien, Herman Merivale, if gestern hier im 69. Jahre gestorben.

Am Sonnabend fand unter dem Vorsiß des Marquis von Westminster ein Meeting von Freiwilligen-Com- mandeuren statt, in welchem einstimmig beschlossen wurde,” !es sei im Interesse der Freiwilligen-Corps wünschenswerth, daß am nächsten Dstermontag wie in früheren Jahren ein Feldtag abge- halten werde.

11. Februar. (W. T. B.) Bis jeßt liegt das Ergebniß von 551 Parlaments3wahlen vor, von denen 292 für die Konservativen, 259 für die Liberalen ausgefallen find. Die Anzahl der von den Ersteren gewonnenen Sitze is auf 81 ge- stiegen; Letztere haben bisher nur 29 Sitze gewonnen.

Frankreich. Versailles, 10. Februar. (W. T. B.) Im Fortgange der Berathung über das neue Steuergesegz gelangten in der heutigen Sizung der Nationalversammlung die Be- stimmungen über die Zuschlagssteuer auf kaufmännische Anweisungen zur Diskussion. Mehrere Redner sprachen gegen die Annahme der Stcuer. Finanz-Minister Magne vertheidigte dieselbe und hob besonders hervor, daß Jndustrie und Handel in Frankreich troß der auf dieselben gelegten Lasten seit zwei Jahren beständig zugenommen hätten. Die Zuschlagsfteuer auf kaufmännische Anweisungen wurde darauf angenommen. Im weiteren Ver- laufe d.r Sitzung lehnte der Herzog v. Broglie die Beantwortung einer von einem Deputirten des linken Centrums über das Maires- Gesetz gestellten Jnterpellation ab, da es seine Absicht sei, in- die Interpellation Gambetta's über das von ihm betreffs des Maires- Gesetzes an die Präfekten erlassene Rundschreiben einzutreten.

Spanien. Aus Durango wird dem Reutershen Bureau unterm 4. d. M. gemeldet: „Andechaga, der Commandeur der Carlistentruppen, die Bilbao belagern, hat den Einwohnern eine ahttägige Frist, während wclher ihnen gestattet ift, die Stadt unbehindert zu verlassen, bewilligt. Nach Ablauf dieser Frist wird er anfangen, den Plaß zu bombardiren. In Folge dieser Anzeige verlassen viele Leute Bilbao.“

Numänien. Bukarest, 8. Februar. Nach dreitägigen heftigen Debatten beschloß die Kammer mit 68 gegen 40 Stimmen, das neue Gemeindegeseyß in Erwägung zu ziehen.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 5. Februar. Die Zweite Kammer hat drei „zufällige“ Ausschüsse“ er- wählt und dem ersten derselben verschiedene Vorschläge, betreffend das Unterrichtswesen, dem zwe.ten einige Fragen über Jagd, Fischerei, Forstwesen u. #. w., und dem dritten verschiedene Ge- werbesachen zur Begutachtung vorgelegt. Es is noch unent- schieden, ob ein vierter Aus\{chuß zur Behandlung der Forft- geseßgebung niedergesezt werden soll.

Chrijtiania, 6. Februar. Der König und die Könis gin sind hier vorgestern eingetroffen und wurden am Bahnhofe von den Spißen der Behêrden empfangen. Esfkortirt von der reitenden Bürgergarde, begaben \fich Ihre Majestäten sofort in einem geschlossenen Wagen nah dem Schlosse, während die lange Strecke vom Bahnhofe dorthin auf beiden Seiten mit einer zahl- reihen Menschenmenge beseßt war, welche die AUerhöchsten Herr- schaften mit begeisterten Hochrufen empfing.

Dem norwegischen „Aftonbladet“ zufolge ift der Bud- getvorschlag in einer am Dienstage abgehaltenen Staatsraths- sizung definitiv mit einem Betrage von 6,100,000 Spezies an- genommen worden. Die Summe, welhe zu Gehaltserhöhungen für Beamte und Angestellte gefordert wird, beträgt 206,000 Spezies.

10. Februar. (W. T. B.) Heute ist das Storthing durch den König eröffnet worden. Der Eingang der vom König verlesenen Thronrede lautet mit der bei Eröffnung des \{chwe- dischen Reichstags gehaltenen fast übereinstimmend. Als Vor- lagen werden angelündigt: Ein Geseg über Erhöhung der Be- amtengehalte, ein Gese über die Theilnahme der Minister an den Verhandlungen des Storthing, cine Vorlage über Erweite- rung des Eisenbahnnetes, sowie mehrere Vorlagen, die mit den Vorarbeiten, betreffs Aenderung des Kriegsdienstgesezes zusam- menhängen.

Dänemark. Kopenhagen, 7. Februar. Das Folke- thing begann gestern die erste Berathung des Geseßvorschlages über eine veränderte Vertheilung der Folkethings-Wahlkreise. Mehrere Abgeordnete sprachen gegen den Geseßvorschlag, nament- lih s\oweit dieser die vorgeshchlagene Errichtung von vier neuen Wakhlkreisen betrifft, gleihwie auch die Mehrzahl der Genannten meinten, daß wenn eine Vertheilung der bestehenden Kreise vor- genommen werden sollte, so müßte solches in so umfassender

Weise geschehen, daß keine Rückficht auf Amtseintheilungen ge- nommen würde, wobei Hinzugefügt wurde, daß man die Ge- legenheit benußen müsse, die Wahlstätten nah den Mittelpunkten der verschiedenen Kreise zu verlegen, einerlei, ob eine Stadt oder ein Dorf der Wahlort werde. Die Diskusfion wird morgen fortgeseßt werden.

Asien. Ueber die Hungersnoth in Bengalen wird den „Times“ aus Calcutta vom 8. d. M. gemeldet:

„Die Transportschwierigkeit ist höchst ernstlih. Es wurde ange- ordnet, Pferdebahnen nah Allahabad anzulegen. Die Regierung ladet zu Submissionen ein, um wöchentlih 209,000 Maunds nach Tirhut zu befördern. Der Regen hat den Traxsitverkehr von Reis beein- trächtigt, aber viele Distrikte bevortheilt. Jn Tirhut ist der Noth- tand groß. Sarun, Gumparun und Dinagepore leiden ebenfalls ehr. Die Bevölkerung wird gegen eine Pilgerfahrt nah Gya ge- warnt. In Theilen von Busti, Goru&pore, Ghazepore und Mirza- pore herrscht, amtlichen Meldungen zufolge, Nothstand. Die Hülfs- Komites sind thätig und die Betheiligung an den Nothbauten ift sehr beträchtlih. Jn Nepaul herrscht Hungersnoth. Der Specialcentu3 enthält die Thatsache, daß es dort nur für sechs Wochen Lebensmittel giebt. Der Resident hat nah einer Berathung mit dem Vicekönig ein Drittel der Atgaben erlassen. * /

Einem vom 1. d. Mts. datirten, am Morgen des 6. in Penang aufgegebenen Telegramme des General-Lieutenants van Swieten, welches dem Kolonien-Ministerium zugekommen, sind nachstehende Mittheilungen entnommen : i

Am 29. Januar wurde eine Rekognoëcirung nah dem südlich vom Kraton gelegenen Gebiete der 22 Moekim ausgeführt, um den Schlüssel der Verbindung zwischen den 22 und den 25 Moekim zu suchen. Bei dieser Gelegenheit wurden von der Veste der 22 Moekim aus die niederländischen Truppen lebhaft beschossen, wobei ihnen 3 Mann ge- tôdtet und 18 Mann verwundet wurden. Die 25 und 26 Moekim gaben Unterwerfungs-Anzeichen und die 22 Moekim würden diejem Beispiele, wie man versicherte, jeßt in Folge des Todes ihres Fürsten Panglima Polim an der Cholera wohl folgen. Mit dem Volks- charafter befannte Personen sagten, daß die Unterwerfung aller Be- zirke des Sultanates Atchin mit Gewißheit erwartet werden könne. Proklamationen an die Bevölkerungen sämmtlicher Bezirke, worin ihnen freie Ausübung ihres Kultus und Wahrung ihrer Sitten und nationalen Einrichtungen zugesichert wird waren bereits in Umlauf gebracht, und gleiche Kundmachungen an die Großatchin untergebenen Staaten wurden vorbereitet. Die Cholera rafe wieder viele Opfer hin, trat jedoch zur Zeit der Absendung dieses Telegramms aus Atchin minder heftig auf. Verstärkungen an Marinemannschaften oder anderen Streitkräften wurden nicht für nôthig erachtet. Durch diese leßtere Erörterung wird eine Anfrage beantwortet, we!che der Kolonien-Minister vor dem Falle des Kratons gestellt, nahdem zu seiner Kenntniß gekommen war, daß van Swicten auch die zweite Hälfte der Reserve-Brigade von Padang nach Atchin beordert hatte. Mit den in obigem Telegramme erwähnten Groß- athin untergebenen Staaten sind die Lande an der West- und der Osiküste von Sumatra gemeint, die nicht zu dem eigentlichen atchine- sishen Stammlande, den Gebieten der 22, 25 und 26 Moekim, ge- hören und die, wie z. B. Pedir, Edi 2c., unter eigenen “ürsten stehen, aber dem Sultane von Atchin tributpflichtig find. Einige diefer Fürsten haben bereits Geneigtheit, sich dem Proteftorate der Nieder- lande zu unterwerfen, an den Tag gelegt. i

Die japanische Poft bringt bis zum 20. November reihende Nachrichten. Am 3. November wurde der 23. Geburts- tag des Mikado festlih begangen. Die Gesandten der fremden Mächte wourden in Yeddo, die Konsuln in Yokuhama von dem Gouverneur von Kanagawa zu Festlichkeiten geladen. Die Zei- tungen von Nar.gasaki melden den Tod des Herrn Kenneth Ross Mackenzie, welcher für den ausländischen Handel in Japan ener- gish Bahn gebrochen hat. Ueber die Ursachen der jüngsten fozialen und politishen Veränderungen in Japan hat der stell- vertretende Premier-Minister Kido Takayoshi eine Schrift ver- öffentlicht. ,

Afrika. Aus Eibraltar wird dem „Reutershen Bureau“ unterm 4. d. M. gemeldet:

Der Sultan von Marocco hat dem Bey von Tangier ein reihgeschirries Pferd zum Geschenk gemacht. Derselbe wird sich in Kurzem an den maurischen Hof begeben, um dem Sultan seine Ach- tung zu bezeugen Sömmktliche Provinzial-Gouverneure find zu einem großen Durbar an den Hof befehlen worden. Die Nachricht von der Aufhebung der Chausscezölle in Marocco war verfrüht. Man er- wartet indeß, daß diese Steu-r nah der Ankunft des Sultans in Fez abgeschafft werden wird. Das deutsche Geschwader ift in Tangier angekommen.

Kairo, 10. Februar. (W. T. B.) Ein aus ca. 10,000.

Mann mit 3 Kanonen bestehendes Hülfscorps des Beherr- \chers von Darfur, das den längs des Gazaleflusses wohs- nenden Negerstämmen zur Unterstüßung dienen sollte, ist von einer ägyptishen Truppenabtheilung total geschlagen worden. Der Oberbefehlshaber der Truppen von Darfur wurde getödtet und die drei Geschüße der lehteren erbeutet. Die ägyptischen Truppen sind in Darfur eingerückt und sehen die Weiterverfol-

gung der Negerstämme fort.

Neichstags - Angelegenheiten.

Berlin, 11. Februar. In der gestrigen Sißung des Reichstags leitete der Bundesbevollmächtigte General-Postdirektor Stephan die Berathung des Postvertrags zwischen Deutschland und Brasilien wie folgt ein:

Meine Herren! Als ih die Ehre batte, Namens der verbündeten

Regierungen in der 30. Sißung der Frübjahrsfession von 1872 den mit dem Königreich Portugal abgeschlossenen Vertrag bei diesem Hohen Hanse mit einigen Worten einzuführen, da durfte ih jenen Vertrag als den leßten Pfeiler der Brücke für den direkten postalischen Verkehr mit Brasilien bezeichnen. Diese Brücke ist heute fertig. Die direkt:n deutschen Verbindungen, welche von Hamburg aus mit Bra- filien stattfinden, so greßen Nußen sie auch dem Verkehr gewähren, Fonnten doch nicht für ausreichend erachtet werden, um einen den heu- tigen Anforderungen entsprechenden Postverkehr mit Brasilien herzu- stellen. Es war zu dem Ende nöthig, day das Deutsche Reich die Befugniß der Benußuyg der übrigen mit Brasilien bestehenden Post- verbindungen erlangte. Diese direkten Dampfichiff - Verbindungen gehen aus von Southampton, von Antwerpen, von Bor- deaux und von Lissabon. Es bedurfte deshalb der vorherigen Nerhand!'ungen mit den betreffenden Staaten, sowie mit den Regierungen derjenigen Länder, deren Gebiet im Landtransit mit den Briefpacketen aus Deutschland aach Brasilien passirt werden muß; dies sind beispielsweise für die über Lissabon beförderten Brief- Padckete Belgien, Frankreich und Spanien. : Die Verhandlungen mußten der Natur der Sache nah mehrere Jahre in Anspruch nehmen, da geeignete Gelegenheiten abzuwarten Waren, um mit den fremden Regierungen über diesen Gegenstand zu verhandeln, und cs namentli au darauf ankam, alle diese Verträge möglichst gleichmäßig zu gestalten. Denn wenn wir auch die Transit- und Seepostrechte erworben gehabt E zu verschiedenen Bedingungen, fo wären wir genöthigt gewejen, einen mehrgliederigen Differential- Tarif einzuführen, was nah keiner Weise hin als zweckmäßig erkannt werden konnte. - :

Es gelang nun unter Verwerthung geeigneter Anlässe und auch unter Darxbringung von Opfern, diese Verträge sämmtlich dem obigen Plane gemäß zu Stande zu bringen, und als der leh'e derselben eben der mit Portugal abgeschlossen wurde, erging noch an demselben Tage von dem Herrn Reichskanzler die Ordre und Instruktion an unsern DNertreter in Rio Janeiro, um die Unterhandlungen mit der Kaiserlich

brasilianishen Regierung zu eröffnen. Diese Eröffnungen fanden bei der Regierung Brasiliens nit allein volles Verständniß, sondern auch das bereitwilligste Entgegenkommen; und wenn die Verhandlungen, ungeachtet des großen Eifers und Geschickes, mit welchen sie von un- serem dortigen Vertreter geführt worden find, dech noch Jahr und Tag in Anspruch nahwen, so lag _ das ledigli an der weiten Ent- fernung, die für die Instruktions-Einholung und Ertheilung eine ge- wisse Schwierigkeit im Gefolge batte, sowie in zufälligen Umständen, wie sie im Laufe jeder größeren Verhandlung eintrete

Der Vertrag ist nun am 30. September v. J. in Rio unter- zeidnet worden und damit zugleich einem Wunsche entsprochen, der mehrfach auch aus den Reihen des Hohen Hauses zur Sprache ge-

racht worden war. Die Erleichterungen, welhe der Vertrag für den

Briefverkehr, für die Versendung von Drucksachen und Zeitungen, von Handels- und Geschäftépapieren bringt, sind sehr erhebliche. Sie wer- den den Verkehrsbeziehungen zwischen beiden Reichen in mehr als einer Hinsicht zu statten kommen: dem Handel, der Schiffahrt, ja selbst gewissen Spezialitäten der deutschen Industrie, in welcher Be- ziehung ich mir nur erlaube, an die Achat-Industrie und den Krystall- Handel auf dem Hundsrück in Idar und Oberstein zu erinnern, von wo ausgebreitete Verbindungen und ein reger Korrespondenzverkehr mit Brasilien bestehen. E :

Höher als dieser Nußen möchte vielleiht nech ein ‘anderer Um- stand anzushlagen sein. Es ist gewiß mchreren der geehrten Herren, zum Theil aus näherem Studium, zum Theil auch aus eigener An- \chauung befanut, wie {chmerzlich von den Tausenden unserer Lands- leute, die in Brasilien wohnen, die bisherige Ershwerniß des Verkehrs mit dem Mutterlande, dem ja jeder Deutsche eine innige Anhänglich- keit bewahrt, unter welcher Zone er auch seinen Wohrfiß aufgeschlagen haben mag wie s{chmerzlich diese Erschwerniß empfunden worden ist; und ih darf der Hoffnung Raum geben, daß der vorliegende Ber- trag, welcher eine so wesentlihe Erleichterung für den intellektuellen Verkehr mit der Heimath bringt, freudig willkommen geheißen wird ven ten vielen Tausenden unserer deutschen Landsleute, die jenseits des Acquators, ja jenseits des Wendefkreises des Steinbocks wohzen.

Ich erlaube mir, in dieser Beziehung nur an die Petitionen zu erinnern, welche von den deutschen Kolonien in Brasilien an das Haus gelangt sind. Zum Schluß darf ih der Ueberzeugung Auédruck geben, daß der vorliegende internationale Aft einen Krystallijationskern bilden wird, an welchen sih noch ähnliche Verträge anseßen werden, die wir mit verschiedenen anderen südamerifanishen Staaten abzuschließen im Begriffe stehen.

Auf die Frage des Abg. von Behr, ob die vom Reichstage in der vorigen Session beshlossene Resolution in Betreff der Herabsezung des Geldportos \chon in Erwägung gezogen sei, antwortete der General-Postdirektor:

Ja, meine Herren, ih weiß nicht, ob überhaupt die Geneigtheit des Hohen Hauses besteht, auf diese Sache näher einzugehen. Ich zweifle ja gar nicht, daß ungeachtet aller Bestrebungen noch schr viele Wünsche auf postalischem Gebiete zu erfüllen sind, und daß die Anzabl derselben vielleiht ein großes X beträgt. Jch bin aber über- zeugt, daß, wenn alle diese Wüusche bei Gelegenhe:.t des Postvertrags mit Brasilien zum Austrag gebraht werden sollten, die Verhand- lungen über diesen Vertrag sih doch wohl sehr in die Länge ziehen möchten.

Ich kann den gechrten Herrn Abgeordneten indeß mit ein paar Worten beruhigen, indem ih ihm versichere, daß die Resolution, die im vorigen Jahre vom Reichstage gefaßt worden ist, vom Reichs- fanzler-Amte im vollsten Maße in Erwägung genommen is. Wenn bis jeßt bezügliche Bestimmungen noch nit erlassen worden find, so liegt das ledigli darin, daß das neue Münzgeseß in seinen Details noch nit auégeführt und die Markrechnung noch nicht cingeführt ist.

—- Dem Reichstag ist der Entwurf eines Gesetzes, betref- fend die Feststellung eines Nachtrags zum Haushalts- Etat des Deutshen Reichs für das Jahr 1874, vorgelegt worden. Dasselbe betrifft 14,000 Thaler Ausgabe, Entschädigung der Eisenbahneu für die unentgeltli{che Beförderung der Abgeordneten zum Reichstag auf die Dauer der Sißungsperiode.

Die Motive zu dem in Nr. 835 d. Bl. abgedruckten Gesezentwurf, betreffend die Verwaltung der ESin- nahmen und Ausgaben des Reichs, lauten:

Ueber den in der Session von 1872 dem Reichstage vorgelegten Gesetzentwurf, betreffend die Einrichtung und die Befugnisse des Rechnungshofes, ist eine Verständigung nicht erzielt worden.

Die Ausgleichung der damals obwaltenden Meinungéverschieden- heiten wurde namentlich dadurch ershwert, daß es an einem Geseß über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reichs, welches die Grundlage für die gesammte Thätigkeit des Rechnungs- hofes zu bilden geeignet wäre, noch fehlte, und die bezüg- liden für die Preußishe Ober - Rechnungskammer bei ibrer Kontrole des Staatehaushalts geltenden Vorschriften, durch welche jzne Grundlage vorläufiz ersest werden jollte, über die Ab- grenzung desjenigen Materials, welches den Gegenstand der dem

Bundesrathe und dem Reichstage mit den Rechnungen vorzulegen-.

den Bemerkungen des Rechnungshofes zu bilden hat, zu mann gfach-n Zweifela Verarlassung gab. Die verbündeten Regierungen halten cs daher für r:chtig, dem Reichstage, gleichzeitig mit einem neuen Ent- wurfe eines Gesetzes über den Rechnungshof, den Eatwurf eines Ge- seßes vorzulegen, welchec die Verwaltung der Einnahmen und Aus- gaten des Reiches zu regeln bestimmt int. Ï

Der vorliegende Entwurf stellt sich die Aufgabe, den legislativen

Inhalt der Instruktion für die preußi'he Ober-Ret nungékammer vom 18. Dezember 1824 mit den dur die Verhältnisse der Reichs-Finanz- verwalturg bedingten Modifikationen zum Reichsgeseß zu erheben und auf diesem Wege die Verwaltung der E nnahuen und Auëêgaben des Reichs auf der Grundlage von Bestimmungen geseßlich zu regeln, welche sih durch die seitherige Erfahrung bewährt und durch lang- jährige Anwendung zu einem konsequenten Systeme durgebildet haben. : Die 88. 1 und 2 enthalten über die Verwaltung der Einnahmen des Reichs im Wesentlichen im Anschluß an die Vorschriften der 8&8. 5 bis 8 der Ober-Rechnungskammer-Instruktien diejenigen Be- itimmungen, deren geseßliche Feststellung im Bedürfniß liegt. Jhre Ergänzung finden diese Bestimmungen in dem §. 13 des foeben er- erwähnten Gesetzentwurfs, betreffend die Einrichtung und die Befug- nisse des Rechnungshofes, nah welchem der Rechnungshof darauf zu halten hat, daß bei der Erhebung von Reichseinnahmen, soweit solche dur) Neichsbehörden erfolgt, nach den bestehenden Geseßen und Vor- schriften unter genauer Beachtung der maßgebenden Berwaltungêgrund- sätze verfahren wird. Die Bestimmungen der F. 5 und 8 der Ober- Rechnungskammer-Instrukiion, welche von einer prompten und unver- fürzten Einziehung der Reichseinnahmen handeln, finden hierdur, sowie dur die Vorschrift in den beiden leßten Absäßen des §. 13 des vorliegenden Entwurfs, ihre Erledigung. j

Die Frage, wie weit die Einnahmen aus dem Verkaufe unbrauh- barer Materialien und Utensilien durch Rückvereinnahmung dn be- treffenden Ausgabefonds zufließen, und wie weit dieselben unter den „ver- schiedenen Einnahmen“ nachzuweisen sind, wird auch ferner dur den Etat geregelt werden. : |

Als 88. 2 und 3 sind die §8. 11 und 12 des Gesetes über dic Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauch einer Reichsverwaltung bestimmten Gegenstände vom 25. Mai 1873 (R.-G.-Bl. Seite 113) in den Entwurf aufgenommen. Ja einem Gesetze, welches die Ver- schriften über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reichs systematisch zusammenfaßt, durften die Bestimmungen, welche die etatémäßige Behandlung der Erlöse für veräußertes Reichéeigen- thum regeln, nicht fehlen. Es erschien daher angemessen, dieselben in derselben Fassung hier zu wiederholen, wie sie in dem Texte eines au- deren Gesetzes festgestellt find. i :

Zu 8. 4 ist im Allgemeinen zu bemerken, daß nah dem in der Reichsgeseßgebung r-cipirten, und namentlich in dem Geseße, be- treffend die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauch einer Réeichsverwaltung bestimmten Gegenstände, in Anwendang ge-

brachten Sprachgebranch, welder mit dem Ausdrucke „eine Reichsverwaltung* nicht die Gesammtverwaltung der Reichsangelegen- heiten, sondern nur ein einzelnes Verwaltungsressort bezeihnet, unter dem Ausdruck „oberste Verwaltungsbehörde“ jedesmal die Spiße der betreffenden MRessort- bezw. Kontingentsverwaltung zu veritehen ist. Jn diesem Sinne ist der Ausdruck „oberste Verwaltungsbehörde“ so- wœchl im §. 4, als auch an den übrigen Stellen des Entwurfs, wo er Anwendung gefunden hat, zu verstehen. L /

Zu dem ersten Absaß des §. 4 ist zu bemerken, daß es nicht räthlich erschienen ist, die mit Genehmigung der obersten Verwaltungs. behörde zulässige Ausnahme von der Regel der öffentlichen Licitation, wie es der §. 6 der Ober-Rechnungskammer-Instruktion thut, an die Bedingung des finanziellen Vortheils zu knüpfen, da auch das Ver- waltungsinteresse häufig eine Abweichung erfordert, wie namentlich dann, wenn in erster Linie eine besondere Vertrauens8würdigkeit des Käufers vorausgcseßt werden muß. Die im §. 6 der Ober-Nechnungs- fkammer-Instruktion außerdem enthaltene Vorschrift, daß der Verkauf aus freier Hand nah bestehenden Tax-n oder im Privatverkehr üblichen Preisen zu erfolgen hat, dürfte der Verwaltungsinstrufktion zu überlassen sein.

Die 88. 5—15 stellen die Grundsäße für die Verwaltung der Ausgaven des Reichs fest. Unter den allgemeinen Vorschriften über die Buchung der Ausgxben hat auch die, nach ciner Nereinbarung mit dem Reichstage bestehende Praxis, der zufolge Ausgaben, welche unter keinen Titel des Etats fallen, und zu deren Deckung der zur Bs» ftreitung unvorhergesebener Ausgaben ausgeseßte Dispositionsfonds nicht ausreicht, als außeretat8mäßige nahzuweisen find (vergl. stenogr. Be» rihte über die I. Session des Reichstages von 1871, S. 424), in dem 76: Sg Absatze des §. 10 entsprehende legislative Anerkennung ge- unden

Ebenso entsprechen die Bestimmungen des §. 6 über die formelle Behandlung der Etatsüberschreitungen dec durch Verständigung mit dem Reichstage im Laufe der Jahre herbeigeführten Praxis. i

Der §. 7 reproducirt die vom Reichstage im Jahre 1872 bei Be- rathung des Geseßentwurfs über den Rechnungshof genehmigte Defini- tion der Etatêüberschreitungen, welche an dieser Stelle geeigneter ihren Plat findet, als in jenem Gesetze.

Die Bestimmungen im S8. 8 entsprechen dem Inhalte der vom Reichstage zum Bundeéhaushalts-Etat für 1868 gefaßten Resolution. Die im §. 12 der Ober - Rechnungskammer - Instruktion enthalteneu Bestimmungen über Tantièmen finden sow:it, als Tantièmen deu Charakter ständiger Dienstemelumente an sich tragen sollten, iu dem §8. 8 des Entwurfs ihre Erledigung. Solche Tantièmen dagegen, welche für extraordinäre Geschäfte bewilligt werden, Haben den Charakter der außerordentlichen Remunerationen ; besonderer geseß- liher Bestimmungen Über dieselben bedarf es daher nicht.

Die im Absatz 1 des §. 9 ausgesprochene allg-meine Regel, daß außerordentliche Remunerationen für Beamte nur aus den im Etat ausdrücklich dazu bestimmten Fonds angewiesen werden dürfen, bedarf für den Fall der Stellvertretung eines Beamten eine Ausnahme, da es unbillig wäre, an die bei der Stellvertretung betheiligten Beamten eine über ihr gewöhnliches Arbeitépensum hinaus gehende Mehrforde- rung zu stellen, ohne ihnen cinen entsprechenden Entgelt dafür zu ge- währen; die Etats für derç leichen Ausgaben aber in der Regel Fonds nicht auswerfen. Es erschien angemessen, hierzu dec Verwaltung die Ersparnisse an den Besoldungsfonds zur Verfügung zu stellen, welche dadurch entstehen, daß Stellen zeitweise Uunbeseßt sind, oder von ihren Inhabern niht verschen werden können. Eine Verwendung dieser Ersparnisse wird aber nicht nur zur Deckung der eigentlichen Stellvertretungsfkosten erforderli, sondern auch zur Gewährung von Remunerationen an Beamte derjenigen Kategorie, innerhalb welcher die Uebertragung der Ges chäfte des zu vertretenden Beamten stattrefunden hat, da einerseits St-lloertretungen häufig auch in Fällen nöthig werden, in welchen Besoldungsersparnifse nicht ein- treten, 3. B. in Urlaubs- und Krankheitsfällen (S. 14 des Gesebes, betr. die Rechtéverhäitnisse der Reichsbeamten vom 31. März 1873, R.-G.-Bl. S. 61), während des den Hinterbliebenen eines v'rstocbenen Beamten zustehenden Gnadenquartals (§8. 7 und 8 a. a. D.), andererseits aber eine Feststellung, welhe Personen an der Ueber- tragung der Geschäfte des zu Vertretenden betheiligt gewesen find, nit in allen Fällen mit Sicherheit erfolgen kann, jedenfalls eine ge- naue Kontrole hierüber mit Weiterungen verknüpft sein würde, welche mit dem beabsichtigten Zwecke außer Verhältniß st-hen würden. Der Abschnitt 2 des Paragraphen ist dazu bestimmt, diesem berechtigten Bedürfniß der Verwaltung zu genügen.

Obgleich der §. 9 in seinen beiden Absäßen, nur von „Beamten“ spricht, so wird es nicht in Zweifel gezogen werden können, daß zu den Beamten im Sinne dieses Paragraphen auch Mil'tärpersonen zu reh- nen sind, welhe in BVeamteastellungen, z. B. als vortragende Räthe in der Admiralität bezw. dem Kriegs - Ministerium verwen- det oder im Falle von Vakanzen zur Thätigkeit als Beamte herange- zogen werden. \

Im §. 13 ist es zweckmäßig erschienen, den Bundesratl) zu ermäch- tigen, gewisse Beamtenkategorien von der Regel, daß mit Beamten, welcze die Verwaltung selbst führen oder an derselben betheiligt find, nicht kontrahirt werden darf, auszunehmen. Es hat fich das Bedürf- niß- hierzu im Bereiche der Postverwaltung herausgestellt, indem die- selbe häufig in die Lage kommt, mit Beamten der Betriebsverwaltung namentlich mit Vorstehern von Postexpeditionen, wegen Ueber- nahme kleinerer O O der Beförderung von Boten- posten, der Herstellung bezw. Hergabe von Postdienstlokalien 2c. kon- trabiren zu müssen, weil fich zur anderweiten Verdingung der bezüg- lichen Leistungen entweder gar feine oder doch nicht eine gleich geeignete und günstige Gelegenheit darbietet.

In Betreff der Defekte (§. 15) unterscheidet der §. 30 der Over- Rechnvngskammer-Instruftion zwishen Kassen defekten (d. h. den au den Sollbeständen des Staatseigenthums in Folge von Untreue, Irr- thum oder Dienstvernachlässigung 2c. fehlenden Beträgen) und Rech- nungs defeften (d. h. Zuviel-Veraus8gabungen, fei cs in Folge un- rihtigen Kalküis, sei es in Folge vcn Zahlungen gegen ge]eßliche und sonstige Vorschriften, welche von der Ober-Rehnungskammer im Wege der Monitur festgestellt und zur Wiedervereinnahmung beftimmt werden.) In Betreff der leßteren gilt die besondere Bestimmung, daß „kein Verwaltungschef diesciben ohne Zustimmung der Dber- Recnungskammer nieders&blagen darf“, wonach aljo mit Zustimmung des Rechnung3hofs die Niedershlagung solhen Defekts durch den NVerwaltungëcbef erfolgen kann; ferner ijt es verboten, den Betrag der Rechnungsdefekte den Rendanten und anderen Beamten, welchen eia solder Rechnungsdefekt zur Last fällt, aus irgend einem Dispositions- fonds, sei es unter welcher Benennung cs wolle, zu vergüten. Die Aufnahme des leßtgedachten Verbotes in den vorliegenden Eniwurf empfiehlt sich nicht, da es eine Bewilligung von außerordentlichen Re- munerationen cder Unterstüßungen an solche Beamte, welche jemals ciaen Rechnungsdefekt aus ihren Mitteln gedeckt haben, für alle Zeiten ausschließen, also weit über den beabsichtigten Zweck hinausgehen würde. Die Feststellung der Befugnisse des Rechnungshofes in Bezug auf solche Rechnungsdefekte, welche auf einer niht in Folge des Schrift- wesels mit der Verwaltung fallen gelassenen Monitur beruhen, bildet Gegenstand des Gesetz:8 über den Rechnungshof. Die Bestimmung der Obver-Rechnungskammer-Instruktion, daß die Zustimmung der obersten Rechnungsbehörde zur Niederschlagung eines Rechnuagsdefekts genüge, findet darin ihre Erledigung, daß, sobald derselbe in Folge der Korrespondenz mit der Verwaltungsbehöcde ihre Monitur fallen läßt, ein Rechnungs defekt überhaupt niht mehr besteht. Da hiernach jeder Grund fehlte, an dieser Stelle der sogenannten Rechnungsdefekte be- sonders zu erwähnen, so ist dem Paragraphen eine Fassung gegeben worden, nach welcher ex auf De}ekte beider Gattungen Anwendung findet. (Schluß folgt.)

Landtags - Augelegeuheiteu.

Berlin, 11. Februar. In der gestrigen Sizung des Hauses der Abgeordneten \sprach in der Diskussion über

o i P A i L E S DIE f A: i R E T D L fe M S I LT E K T E S S T A A