1874 / 38 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Feb 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Der Sanitäts - Rath Dr. Sonntag zu Allenstein ist zum Kreis-Wundarzt des Kreises Allenstein ernannt worden.

Akademie der Künste. Bekanntmachung.

Preisbewerbungen bei der Königlihen Akademie der Künste.

L Bewerbung um den Michael Beerschen Preis I. Stiftung.

Die diesjährige Konkurrenz um den Preis der Michael Beerschen Stiftung für Maler und Bildhauer jüdischer Religion ist für Geschihtsmalerei bestimmt. Die Wahl des darzustellenden Gegenstandes bleibt dem eigenen Ermessen der Konkurrenten überlassen. Die Bilder müssen ganze Figuren enthalten, aus denen akademische Studien ersichtlih sind, in Oel ausgeführt sein und in der größeren Seite 1 Meter, in der kleineren 80 Centi- meter betragen.

Der Termin für die kostenfreie Ablieferung der zu dieser Konkurrenz bestimmten Arbeiten is auf den 15. Juli d. I. fest- geseht, und haben nah den Bestimmungen des Statuts die Kon- kurrenten gleichzeitig einzusenden :

1) Eine in Oelfarben ausgeführte Skizze, darstellend: eine Scene aus der Sündfluth.

2) Einige Studien nah der Natur.

Die eingesandten Arbeiten müssen von folgenden Attesten und Schriftstücken begleitet sein :

1) einem Attest, daß der namentlich zu bezeihnende Kon- kurrent fh zur jüdishen Religion bekennt und ein Alter von 22 Jahren erreicht hat ;

2) einem desgleichen, daß derselbe seine Studien auf einer deutshen Akademie gemacht hat;

3) einem kurzen Lebenslauf, aus welhem der Gang seiner Studien hervorgeht;

4) einer s{hriftlihen Versicherung an Eidesstatt, daß die eingereihten Arbeiten von ihm ohne fremde Beihülfe entworfen und ausgeführt find.

Der Preis besteht in einem Stipendium von 750 Thlr. zu einer Studienreise nah Jtalien unter der Bedingung, daß der Prämiirte fich 8 Monate in Rom aufhalten und unter Beifügung einiger Arbeiten über seine Studien halbjährlih an die Königliche Akademie Bericht erstatten muß.

Die Zuerkennung des Preises erfolgt in der öffentlichen Sizung der Akademie am 3. August d. I.

I Bewerbung um den Michael-Beerschen Preis II. Stiftung.

Die diesjährige Konkurrenz um den Michael-Beerschen Preis, zweiter Stiftung, zu welcher Bewerber aller Konfessionen zuge- lassen sind, ift für Musiker bestimmt.

Die unterzeichnete Akademie stellt folgende Aufgabe: Die Kom- position des 130. Psalms (Aus der Tiefe rufe ih, Herr, zu Dir) deutsch nah Luthers Uebersezung für Soli, Chor und kleines Orchester, und zwar Vers 1 und 2 fünfstimmiger Chor, V. 3 und 4 Terzett, V. 5 und 6 fünfstimmiger Chor a capella, V. 7 Solo für Baß, V. 8 fünfstimmige Fuge.

Der Termin für die kostenfreie Ablieferung der Konkurrenz- Arbeiten an die Königliche Akademie if auf den 1. Juni d. Is. festgeseßt. i 5 ;

Die eingesandten Arbeiten müssen mit folgenden Attesten und Schriftstüken begleitet sein :

1) mit einem Attest, daß der Konkurrent ein Alter von 22 Jahren erreicht hat; l

2) mit einem furzen Lebenslauf, aus welchem der Gang seiner Studien hervorgeht ;

3) mit einer \chriftlihen Versiherung an Eidesstatt, daß die eingereichte Arbeit ohne fremde Beihülfe von ihm ausgeführt ift.

Der Preis besteht in einem einjährigen Stipendium von 750 Thlr. zu einer Studienreise nah Italien, unter der Bedin- gung, daß der Prämiirte sich 8 Monate in Rom aufhalten und unter Beifügung einiger Arbeiten über feine Studien an die Königliche Akademie halbjährlihen Bericht erstatten muß.

Die Zuerkennung des Preises erfolgt in der öffentlichen Sizung am 3. August d. Is.

Berlin, den 11. Februar 1874.

Das Direktorium der Königlichen Akademie der Künste.

Im Auftrag: Ed. Daege. O. F. Gruppe.

Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten.

Dem Maschinen-Fabrikanten H. Keßler zu Ober-Lahnstein ift unter dem 10. Februar 1874 ein Patent auf eine durch Zeihnung und Beschreibung nachgewiesene Gesteins-Handbohrmaschine, soweit dieselbe für neu und eigen- thümlih erachtet worden ift, auf drei Jahre, von jenem Tage an gerehnet, und für den Umfang des preußischen Staats ertheilt worden.

Dem Uhrmacher Carl Hahlweg junior in Czarnikau ist unter dem 10. Februar 1874 cin Patent auf ein durch Beschreibung und Modell nahgewiesenes In- M zum Schneiden der Steinfassungen für Taschen- uhren auf drei Jahre, von jenem Tage an gerechnet, und für den Um- fang des preußischen Staats ertheilt worden.

Justiz-Ministerium.

Zu Kreisrichtern sind ernannt: der Rechtsanwalt Travers in Wiesbaden bei dem Kreisgericht in Altona, der Gerichts- Affsessor Lion bei dem Kreisgericht in Ratibor, der Gerichts- Assessor Karl Erdmann Udo Schmidt bei dem Kreisgericht in Heiligenstadt, mit der Funktion als Gerichts-Kommissarius in Dingelstedt, und der Gerichts-Assessor Sauerteig bei dem Kreisgeriht in Nordhausen, mit der Funktion als Gerichts- Kommissarius in Ellrich.

9. Plenarsitzung des Herrenhauses. Sonnabend, den 14. Februar 1874, Vormittags 11 Uhr. Tagesordnung :

1) Bericht der Budget-Kommission über den Staatshaus- halt für das Jahr 1874. 2) Mündlicher Bericht der Budget- Kommission über die Petitionen von Volks\schullehrern wegen baldigen Erlasses eines Dotationsgesezes für Volksschullehrer. 3) Mündlicher Bericht der Kommission für Cisenbahnangelegen- heiten über die Petition von Spieß und Genossen, betreffend die Anlage einer Eisenbahn von Güldenboden nah Osterode auf Staatskosten. 4) Mündlicher Bericht derselben Kommission über die Petition wegen Baues einer Zweigbahn von Trarbach nah Reil.

Nichtamllicßes. Deutsches Neich.

Preußen. Berlin, 13. Februar. Se. Majestät der Kaiser und König empfingen gestern Nachmittag das Prä- sidium des Deutschen Reichstages in Audienz. : :

Heute Vormittag hörten Allerhöchstdieselben die Vorträge des Polizei-Präsidenten von Madai, des General-Intendanten der Königlihen Schauspiele von Hülsen und des Oberst-Käm- merer Grafen von Redern. E i

Vor der Spazierfahrt nahmen Se. Majestät die Besuche Sr. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen und Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Georg entgegen.

Ihre Majestät die Kaiserin-Königin besuchte heute die 1. Volksküche, wo der betreffende Vorstand des Ber- liner Frauen-Vereins versammelt war.

Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kronprinz ertheilte gestern Vormittag um 11# Uhr dem aus München hier eingetroffenen Legations-Sekretär von Thielau Audienz und begab Sich gegen 1# Uhr mit Ihrer Kaiser- lihen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin zur Gratulation zum Prinzen Georg Königliche Hoheit. /

Nachmittags empfing Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit den Dr. Dohme und wohnte Abends der Vorstellung im Schau- \pielhause bei.

Des Kaisers und Königs Majestät haben zu ge- nehmigen geruht, daß die von dem verstorbenen Dr. Wolfgang Menzel in Stuttgart nahhgelassene, aus etwa 18,400 Bänden bestehende Bibliothek aus einem bei der Reichs-Hauptkasse zur Disposition stehenden Fonds für die Universitäts- und Landes- Bibliothek in Straßburg angekauft werde.

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Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Eisenbahnen, Poft und Telegraphen und für die Verfassung hielten heute eine Sihung.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sizung des Deutschen Reichstags äußerte der Abg. v. Saucken (Tarputschen) in der Diskussion über den Schulzeshen Antrag, die Bewilligung von Diäten und Reisekosten für die Mitglieder des Reichstags betref- fend, seine Partei habe fich im konstituirenden Reichstag abweh- rend gegen eine Verfassung verhalten, die auf Personen zuge- schnitten sei, so sehr, daß man {hon mit Bedauern an den Fall denke, wenn die Persönlichkeit, auf deren Leib die Verfassung zugeschnitten sei, fehlen sollte. Der Abg. Dr. Lasker \sprah dem entgegen \ich dahin aus, daß, so sehr er auch den Reichskanzler verehre, seine Ueberzeugung doch die sei, daß das Gefüge des Reiches aus solcher Naturkraft geschaffen und mit ihr ausge- stattet sei, daß es fortbestehen werde auch ohne die Person des jeßigen Kanzlers. Wäre er nicht die Verkörperung des deutschen Geistes gewesen, des Gedankens, der die Einheit Deutschlands suchte, so hätte er diese Verfaffung niemals zu schaffen vermocht.

Mit Bezug hierauf nahm der Reichskanzler Für | v. Bis- marck nah dem Abg. v. Schulte das Wort :

Es heißt im gewöhnlichen Sprüchworte: qui tacet, consentire vi- detur; ih hätte deshalb zu der Aeußerung des Herrn Aba. Lasker aus diesem Grunde schweigen können, da ih mit ihm vollständig ein- verstanden bin; aber ich bin niht ohne Sorge, daß in diesem Falle möglicherweise von der anderen Seite auch das Gegentheil gesagt und aus meinem Schweigen _ doch vielleict andere Folgerungen gezogen werden fönnten. Jch erlaube mir deshalb zu konstatiren, daß ich voll- fommen die Ueberzeugung des Herrn Akg. Lasker theile, daß ic die Art, wie die Verfassung zu Stande gekommen ist, die elementarischen Wirkungen, wie ec es naunte, unter denen sie zu Stande gekommen ist, weit höher anschlage, als die Mitwirkung jedes ciazelnen Mannes, und daß es ein s{lechtes Kompliment wäre, was man un}erer gemeinscaft- lichen Arbeit, nämlich der bestehenden Verfassung, machen könnte, wenn man zugeben wollte, daß ein Kanzler mehr oder weniger bei dem Bestehen des Deutschen Reiches und seiner nationalen Fortbildung irgend welchen Unterschied macen könnte.

In der zweiten Berathung erklärte der Abg. Sonnemann, die Fahrkarten als mit der Verfassung niht vereinbar. Darauf wurden die einzelnen Paragraphen des Geseßentwurss mit 229 gegen 79 Stimmen angenommen.

Der Antrag des Abg. Dr. Windthorst (Meppen):

„Den Reichskanzler aufzufordern, dahin zu wirken, daß die Königlich preußische Regierung die Berathungen des Landiags der preußischen Monarchie für die Dauer der Sißungen des Deutschen Reichstags ohne Verzug zum Abschlusse bringe,“ /

wurde vom Antragsteller mit Rücksicht auf die bereits erfolgte vorläufige Vertagung des Landtags für jetzt zurückgezogen.

Es folgte dann die Berathung des Antrages der Abgeord- neten Bernards, Dr. Windthorst und Genossen:

„Den §. 44 der G schäftsordnung für den Deutschen Reichstag abzuändern wie folgt: „Die Anmeldung zum Worte erfolgt, nachdem die Berathung über den betreffenden Gegenstand eröffnet ist, schriftlich bei demjenigen Schriftführer, welcher die Nednerliste zu führen und die Reihenfolge zu überwachen hat uyd als solcher durch den Präsidenten vzrfündigt ist. Jun der Anmeldung wird bemerkt, ob für oder gegen den Antrag gesprochen werden foll. Wenn mehrere Redner beim Be- ginne der Diskussion sich gleichzeitig zum Worte melden, so wird für sie die Reihenfolge durch das Loos bestimmt. So lange es möglich ist, N mit den Nednern, welche für und wider sprechen wollen, gewechselt. i S

- Bis jeßt wurde “ämlih eine Rednerliste nicht festgestellt, sondern dem Redner das Wort ertheilt, welher nah Eröffaung der Diskussion oder nah Beendigung der vorhergehenden Rede zuerst darum nachsuhte. 4

Nachdem der Abg. Dr. Windthorst (Meppen) für, der Abg. Dr. Braun gegen den Antrag gesprochen, wurde die Diskufsion um Z# Uhr bis auf heut vertagt.

In der heutigen (5.) Sizung des Deutschen Reichs - tages, welcher die Bundesbevollmächtigten, Staats - Minister Delbrü, v. Mittnacht und Andere beiwohnten, wurde die gestern ver- tagte Debatte über die Abänderung der Geschäftsordnung wieder aufgenommen. Der Abg. v. Taczanowski spruch für den Antrag, indem er hervorhob, daß derselbe mit Rücksicht auf die Minorität {on Anstands halber angenomm-:n werden müßte. Der Abg. Bernards empfahl den Antrag zur Annahme, indem er besonders auf seine Erfahrungen im preußischen Abgeordnetenhause hin- wies. Abg. Fürst Hohenlohe-Schillingsfürst erklärte, daß er zuweilen als Präsident die Uebelstände, welche der jezige §. 44 mit \sich brächte, empfunden hätte, da besonders bei aufregenden Debatten gar zu leiht der Schein der Parteilichkeit hervorgerufen würde. Der Abg. v. Kardorff empfahl zwar, den Antrag an die Geschäftsordnungs-Kommijssion zu verweisen, hoffte aber, der Reichstag würde im Ganzen bei der bisherigen Praxis bleiben. Abg. Dr. Braun hielt eine kommifsarishe Prüfung nicht für noth- wendig. Der Abg. v. Hoverbeck dagegen empfahl die Verweisung an die Geschäftsordnungs-Kommission. Das Haus trat diesem Antrage bei.

- Entwurfe

Es folgte die zweite Berathung des Gesehentwurfes, betref- fend die Gewährung von nachträglihen Vergütungen für Kriegsleistungen der Gemeinden (S. Nr. 35 d. Bl), zu w.lhem die Abgg. GBrumbrecht und Wulfshein eine Reihe von Amendements beantragt hatten. §. 1 wurde ohne Debatte in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen:

Für die innerhalb des Gebictes des vormaligen Norddeutschen Bundes aus Anlaß des Krieges gegcn Frankreich auf Grund des § 3 des Gescßes wegen der Kriegsleistunzgen und deren Vergütung vom 11, Mai 1851 (Bundesgeseßblatt von 1867 S. 125) ohne geseßlichen Anspruch auf Entschädigung erfolgten Kriegsleistungen der Gemeinden ist den l-ßteren nah näherer Bestimmung des gegenwärtigen Geseßzes nachträglich Vergütung zu gewähren.

8. 2 wurde mit einem Amendement des Abg. Grumbrecht in folgender Fassung angenommen:

Die Vergütung erfolgt: 1) für die Gewährung von Natural- quartier nah dem Servistarife, welcher dem Bundeêgeseße über die Quartierleistung für die bewaffnete Macht während des Friedenszustandes vom 25, Juni 1868 (Bundesgeseßbl. S. 523) beigefügt ist. Außerdem soll denjenigen Gemeinden, welche für Quartierleistungen mehr als das Dopvelte der einfachen Servisvergütung baar aufgewendet haben, der Aufwand, welcher das Doppelte des Servises übersteigt höchstens jedoch bis zu dem Betrage der einfachen Servisvergütung erstattet werden; 2) für geleisteten Vorspann nach den für Friedenszeiten geseßzlih bestehenden Vergütungs- säßen; 3) für die im §.3 Nr. 2 des Geseßes vom 11. Mai 1851 neben dem Vorspanne bezeichneten Dienste 2c. nach den am Orte der Leistung in gewöhnlichen Zeitverhältnissen üblichen Preisen; 4) für die Her- gabe von Räumlichkeiten zu Wachen, Handwerksstätten und zur Unter- bringung von Militäreffekten nah dem von den Gemeinden dafür nachweiêlich gemahten Baaraufwande, soweit de:selbe von der oberen Verwaltungsbehörde als angemessen bescheinigt wird.

Für die übrigen im §. 3 Nr. 3 des Gesehes vom 11 Mai 1851 bezeichneten Leistungen erfolgt keine Vergütung. i:

Bei Schluß des Blattes trat das Haus in die Berathung eines vom Abg. Grumbreht beantragten Zusaß-Parapraphen ein.

Die fällige englische Post aus London, den 11. d., Abends, is ausgeblieben.

Bayern: München, 12. Februar. In der Sitzung des Gesundheitsraths-Aus\chusses vom 5. d. M. wurde vom Regierungs-Rath Kopp mitgetheilt, daß die Cholera in Freysing, Schwabing 2., überhaupt in Oberbayern außerhalb München aufgehört habe. Ober-Medizinal-Rath Dr. Klinger fügte daran auch noch die Notiz, daß in ganz Bayern in den leßten Tagen außer München nur in Köslarn, Bezirksamt Griesbach in Niederbayern, Cholera-Erkrankungen, und zwar in diesem Orte 10 Fälle, worunter 8—9 mit tödtlichem Verlaufe, vorgekommen sind; in der Strafanstalt zu Rebdorf, wosclbit 35 Cholera-Erkrankungen mit 22 Todesfällen vorgekommen sind, ift die Krankheit seit etwa 12 Tagen, in der Strafanstalt zu Lau- fen seit 27. Dezember v. I. erloschen,

Sachsen. Dresden, 12. Februar. Die Erste Kammer trat in ihrer heutigen Sißzung den von der Zweiten Kammer bereits genehmigten Vereinigungsvorschlägen bezüglih des Gnt- wurfs einer neuen Landtagsordnung auch ihrerseits bei, lehnte dagegen die von der Zweiten Kammer bezüglih des mit jenem zusammenhängenden, die Abänderungen einiger Bezrimmungen der Verfassungsurkunde bezweckenden Geseß- entwurfs abweichend gefaßten Beschlüsse ab, so daß also noch ein Vereinigungsverfahren einzutreten hat. Auf die Bemerkung des Referenten, Bürgermeister Müller, daß die Staatsregierung der Gewährung von freier Fahrt auf den Eisenbahnen noch an |

die Abgeordneten während des Landtags nicht zugestimmt habe, /

erklärte Staats-Minister von Nostiz-Wallwiß, daß er troßdem/ der Kammer rathe, den darauf bezüglihen Vereinigungsvorschlag anzunehmen, weil der Regierung, wenn ihr die Beseitigung jener Bestimmung in dem Grade wünshcnswerth sein sollte, nah §. 94 der Verfassungsurkunde freistehe, den Geseßentwurf in abge- änderter Fassung dem Landtage wieder vorzulegen, während anderenfalls die Landtagsordnung definitiv gescheitert sein würde. Die Kammer bewilligte sodann zum Bau der Gewerbeschule in Chemniy 320,000 Thaler. Nach Erledigung einiger Petitionen verlas \chließlih der Staats-Minister Freiherr von Friesen das Allerhöchste Dekret, durh welches der Landtag bis auf Weiteres vertagt wird. ;

Die Zweite Kammer kam in ihrer gestrigen Abend- fißung, die bis gegen 107 Uhr dauerte, mit dem Budget des Ministeriums des Innern noch nicht zu Ende. Der größte Theil der Sizung wurde mit der Diskussion über die Etats des Gensd'armerieanstalt und der Polizei-Direktion zu Dreéden aus- gefüllt. Es wurden s\chließlich die von der Regierung verlangten 100 neuen Landgensd'armen mit 34 gegen 33 Stimmen bewilligt ; dagegen wurden für Dresden statt der im Budget eingestellten 50 neuen Stadtgensd'armen deren nur 25 genehmigt. Ein An- trag des Vice-Präsidenten Streit : die Regierung um Vorlegung eines Geseßentwurfs über die Verwaltung der Ortspolizei in Dresden und über die Verpflichtung zur Aufbringung der Kosten dieser Verwaltung an den nächsten Landtag zu esuchen, wurde ebenso abgelehnt, wie ein Antrag des Abg. Fahnauer: die Re- gierung zu sofortiger Lösung des vom Staate mit der Stadt Dresden wegen der Verwaltung der Sicherheitspolizei ge- \{chlo}enen Vertrages, nöthigenfalls gegen Entschädigung der Stadtgemeinde, aufzufordern. Das Erforderniß für Kunstakademien und Kunstzwecke bot dem Abgeordneten Dr. Leitner Anlaß, die gegenwärtige, an der hiefigen Kunstakademie herrschende Richtung einer Kritik zu unterziehen. Staats-Minister v. Nostiz-Wallwiß erwiderte, daß die Regierung die Bemerkungen Dr. Leistners, die er zwar niht ohne Ein- \chrän*ung gelten lassen könne, denen er aber auch nicht alle Berechtigung absprehen wolle, in den Kreis ihrer Erwägung ziehen werde.

In der heutigen Sizung wurde, als lezter Theil des Budgets des Innern, der Etat der Landes - Heil-, Straf- und Versorgungsanstalten erledigt. Zu dem Antrag der Deputation: die Regierung zu ersuchen, eine Revision der Verträge vorzu- nehmen, welhe mit denjenigen Fabrikanten abgeschlossen worden find, die zur Zeit in den Strafanstalten arbeiten lassen, und hiernah die vereinbarten Arbeitslöhne denjenigen Löhnen, welche für die betreffenden Branchen bei freier Arbeit bezahlt werden, möglichst zu nähern, erklärte der Minister des Innern, daß die Regierung den in dem Antrage der Deputation niedergelegten Wunsche \chon bisher nah Möglichkeit Rehnung getragen habe und es unausgesezt thun werde, glaube aber nicht, sih davon große finanzielle Resultate versprechen zu können. Darauf erklärte u. A. die Kammer zunächst nach kurzer Debatte ihr Einverständniß \owohl mit der Art der Verwendung des Kasernenbau-Vorschußfonds, als auch mit der von der Regie- rung vorgeschlagenen Rüczahlungsweise und ging sodann zu dem Eisenbahnberiht über. Nach langen Debatten, welche sich lediglih um die berührten lckalen Verhältnisse und Interesse#

1 bewegten, wurden die Deputationsanträge angenommen: die

Regierung zu ermächtigen, die im außerordentilihen Budget für ! Fortführung und Vollendung des Baues der ersten Abtheilung der südlausizer Bahn, sowie der Plauen-Oelsnißzer Bahn, in- gleihen für den Bau der zweiten Abtheilung der südlausiger Bahn Sohland-Dürrröhrsdorf postulirten 6,500,000 Thlr. aus den Beständen des mobilen Staatsvermögens zu ent- nehmen, und: die im außerordentlihen Budget geforderten 3,833,400 Thlr. zur Erweiterung und dem Umbau von Bahn- höôöfen und Haltestellen, Herstellung von Betriebseinrichtungen und Vermehrung der Weichen- und Gleisanlagen zu bewilligen und die Regierung zu ermächtigen, auch diesen Betrag aus den Be- ständen des mobilen Staatsvermögens zu entnehmen. Der Gesetz- entwurf wegen Pensions- und Wartegelder - Erhöhungen, wurde auf Antrag der Abgg. Beck und Genossen, welher nah kurzer Debatte angenommen wurde, an die 2. Deputation zur ander- weiten Berichterstattung verwiesen und derselben dabei zur Er- wägung gegeben, ob dieselben Vortheile, wie den Hinterlassenen der nah dem 1. Januar 1874 verstorbenen Staatsdiener, nicht au den Hinterlassenen der vor diesem Zeitpunkte verstorbenen Staatsdiener zugewendet werden könnten. Nachdem dieser leßte Gegenstand der Tagesordnung erledigt worden war, erhob fich der Staats-Minister Frhr. v, Friesen, um das Allerhöchste Ver- tagungsdekret zur Kenntniß der Kammer zu bringen ; der Prä- fident erklärte durch dieses Dekret die Sißzung für geshlo}en.

Baden. Karlsruhe, 9. Februar. In der Zweiten Kammer erfolgte heute die zusä-lihe Bewilligung von 36,000 Fl. zu Gehaltserhößungen für die Bediensteten der Großherzog- lihen Hofverwaltung. Bis Sonnabend finden jeden Tag Sigzungen ftatt, so daß die Erledigung des Finanzgeseßzes am Sonnabend Abend in Aussicht steht.

Die Hauptbestimmungen des Entwurfes eines Gesetzes, den Fortbildungsunterricht betreffend, welhe in der Sizung der Zweiten Kammer vom 5. d. M. angenommen wur- den, lauten :

_§. 1. Der Elementarunterricht der Kinder nah Maßgabe des Geseßes vom 8. März 1868 wird dahin ausgedehnt, daß Knaben noh zwei Jahre und Mädchen ein Jahr rah Zurücklegung des s{ul- pflichtigen Alters (§S. 1 und 2 des angeführten Geselzes) verpflichtet find, in der Gemeinde, in welcher sie fich aufhalteo, zur Befestigung und Erweiterung der in der Volksschule erworbenen Kenntnisse wöchent- lich einige Unterrichts\stunden (die Fortbildungéschule) zu besucen, Der Besuch einer Gewerbeschule, einer höheren öffentlichen Bildungsanstalt oder ciner anderen, den geseßlihen Bestimmungen cntsprecheaden Lehr- anstalt, sowie der Fortbesuh der Volksschule befreit von der Pflicht zur Theilnahme an dem Fortbildungèunterricht, Kinder, welche nachweis- bar entsprechenden Privatunterricht genießen, ebenso diejenigen, welche fich durch genossenen höheren Unterricht die in der Fortbildungsschule zu erwerbenden Kenntnisse in genügender Weise angeeignet haben, werden durh die Schulbehörden vom Besuch des Fortbildungsunter- richts entbunden. Aus besonderen dringenden Gründen könuen Einzelne dur die Schulbehörden vom Besuch dieses Unterrichts entbunden oder ausgeichlossen werden.

§. 2. Eltern oder deren Stellvertreter, Arbeitês- und Lehrherren find verbunden, die unter ihrex Obhut oder in ihrem Dienst oder WBrodt stehenden Kinder, sofern sie nah §. 1 zum Besuch des Fort- bildungéunterrihts verpflichtet find, zur Theilnahme an demselben an- zumelden und ihnen die zum Besuch derselben erforderliche Zeit zu gewähren, Zuw?derhandlungen werden an Geld bis zu fünfzig Mark bestraft. Die Eltern und deren Stellvertreter haben dafür zu sorgen, daß die Kinder, welbe die Fortbiltungsschule besuchen, die erforder- lichen Bücher und sonstigen Materialien besißen.

8. 3. Jede Gemeinde ist verpflichtet, einen Fortbildurgtunterricht zu veranstalten. Die Ober-Schulbehs.de kann im Benehmen mit der Staatéverwaltungsbehörde vox dieser Verpflichtung aus erbeblichen Giünden und namenilich dann enttinden, wenn die zerstreute Lage der Wohnungen die Abhaltung der Fortbildungs'chule unthunlich macht.

8. 4. Die Gemeinde ijt verbunden, die für die Fortbildungs- \{hule erforderlichen Lehrräume zu stellen und jür die erforderlichen Schulbedürfnisse zu sorgen. :

Der Fortbildungêunterriht foll die in der Velksschule erworbenen Kenntaisse in der Art und Richtung befestigen und erwei- tcrn, daß dicselben dem Schüler stêts in ihrer unmittelbaren Bezie- hung auf die Bedürfnisse des Lebens erscheinen, und daß er sich ihrer in seiner beruflichen Thätigkeit als Werkzeug zu bedienen lernt. Fn diesem Sinne soll sih der Unterricht einerseits auf Lesen, Uebungen im mündlichen und shriftlihen Ausdruck und Rechnen beschränken, andererseits von diefen Mittelpunkten aus je na den örtlichen Be- dürfnissen die übrigen in der Volks)chule behandelten Wissensgebiete in seinea Bereich ziehen.

L Der Unterrihi muß wenigstens zwei Stunden w28@chenilich umfassen und soll in der Regel das ganze Jahr hindurch dauern. Aus besonderen Gründen kann die Oberschulbehörde auf den Antrag ver Gemeinde im Benchmen mit der Staats-Verwaltungsbchörde gestatten, daß der Unterricht auf das Winterhalbjahr beschränkt werde. Ja diesem Fall muß er aber mindestens drei Stunden wöchentlich umfassen.

Hessen. Darmstadt, 11. Februar. Nach der Zusam- menstellung der ständischen Beschlüfse zum Haupt-Voranschlag der Staats-Einnahmen für die Jahre 1873—75 hatte die Regierung die Gesammt-Einnahme v.ranschlagt zu 10,817,796 Fl. Dbgsleich durch die Beschlüsse der Zweiten Kammer bezüglich der Tranksteuer von Wein und Obstwein von den Einnahmen 124,667 Fl. in Wegfall kommen, so ergiebt fich troßdem in Ge- mäßheit der von der Regierung als richtig anerkannten Veran- \{chlagung der Zweiten Kammer eine Gefammt-Einnahme von 12,280,024 FL., also ein Mehr von 1,462,228 Fl. gegenüber dem ursprünglichen Voranschlag. Es sind dabei im Einzelnen méhr in Einnahme gescht: an Einkommen-, Grund- und Ge- werbesteuer 10,666 Fl. , an Brücken- und Ueberfahrtsgeld 7000 Fl., an Sporteln 16,000 Fl, an Stempeln 40,090 F[., an Ueberschuß aus Feldstrafen (welhe besondere Verwendung findet) 14,229 Fl., an Zinsen von nußbar angelegten Aktiven der Haupt-Staatskafse 100,000 Fl, aus den Ueberschüfsen der Haupt-Staatskafse 1,399 000 Fl. zusammen 1,586,895 F[l., welche Summe naÿ Abzug obiger 124,667 Fl. das Mehr von 1,462,228 ergiebt.

Sachsen-Weimar-Eifenach. Weimar, 8. Februar. Dem Landtag ist eine Regierungsvorlage zugegangen, iu wel- her u. A. für Alterszulagen der Geistlichen 8000 Thlr. verlangt werden. Für jegt wurden auf Theuerun gszulagen für die Jahre 1873 und 74 je 7500 Thlr. den Geistlichen zugewendet. Ueber die allgemeine Besserstellung der gering dotirten Geistlichkeit wird die künftige Landessynode, welhe nah dem Schluß der Land- tags-Session berufen wird, zu entscheiden haben. Ferner hat die Regierung eine Vorlage eingebraht, wonach die Tagegelder der Abgeordneten von 2# auf 3 Thlr., die des Präsidenten von 4 auf 5 und die der Vice-Präsidenten von Zx auf 4 Thlr. er- höht werden sollen. Der Entwurf eines Volks#\chul-Ge- sehes adoptirt die Kommunal- oder Orts\hulen, ohne die be- stehenden Konfessions\hulen aufzuheben, Es blcibt jedoch in den Orten, wo neben der allgemeinen Volks- auch noch Kon- fessions\hulen bestehen, den Eltern die Freiheit gewahrt, ihre Kinder. in die Ortsshule oder in die Schule ihrer Konfession

zu \{hidcken.

Schwarzburg-Sondershausen. Sondershausen, 12. Februar. Das heute ausgegebene Landesgeseysamm- lungs-Stück enthält: Nr. 15. Gesez über die Schonzeiten des Wildes, vom 3. Februar 1874.

Lübe, 11. Februar. Der Bürgeraus\chuß beendigte heute seine gutachtlihe Berathung des Senatsantrages, betrefead Erbauung eines öffentlihen Schlachthauses, und beschloß dabei dem Antrage seiner Kommission gemäß, die Ausschreibung einer Konkurrenz zu empfehlen, stellte aber die von der Kommission auf 200,000 Mark beschränkte Bausumme auf die vom Senat proponirte Höhe von 250,000 Mark wieder her ; auch einen Antrag dahin, daß diese Summe nicht aus Staatsmitteln, sondern aus der Gemeindekasse der Stadt Lübeck entnommen werde, empfahl der Bürgeraus\huß.

Desterreich-Ungarn. Wien, 12. Februar. (W. T. B.) Die Gesezentwürfe über die Gebäudesteuer, die Erwerbs- steuer, die Rentensteuer und die Personal-Einkommensteuer wer- den vom Finanz-Minister in der morgenden Sißzung des Abge- ordnetenhauses vorgelegt werden. ¿2d S

183. Februar. (W. T. B.) Dem Vernehmen der „Neuen freien Presse“ zufolge hat der Finanz-Minister beshlo}sen, die Ausführung der Exekution gegen liquidirende oder andere Gesellschaften, welhe mit Steuerbeträgen rückständig sind, noch \so lange zu sistiren, bis der Ministerrath über diese Frage \chlüssig geworden ift.

Pesth, 11. Februar. Das Amtsblatt dementirt in offizieller Weise das Gerücht, wonach der Minister des Innern im Neuner- Ausschusse erklärt hätte, er wolle die Arrondirungsvor- lage zurückziehen und fich vorläufig mit der Arrondirung der fiebenbürgischen Komitate und des jazygisch kumanischen Distriktes begnügen. Der Minister wiederholte im Aus\hu}se blos jene früher abgegebene Erklärung, daß er die Detailbestimmungen der Vorlage ciner Abänderung fähig und geeignet betrachte, den Gegenstand einer freien Diskussion zu bilden, daß er aber an den Grundprinzipien des Geseßcntwurfes festhalten müsse.

Der Gesezentwurf über die Erhöhung der Pensionen der Arcierengarden wurde von den meisten Sektionen abgelehnt, nachdem über die Bedeckungsfrage abweichende Ansichten herrschen. Nach einigen Sektionen çcehört diese Angelegenheit in das ge- meinsame Budget, nah anderen in die Civilliste oder in das österreichische Budget.

Niederlande. Haag, 8. Februar. Auf den wieder er- richteten Posten eines diplomatischen Vertreters der Niederlande bei der portugiesischen Regierung is der bisher der Gesandtschaft in Paris beigegebene Legations-Rath Everwyn als Geschäfts- träger berufen worden.

GSrufibritannien und Friand. London, 13. Februar. (W. T. B.) Es find nunmehr 604 Parlamentswahlen bekannt. Von den Gewählten gehören 326 der konservativen, 278 der liberalen Partei an. Die Konservativen haben 92, die Liberalen nur 32 Sitze gewonnen. Der Unterstaatssekretär im Ministerium des Auswärtigen, Viscount Enfield, ist bei der Wahl in Middlesex einem Konservativen gegenüber unterlegen.

Îtalien. Rom, 7. Februar. Der König reist morgen nach einem Galadiner im Quirinal wieder nah Neapel zurü.

Zas italienische Heer war am 30. September v. I. nah dem vom General Torre kürzlih veröffentlichten offiziellen Berichte 751,007 Mann ftark, darunter 200,240 Mann Linien- Infanterie, 173,883 Mann in den Militärdistrikten, 32,641 Mann Bersaglieri, 27,277 Mgnn Kavallerie, 26,531 Mann Carabinieri, 3170 Mann in den Militärshulen, 1270 Mann einjährige Frei- willige, 7934 Mann in den Alpenjäger-Compagnien, 3165 Mann in den Kranftenwärter-Compagnien, 2853 Mann in den Straf- Compagnien. 398 Mann Musketiere, 1742 Invaliden und Vete- ranen, 207 Mann in den Gestüten, 1693 Mann in den Militär- gefänguissen, 10,661 Offiziere in aktivem Dienste, 236 Mann in Aspettative oder Disponibilität. Dazu kommt als mobile Miliz 196,494 Mann Linieninfanterie und Bersaglieri, 1562 Mann Ger iecorps, 2596 Offiziere. Total 751,007 Mann.

Der Finanz-Minister und der Kriegs-Minister wohnten gestern der Sihung der Kommission bei, welche zur Prüfung und Berathung des Geseßentwurfs niedergeseßt worden ist, der einen Kredit von 31/4 Mill. Lire zum Ankauf von neuem Artiflerie-Material für die Feld-Artillerie verlangt. Als der Finanz-Minister befragt wurde, ob diese 3/2 Millionen, wovon 11/, Millionen auf das Budget von 1874 kommen sollen, dur die 20 Millionen mitgedeckt werden, die dem Kriegs-Minister für außerordentliche Ausgaben bewilligt worden sind, bejahte er die Frage und bestätigte das nämliche von den 3,200,000 Franken, welche auf das Budget von 1874 eingetragen werden sollen, wenn der auf die Bekleidung der Armee gerichtete Vorschlag des Kriegs-Ministers angenommen wird. Damit dieser den ihm be- willigten Kredit auf keinen Fall zu überschreiten braucht, behält fih die Regierung vor, bei der Berathung des Definitiv-Budgets des Kriegs-Ministeriums Absezungen in verschiedenen Kapiteln des außerordentlichen Budgets vorzuschlagen. Zuletzt erklärte der Finanz-Minister, daß, wenn die Kammer mehr als 20 Millionen außerordentlihe Ausgaben für Militärzwecke votiren sollte, sowohl er wie der Kriegs-Minister abtrelen würde, was der Leßtere bestätigte.

Nufßland und Polen. St. Petersburg, 10. Februar. Der Kaiser hat unter dem 17./29, Januar befohlen, daß alle Gehülfen der Minister an den Sizungen des dirigirenden Senais und den Plenarversammlungen desselben theilnehmen sollen, wenn fie zeitweilig die Funktionen der Minister ausüben oder wenn die Minister durch andere Geschäfte oder ODbliegen- heiten verhindert find, persönlih den Sizungen beizuwohnen ; desgleichen follen die Gehülfen der Minister befugt sein, in obi- gen Fällen die Entscheidungen des dirigirenden Senats zu unter- zeichnen.

Der Gesandte beim öfterreichishen Hofe, Geheimrath Nowikow und der Quartiermeister des Kaisers von Oesterreich, Wuko-Brankowicz, sind gestern hier eingetroffen.

Wie die „R. 83. aus St. Petersburg meldet, hat der heilige Synod in leßter Zeit cine Mittheilung des neuen öku- menishenPatriarhen vonKonstantinopel,JIoachimIl., erhalten, durch welche derselbe scine Erhebung auf den aller- höchsten ökumenischen und apostolishen Stuhl des Patriarchates Konstantinopel meldet. Diese Botschaft ward im Synod in Gegenwart sämmtlicher Mitglieder verlesen. Der heilige Synod beshloß hierauf, im Namen der russischen Kirche die Mittheilung des Patriarchen zu beantworten und denselben zu seiner Wahl zu beglückwünschen.

Schweden und Norwegen. Christiania, 10. Februar. Nach der heute stattgehabten feierlihen Eröffnung des Stor- things wurde Sverdrup zum Präfidenten und Paftor Essen-

drop zum Vice-Präsidenten des Storthings erwählt, Zum Präsidenten des Odelthings wurde Richter und zum Vice-Präsidenten desselben Cand. jur. A. Sörensen erwählt; zum Präsidenten im Lagthing Essendrop und zum Vice- Präsidenten der Stadthauptmann I. Schwarßt.

Dánemark. Kopenhagen, 9. Februar. Der von der Regierung vorgelegte Gesezentwurf, betreffend die Verände- rung einiger Folkethingswahlkreise, resp. die Errich- tung neuer Kreise, nach Maßgabe der gestiegenen Volkszahl, kam in 2 Sizungen zur Verhandlung und wurde, nachdem der Uebergang zur zweiten Berathung einstimmig beschlossen war, einem Ausschuß von 15 Mitglicdern überwiesen.

Asien. Ein vom 4. d. datirtes Telegramm des General- Lieutenants van Swieten aus Atchin, welches am 7. Februar dem Kolonien - Ministerium zugekommen, enthält nachstehende Meldungen :

Seit der am 29. Januar vorgenommenen Rekognoszirung im Gebiete dec 22 Mockim ist nichts von Belang vorgefallen und au die Annähervong zur Unterwerfung ist nicht weiter vorgeschritten. Dex Umstand, daß im Innern des Landes Verschanzungen angelegt werden, zeugt von fortdanecnder feindlicher Haitang von Häuptlingen; es flôößen aber diese Anlag-n keine Besorgniß cin, da es blos lokale Widerstandsmittel sind, welhe mit Leichtigkeit unshädlich gemacht werdey können. Durch die Eroberung des Kratons ist die Kraft der Vertheidigung gebrochen, und was weiter geschieht, ist lediglich partiell. Die Leute aus den unteren Ständen scheinen weniger gestimmt für die Fortseßung der Feindselig- keiten. Das Lager der Expeditionstruppen wucde nicht mehr (durch Scheinangriffe) alarmirt. In mehrere in der Nähe gelegene Kam- pongs find die Weiber wieder zurückgekehrt, auch werden nun von den Umwohnern Baumfrüchte und andere Kleinigkeiten zum Kauf gebracht, und die Umwohner bewegen si jeßt, was sie vordem nicht gethan, unbewaffnet in ihren Gauen. Dies ließ es dem Oberbefehlshaber van Swieten räthlich erscheineo, den Einwohnern, bevor er zu wei- teren Aktionen schritte, einige Zeit zur Besinnung zu geben und abzu- warten, was die zum Frieden Geneigten nun thun würden. Der Tod des Sultans wird bestätigt. Jn dem niederländischen Lager hat in- folge der den Maunschaften vergönnten Erholung die Cholera bedeu- tend abgenommen.

Neichstags - Angelegenheiten.

Berlin, 13. Februar. Dem Reichstage is d2er folgende Entwurf eines Gesehes über die Presse vorgelegt worden: Vir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

I, Einleitende Bestimmungen.

8§. 1. Die rechtliche Stellung der Presse wird durch das gegen- vârtige Geseß geregelt und unterliegt nur denjenigen Beschränkungen, welche dur dasselbe vorgeschrieben oder zugelassen sind.

8. 2. Das gegenwärtige Geselz findet Anwendung auf alle Erzeugnisse der Bucbdruckerpr-sse, sowie auf alle anderen, durch mechanische oder chemische Mittel bewirkten, zur Verbreitung be- stimmten Vervielfältigungen von Schriften und bildlichen Darstellungen mit oder ohne Schrift, und von Musikalien mit Text oder Ecläute- rungen.

Was im Folgenden von „Druckschriften“ verordnet ist, gilt für alle vorstehend bezeichneten Erzeugniffe.

& 3. Für den Betrieb der Preßgewerbe find die Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung maßgebend.

Bon anderen als den hiernach berechtigten Personen dürfen Druck- schriften auch daan, wenn ein Gewerbebetrieb nicht beabsichtigt ift, ohne besondere polizeiliche Erlaubniß weder auf Straßen, öffentlichen Pläßen und anderen öffentlichen Orten verkauft, vertheilt oder ausge- streut, noch im Hecumziehen verbreitet werden.

Vorstehende Bestimmung findet auf Stimmzettel für öffentliche Wahlen, sofern sie nichts als Zweck, Zeit und Ort der Wahl und Namen der zu wählenden Perfonen enthalten, keine Anwendung.

Die im dritt n Absaße des §. 143 der Gewerbe-Ordnung er- wähnten Vorschriften der Land-êsge)eße treten außer Kraft.

§. 4. Als Verbreitung einer Orueschrift im Sinne dieses Ge- seßes gilt auch das Anschlagen, Ausftellen oder Auslegen derselben an Orten, wo sie der Kenntnißnahme durch das Publikum zugänglich ist.

IL Ordnung der Presse.

8. 5, Auf jeder im Geltungêbereich dieses Geseßes ersczeinenden Druckschrift muß der Name und Wohnort des Druckers und, wenn sie für den Buchhandel, oder font zur Verbreitung bestimmt ist, der Name und Wohnort des Verlegers beziehungêweise Kommiisionsverlegers, oder beim Selbstveririebe der Druckschrift des Verfassers oder Her- auêgebers genannt sein. An Stelle des Namens des Druckers oder Verlegers genügt die Angabe der in das Handelsregister cingetragenen

irma. , Ausgenommen von dieser Vorschrift find die nur zu den Zw-cken des Gewerbes und Berkehrs, des bäuslihen und geselligen Lebens dienenden Drukschriften, als: Formulare, Preiszettel, Visitenkarten und dergleichen, sowie Stimmzettel für öffentlihe Wahlen, fofern sie nichts weiter als Zweck, Zeit und Ort der Wahl und den Namen der zu wählenden Pertonen enthalten.

8. 6. Zeitungen und Zeitschriften, welche in monatlichen oder fürzeren, wenn auch unregelmäßigen Fristen erscheinen (periodische Druckschriften im Sinne diescs Geselzes), müssen außerdem auf jeder Nummer, jedein Stücke oder Hefte den Namen und Wohaort des verantwortlichen Redacteurs enthalten.

Die Benennung mehrercr P.rsonen als verantwortliche Redac- teure ist nur dann zulässig, wenn dieselbe in einer Form bewirkt wird, aus welcher mit Bestimmtheit zu erschen ift, für welchen Theil der Druckichrift jede der benannten Personen die Redaktion besorgt. i

8. 7. Die Verbreitung von Druckschriften, welche vor dem Jn- krafttreten diejes Geseßes in cinem deutschen Bundesftaate erschienen find, ist gestattet, wenn sie den Vorschriften entsprechen, wel{e daselbst zur Zeit ihres Erscheinens bestanden.

Verantwortliche Redacteure periodischer Druckschriften dür- fen nur Personen sein, welche verfügungefähig, im Besiße der bürger- lichen Ehrenrechte sind und im Deutschen Reich ihren Wohnsiß oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

8. 9. Von jeder Nummer (Heft, Stü) einer periodischen Druck- \chrift muß der Verleger, fobald die Austheilung oder Versendung be- ginnt, ein Exemplar gegen eine ihm zu ertheilende Bescheinigung an die Polizeibehörde des Ausgabeorts unentgeltlich abliefern.

Dieje Vorschrift findet keine Anwendung auf ODruckschriften, welche aussließlich Zwecken der Wisseaschaft, dexr Kunst, des Gewer- kes oder der Jndustrie dienen.

§8. 10. Der verantwortliche Redacteur einer periodishen Druck- \{rift, welche Anzeigen aufnimmt, ist verpflichtet, die ihm von öffent- lihea Behörden mitgetheilten aintlihen Bekanntmachungen auf deren Verlangen gegen Zahkung der üblich.en Einrückungsgebühren in eines der beiden näch!ten Stüde des Blattes aufzunehmen.

S. 11. Der verantwortliche )iedacteur einer periodischen Druck- {rift ist verpflichtet, eine Berichtigung der in leßterer mitgetheilten Thatsachen auf Verlangen einer betheiligten öffentlichen Behörde odex Privatperson ohne Einschaltungen oder Weglafsungen aufzunel;men, sofern die Berichtigung von dem Einsender unterzeichnet ist und keinen strafbaren Jnhalt hat. Der Abdruck muk in der nächstfolgenden, für den Druck nicht bereits abgeschlossenen Nummer, und zwar in dem- selbin Theile der Drufschrift und mit derselben Schrift, wie der Ab- druck des zu berichtigenden Artikels, gescheheu.