1920 / 277 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 06 Dec 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Or 2 S S S ELE j D “R “E E G E 2j E F: R pt em v: E e L A D T R E A C E i O tem T n

Schweden. }

In Beantwortung eines Telegramms des Völkerbundes bezüglih Armeniens erklärt die Regierung, daß Schweden an der Zukunft Armeniens ein sehr großes Interesse habe und allen vom Völkerbund getroffenen Maßnahmen zur Linderung der Leiden dieses Landes günstig gesinnt sei. Jnfolge der großen Entfernung jedoch, welche diese zwei Länder trenne, und der Kompliziertheit des Programms könne Schweden sih nicht verpflichten, Armenien seine Hilfe angedeihen zu lassen.

Norwegen.

Auf die telegraphishe Anfrage des Präsidenten des Nates des Völkerbundes, ob die norwegische Regierung an einer Hilfsaktion in Armenien teilnchmen würde, hat die Regierung vorgestern geantwortet, daß sie den humani- tären Charafter der geplanten Aktion nicht verkenne, daß sie aber wegen der entfernteren Lage des Landes und der ver- wickelten Verhältnisse niht imstande wäre, an einer solchen

Aktion teilzunehmen. ' Griechenland.

Der Ministerrat hat sih mit der vorgestern überreichten Note der Allitierten beschästigt. Nach einer es Mit- teilung ist die Negierung der Ansicht, daß die Note keiner Ant- wort bedür e, doch würden rechtzeitig bei den alliierten Regie- rungen Schritte unternommen, um ihnen die Gewißheit auszu- drücken, daß eine baldige Zukunft ihnen klarlegen würde, wie erkenntlih das griechishe Volk den Alliierten sei für die Unter- stüßung, die sie jederzeit der griehishen Sache angedeihen ließen, und wie treu es der ententefreundlichen Politik bleibe.

Na einer Meldung des „Matin“ hat sih die gestrige Volkg8abstimmung in Ruhe vollzogen. Die Liberalen, also Anhänger von Venizelos, haben sich an der Abstimmung nicht.

beteiligt. Türkei.

Einer RNeutermeldung pufolge haben die türkischen National isten bei J3mid und Smyrna für eine große Offensive gegen die griehishen Truppen Streit- kräfte zusammengezogen. Sie haben von den Bolschewisten Agtens, Panzerkraftwagen und zahlreiche Transporiwagen erhalten.

Nach einer Havasdepeshe aus Konstantinopel sind in Trapezunt bolschewistishe Truppen gelandet worden.

Amerika.

Die amerikanishen Delegierten in der inter- nationalen Kommission, die u. a. über die früheren See- fabel zu entscheiden hat, erklärten dem „Wolffschen Tele- graphenbüro“ zufolge, die Vereinigten Staaten hätten nahezu die Grenze der Zugeständnisse erreicht, die fie an die alliierten und assoziierten Mächte zu machen bereit seien. Die Ver- handlungen bezüglih der vormals deutschen Kabel zögen sih- hin, ohne daß Anzeichen für eine Einigung vorhanden wären.

Einer Reutermeldung zufolge erklärte der Senator Lodge mit Bezug auf den Beschluß Argentiniens, sih von der Völkerbundsversammlung zurückzuziehen, es scheine ihm, daß einige Nationen, die in Genf vertreten seien, jeßt dieselben Gründe gegen den Völkerbund entdeŒœen, die' A merika bereits vor zwei Jahren gefunden habe. Lodge erklärte, die unvermeidliche Spaltung habe ihren Anfang genommen.

Der Präsident von Mexiko, General Obregon, hat cin Ministerium gebildet, in dem Hidalgo das Ministerium des Aeußern übernimmt, Zabaran das Ministerium für Handel und Industrie, Huerta das Finanzministerium. Mexikanischer Gesandter in London wird Pali.

Afrika.

Die \üdafrikanische Regierung hat der „Times“ zufolge eine Kommission nah Deutschland entsandt, um eine Untersuchung über die Möglichkeit der südafrikanischen Wollausfuhr nah Deutschland anzustellen. Es besteht der Plan, das in Südafrika augenblicklich unter öffentlicher Verwaltung stehende Eigentum deutscher Untertanen im Werte von 10 Millionen Pfund Sterling als Sicherheit für die Be- zahlung der von Deutschland in Südafrika gekauften Wolle zu benußen. Es wird auch die Möglichkeit des Austausches der Wolle gegen deutshe Jndustcieerzeugnisse untersucht.

Preußische Landesversammlung. 188. Sißung vom 3. Dezember 1920. Nachtrag. L

Die Nede, die bei Fortseßung der Beratung des Haus- haltsplans für das Ministerium des Jnnern der Minister des Jnnern Severing gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut: /

Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner Hat mich gestern offenbar mißverstanden, wenn er eben ausführte, daß ih mich auf ein \härferes Zupacken den Linksradikacen Elementen gegenüber berufen hätte, um meine Stellungnahme zu de: Ongesch zu retferbigen. Ih habe lediglih darauf auf- merksam gemacht, daß ih im vorigen Jahre mit derselben Ent- \chiedenheit, aber niht mit einer größeren, gegen die Ausschreitungen von links vorgegangen bin. Daran halte ih fest. Jch halte heute die Republik und die republikanischen Einrihiungen mehr gefährdet durch die Organisationen, die sh unter dem Namen Selbstshuß gebildet haben, und ih sage, daß deswegen alle staatlihen Mittel gegen diese Gefahr aufgeboten werden müssen. Gegen kommunistische Aus- \hreitungen im Augenblick die Staatsmaschinerie in Bewegung zu sehen, halte ih nicht für nglwendig. (Hört, hört! rechts.) Jch glaube, der Herr Vorredner hat den Beweis dafür erbracht, daß die Tommu-

_nistishe Gefahr in Preußen zurzeit niht besonders aktuell

ist. (Sehr gut! rechts, im Zentrum und links.) Jch glaube, es hieße mit Kanonen nach Spaten . schießen (Heiterkeit rechts, im Zentrum und links), wenn man den Reden nachgehen wollte, die der Herr Vor- redner hier soeben gehalten hat.

Der Hinweis des Vorredners auf blutige Auseinanderseßungen flang sehr radikal und fürhterlih. Jch glaube aber, daß uns diese blutigen Auseinanderseßungen erspart bleiben, wenn nach den Empfehlungen und Ratschlägen verfahren wird, die von der Staats- regierung au8gegeben werden. Jch stimme dem Herrn Vorredner zu i brauche das nach all dem, was ih gestern {hon ausgeführt habe, faum zu versihern —, daß die Bildung der Selbstschußorganisationen

im Augenblick eine große Gefahr insofern bedeutet, daß der Anreiz

für andere, Bevölkerungs\{chichten, sch ebenfalls zu bewaffnen, gegeben wird, so daß wir allmählich in einen bewaffneten Zustand des ganzen Volkes kommen, und daß dann der kleinste Zufall genügßh um uns in einen Bürgerkrieg auf der ganzen Linie zu verwideln. (Zurufe rechts: Die unsicheren Zustände! Rußland!) Sie sind ja mit mir einverstanden, daß die kommunistishe Gefahr im Augenblick gar nit so groß is. (Widerspru und Zurufe rechts und im Zentrum.) Aber gerade deswegen, weil diese Gefahr besteht, ist es notwendig, die Be- \trebungen im Keime zu erstiden, die uns in ihren Auswirkungen den Bürgerkrieg bringen würden. Es droht nit der Bolshewismus, es droht nicht die Gefahr von Nußland: es droht nur, daß die Uneinigkeit des deutshen Volkes jeden Ansaß zur Besserung wieder zunihte macht. Diese Uneinigkeit zu bekämpfen, ist die Aufgabe des Staats- ministeriums. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) i

Wenn dann der Herr Vorredner mir zum Vorwurf gemacht hat, daß ih einige Momente verpaßt hätte, die mir die Gelegenheit hätten verschaffen können, die Gefahren dauernd zu beschwören, die sch heute wieder hervorwagten, so möchte ich ihn darauf aufmerksam machen, daß sich meine Tätigkeit im Frühjahr dieses. Jahres lediglih darauf be- {ränkt hat, Ausschreitungen und Willkürakte einzudämmen, Aus- schreitungen, die leider in einem außerordentlih unerfreulihen Um-

fange vorgekommen sind, Ausschreitungen aber, die mit besonderer Ent- rüstung festzustellen der Herr Vorredner niht berufen ist. (Sehr

rihtig! bei den Sozialdemokraten.) Wenn wir bewaffnete Freishärler bekommen, wenn wir Truppen, die keiner Disziplin unterworfen sind, aufrufen, dann, meine Herren, lassen stch{ch Ausschreitungen, wie wir sie im vorigen Jahre und in diesem Frühjahre erlebt haben, gar nit vermeiden. Ob nun diese Truppen unter dem Feldgeschrei Escherich

oder unter dem Stigma einer roten Armee zusammengezogen werden,

im Effekt ist das gleihgültig. Zu Ausschreitungen kommt es auf jeden Fall, das haben ganz besonders die Märzvorgänge bewiesen. Es ist rihtig, wir hatten keine rote Armee in dem Sinne, daß alle; die sich im März zum Schuß der Verfassung in Rheinland und West- falen zusammengeshlossen haben, Anhänger von Moskau gewesen wären. Aber was nah den Bielefelder Abmachungen blieb, was sch selbst gegen die Führer der unabhängigen sozialistisGen Partei gewendet hat, war in der Tat dasselbe, was wir heute in Moskau und Peters- bucg schen, was dort in den terroristishen Kompagnien der Sowjet- armee organisiert ist. Jch möchte meinen, daß es dasselbe bedeutet, ob wir \ ol che Formationen auf unser Volk loslassen oder aber Frei- korps, die ih unter dem Namen Escherih gebildet haben, die \ch organisieren, um angeblich in Deutshland Ordnung zu schaffen. (Zu- rufe bei den Unabh. Soz.) Jeder Terror ist gefährlih, und des- wegen muß er von beiden Seiten abgewendet werden. Wenn Sie darauf hinweisen, Herr Abgeordneter Oelsner, daß in Halle Ausschreitungen des Militärs ich glaube, daß Sie auch die Polizei für solche Dinge vevantwortlih gemacht haben vorgekommen sind, wenn Sie sich darüber beklagen, daß es in Halle niht mit den rehten Dingen zu- gegangen sei, daß dort nit immer die Bestimmungen der Verfassung innegehalten worden seien, so haben die Herren von der anderen Seite das Recht, darauf aufmerksam zu machen, daß man auch in München im vorigen Jahre nicht glimpflich mit den Angehörigen der anderen Klassen vorgegangen ist. Hüben und drüben sind Uebergriffe bon bewaffneter Hand vorgekommen. Darum ist es die Pflicht aller

derjenigen, die es mit der politischen und wirtschaftlichen Gefündung

des Volkes ernst meinen, ‘daß die Waffen herauskommen. (Sehr rihtig!) Denn im Geisteskampf können wir die Meinungsvérfchieden- heiten, die Streitigkeiten noch so leidenshaftlich austragen, das {lägt uns keine Köpfe ein, das bringt uns keinen volkêwirtshaftlihen Verlust, das gibt uns aber die Hoffnung, daß diese Meinungsver- schiedenheiten shließlich in ein. sahliches Ergebnis münden.

/ tr Abgeordneter Oelsner hat \ich dann darü

ie ee immer noch ihr Be stätig Lee Li i

Soweit Landräte in Frage kommen, ist es kein eigentlihes Be- stätigungsrect, sondern ein Ernennungsreht. Wenn Sie sich darüber beshweren, daß einige Ihrer Freünde den Prinzipien Jhrer Partei untreu geworden sind in der Hoffnung auf Ernennung oder in Dank- barkeit für die Ernennung ich weiß es nicht —, so möchte ih darauf aufmerksam machen, daß die heutige Regierung, die Koali- tionsregiecung, gar niht anders verfahren kann. Wollte sie anders verfahren, dann hätten wir in den östlihen Provinzen zu einem großen Teil deutschmationale und in der Provinz Sahsen Moskowiter als Landväte. Wie die Zentrale dabei auskommen würde, das, meine Herren, möchte ih mir nit ausmalen; ich möchte das nur andeuten. (Zuruf des Abg. Adolph Hoffmann.) Herr Abgeordneter Hoffmann, ih weiß, Sie sind mit dieser Politik niht einverstanden; das ist Ihr gutes Recht. Aber es ist das gute Recht der Vertreter der Koalitionsregierung, den Kurs zu steuern, den sie zur Aufrehterhal- tung der Verfassung für erforderlih hält. (Zuruf des Abg. Adolph Hoffmann.) Nein, sie kann keinen anderen Kurs steuern, als ih solcher Personen zu versichern, von denen sie glaubt, daß sie die besten Stüßen der Verfassung und der republikanischen Einrichtungen wären. (Zuruf des Abg. Adolph Hoffmann.) Ja, wir würden den Bodk zum Gärtner seßen, wenn wir einen Moskauer zum Landrat machten. Heiterkeit. Zurufe von den U. Soz.) Meine Damen und Herren, die Moskauer! J bin weit davon entfernt, selbst diejenigen unserer Volk s- genossen so zu bezeichnen und zu behandeln, die heute glauben, daß cs für sie ein. Ehren\schild bedeutet, wenn sie sich als Moskauer vor- stellen. E gibt deutsche und preußisGe Volksgenossen, die viel bessere Patrioten sind als sie scheinen, als sie vorgeben. Aber solange die Herren betonen, daß sie den Prinzipien beitreten, die von Moskau aus verfolgt werden, solange die Herren ihre nationale Selbständig- keit aufgeben und mit Gifer bekennen, daß sie sid den Diktaten der russischen Gewalthaber fügen, solange können wir diese Herren nicht als preußishe Verroaltungsbeamte anerkennen. (Sehr richtig!) Ja, wenn der Republik Gefahr droht, dann, glaube ih, wird niemand, der es ernst meint, mit der Erhaltung der Republik und der verfassungsmäßigen Einrichtungen, fragen, woher Hilfe kommt, sondern er wird dankbar jede Hilfe anerkennen, ob sie von den Deutschnationalen oder von den Moskauern geleistet wird. (Zuruf bei den U. Soz. Davon sind wir fest überzeugt, bloß wir werden Ihnen das zweite Mal etwas pfeifen)) Jch bin fest überzeugt, daß die Republik sih allmählich so konsolidiert, daß sie auf die Hilfe des kleinen Häufleins, das als Moskauer im nächsten Jahr zurüdbleibt, nicht zu reflektieren braucht. (Zurufe bei den U. Soz:: Abwarten!) Ich habe die Ruhe, abzuroarten. Aber meine Herren, ih glaube, daß der bisherige Gang der Entwidlklung nicht gerade Ihnen Berechtigung gibt, große Rosinen zu erwarten. Und glauben Sie etwa, meine Herren, daß die Leute, die sih täglih einige Male Revolutionäre nennen, meinen Sie, daß das die größten Stüßen der Republik sind?! Sie arbeiten ja geradezu mit ihren blutxünstigen Tiraden der

-

Reaktion in die Hände. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Gäbe es weniger Jünger der Sinowjew und Losowsky unter den deutshen Moskowitern, dann hätien die Herren von rets nit den Schein von Berechtigung, auf die Gefahren ciner sogenannten Roten

Armee oufmerksam zu machen. (Zurufe bei den U. Soz.)- A, der, -

Kate die Schelle umhängen! Wenn Sie Lärm und nichts wie Lärm machen, dann sagen Sie, hängen Sie der Kaße die Schelle um! Cs

ist die Aufgabe der Republikaner, dafür zu sorgen, daß das Fundament,

der Republik fest bleibt. An solchen Reden, Herr Abgeordneter Oelsner, wie Sie sie heute gehalten haben, haben die Herren von der rechten Seite niht nur, ih möchte sagen: ein unterhaltsames Ver- ‘gnügen, sondern auch eine politishe Fréude. Jch laube, gerade solche Neden werden den Herren von rechts mehr Freunde und Anhänger zue tragen als Jhrer politischen Partei. (Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) Aber ih habe nicht die Pflicht, mir Ihren Kopf zu ¿erbreGen. (Zuruf bei den U. Soz.) Meine Herren, ih weiß nit, ‘of es „radikal“ ist, was ih jebt gegen die Herren von der Linken \age, Jch glaube, man könnte es mir au als „reaktionär“ ankreiden: „Wie es Euch gefällt.“ Im Staatsministerium und besonders in meinem Ressort ist es sehr \chwer, es allen Richtungen in diesem Hause redt ‘zu machen. Die Herren von der rechten Seite haben früher und heute mir vorgeworfen, ih sei dem General Watter in den Arm gefallen, Herr Oelsner sagte heute, ih hätte es nicht fertiggebracht, den Einfluß ‘des Generals Walter auszushalten. Die Herren von der Nechien

sagen, ich hätte durh das: Bielefelder Abkommen das Vaterland ver- -

raten, die Herren von der Linken sagen, durh das Bielefelder Ab- : kommen sei nichts -erreiht worden. | „Prophete rechts, Prophete links.“ (Heiterkeit und Zurufe.) Jawohl, das Welikind in der Mitte, und

ih stehe als Weltkind mit beiden Beinen auf dem Boden der Wirk--

litkeit. J glaube, daß doch die Maßnahmen, die durch die Staats und Reichsregierung in allen diesen \{Gwerigen Verhältnissen -ge«

El troffen worden sind, dazu beitragen werden, die Errungenschaften der

Staatsumwälzung zu festigen. Dem Herrn Abgeordneten Oelsner ' möchte ih verraten, daß es unter den deutschnationalen Herren schr viel festere Stüßen der Republik gibt, als in seinen engeren Kreisen, und besonders der von ihm genannte Regierungépräsident von Gerödorf in Merseburg ist ein so loygler Beamter (hört, hört! bei den U. Soz.), daß/wenn ich die Wahl hätte, Herrn Oelsner oder Herrn von Gersdorf ' zu bestellen, ih ohne Federlesens mih für den Herrn von Gersdorf entsheiden würde. (Lebhafte Zurufe bei den U. Soz.) Dabei, meine Herren, lasse ih gar keinen Zweifel darüber auffommen, daß mir die Mitarbeit im Staatsganzen, in der Staatsverwaltung von jeder Seite - genehm ist. Wir haben übrigens nicht, wie irrtümlih gesagt wurde, \chon mehrere unabhängige Landräte bestätigt. Es ist erst cin unk" hängiger Landrat, Herr Stammer, bestätigt worden, und der gehört

' nie zu Ihrer Richtung. (Zurufe bei den U. Soz.: Haben Sie ein

Ahnung! Große Heiterkeit.) Dann is} über einen bekehrten Sünter mehr Freude in der preußischen Staatsregierung als über 99 Gerechte. (Heiterkeit.) i :

Im übrigen muß ih zum Kapitel Bestätigung noch ein paat Worte auch dem Herrn Abg. Leid sagen. Jh möchte zunähst hier erklären, daß für die Bestätigung von Amtsvorstehern und Kreis- - deputierten ich nit zuständig bin, da habe ih erst inder anderen Instanz zu entscheiden. Was die Bestätigungsrehte anlangt, die

meiner Zuständigkeit -unterstehen, so prüfe. ih ledigliG nach der Ge« g

eignetheit. Wenn mir die Herren geeignet erscheinen, dann frage

ih nit nah ihrer politishen Ueberzeugung, dann made ih keinen

Unterschied zwishen unabhängigen Sozialisten oder Deutshnationalen.

Sie haben nur ein Ret, sch über eine angeblihe Korruption dieser .

Einrichtung zu beklagen, wenn Sie selbst von jeder Einmishung oder Bevormundung sich fernhalten. Da muß ich den Herrn Abg. Leid fragen: Ist es richtig, daß zum Bürgermeister von Berlin ein be-

fannier hervorragender Kommunalwissenschaftler präsentiert worden

ist bon ejner großen Partei und daß dieser in der Kommunalpolitik erfahrene Mann von der unabhängigen fozialistisGen Partei abgelehnt worden ist? (Zuruf bei den U. Soz.: Das ist der Hirs{!) Also Herr Abg. Hoffmam gibt zu, daß von der sozialdemokratishen Partei der Abg. Hirsh präsentiert worden ist und daß die unabhängige - sozialistishe Partei gegen die Wahl dieses Mannes CGinspruh erboben . hat. (Abg. Adolph Hoffmann: Ganz richtig, wegen seiner reaktionären Allüren!) Ja, meine Herren, habe ih denn niht auch das Net, besonders, wenn es mir gescßlich zugesprochen ist, zu prüfen, ob nit ein Beamter reaktionär gesinnt ist? (Sehr gut! bei den Soz.) Glauben Sie, daß Reaktionäre nur auf der rechten Seite sien? Jh halte den Abg. Oelsner für einen weit {limmeren Neaktiionär als Herrn v. d. Osten. (Zurufe bei den U. Soz.: Das sind ja Wort- spiele.)

Der Abg. Leid ist noch einmal auf den Elektrikerstreik zu sprehen gekommen und hat die Selbstverwaltung energisch gegen die Einsprühe der Reichs- und Staatsregierung gewahrt. Jh glaube, beîì seiner. Sachdarstellung hat er eins übersehen, nämli die Tatsache, daß die Arbeiter am Sonnabend zunächst überhaupt nit aewillt waren, die Notstandsarbeiten zu verrichten, und daß sich die Arbeiter erst in der Naht und am nächsten Morgen, am Sonntag- morgen, dazu bereiterflärt haben, nahdem sie von dem Führer des EGlektrikerstreiks, Herrn Sylt, dazu besonders aufgefordert worden sind.

Nun ist aber interessant, zu wissen, welhe Motive Herrn Sylt geleitet haben, diese Empfehlung an die ausständigen Elektriker zu rihten. Der Herr Polizeipräsident hat in meinem Auftrage den Ver- trauensmännern der Elektriker angedroht, daß, wenn niht binnen ganz kurzer Zeit die Notstandsversorgung aufgenommen würde, die Verhängung des Belägerungszustandes unabwendbar sei, und unter dieser Pression, und allein unter dieser Pression, hat sich Herr Sylt und nah ihm die streikende Arbeiterschaft bereiterklärt, die Notstands- arbeiten auszuführen. Sonst wäre wahrscheinlih noch am Sonntag die Notstandsverforgung Berlins nicht gesichert gewesen. Angesichts

dieses Umstandes blieb der Staatsregierung nichts anderes übrig, als

cinzuschreiten.

Wenn Sie, Herr Abgeordneter Leid, darauf hingewiesen haben, daß in Sachsen bei einem ähnlichen Streik die Reichsregierung sch duldsamer, langmütiger gezeigt hatte, so mache ih auf die Kleinigkeit aufmerksam, daß Crimmitschau oder ‘Chemniß doch nit n einem Atemzuge mit Berlin genannt werden kann. Noblesse oblige! Wenn Berlin die Reichshauptstadt, die Hauptstadt Preußens ist, wenn Berlin der Sih aller Zentralbehörden ist, dann, meine i, hat auhch die Stadtgemeinde Berlin die Verpflichtung, dafür zu sorgen,

daß Stockungen, wie sie durch den Elektrikerstreik! eingetreten sind, *

niht vorkommen. Und wenn die Gemeindeverwaltung von Berlin dazu nit in der Lage und nicht willens ist, dann haben andere Stellen cinzugreifen. Wer die Selbstverwaltung Berlins in Zukunft wahren will, der muß si au dafür einsehen, daß solhe Exzesse h nit

wiederholen, wie sie dur den Streik der Elektriker heraufbeschworen

O L: Herr Abgeordnete Leid hat auf einen Erlaß verwiesen, der gemeinschaftlich vom Finanzminister und mir herausgegeben ist und die Weiterzahlung des Gehalts der Beamten garantiert, die sih in Zeiten der Unruhen der Reichswehr zur Ver- fügung gestellt haben... Jch möchte hierzu erklären, daß ih dem Herrn Finanzminister vor furzem mitgeteilt habe, daß ih mit dem Wortlaut des Erlasses nicht einverstanden bin. Ih habe dem Herrn Finanz- minister mitgeteilt, daß ich nur dann einer Weiterzahlung des Ge- halts an die Beamten zustimmen könne, wenn die Beamten sich mit Billigung ihrer vorgeseßten Behörde der Reichswehr zur Verfügung stellen und wênn die Reichswehr bei Unruhen zum Schuße der ver- fassungsmäßigen Negierung einschreitet. Nur unter dieser Voraus- seßung bin ih mit dem ergangenen Erlaß einverstanden.

Dann möchte ih ein lehtes Wort zum Orgesch-Erlaß sagen. Es ist nit rihtig, wie der Herr Abgeordnete Leid und nach ihm der Herr Abgeordnete Oelsner behauptet, daß der Herr Justiz- minister mir mit seinem Gutachten in den Arm gefallen sei. Ich habe gestern {hon darauf aufmerksam gemacht, daß der Herr Justiz- minister von einem Vertreter des Herrn Ministerpräsidenten aufge- fordert worden sei, dieses Gutachten zu erstatten. Wäre ih in dem Augenblick, als der Herr Justizminister Material einforderte, in Berlin gewesen, so glaube ih, wäre das Gutachten anders au3ge- fallen. Auf Grund des spärlihen Materials, das ihm übermittelt worden war, konnte er meines Erachtens zu keinem anderen juristishen Standpunkt kommen; denn er hatte als Justiz- minister nit die politischen und polizeilihen Gesichtspunkte zu prüfen. (Zuruf rets.) Der Herr Justizminister hat jept ein audreihendes Material, Herr Abgeordneter von Richter, ein sehr auéreichendes. Material, und der Justizminister und der JInnenminister befinden sich jeßt in vollständiger Vebereinstimmung darüber, daß überall gegen die Selbstshußorganisationen einzuschreiten ist, wen sie den polizeilichen Charakter verraten und wenn Anlaß zu der An- nahme besteht, daß sie bewaffnet sind. (Zuruf des Abgeordneten Stendel.) „Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte.“ Herr Abgeordneter Stendel, wenn Sie, nachdem Sie aub nur flühtigen Einblick genommen haben in das Material, be- streiten wollen, daß die Selbstshuborganisationen sich bemüht haben, Waffen zu bekomnien, wenn Sie noch bestreiten wollen, daß dic Selbstschußorganisationen sh politischen Charakter anmaßen, dann wünschte ih- au, daß ih mir Ihr juristishes Auffassungsvermögen

, nell ancignen könnte. Jh würde dann manchmal über Fährlih-

feiten \hnell hinwegkommen. (Zuruf des Abgeordneten Stendel.) Einzelne, sagt Herr Stendel. Die Zeitfreiwilligenformationen oder

das Notwehrreaiment Bostelmann, von dem gestern die Rede war, ist

korporatives Mitglied des Berliner Heimatschußes. Und diefer Berliner Heimatshuß wird geführt nur von. Offizieren der Reichs- wehr, und einige frühere Kreisräte der Einwohnerwehr. Die wären nit so sehr um die Selbstshußorganisationen bemüht, wenn sie nicht wüßten, wo im Ernstfalle Waffen zu holen find. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Hier ist man in sehr vielen Fällen auf Indizien angewiesen, aber die Jndizien sind manchmal so \{lüssig, daß an dem Charakter der Bewaffnung fein Zweifel mehr besteht. H resümiere mi: die “Staatsregierung wird wachsam sein gegen: rechts und links und einschreiten gegen rechts und links. Ob sie dabei in Tagesströmungen populär ist oder sich Tadel und Kritiken zuzieht, ist gleich; denn -es ist niht Aufgabe der Staatsregierung, nah Popularität zu haschen, es ist Aufgabe der Staatsregierung, i n diesen unruhigen Zeiten besonders ihre Pflicht zu tun. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)

Auf Ausführungen des Abg. von der Osten (D. Nat.) entgegnete der Minister des Jnnern Severing: ,

Minister des Innern Severing: Meine Herren! Wenn es aus\chließlih die Aufgabe der. Organisation Escherich sein sollte, Ruhe und Ordnung im Deutschen Reiche und Säicherheit gegen den Terzor, der uns von Osten dvoht, herbeizuführen und zu gewährleisten, dann bin ih immer noch der Meoiuang, daß die Ver- suche, die dazu angestellt werden, die Mittel, die zu diesem Zwette angewendet werden, die denkbar ungeeignetsten sind. Denn Sie, Herr von der Osten, haben ja durch die Gründung dieser Organisation, der Selbstshußzovganisation, nicht das deutsche Volk zur Einheit zusammenges{hweißt, sondern es auseinandergetrieben. Sie haben heute nach unerhörter Agitation, die mit veichen Geldmitteln unter- stüßt worden ist, zuwege gebracht, daß, wie Sie sagen, eine Million Deutscher sich der Organisation angeschlossen haben. Glauben Sie, daß Sie mit dieser Organisation, also mit dem Zusammenschluß dieser einen Million, ivgendetwas erreiht haben? Ja, . Sie haben ‘das eine erret, daß Sie die Arbeiterschaft aller Richtungen und die bürgevlichen Kreise, die avgwöhnish der Selbstschußorganisation cegenüberstehen, mit unauslöschlichem Mißtrauen erfüllt haben. (Sehr richtig! links. Zurufe rets.) Das ist der cingige Erfolg Jhrer bisherigen Tätigkeit. Meine Herren, wenn Sie einen wirklichen Selbstschuß ausführen wollen, dann könnten Sie nur auf die Bahn treten, die ih Ihnen gestern gewiesen habe, da müßten Sie bestrebt sein, nit eher eine Selbstshußorganisation ins Leben zu rufen (Zurufe rechts: Bis uns die Hälse abgeschnitten sind!) Sagen Sie einmal, meine Herren, was haben Sie dem bis jeßt durch Jhre SelbstschGuborganisation erreicht? (Zurufe rets.) Schmücken Sie sih doch nicht mit den Federn der grünen Polizei. (Lachen rechts und Zurufe: Auf dem Lande haben wir keine grüne Polizei!) Meine Herren, ih stelle anheim, die Statistik des Brandenburgischen

ndes einmal zu ergänzen mit dem Nachweis darüber, was

Sie in einzelnen bevroblichen Fällen mit Zhrer Selbstshuyo:gani- sation geleistet haben. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ich habe es außerordentlich bedauert, daß der Abg. v. d. Osten mit diesem Temperament die Gründung der Selbstschubßorganisation ver- teidigt hat. Wenn früher ein Mitglied der oppositionellen Parteien den Wilhelm Tell zitiert hätte:

Wenn der Bedrückte nirgends Recht kann finden,

Wenn unerträglih wird die Last,

-__ Greift er getrosten Muts in den Himmel, und wenn er dann Gewaltiaten ankündigte, die mit diesem Zitat zuscemtmenhingen, dann' ist von seiten dêr früheren Regierung und besonders von seiten der Rechisparteien dieses Hauses ein solcher Ausspruch als die Vorbereitung zum Hochverrat bezeichnet worden. (Sehr vihtig! bi den Sozialdemokraten.) Und heute, meine Herren? Das, was der -Abg.. v. d. Osten eben, in Prosa sagte, war nichts anderes. (Zurufe rets.) Naturreht und unveräußerlihes Menschen-

arderon Seile. (Andauernde stürmishe Zurufe rechts. Glode des

Präsidenten.)

Meine Herren, glauben Sie nit, daß mich Ihre Mitteilungen, daß die Selbstschußorganisationen bereits eine Million Mitglieder hätten. nervös machen würden. Zurufe vechts.) Wir sind ja als deutsche Vereinsmeier bekannt, und ih glaube, es haben verschiedene Leute die

Entdeckung gemacht, daß wir nicht genug Vereinigungen haben, und.

um diesem längst gefühlten Bedürfnis abzuhelfen, hat man einen neuen Shwimmklub, oinen neuen Klub Olympia oder dergleichen gegründet. (Zurufe rechts.) Jh mathe darauf aufmerksam, daß die Bezeichnungen Schwimmklub 1911, Olympia usw. die Namen sind, die die Kompagnien des Notregiments Bostelmann getragen haben. (Zurufe rechts.) Ich zitiere ja nur aus dem Organisationsplan des Hauptmanns Bostelmann. Nein, wenn Sie wirklih einen moralti- hen Selbstshuß wollen, also ohne Gewehre und Handgranaten: habn wir nicht die politsen Parteien, haben wir nicht die Zu- sammenhänge der politishen Parteien? (Zurufe rechts: Schützen Sie sich demn mit Reden?) Meine Herren, ich bin Mehrheits- sozialist und denke, den Grundsäzen des Parteiptogramms der Sozial- demokratishen Partei treu zu bleiben; aber wenn es darauf ankäme, die Front einer Truppe zu verstärken, die sich gegen den Terror rihten würde, der uns von Moékau droht, dann stände ih in den Reihen

. derjenigen, die sih zu diesem Zweck aufstellen, und selbst, wenn sie

unter Führung des Herrn von der Osten stehen. (Zurufe rechts.) Ach, meine Partei hat in den leßten Jahren den Beweis geliefert, daß sie mindestens dieselben Güter in die Schanze zu schlagen bereit ist zur Verteidigung des Landes, wie die Leute, die Sie eben in Schuß genommen haben. (Zurufe rechts.) Ja, die unabhängigen Sozialisten nehme ih nit aus. (Hört, hört! rets.) Die Leute, die sih jeßt zu der sogenannten Moskauer Richtung in so scharfen Gegensaß gestellt haben, die sich dem Terror von Moskau entgegen- stellen, alle diese Staatsbürger sind gute Deutsche und Preußen, die würden gern eine Einheit bilden, wenn es gälte, Tervor abzu- wenden. (Zurufe und Unruhe rechts.) Sie leisten dem Einheits- gedanken des deutschen Volkes einen sehr schlechten Dienst, wenn Sie sich auf die Zahl Ihrer Anhänger berufen, , wenn Sie daran fest- halten, diese Selbstschußovganisationen ins Leben zu rufen, die Ihnen gar keinen Selbstshuß gewähren. Zweifeln Sie nit, wenn die

Arbeiterschaft entschlossen diesen Organisationen ihre Einrichtungen

gegenüberstellen würde, daß es schwer wäre, mit diesem Selbstshwz Slitten zu fahren! (Sehr richtig! links. Rufe: Aha! rechts und Unruhe.) Meine Herren, Sie spekulieren nicht mit Unrecht auf den Patriotismus, die Geduld und die politische Einsicht des deutschen Arbeiters. Der deutshe Arboiter weiß sehr gut: auf seinen Schultern ruht die Existenz des deutschen Landes, die Existenz des deutschen Volkes. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Und deswegen darf die deutsche Arbeiterschaft durch solche Gründungen nicht außer Fassung gebraht werden, wie Sie sie beabsichtigen und durchgeführt haben. (Erneute lebhafte Zurufe rets.) Das habe ih Ihnen nicht als Staatsminister, sondern als Arbeitervertrete: zu sagen: wenn die deutsche Arbeiterschaft einmal gereigt wird, ihre Organisationen gegen- über Ihren Selbstshuzorganisationen in Anwendnug zu bringen, ich glaube, dann würde es eine Frage ganz kurzer Zeit sein, daß Ihre Selbstschubhorganisationen vershwinden. (Sehr lebhafte Zustimmamng bei den Soizaldemokraten. Große Unruhe und Zurufe rechts: Sie versicheben ja wieder die Grundlage! Sie kämpfen ja auf falscher Basis! Gegen: einen Popanz kämpfen Sie! - Glode des Präsidenten.)

Jh soll gegen einen Popang ankämpfen, wird mir sochen von Herrn Abg. Bronisch ¡zugerufen, und ih habe eiwas Aehnliches in den Ausführungen des Herrn Abgeordneien von der Osten gehört, Ursache und Wirkung seien von mir verwehselt worden, behauptete Herr Abg. von der Osten. (Sehr nichtig! red48.) Nun, wie waren die Dinge? Im März wurden auf Grund des tefannten Berliner Abkommens Arbeiter- und Ortwehren aufgestellt. Diese Arbeiter- und Ort3wehren, die auch nah meiner Ueberzeugung, wenn sie Längere Zeit aufrecht erhalten wovden wären, bei politishen Span- nungon eine Gefahr für den Staat und das Wirtschafts leben be- deutet hätten, wurden bald davauf aufgelöst. Da war es die ganz selbstverständlihe Bedingung für den Staatsminister und das Staatsministerium, auch @hnlich gerichtete Orgamisatonen der anderen Seite aufzulösen. Also niht ih verwechsle Ursache und Wirkung, sondern ih glaube, Herr Abg. von der Osten macht sich dieses Fehlers schuldig. Aber was ih besonders an den Aus- führungen meines Herrn Vorredners beklagt habe, das war die fühne Behauptung: wir habon keine “Staatautorität. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, wenn Sie fortfahren, in dieser Weise im Volke eine Art Suggestion zu verbreiten, wenn Sie der Meinung sind (Lebhafte Zurufe reht3: Jst keine Suggestion! Tatsache! Große Unruhe) Meine Herren, nehmen wir an, die Staats- umwälzung wäre nah unserem militärischen Zusammenbruch nicht gekommen, das alte monarcisdye Preußen und Deutschland existierte noch, es hätte für die Aufrechterhaltung der Staatsautorität zu sorgen, glauben Sie, meine Herren, daß der Brandenburgische Land- bund, wenn er dann das- Bedürfnis hätte, über Mordtaten und Ge- walttätigkeiten zu bevichben, wenòger Naub-, Mord und Gewalt- baten anzuführen hätte? (Lebhafte Zurufe vechis.) Ja, ih gebe zu, daß die Zusammenstellung des Landbundes tendenziós gemacht ist. Der Landbund hat vermutlich einige Fälle angehängt, die aus- scheiden müßten bei näherer Prüfung. Aber das steht fest: welche Staatsform wir auch im diesem Augenblick hätten, ob etne konjer- vativ-monarchische oder, wie jeßt, eine demokvatisch-republikanische, dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Krieges hätte kein Staat entgehen können. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Und wenn Sie eine Erklärung für die Raubmörder haben wollen, für die Eigentumsvergehen, die si jeyt so erschreckend mehren, dann ist nit die Umwälzung der Staatsform daran huld, fondern der Krieg und seine Folgeerscheinungen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. Zurufe und Unruhe rets.) Ja, meiné Herren, in den leßten Monaten des Krieges gab es eine Zensur, die darüber wachte, daß die Entartungserscheinungen in den leßben Kriegsjahren der Oeffentlichkeit micht bekannt wurden. (Lebhafte Zustiomung links.) Aber wenn damals eine Statistik über Eigentu msvergehen ' und Morde aufgestellt worden wäre, dann wäre die Statistik des Brandenburgischen Landbundes doch erheblih in den Schatten ge- stellt worden (sehr richtig!); und damal3 hatten wir nach Ansicht der Herren von der rechten Seite doh noch etwas wie eine Staats- autorität. Die Staatsautoridät ist nur dann micht da, wenn ste von den Mitgliedern der Koalitionsparteien ausgeübt wärd.

Dann soll ich s{chuld daran sein, daß die Einigkeit im deutschen Volke untergraben wird, und zwar dur das VerbotderSelbst- schußorganisationen. Meine Herren, ih mache darauf auf-

merksam, baß; hnlich wie bie preußishe Staaksregiernng unb ins-

berg, Baden, Hessen und Oldenburg gegen die Selbstschuborganisationen vorgegangen sind. Was bleibt dann da viel von Deutschland übrig? Jch glaube, daß Sie nur Bayern anführen können. (Zuruf rechts.) Anhalt! Ja, mir ist auch nicht bekannt, wie die Regierung von Schaumburg-Lippe si dazu stellt. (Sehr gut! und Heiterkeit links.) Grundsählih, Herr Abgeordneter Stendel ih kann das nicht oft genug wiederholen —, bin ih ja durchaus damit einverstanden, daß wir einen besseren Flurshuß aufstellen, soweit er erreicht werden kann durch eine stärkere Beweglichkeit der Gendarmerie oder der Sicherheits- polizei. Auf diesem Gebiete will ih in der nächsten Zeit tätig sein, werde ich auch dem Wunsche des Brandenburgischen Landbundes Rechs nung tragen. Aber dieser bessere Shuß wird nicht auf dem Wege herbeigeführt, den Sie beschritten haben.

Der Herr Abgeordnete von der Osten hat niht mit Unreht dem Herrn Abgeordneten Oelsner gegenüber geltend gemacht, daß Zeitungs- stimmen niht immer vollwertiges Material darstellen. (Sehr gut! links.) Aber meine Herren, ich glaube, was man dem anderen rät, muß man auch felbst befolgen. Sie aber, Herr Abgeordneter von der Osten, haben alles Material, das Sie über die Existenz von Noten Armeen vörgetragen haben, Zeitungéstimmen entnommen. (Zurufe rechts.) Ja gewiß; aber dadurch wird die Sache nit glaubhafter, daß Sie die „Deutsche Zeitung“ oder die „Deutsche Tageszeitung“ anführen. (Zuruf rechts: Nein, „Hamburger Fremdenblatt“)) Wenn Sie die „demokratishe“ „Magdeburgische Zeitung“ genannt hätten, so wäre das auch nicht wahrheitsgetreuer. (Abg. von der Osten: Links\ozialistishe Zeitungen!) Jch gebe zu, der Herr Abgeordnete von der Osten hat, soweit es sch um Versammlungsreden handelt, die „Freiheit“ und andere linkssozialistishe Zeitungen zitiert. Aber die Schlachtpläne und die Organisationspläne der „Roten Armeen“ stehen nicht in linksfozialistishen Zeitungen. (Nufe rechts: Das glauben wir! -und große Heiterkeit rechts.) Meine Herren, ich be- streite durhaus nicht, daß es Aufmarschpläne der sogenannten Roten Armee gegeben hat und heute noch gibt. (Rufe rechts: Na also!) In Essen hat sich zum Beispiel im vorigen Jahre ein Student einmal hingesezt und ein ausführlihes Gutachten ausgearbeitet über die Schlacht bei Bottrop und hat auf Grund dieses Gutachtens nach- gewiesen, daß man so, wie die sogenannten Roten Armeen im Januar und Februar gegen Bottrop marschieët scien, nricht wieder operieren dürfe. Nach dem Zeugnis des Generalleutnants von Watter sollen diese Betrachtungen einen so hohen ftrategischen Wert gehabt haben, daß si der Herr Generalleutnant für diesen jungen kommunistischen Studenten schr stark interessierte. (Heiterkeit links.) Also es hat schon einmal cinen „roten“ Schlachtplan gegeben. Und als im Juni vorigen Jahres in Remscheid Haussuchungen bei einigen Kommunisten abgehalten wurden, hat man auch bei einem sonst schr harmlosen Herrn einen Aufmarshplan der Roten Armee gefunden. (Zurufe rechts: Harmlos?) Ich unterstreihe noch einmal die Floskel des Polizei- präsidenten: zur besonderen- Beunruhigung geben die Ergebnisse der lezten Haussuchung in Berlin keinen Anlaß. Sie wollen daraus erkennen, daß ih Ihre Bewegung nicht für so ganz gefährlich ansehe. Aber Sie dürfen mir auch nit zumuten, daß ih den Privatarbeiten einiger Schwärmer, die im Kriege gewesen sind und sich für große Strategen halten und Kommunisten nennen, eine besonders übertriebene Bedeutung beilege. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wir wollen uns lieber jeßt als Staatsbürger fühlen, die mit der Sichel, mit dem Hammer und dem Pflug Werte schaffen, und wollen niht den FIntellekt des Volkes verbrauhen mit Ausarbeitung von allerlei Schlachtplänen. Wenn hier abgerüstet wird und dort abgerüsiet roivd, dann ist damit die beste Perspektive für den Aufbau des preußischen Volkes eröffnet.

Fch kann Ihnen nichts anderes sagen, als daß ich bemüht bitt,

auch das flache Land von ihr den nowendigen Schuß erhalten, daß ich bemüht bin, diese Polizeiformationen so beweglih zu gestaltan, daß sie immer zur Stelle sind, wenn irgendwelche besondere Greig- nisse eintreten. Einzelne Morde und Plünderungen können Sie felbst mit einem Millionenheer niht vermeiden. (Zurufe rechts: Ständige!) Die ständige Erscheinung wird gemildert werden durch die Vaer- stärkung der Polizeimaht. Ich bin mir aber darüber klar, daß ror am radikalsten alle Entariungserscheinungen beseitigen können, wenn wir wirtschaftlich wieder besser gestellt find. Ein Verbrecher, der aus Lust mordet und aus Lust stiehlt, ist eine große Seltenheit. Die Verbrecher, die heute aufs Land gehen und Kartoffeln ftehlen, die Gehöfte plündern, sind in vielen Fällen dur die bitterste Not dazu veranlaßt. (Widerspruch rets.)

Gestatten Sie noch ein paar Bemerkungen zu den Betrachtungen des Herrn v. der Osten zu der Zeitfreiwilligenformaiion Bostelmann, Herr v. der Osten hat gemeint, daß meine Ausführungen hierzu em Eingriff in ein shwebendes Verfahren seien. Glauben Sie, Hexr v. der Osten, daß ausgere{chnet meine Ausführungen zu diesem Gegenstand die Mitglieder des außerordentlihen Kriegsgerichts beeinflussen würden? Jch glaube, wenn ih objsktiv den Tatbestand festgestellt habe (Zurufe rets), shón, meinetwegen können Sie meinc Ausführungen auch als Werturteil auffassen; aber ih glaube, daß Herr v. der Osten dann am wenigsten befugt wäre, mir darüber ein Privatissimum zu lesen: denn er selbst hat sich in der Verteidigung Bostelmanns versucht mit der Frage: „Muß man uicht eventuell au noch die Benutzung eines Maschinengewehrs ins Auge fassen?“ Diefe Verteidigung war mir do ein bißchen s{leierhaft. Wenn im Mai eine militärishe Formation aufgelöst wird und in den leßten Juni- tagen der Führer der Formation noch Maschinengewehrshüßen sucht, dann frage ih mich doch immer:- wozu diese Sehnsucht nah Leuten, die ein Maschinengewehr zu bedienen imstande find? Die Erklärung liegt doch wohl darin, daß jene Formation aufrecht erhalten werden sollte, und daß Leute beschafft werden sollten, die auch im Falle der Gefahr Gefahr im Sinne der Herren, die diese Formation auf- gestellt haben in der Lage wären, mit Maschinengewehren umnzu- gehen.

Herr Abg. v. der Often hat dann aber aus meinen kritischen Bemerkungen zur Tätigkeit des Hauptmanns Bostelmaun eine be= weglide Klage darüber hergeleitet, daß in der Politik Dankbarkeit

wo wäre die Staatsregierung ohne die Zeitfreiwilligen, die sih im vorigen Fahre zur Verfügung gestellt haben? (Sehr richtig! rets.) Herr v. der Osten, wenn es nicht so fürchterlih billig wäre, Retourkutschen zu fahven, würde ih Sie fragen: „Wo wären Sie und Ihre politishen Freunde in diesem Hause, wenn es nicht im November 1918 eine organisierie Arbeiterschaft gegeben hätte,“ (Leb-

hafte Zustimmung links.) Die deutsche Arbeitexbewegung mit Gin-«

besondere mein Ressort au die Regierungen in Sachsen, Württem- A

die Polizei so zu verteilen, daß niht nur die Großstädte, sondern -

gar nicht mehr aufkommen wolle, und hat dann entrüstet gefragt: -

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