1920 / 289 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Dec 1920 18:00:01 GMT) scan diff

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Hierbei ist nun aber zu beahten, daß der Steuersaß deshalb so Hoh gewählt werden mußte, weil nicht der- gegenwärtige Wert des Grundbesitzes zugrundegelegt werden kann, sondern der Wert zu- gruadegelegt wird, der im Winter 1916/17 für die Steuerjahre 1917/19 veranlagt worden ist. Die beträhtlihe Wertsteigerung des Grundbesîhes in den leßten Jahren wird also nicht berücksichtigl. Würde man die jeßigen Werte der Veranlagung zugrundelegen, was bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit niht möglich ist, so würde es möglich sein, die Steuersäße sehr viel niedriger zu bemessen. Die Folge ist nun leider die, daß die Steuer sehr viel höher aus- sicht als sie in Wirklichkeit ist. (Zurufe bei der Deutschen Volks- partei: Na, na! Sehr ungerecht wirkt!) Die Ungerechtigkeit, die darin gegenwärtig liegen kann, wird später durch das endgültige Geseß auszuräumen sein, und ih hoffe, daß der neue Landtag dieses endgültige Gesez so schnell verabschieden wird, daß es mögli ist, die neuen Einschäßungen recht bald zugrundezulegen.

Der Gesetzentwurf hat nun, seit er dem Hause vorliegt und dadurch au der breiten Oeffentlichkeit bebanntgeworden ist, nament- lih in der Presse, aber auch in Versammlungen und bei sonstigen Gelegenheiten, wo die öffentlihe Meinung zur Geltung kommt, eine Auslegung und Kritik erfahren, gegen die ih doch lebhaften Wider- spruch erheben muß. Es ist versuht worden, die Steuer in so über- triebener Weise darzustellen, daß es allerdings begreiflich wäre, wenn daraufhin einzelne Grundbesißer in der Tat glauben würden, daß es sich hier um eine Bedrohung ihrer ganzen Existenz handele. Davon kann aber gar nicht die Rede sein. (Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) Jh will einige Fälle anführen,

Die „Deutsche Zeitung“ schreibt am 1. Dezember 1920 in ihrem Handelsteil, daß der preußishe Finanzminister bei diesem Geseßz- entwurf die Absicht habe, den Grundbesiß abzuwürgen, und als unmittelbare Folge würde sih der wirtshaftliße Zusammenbruch er- geben. (Hört, hört! und Lachen links.) Der neue Gesetzentwurf erscheine vortrefflih geeignet, diesen Zusammenbruch zu beschleunigen. Meine Herren, ih kann es nur sehr bedauern, daß ein Blatt, wie die „Deutsche Zeitung“, die sich sonst so gern ihrer nationalen Tendenzen zu rühmen pflegt, in dieser Weise mit so billigen Schlag- worten eine so leihtfertige, zur Jrreführung geeignete Kritik an diesem Geseßentwurf übt, und so zweifellos dazu beiträgt, die Vater- landsfreudigkeit weiter Kreise zu beeinträchtigen, wozu die Be- stimmungen des Geseßes auch nicht den leisesten Anlaß bieten. Jch will Jhnen einige Uebertreibungen im einzelnen vorführen und sie zugleih widerlegen.

Die „Post“ behauptet in ihrer Ausgabe 579 vom 12. November 1920, durh das neue Geseß würde ein Morgen landwirtschaftlihes Land mit einer Steuer von 120 bis 140 Mark beschwert werden, und diese Belastung würde naturgemäß auf die Preise der Lebens- mittel abgebürdet werden.

Die Kölnishe Volkszeitung schreibt am 9. November, die Steuer werde am Rhein 150 4 pro Morgen betragen, und sie rechne eine fieuerliche Belastung von 22 % des Bruttoertrages heraus; die Kar- toffeln, die jeßt 25 M ktosteten, würden infolge der neuen Grund- sfcuern auf etwa 28 M im Preise steigen. Die Germania schreibt in Nr. 502 vom 14. November: „Der landwirtschaftlihe Grundbesiß wird danach mit einer steuerlihen Aufwendung von 120 # pro Mcergen rechnen müssen.“

Diese Zahlen, die eine auffällige Uebereinstimmung aufweisen, sind erfreuliherweise vollkommen falsch. Meine Damen und Herren, wenn der Steuerbetrag von 150 4 für einen Morgen richtig näre, so wüßte, da der Steuersaß 2 % beträgt, der Morgen Land einen Wert von 7500 4, der Hektar Land also von 30000 4 haben. (Zurufe rechts, Gegenrufe bei den Sozialdemokraten.) Es mag ja sein, daß bei Landverkäufen, die jeßt getätigt werden, solhe Preise erzielt werden. Das spricht ja für die Notwendigkeit, den Grund und Boten zu besteuern. Aber es ist doch zu berüksihtigen, daß die Srundsteuer, wie ih hon hervorgehoben habe, niht nah dem Jektt- werte erhoben werden soll, sondern nah den Werten, die der Er- gänzungssteuerveranlagung für die Jahre 1917/19 zugrunde gelegt worden sind. Für diese Veranlagung sind im besonderen diejenigen Kaufpreise maßgebend gewesen, die in den Jahren 1910/12 und 1913/15 erzielt worden sind. Sie finden sich in dem Statistischen Jahrbuch für den Preußishen Staat im 15. Jahrgang Seite 62 bis 73. Jh würde die Herren Interessenten bitten, sich besonders dicse Zahlen anzusehen. Daraus ergibt sih, daß im Durtschnitt des Elaates für Landgüter mit Gebäuden und Inventar in der Zeit von 1910 bis 1912 für einen Hektar 1525 M und 1913/15 1795 M ge- zahlt worden sind. Jch bitte, 1525 bzw. 1795 M zu vergleichen mit den vorhin errechneten 30 000 pro Hektar, von denen durch Zurufe bestätigt worden ist, daß solhe Preise gegenwärtig gezahlt werden. Zieht man nun von diesen zuleßt genannten niedrigeren Zahlen noch den Wert des Inventars ab, welches ja nicht grundsteuerpfl1chtig ist, so erhâst man einen Dur(hschnittswert von noch ni®t 1600 4 für eizen Hektar oder von 400 Æ für einen Morgen. Hieraus ergibt sich dann eine Grundsteuer von 8 4 für den Morgen und nicht, wie in den erwähnten Presseartikeln angegeben war, von 120-bis 150 4. Sie schen also, die Uebertreibungen, die die erwähnten Zeitungen ch geleistet haben, sind außergewöhnlich.

: Meine Herren, ih darf Jhnen einige tatsächlihe Zahlen geben. Ic möchte nicht allzuviele geben; aber ih darf kurz erwähnen (Zurufe rets) -— ja, ih will Ihnen die Zahlen für Sandböden geben —: Eine Zusammenstellung von Grundstücken ohne besondere Auswahl, die hier im Negierungsbezirk Potsdam vorgenommen worden ist, hat für 10 leine Bauerngüter im Durchschnitt für einen Morgen nah dieser Steuer eine Belastung ergeben von 6,40 4, für 10 große Bauerngüter im Durchschnitt für einen Morgen 6,96 4, für 8 Nitter- güter im Durchschnitt für einen Morgen 5,24 4. (Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.) Jch bitte wiederholt, meine Herren, diese Zahlen au vergleihen mit den 120, 140, 150 4 pro Morgen, die in der Kölnischen Volkszeitung, in der Germania und in der Post be- hauptet worden sind. Damit glaube ich genügend dargetan zu haben, daß eine fo hohe Belastung des landwirtschaftlihen Grundbesikes wie sie befürchtet worden ist, bei weitem nicht zu erwarten steht, i Aber auch für den städtischen Grundbesiz sind durchaus irrige Be- heuptungen aufgestellt worden. So ist in einigen Zeitungen be- hauptet worden, daß die Mieten infolge der Grundsteuer sehr steigen würden, so schreibt z. B. die Deutsche Zeitung am 21, November d. J,: Die Grundsteuer dürfte einen Aufschlag von 20 bis 30 % zu

der gegenwärtigen Miete zur Folge haben, Tos ist weit übertrieben, Jh darf das dur folgendes Beispiel beweisen. Ein Berliner Mietshaus mit einem Bruttomietertraa von 19 488 41 hatte im Jahre 1914 nah der sogenannten Üebershuß-

berechnung einen gemeinen Wert von 262 300 #. Die Bruttomiete betrug alsv 7,4 % des gemeinen Wertes. Die Bruttomiete des Hauses beträgt jeßt 30 % mehr, also 19 488 + 5846 25 334 4. Hierzu käme in Zukunft 2623 4 Grundsteuer; das heißt, wenn nun, . was wir nit heffen wollen, der gesamte Betrag dieser Steuer auf die Mieter abgenälzt würde, so würde das- eine Mietserhöhung von rund 10 % gegenüber der jeßigen Miete bedeuten. Hiernah würde alse eine fleine Wohnung im Berliner Norden von vielleicht 2 Zimmern und Küche, die gegenwärtig einen Mietswert ven 500 4 hat, mit einem Aufs{lag von 10 %, also von 50 Æ pro Jahr, zu rechnen haben. Das sind rund 4 4 im Monat mehr. Das würde eine Steigerung sein, die für manchen höchst unerfreulich sein mag, die aber do verhältniémäßig klein ist im Verhältnis zu den Preis- stcigerungen, die sich auf allen übrigen Gebieten der Lebenshaltung vollzogen haben.

Das Berliner Tageblatt hatte am 15. November geschrieben: die Grundsteuer solle 10 vom 1000 und bei kleinen Ansiedlungen 5 vom 1000 des gemeinen Wertes betragen. Aber gleichzeitig wird erklärt, daß zu dieser Steuer noch ein Zuschlag von 100 % erhoben werden soll; das mat für die Mietshöuser 2 % und für die kleinen Sied- sungen 1% des Wertes. Diese Ausführungen sind ebenfalls irrig. Denn mit dem halben Steuersaß werden nit nur die kleinen An- siedlungen herangezogen, sondern auch der Mietshausbesiz mit sehr bershwindend geringen Ausnahmen, nämli derjenigen Häuser, in denen si ledigliG Luruswohnungen befinden. Die Mietshäuser werden also im ganzen mit 1 % ihres Wertes besteuert werden, und das würde, wie gesagt, nur eine 10 %ige Erhöhung des Mietswertes zur Folge haben.

Damit glaube ih zur Genüge dargetan zu haben, daß die Aeußerungen ia der Presse außerordentlih übertrieben sind, und daß von einer so unerträglich hohen Belastung des Hausbesitzes, wie sie hier behauptet worden war, praftis% gar nit die Rede sein kann.

Ich glaube daher auc, daß es verfehlt is, wenn aus der Auf- nahme dieses Gesebentwurfs Schlüsse gezogen werden in bezug auf die Vaterlandsfreudickeit der grundbesibenden Bevölkerung. Meine Herren, gegenüber der von mir gesdilderten relativ geringe Be- lastung des Grundbesißes glaube ih aussprechen zu können, daß man zu unserer grundbesißenden Bevölkerung das Vertrauen haben darf, daß sie sich durch die Auferlegung einer solben Steuer nit im mindesten und in keiner Lebenslage in ihrer Treue zum deutschen Vaterlande ersGüttern lassen wird.

Leider bin ih genötigt, mich noch mit der Presseäußerung zu be- fassen, die überrashendenwveise erst vor kurzem erfolgt ist. Der frühere Unterstaatssekretär im preußishen Finanzministerium, Herr Dr. Busch, hat sich nämlich im roten „Tag“ vom 8. und 9. Novem-

ber in einem Aufsaß von größerer Länge mit der neuen preußischen

Grundbesißsteuer, wie sie Jhnen in diesem Gesebentwurf vorliegt, beschäftigt. Die Ausführungen des Herrn Dr. Busch stroben einer- seits so sehr von Unrichtigkeiten und enthalten andererseits so be- dauerlihe Ausführungen über die allgemeinen Grundsäße einer ver- antwortuag3vollen Finanzpoliti?, daß ich nicht umhin kann, diesem Aufsaß einige Worte zu widmen.

Zunächst wird von Herrn Dr. Bus die re{tlihe Zulässigkeit der vorgeschlagenen Grundsteuer überhaupi bezweifelt, weil sie eine laufende Vermögenssteuer sei und deshalb dem Reiche aus\{hließlih vorbehalten sei. Zur Widerlegung dieser Auffassung genügt der Hin- weis auf § 8 des Landessteuergeseßes, wo es wörtlich beißt:

Die Länder erheben Steuern vom Grundve-mögen. Die Steuern können nah Me-rkmalen des Wertes veranlagt werden. Jch bitte zu beachten, daß diese Bestimmung des Landessteuergeseßes eine Sollbestimmung ist. Hier wivd direkt gesagt die Länder sollen den Grundbesiß besteüera, sie sollen aus dieser Quelle die Mittel zur Ordnung ihres Haushalts {höpfen, und es wivd dabei gesagt, daß die Länder dabei nah Merkmalen des Wertes die Steuern vevanlagen können.

Bei dem vorliegenden Entwurfe der vorläufigen preußischen Grundsteuer handelt es sich nur um eine solhe Ertragssteuer, ber der der Wert als Verteilungsmaßstab dient. Der Reichsfinanz- minister, zu dessen Anwalt sh hier merkwürdigerweise der frühere berufene Vertreter preußischer Fiaanzinteressen aufwirft, hat - troß der Kenntnis unserer Steuervorlage nicht versucht, die Unzulänglich- keit der preußischen Landesgzundsteuer irgendwie geltend zu machen. Er hat auch keinerlei Ginwendungen erhoben gegen das vor Monaten {on in Kraft getretene neue bessishe Grundsteuergeseß, das auf ähnlicer Grundlage wie der preußische Entwurf beruht.

Ein weiterer- sehr großer Jrrtum ist Herrn Dr. Busch unter- laufen, wenn er von einem steuerpflihtigen Grundvermögen von etwa 40 Milliarden ausgeht, während die Begründung meiner Vorlage pon 120 Milliarden a1:sgeht. Anscheinend handelt es sih dabei um ein Mißverstehen der Ergänzungssteuerstatistik von 1914. Diese Statistik hat anscheinend Herr Dr. Busch herangezogen, dabei aber übersehen, daß darin nur das Vermögen angegeben ist, welches sich auf Zensiten von über 3000 #4 Einkommen bezieht. Nun meine ich, sollte auch ein früherer Staatssekretär im preußischen Fiaanz- ministerium wissen, daß der ganz überwiegende Teil der grund- besißenden Bevölkerung vor 1914 ein Einkommen unter 3000 4 ver- steuert hat. Der ganze Grundbesiß dieser Bevölkerung ist also in der Statistik nicht enthalten.

Außerdem is der Wert des Grundvermögens der ergänzungs- steuerfreien Zensiten mit 10 Milliarden Mark viel zu niedrig ange- geben, da auch alle niht physischen Personen, Gesellschaften usw. er- gänzungssteuerfrei waren, Es gibt nun für die Einshäßung des vor- handenen Wert des preußischen Grundbesißes die verschiedensten Unterlagen. Nach den Zahlen, die Helfferih, Steinmann-Bucher und Ballod 1914 bis 1916 angenommen haben, hat es damals im Deutschen Neich im ganzen gegeben einen Grundbesiß im Werte ‘von 175 Milliarden nah Helfferich, von 200 Milliarden nah Steinmann- Bucher, von 155 Milliarden nah Ballod. Nimmt man hiervon für Preußen drei Fünftel, so e:geben sih im Dur&schnitt 106 Milliarden als Grundwert. Hierin ist allerdings der Wert des Grundvermögens in den abgetretenen Gebieten enthalten. Der Begründung zum Geseßz- entwuf über die vorläufige Grundsteuer ist aber eine völlig neue und ganz selbständig aufgestellte Schäßung des Gruadbesitwertes zu- grundegelegt worden, die sih auf die Veröffentlichungen in dem Statistischen Jahrbuch für den preußischen Staat gründet, Bei dieser Berechnung sind die Flächen abgezogen worden, die im un- günstigsten Falle dem preußischen Staat verloren gehen fönnten. Danach ist eine land- und forstwirischaftilih benußte steuerxflichtige Fläche von 23 Millionen Hektar zugrundegelegt mit einem Hektar- wert von 1795 4, und daraus ergibt sih ein Wert von über 40 Mil-

liarden Mak. Hierzu käme noch der Wert der nit land- und fotst-

wirts{aftlid genußten Gebäude auf dem Lande und der Wert des städtischen Gebäudebesißes, dessen Geböudesteuernußungêwert allein mehr als 2,3 Milliarden beträgt und dem Mietwert einer um 17 Jahre zurüdliegeñden Zeit entspriht. Dazu kommt der Wert der Baupläte, Lagerpläße, Gärtnereien, Halden usw. Nach den im einzelnen vorhandenen Unterlagen glauben wir annehmen zu können, daß die Bewertung des steuerpflihtigen Grundbesißes im verkleinerten Preußen mit 120 Milliarden Maik nicht zu hoch gegriffen ist.

Eine andere vollständig unverständliche Annahme des Herrn Busch ist die, daß die Steuer 40 bis 50 % des B:uttoertrages dez ländlihen Grundbesißes in Anspruch nehmen würde. Wenn das der Fall wäre, wäre es ja unerhört; aber es ist erfreuliherweise cine Ucbertreibung, die um so mehr der Widerlegung bedarf, als si diese Veberireibung auch andere geleistet haben, namentlich verschiedene Haus- und Giuundbesißervereine. Ich darf feststellen, daß die vor- läufige Grundsteuer für die landwirtschaftlihen Grundstücke nah § 2 lediglich nach dem Ertragswert veranlagt wird, der bei der Ver: anlagung zur E1gänzungsösteuer im Jahre 1917 maßgebend gewesen ist. Diese Werte betragen nach dem Statistishen Jahrbuh für den Preußishen Staat nah Abzug des Jnventarwertes im Durchscniit nicht méhr als 400 bis 500 4 pro Morgen. Die Steuer wü:de also pro Morgen nit mehr als 8 bis 10 4 betragen. Daß 40 bis 50 9% des Bruttoerlöses von einem Morgen Land, wie Herr Busch annimmt, nur 10 4 ausmaden sollen, ist vollkommen unverständlid, wenn man sich vor Augen hält, daß der Ernteerlös von einen Morgen Roggen im Jahre 1920 über 600 Æ, bei Hafer über 700 4 bei Weizen über 800 4, bei Kartoffeln über 1400 Æ, bei bis zu 4000 4 betragen hat. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraien) Wie gesagt, daß da der Buuttoerlós nur 10 4 ausgemacht haben sol, ist doch eine Annahme, die s{chlechterdings jeder Grundlage entbehrt,

Un einer anderen Stelle schreibt Herr Bush über die Ab- wälzung der Steuer auf die Lebensmittelpreise folgendes. Er sagt: „Legt man z. B. 114 Milliarden Mark der Steuer auf die dies jährige preußische Getreideernte (Brot- und Futtergetreide), so ergibt sih immerhin eine Steuererhöhung von zirka 8 4 je Zentner.“ Pun ist es zunächst mt recht verständlih, warum die gesamte Steuer nur auf die Getreideernte gelegt weiden sol. Wo bleiben da die Karioffeln, die Nüben, die Gemüse, die Holznußung und alle die übrigen Ertz1ägnisse der Land- und Forstwirtshaft? Sodann ist aber au die Annayme, daß auf den landwizischafrlichen Besiß 1/4 Mis liarden der Steuer entfallen sollen, unrihtig. Tatsächlih würden es nah den Säyen der Steuerordnung einschließlich 100 # Zuschlag weniger als 800 Vöillionen sein. Ferner ist zu berüsichtigen, daß von 100 ba landwirtsdafilihen Bodens in Preußen nur 50,4 % auf eder und Gärten entfallen und von 100 ha Aeifläche nur 63,2 auf den Geireideanbau, so daß also von 100 ha Gesamtfläche nur rund 32 % mit Getreide bestellt sind. Da stellt sich dieser frühere Staais- sekretär im preußishen Finanzministerium hin und verteilt einen übertrieben hoh angenommenen Saß des gesamten Steuerertrages lediglich auf die Getreideerute, womit zur Genüge die Uusachlichfeit Dieser Kutik dargelegt sein würde.

Von der ganzen Steuersumme voa 800 Millionen Mark, die ih Ihnen genaunt habe, wyrden also auf das Getreide uur On 256 Millionen Mark Steuer gelegt werden. Das etwa ein Sechstel“ dessen, was Herr Busch anseßt, und dabei würde im Fall volstandiger Ueberwaizung der Qteuer, wozu bei der Land- wirtschaft nicht der geringste Anlaß vorliegt, die Belastung nicht 8 Viarf auf den Zentuer betragen, fondern hoczjiens-14 bis 1/4 Piark. Da der Zentner gegenwartig ewa 80 Weark kostet, so würde der Aufjchlag doch sehr gering sein, Entsprechend würde der Kartoffelpreis, der jeßt 25 Viark für den) Zentuer beirägt, maximal 22 Pfennig teurer werden. (Hort, hört! bei den Sozialdemokraten.) Das ist zweifellos eine so geringe Belastung, daß man wohl sagen darf: es liegt in diesem Falle fur den landwirtscafilicen Grundbenß mit der geringste Unlaß vor, diese S1euer auf die Konsumenten ihrer Produfie abzuwalzen.

Meine Damen und Herren, Sie werden zugeben müssen, daß & eigenartig ist, daß ein VWéaun, der bis vor kurzem GSiaatssekrett im preußzischen Finanzmimjteruum war, in einer so unsachlichen und unzuläanguhea Weise an einem Steuergeseßentwurf der preußzischen Regierung Kritik übt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten)

Noch bemerkenswerter und noch beklagenswerter erscheint es mir aber, daß ein Viann, der aus seiner dienjtuczen LTatigfeit besser als alle auderen uber die finauzielle Not des Landes und über seine veränderten Sieuermöglic;keuen unterrichtet fein mußte und bon dem mir außerdem berichiet worden ist, daß er vor einem Jahre in amtlicher Eigenschaft die Vtotwendigfeit der staatlichen Bejteuerung des Grundbej1yes entschieden betont hat, (hört, hört! bei den Sogial- demotraien), beute, wo diefer Gedanke verwirklicht werden soll, n einem Augenblick also, wo noch keine Staaisgrundjteuer be1teht, ploßlih die Ansicht vertritt, die Grenzen der steuerlichen Leistuugs- fahigkeit sei bereiis uberjschzritten. (Port, hort! bei den Sogialden10- kTraten.)

Aber das ist noch nit alles. Herr Dr. Busch ist der Meinung, daß man dem Fiunauzelend der Staaten durch Steuern überhaupt nicht beifommen konne. És gibt nur einen Weg aus der Not, [reibt Herr Dr. Busch, der führt über die Abänderung des Friedensvertrages, Er fügt wörtlich hinzu: „Erringen wir diese micht, so ist eine Ytelung nicht gegeben.“ Er folgert daraus, daß es verfehlt sein würde, si überhaupt mit dem Ausbau der Sieuergeseßgebung zu beschäftigen, ja, er bestreitet sogar die Notwendigkeit, den alten Grundsay jeder

geordneten Finanzpolitik, daß ein Parlament auch für die Deckung

der von ihm bewilligten Ausgaben zu sorgen habe, unbedingt angu- wenden. Dieses Bekenntnis eines Mannes, der noch vor wenigen Monaten der erste Finanzbeamte des preußishen Staates war, ist doch schwer zu verstehen. Das läuft prakiish darauf hinaus, die besten Prinzipien einer verantwortungsvollen staatlichen Finanzpolitik über den Haufen zu werfen, auf jede planvolle Tätigkeit zum Wieder- aufbau unseres Staatswesens zu verzichten und alles Heil und alle Rettung von den Diktatoren des Versailler Friedens, von der Gnade der Entente-Staaten zu erwarten.

Meine Damen und Herren, demgegenüber will ich doch mit aller Entschiedenheit betonen, daß ih diese Politik, die ich als eine fata- listische Türkenpolitik bezeichnen möchte, eatschieden ablehne. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Mein ganzes Streben wird dahin gehen, gerade wegen des ungünstigen Friedens und ohne Rücksicht auf die Möglichkeit und die Zeit der hoffentlich kommenden Revision des Vertrages mit aller Kraft an der Erneuerung unseres Staatswesens

zu“ arbeiten und zu diesem Zweck alle noch vorhandenen Geldquellen

feranzuziehen. (Sehr rihtig! und Bravo! bei den Sozialtemokraten.) ! Damit, scheint mir, wird auch dem Revisionsgedanken am besten gedient. Denn es i} zweifellos, daß! die Entente gar niht daran denken wird, uns auch nur die kleinste Milderung der Friedens- lasten zugugestehen, solange der Morgen preußischen Bodens nur mit 32 Pfennig \taatlicherseits zur Grundsteuer veranlagt ist. (Unruhe rechis und Zurufe im Zentrum: Jst ja nit zu glauben! Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Wollten wir jeßt die Hände in den Schoß legen und untätig abwarien, bis sih einmal die Ver- nunft bei- unsern Gegnern Bahn bricht, so würde uns das teuer zu stehen kommen; es würde unseren Haushalt völlig aus dem Gleich- gewicht bringen und den Staaiskredit vollständig erschüttern.

Das zu verhindern, ist die Aufgabe der leitenden Staatsmänner, und aus diesem Grunde müssen wir jeßt unter allen Umständen daran- gehen, die notwendigen Mittel Jur Deckung der Staaisausgaben zu beschaffen. Wenn dabei in erster Linie auf den Grund und Boden zurücfgegriffen wird, so steht das, von allem andern abgesehen, in vollem Einklang mit der historis@en Tatsahe, daß in Zeiten vater- ländisher Not immer in erster Linie der Grundbesiß herangezogen worden ist. Das is auch keine Willkür und keine Ungere(tigkecit; denn ohne Zweifel bildet in Zeiten starker Geldentwertung wie gegen- wärtig der feste Grundbesiß immer den ruhenden Pol, der von der allgemeinen Geldentwertung nit betroffen wird, im Gegenteil, meist ne beträchtliche Wertsteigerung zu verzeihnen hat. (Sehr ritig! sinks) Unser Vaterland befindet sich gegenwärtig in größter Not, und tz ist es angebracht, daß man an diejenigen appelliert, die dur die

Gedentwertung niht nur niht geschädigt worden sind, sondern im Gegnteil davon Vorteil gehabt haben. (Sehr richtig! links.) sentlich der ländlihe Grundbesiß ift infolge der stark gesieigerten Néfrage nah landwirtshaftlihen Erzeugnissen und der dadur be- tingten Steigerung ihrer Preise im Werte sehr erheblih erhöht worden, und wer heute ein Grundstück verkauft, erzielt hierbei in der Regel einen gewaltigen Mehrgewinn gegen früher. Die Zahlen, die hier vorhin von mir mitgeteilt. worden sind, haben das ja schon zur Genüge bewiesen.

Ich bitte sie aber, meine Damen und Herren, \ich folgendes vor Augen zu halten. Wer vor dem Kriege 100 000 Mark in mündel- sicheren Papieren in Preußischen Konsols oder in Neichsanleihe an- gelegt hatte, hat heute mindestens ein Drittel, oft noch mehr von diesem Vermögen eingebüßt; wer aber vor dem Kriege cin ländliches Grundstück im Werte von 100 000 Mark besaß, besißt heute vamit erheblich mehr, zum Teil das Dreifache des früheren Wertes, und er hat einen Wertzuwachs, den er jeden Augenblick realisieren kann. (Zustimmung links. Zurufe rechts.) Jch bitte Sie weiter zu berüdsihtigen, meine Damen und Herren: Die Nente aus dem enlwerteten Besiß von Staatspapieren unterliegt heute bereits der Kapitalertragssteuer. Auch der kleinste Rentner, auch die ärmste Pensionärswitwe muß heute 10 Prozent von ihren Kapitalzinsen an den Reichsfiskus abführen, während auf der anderen Seite die Tat- sache besteht, daß der Ertrag des im Wêrte zum Teil erheblich ge- stiegenen Grundbesitzes bisher vom Staate noch nicht steuerlih er- fet worden ist. (Schr richtig! links.)

Hier, meine Damen und Herren, einzugreifen ist daher neben odècem auch eine Forderung der steuerfichen Gered;tigkeit, die ge- biete, die zur Deckung unerläßlicher Staatiêsausgaben notwendigen dort zu holen, wo noch etwas zu holen ist. (Sehr richtig! \infé) Diese Notwendigkeit zu erfüllen, ist die Aufgabe des bvor-

lizziden Gesegentwurfes, dessen Grundgedanke von keiner Partet

dehnt werden kann, und über dessen Einzelheiten selbstverständlich ki den Verhandlungen im Ausschuß noch zu reden sein wird.

JH möchte von vornherein erklären, daß ich zu jeder Nücfsicht- mhme auf die minderleistungsfähige Bevölkerung, den minder- leistunasfähigen Grundbesiß, insbesondere auf die Kleinsiedler und auf die städtischen Mieter, bereit bin, soweit das mit der Aufbringung des notwendigen Gesamtertrages nur irgend verträglich ist. Jch hoffe, daß si aber an dem Versuch, die Grundsteuer zu einer wirksamen Cinnahmequelle des preußischen Staates zu machen, alle Parteien be- teiligen werden. Ich richte daher den Appell an Sie, meine Herren, sich der außerordentlih ernsten Lage unseres Vaterlandes in dem Augenblick nicht zu versließen, wo Ihnen dieser Gesetzentwurf vor- gelegt wird. Sie alle haben sich an den Ausgaben beteiligt, die in den leßten Monaten von der Landesversammlung bewilligt worden sind, Sie alle haben infolgedessen die moralishe Verpflichtung, mit dazu beizutragen, daß für diese Ausgaben auch die nötigen Deckungs- mittel beschafft werden. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) J brauche nur auf die Beamtenbefoldung hinzuweisen, bei der alle Parteien dafür eingetreten sind, daß Erhöhungen borgenommen werden. Gerade dadurch und dur. andere von mir bereits erwähnte Gesehe sind wir in die großen finanziellen Schwierigkeiten geraten. Diese Schwierigkeiten müssen bekämpft und ihnen E rechizeitig tegegnet werden. Der wäre ein schlechter Hausvalêr, scheint mir, der nur Ausgaben macht, ohne für die Einnahmen zu sorgen. (Sehr rihtig! bei den Sozialdemokraten.)

Ich weiß, daß Sie sich der Bedeutung Ihrer Aufgabe bewußt sind, daß Sie sich alle gleich verantwortlich fühlen, für die Deckung der gemachten Ausgaben zu sorgen. Mag man im einzelnen über den Jhnen vorgelegten Enhwourf denken, wie man will, im Ziele, denke ih, werden Sie mit mir zusammengehen, daß dieser Geseßy- entwurf dazu bestimmt ist, dem preußischen Staat eine Katastrophe auf dem Gebiet des Finanz- und Kreditwesens zu ersparen. Jch appelliere deshalb an Jhr Pflichtgefühl, meine Herren, und bitte dringend, sich bereit zu erklären, diesen Geseßentwurf zu beraten und der preußishen Grundsteuer möglichst bald zur Bewilligung zu ver- helfen, (Bravo!)

Auf Ausführungen mehrerer Mitglieder der Landes- versammlung erwiderte der Finanzminisier Lüdemann:

Von den Vertretern der verschiedenen Parteien sind zu dem vorliegenden Geseßentwurf über eine Grundsteuer im wesent- lihen nur furze Erklärungen abgegeben worden. J folge gern diesem Beispiele und beschränke mich darauf, auch am Schluß nur einige wenige Vemerkungen gu dem zu machen, was hier sahlich vorgebracht ist.

Ich darf zunächst Herrn v. der Osten, der hier Zweifel daran geäußert hat, daß in dem Aufsaß des früheren Staatssekretärs Busch von 40 bis 50 % des Bruttoertrages die Rede gewesen sei, erwidern, daß es sich in der Tat nicht um Netto-, sondern um Brutkoeriräge handelt. Herr Busch shreibt hier wörtlich, daß in diesem Falle der ländliche Grundbesiß eine Steuer mcht tragen

geschrieben find, ist nicht anzunehmen, daß es si hier um ciner Drudsehler handelt. Wenn von Herrn v. der Osten, Herrn Schulte und verschie-

mir vorgetragenen Zahlen und gemeint worden ist, wenn auf der einen Seite die in den von mir erwähnten Zeitungen gitierten Zahlen sehr starî nach oben übertrieben seien, fo seien meine Zahlen wahrscheinlich sehr stark nach unten übertrieben, so muß ih darauf doch erwidern, daß meine Zahlen durchaus überein- stimmen mit den statistishen Ergebnissen, die der breiten Oeffent- lnhéeit vorliegen. Wenn Sie Wert darauf legen, fo kann ih aus dem Statistischen Jahrbuch für den preußischen Staat von 1920 eine ganze Reihe von Zahlen mitteilen. Hier sind die Zahlen für die verschiedenen Regierungsbezirke Preußens zusammengestellt sie beziehen si auf einen Hektar —: Breslau 2419, Liegniß 1869, Oppeln 2131, Magdeburg 2242, Hildesheim 3521, Lüneburg 1341, Stade 1822, Osnabrüdck 1410 usw., im Durchschnitt für den Staat 1795 M. Das sind die durchschnittlihen Kaufpreise der Jahre 1913/15 für einen HSeftar. Davon sind abzurechnen die Beträge für Inventar, die man mit 10 bis 15 % anzunehmen hat, und cs ist dann der sich ergebende Vetrag durch 4 zu teilen. Sie werden zugeben, daß man dann auf die von mir genannte Ziffer von 400 bis 500 # pro Morgen kommt. Damit glaube ich zur Genüge dargetan zu haven, daß meine Zahlen durchaus feine falich gegriffenen Schäßungen darstellen, sondern Zahlen, die durchaus im Einklang mit den statistischen Ermittlungen stehen. Aber selbst wenn eine kleine Uebertreibung nah unten darin ent= halten sein sollte, was nicht der Fall ist, so glaube ich dargetan zu haben, daß dic Zaßlen, die in der „Post“, in der „Germania“ und in der „Kölnischen Volkszeitung“ über die dem Grundbesiß drohende Belastung genannt worden sind, himmelhoch von der Waßÿrheit abweichen. Jch habe mi daher gewundert, daß jemand den Mut gefunden hat, gegenüber dicsen Uebertreibungen bei meinen Zahlen auch nur eine Ueberireibung zu vermuten.

Von Herrn v. der Osten 1st bemängelt worden, daß bei diejem Geseßentwurf in keiner Weise die Leistungsfähigkeit des Grund- besißes berüdsihtigt worden sci. Jch habe darauf zu erwidern, daß dafür keine Viöglichkeit besteht. § 9 des Landessteuergeseßes schreibt vor: Besteuerungsmertmale, die auf die Verüdsfichtigung persönlicher Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen abgzielen, sollen nicht zugrundegelegt werden. Es besteht also leider gar niht die Möglichkeit, im Rahmen eines Grundsteuergeseßes die persönliche Leistungsfähigkeit zu berüdsihtigen, und der Geseß- entwurf ist auch in dieser Bezichung vollkoinmen den gegcbenen Möglichkeiten entsprechend aufgestellt worden.

Ich habe überhaupt zu bedauern, daß von einigen Rednern, namenilich von den Vertretern der Unabhängigen und der Kom- munisten, anscheinend noch zu weng berüdsichtigt worden ist, daß ih mi bei der Vorlegung dieses Gesezentwurfes in mehrfacher Hinsicht in einer Zwangslage befunden habe. Ja, meine Damen und Hecren, wenn wir in Preußen noch die Möglichkeit hätten, die großen Einkommen und die großen Vermögen, die Riesen=- gewinne, die großen Dîvidenden ujw. zu besteuern, seien Sie versichert, ih hätte es sehr eilig damit gehabt, diese Quellen heran=- zuziehen, um damit die Beträge für die Beamtenbesoldung usw. aufzubringen. Aber leider stehen diese Steuerobzjekte uns nicht mehr zur Verfügung; die hat das Reich si vorbehalten. Deshalb ist es wohl vollkommen verfehlt, in dieser Zwangslage, die uns dazu nötigt, im. Rahmen unserer beschränkten Steuerhoheit Steuerquellen zu schaffen, ein von mir vorgelegtes Gejeß darum ablehnen zu wollen, weil die Steuer abgewälzt werden fann.

Der Herr Abgeordnete Heilmann hat mit Recht darauf hin- gewiesen: Abgewälzt werden können im Rahmen der bestehenden Wirtschast8ordnung alle Steuern, und wenn die Unabhängigen fo lange warten wollen, bis sie eine Steuer gefunden haben, die wir machen fönnen, und die nit abgewälzt werden fann, dann sind wir mit unseren Finanzen längst am Ende, dann ist die Kata- strophe da, die dann die politischen Anhänger der Herren Kilian und Leid am allermeisten beklagen werden, weil sie sie am meisten zu spüren bekommen werden.

Meine Damen und Herren, es is andererseits auch ver=- fehlt, wenn einzelne Abgeordnete auf die noch vorhandene Uns gewißheit über das mögliche Ergebnis der Reichssteuern, infonder= heit der Reichseinkommensteuer, hingewiesen haben, und wenn im Anschluß daran der Herr Abgeordnete v. der Osten sogar von einer Steuervorratêwirtschaft gesprochen hat. Jch freue mich, hier aus- nahmsweise mal in vollfommener Uebereinstimmung mit Herrn Dr. Leidig mich zu befinden. Es kommt ja nit oft vorz; des- wegen bedarf es der besonderen Betonung. (Zuruf rechts: Gott sei Dank!) Durchaus auf beiden Seiten! Ich hebe cs deshalb hervor, weil es in der Tat vollfommen verfehlt ist, fih mit solchen utopistishen Hoffnungen über die Notwendigkeit, jeßt Steuern zu schaffen, hinwegtäuschen zu wollen. Freilich wissen wir noch nicht, wieviel die Reichseinkommensteuer endgültig bringen wird; wir wissen auch noch nicht, was die Umsaßsteuer und andere Steuerquellen bringen werden, an denen wir au beteiligt sind. Aber das eine wissen wir bestimmt, daß alleé, was wir im günstigsten Falle bekommen werden, bei weitem nit aus= reichen wird, um den bestehenden Fehlbetrag zu deden.

Deswegen, meine Damen und Herren, bitte ih Sie dringend, darauf zu verzichten, sich mit solchen Hoffnungen über die Echwere und die Bedeutung der gegenwärtigen Situation hinweg- zutäuschen. Sollte sih später ergeben, daß wir ein oder ge pro Mille dieser Steuern nit brauchen sollten ih halte das für ausgeschlossen —, dann ist es leiter, dicje zu beseitigen, als die Gefahr zu übernehmen, die darin liegt, daß heute nichts ge-

schieht, und daß wir dadurch uns mitschuldig machen, wenn eine Finangfatastrophe über den preußischen Staat hereinbrechen sollte. Ich bitte Sie deshalb, alles zu tun und mit dazu beizutragen, daß der preußische Staat möglichst bald zu diejer neuen Steuer- quelle fommt. \

Jch begrüße es, daß sih die Parteien durhweg bereit erflärt haben, den Gesegentwurf einem Ausschuß ¿u überweisen, und hoffe, daß es gelingen wird, bei der Beratung des Ausschusses die noch bestehenden Bedenken und Zweifel zu beseitigen und damit das erstrebte Biel, möglichst bald die Grundsteuer zum Fließen zu bringen, zu verwirklichen.

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tönne, die für fich allein 40 bis 50 % des Bruttoertrages dar=- stelle. Nah dem ganzen Zusammenhang, in dem diese Worte

denen anderen Herren Zweifel geäußert worden sind an den von

200. Sigung vom 17. Dezember 1920. Nachtrag.

Die in Nr. 288 des „R.- u. St.-A.“ (erste Beilage) aus- ugsweise wiedergegebenen Ausführurgen, die bei der ersten Beratung des Gesezentwurfs über Notzuschläge zu den fálágen d Kinderbeihilfen und zu den

Orts zu- chlägen der nichtplanmäßigen Beamten und Volfks- chullehrpersonen der Finanzminister Lüdemann gemacht hat, hatten folgenden Wortlaut:

Meine Damen und Herren! Die Preußische Landesver- sammlung hat soeben sieben Geseßen ihre Zustimmung gegeben, durch die die Vcsoldung der Beamten, Lehrer und Geistlichen auf eine vollfommen neue Grundlage gestelli worden ist. Jh möchte nicht versäumen, nach Abschluß dieses großen, für den preußischen Staat außerordentlih Bbedeutungswollen Geseß= gebung#werïks den Mitgliedern der Lande8versammlung, ins- besoudere aber den Mitgliedern der an der Vorberatung be- teiligien Ausschüsse zu danken für die sehr eifrige, sehr mühevolle und erfraulicherweise in den lcßten Tagen und Wochen sehr be- s{leunigte Dur(hberatung dieser schwierigen Geseße.

Meine Damen und Herren, im Veclauf dieser Beratungen sind die Jhnen vorgelegten Entwürfe in einigen sehr wesentlichen Teilen noch ganz erheblich zugunsten der Beamten verbessert worden. Jh nenne nur, um einige Dinge herau3zugreifen, die Schaffung der vermehrten Aufrückungs- stellen namentlih für die Amtsgehilfen, die verbesserte Eitgrup- pierung für die Kanzleibeamten der Proingialbehörden, ih nenne die Höherstufung der handwerksmäßig vorgebildeten Be= amten, die Besserstelung von Polizei und Landjägerei, die Ver= besserung der Aufstiegsmöglichkeit für fast alle technischen Be- amten, ich nenne vor allem die Verbesserung der Versorgungszu- {läge für die Ruhegehaltsempfänger und nit zuleßt die Gleich- stellung der Altpensionäre mit den Neupensfionären. (Bravo!) Meine Damen und Herren, die Staatsregierung hat, troß mancherlei fehr erhebliher Bedenken namentlich in finangieller Hinsicht, den von den Ausschüssen gefaßten und hier nunmehr bestätigten Beschlüssen ihre Zustimmung gegeben, in Würdigung des Umstandes, daß zweifellos manche Beamte sich nach wie vor in einer sehr bedrängten Lage befinden und daher alles, was irgendwie in den Kräften des Staates steht, getan und aufgeboten verden muß, um ihnen Hilfe und Erleichterung gzuteil werden zu lassen. Es wird auch mein Bemühen sein, die neuen Besol= dungen, die den Beamten nunmehr durch Geseß zugebilligt worden sind, so schnell wie möglih zur Auszahlung zu bringen. (Bvavo!)

53 war ja meine Hoffnung, daß es uns gelingen würde, die Gesehe noch so rehizeiliig fertigzustellen, daß es möglich ge- wesen wäre, die materielle Auswirbung den einzelnen Beamten noch vor demWeihuachtsfeste zukommen zu lassen. Das ift leider niht möglih gewesen. Um aber glei@wohl die Beamten davor zu bewahren, daß sie sich gerade in diefen Festtagen in einer drüdenden materiellen Lage befinden, habe ich angeordnet, daß allen Beamten das Gehalt noch für das nähste Quartal bzw. den Monatsgehalt3empfängern das Januargehalt noch vor Weihnachten ausgezahlt wird. " Meine Herren, Sie werden mit mir übereinstimmen, wenn ich sage: es ist nicht zu verkennen, daß eine sole Maßnahme auch ihre großen Schattenseiten hat. (Sehr rihtig!) Jh Habe wohl immer Jhre Zustimmung gefunden, wenn ih darauf hingewiesen habe, daß es die Aufgabe der Staats- regierung sei, fich mit allen Kräften dagegen zu wenden, daß die alte, durch die Kriegsverhältnisse zeitweise bedingte Vorschußÿ- wirtschaft noch weiter fortgeseßt werde. (Sehr richtig!) JFch habe deshalb diesen Schriti nur sehr {weren Herzens getan, nur angesihts der üblen Lage, ‘in der wir uns befinden, und mit Rüdcksiht auf die Maßnahmen, die im Reiche für die Be- amten getroffen worden sind. Wir wollen hoffen, meine Damen und Herren und ih bitte Sie, soweit Sie den Beamienkreisen nahestehen, uns darin zu unterstüßen, daß fich diese Hoffnung erfüllt —, daß die Beamten fih der Lage, in die fie durch die neuen Vorschüsse geraten, voll bewußt bleiben und sich mit allen Kräften bemühen werden, mit dem ihnen nun vorschußweise ge- zahlten Gehalt so Hhauszuhalten und so lange zu wirtshaften, wie es notwendig ist. (Unruhe.) Wir werden uns inzwischen be- mühen, diejenigen Beträge, die den Beamten nun neu zustehen, so {nell wie möglih ebenfalls zur Auszahlung zu bringen und damit die durch die Teuerung zu kurz gewordenen Gehälter so ¿u verlängern, daß für die Bcamten die Möglichkeit besteht, bis zum Ablauf des Monats bzw. des Quartals mit ihrem Geld zu reichen.

Meine Herren und Damen, die Staatsregierung if sich voll- fommen dessen bewußt, daß auch durch die neuen Bezüge, durch alles das, was jeßt den Beamten gegeben woxden ift, nicht jede Not bescitigt tvorden ist, daß noch mancher Mangel und manche Knappheit bestehen bleibt. Die Dinge liegen leider fo, daß bei der immer noch rapide fortschreitenden Geldentwertung wenig Aussicht vorhanden ist, daß sih der Abstand zwischen der Preis- steigerung und der Gehaltsfteigerung zugunsten der Beamten verringern wird. Wir haben uns deshalb auch bemüht, noch ein- mal sehr ernsthaft zu erwägen, was nun angesichts der Jhnen bekannten sehr schwierigen Finanglage des Staates noch weiter geschehen, d. h. ob über das den Beamten nunmehr Gegebene hinaus noch weitere Hilfe geleistet werden kann. Diesem Ge- dankengange ist der Geseßentwurf entsprungen, der dem Hause vorliegt und jeßt zur Beratung steht. Der Zweck dieses Geseb- entwurfes geht dahin, die Ausgleichszuschläge zu den Kinderbeihilfen noch weiter, nach Orisklassen abgestuft, zu verstärken und außerdem für die nichtplanmäßigen Beamten und Volksscchullehrerpersonen den vollen Ortszushlag zu bewilligen. So klein diese Hilfe im cinzelnen ersheinen mag, fo bedeutet sie immerhin für den Staat wiederum eine sehr erheblihe, angesihts der bekannten Schwierigkeiten in der Deckungsfrage nicht unbedenklithe Be=

lastung. Jn der Vorlage, die Ihnen gemacht worden ist, sind die Gesamtkosten diescr Maßnahme auf 155 Millionen Mark ange- geben worden. Jh füge hingu, daß darin nit cinbegriffen sind die Beträge, die für die Erhöhung der Kinderbeihilfen, für die Empfänger von Wartegeld, Rubegeld und Hintcrbliebenenbezügen in Betracht kommen und si ziffernmäßig genau so s{nell nit e-mitteln lassen. Man greift aber sicher in der Schäßung nit

! Sedl, wenn man sagt, daß sih unter Einvehnung dieser Beträge l pie gesamten neuen Aufwendungen des Staates über die bisherigen