1920 / 276 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 04 Dec 1920 18:00:01 GMT) scan diff

dv: Difinii ver E R e Cy r Rae

holen —, nämlih den Grundsaß zur Anerkennung zu bringen, daß nur der Waffen trägt, der von Amts wegen dazu berufen ist. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Herr von Richter -hat im leßten Teil seiner Ausführungen den Wunsch ausgesprochen, daß ih ‘von dem Staatsaufsihtsrecht besonders Berlin gegenübesv mehr Gebrauch maden möge, hat aber dan vorsihtigerweise hinzu- gefügt: allerdings im Rahmen der geseßlichen Bestimmungen. Jh

wäre Herrn Abgeordneten Dr, von Richter sehr dankbar, wenn er mir den Ratschlag ein klein wenig detaillieren würde: denn geseßlihe Be- stimmungen, die heute dem Minister ein direktes Aufsichtsrecht geben, gibt es noch nit, und ih bezweifle, daß der künftige Landtag bei der Beratung der Städteordnung dem Minister ein solches Aufsichtsreht einräumen wird. Bei einer genauen Prüfung der geseßlihen Be-

ftimmungen von heute wird auch Herr von Richter anerkennen müssen, daß ein direktes Aufsichtsrecht mir nit zusteHi, und daß auch die Aussichten gering sind, in Zukunft dem Minister ein solhes Aufsickts- recht zuzusprehen. Im übrigen, meine ih, ist es nicht zweckmäßig, Kinderkrankheiten aufzubaushen. Was sich jeßt in Berlin zeigt: Elektrizitätsstreik, Demonstrationswahlen, Demonstrationskund- gebungen, ist gewiß nit erfreulich im Sinne einer gedeihlichen Fort- eniwidsung unserer politischen Verhältnisse, Aber lassen Sie do Berlin einmal gehen lernen. Ich hoffe, die Selbstverwaltung wird auch aus dem neuen Berlin eine Gemeinde maden, um die sich der Landtag und der Minister nicht allzuviel zu kümmern brauchen.

(Na, na! rechts.) Und wenn nicht, dann sind eben die Gewalten da, dann werden sie einschreiten müssen. Geht es dann niht mit den alten geseßlichen Bestimmungen von vor hundert Jahren, dann maß, wenn Gewalt gegen Gewalt gekehrt wird, auf Grund des Artikels 48 so vorgegangen werden wie -in den leßten Tagen bei Ausbruch des Glektrizitäts\treiks.

Eine Frage möchte ih aber Herrn von Richter nit schenken; ih bitte ihn dringend, mir die geseßlichen Bestimmungen zu nennen, die heute hon cinem Minister ein Recht geben würden, Aufsichtsrecte in Berlin auszuüben. (Zuruf rechts: Oberpräsident!) Dieses dem Oberpräsidenten augestandene Aufsichtsre{t ist auch sehr winzig: das wird Ihnen, Herr Oberpräfident von Nichter, durchaus bekannt sein.

In einem Punkte bin ih mit Herrn von Nichter durchaus ein- verstanden, in der Sorge um Ostpreußen. Jch stimme ihm durchaus zu, daß wir alle das Bestreben haben müssen, unsern ostpreußisen Brüdern das Gefühl zu erhalten, daß sie niht ewig von uns ab- getrennt sind, daß der Korridor nit ewig besteht, daß aber, solange er territorial besteht, eine fulturelle Brücke über ihn zu unsern ost- preußisben Brüdern führt. Soweit mein Ressort in Frage kommt, will ih alles tun, um den Wünschen unserer Ostpreußen nah einer engeren Verbindung zwishen Ostpreußen und dem Festland zu ent- sprehen. Jch unterstüße hier alles, was der Herr Abgeordnete von Nichter gesagt hat.

Wenn ih mich noch einmal zum Wort gemeldet habe, so ges{chah es, um einer Legendenbildung vorzubeugen, die mir {on jeßt im An- zge zu fein {eint auf Grund von einigen Ausführungen, die ih über die Nechtslage der Orgesch gemabt habe. Ih habe hier erklärt, daß nachdem sih die unliebsame Kontroverse zwischen Justizminister und Innenminister durch eine Indiskretion in der Oeffentlichkeit ab- gespielt hat, die Frage der Selbstshußorganisation Gegen- stand eingehender Erörterungen im Staatsministerium gewesen ift. Hier hat der Herr Justizminister ausgeführt, er billige dem Polizei- minifier durchaus zu, daß er das Recht habe, dann einzuschreiten, wenn nach sciner Meinung wichtige politishe Interessen auf dem Spiele ständen; er fci als ZFurist nur der Meinung, daß die in dem ¿weiten (Frlaß angezogenen Geseßesbestimmungen nicht zu halten seien. Daraufhin habe ich erkläct und ih babe dies heute wiederholt —: diese Geschesbestimmungen im einzelnen gebe ih durchaus preis, nit aber auch in ihrer Gesamtheit: denn ih bin überzeugt, daß itian, tvenn man der Organisation ¿. B. des Negiments Bostelmann, also den Saßungen, dem Gharakter, der Bewaffnung usw., nahgeht, durhaus die Merkmale der Strafbarkeit nah der Verfügung des Reichs- präsidenten vom 30, Mai finden wird, und daß man, wenn man der Tätigkeit anderer Organisationen nachgeht, finden- wird, daß die Vor- ausfeßungen für die Strafbarkeit auf Grund des gemeinen Rechtes gegeben sind. _Ich kapriziere mi also nit auf die einzelnen rechélihen Bestimmungen, ih ziehe sie nur nit insgesamt aurüdck So möchte ih meine Worte aufgefaßt wissen. |

Wenn ih damals der Disposition des Rechtsgutachtens des Zustizministers folgte und fast in jedem Absaß nah ihm den von ibm angezogenen Paragraphen wieder für mich anzog, so lag das daran daß ih den dringenden Wunsch hatte, in der Oeffentlichkeit nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, als ob nun die Selbsts{chußtz- organisationen, gleihviel welher Art und welhen Charakters sie seien, durch das Rechtsgutachten des Justizministers legalisiert seien. Ich wollte Gegengründungen von anderer Seite verhindern. Jch möchte hier noch einmal mit aller Deutlichkeit erklären, daß aus mehreren Provinzen Nachrichten darüber vorlagen, daß die Gründung bon Selbsts{ußorganisationen industrieller Arbeiter bevorstände, unv ih wußte, daß sie nur unterbunden werden konnten, wenn man mit aller Energie auch gegen die Selbstshußorganisationen von recht vor- ging. (Zuruf bei der Deutshen Volkspartei.) In den vereins- geseßli@en Bestimmungen ist nur gestattet, daß die Bürger si friedlich versammeln. Mit Maschinengewehren versammelt man sih doch nit. (Sehr gut! bei der Sozialdemokratishen Partei. Zuruf bei der Deutschen Volkspartei.) Ja, wir werden über diese Frage uns nicht früher {lüssig werden, bevor Sie cine Ent- scheidung darüber treffen, ob Sie das, was Sie für sih als gavan- tiertes Recht beanspruchen, auch den Herren von der andern Seite gestatten. Wenn Sie aber, wie Sie es früher getan haben, den Staatsanwalt und den Polizeiminister in Bewegung seßen, sobald Ansäbe einer linksradikalen Organisation auftreten, dann können Sie von einer Behörde von heute nicht verlangen, daß sie, wie Sie es tun wollen, mit zweierlei Maß mißt. Nicht nur das Interesse einer gleihmäßigen „Behandlung der beiden Gruppen, sondern da folge ih wieder der Empfehlung des Herrn Abg. voh Richter das Wohl des Staates veranlaßt mich zu meiner Haliung. Wenn sich die Arbeiterschaft bis weit in die Neihen der christlich organisierten Arbeiter bewaffnet in der Erwartung, daß die Errungenschaften der Staatsumwälzung durch einen Rechtsputsh gefährdet werden könnten, und wenn sich die Rechtsparteien bewaffnen in der Sorge darum, daß Linksradikale oder auswärtige Bolschewisten ihre persön- liche Freiheit oder ihr Eigentum bedrohen könnten,, dann haben wir ¿wei Lager, die sih bewaffnet gegenüberstehen, und bei denen ein Zusammenstoß das Werk eines ganz geringen Zufalls sein kann, dann haben wir den Bürgerkrieg, den ein Polizeiminister das ist seines

„ein ernstes Wort reden müssen, um die Disziplin der Truppe auf-

Im übrigen haben wir uns über die rechtliGen Seiten der Frage vollständig auseinandergeseßt, und der Herr Justizminister und ich sind heute gar nicht mehr verschiedener Meinung. Es ist ein Kommentar zu meinem Erlaß hinausgegangen, in dem es unter anderem heißt:

Die Herren Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten und Polizei- präsidenten ersube ih demgemäß nohmals, auf alle Organisationen innerhalb ihres Bezirks ein wachsames Augenmerk zu richten. Die Entstehung zahlreicher Verbände und Vereinigungen mit politishem Charakter, ihre Betätigung, namentlich durch die Art und den Inhalt ihrer Agitation, und ihre Wirkung auf politisch Anders- denkende bilden infolge der dadur immer s{chärfer hervortretenden Gegensäße der verschiedenen Bevölkerungskreise und infolge der Förderung der Spannung zwischen diesen eine ernste Gefahr für die öffentlihe Ruhe, Sicherheit und Ordnung. Dieser Gefahr muß mit allen zulässigen Mitteln begegnet werden.

Und an einer anderen Stelle dieses auch vom Herrn Justizminister genehmigten Erlasses heißt es:

Zu verbieten sind also insbefondere alle Vereine und Verbände, die sich mit Waffen versehen oder die gegen die Verordnung des Herrn MReichspräsidenten vom 30. Mai 1920 verstoßen. (Hört, Hört! bei den Sozialdemokraten.) Das Bestehen eines Verbtmdes polizeilicher Art kann bereits dann angenommen weden, wenn eine Einzelorganisation nach ihren Zwetten polizcilihe Auf- gaben zu ihrer Aufgabe ma&t und sih zu deren Erfüllung polizei- lihe Befugnisse anmaßt oder in sonstiger Weise Mittel polizeiliher Art anwendet.

Also diese Kontroverse besteht mt mehr, und von einem Dur{- einanderregieren können Sie niht mehr \sprehen. Diese Kontroverse wäre nit hervorgetreten, wenn wir niht in den Ministerien unzu- verlässige Beamte hätten, die es mit ihrer Amtspflicht nicht ernst nehmen. Das Gutachten des Herrn Justizministers konnte nur durh Indiskrelion von Beamten in die Oeffentlichkeit gelangen. Und wie weit die Arme der Organisation Escherih reichen, dafür möchte ih Ihnen aus meinem eigenen Ministerium ein Beispiel nennen. Ir den „Müncener Neuesten Nahhrichten“ ersien eine Mitteilung, daß dem Gutachten des Herrn Justizministers das Gutachten einiger meiner Geheimräte, der Geheimräte Stölzel und Noedenbeck, voran- gegangen fet. rihten“ \tammte von einem Offizier, der bis zum 31, Oktober Mit- arbeiter in der Polizeiabteilung gewesen ist und der jeßt Dienste in der Organisation Escherih leistet. (Hört, hört! bei den Sozial- demokraten. Zurufe recht.) Ja früher haben Sie das nur als unfair bezcihuet, als {mutig, als Diebstahl.

Nun hat der Herr Abgeordnete Dr. von Nichter die Rede, die ih bei den Polizeibeamten-gehalten habe, auh seinerseits in den Bereich seiner Erörterungen gezogen. Jh habe dem, was ih auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Reineke gesagt habe, nidts binzuzufücen. Wenn der Abgeordnete von Nichter darübe- verwundert ist, daß Mißverständnisse entstehen konnten, so mache ih auf folgendes aufmerksam. Jch hatte niht eine Minute Zeit, um meine Rede zu s\tipulieren, ih habe sie aus dem Stegreif geha:ten; aber ich war mir über das, was ich zu sagen hatte, so klar, daß ih es nicht festzulegen brauhte. Nicht i ch habe eine Wahlrede gehalten das werden alle objektiv denkenden Leute, die sie gehört haben, bestätigen —, Fondern diejenigen haben die Rede zu Wahlzwecken benußt, die in die Spalten der „Deutshen Zeitung“ und der „Täg- lihen Rundschau“ gekrohen sind Jch habe genau das Seégenteil von dem gesagt, was dort behauptet worden ist. Jch habe auch gar niht von Schwierigkeiten gesprochen, die in diesem Hause politische Parteien der Etatisierung machen. Jch habe von Nechtsradikalen gesprohen und muß es Jhnen überlassen, meine Herre, ob Sie ih in diese Nubrizierung einfügen wollen oder nit. (Zurufe rets.) Poliitshe Parteien dieses Hauses habe ih niht gcmeint, sondern diejenigen Kreise, die durch ihre Agitation in der Oeffentlichkeit den Eindruck erwedcken, als ob die Sichetheitspolizei eine Horde links- gerichteter Kreise sei, ein Zufluchtsort für Bolschewisten, eine unzu- verlässige Waffe in der Hand der Verwaltung. (Zurufe reŸts.) Ich habe dabei daran gedacht, den Beamten die großen Schwierig- Teiben auscinanderzuseßen, die die Gtatisierung biete. (Zuruf rets: Welche Parteien meinen Sie denn?) Jch würde den Kommunijten Unrecht tun, wenn ih alles, was sih draußen Kommunisten nennt, an ihre Rokschöße hängen wollte, und. ih würde den Deutsh- nationalen Unrecht tun, wenn ih alles, was in der „Deutschen Zeitung“ oder „Deutshen Tageszeitung“ abgedrult roird, mit ihnen identifizieren wollte, Mit den Ausschreitungen von rechts und links habe ich die linksradikale und rechtsradikale Agitation, besonders die Presse, gemeint.

Der Herr Abgeordnete von Richter hat weiter die Behauptung aufgestellt, ih hätte die am Monag ausgeführte Aktion zur Unter- suchung einer Kaserne der Sicherheitspolizei un- mittelbar angeordnet und hätte Kriminalbeamte geschickt, um dic Kaserne nah Waffen ®untersuchen zu lassen. Das ist ein Jrrtum. Ich greife gewiß zur Erekutive, wenn es sein muß. Aber in diesem Falle lohnte es sich wahxrhaftig niht. Die Aktion ist dem Kom- mandeur der Berliner Sicherheitspolizei übertragen worden, und ih muß es dem Kommandeur überlassen, seine Maßnahmen für solche Zwecke zu treffen. Jch kann und darf mih nicht in jede Einzelheit einmishen. (Zuruf rets.) Jh lehne auch- die Verantwortung nicht ab; ich will nur sagen, daß ih die Einzelheiten in der Art, wie es Herr Abgeordneter Dr. v. Richter gemeint hat, niht angeordnet habe. Aber ih vertrete hier das, was der Kommandeur angeordnet hat. Die Verdachtsmomente gegen die Abteilung waren niht ganz leiht zu nehmen. Mit dieser Abteilung werden wir übrigens noch

rechi zu erhalten.

Die kleine Anfrage bezüglih der MEßnahmen des Po- lizeipräsidenten VoigtinBreslau kann ih beim besten Willen nit beantworten. Jch habe über diese Frage Erkundigungen einzuziehen versucht. Soweit ich unterrichtet bin, hat der frühere Polizeipräsident Voigt erklärt, daß er niht in amtlicher Eigenschaft, | sondern als Parteigenosse des betreffenden Beamten . . .- (Zuruf - rechts: Das ist ja das Tolle!) Meine Herren, ih verteidige diese Maßnahme durchaus nicht; ich sage Jhnen auch nicht, ob ich von der Auskunft befriedigt bin. Aber ih kann do gegen den Polizei- präsidenten, der zur Disposition gestellt ist, nichts unternehmen. (Zurufe rechts) vorher? Eine der ersten Amtshandlungen, die ich vornahm, war die Beurlaubung des Polizeipräsidenten und die spätere

Diese Mitteilung der „Münchener Neuesten Nach- /

neute Zurufe reGts.) Sie Hätten mich früher als Minister berufen sollen; dann hätte i früher etwas unternehmen können. (Heiterkeit.

aufmerksam gema@t, der {on in den verschiedenen Reden der Herren, die hier gesprochen haben eine gewisse Rolle spielte, auf - den Unterschied des Selbstshußes in Stadt und Land. Ich selbst habe den Herren {on konzediert, daß ih mir sehr wohl einen unter staatliher Aufsicht stehenden Flurshuß denken könne, der niht den Verdacht erwedckt, als ob er zu politishen Verschwörungen organisiert sei. Aber wie wollen Sie die Rüstungen, die in Berlin getroffen sind beim Heimatshußbund und bei diesem Notwehr- regiment, wie wollen Sie diese Rüstungen in Einklang bringen mit dem Flurschußz auf dem Lande?! Berlin ist doch sozusagen eine Groß- stadt, und hier sind in den leßten Wochen Bestrebungen hervorge: treten, die alten aufgelösten Zeitfreiwilligen-Formationen nit auf- zulösen, sondern sie intakt zu halten, damit sie bei einem Putsch ein- geseßt werden können. (Sehr richtig! links.) Nun sagt ih möchte das der Objektivität wegen erwähnen der Hauptmann Bostelmann: natürli soll das alles zum Schuße der Verfassung sein. „Brutus ist ein ehrenwerter Mann, und alle sind sie chrenmwvert!“ (Heterkeit.) Ja, der Hauptmann Bostelmann will sogar so weit gehen, daß er seine Mannschaften mit Binden versehen will, die die Aufschrift tragen: „Für die Verfassung.“ (Hört, bört! und Heiterkeit links.) Ich stche in der Beurteilung dieser Dinge niht etwa auf einem einseitigen Standpunkt meiner politishen Freunde, ih möchte aud in der Beurteilung dieser Dinge als Staatsminister spre{hen. Aber da möchte ih auch schon sagen: Der Herr behüte mi vor einer solchen Unterstüßung staatliher Autorität oder staatlicher Macht- mittel (sehr gut! bei den Soz.), vor sol chen Freunden, mit den Feinden werde ich {on fertig werden! (Beifall bei den Sozial- demokraten. Zurufe rechts.) Ja doc, bis jeßt ist der Beweis geliefert, und ich habe das feste Vertrauen, das es gelingen wird. (Erneute Zurufe rechts.) Jch bin davon überzeugt, Herr von der Osten, wenn es anders wäre, stände ich nicht an dieser Stelle, dann wäre ich längst hoffnungslos abgetreten. Jch bin überzeugt, daß, wenn die politishen Parteien ihrer Leidenschaft Zügel anlegen, wenn die parteipolitishe Agitation niht in demagogischer Art vergiftet wird, werden wir selbst über diesen unruhigen Wohlwinter hinüberkommen und wahrscheinli, wenn im nächsten Jahre die Ernte gut ist und andere Vorausseßungen zur Einfuhr von Nohstoffen eingetroffen sind, auch zur Gesundung unseres Wirtschaftslebens kommen. Aber nur dann, wenn sih alle Guten im Lande zusammenfinden und wenn Streitfragen sachlich und nit zu partecipolitisGer Brunnenvergiftung ausgetragen werden. (Sehr rihtig!)

Wenn dem Polizeipräsidenten Richter von dem Ab- geordneten von Nichter der Vorwurf gemacht worden ist, daß er einmal die Notiz über die Durchsuhung am Montag überhaupt ver- öffentliht, ihr dann aber auch nicht den Schlußsaß angehängt habe, daß den ermittelten Tatsachen keine übertriebene Bedeutung beizu- messen sei, so möchte ich den Polizcipräsidenten gegen den Vorwurf in Schuß nehmen. Der Polizeipräsident empfand es einfach als cine publizistishe Pflicht, das Ergebnis der Untersuchung mitzuteilen, um so mehr, als si bereits die ausländishe Presse dieser Dinge in ganz sensationslüsterner Art bemächtigt hatte; es waren in amerikanischen und französishen Blättern Artikel erschienen über die Bildung einer Gegenrevolution, und da erschien es noùwendia, eine kurze Sachdar= stellung zu geben. Eine übertriebene Bedeutung messe auch ih den Dingen nicht bei. So lange wir wahsam sind und so lange wir hier einige zehntausend Mann Sicherheitspolizei haben, solange werden wir dem Heimatbund und dem Zeitfreiwilligenregiment Bostelmann schon noch beikommen können, und wir werden ihm beifommen. Wenn wir aber die Dinge aufmußen und sagen wollten: jawohl, solde Ereignisse haben große Bedeutung, was würde die Folge sein? Eín Teil der Presse würde da mit großen Balken auf der ersten Seite die Dinge hinausscbreien, und die Nervosität, die so auf der einen Seite erzeügt würde, würde ihren Neflex finden, auf der anderen Seite, und wir würden uns gegenseitig in cine Nervosität hineinlesen und -schreiben, die sicherlih zur Gesundung des politishen Lebens nicht beiträgt.

Der Herr Abgeordnete von Nichter hat dann auf die nach seiner Meinung einseitige Zusammenseßung der Unter- suchungsaus\chüsse hingewiesen, die auf BVesluß des Staats- ministeriums im April den Oberpräsidenten beigegeben wurden, und gemeint, daß das auch eine Umgehung der ordentlithen Gerichte oder ordentlihen Behörden gewesen sei. Jch made demgegenüber darauf aufmerksam, daß es damals durchaus notwendig war, dem verlebßten Rechtsempfinden des Volkes Rechnung zu tragen (fehr rihtig! links}

- und zur Untersubung der Beshwerdefälle, die beim Ministerium ein-

liefen, Männer zu bestellen, die vom Vertrauen der breitesten Volks8- masse getragen waren. (Sehr richtig! links.) Das waren die Ver- treter der Koalitionsparteien, der sozialdemokratishen nicht nur, sondern auch der demokratishen und Zentrumspartei, sie wurden an der Untersuchung beteiligt, und, Herr Kollege Stendel, wenn Sie in der Koalition gewesen wären, zur Aufklärung solcher Fâlle wären Ihre juristischen Kenntnisse vielleicht sehr erwünscht gewesen, und Sie wären auch vielleicht beteiligt worden. (Zuruf rechts: Schade!)

Endlich möchte ih meinen Mitarbeiter, Herrn Staats fekre- tär Freund, gegenüber den Angriffen des Herrn von Nichter in SGubnehmen. Jh habe auf die Anrempelung in der „Deutschen Tageszeitung“ nit geantwortet. Verlangen Sie von mir, meine Herren, daß ih alles, was die „Deutsche Tageszeitung“ schreibt, be- rihtige, dann käme ih aus dem Berichtigen niht heraus. (Sehr richfig! links.) Verlangen Sie, daß ih den Beschwerden dieser Art und, ih habe auch das Empfinden, RNaheak ten cines zur Dispo- sition gestellten Beamten eine besondere Bedeutung beimesse? (Sehr gut! links.) Diese Veröffentlihung des Bricfwecsels charakterisiert sih als ein Racheakt von nicht gerade bester Bedeutung, milde aus- gedrückt.“ Der Regierungspräsident von Braun erklärt in dem Brief, er habe gehört, daß einmal der Staatssekretär Freund gesagt haben solle, er stelle sich der neuen Regierung zur Verfügung, und zum andern, er habe gehört, daß auch der Herr Staatssekretär telephonish mit Breitscheid in Verbindung getreten sei. Solche Tantengeschihhten werden nie den Gegenstand von Untersuchungen im Ministerium bilden! Wenn Sie aber, Herr von Richter, behaupten, daß, was der Herr Regierungspräsident a. D. von Braun zum Gegenstand seiner Ve- schwerde gemacht hat, zutreffe oder im Aus\{chuß oder dur eine Zu- schrift an mih verlangen, daß die Dinge Elargestellt werden, dann werden sie klargestellt. Aber Tantengeshwähß eines verärgertea Regierungspräsidenten wird niemals Gegenstand einer Untersuchung

Amtes unter allen Umständen vermeiden soll.

Zurdispositionsstellung. Vorher konnte ih nihts unternehmen, (Er-

sein, die ih zu führen hätte. (Rufe rechts: Oho! Sehr richtig!

Der Herr Abgeordnete von Richter hat dann auf den Unterschied

“liber, sondern ein gradueller.

bei den Sozialdemokraten.) Sie können sagen und toben, soviel Sie wollen, Herr Abg. Stendel, ih tue nihts darauf. (Zuruf rets: Leere Ausrede!)) Das soll keine Ausrede fein. (Zuruf rechts: Dann ist Herr Freund in den Augen der Beamtenschaft gerichtet; sein Anseben wird bleiben wie es ist!)

J komme dann auf das Kapitel. der Anpassungsfähig- keit. Es ist auf eine Rede Bezug genommen, die mein: Partei- fœœund und Ministerkollege Lüdemann gehalten hat, Er soll von der Anpassungsfähigkeit der Beamten gesprohen haben. (Zucuf rechts: Das hat er getan!) Jch habe das Stenogramm nit gelesen und die Rede niht gehört, ih unterstelle es aber als richtig Was fiammern Sie sich aber an Worte! (Lachen rechis.) Warten Sie nur ab! Der Herr Kollege Lüdemann und ih, die wir uns ja des besonderen Wohlwollens des Hérrn Abgeordneten von Richter erfreuen, sind in der Tat für unser Amt noch nit geeignet, wir sind noch uicht so gute Diplomaten, daß rir es verständen, mit unserer Sprache unsere Gedanken zu verbergen (Heiterkeit und Sehr gut! links.) Wir sind zu offen, während die Minister des alten Regimes die Dinge feiner eingefädelt haben. (Zuruf reÂté: Sie schweigen eben einfach!) Meine Herren, bei Ausbruch und in den ersten Jahren des Krieges {loß die preußishe Staatsregierung und die faiserlide Staatsregierung thren Frieden mit der Sozial» demokratie. Es wurden Magistratsmitglieder der sozialdemokratisGen Partei bestätigt, Schuldeputationsmitglieder ließ man pasfieren, wenn fie aus den Reihen der sozialdemokratishen Parteien genommen vpurden. Man duldete diese Mitarbeit für eine Weile. Aber „wat \hrieven is, is \hrieven“, sagt Friß Reuter an einer Stelle, und so ist es immer ein halsftarrig Ding. Wenn festgelegt ist, daß sid die Staatsregierung nicht lange mit diefen Dingen beschäftigen wolle und si auch später cinmal wieder solher Leute erwehren wolle, dic für cîne Weile zu ertragen ihr nüßlih erschien, ist das ein Beweis dafür, daß die früheren Minister das Bestreben hatten, sich anzu- passen an die Notwendigkeiten des Krieges, aber alles wieder ab- zuwerfen als lästigen Ballast, wenn die Not sie niht mebr drüdte. Aber, meine Herren, meine Amtsführung follie Ihnen doc bereisen, daß ih kcine Anpassung verlange und daß ih mich auch nichi an- vasse. (Zuruf rechis: Aber die anderen Leute!) Herr Staats- sekretär Freund ist ein schr fleißiger Mitarbeiter. (Sehr richtig!) Herr Dr. Freund ift infolge seiner langen Tätigkeit im Amt ein sehr kenntniéreißer Beamter (sehr riGtig!), dem ih einen großen Aufgabénkreis zur selbständigen Erledigung anvertraue. Aber auf die politishe Gestaltung meines Ressorts nimmt Herr Dr. Freund nicht den geringsten Einfluß. Jh habe von ihm nicht das Opfer seines Intellekls oder seiner Ueberzeugung verlangt, er Hat es mixr auh niht gegeben. (Zuruf rechts: Jntellekt hat er, aber keine Ueber- zeugung! Heiterkeit reis.) Meine Herren, das ift eine sehr kühne Behauptung. Denn das, Herr Dr. von Nidhter, was Sie als Beweismaterial für Ihre Behauptung beranziehen, trifft doch auch auf Sie zu, denn Sie haben doch auch unter dem Minister Drews gearbeitet. Sie haben doch Jhre Amtsgeschäfte noch unter dem Minister des Innern Dr. Breitscheid geführt. (Heiterkeit lixks, Abg. Dr. von Niter: Mit dem hade ich in Hannove dech nichts zu tun gehabt!) Das ift meines Grachtens nur ein guadueller Unterschied (Lachen rechts), ob Sie in Hannover als Dber- prôsident oder im Ministerium als Staatssekretär amtierten. (Sehr ridtig! links.) Jawohl, ein Unterschied allerdings, aber fein wesent- Wenn Sie sih nicht hätten anpassen wolien, wenn Sie eine Ueberzeugung hätien auf die Spike treiben wollen, dann bätten, Sie, Herr Dr. von Richter, niht Jhre Ab- berufung abwarten sollen, sondern dann hätten Sie von selbst gehen müssen. (Stürmishes Sehr richtig! links.)

Meine Herren, nun noch eine Bemerkung zu der Art der Unter- suGung! Man muteti mir zu, daß ih die Zeugen des Herrn don Braun, den Herrn Negierungspräsidenten a. D. von Jagow und ten Gebeimrat Doyé, zeugeneidlih vernehme. Nein, das tue ih nit, (Zuruf rets: Kommissar Peters!) Wos ich in der Sach? actan babe, werde ih Ihnen, Herr Dr. von Nichter, dann ant- worten, wenn Sie mir unabhängig, von den Beschuldigungen des Herrn von Braun, die Dinge anhängig mahen. Dann werde ih Ihnen sagen, daß ih eine UntersuGung geführt habe, bei der sh die vollständige Halilosigkeit der Beschuldigungen des Herrn von Braun ergeben hat. Dabei habe ich aber nicht Herrn von Jagow und Herrn Doys vernommen, niht Hochverräter, sondern Leute, die den Anspruch auf Glauben und Glaubwürdigkeit verdienen. (Leb- hafter Beifall links.)

Dr

188. Sizung vom 3. Dezember 1920, Nachmittags 1 Uhr. (Vericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)

Diw zweite Beratung der ais 0 über die Wahl zum preußishen Landtag und zu den Provinziallandiagen und Kreistagen wird zunächst zurückgestellt und die „Zweite Lesung des A L 6a für das Ministe- riumdes Innern fortgeseßt. _ Aba. Leid (U. Soz.): Die Preußische Landesversammlung kann nicht auf eine fruchtbare Tätigkeit zurüdbliden, alles, was sie bisher geleistet hat, auch die preußi che Verfassung, ist Stück- und Flickwerk. Wie wird es in einigen Monaten in Preußen aussehen? Uzberall regen sich Bestrebungen, die darauf ausgehen, diesen oder jenen Landesteil von Preußen loszulösen und selbständig zu machen. Wir sind nit aus nationalen, sondern aus fozialistisGen Gesichtspunkten gegen die Kleinstaaterei, in welher nah dem Wort Lassalles kein großer Geist, sondern nux der Krämergeist hochkommen kann. Mit er inneren Verwaltung können wir nur böchst unzufrieden sein. Noch immex wird nach den alten Verwaltungsgrundsäben regiert, mit der Verwaltungsreform sind wir noch keinen Schritt weiter gekommen. Der Demokrat Ruer klaat über die Politisierung der Magistrate und eut sih gleidzeitig über die Eingriffe in die Selbstverwaltung erlins aus Anlaß des Elektrikerstreiks. Die gewerk\chaftlichen ganisationen haben einmütig die Aufhebung der Verordnung des Reichöpräsidenten verlangt. Die Technische Nothilfe hat bisher nur chweren Scaden angerichtet, aber niemond genukt. Das Kenn- zien der Situation in Preußen-Deuts(land ist das Wachsen des militärischen Geistes. Die Oroesch ist eine Kampftrupve der Reaktion. Es ist bezeichnend, Laß der Justiaminister dem Minister des Innern in den Arm oefallen ist. Die Einwohnerwehren leben nach wie vor weiter und kümmern \ch den Teufel um die ergangenen Ver- ordnungen. Von demselben Kaliber ist der Büraerrat. Der Geist des Offizierkorps wälst sich zu ciner Bedrobung der öffentsißen Rvhe und Sicherheit und zu einer Bedrohung des Deutsden Reiches aus. Die Reihswehr wird immer mehr von diesem Geist durbseuckt. Es ist derselbe Geist, der die Aqrarier ver- anlaßt, das Brotaetreide lieber zu verfüttern als abzuliefern. Es wird hart auf bart achen, und die Arbeiterklasse wird den konter- réboliftionären Bestrebungen ihre eigene Macht entgegenseßen.

*) Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die iw Wortlyie wiedergegeben werden.

Hierauf kehrt das Haus zu dem exsten Punkt der Tage3- ordnung S und nimmt zunächst den G eseyentwurf über die WahlenzumpreußischenLandtag in zwei- ter Lesung nach den FUL Iun Engen ohne erhebliche Erörte- rung mit lediglich redaktionellen O an. 4 z

Dann folgt die zweite Bun des Gejeßeniwurfs üßer die Wahlen zu den Provinziallandtagen und zu den Kreistagen.

Nach den Beschlüssen des Ausschusses werden die Pro- U lane in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und ge- heimer Wahl nah den Grundsäßen der Verhältniswahl ge- wählt. Der Wahltag soll ein Sonntag oder öffentlicher Ruhe- tag sein. Er wird durch die Regierung bestimmt unD soll in der Regel für alle Provinzen gleich sein. Das Wahlalter be-

innt mit der Vollendung des 20. Lebensjahres. Für Soldaten oll das Wahlrecht ruhen. Die Ae sollen in derselben Weise gewählt werden wie die Provinziallandtage.

Abg. Negenborn (D. Nat.)- beantragt, die vom Aus\chuß ge- strichene Bestimmung wieder herzustellen, die das Wahlrecht von einem sechsmonatigen Wohnsiß in der Provinz abhängig macht.

Unter Ablehnung der Aenderungsanträge wird die Vor- lage in der Fassung des Ausschusses angenommen.

Hierauf wird die zweite Beratung des Haushalts des Ministeriums desJnnern fortgeseßt.

Abg. Oelsner (Neukommunist): Der Polizeigeist herrs{Gt in E nah wie L Das beweist dieser Etat, der allein für die

olizei und andere kfonterrevolutionäre Organisationen 473 Millionen rdert. Für die Cinwohnerwehren sind 2 Millionen eingeseßt. Die fonterrevolutionären Organisationen haben an ihre Leute Anweisungen geaeben, wona alle sozialdemokratisben Führer ershossen und iot- gelGlagen werden sollen.

Lachen rechis.) Severing muß einen

rten Kampf gegen die Reaktionäre in seinem Ressort führen, aber ih habe das Gefühl, daß er in diesem Kampfe unterliegen wird. Sie (nah rechts) werden noch oft ihr Mütchen an der Arbeiterschaft fühlen, aber die Blutshuld kommt auf jene! (auf die Sozialdemokraten deu- tend.) (Große Heiterkeit rechts.) Die revolutionäre Arbeiterschaft wird im Geifte von Moskau das Proletariat der ganzen Welt be- freien im revolutionären Klassenkampf. (Nufe rechts: Kassenkampf! Adolf Hoffmann: „Biertimpel!*) Den Geist der reaktionären Regierungspräsidenten habe ich als Nevolutionskommissar kennen gelernt. (Große Heiterkeit rets.) Wir kennen Sie! (Vizepräst- dent v. Kries erinnert den Redner daran, daß seine Nedezeit ab- gelaufen ist. Rufe rechts: „Geben Sie dem Revolutionskommissar noch etwas zu!“ Große Heiterkeit, ironishe Bravorufe.)

Hierauf nimmt der Minister des Jnnern Severing das Wort, dessen Rede im Wortlaute wiedergegeben werden wird, sobald das Stenogramm derselben eingeht.

_ Abg. von der Osten (D. Nat.): Wir sind nah der Rede des Abg. Oelsner nit mit dem e der Meinung, die kommunistische Gefahr sei nit ernst zu nehmen. Die Gefahr besteht nit in der Person des Herrn Oelsner,. aber in seinen Theorien und vor allem in feinem Anhang. Die Aeußerungen meines Freundes Lukassowiß waren nur die Anwort auf die uns schwer verleßenden Bemerkungen des Abg. Laujscher von Zentrum. (Lebh. Zustimmung rechts.) Der Minister wird unsere Unterstüßung finden, wenn er die Zerrissenheit des deutschen Volkes im Interesse der Aufrechterhaltung der Vrdnung beseitigen will. Wir erkfennen durchaus an, daß auch tüchtige Mitglieder der Arbeiterflase in die Verwaltung kommen sollen; aber wir wollen größere Parität. Die Angriffe, die gegen den Staatssekretär Dr. Freund gerihtet sind, stüßen si nit bloß auf das Zeuanis von Doyé und v. Jagow, sondern auf viele durbaus einwandfreie Männer. Wir müssen verlanaen, daß der Minister diese \chweren Beschuldigungen genau nabprüft und mit eidlihen Vernehmungen den Dingen auf den Grund geht. Wir haben das Vertrauen zur Unparteilichkeit des Staatssekretärs Dr. Freund völlig verloren. Er hat in brüskester Form die Verabschiedung tüchtiger Beamten vorgenommen. (Lebh. Zustimmung rechts.) Auf die Anzeige eines ehrlosen Schuftes hin ist im Auftrage des Polizeipräsidenten die Hundertschaft des Hauptmauns Stennes umstellt worden, nawdem man vorher den Führer unter falsbem Vorwand nah dem Polizeipräsidium gelockt hatte. Durch ein folhes Vorgehen muß jede Disziplin untergraben werden. Wo wäre die heutige preußishe Staatsregierung ohne den Schuß des Yte- giments Reinhardt und der Zeitfreiwilligen. (Sehr gui! rets.) Dankbarkeit ist zwar in der Politik ein Märchen, aber man soll au niht fagen: der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen! Diese Soldaten haben Anspruch auf die Dankbarkeit des Volkes. (Beifall rechts Nufe links: Wo haben sie denn am 13, ¿März ihre Schuldigkeit getan?) Die Orge\ch steht streng auf dem Boden der Verfassung, (Lachen bei den Soz.) Mit seinem Vor- gehen gegen fie wird der Minister nichi die Einigkeit im Reiche fördern, sondern er hat bereits das Gegenteil dabon erreicht. Ver Selbstshuß gegen die immer stärker anwasende Bedrohung von Eigentum und Leben ist ein Naturrect, das sich keine Gefellschaft und keine Ginzelperson nehmen läßt. (Abg. Ludwig: Nur die Links- parteien sollen es nicht haben!) Die Orgesh verfügt heute beinabe über eine Million Mitglieder. (Hört, hört! links.) Sie wird aufret- erhalten werden, solange eine {wache Staatsgewalt nit in der Lage ist, die Bürgerschaft zu hüben. (Beifall rechts Große, Unruhe Nufe bei den Soz. :«Das ist wenigstens ein ehrlicher Reakttionär!) So- lange der Terror von Moskau uns bedroht, wird die bürgerlihe Ge- sellschaft niht bereit fein, den Selbstshuß, dèn sie sich geschaffen hat, aufzugeben. Der Minister verweWselt Ursache und Wirkung. Nihil das alte monardbishe Neaime hat Deuticbland zu den ießinen Zu- ständen geführt, sondern diejenigen, die es gestürzt haben und Deutsch- land jeßt in russische Unfkultur hinein stürzen wollen. Das zu ver- hindern ist die Aufgabe der Organisation Escher, und sie wird diese Aufgabe durführen, unbeirrt dur jeden Widerstand von links oder von der Regierung. (Lebh. Beifall rechts Nufe links: Das ift die offene Kampfansage der Reaktion! Minutenlang anhaltende

große Unruhe.) A : A i

Darauf ergreift der Minister des Innern Severing abermals das Wort, dessen Ausführungen im Wortlaute wiedergegeben werden, sobald das Stenogramm derselben

eingeht. : Abg. Richter - Neumünster (Soz.): Nah den Reden, die der Abg. Dr. Hergt auf dem Deutshnationalen Parteitag in Hannover gehalten hat, wo er zum Schluß einen starken Kaiser wieder haben wollte, kann sein Ordnungêprogramm vom vorigen Jahre als Grund- lage für eine Verständigung unter den Parteien doch wirklich nit mehr ernst genommen werden. Von dem Minister verlancen wir, daß auch Genossen unserer Partei in erhöhtem Maße in die Verwal- tungsämter berufen werden, daß die Partei niht bloß mit einigen wenigen Sozialdemokraten in Beamten|tellen abgespeist wird, sondern die ganze Verwaltung von sozialdemokratishem Geiste durchtränkt

tur ki (Zentr): Die H echts haben mit Abg. Gronowski (Zentr.): Die Herren rets

peinlicher Gewissenhaftigkeit über die Beseßung der Beamtenstellen gewacht, die politisGen Einfluß haben. Die Beamten, die innerli wie das Zentrum dachten, durften ihre Gesinnung niemals nah außen bekunden, sonst war es nichts mit dem Vorwartskommen und mit dem Avancieren. Statt anzuklagen, sollten die Herren rechts lieber eine Gewissensforsbung über ihre eigene Vergangenheit an- stellen. Die Ausführungen des Ministers über sein Verhältnis zu Dr. Freund haben uns nit befriediat, wir vermissen noch völlige Klarheit. Der erste Ratgeber des Ministers darf nicht länger an seiner Stelle iben, solange niht die erhobenen {weren Besbuldì- gungen entfräftet sind. Wir verbitten uns die Verdähtigung, daß in unseren Reiben Kappisten sind. Die angekündigte Autonomiege|eß- gebung begrüßen wir. Die Schlemmerlokale, in denen man auf den Knochen unserer gefallenen Helden tanzt, diese Stätten der Nackttänze und des Wuchers, müssen rüsihtslos geschlossen werden. 10 000

Darauf wird noch in der dritten Beratung das preußische FAR Ra gw ay acles einstimmig und das Geseh über die Wahlen zu den Pro- vinziallandtagen und zu den Kreistagen gegen die Stimmen der Deutschnationalen angenommen.

Um 7!/2 Uhr erfolgt Vertagung auf Sonnabend, 12 Uhr. (Fortsezung der Etatberatung und Anträge.)

Parlamentarische Nachrichten.

Ueber die Bereitstellung von Staatsmitteln zur Selbstbewirtschaftung von Domänen

ist der preußishen Landesversammlung ein Geseß- our nebst Begründung zugegangen. Die Staatsregierung sollt ermächtigt werden, zur Selbstbewirtschaftnng dazu geeig- neter Domänen im Gesamtumfange bis zu 30 900 ha 180 Mil-

lionen Mark zu verwenden. Jn der Begründung wird dazu sgeführt : j E Ma den bisher geltenden VerwaltungEvorschriften und Uebungen wurden die Staatsdomänen verpachtet, die Selbstbewirtschaftung dur den Staat sand nur ausnahméêweise statt; es geschah in der Negel nur für furze Zcit entweder um neu erworbene Domänen für die Verpachtung berzurihten oder um heruntergewirtschaftete Domänen wieder so weit in Kultur zu bringen, daß man bei der Verpachtung einen für angemessen gehaltenen Pachtzins erwarten konnte. Jn Zukunft wird es nicht zu umgehen sein, Domänen für längere Zeit oder dauernd für Rechnung des Staates zu bewirtschaften oder E dete ian zu lassen. Weun auch die Zahl der Domänen infolge der dur den Friedensvertrag erzwungenen Abtretungen und der auf Grund deë Reichssiedlungsgesezes vom 11. August 1919 vorzunehmenden Nerkäufe an gemeinnügige Siedlungsgesellschaften außerordentlich stark zusammenschmelzen wird, so kann gleichwohl mit einem ausreichenden Wettbewerb bei der Verpachtung der dem Staate verbleiben- den Domänen in nächster Zeit nit immer gerechnet werden. Die gegenwärtige Teuerung aller landwirtichaftlihen Betriebsmittel macht es ertorderlih, von den Pachtbewerbern den Nachweis eines eigen- tumtichen Vermögens zu verlangen, welches das 8- bis 12 fache des früber erforderlichen beträgt. Die alten , Pächter können den Ver- mögenênahweis in der Negel ohe Schwierigkeit erbringen, da sie noch aus den Zeiten vor dem Kriege oder aus den erjien Kriegsjahren fich im Besiß des Inventars und der übrigen Betriebsmittel befinden. Alle diejenigen Personen aber, die bisher weder Eigentümer noh Pächter landwirtschaftiicher Grundstüde waren, haben, Joweit sie hier in Betracht kommen, ihr Vermögen nit in einem annähernd den Teuerungsverhältnissen der Betriebsmittel entsprechenden Maße ver- mebren fönnen. Die Zahl der Bewerber um Domänenpachtungen wird hierdurh stark einges{ränkt, womit eine Monopolfteluag des beschränkten verbunden ist, der auf die Pachtergebnisse drücken fann. Namentlich Gegenden, die von Landwirten nit besonders begebrt sind, zeigen gégen bevorzugtere Landesteile geringe Pachtzinsen, eine Erscheinung, die niht allein auf die undanfbarere Bewirtschaftung, sondern zum großen Teil auf den Mangel an Wettbewerbern um die Pachten zurücézusühren ist. So betrug ün Jahre 1920 der Durch- ¡huitt der Pacht für Domänenvorwerke im ganzen Staate46.4 je Hektar, in den Bezirken Königsberg, Gumbinnen und Allenstein aber nur 27, 22 und 24 4 und auc in den Bezirken Köslin, Stettin nur 30 und 31 M. Selbît in dea günstig gelegenen Bezirten Potsdam, Frantfurt (Oder) und Liegnitz blieben die Pachten no mit 9, 10 und 8 4 binter dem Staatsdurdshnitt zurüË® Es muß daher Sorge getragen werden, daß der Staat Einrichtungen besißt, um im Falle des Feblens bon Pachtliebhabern odex bei uxizulänglichen Pachtangeboten die Bes wirtschaftung der Domänen jür Rechnung des Staats in die Wege eiten zu können. E j 7 Neben dem Gesichtspunkte der gesteigerten Erträge aus_ den Domänen is aber auch nicht außer acht zu lassen, daß der Staat unter den beutigen Teuerungsverhältnisten viel eher in der Lage Ul, auf den felbstbewirtshafteten Domänen Musterbetriebe zu |chaffen und damit heilsam und hefruhteud auf dic Landestultur zu wirken, als tavitals\{chwadhe Pächter, die in den weniger bevorzugten Bezirken noch mit Erfolg als Bewerber auftreten können. Schließlich schafft der Staat mit den selbstbewirtshafteten Domänenvorwerken eine gewisse Reserve an Land, die er in besouderen Fällen eines unvorher- gesehenen Bedürfnisses für die Siedlung leiter bereitstellen fann, als es sonst der Fall sein würde. é

Die Selbstbewirtshaftung von Domänen kann aber nur dann vorteilhaft gestaltet werden, wenn eine größere Zahl von Domänen zu einer straf geleiteten, in ihren einzelnen Zeilen ih ergänzenden Organisation zusammengefaßt und in die Hand saverständiger Landwirte gelegt, wird, die neben der Leitung und Organisation auch die Wirtschafts\ührung und Betriebseinrihtung auf den einzelnen Gütern so weit zu ordnen und zu überrvahen vermögen, daß ungeetgnete Betriebélciter rechtzeitig ausgeschieden werden.

Sollen derartige Einrichtungen ihren finanziellen und landes- fulturellen Zweck exfüllen, so müssen sie nah rein wirtschaftlichen Gesichtspunîten, frei von allen Hemmnissen, die das Etatsreht und die Kontrolle der Oberrehnungskammer im Gefolge haben, aus- gestaltet werden. Dieses Ziel läßt sich nur erreichen durch die Schaffung einer Organisation privatwirtschaftlicher_ Art, der die Aufgabe übertragen wird, für Rechnung des Staais Vomänen zu bewirts{aften. Es ist daher in Auësicht genommen, für die praktische Durcbführuna der Selbstbewirtschaftung von Domänen vom preußischen Staate unter Mitwirkung der Seehandlung eine Aktien- gesellihaft (Preußishe Domänen-Treuhand-Gesellschaft) mit einem eigenen Kapital von etma 100000 M (einhunderttaujend Mark) zu gründen und ihr die Bewirtschaftung von Domänen für Rechnung des Staates zu übertragen. E

Die Mittel zur Gründung der Gesellschaft werden aus dem be- antragten Kredit zu entnehmen sein. Aus dicsem Kredite find der Treuhandgesellschaît die zur Bewirtschaftung von Domänen erforder- lien Mittel nah Bedarf zur Verfügung zu stellen. Weiter find aus den Kreditmitteln die erforderlichen Fonds zu bilden, um eine Inventarfeuerschädenversiherung und eine Hagelversiherung zu er- möglichen. Der beantragte Kredit wird nah dem gegenwärtigen Stande der Inventarpreise ausreichen, um nach und nah bis zu 30 000 ha landwirtscaftlih genußte Fläche in Selbstbewirtshaftung zu nehmen und die genannten Nebenfonds erstmalig zu dotieren.

Der Kredit soll aus den Ergebnissen der Bewirtschaftung verzinst und in den ersten 5 Jahren mit 0,6 vH, dann 5 Jahre mit 1 vH, weitere 5 Jahre mit 1,4 vH und von da ab mit 1,9 vH getilgt werden. Nach den bis jetzt vorliegenden Ergebnissen der Selbstbewirtschaftung von Domänen in Ostpreußen kann, wenn niht unvorhergesehene Er- eignisse eintreten, erwartet werden, daß nach Ueberwindung der unver- meidlicben ersten Schwierigkeiten die Verzinsung und Tilgung des Kredits und die Aufbringung eines angemessenen Pachtgeldes aus den Wirt- schaftsergebnissen nahaltig erzielt werden fann. Die Tätigkeit der Zentraldomänenadministration auf den selbstbewirtschafteten Domänen in Ostpreußen în den leßten drei Jahren hat ergeben, daß neben den Kosten für die Selbstbewirtshaftung, neben der Verzinsung des Be- triebsfavitals, neben der Aufbringung der fonst vom Pächter zu tragenden Lasten und Abgaben und neben den Gebäudeabschreibungen die frühere Pacht und darüber hinaus noch ein angemessener Unter- nebmergewinn erwirtschaftet ist, obwohl diese Domänen unter er- shwerten Umständen verwaltet werden.

Bieterkreises

F

Ferner ist der preußishen Landesversammlung der Entwurf eines Gesezes zur Aenderung des Allge- meinen Berggeseßes für die preußishen Staaten vom 24. Juni 1865/1892 und 14. Juli 1905 in der Fassung des Geseßes vom 28. Juli 1909 sowie des Knappschäfts- geicges vom 17. Juni 1912 nebst Begründung zugegangen.

er Gesetzentwurf bezweckt, einige Bestimmungen des All-

Moskauer können das Volk nit so aufregen wie die Sippe der Schieber, Shlemmer und Wudberer.

gemeinen Berggeseßzes und des Knappschaftsgesetzes, betreffend das

ewifse ,

K I z E