1920 / 288 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Dec 1920 18:00:01 GMT) scan diff

S E E E E Es

_und Dana Ber Dr. As das Wort, dessen Rede m

als Or timisten, Dem Antrag, den Amnestieparagraphen eitigen, immen wir zu, ebenso dem Antrag auf Girfogiebane der B eite pon Kohlen und Maschinen.

Hierauf nimmt der Vizepräsident des Reichsministeriums

es Stenogramms Wortlaut wiedergegeben

nach Eingang werden wird.

Abg. Nei ch (U. Soz.), Da bisher die höchsten Strafen iht angewendet sund, werden die Schieber vor diejem Geseß keine Bange haben. Was nüßen die Gesete, wenn sie die Ezekutive nichi anwendet? Dagegen würde - die Kor- éuption gesteigert werden, denn es würden nur höhere Summen für die Lest ung der Beamten geboten werden. Der Wucher nimmt troß aller Strafen zu. Statt vershärfter Geseze müßten die Arbeiter die vollständige Kontrolle über den Verkehr erhalten

Der 8 1 wird gegen die Stimmen der Unabhängigen und Kommunisten angenommen. 2 wird nach Ablchnung der Einfügung von „Kohle oder Maschinen“, für die nur die Un- abhängigen und Kommunisten stimmen, unverändert ange- rommes. Jm § 3 wird die Zulassung der Ueberweisung an die Landespolizeibehörde durch cine Mehrheit aus der gesatnten Linken und einiger Demokraten gestrichen, S 3 also ohne diese Bestimmung angenommen. Der § 6a mit der Straffreiheit für vergangene Vergehen wird angenommen, ebenfo das übrige Geseh nah den Ausschußvoorschlägen.

Eine Entschließung wegen öffentlihen Anschlags des Gesehes wird einmütig angenommen.

Zu dem Antrag Herzfeld auf Aufhebung der bayerischen Verordnung beantragt der Abg. Waldstein noh den Zusaß, ea diese Verordnung vom Jnfrafttireien dieses Gesetzes ab aufzuheben ist. Dieser Zusaß, gegen den die Un- bhängigen stimmen, wird abgelehnt, aber auch der Antrag Herzfeld wird abgelehnt.

Jn der sofort sich anschließenden dritten Lesung wird das Gefeß in der Gesamtabstimmung einstimmig angenommen.

Es folgt die erste Beratung des Gesebßentwurfs

um Schuße der Kriegsteilnehmer gegen Zwangsvollsireckungen, wonach bis zum 1. Juli 921 die Zwangsvollsirekung auf Antrag von Kriegs- teilnehmern einzustellen is, wenn sie unbillig wäre.

Abg. Meier-Zwikau (Soz.) befürwortet einen Antrag seiner Partei, die Geltungsdauer des Gesehes bis zum 1. Januar 1922 zu erftreden.

Die rechtsunabhängigen Sozialisten bean- a Ages die Anwendung des Gesches auch auf die Krieger- WLIWEN.

Abg. Frau Ziegler- Württemberg (U. Soz.) begründet den Antrág ihrer Parke äuf Cinbeziehung der Miete Tatsäch- lib habe der Krieg vielen Kindern nicht allein den Vater genommen, fondetn auch die Mutter, die aus dem Hause beraus zur Arbeit habe gehen müssen. Die Unterstüßungésäße für Kriegerwitwen seien gänzlih unzureichend.

j Trient des Neichsministeriuums und Neichsjustizministe- riums Dr. Heinze: Ich bitte Sie, die vorliegenden Anträge ab- zulchnen. Der Schuß der riecéteilnehmer degen Bwanadtelifireduna greift tief in unsér Wirtschaftsleben ein. Eine grcße Zahl Kriegs- feilnehmer sind selbst Gläubiger und müssen in Angelegenheiten moglich|t bald in Ordnung bringen, Darum würde eine weitere

Vetlängerung des Termins bis zum Januar 1922 nicht rätlich sein wir wollen möglist den Abbau der Kriegsgesekßgebung. Sollte [d

ein Bedürfnis zur Verlängerung ergeben, so E sih das immerhin noch erreichen. Der andere Antrag über die Kriegerwitwen würde einen Gedanken in das Geseß hineiniragen, der ihm fern liegt. Der Grundgedanke des Gesckes ist, daß die Kriegêsteilnebmer dur ihre Abwesenheit nicht in der Lage gewesen sind, ihre Verhältnisse zu ord- gen, Die Kriegerwitwen haben andere NRechtébehelfe, z. B. bei Zwangévol:strefungen in einer Erbschaft. Die Verhültnisse der Kriegerwitiven sind gewiß bedrüdt, ihnen muß aber mit anderen Miiteln entgegengekommen werden.

_ Damit ift die erste Lesung erledigt. Nachdem in zweiter Lesung Abg. Frau Zie h (U. Soz.) nohmals den Antrag auf Einbezichung der Kriegerwitpen befürwortet und der Reichs justizminister Dr. Heinze ihn nohmals bekämpft hat, wird zunächst über den Antrag der Sozialdemokraten auf Ver- längerung der Geltungsdauer bis zum Januar 1922 abge- Ps a das Ergebnis zweifelhaft bleibt, findet Auszählung latt, Der Antrag wird mit 187 gegen 142 Stimmen abgelehnt.

Der Antrag der Unabhängigen “g Einbeziehung der Kriegerwitwen wird gegen die Stimmen der gesamten Linken äbgelehnt,

__ Das Geseß wird in zweiter Lesung und gleih darauf auch in dritter Lesung angenommen.

Es folgt die dritte Lésung dés Sperrgesebes (léihmäßige Besoldung für Reichsbeamte und Beamie der Länder und Gemeinden), wozu keine Wortmeldung vóörliegt.

Das Geseh wird in seinen einzelnen Bestimmungen an- genommen, auf Antrag der Unabhängigen Sozia- listen ist die endgültige Gesamtabstimmung eine namentliche: dabei stimmen im ganzen 348 Abgeordnete, Va von 209 mit ja, 124 mit nein, der Stimme enthalten sih 15.

Präsident Löbe erklärt, daß bei einer Anwesenheit von mehr als zwei Dritteln der Reichstagsmitglieder das Haus mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden, also mit einer Stimme Gesamtmehrheit das Geseh angenommen habe. (Heiterkeit)

In zweiter und dritter Beratung wird der Geseh- entwurf über die Erstattung der von den

ändern und Gemeinden den Beamten in den besebten Gebieten gezahlten Wirt- schaftsbe ihilfên mit einem Antrag des Abg. Dr. Kaas (Zentr.), wonach auch die Geistlichen unter dieses Geseh fallen angenommen.

Eine Entschließung des Aus\chusses wegen ofortiger Auszahlung rückständiger Be- ä L ngs d u i agen wird gleichfalls angenommen.

g. Sh ul §- Brömberg (D. Nat.) zur Geschäftsordnung: Bei dei Etgébnis der namèêntlihen Abstimmun l ein Y eentebler j gekominen, zwei Drittel von 348 Stimtnen Bs 233, mit ja baben abet nur 209 gestimmt. Da 6 1g um éin T ea Dn LE Geseß handelt, ist es also nicht at «_ Präsident L 6 be: Die Bemängelung ift ricktig, Die pwvei Dri uu amd rei aus der Mindest ahl, bié vai Drittoi E Da ritelli, aber nicht aus det Zahl der Anwesenden Die Frage aber D ae L ene BerfgsluvgKinderang ist, kann hier nicht ents{ieden i 1 ti ur ne TU ch Ps (Heiterkeit) T Abgrordnaien uge rauf wird die Besprechung dex rpéllati “e Pa L igen Ne Bn ände au en russischen nternie Deutschland fortgeseßt. U RECN

nationa reuzes erflârt babe, daß die Nicdtbolscewisten bei ibrer N in Narwa ersbossen nwürden. rr Major En er- klärt darauf, daß er niemals eine derartige Aeußerung getan habe. (Hört, bumanit ren Unsoaben gewidmet, "Cs ift bebauerliò, beh eine Joh u V gewidmet. Es i ih, daß eine so were MeEbuaang erhoben ist. Bei dieser Welegenbêit wil ih r: die nk der

pellation gesagt, dal der \dweizerisde Major als Vertreter ‘des inter- en ebr

dem Internationalen Roten Kreuz, das seit Jahr und T Nückkehr der deutshen Gefangenen bemüht gewesen ist, den enning hat nicht Herrn Steiger, sondern einen andern gemeint) Lachen links.)

Abg. Dr. Fleischer (Zentr.): Wir waren alle erstaunt, daß der Reichsminister die Interpellation beantwortet hat. Nur durch die Not hat er ein soldes Amt übernommen, zu dem er sih nicht gedrängt hat. Wir begrüßen die Zusicherung der Regierung, daß die Ueberwabung der JInternierungslager dem Reichsamt des Innern oder dem Reichswehrministerium übertragen werden soll. Für uns kommt nur das Reichswehrmini- sterium in Frage. (Sehr richtig) Sympathish berührte uns, daß der Finanzminister gröbliche Pflicbtverlezungen zugab. Der Staats- sekretär Grzesinsti hat dies offenbar abzushwächen gesucht, aber beide ARER Untersuchung der strafwürdigen Fälle sichert. Der Staats- efretár hat si die Sache zu lei naci; denn der Interpellant und die Presse haben bestimmte Dokumente vorgelegt, die sib nit mit einer Handbewegung beiseite schieben lassen. ir warten das Ergebnis der Untersuhung ab. Jedem Internierten, ob er Bol- ewilt ist oder nit, muß das UIieia innewohnen, daß Deutsch- and ein Rectsstaat isk. (Lachen bei Komm.) Gegen eine Pro- paganda der Sowjetregierung in den Interniertenlagern ist ebenfo- wenig einzuwenden, wie wenn ein monaristishes Staatswesen sein Heer in monarhischem Sinne beeinflußt. Nur darf die Propaganda nicht zu einer Beeinträctigung der persönlichen Freiheit und Üeber- eugung führen. Auch wir wünschen, daß es gelingt, den leßten

utschen Kriegsgefangenen endlih der deutshen- Heimat wiederzu- geben. Peri Stüklen vermag ich nicht in der Pin gu folaen, daß die bolschewistisde Gefahr nur in der Einbildung acw!sser Angst- meier bestände. Auch die deutschen Kommunisten sind. doch nicht das Produkt von Ançstmeiern ih unterschäße sie micht, sondern sie ind wobl ziemlih die einzigen in Deutschland, die aanz aenau wiffen, was sie wollen. Die deutsche Magierans muß dafür sorgen, daß die internierten Russen nicht eine Kampftruppe bilden, die nach der Niederwerfung Pcelens den deutsden Kommunisten zu gemeinsamem Kampf die Hand reicht.

Abg. Beuermann (D. D): In den Lagern der inter- nierten Russen haben sich unglaublide Zustände entwidelt. Nach- dem Eyduk in Hameln eingetroffen war, hielt er eine Heb- rede gegen Deutschland. In anderen Lagern sind nicht bolsche- wistisch gesinnten Internierten s{mählich behandelt worden. Nedner zeigt auf rotem Papier gedrudte Verordnungen der deutsben Regierung über den Gebrauh von Schußwaffen gegen- über den Internierten usw. vor und erklärt: Diese. Verordnungeu sind viel zu - spät erlassen worden. Das Natürlichste wäre, den Wehrminister zuständig zu machen. Die Herren Kommunisten in Berlin sind sehr rüstig in der Anknüpfung an ihre russishen

Brüder.

Gs Dr. Rosenfeld (U. Soz. rechts): Die Deutsch- nationalen haben eine s{limme Abfuhr von der Negierung er- fahren. Her: Hennig hat nur beweislcses Zeug vorgetragen. (Lachen rechts) Die Doi hat mit einem Sirich allen Gefangenen die Freiheit gegeben. (Abg. Henning: Sie denkt gar nicht daran!) Wir verlangen die Befreiung der russischen

fangenen. Zu dem wirklihen Reickswehrminister könnten roir ¡trauen baben, aber dem Herrn Seecckt dürfen die Ges fangenen micht in die Hände gegeben werden. Jeder Schwindel, der irgendwo über die Rote, Armee auftaucht, findet Verbreitung durch die Presse der Rebten, Jo daß es dem leichtgläubigen Spießer falt über den Rücken läuft. Diese Hebe hat den Zweck, die shwachen Beziehungen, die sich allmählih zwischen uns und Rußland aus- gebildet haben, wieder gänzlich zu zerstören. Sie (nah rechts) wollen

in den Gefanaenenlagern monarchistishe Agitation treiben und aus Rotgardisten Weißgardisten machen.

_ Abg. Haas (Dem.): Wenn die Internierten dem Wehr- ministerum unterstellt werden, so gilt darum für sie nicht das Militärstrafreht, sondern nah wie vot das. bürgerlide Recht. Die ministerielle Zuständigkeit hat damit nmichts zu tun. Daß inan einen verdienten Beamten mit Mörderzentralen in Ver- bindung bringt, das sollte man unterlassen; es hat keinen Sinn, mit sclhen maßlosen und unsinnigen Uebertteibungen zu operieren. Wir dürfen uns micht von Stimmungen und Gefühlen leiten lassen, ob ein Staatswesen uns gcfälli oder miht. Eine Außen- politik nach Stimmungen und Neigungen wat s{on vor dem Kriege ein s{werer Fehler und ist jeßt geradezu verderblih. ‘(Aktg. PANR L: er Bolschewiömus is geocen uns gerichtet.) Wir chnen es ab, offiziel bder offiziós deutshe Sympathien für die Kenterrevolutionäre in Erscheinung treten zu lassen. Anderfeits ‘verlängen wir, daß Rußland sih auch nit in unsere inneren Un- ee éeinmisht. (Sehr wahr! rets.) Die Frage der nterniertenlager müssen wir behandeln losgelöst von der politischen Leidenschafilichkeit, die Herr Henning hiaeingetragen bat. Egentümlih ist, wie Herr Beuermann als Vectreter einèr Regierungspartei errn Sclesinger, einen Beamten der Regierung, angegriffen hal. s ist parlamentarisch ein untinögliher Zustand. Wenn Herr Beuermann meint, daß ér entfernt werden muß, so mag er sich an den Minister wenden. Vie Selbstverwaltung der Lager kanu nit über die Grenzen gehen, die unsere Souveränität und unsere Petesen ziehen. Unsere Sicherheit muß gewährleistet werden, des- alb müssen die álten militärisden Ve:bände in den Lagern aufgelöst wérden, déren Gescklossenheit eine erheblide Gefahr ist. Minister der Auswärtigen} Angelegenbeiten Dr. Simons: Meine Damen und Herren! Es sind im Laufe der Debatte einige Fragen an dás Auswärtige Amt gerihtet worden, und i halte és mit der Achtung vor dem hohen Hause nit für vereinbar, daß ih darauf s{hweige, obwohl ich weiß, daß Jhre Zeit beschränkt ist. Ich werde mich aber kurz fassen. Ic kann nihé umhin, einige allgemeine Punkte voranzustellen, weil das Juteresse des Auswärtigen Amts an der ganzen Debatte viel größer ift, ‘als seine Zuständigkeit für die Interniertenlager. Für das Auswärtige Aimt kommt diese Zuständigkeit nicht weiter in Be- tracht, als daß es dafür zu sorgen hat, daß bei der Behandlung der Internierten die Rechte Deutschlands gewahrt und die Pslichten Deutschländs érfüllt werden. Diese Nechte und Pflichten ergeben sich aus der deutschen Neuttalitätéetklärung und aus ten allgemeinen Volkerrechtêgrundsäten, dié man gegenüber Internierten anzuwenden hat. Es ist in dieser Debatte wiederholt darauf hingewiesen worden, daß solhe Grundsäße in genügender Klarheit und Sicherheit noch nicht bestehen. Aber soweit sie äus den früheren Vorgängen hér- zuleiten sind, so weit ist das Auswätlige Amt befugt und verpflichtet, darüber zu wachen, daß sie eingehalten werden.

Die Jnternietung der bolschewistishen Truppen, die über die deutsche Grenze getreten sind, war deêwegen mit ganz bésondéren Schwierigkeiten verknüpft, weil die deuts%e Heeresmacht in der Zeit, als das geschah, gerade in der Umformung auf Grund der Entwaff- nungsverpflihtungen Deutschlands begriffen war. Wir haben uns damals und ich habe mir große Mübe gegeben, das zu begründen án die Entente gewandt, datnit sle uns éine besonders ausgeroählte Truppenmat zur Verfügung stellte, die uns die schwierige Rufgabé

„Reicbskommissar Stücken: Z6 bin k l ären; Der Abgeordnete Hennig h in der E E

ist Hauses ‘ausspreben. (Aba. Shulh Bromber: Herr

und die Sicherung und Bewaung der Lager ist, namentli®% wem es sih um sol&e Truppenmassen handelt, wie hier in Frage standen, unzweifelhaft eine militärische Aufgabe und ist auch in den früheren Kriegen und im Welikrieg ganz wesentlih dur militärische Kräfte durchgeführt worden. (Sehr richtig! rechts.) Leider hat die Entente diese unsere Notlage, diese unsere Ver- pflihtung und die Natur der Sache nicht anerkannt, sondern uns die Zurückstellung einer entsprechenden Wehrmacht zur Erfüllung dieser Aufgaben abgeschlagen. Infolgedessen waren wir darauf angewiesen, einen Notbehelf eintreten zu lassen, wie es Jhnen der Herr Reichsfinanzminister in seiner Erwiderung auf die Begründung der Interpellation dargelegt hat. |

Es ist niht meines Amtes, ein Urteil darüber abzugeben, inwie, fern dieser Notbehelf günstig oder ungünstig gewirkt hat. Das mögen _diejenigen Herren tun, die sich vom Standpunkt der inneren Ressorts aus damit zu befassen haben. Aber eins möchte ih sagen. Soweit die Tätigkeit dieses Notbehelfs nach dem Auslande in Erscheinung getreten ift, soweit es sih gehandelt hat um die DurÉführung des Gefangenen- und Interniertenaustaushes und die Wahrung der Nette und Pflichten gegenüber dem Ausland in dieser Beziehung, kann ih denjenigen Männern, die sich auf Grund dez Notbebhelfs mit der schweren Aufgabe haben he, fassen müssen, nur das allerbeste Zeugnis aus. stellen; denn sie haben wirkflih gut gewirkt, und ih bin seß; zweifelhaft, ob wir, wenn es anders gemaht worden wäre, bes; dastchen würden als jeßt. Troßdem bin ich vom Standpunkt iz Auswärtigen Amts nach wie vor der Meinung, daß wir so d wie mögli die Entwicklung in einen normalen Zustand überführa müssen; denn von unserem Standpunkt aus ist der bisherige Zustars unnormal. Es ist nit ratsam, daß die Kontrolle über Truppen durchNichtmilitärs ausgeübt wird, Wir wissen das aus den Erfahrungen, die wir bei unseren eigenen deutschen Internierten gemacht haben, und auf die ih noch zurüd- fommen werde. Daher ist das Auêwärtige Amt von Anfang an mit der Uebertragung der Lagerbewahung an das Neibswehr- ministerium einvetstanden gewesen unter der einen Voraus seßung, daß bei dieser Uebertragung die intetnierten Truppen nat wie vor als das behandelt werden, was sie sind, nämli als Truppen der Sowjetregierung.

Da ergibt sich nun außer den rein teGnisGen Schwierigkeiten eine weitere innere Scwierigkeit, und die besteht darin, wir zwar der Sowietregierung in strengster Neutralität gegenüberstehen, daß sich aber die Sowijetregierung in einem geistigen Kampfe mit uns befindct, der sich naturgemäß auch auf die Lager übertragen hat. Aus diesem geistigen Kampfe ist ja auc ein großer Teil der Mißstände herzuleilen, die die Juterpellation zur Folge gchabt haben.

: Ih möchte jeßt auf die Einzelfragen eingehen, die mit Nüge- sicht auf die so gesdhaffene Lage an das Auswärtige Amt geri wotden sind. Zunächst haben scwohl der Herr Begründer der Jnter- pellation, der Abg. Henning, wie der Herr Abg. Fleischer darauf bin gewiesen, daß vielfah Jnternierte, die sih in den Lagern ungeredt behandelt glaubien, si, da sie von deutsdhen Bebörden keine Hüje erfahren hätten, sei es an neutrale Mächte, fei es an Ver- treter von Ententeregierungen gewandt hätten. Von solhen Vorfällen, meine Damen und Herren, ist mir nichts be- fannt, ih habe darüber nihts ia Erfahrung bringen können, 1d wäre aber dankbar, wenn Material, das darüber besteht, mir zur Kenntnis gegeben wird. Zwcifellos ist ein derartiges Eintreticn oder auch nur die Anregung des Eintretens von anderen Mächten auf dem Boden des Deutschen Reiches für Eimvohner solher Junternierten- lager, die von deutscher Kontrelle bewacht werden, unzulässig und niht zu billigen. Es ist unsere eigene Verpflich- tung, die Interniertenlager so Ju überwachen, daß die Hilferufeniht nötig sind. Jh mötte bei diése Gelegenheit envahnen, daß ich überhaupt dankbar wäre, wênn allet Material über die Lager, das unsere auswärtigen Beziehungen b

rührt, dem Auswärtigen Amt mögäichst vollständig zur Vetfügn

gestellt würde, Sie dürfen sicher sein, daß es einer forgfältizn

Prüfung und einer möglist baldigen Erledigung zugeführt wird.

Es hat dann der Herr Abg. Fleischer die Frage an das Aus wärtige Amt gerichtet, wie es komme, daß diejenigen Letten ud

Ukrainer, die sih unter den internierten Truppen befinden, nidt

der Kontrolle der [ettishen und ufrainishen Gesandischaft zu- gewiesen, sondern nah wie vor unter der Kontrolle der Sowjet- regieruag gelassen worden wären. Meine Damen und Herren, diese öraçe, wie és sich mit den Angehörigen einer anderen Staatsgewalt ianerhals der internierten Sowjettruppén verhält, ist vom Auswär- tigen Amt alsbald, nachdem solche Fälle bekannt wurden, einex sebr sorgsamen Prüfung durch die Nechisabteilung unterzogen worden. Ih will bier dghingestellt sein lassen, seit wann und in welden Umfange és einé anerkannte leitisde und ufrainishe Vertretung in Berlin gibt. Jch will nur ausführen, daß zweifellos derjenige An- gehörige einer anderea Macht, der sich bei einer Sowjeitruppe bé- findet, socange er sich bei ihr befindet als An- gehöriger der Sowjetregierung zu betrachten ist, Das ist völkerrechtlih ungwêifelhaft. Jst die Zuweisung dieser Leute an die Sowjettruppen ein Akt, der völkerrechili nicht zu rechifertigen ist, so muß es der Negierung, dem der be- treffende Soldat angehört, überlassen bleiben, mit der Regierung, der die Truppe angehört, sich darüber auseinanderzuseßen, nit aber ist es Aufgabe derjenigen Regierung, die die Truppe interniert, ihret-

seits ein Urteil in diesem Punkte zu fällen, Wir haben also Sol-

daten, die als Mitglieder der Sowjettruppen über die deutsche

Grenze gehen, als Mitglieder ihrer Truppe zu entwaffnen, zu inter-

niezea und ohne Nücsicht auf ihrè eigene Staatsangehörigkeit zur

Verfügung der Regierung zu halten, der das Heer angehört.

Der Herr Abg. Beuermann hat die Frage aufgeworfen, weshalb

das Auswärtige Amt aicht dafür sorge, daß die Junternierten obenso

wie die Kriegsgefangenen vascher zurück und aus Deutschland hinaus

befördert würdên. Ja, meine Damen und Herrén, nichts wollten wir

lieber, ass daß das rascher geschehe, „und wenn es nit rascher 9e-

schieht, liegt nit mangelnder guter Hine und mangelnder Eifer dei

den deutschen Behörden vor, sondern die unendlicen

S@&wierigkeiten des Transports, die teilweise davon

herrühren, daß uns der Landweg immer noch in hohem Maße versperrt

ist, und teilweise daher, daß uns der Seeverkehr wegen der Knapp-

heit des Schiffêraums noh keineêwegs so zur Verfügung steht, wie

wir es wünschen. Müssen wir uns doch betreffs des Schiffsraums

dèr Entwaffaung bder Jntérnierten ermöglichen und erleichtern sollte. Denñ, meine Damen und Herren, dis Entwaffnung der Jnternierten ù

immer erst die Zustimmung der Entente verschaffen. Jch fann aur wiederholen, daß gerade die Art und Weise, wie uns dieser

# zu zweifeln. Aber etwas ganz anderes ist es, ob man innerhalb dieser

Swciffsicum veishafft wurde, ein Nuhüuesblatt derjenigen Männer ist, die sih bisher mit der Sache befaßt haben.

Der Herr Abg. Nosenfeld hat an das Auswärtige Amt die Frage gerichtet, wie es das Auswärtige Amt mit seinen früheren Erklärungen vereinbaren fönne, daß der Wrangelvertretung das Necht geceben werde, Pässe für die Russen auszustellen. Meine Damen und Herren, eine Wrangelvertretung hat es meines Wissens hier nie gegeben; ic kenne sie nidt. Vor allen Dingen hat das Auswärtige Amt ihr niemals das Pecbt zuerkannt, Pässe auszustellen. Wenn hier in Deutschland russische Personalausweise ausgestellt werden von Stellen, die von der Sowijetregierung nicht anerkannt sind, so geschieht das aus cinem rein praktishen Grunde. Wir können uns der Tatsache nicht ver- shließen, daß es doch in Deutschländ eine ganze Menge von Emi- granten aus Nußland gibt, die in keiner Weise von der gegen- wärtigen Vertretung Rußlands in Berlin einen Paß ausgestellt be- fommen. Wir müssen aber dafür sorgen, daß in der ordentlichen Ausführung ihrer rechtmäßigen Geschäfte diese Leute Personal- guaoeise bekommen. Zu diesem Zwede is tatsählich hier eine Einrichtung getroffen, durch die auch die Emigranten Ausweise erhalten Ttönnen. Von dieser notwendigen Ein- richtung fönnen wir so lange nicht abgehen, als die Verhältnisse in Rußland nicht eine größere Klärung erfahren.

Ferner hat der Herr Abg. Nosenfeld darauf hingewiesen, daß unter Zustimmung der deutschen Negierung in Deutschland ein oder mehrere Werbebureaus für gegenrevolutionäre Truppen errihtet worden sein sollen. Ich kann nur erklären: {ald das Auswärtige Amt erfährt, daß Werbebureaus auf deutschem Paten eingerihtet werden in irgendeiner Form, die geeignet ift, in lie friegerishen Verhältnisse im Osten einzugreifen, geschieht alles, ¡m dies sofort zu unterdrüden. Jh habe, soweit mir derartiges irgendwie zu Ohren gekommen ist, stets zugefaßt, denn es widerfpriht den völkerrechtlihen Verpflichtungen Deutschlands auf Grund seiner Neutralität.

Ferner hat der Herr Abg. Haas zum Teil hat es auch schon der Herr Abg. Rosenfeld getan die Frage angeshnitten über das Recht und die Gerichtsbarkeit, die gegen die Internierten bier in Deutschland anzuwenden ist. Das ist au eine völkerrehtlihe Frage, für deren Erledigung das Auswärtige Amt mit verantwortlich ist. Éanz zweifellos, meine Damen und Herren, gilt für die Jnternierten auf deutshem Boden nur deutsches Recht und deutshes Gericht; daran ist meiner Ansicht nach gar nicht

Lager neben der deutschen Gerichtsbarkeit und dem deutshen Recht au eine Lagerordnung einführt und Disziplinarbefugnisse einräumt, die unter Umständen niht von deutscher Seite ausgcübt werden, sondern von Lagerordnern, die sih die Nussen selbst geben oder die den Nussen mit Zustimmung der Lagerkommandanten gegeben werden. In dieser Hinsicht bin ih eiwas anderer Meinung wie der Herr Abg. Haas, dessen Ausführungen ih fonst vollständig unterschreiben kann. Die Disziplin im Lager der Jnternierten kann meiner Ansicht nach nicht aussch{ließlich von deutshen Kräften aufrechterhalten werden. Wir haben einen Vorgang in unserer eigenen Geschichte. Meine Damen und Herren, während des Weltkrieges sind wiederholt Besazungen veuiter Kriegsschiffe auf neutralem Bodea interniert worden, und die deutsche Regierung hat immer wieder diejenigen MNegieruugen, bei dern sie interniert waren, darum angegangen, daß* sie einen Fort- bind der unteren Verbände und eine Disziplinarbefugnis der xvrünglichen militärishen Vorgeseßten in diesen unteren Verbänden alossen sollten. Bedenken Sie doch, daß in den kleinen tägüchen linordnungen, die da vorkommen können, ein Fremder, der die Art, die Sprache, die Gewohnheiten und das Reglement der Truppe nicht kennt, unmöglih so rasch und wirksam eingreifen kann wie die- jenigen unteren Vorgeseßzten, an die die Leute gewöhnt sind. Nach der Richtung möchte ih also annehmen, daß es beim alten wird bleiben müssen.

Der Herr Abgeordnete Haas hat weiter darauf hingewiesen, daß ¿s nicht richtig érsheint, aus Anlaß dieser Interpellation mit so scharfen Worten über den Vettreter der russishen Sowjetregièrung herzuzichen, der in Deutschland zur Be- handlung der Kriegsgefangenenfrage ausdrüdlih zugelassen und auc als solcher anerkannt ist. Auch in der Beziehung kann ih nur unter- \{reiben, was der Herr Abgéordnete Haas gesagt hat. Zeigen Sie doch dem Auswärtigen Amt die Beweise für die Tatsachen, die Sie hier imner als ganz selbstverständlih behaupten, wie sie auch in einem Teile der deutschen Presse immer als Selbst- verständlichkêit behauptet wotden sind. Jh habe ein einziges Mal éine positive Tatsache zugetragen bekommen über eine angebli.b agitatorische Versammlung des Herrn Vigdor Kopp. Der Sache 1st nachgegangen worden. Es hat sich gezeigt, daß die ganze Geschichte er- funden war. Also geht das niht. Wenn man vorgehen soll, muß man ganz positive und ins einzelne gehende Beweise haben. Sonst ist ein Vorgehen deêëwegen so gefährlih, weil, wie der Hert Abgeordnete Haas ganz mit Recht sagt, das zurückfällt auf die Behandlung, die unsex entsprechender Vertreter in Moskau, Herr Hilger, zu er- warten hat. /

Zum Sébluß, meine Damen und Herren, hat mih der Herr Ab- geordnete Nosenfeld darüber interpelliert, was ich über die Folgen ter Intérpellation denke. Nun, in mancher Beziehung können oie Folgen ungünstige sein, wenn nämlich äus dieser Interpellation, weil sie gerade von seiten der Deutschnationalen Volkspartei aus- gegangen ist, gefölgert werden sollte, daß die Maßnahmen, tie oie Rogierung getroffen hat, nämlich die Uebetleitung vom Reichs- finanzministetium zum Reichswehrministerium, nichts weiter wäre als eine Anerkdnnung alles dessen, was von deutschnationaler Seite zur Begründung der Interpellation angeführt worden ist. Das ist aber feineêwegs der Fall. Die Beschlußnahme des Kabinetts und der Neichöregierung datiert von einem früheren Zeit- punkt; es ist hon geraume Zeit her, daß sie sih zu einer genauen Untersuchung der Lagerangelegenheit entschlossen hat, und ih betonz, ës ist absolut nicht die Absicht bei dieser Uebetleitung, etwas daran zu ändern, daß die internierten Truppen, die als Bestandteile der Sowjetarmee herüberkamen, na wie vor als Bestandteile der Sowijet- armee zu behandeln sind. Von einer Gegenagitation von deutscher Seite gegen ihren Bolschewismus kann keine Rede sein, während wir andererseits diese ganzè Umänderung gerade deêwegen eintreten lassen, damit von einer Agitation in bolschewistishem Sinne in die Lager binein und aus den Lagern heraus au feine Rede mehr sein darf.

nieluc Damen und Heren, die Folgen der Agitation wür- den außerordentlich schwer das Verhältnis zwischen Deuts6wland und Rußland belasten, das für die Zukunft günstig zu bewahren eine unbedingte Aufgabe der deutshen Negierung ist.

Jh würde auf diese Frage noch weiter cingehen, meine Damen und Herren, wenn 1ch nicht annähme, daß das große russische Problem erst angeschaitten und behandest werden soll bei der Beantwortung der Interpellation Aderhold und Genossen über den deuts{-russi\ hen Handelsverkehr. Deswegen beschränke ich mich heute auf die Ant- worten, die ih eben gegeben babe.

Staatssekretär Gr esi ns fk i beridtigt zunä einige Datums- angaben aus seinen früheren Miiteilungen über die von der Regie:ung erlassenen Verordnungen. Zum Zustandekommen beider Verordnungen sind recht eingehende Verhandlungen nötig ge- wesen, au mit dem Auswärtigen Amt. Der Kommandant des Lagers von Salzwedel ist mcht entlassen worden, weil er ih direkt mit dem Abg. Henning in Verbindung geseßt hat, ondern weil er es ablehnte, den Weisungen der YteihSregiecung in ezug auf die Eingruppierung der Angestellten und des Bewachungs- personals nah den Grundsaßen des abgeschlossenen Tarifvertraçes nadgukommen. Bei der Rüclbeförde:ung des Generals Geyer ist ganz Dam ia verfabren. Das Revoluticnstribunal ist ereits aufgelöst und angeblich eine Untersuchungskommission an die Stelle getreten. Ueber das leßtere ist aber noch feine genaue Nachricht da. Es ist behauptet, daß eine Anzahl Bittgesuhe von alen Offizieren und Mannschaften an das reésabwidlungéamt gekommen sei, daß sie in besonderen Lagern untergebraht werden wollten. Diese Gesucve sollen zur Kenntnis des Herrn Wigdor Kopp gekommen fein. Vielleicht liegt da eine Perjonenverwe}elung vor mit dem Herrn Vikior Kopp im Heeresabwiklungsamt. (Abg. He nning : Nein.) Die Verseßung von vier Offizieren aus Hame nah Salzwedel erfolgte im Einvernehmen mit dem Lagerdireftor, sie wurde an auf Grund eines von den Offizieren eingegangenen Gesuches. Durch Zeugen ist bewiesen, daß Eyduk in seinen Reden in keiner Weise zur Verbindung mit den deutshen Kommunisten und zur Weltrevolution aufgefordert hat. (Abg. Henning: Evduk hat persónlih große Veisammlungen abgehalten.) Die Angriffe auf Schlesinger sind vollständig unzutreffend, Nach Berlin sind allerdings zwei Offiziere aus Hameln beurlaubt worden, und sie seien biez, im Reichêtag geschen worden, aber sie baben sich vor]cbtifl nig noch nit gemeldet. Herrn Sclesinger werden VorwürsE gemacht für Dinge, die gar nicht zu ues Zus ftändigteit gehören. Die eigenen Verbände der Noten Armee be- teben in dem Interniertenlager nit mehr, sie sind shon beim Ab- transport zerschlagen worden, nur die Reste der Verbände sind noch vorbanden, und darin liegt keine große Gefahr. Die Verbindung der Nussen mit den deutscben Kommunisten wird nit auf die leite Schulter genommen, und es wird dieser Verbindung vorgebeugt. Die Disziplina:gewalt liegt in den Händen der Lage:kommandanten, und es besteht fein ‘H:ndernis, daß sie auêgcübt wird. __ Abg. Koenen (Komm.): Billigen die Rechtssoztalisten die Haltung des Finanzministers gegen ihren eigenen Staats- sekretär Grzesinéki? Die Reickswehr hat die russishen Ver- bände bei ihem Abtranspert bereits jer[Clagen und dadur eine Desorganisation hervorgerufen. Die Reichswehr hat auch zuerst den Unte:schied zwishen der Noten und Weißen Armee gemacht und den Ententevertiretern Zutritt zu dem Lager in Arcys gestattet; sie ist auch s{uld daran, daß {on auf dem Seetransport soilen Pillau und Swinemünde Mißhandlnungen vorgekommen ind. Herr Severing habe für die Ausweisung des Deutsch-Oester- reicbers Dr. Stern gesorat, das sei auch ein Erfolg der Spibel- wirtschaft. Aber die Gegenaktion S sofort dur den General|treif in Halle unternommen worden. n dieser Weise grabe sich die NReakiion felbst ibr Grab. (Beifall bei den Kommunisten.)

Die Rechtsunabhängigen Sozialisten be- antragen folgendes Mißtrauensvotum:

In Ernägung der Ausführungen des MNeichsfinanz- ministers gegen den Staatssekretär rzesinsfi, in Erwägung, daß die Negierung es unterlassen hat, die Nechte der Jnternierten gegen die wcißgardistishe Propaganda zu s{üten, in j geplanten Unterstellung der JInternierien unter das MNeichswehr- ministerium eêrflärt der Meichstan: Die Bebandlung der Jnter- pellation durch diè Vegierung entspricht den Anschauungen des Neichs- tags nicht. :

Vizepräsident Dr. Bell bält diesen Antrag geshäftsordnungs- inäßig nit für zulässig, da er eine spezielle Motivierung enthalte.

Die Abgg. Dr. Levi (Komm.), Dr. Schulß e Bromberg (D. Nat.), Lédebour (U. Soz.) und H o ch (Soz.) halten den An- trag für zulässia, während Abg. Walditein (Dem.) sich dem Prä- sidenten anschlickt. ) f

Aba. Philipp (D. Nat.): Die Linke bat die Rechte heftig per- ns angegriffen, um das eigene Gewissen zum Schweigen zu ringen. Wir sind von den Erklärungen der Regierung nici be- friedigt. Dér Finanzminister hat nur eine ausweichende Antwort gegeben, wir billigen ihm allerdings wegen der Ressortschwierigkeiten mildernde Umstände zu. Die „Deutsche Tageszeitung“ hat nicht diè Worte von dér fkläaliben Haltung der Regierung geschrieben, wie Abgeordneter Rosenfeld behauptet hat. Jn der Aufrechterhaltung der Disziplin in den Interniertenlaggzn ist die Regierung nicht auf dem Posten gewesen. Das Bestehen der Revolutionêtribunale ist Beweis genug für die mangelnde Wachsamkeit der deutschen Neaierung. Das Auftreten des Staatssekretärs Grzesinskfi war provokatorish. Par- (laméntarisch war es auch nit, daß der Finanzminister die Inter- pellation einer großen Partei als Lavpalie bezeichnet hat. Der Finanz- minister hat nicht ausreidende Informationen gehabt. Für das M ißtrauensvotum können wir wegen der Begründung nit stimmen, denn sie verwirft aerade das, wa8suns an der Haltung der Negierun noch am besten aefallen hat. Unsere Anariffe richteten sich nit aeaen den Minister, sondern ae-en den Staatssekretär. Der Staatssekretär tneinte, wir bätten unser Material vorher der Neaierung aeben sollen, aber dann wäre ja unsere Interpellation überflüssig gerresen. (Aha! sinks.) Nebvner widerspricht den eintesnen Ausführungen des Staats-

Majors Steioer bedürfe noch der Aufklärung. Die kommunistische Aaitation in Deuts#land sei eine arcke Gefahr, die Kommunisten sähen \hon die neue Morgenröôte berauffommen, Es sei kein Wunder, wenn die Entente mit uns machen zu können alaube, was sie wolle, wenn sie sebe, wie wir uns {on Sorwietrußland füaten. Vie po- litishe Gefunduna unseres Volkes könne nicht aus der Aufvfrovfung des bolschewistishen Reiches, sondern nur von innen beraus kommen. Deshalb müßten wir den bolsHewistishen Bazillus vernichten, er entsprede nit dem deutschen Charakter, (Widersvruh links.) Die Povolutien sei nod nit zu Ende, die Deufschnationalen bätton als konservative Vortei die Aufgabe, die E-twicklung in gesunde Bahnen zu le-fon (Beif-ll rets Lachen links.) / Präsident Löbe ruft den Aboeordneten Dr. Mbilivv zur Ordnung, eal e den Bus gebracht habe, der Staatssekretär habe ih bier „KinoepfseneTt". : : g Neichäfinanuminister Dr. Wirth erwidert, deß er nit die Ftnternellation, sondern nur eine Einzelheit in der Bearünduna als Lavnalie bezeichnet hahe. Gegenüber der Volemik in der Reebts- vresfs stellt dor Ministor fest, daß Herr Sblesinaer mit der kom- ginnen Porte! nis fun habe s der. SagiMekeetär Brtofinsfi fein Fide foi, Er hake inwisden au oAara einen, df der Staa!sfefkretär Grzesinäki nit die Deufsche Volks- varte! alf feine MenierunoWartei, sondorn die Deutsbnatianaklen an- aeariffon b-be. Œr habe also feinen Anla. seinen voraestriaen for- malen Narbehalt bei der Rede des Staatssekretärs materiell aufrecht zu erb+lten. : ; Mit oinigen weiteren Bemerkinaen der Abag. Henning und Dr. Loni und des Reichsfinanzministers Dr, Wirth

liett die Besyreeiuna. i G E Das Hans erklärt in diesem einen Falle ein motini-rtos

kann unter feinen Umständen mehr zugelassen werden; dean,

-

Mißtrauensvotum für zulässig, behält jedoch die grundsäßliche

Erwägung der .

\efretärs und des Abaeordneten Stüklen: die Anoelegenheit des

rüfung der Frage, ob bei einem Mißtrauensvotum eine tivierung zulässig sci, dem Geschäftsordnungsausschuß vor.

Das Mißtrauensvotum wird darauf gegen die Stimmen der Unabhängigen Sozialisten und Kommunisten mit großer Mehrheit abgelehnt. A Nunmehr begründet Abg. Ney ses (Zentr.) die Inter- pellation der Abgg. Trimborn (Zentr.) und Gen., die si auf Pressenahrichten über abfällige Aeußerungen des Direktors der Reichsgetreidestelle von Falken- hayn über die Rbheinländer bezieht. Er soll da- nach in einer amtlichen Besprechung am 29. Oktober im Ober- präsidium zu Coblenz von „hochverräterischen Besprechungen sprohen haben, indem er auf die rheinisben Vertreter indeuteie, und {on im Mai soll von Falten den rheiniscen evisoren gegenüber geäußert haben: „Die Rbeinländer sind alle Franzosen, aus diesem Grunde müssen die Revisionen um so schârfer einseßen. damit diese Franzosenbrut mürbe gemadt wird. Redner erkiärt demgeaenüber: „Wir sind keine Verräter, wir Nheinländer sind gute Deutsche.“ (Beifall im Zentrum.) A E

Fur Beantwortung der Interpellation führt der Reichsminister r Srnährung und Landwirts{aft Dr. Hermes aus: Von der ireffenden Stßung und ihrem Verlauf habe er erst durch die he erfahren. Herr von Falkenhayn habe bestimmt bestriiten, ole Aeußerungen gemacht zu haben. Bei der Vernehmung von 15 Teils nehmern an der Sißung sei feine restlose Klärung des Sachverhalts erzielt, die Aussagen ständen auch, soweit sie nicht günstig waren, für von Falkenhayn, nicht nur in Nebendingen, sondern erade in der Haupisache miteinander in Widerspruh. An der evisoren» versammlung r laut Aussage der Beamten der Reichsgetre1de- stelle von Falkenhayn gar nici teilgenommen haben. Der BViinister geht einzelne Aussagen dur und bemerkt: Die Vertreter der Bauern wollten tatsählih etwas von „Hochverrat“ gehort haben, die Ver- treter der Bäcker und Müller faßten es nit so auf. Als widerlegt fann die Behauptung gelten, daß von Falkenhayn von O und Franzosenbrut“ gesproden und den Vertretern inSge amt den Vorwurf hocverräterisher Bestrebungen gemacht hat. Das Wort selbst aber bat er gebraubt und damit Anlaß zur Beunruhigung in anz Rheinland gegeben. von Falkenhayn ift kein Beamter des Reichs, sondern auf Privatdienstvertrag angestellt. Ich habe feinen N Mean tros, e aus Ee M perwarnen und ihn fünftig im Rheinland nicht mehr zu verwenden.

A Antrag Trimborn (Zentr.) findet Besprehung der Interpellation statt.

Abg. Sollmann (Soz.): Warum hat der Minister nicht ein Wort der Mißbilligung für die rheinischen Landwirte und Vêüller gefunden, die sich über die Vieicbsgetreideordnung hinweggeseßt baben? Das war doch erst die Veranlassung für die ungeschidten Worte Falkenhayns. /

Abg. Oertel (D. V.) verwahrt die Rheinländer gegen jeden

erdaht hochverräterisher Handlungen. Die Sühne scheint uns nicht ausreichend.

Abg. Neuha u s-Düsscldorf (D. Nat.): Wir bedauern das offen- bar scharfe Auftreten Falkenhayns. Wir wollen Preußen bleiben.

Abg. Frau Agnes (U. Soz.) führt aus, nur die Sozialisierung der Landwirtschaft könne Abhilfe schaffen. Leider habe man die Kontrolleure niht aus Arbeiterkreisen genommen. Die Behörden sollten nit vor sabotiereñden Bauern und Muüllern zurückicredten.

Abg. Deermann (Barer. V.) weist die gegen die Bauern er- hobenen Vvrwürfe zurück. Wan sollte doch nicht in dieser Zeit der Not Mißtrauen säen und damit dem Ausland ein böses Bild aeigen.

Abg. K ül z (Dem.): Die Errgeung der Rheinländer sei begreif- li, aber durch die Crflärungen des Wiinisters sei die Sache erledigt. Redner nimmt die Müller gegen die von der Linken erhobenen Bor- würfe in Schuß. E :

Abg. Lauscher (Zentr.) weist darguf hin, daß si im NRhein- land die Ablieferungsverhältnisse gebessect hätten, seit man das „Trierer System“ allgemein eingeführt habe. Persönlichkeiten wie v. Falkenhayn sollte man vom Ytheinlande fernhalten.

Damit ist die Jnterpellation erledigt.

Nach elfstündiger Sitzung wird nunmehr Vertagung beshlessen. i :

Nächste Sißung Sonnabend 9 Uhr (Geseßentwurf über Verordnungsrecht der Regierung, Antrag zum Neichs- notopfer, Antrag über Aufhebung des bayerischen Nusnahme- zustandes usw.).

Sluß nah 10 Uhr.

Breußische Landesversammlung. 200. Sißung vom 17. Dezember 1920, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *).)

Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragt Abge- ordneter Kilian (Neutfommunist), einen Protestantrag gégen die Ausweisung des Redakteurs Dr. Vittor Stern auf die Tagesordnung zu seten.

Abg. Ri ppel (D. Nat.): Jh widerspree dem Antrag Kilian.

Präsident Leinert: Nach der Geschäftsordnung genügt der Widerspruch éines einzigen Abgeordneten, um den Antrag abzulehnen.

Abg. Dr. Cohn (U. Soz.): Der Präsident hatte fehlerhaftet- weise {qn mit der Abstimmung begonnen, Der Widerspruch des Abg. Nippel kam also zu spät. Wenn dér Präsident jeßt diejem por 9) iu sih fügt, s0 wird wioder einmal der Wille des Haujes gefälicht.

Präsident Leinert: Jh muß diese Bemérkung zurückweisen. Der Präsident kann sih natürlich auch einmal irren, und ich habe meinen Irrtum sofort korrigiert. Die Angelegenheit ist erledigt.

Es folgen fleine Anfragen.

Auf éine vom Jun d. J. datierte Zentrumsanfrage nach dèm Erlaß der Prüfungsordnung für Staatswissen- Ns tèn wird geantivortôt, daß die Regierung einen Termin für as Erscheinen diejer Prüfungsordnung noch nicht angeben fönne.

Dem Abg. Lukassowih (D. Nat.) wird auf seine Anfrage erwidert, daß Vorschußzahlungen auf die nèuen Bezüge der Rubhestandsbeamten niht mehr in Frage kommen.

Auf Anfragen dér Abgg. Dr. Str uv e (D. Dem.) und J vet sen antwortet der Staatssekretär G ö h r e: Anregungen einer Angliederutig von Teilen der Provinz Shleswig-Holstein an Hamburg zum Zwede der Bildung eines großhamburgischen Staaies sind wohl früher von hamburgischer Seite der ceufat en Staatsregierung geäußert, in neuester Zeit jedoch amtlih nicht wiederholt worden. Sollte es erneut zu Verhandlungen hiérüber kommen, wozu von preußischèr Seite keinesfalls die Jnitiative ergriffen werden wird, so wird die Staatsregierung sich den Schuß der Provinz Schleswig- Peihein, die hon durch den Versailler Vertrag eine so schmerzliche

ertleinerung erfahren hat, in besonderem Maße angelegen sein lassen und die berechtigten Interessen der Provin tue wahren wissen, Die Staatsregierung ist sih der gtoßen e- deutung, die die Erhaltung der wirtshaftlihen Kraft des Hamburzer Hafens für das ganze Reich hat, voll bewußt, sie ist aber der Ansicht, daß es zur Erreichung dieses Zweckes nicht nötig ist, der Provinz Schleswig-Holstein und den beteiligten preußishen Staatsbürgern wider thrèn Willen Opfer zuzumuten, ierauf wendet sih das Haus zur zweiten und dritten Beratung des Entwurfs éêines Beamtendienst-

einkommengesehes.

aer

*) Mit Ausnahme der Neden der Herrèn Minister, die im Wortlaute wiedergegeben werden,