1920 / 275 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 Dec 1920 18:00:01 GMT) scan diff

die Sozialisierungskommission auflösen und dafür eine Kommission des Reichsroirtschaftsrats ernennen. Die Aufhebung der Sozialisie- tva; sfommission würde Wirkungen auslösen, deren Tragweite noch nir zu übersehen ist. Die Arbeiter verlangen die Sozialijierung und lassen sich nit mehr vertrösten, sie wollen arbeiten, aber nicht mehr \chüuftèn für die Privatkapitalistèn. (Beifall b. d. Ü. Soz) y Abg. Diernreiter (Bayer. V.): Die Versorgung der Landwirtschaft mit flüssigem Brennstoff genügi n: immer nicht In Bayern sind 30009 Betriebe mit Dieselmotoren ausgestatiet, die für den Ausdrusch wichtig sind. Ueber die Aufhebung der Zwangswirtschaft - für Benzin und - ol ben oie widersprehendsten Gerühte herum. Ein Aus\{uß Reichswirtschaftsrats hat beschlossen, daß Benzin freigegeben, Benzol aber weiter bewirtschaftet- werden soll. an weiß nit, woran man ist. Die freie Wirtschaft würde die JInlands- preise an die [tmarktpreise | angleihen. Das würde eine ungeheure Verteuerung sein. Es “y auh zu befürchten, daß überhaupt kein Benzol mehr geliefert werden Tann, weil die Luxuêautomobile alles aufgekauft wird. Die hohen Preise sind dur die Weltknappheit an Benzin bedingt. Deutschland is mii Benzin auf die Ginfuhr angewiesen. Die beteiligten großen Firmen reißen die Oelfelder der Welt an si, ebenso die Transportschiffe. L Tante ist der Verbrauch rationiert, in England ist eine Kontroll- ommission für die. Einfuhr und Verteilung eingeseßt. Aber bei uns soll die Zwangsbewirtschaftung aufgehoben werden. Auf diesem Gebiete stehe 1ch der Au IAR bas Zwangswirtschaft skeptish gegen- über. Die elcktrishe Kraft hat für die Wirtschaft eine solche Bedeutung gewonnen, daß man ihre Gewinnung und Verteilun nit mehr der Willkür privater Monopolbetriebe überlassen darf. Die Interessen der Verbraucher müssen in erster Linie berücksihtigt

werden.

Abg. Hamm (Dem.): Unsere gefährdete Wittschaft darf nicht mit Experimenten adet werden. Wir müssen an der Privatwirtshaft festhalten, weil nur sie die richtige Auslese der Führer ermöglidit. Wir begrüßen den wirt- schaftliben Mus|huß des Kadinetis und hoffen, daß der Reichs- wirtschaftsminister unter starken Ministern der stärkste sein wird. (Abg. Si mon- Franken: Das wäre -aber sehr gefährlih!)) Wenn wir das Kohlenabkommen von Spaa weiter so ehrlich erfüllen wollen wie bisher, dant sind wir zur - wirtschaftlichen Erstarrung verurteilt. Süddeutschland leidet besonders unter der Kohlennot. Sm Frieden {hon mußten wir Schmiedekohle aus England einführen, und jegt werdèn wir aezwungen, deutshe Schmiedekoble auszuführen. VDa3 Transportwesen muß wirtschaftliher gestaltet werden. Die Qwangswirtshaft halten wir für überlebt, aber sie - war eine - unvermeidlide Notwendigkeit zu ihrer Zeit. Es ist auch nit berechtigt, über die hohen Leistungen unserer Beamten mit einer bintveazugehen. Die Zwangswirtschaft der Kömmunen

at nit nur lauter Fehler gemacht, sondern große Leistungen voll- braht. Auch ih habe große Bedenken gehabt, als der sozialdemo- Fratishe Wirxtschaftsminister wohl nicht ganz ohne Fühlung mit Herrn Hugo die Ledetzwangswirtshaft mit einom lage äufhob. Die große Preiserhöbung darf aber nicht einfach als Folge diéser Aufhebung bezeichnet werden. Wir sind da nicht frei gegen- über dem Ausland. Da wir knapp die Sie des Bedarfs im Inland decken können, bleibt uns nur der Anschluß an die Welt- wirtschaft übrig. Die Zwangswirtschaft ist nit zuleßt gescheitert an ihren eigenen Organen, den Kriegsgesell\chaften, die verdient, aber nicht der Allgemeinheit gedient haven. Planlos darf aller- dings mit der Beseitigung der Zwangswirtscha ns vor- gegangen werden, aber fobald die geundsäßlide Erkenntnis egen die’ Zwano8wirtshaft ist, ist se nmichGt mehr mögli; das gilt aud für Getreide. Allerdings wird auch hinter der Auf- hebung der Zwaagswirtschaft kein Sonnenland kommen, sondern ein Land voller Kampf und Mühen. Wir sind damit einverstanden, daß der Fonds für den Ausschuß zur Prüfung des Geschäfts- gebarens dex Kriegsgefellshaften von 500 auf 300 000 Mark Perabgesétt wird; denn “auch mit- “dieset Súmmes läßt sich coenügend - arbeiten. (Widerfpruh-. links.) Die - freie Wirtschaft hat allerdings auch mande unerfreulide Grsheinung, aber die höhen Dividenden bestehen auch in Papiermark, und die Kleinrentner gehören auch zu den Aktionären. Die Dibidenden häben eine ge- rTingere Steigerung erfahren als der Arbeitslohn. Wir find nit blind gegen die Auswüchse, namentli ‘bei der Ausgabe neuer Aktien, und das Wirtschaftsministerium muß diese: Dinge aufmerksam beob- achten und notigenfalls eingreifen. Die Kartelle und Trusts u untercrüden wäre sinnlos, aber wir müssen auch diese Bewegung eobachten - und die Beurteilung nit allein den Redakteuren_ der Handelêzeitungen überlassen. Die Verteuerung der O it gewiß eine schwere Last, aber wir erkennen auh die Not der

réssèe an, die unter der Erhöhung der Pienet e der Umsaßz- tewer, der Anzeigenbeshränkung und der iernot leidet. Anderer- eits ist die Erzielung außerordentlich hoher Gewinne auch ein

egenstand, der der gründlichen Prüfung wert ist. Es würde eine kulturelle Gefahr sein, wenn es nur ein paar große Verlage in Berlin gäbe. Die Zentralisation der Einfuhr ist eigentlih über- flüssig, aber was eingeführt wird, muß gerecht verteilt werden und darf nicht in die Hände von Sciebern gelangen. In der Sparsamkeit muß ein vernünftiaes Mittelmaß innegehalten werden, an werbenden Ausgaben darf nicht gespart werden, z. B. niht für das Messewesen. “Gerade wir in Süddeuts{land balten die Leipziger Messe als große «einheitliche deutshe Schau für unsere Beziehungen zum Ausland für ‘potwendig. Aber ebenso wie die Leipziger Messe müssen auch andère besondere Veranstaltungen dieser Art, wie z. B. die Bayerise Gewerbeshau, vom Reich unterstüßt werden. Die Frage des Acht- flundentages in den Büros muß ernstlih geprüft werden; der Beamten- stand läßt sch an Arbeitsleistung von keinem andern übertreffen. Die neuen Aufgaben des Wirtschaftsministeriuums müssen in persönlicher Fühlung mit der Wirtschaft im Lande erfüllt werden. (Sehr richtig!) ¡Deshalb beantragen wir auc einen ständigen Mitarbeiter aus Hand- werk und Gewerbe im Ministerium.

Hierauf nimmt der Reichswirtschaftsminister Dr. Scholz das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eingangs des Steno- gramms erst in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaut wiedergegeben werden. wird.

Abg. Dr. Rießet (D. Vp.): Der Abgeordnete Simon möchte die Beweiskraft umkehren. Die freie Wirtschaft hat si in der ganzen Welt glänzend bewährt. Wer an die Stelle eine Planwirtschaft, Sozialisierung oder sonst etwas seben will, ift beweiépflihtig, doß “daraus eine Crhöhung der Produktion, eine Verminderung der Pro- “duktionskosten und eine Steigerung- der Rentabilität erwachsen wird. “Herr Simon hat dafür keinen Beweis erbracht. Ferie Gégen- ‘beweise liegen aber u. a. in Rußland vor. Der Abgeordnete “Gothein hat nahgewiesen, daß die Produktion in Rußland nur auf 10 Prozent der Friedensproduktion gelangt ist, und der sozialistisce Abgeordnete Keil hat hier cinmal ctklärt, daß er vorläufig nit ‘glaube, daß die Sozialisierung des Kohlenbergbaus eine höhere tentabilität bewirken würde, daß man aber dazu genötigt sei, damit die Sozialisten niht den Glauben an die sozialistishe Enuvicktlung ‘verlieren. (Zwischenruf links.) Jch zitiere genau nach dem Sinn. Jch selbst habe den Antrag in Aussicht gestellt, den Fonds von 500 000 Æ für den Ausschuß zur Prüfung der Ale haften auf 300 000 4 herabzuseßen. Jch war der erste Antragsteller, det die Einseßung des Ausschusses setnerzeit beantragte, aber die 500 000 Mark waren ohne jede Unterlage angeseßt, und für den Rest dieses Jahres ist mit 300 000 auszukommen. Meine entschiedène Ver- währung lege ich dagegen ein, daß der Abgeordnete Simon meinén Freund Huao în so überaus beleidigendet Form angegriffên hat, ob- wohl er wissen mußte, daß Dr. Hugo" {on zum" Parteitag. abgereist ist. (Zwischenrufe links.) Jch behalte Dr. Hugo die Antwort auf diese Angriffe nach seiner Rückkehr vor. Soviel ich weiß, hat Herr Hugo \{on früher ähnliche Anariffe ausreihend widerle#. Aber Herr Simon glaubte. durch die Wiederholung der . Behauptunaen in Ne nait des Angegriffenen besser - wirken- zu können. (Beifall rechts) Abg, Frau Dr. Lüdêr s (Dem.)- tritt für den Antraa ein, wona alle Hindernisse der Gewerbeordnung aegen ‘die Gleih- berechtigung der Frauen in den berufsständischen- Vertretungen

-berücksihtigt werden.

kommission bestehen bleibt.

beseitigt werden sollen. Die Frauen müßten diesen Beruf- vertretungen angehören, dürften aber über die Verwendung ihrer Beiträge niht mitfprehen. erger müsse der Beruf der Hausfrau als Berufstätigkeit anerkannt und“ statistisch exfaßt werden, damit die Hausfrauen als solche auch in der seßgebung

angesehen werden, denn sie übe eine bedeutende Produktionstätigkeit aus. ‘Bei der Bildung des Handwerksaus\husses im Ministerium möge man nit vergessen, daß es auch _Handwerkerinnen gebe. Die Frauen würden immer nur von Fall zu Fall zugezogen, wenn die Männer glaubten, A Frauen interessiert seien. Vie Männer meinten aber oft, die Frauen seien nit interessiert, wo die Frauen selbst ‘interessiert zu fein alaubten. (Heiterkeit.) 1

Abg. Dr. Braun - Franken (Soz.): Frau Dr. Lüders wird in der ciaenen Fraktion wohl {wer ibre Meinung dur@- seben. (Heiterkeit.) Herr Nießer bätte die Rede von Keil wörtlih zitieren sollen, damit wir fkontrollieren können. Bei der Veraebung ter Reichsäaufträge kann mg niht schematisch ver- teilen, sondern muß auth das Interesse des Miches an der Sparsam- keit berüdsihtigen. Für das Cisenbahnmaterial käme auc die Selbst- versorguna des Reiches in Betraht. Die sakundige Stelle, die s mit den Reichsaufträaen befassen soll, muß auch über die Vergebung der Aufträge zu beshließen haben, wie es der Antrag Müller verlangt.

Abg: Simon (U. So r.): Ich habe ausdrüklich nach dem „Berliner Tageblatt“ zitiert, dessen Mitteilungen unwidersprochen ge- blieben sind. Bei der Anstellung der sechs adligen Personen ist ent- \hheidend, daß diese anderen das Brot weggenommen baben. Daß Dr. Hugo \{on - abgereist ist, habe ih nit gewußt. Ich sehe der Entgegnung des Abg. Hugo mit Ruhe entaegen. Die Tätigkeit des Prüfunasaus\chusses für dié Kriegsgesellshaften wird dur die Streichung von 200 000 Æ eingeengt. Man will überhaupt nit eine aründlihe UntersuGbung vornehmen lassen, damit nicht noch andere Herren unter die Räder kommen. Die Landwirtschaft nimmt die teurén Dünaemiitel nicht ab, geht zum extensiven Betrieb über und gefährdet unsere Ernährung.

Die dauernden Ausgaben des Reichswirtschafts-

„ministeriums werden bewilligt. Ueber die Entschließungen

des Ausschusses soll bei der dritten Lesung abgestimmt werden. Bei den einmaligen Ausgaben, und zwar bei dem Fonds

für die Sozialisierungskommission bemerkt Abg. H o ch (Soz.): Wir verlanaen, daß die Sozialisierungs- Gegen Professor Lederer ijt von der Gegenseite nur Einspruch erhoben worden, weil er in der Kommission wesentliche Dienste geleistet hat. Der Sturmlauf gegen die Sozia- lisierunosfommisjion hat nur den Grund, daß die Gegner die Frage nit gellärt baben wollen. Die Sozialisierungskommission ist nah dem Kapp-Putsh durch Vereinbarung mit den Gewerkschaften ein- geseßt worden. Die Parteien, dié zur früheren Regierung gehörten, ind verpflichtet, davon nit zurüZzutreten. Was für einen EindruL würde es auf die Arbeiter machen, wenn jeßt das Versprehen vom Kapp-Putsch gebrochen würde! ; ; g. Dr. Herb (U. Soz): Die Zentrumspartei und die Demokratishe Partei haben damals eine Verpflichtung auf sib genommen. Die Gewerkchsafken wollten damals eine ossi- ielle Anerkennung der Vereinbarungen haben, Die Vertreter des Benirums und der Demokraten betonten aber, der ausdrüdlichen An- erfennung der Vereinbarung bedürfe es nicht, da die bürgerlichen Paritcien selbstverständlich ibr Mort halten würden, auch wenn 28 niht \{riftlich niedergeleat würde. Der Abg. Gothein hat aus- drücklih ehrênwörtlih die Verpflibtung übernomtnen, für diese Ver- einbarung in seiner Partei mit allen Mitteln einzutreten. (Hört, bört!) Wir können es den Herren überlassen, ob sie als Wort- brücigce dastehen wollen. - Wenn die Sozialisierungskommission dem NReichôwirtschaftsrat angegliedert wird, so hört die sachlide Förderurig dieser Aufgabe auf. Diese Körperschaft, die noch nichts Ersprieß-

liches- geleistet hat und“ déren Ansehen -schon (roße Etnbußé erlitten

hat, wird die Soziélifterung8auüfgabe nit fördèrn. - Einige Parteien

laufen s{hên gegen den Sozialisierungsentwurf Sturm, die Arbeitén der Sözialisierungékommission müssen aber fortgeführt werden, auch -

auf anderen - Gebieten, nämlich der Sozialisierung -der Düngemittel.

Darauf gibt der NReichswirtschaftsminister Dr. Scholz eine Erklärung ab, deren Wortlaut wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms in der nächsten Nummer d. Bl. mitgeteilt werden wird.

Abg. Dr. N ieße r verliest in persönlicher Bemerkung die Stelle aus der Rede des Abg. Keil, wonach dieser niht sofort große Vebershüsse aus der Sozialisierung des Kohlenbergbaues erwartet.

Bei dem Fonds für den Reichskommissar für

‘Aus- und Einfuhr bemerïft

Aba. ge Behm (D. Nat.): Dem Titel Reichskommissariat für Ausfuhr- und Einfuhrbewilligung stimmen wir zu; wir wünschen aber day die&S Fahleute bei diesen Dingen mehr gehört werden. Stsleiers offe sind allerdinos Luxuswarén, æber man sollte ihre Ein- fuhr nit verbieten, denn sonst geht unsere Veredelungesindastrie zu- runde, die den Scleierstiderinnen das Brot gibt. Ebenso wenig ollte die Einfuhr von französishem Batist verboten werden, denn er eignet si viel besser zur Herstellung weißer Kravatten. Bei diesen Dingén sollten nicht nur die Bedürfnisse der Textilindustrie, sondern auch die der Konfektion berücksihtigt werden. Sonst entsteht die Gefahr, ‘daß unsere Konfektionsarbeiter und -arbeiterinnen aus- wandern mussen. Wir sollten Tabak einführen, aber keine aus- ländischen Zigaretten und Liköre. Wir werden- micht glücklich dur den Branntwein. (Beifall.)

Präsident Löbe: Auf Branmniwein bitte ih nicht weiter einzu- gehen, er gehört zum Ernährungsministerium. (Heiterkeit.)

Bei dem Fonds für den Prüfungsausschuß für die Kriegsgesellschaften bemerkt

Abg. Kraebßig (Soz.): Diejenigen Herren, die am lautesten nah der Einseßung des Ausschusses zur R Ea rs der Kriegs-

‘gesellshaften riefên, habèên nachher die Kontrolltätigkeit des Aus-

Die Prozesse, die- die Kriegsgesell- müssen s{leunigst durch Ver- ordnung nmiédergeshlagen werden damit die Liquidation be- shleunigt wird. Das muß gesehen, bevor die -Deutshe Ver- fi xrüngsbank eine KriegSgesellschaft an eine private Firma verkauft worden ist. Auch der Treuhänder des Ausschusses hat si gegen den Verkauf dieser Bank auscesproden. Der Vertreter des MNeichsschazministeriuums hat aber erklärt, der Ausschuß habe in diesen Dingen kein Entsceidungsrecht. Wir verlangen, daß dem Aus\{uß Hees Recht gewährt wird. (Sehx rihbig!) Dér Auss{chuß do nit zur bloßen Kulisse werden für die Regieruna. Dazu gebe i mich nicht her. Wir protestieren gegen die Auffassung des Reichs- shaßministeriuums. Die Liquidation der Kriegsgesellshaften da:f nit so geschehen, daß man sie dem Privatkapital in die Hände wirft. (Beifall.)

Damit {ließt die zweite Beratung des Haushalts des Wirtschaftsministeriums.

Nächste Sißung: Montag, den 6. Dezember, nahm. 4 wg A E des Reichsernährungsministeriuums). Schluß 1% Uhr.

{usses am meisten ersdnwert. \chaften gegeneinander führen,

PBreußisGe Landesversammlung. 186. Sitzung vom 1. Dezember 1920. Nahtrag.

Die Nede, die bei Fortsebung der Beratung V Haushaltsplans für die Bauverwaltu der Minister der öffentlichen Arbeiten Oeser gehalten hat, hâtte 6 enden Wortlaut: Minister -der öffentlichen Arbeiten Oeser: Meine Damen

und Herren! Ich will zunächst auf einige Einzelfragen eingehen, die

Die Frau könne nit allein als Konsumentin

in der Erörterung berührt worden sind. Der Antrag Siering us (Zenossen Nr. 3285 ist bereits im Ausschuß besprochen worden. I habe sa&lich Feine Veranlassung, gegen ihn Siellung zu nehmen, und werde mih persónliß immer freuen, “ih Wüns&êu der Ten ik er entgegenkommen kann, natürlich vorausgeseßt, daß auch cine fahlihe. Notwendigkeit für ihre “Erfüllung vorliegt; denn in urserer jeßigen Finanzlage können wir nur zur Befriedigung der GleiÆXbere{tigung \{werlih neue Stellen \{affen. E Yber ih habe erheblihe Bedenken gegen den Antrag ti Hinblick auf tie bevorstehende Uebergabe der Wasserstraßen an das Reih. Die Länder sind mit dem Reih dahin ubereingelommen, per der Verreichlihung keine neuen Stellen méhr zu schaffen. Nün rœrten bier allerdings Teine neuen Stellen gecs{affen, *sondern és öt nur eine Verschiebung beantragt. Aber es jollen doch dret Ministerialräte mehr planmäßig angestellt werden gegenüber dem (Stat. Ich weiß, daß der Reichsfinanzminister und der Neichsverkehrs- minister Bedenken gegen den Antrag haben und fürchten, daß er das Signal sein könne zu ähnlichen Erscheinungen wie beim Uebergang der Eisenbahnen auf das Reich, daß nämlich die Länder noch kurz vör Tcres\&luf viele Stellen \Gaffen. Sollte also das hohe Haus zur Annabme tes Antrages geneigt sein, so kann ‘das nur unter der Vor- ausfeßung geschehen, daß die Stellen unter Zustimmung des Ne i ch s geschaffen werden und eine Ernennung nit erfolgt, bevor nit die. zuständigen Reichsinstanzen dem ihre Zustinimung -erteilt baben. ; Fs Jm übtigen kann ih meine Genugtuung darüber aussprechen, daß die Arbeitérpolitik des Bautenministeriums von fo ver-

iedenen Seiten Anerkennung gefunden hat, wie von dem Hérea

Abgeordneten von Kries und von dem Herrn Abgeordneten Rösler. Ich werde die von mir beschrittenen Wege weiter verfolgen. Jh werde gerehte Forderungen der Arbeitershaft immer anerkenneh, werde aber au ihnen gegenüber mit aller Entschiedenheit. die -alt- gemeinen Interessen zur Geltung bringen müssen. Jch - bin“ der Ueberzeugung, daß wir auf dem beshritienen Wege des Abschlusses von Tarifverträgen zu einer ruhigen Entwicklung in der Siaais- arbeitcrs(aft kommen werden.

Was die Notstandsarbeiten anbetrifft, so habe ih mich wiederholt dafür ausgesprochen, daß derartige Arbeiten unternommen werden. Zu meiner Freude ist die Arbeiislosigkeit. noch nicht in dem Maße gewacsen, wie vor Monaten befürchtet werden mußte. Wir baben im Gegenteil eine etwas rüdckläufige Bewegung, aber wir dürfen uns darüber niht täuschen, daß beim Eintritt von Frost oder veränderten wirtscaftlihen Bedingungen doch ein neues Ansteigen der Arbeitélosigkeit eintreten kann; wenn die Zahlen augenbliÆi® günstiger sind als wir befürhteten, so hat dazu beigetragen, daß in tielen Unternehmungen niht mit voller Ausnußung der Arbeitszeit gearbeitet wird. Wir. haben Notstandsarbeiten vorbereitet, und dér

Herr Ministerialdirektor wird Ihnen nachher darüber Einzelheitén

mitteilen. Eine der ersten Voraussehungen für Notstandsarbeiten ist allerdings, daß uns die Kohle zur Verfügung gest èllX r: ird, denn ohne Koble können wir geordnete Notstandsarbeiten nicht leisten. Schon bisher ist der Kobßlenmangel für uns außer ordentli störend, insbesondere bei Kanalbauten ist der Betrieb nit sländig durchzuführen, wenn die Kohle nicht- zur -Verfügung - steht. Gefingt -es uns ‘nicht, uns die Kohle zu : sichern, die wir für “di Nofstantsarbeiten. brauchen, dann -weiß ih nit, wie wir - ste: großem Umfange in Angriff nehmen könnten. A Nun hat der Herr Abgeordnete Nösler einige Bedenken darüber geäußert, daß wir die produktiveErweirbsölosenfürsorge für die Notstandsarbeiten in Anspruch nehméñ. Seine Befürhtungen gingen dahin, daß dadur die Tarifverträge geschädigt werden könnten. Meine Damen und Herren, ih vermag das nit ohne weiteres anzuerkennen. Wir können {wer die Þro- duktive Crwerbslosenfürsorge bei den Notstañndsarbeiten entbehren, weil es si doch hier um recht erheblibe Mittel handelt, die bei der Finanzlage des Staates außerordentlih in? Belracht - zu ziehen sind. Wir sind dabei gebunden an die Vorschriften, die der Herr Neichsarbeitsminister erlassen hat. Er hat am 10. Januar folgende Grunds{äße aufgestellt: ch ; i „Bei öffentlichen Arbeiten, die mit Mitteln der -Er- werbêloscnfürsorge unterstühi werden, muß die. Entloh-n ug so bemessen werden, daß der Antrieb zur Aufnahme anderer Arbeit nit beseitigt wird, und daß für andere Arbeiter .n i ch t die Ver- suchung kesteht, zu den Notstandsarbeiten abzuwandern. es si mit der Natur der Arbeit irgend verträgt, muß ‘die Ent- lohnung der Arbeitsleistung angepaßt werden (Akkord- oder Prämien- \svstem). Arbeiten, die von öffentlißen Körperschafien in- cigéër NRegic ausgeführt werden, dürfen regelmäßig nur dann mit Mitteln der Erwerbslosenfürsorge unterstübßt werden, wenn die Gntlohüung nach einem Akkord- oder Prämiensystem geschieht.“ -- - Wir sind an diese Vorschriften gebunden. Ich glaube uh ‘nick, daf: sie gegen die Tarifverträge verstoßen, denn der Lohn känn- bé- recknet werden nab Prozenten der Tarifsäße. Der Tarifvertrag. Bleibt dabei bestehen. Man muß aber berücksihtigen, - daß diese Arbeiten an und für sih niht oder noG nicht ausgeführt würden, wein nicht als Noistandsarbeiten verlangt würdez. Es besteht cin Jnterc! e aran, nit Arbeiter aus der Produktion herauszuzieben, um Tie zu Notstandsarbeiten anzuseßen, aber auch daran, dèn bei den Notstands- arbeiten beschäftigten Arbeitern nicht nahezulegen, daß sie dört -ver- bleiben. Sie sollen vielmehr möglichst nur vorübergehcnd beschäftigt werden, und der in ihnen wohnende Drang, in geordneien Verhält- nissen, also nach den Tarifsäßen zu arbeiten, soll dadur nicht bé- einträhtigt werden. Wir werden daher wohl an diesen Grundsäßen festhalten müssen. Jch habe aber früher fon gesagt, wir wollen dea ganzen Kompler dieser Fragen, wenn die Nachtragsforderungen kcmmen, im StaatéhaushaltsauësschGuß besprehen und wollen dört versuGen, die besten Grundsäße für diese Notstandsarbeiten fést- zuTcgen. Die Herren werden also dort ihren Standpunkt datlegä kénnen. D Der Herr Abgeordnete Rösler hat #ch recht warmherzig für die Bauarbeitergenossenschaften- eingeseßt, Jh Habe son früher einen Erlaß herausgegeben, wonach diese Genossenscaftei zu den Arbeiten in gleiher Weise wie: andere Unternehmer herangezogen wèrden sollen. Sie sind also ‘in der Bauverwal- tung vollständig gleihberehtigt. Ih muß aber darauf äufmerksaïk machen, daß sih hier. gewisse natürlihe , Schwierigkeiten étg Gerade Tiefbauarbeiten erfordern ein sehr kosispieliges - Gerät, unt fie sind au kaum obne Ingenieure und obne Leitungspersonen aus- ¿bführen. Man muß also, weün man solhe Genösseñfchäften . für Tiefbauunternehmungen größeren Stils haben will, versuhen, wié deu hier vorliegenden Schwierigkeiten begegnet n kann, Id

4 L: A =

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bîn gern bereit, dazu meiné Beihilfe. zu bieten, weil ih glaube, daß dicse Genossenschaften dann, wenn sie. si, was ich heute noch ait benrteilen kann, als wirts{chafllih dauerhaft erweisen, ein geeignèlcs Mittel“ sid, die Arbeitsfreudigkeit herzustellen, und daß da, wo der- alige Genossenschaften nun auf eigene. Rechnung und auf eigenes Risiko arbeiten, die ‘Arbeitsfreudigkeit, ‘der Drang, mit der Arbeit fertig zu werden, selbstverständlich vothanden ist.

Wir werden auch gem die Einteilung in kleinere Lose ,-wie es der Herr Abgeordnete Rebehn gewünscht hat, da durh- führen, wo es möglih ist. Ueberall ist es nicht möglich. Ebenso werden wir selbstverständlich das Handwerk in der gleichen - Weise wie die Genossenschaften berücksihtigen. Die Herren, die früher Mitglied des . Parlaments waren, wissen,- daß ih mi als Berichterstatter des Haushalts -für Handel und Gewerbe immer für die berechtigten Forderungen des Handwerks eingeseht habe. Jch babe wich in meiner Verwaltung bemüht, diesen Forderungen nazu- kcmmen,- und ‘ih freue mi, ‘daß- von -Handwerkerseite meinen Bes strebungen au in. leßtèr Zeit noch Anerkennung gezollt worden ist.

Sn der Frage der Lahnkanalisation ist Ihnen ein An- trag vorgelegt worden. Wem Sie diesen Antrag annehmen wollen, so habe ih namens der Staatsregierung ein Bedenken dagegen nicht zu erheben. Es werden bereits Pläne für die Ausnubung der Wasser- fräste an der Lahn ausgearbeitei. Wie weit sie si verwirklichen lassen, steht natürlich einstweilen noch dahin.

Was ‘die Ruhbrkanalisièrung anbetrifft, über die der Herr Abgeordnete Kloft sehr ‘interessante’ Ausführungen gema@ht hat, habe ich versprochen, die Vorarbeiten möglichst zu besch!leunigen. Als die amtlichen- beteiligten Instanzen gehört worden sind, hat sich aber herausgestellt, daß erbeblihe Meinungsverschiedenheiten über die WirlsHaftlichkeit der Kanalisierung noch_ vorhanden sind. Der Nubrkanalverein ist davon verständigt und gebeten worden, weiteres Máterial - mitzuteilen. Jh werde weiter bemüht bleiben, die Frage einer baldigen sung zuzuführen. s

Herr Abgeordneter von Kries und andere Herren haben über die Verhältnisse im Oderbruch gefprohen. Die Vermwässerung - fo mneitvollen Kulturlandes ist außerordentlich bedauerlid. Jch muß es aber ablehnen, daß die Tätigkeit meiner Verwaltung eine Schuld daran trägt. Es ist nicht nachzuweisen, daß die Bauten, die dort auf Grund- dér- Gesehe von 1904 und 1905 vorgenommen wurden, irgendeinen Nahteil hervorgerufen haben. Es wird nun der Vor- wurf erhoben, daß die Bauten noch nicht zum Abs{luß gekommen sind. Meine Damen und Herren, die Bauten sind in sehr flottem Gange gewesen, und wir konnten annehmen, daß wir bor der in Auósiht genommenen Frist fertig werden würden. Leider kam aber der Krieg dazwishen. Zu Beginn des Krieges sind die Bauten noch fcrigeseßt worden. Dann mußten sie aus den bekannten Gründen eingestellt werden. Nach Beendigung des Krieges sind sie alsbald wicdèr aufáenommen worden, und es hat sich dann ergeben, daß auch bier wie anderwärts. die beränderien Zeitverbältnisse, die enorme Verteuerung des Bauens die im Haushaltsplan vorgesehenen Gelder viel schneller absorbierten, äls voráußgeschen werden konnte. Es werden erheblihe Mehrforderungen noch an das Haus herantreten, und ih nehme an, daß sie kéinêrlei Shwierigkeiten haben werden.

Wix werden ‘dann bemüht: blefben, diese Bauten, sobald es Irgénd. angängig E, fertigzustellen. Wenn in dem Antrag Garnich verlangt wird, daß die Mittel in den Haushalt für 1921 eingestellt werden sollen, so,: glaube i, ist ‘das gegenwärtig ziemlich zwedlos; denn in den Haushalt für - 1921 würde nur ein Teil der Mittel, sirveit die landwirtshafilihe Verwaltung. in Frage kommt, eingestellt werden können, während dié Mittel für die Stromverwaltung vor- ‘aussichtlih „auf den Reihshaushalt zu übernehmen sind. Jh werde ‘aber dem. Antrag Garni zuvörkotnmen, indem ih auf dem Wege der Anforderung außerordentliber Mittel versuhen werde, möglichst Bald vorwärts zu kommen. Der Herr Landwirtschastsminister hat fich ja in der Beantwortung auf eine kleine Anfrage bereits über die Angelegenheit. ausgelassen. Jch muß ihm darin durchaus bei- Ftimmen, daß au die inneren Verhältnisse des Oderbruhs, bor allen Dingen auch der Zustand :der Gräben, niht ohne Ginwirkung auf die Verwässerung gewesen sind.

Wenn der Herr Abgeordnete Rebehn eine Verbesserung des Wasserverkehrs nah Königsberg verlangt hat, so ‘ettenne ich diesen Wunsch als durchaus berechtigt an. Es wird auch bereits geprüft, ob es mögli is, von Stolpmünde aus eine derartige Verbindung herzustellen. Von ba aus, wie es ebenfalls gewünscht worden ist, {eint es kaum möglih zu sein, weil si -die Kosten avßerordentlich boch gestalten würden. (Bravo! bei den Deutschen Derhoktaten.)

_ -Dann ist über die Brülke bei Tschicherzig an der Oder gesprochen worden, die in einem außerordentlich baufälligen Zustande sei, so daß der Aufzug der Schiffahrtsklappe kaum noch mêglih fei. Nach. den Verhandlungen, die an Ort und Stelle statt- gefunden haben, hat der Landrat erklärt, daß sich der Aufzug für diesen Winter wahrscheinli noch glatt vollziehen werde, und daß ein Notberkehr über die Brüe, eingerihtet werden könne. Der Staat hat ñach der Rechtslage keine Verpflichtung, diese Brücke neu ¿L bauen. Die Brücke ist ursprünglih von einer Aktiengesellschaft gebaut worden. in Ablösung der Fähre. Sie ist dann von den Koims- ‘munalverbänden übernommen worden unter Beteiligung dcs Staal2s durch Bereitstellung von Mitteln. Eine neue Brücke würde nah dem Voranschlag 8 bis 10 Millionen Mark kosten. Die Einnahmen ‘an Brückengeld betragen 3- bis 4000 Mark jährlich. Sie begreifen, meine Damen und Herren, daß hier éin: sehr \{chlechtes Ges{häft vor- liegt, und daß sich eigentlich alle Beteiligten weigern, den Bau zu übernehmen. Es wird aber kaum zu einem anderen Ergebnis zu kommen sein, als daß sich die’ Beteiligten zu entspreGenden Bei- trägen bereitfinden lassen, und wir dann neuerdings prüfen, inwieweit der Staat mit zu Beitragsleistungen herangezogen werden kann. Es kommen in Frage das Projekt eines Neubaues der Brücke und das Projekt einer durhagreifenden Reparatur der Brücke, die auf acht bis zehn Jahre Halten: würde,- odèr die Errichtung einer Fähre. Hiergegen wehten ih die Anwohrier natürli, weil das ein Ver- Tebrsrüdschritt wäre. Es kommt“ noch hinzu, daß die Brücke gegen- wättig ein- Verkehrshindernis darstellt, und: daß vielleiht aus dem Grunde dann: derjenige, der die-Stromlasten zu tragen hat, zu Bei- trägen herängezogen werden kann. - L

.__ * Es sind ‘dann weiter, meine Damen und Herren, zur Sprache gebraht worden das Verhältnis der Reihspost- zu den Kraftfaßrgesellschaften und die - bekanntes Differenzen, dié sich ‘daräus ergeben haben, daßdie Reichspost auf der einen Seite und die KrafifährgésellsGaften auf der anderen Seite dieselben Auto- Linien hergestellt haben. Das Reich nimmt in Anspruch, -daß die

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Linien der Reichspost niht genehmigungspflihtig . seien. Preußen hai diesem Standpunkt aus Rechtsgründen - beigepflihtet, während Sachsen und Braunschtveig cine andere Rechtsauffassung haben. Ich bin aber in Anbetraht der Shwierigktiten, die daraus entstehen

| daß eine Neichsgeséllshaft auf Kosten der AUgemeinheit einer anderen

Reichsgesellschaft, nämlich der Reichspost, Konkurrenz maht und unigekehrt, frühzeitig an das Neichsverkehröministerium herangetreten und habe um Beseitigung dieses Zustandes gebeten. Es ist cin Be- {luß des Reichékabinetts vom 15. September herbeigeführt worder, wona die Post keine Genehmigung für ihre Linien nachzusuchen hat, aber zur Beseitigung des Wettbewerbs zwischen Post und Ge- sellschaft Verhandlungen zwischen dem Reihsverkechrêministerium und der Reichspost zu erfolgen haben. Es ist daraufhin in ciner ganzen Neihe von. Fällen {on eine Verständigung zwischen den beiden Jn- stituten erfolgt. Jh nehme an, daß es auf diesem Wege gelingt, die vorhandenen Schwierigkeiten vollständig zu beseitigen.

Der Wunsch der Duisburger Hafeneisenbahn- arbeiter, zur Reichseisenbahn übergéführt zu werden, ist bisher nicht erfüllt worden. Es sind aber Verhandlungen über die Ueber- führung. neu eingeleitet worden. Wenn diese zum Ziele führen, würden meinerseits Bedenken dagegen nicht bestehen, ihnen die Vorteile der Reichseisenbahn zuzuführen.

Die Frage der Kleinbabnen hät mih im leßten Jahre besonders beschäftigt. Die Kleinbahnen hehen bekanntlich niht auf daë Reich über, sondern verbleiben bei Preußen, weil das Reich nur die dem allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahnen übernommen hat. Die Kleinbahnen leiden unter den Zeitverbältnissen in derselben Weise wie die Reichseisenbahnen. Ihre Arbeiter und Angestellten beoehren eine Bezahlung, die der der Reichéeisenbahnen gleichßkommt, während der Verkebr auf den Kleinbahnen beschränkt ist und die Einnahrmèn nit durch Rückgriff auf die Steuerleistung korrigiert werden können wie bei den Reich8eisenbahnen. Jch habe seit Be- ginn -des Jahres damit rechnen müssen, daß eine wabsende Anzahl ron Kleinbahnen nit nur in finanzielle Schwierigkeiten kommen, sendern unter Umständen genötigt sein würden, ihren Beirieb still- zulegen. Es ist vorgekommen, daß einzelne Kleinbahnen ihren Be- tricb eingestellt haben, ohne daß die Aufsihtsbehörde davon Kenntnis erhalten hatte. Jh habe deshalb in einem Nunderlaß die Auffiht3- behörden darauf aufmerksam gemacht, daß keine Kleinbahn berechtigt ist, ibren Betrieb ohne meine Zuslim- mung einzustellen. Denn ihrer Konzessionierung steht die Verpflichtung gegenüber, den Betrieb aufre{Gtzuerhalten; sie können diese Betriebspfliht niht ohne weiteres beseitigen. Einzelne Klein- babnen haben nun versucht, Konkurs anzumelden, nur vereinzelt, weil sie, wenn sie den Betrieb einstellen, aus dem vorhandenzn Material, wenn sie die Schienen herausreißen und sie verkaufen, voraussichtlich ein gutes. Geschäft machen. (Sehr richtig! rets.) Ich habe einen Fall in der Nähe, wo die Kleinbahn erklärte, sie könne den Betrieb nit fortseßen, dann aber von der beteiligten Stadi, die bereit wax, die Kleinbahn zu übernehmen, niht weniger als das Dréifache des Aktienkapitals als Entschädigung verlangte (hôrt! hört! rets). S

Jn dem Fall, in. dem ein Antrág der Herren Abgeordneten Rippel, Ebersbäch usrv: wegen“ der Bahn Schalksmühle—Halver (einer Strede der Priváteisen bah n Kreis-Altenaer Schmalspur- eiscnbahn) vorliegt, ist nit. die vollständige Betriebseinsiellung be- absichtigt, sondern die Bahn -will sich dur- die Abstoßung einer Linie gewissermaßen finanziell sanieren. Die-Frage wird geprüft, ob dieser Weg überhaupt gangbar ist. Der Oberpräsident ist zum Bericht auf- gefordert. Die Entscheidung steht dem Reich zu.

Abex, meine Damen und Herren, man kann hier nit Einzelfällz dieser oder jener Kleinbahn herausgreifen. Man muß die Frage in ibrer Totalität betrahten dahingéhend, daß sämtliche Kleinbahnen sih mit ganz wenigen Ausnahmen in Betriebsschwierigkeiten befinden. Vie Frage ist, wie man ihnen zu Hilfe kommen kan t. Jh habe verschiedene Wege versucht. Zunächst habe ich den Zu-

sammens{luß der Kleinbahnen zu einer Art Gesamtgarantie in Aus-.

sit genommen. Es hat sich aber ergeben, daß dieser Weg ohne \ckwere geseblihe Eingriffe niht mögli ist.

Wir sind nun dahin gekommen, daß wir eine Darlehns- kasse für die Kleinbahnen errichten werden, bei der das Reich mit einem Fünftel, Preußen mit zwei Fünfteln und die Pro- vinzen ebenfalls mit zwei Fünfteln sich beteiligen wollen. Das Reich hat im Haushalt bereits die Summe von 20 Millionen aus- geworfen, wovon voraus\sihtlich 15 Millionen für Preußen bereit sein werden. Meine Damen und Herren, sie werden demnächst auch hier eine Nachtragsforderung vorgelegt békommen, die 40 Millionen für die Gesundung der Kleinbahnen verlangt. (Bravo!) Aehnliches werden au die Provinzen zuzuzahlen haben. Es ist dabei geplant, daß diese Darlehen nit gegeben ‘werden zu Investitionen, sondern lediglich zur Aufrechterhaltung des Betriebes, wobei die Kleinbahnen sch dann aber auch eine gewisse Aufsicht. gefallen lassen müssen, die dahin geht, daß der Betrieb untersuht wird, ob êr in allen Punkten wirtshaftlich geführt wird (sehr rihtig!), und daß an die Hingabe der Darlehne die Bedingung geknüpft wird, daf: Forderungen in bezug auf Vereinfachung, Verbilligung und Ver- besserung des Betriebes von den Kleinbahnen erfüllt werden müssen (Zuruf des Abgeordneten Dr. Heß.) Die Darlehné werden billig gegeben werden. Ueber den Prozentsaß ist eine volle Verständigung noch nicht erfolgt. Selbstverständlih. können die Darlehne nicht unterschiedslos an jede Kleinbahn gegeben werden. Einzelnen Klein- bahnen werden Darlehne wahrscheinlich nicht gegeben werden, wenn sie so innerlih krank sind, daß sie nicht noch gesund gemacht werden kfeunen; da würde ich Anstand nehmen, allgemeine Geldmittel ber- zugeben, uin ein absolut verlorenes Unternehmen noch eine gewisse Zeitlang durchzuhalten. Man kann wieder gesund machen nur den, der noch eine gewisse Widerstandskraft besißt; das gilt auch hier von den Kleinbahnen. Die Provinzen werden mitacbeiten und mit- beraten. Der Staat wahrt sich natürlich feinen Einfluß, und es rzird auch das Personal der nôtleidenden . Kleinbahnen bei der Be- urleilung der Verhältnisse herangezogen werden. Jch bin“ der Ueber- zeugung, meine Damen und Herren, daß wir hier etwas Glänzendes zwar nicht ecreihen werden, aber do eine Neihe von Unternehmungen üker Wasser halten können, bis eine bessere Zeit eintritt.

Die Frage, daß die Kleinbahnen etwa vom Staate vollständig zu übernehmen wären, ist. überhaupt nit “aufzuwerfen, denn es ist ausgeschlossen, daß der . Staat angesithts feiner heutigen Finanzlage etwa diè Gesamtheit der Kleinbahnen übernimmt. Also muß man auf anderem Wege versuchen, eine Besserung und Heilung herbei- zuführen; : L ELARES

Dann, meine Datnen und Herren, darf îich im Namen meiner Amtsvorgänger und meiner Herren Mitarbeiter den Fr Me meen aufrichtigen und herzlihen Dan k ausfprehen für die Än- ertennung, die hier bei der Beratung seines leßten Etats das Mini-

sterium der öffentlichen Arbeiten und insbesondere die VBauverwaltüng

gefunden hat. Ich kann das um so unbefangener tun, als diefer Tank niSt mir gilt, sondern denen, die vor mir da waren, be Herren, die die technishen Führer und die Mitarbeiter meiner Vet« waltung maren. Aber ih kann diesen Dank auch aussprechen an -däs Parlament und kann freudig konstatieren, daß das. Parlament den weitsihtigen Plänen der Bauverwaltung Interesse und Verständnis3

« enigegengebrachi hat, und daß wir hier mit gewissen Ausnahmen

Schwierigkeiten in der Fortentwicklung der preußishen Wasserstraßen nit gefunden haben. Diese Ausnahmen sind zweierlei. Die: eine war die Frage des Mittellandkanals, wobei ein Teil dieses Lauses sih nicht überzeugen konnte, daß er wirtshaftlich notwendig sei; die andere Frage betrifft die andere Seite des Hauses und.be- zieht sich auf die Shiffahrtsabgaben. Jh möhte- bierzu; da ih seinerzeit einer der Vorkämpfer der Gegner der Schiffaßrt8-: atgaben gewesen bin, noch eine grundsäßlihe Bemerkung machen. ** Ich glaube, meine Damen und Herren, die Verhältnisse unseres Landes und Reiches haben sih fo grundlegend verändert, daß wêr t Zukunft auch über die Strom- und Schiffahrtsabgabew faum hinwegkommen werden. Wenn Aufwendungen in Zukunft -ge« macht werden sollen, wird das ‘Reich den Weg beschreiten, daß alle Beteiligtzn zur Tragung der Lasten herangezogen werden. Das wird verausfichtlih auch eine Folge der Internationalisierung der Ströme sein. Denn wenn von einer außenstehenden Kommission den Ufee-: ländern beslimmte Baupflichten auferlegt werden sollen, so wird die Finanzierung derartiger Auflagen kaum anders herbeigeführt ‘werden fennen als auf dem Boden der Abgabenerhebung! JH meine, nach- dem wir nun am Ende des Ministeriums der öffentlichen Arbeitèn die Streitart wegen des Mittelsandkanals endli begraben haberz können wir auh die andere „Sitreitart wegen der Siffahrt8abgaben. mit in die Grube senken. Wenn wir eine Fortentwitlung der Wasser- straßen wollen, wird es auf einem anderen Wege nit gehen. J glaube, es ist ein versöhnlihes Moment, daß wir sagen kömien, über diese Fragen, über die wir uns früher so oft am Kopfe gehabt baben, werden wir uns in Zukunft niht mehr streiten. Da wird-€s sich darum handeln, wie wir praktish verfahren und tatsächlich bauen. Wir haben alle Veranlassung, dem, was Preußen auf dem Gebiete der Wasserstraßen geschaffen hat, Anerkennung zu zollen. Unter 10 000 Kilometer Wasserstraßen im Deutschen Reich sind 8000 Kilo- meter preußisch. (Hört, hört! rechts.) Also den größten Anteil der Wasserstraßen hat Preußen, und seit die preußishe Verwaltung Ende der 70er Jahre anfing, die Ströme zu korrigieren, sind 34 Fluß- und ondere Kanalisierungen größeren Umfanges in Angriff genommen. Sie sind größtenteils beendigt, zum Teil allerdings noch im Bäü. Es ist in diesen Wasserstraßen investiert ein Kapital von rund 1 Milliarde Goldmark, ohne die Unterhaltungskosten, also ein ganz! erhebliches Kapital. Es sind der Rhein, die Ems, die Weser, die EIbE: die Oder, die Weichsel, die Memel, die Mosel, die Spree, die Havel und der Pregel erheblich verbessert worden. Es sind Strombaus: direktionen für die größeren Ströme eingerihtet worden, das Mihts: sterium hat bei der Kodifikation des Wasserrects in hervorrageiSW Weise mitgearbeitet. Es ist eine Reibe künstlicher Wasserstraßen ins Leben. gerufen worden mit dem Erfolg, daß der Verkehr auf den deutscher: Wasserstraßen, glaube ih, von 2,9 Milliarden Tonnenkilometer ük Jahre 1875 bis zum Jahre 1913, also bis zum leßten Friedensjahté, auf fast 21 ‘Milliarden Tonnenkilometer gestiegen ist, eine Steigerung: um rund 1000 %, die si zweifellos fortgeseßt hätte, wäre der Krieg. nicht gekommen. Vergegenwärtigèn Sie sich, wel ein Segen dadur über das Wirtschaftsleben ausgebreitet worden ist, daß von dem Vote teil dieser Wasserstraßen niht nur Preußen, sondecn das gesamt Reich die Nußnießung hatte und auch in Zukunft haben wird, ‘dant: kann man sowohl dem preußischen Landtag wie dem preußischen Mis: nisterium der öffentlihen Arbeiten die Anerkennung für die Leistin-: gen nicht vorenthalten. D Meiñe Damen und Herren, dabei hat sich nach meinem Empfindèn! eines zweifellos ergeben. Zunächst fing man an, die Ströme als solche zu verbessern und zu bauen. Heute steht man auf dem Stande punkt, daß keins dieser Bauwerke für sch isoliert betrahtet werden kann, sondérn daß der Wasserbau sich ausgestaltet hat zu einer völligen Wasserwirtschaft. Die Aufgabe des Ministeriums der öffent- lichen Arbeiten und seiner Nachfolger wird es sein, diesen Standpunkt festzuhalten, daß es nämlih nicht darauf ankommt, den oder jenen Bau herauszustelleu, sondern daß all diese Maßnahmen, all diese: Bauten, all diese Korrektureck dazu dienen müssen, die wasser- wirtshaftlihen Verhältnisse des Landes zu vër- bessern, also zugleich die Hochwassergefahr zu beseitigen, “dex Ent- und Bewässerung sowie der Landeskultur und der Kraftgewinnung? zu dienen. Jn Preußen sind bisher 3 Ministerien daran beteiligt ge- wesen, das Ministerium der öffentlihen Arbeiten für den Bau; düs Handelsministerium für den Verkehr und das Landwirtschaftsrniniste« rium für die Landeskulturaufgaben. Jch darf mit Genugtuung fest- stellen, daß der Verkehr der 3 Ministerien untereinander, wenn sich auch hier und da Meinungöverschiedenheiten ergeben haben, sich aus- gezeihnet gestaltet hat, und daß die 3 Ministerien nur immer das Ziel im Auge hatten, dem Ganzen zu dienen. In Zukunft wird ein Teil dieser Aufgaben auf Grund der Reichsverfassung auf das Reih übergehen. Jch hábe die Empfindung, daß eine vollkommene Zwei- teilung der Aufgabe bevorsteht: auf der einen Seite der Bau und der Verkehr und auf der anderen Seite die Fragen der Wasserwirt= {aft, der Ent- und Bewässerung und der Landeskultur. JIch möchte hoffen, daß aus dieser Zweiteilung niht ein Gegensaß entstehen möge. Jch bin überzeugt, daß das bei einem verständigen Vorgehen aller Beteiligten ausgeschlossen ist, zumal auch nah der Reichsverfassung das Reich gehalten ist, den Landeskulturinteressen seine Aufmerksaumz keit zu widmen. Gerade der Verkehr auf den Wasserstraßen wird urt muß in den allgemeinen Verkehr, den nationalen und internationält|& Verkehr eingeordnet werden. Jch habe bereits bei früherer Gelegèn- heit darauf hingewiesen, daß es eine gewisse Kraft Deutschlands dar- stellt, daß wir als das Herz Europas in Verkehrsfragen s{hwer um- gehbar sind. Die Unterordnung der Wasserstraßen unter die Be- dürfnisse des allgemeinen Verkehrs ist ganz selbstverständlich. Jch möchte aber auch. hoffen, daß dadur die Selbständigkeit dox Entwicklung der Wasserstraßen in Zukunft nickt leidet. G Meine Damen und Herren, was nun die einzelnen Fragen det

| Erbschaft des Ministeriums anbetrifft, so ist bereits darauf hitk