1899 / 9 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Jan 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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dasselbe Blatt mittheilt, beantragt, auf den Gesehentwurf, be- treffend die Bestallung und Amtsobliegenheiten der Orts- vorsteher, unter den obwaltenden Umständen nicht ein- zugehen.

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Oesterreich-Ungarn.

Der „Politischen Korrespondenz“ zufolge ist der Bot- schafisrath bei der österreichisch - unzarishen Botschaft in Konstantinopel t von Macchio für den Posten des Minister -Residenten in Cetinje ausersehen.

Wie den Wiener Blättern aus Klagenfurt gemelzet wird, \sprah sich der Abg. Dobernig in einer dort ab- gehaltenen Wählerversammlung für Abstinenz aus, in der Hoffnung, daß durch dieselbe ein Ausgleich mit den Czechen und ein O Minist-riuum erreicht werde. Die Versammlung sprach Dobernig ihr Vertrauen aus und forderte zur schärfsten Obstruktion auf.

Fraukreich.

Jn der gestrigen Sißung des Ministerraths wurde, wie „W. T. B.“ meldet, der Rath am Kassationshofe Ballot Beaupré zum Senats-Präsident-s ernannt an Stelle Quesnay de Beaurepaire's, dessen Demission angenommen worden ist. Der Justiz-Minister Lebret bestätigte offiziell, daß der Erste Präsident des Kassationshofes Mazeau den Vorsiz in der Kriminalkammer übernehmen werde, sobald diese die gegenwärtig von ihr eingeleitete Untersuchung beenckigt haben werde. Mazeau werde selbst den Nath bezeichnen, welher wit der Berichterstattung bei der Verhandlung über die eigentlihe Revision des Dreyfus- Proz-sses beauftragt werden solle. Der Ministerrath nahm ferner Kenntniß von dem Telegramm, in welchem über die Aussage berichlet wird, welche Dreyfus vor dem mit seiner fommissarishen Vernehmuxg von der Kriminalkammer beau ftcragt:n Richter gemaht hat. Dreyfus versichert darin, er habe niemals Lebrun-Renault aegenüber ein Ge- ständniß abgelegt, er habe im Gegentheil stets seine Un- huld bctheuert und vor der Vornahme des Degradierungs- aktes die Absicht kundgegeben, öffentlih zu erklären, daß er niht schuldig ‘sei und daß seine Unschuld in zwei oder drei Jahren werde anerkannt werden. Für ebenso unbegründet erflärt Dr-yfus die Behauptung, daß er dem Vorsteher des Gefängnisses, in welhem er nach seiner Verurtheilung interniert gewesen sei, Geständuisse gemacht habe. Er habe dort den Besuh du Paty de Clam's crhalten und sei von dies: m gefragt worden, ob er nicht gewisse Schriftstücke ausgeliefert habe, um dafür andere zu erhalten. Dreyfus versichert, er habe du Paty de Ciam erklärt, daß er kein Schriftstück aus- geliefert habe, und ein Geständniß nicht abgelegt, weder einem (xarde républicain, noch cinem Gendarmen gegenüber. Am Sthluß seiner Vernehmung hat Dreyfus wiederholt, daß cr immer überzeugt gewesen jei, seine Unschuld werde innerhalb eines Zeitraums von zwei oder drei Jahren zu Tage treten.

Die ordentliche Scssion des Parlaments ist gestern eröffnet worden. Jm Senat hielt der Alters-Präsident Wa llon eine Rede, in welcher er ausführte, das gegenwärtige Mißbehagen sei nicht der Verfassung zuzuschreiben; zur Ein- berufung einer Konstituante würde der Augenblick shlecht gewählt sein. Die Wahl des Burcaus wurde auf Donnerstag festgesezt. Die Sipung der Deputirtenkammer eröffnete der Aiters-Präsident Bo ysset mit eincr Ansprache, in welcher ec Alle aufforderte, den gegenwärtigen s{hmerzlihen und ge- fährlihen Spaltungen ein Ende zu machen und wieder ruhig zu werden im Vertrauen auf die tapfere Armee. Bei der hierauf vorgenommenen Wahl eines Präsidenten wurde Deschanel mit 323 Stimmen wiedergewählt; Brisfson erhielt 187 Stimmen. Die bisherigen O Aynard, Firmin Faure, CTochery und Mesureur wurden eben- falls wicdergewählt. Die Kammer beendete sodann die Wahl des Bureaus und vectagte sih bis zum Donnerstag.

Der Kassationshof sezte gestern die Enquête über den Dreyfus-Prozcß bei verschlo)senen Thüren fort.

Der Gemeinderath von Algier hat nah der Ab- sezung des Maire Max Régis beschlossen, diesen als „Ehren- Maire“ anzusehen.

Spanien,

Der Mirister-Präsident Sagasta begab sih, wie dem „W. T. B.“ aus Madrid gemeldet wird, gestern nah dem Palais und hatte dort bei der Königin-Regentin eine ein- stündige Audienz.

Amerika.

Der Gesandte der Vereinigten Staaten in Wien Tower ist, wie „W. T. B.“ aus Washington berichtet, zum Bot- schafter in St. Petersburg und Addison Harris zum Gesandten in Wien ernannt worden.

Einer Meldung der „Times“ aus Montevideo zufolge hat die Mehrheit der neugewählten Abgeordneten ein Manifest erlassen, in welhem sie die feste Versicherung abgeben, daß sie am 1. März Cuestas zum Präsidenten wählen würden. i

Ueber die Unruhen in Bolivien ist dem „Hamburgischen Korrespondenten“ von dem bolivianischen Konsulat in Hamburg folgende Mitthcilung zugegangen: Mit Bezugnahme auf die neulihe Meldung des „Bureaus Reuter“, wonach in Bolivien eine Revolution ausgebrochen sei (f. Nr. 1 d. Bl. vom 2. Januar), welhe den Präsidenten veranlaßt habe, mit 2500 Mann auf La Paz zu marschieren, berichtet die boli- vianische Gesandtschaft in Paris, daß die gemeldeten Unruhen völlig beigelegt seien und daß jeßt in Bolivien vollständige Ruhe herrshe. Die Unruhen hätten ihren Grund darin gchabt, daß man versucht habe, den bisherigen Zustand, wonach der Siß der Regierung zwischen den Haupistädten der Republik wechselt, dadurch aufzuheben, daß man als ständigen Siß der Regierung Sucre geseßlih bestimmte. Nachdem die Ruhe vollständig wieder hergestellt sci, habe der Präsident beschlossen, sich nah La Paz zu begeben. Die Ausübung der Regierungs- gewalt habe er inzwishen dem Vize-Prästdenten übertragen. Die Reise des Präsidenten werde ins Werk geseßt, um den Einwohnern von La Paz zu zeigen, daß eine persönliche Anwesenheit des Staatsoberhaupts vollständig die Verlegun des Regierungssißes erschen könne. Es wird hinzugefügt, bab die Handelsbezichungen durch die Unruhen in keiner Weise bexührt worden seien und nunmehr jede Erregung beseitigt sei.

Asien. Nach einer Meldung der „Times“ aus Tokio soll

xavan mit Zustimmung der koreanishen Regierung rieg die Stun Sóul - Chemulpo übernommen haben. L D

Lia,

Aus Manilà vom gestrigen Tage meldet das „Reuter- {he Bureau“, daß die Lage immer keitisher werde, doch sei oie Möalichkeit einer friedlichen Lösung noch niht ausgeschlossen. Die Behörden träfen indessen Vorsichtsmaßregeln, und die Truppen ständen unter Waffen. Die Eingeborenen verließen die Stadt. Jn einer neuerlich erlassenen Proklamation drohe Aguinaldo, er werde die Amerikaner von den Jnseln ver- treiben und rufe Gott zum Zeugen an, daß, wenn Blut fließen sollte, die Amerikaner die Verantwortung tragen

müßten. Afrika.

Der „Agenzia Stefani“ wird aus Massowah gemeldet, daß der Kampf, welcher, wie gestern berihtet worden, zwischen den Truppen Ras Makonnen's und Ras Mangascha’'s stait- gefunden habe, niht von großer Bedeutung gewesen sei. Beide Theile hätten nur wenige Todte und Verwundete gehabt.

Das Brüsseler Blatt „Petit Bleu“ bringt, dem „W. T. B.“ zufolge, ergänzende Einzelheiten über die Niederlage, welche die Truppen des Unabhängigen Congostaates bei Kalambare erlitten haben. Danach fielen zwei Geschüße, Munition und Gepäck sowie 14 Weiße in die Hände der Aufständishen. Kalambare, der Hauptort des B:zirks, war von 800 Mann vertheidigt, welche zu den Feinden übergingen. Fünf Weiße fielen im Kampfe, und nach der Niederlage entstand eine wahre Panik. Die Ver- wundeten mußten wegen der herrshenden Verwirrung weite Strecken zurücklegen, ehe ihien rene zu theil werden konnte. Der General-Gouverneur Wangermée befand si, als die Nachricht von der Niederlage ihm zuging, bei den Congofällen und beabsichtigte, den U aufwärts bis Nyangwe vorzurüken, um selbst den Befchl über die Truppen in Manyema zu übernehmen.

PVarlamentarishe Nachrichten.

Der Shlußberiht über die gestrige Sißung des Reichstages befindet sih in der Ersten Beilage.

In der heutigen (8.) Sizung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner, der Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammerstein und der Staatssekretär des Reichs-Schoßamts, Wirkliche Geheime Rath Dr. Freiherr von Thielmann beiwohnten, wurden auf Vorshlag des Abg. Dr. Sqaedler (Zentr.) die Abgg. Bauermeister (Rp.), Freiherr Heyl zu Herrns- heim (nl.), Dr. Hiße (Zentr.), Jacobskötter (d. kons.) Molkenbuhr (Soz.), Schmidt-Elberfeld (fr. Volksp.) und Letocha (Zentr) zu Mitgliedern der Kommission für Arbeiterstatistifk, die Abgg. Dr. Paasche (ni.), Schmidt-Warburg (Zentr.) und Gamp (Rp.) zu Mitgliedern der Reichs-Schuldenkommission und die Abgg. Letocha, Dr. Kropatshek (d. kons.) und Dr. Pachnicke (fr. Vgg.) als Mitglieder zur Verstärkung der leßteren Kommission durh Zuruf gewählt. :

Darauf wrourde die Bejprehung der Interpellation des Abg. Freiherrn von Wangenheim-Pyriß (d. kons.), betreffend die Ergebnisse der Enquêten über die angebliche Fleischnoth, fortgeseßt.

In der Debatte nahmen bis zum Schluß des Blattes die Abgg. Stolle (Soz.) und Nißler (d. kons.) das Wort.

Die Geschäfts-und Necchnungs8ergebnisse der Fnvaliditäts- und Alter8versicherungLanstalten für das Fahr 1897.

Die dem Reichstage vorgelegte, im Reichs-Versicherungs- amt aufgestellte Nachweisung der Geschäfts- und Rech- nungsergebnisse der Jnvaliditäts- und Alters- versiherungsanstalten für das Rechnungsjahr 1897 umfaßt die sämmtlichen 31 Versicherungs8anstalten des Deutschen Reichs. j

Wie die Nachweisung erkennen läßt, sind für diese Ver- sicherungsanstalten mit insgesammt

154 Vorstandsmitgliedern, 36 Hilfsarbeitern der Vorstände, 610 Ausschußmitgliedern, 66 328 Vertrauensmännern, 333 Kontrolbeamten, 495 Schiedsgerichten, n 9113 befonderen Markenverkauféstellen, 5 324 mit der Einziehung der Beiträge betrauten Krankenkassen und 2936 in gleicher Weise mitwirkenden Gemeinde- behörden und sonstigen von der Landes- Zentralbehörde bezeichneten Stellen an Enischädigungsbeträgen 16 299 831,62 Æ für Altersrenten und 15 071 560,09 „, Jnvalidenrenten

zus. 31 371 391,71 MÆ. gezahlt worden. e

Die Zahl der im Rechnungsjahr bewilligten Alters- S bie der Moa E OS

zul. 93 T.

An Verwaltungskosten sind aufgewendet worden

654237824 M, was für den Kopf der Versicherten cine Ausgabe von etwa

0,61 M. ergiebt oder

5,47 Proz. der Gesammteinnahme an Beiträgen (der erhobenen Prämie) ausmacht. Von den Verwaltungskosten entfallen i

1178183,79 #4 auf die Kosten der Einzichung der Beiträge 112 Absay 3 des Jnvaliditäts- und Alters- versicherungsgeseßzes),

741 02244 M auf die Kosten der Kontrole (Z 128 a. a. O.) und i

335 311,86 E auf die Kosten der Schiedsgerichte.

Die Gesammteinnahme aus Beiträgen belief sich mit

Einschluß der Beiträge für Seeleute auf 104 666 528,71 #. 5 Die Zahl der verkauften Beitragsmarken beträgt rund 105 Millionen in Lohnklasse T 186 Millionen in Lo late L 119 Millionen in Lohnklasse III

und 81 Millionen in Lohnkla}fse [V ;

an Doppelmarken werden rund 453 000 als verkauft nahgewiesen.

Der Antheil der Versicherungsanstalten an den bis zum Schlusse des J@hres 1897 vom Rechnungsbureau endgültig vertheilten Renten 90 des Junvaliditäts- und Alters- versicherunasgeseßes) ergiebt bei

318 798 Einzelfällen an Altersrenten, 295 544 Einzelfällen an Jnvalidenrentén, zus. 614 342 einen Jahresbetcag von 23 574 093,99 4 für Altersrenten und 19 387 572,18 für Fnvalidenrenten, zus. 42 961 666,17 M6 Diese Rentenbelastung repräsentiert einen Kapitalwerth von 136 087 541 M für Altersrenten und 171 902989 für Jnvalidenrenten

zus. 307 990530 M

Bis zum Schlusse des Jahres 1897 sind 115 726 Altersrenten und 89 299 Javalidenrenten

zus. 205 025 Renten mit einem auf die Versiherungsanstalten entfallenden Jahres- betrage von

8315 375,43 Æ für Altersrenten und 5703 478.19 für Juvalidenrenten, zuf. 14018 853/62 Me in Wegfall gekommen; cs verblieben demnach am Schluß des Jahres nochch 203 072 Altersrenten mit einem abzüglich des Reichs- zushusses sih berechnenden Jahresbetrage von 1525871856 M und 206 245 Juvalidenrenten mit einem entsprehend berechneten Jahresbetrage von 13 684 093,99 M

Den nach den 88 5 und 7 des Juvaliditäts- und Alters- versiherungsgescßes zugelasjenen besonderen Kasseneinrihtungen (Eisenbahn- und Knappschafts-Persionskassen) sind aus den bis zum Schluß des Jahres 1897 vertheilten reihsgeseßlichen Renten zur Last gelegt:

6 624 Altersrentenantheile mit 654 733,49 6 Jahresrente und 20 148 Fnoalidenrentenantheile mit 1 365 510,48 M Jahresrente; von diesen waren bis Ende 1897 2 248 Altersrentenantheile mit 227 283,66 A6 Rente und 6919 Jnvalidenrentenantheile mit 452 388,71 A Rente bereits wieder in Wegfall ge- kommen, sodaß ein Bestand von 4 376 Altersrentenantheilen mit 427 449 83 M Jahresrente und 13 229 Javalidenrentenantheilen mit 913 121,77 4/6 Jahresrente verblicben ist.

Der Vermögensbestand der Versicherungsanstalten ein- shließlih des Werthes der Jnventarien belief sih bei Ablauf des Jahres 1897 auf

538 964 526,71 M, wovon bis dahin 53 562 668,44 M. dem Reservefonds (§8 21 a. a. O.) überwiesen worden find.

Die durchschnittlihe Verzinsung der Kapitalanlagen er- folgt mit 3,49 Prozent, gegenüber von 353 Prozent im Vorjahre. 2

Der Durchschnittssaß der A ltersrente, welcher für die im Jahre 1891 begonnenen 123,57 A betrug, ist für die im Jahre 1892 beginnenden Renten auf 127,34 4 und für die im Jahre 1893 beginnenden auf 129,50 A6 gestiegen, dagegen für die im Jahre 1894 beginnenden auf 125,68 M zurückgegangen und hat sch für. die im Jahre 1895 beginnenden Altersrenten wieder auf 132,00 M, für die im Jahre 1896 beginnenden auf 133,89 und für die im Jahre 1897 beginnenden auf 137,88 M ge- hoben. Dagegen hat die Durchschnittshöhe der Jnvaliden- rente, welche fsih für die im Jahre 1891 beginnenden Renten auf 113,39 A belief, für die im Jahre 1897 beginnenden Renten den Betrag von 127 89 A, erreicht. R

An Beitragserstattungen (S8 30, 31 des JInvaliditäts- und Altersversicherungs eses) wurden von den 31 Ver- sicher ungsanstalten festgcsept: j

99 816 Erstattungen in Fällen von Verheirathung im Betrage von 2 618 47254 M und 20 116 Erstattungen in Todesfällen im Betrage von 71297075 M j

Die durchschnittlihe Höhe des auf jeden Erstattungsfall fommenden Betrages berechnet sich für sämmtlihe Ansftalten zusammen auf : j E

26,23 e gegen 23,74 f im Vorjahre in Fällen von Verheirathung, ; : Ï 35,44 M gegen 31,33 M im Vorjahre in Todesfällen.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung-

In Hamburg wurde am Montag der zweite deutshe See- manns-Kongreß eröffnet. Anwesend waren, einer Mittheilung der „Frkf. Ztg.“ zufolge, 23 Delegirte aus Hamburg, Bremen, Bremer- haven, Flensburg, Kiel, Lübeck, Steitin, Roftock, Berlin und einige sozialdemokratishe Reichstags - Abgeordnete. Die eingeladenen Ver- treter der Hamburger Rheder, der Schiffskapitäne und Hafenbehörden waren nit erschienen, Es wurden Resolutionen angenommen, welche die Seemann ens aE E Kontrole der Vorschriften über

ürforge für die Matrosen betreffen. Í M Mus refeld meldet „W. T. B.°: Gestern früh traten 130 Weber der mechanishen Sammetweberei der Firma Mottau und Leenderß in den Ausstand ein, da die 14 tägige Kündigungsfrist abgelaufen ist. Auch die Weber anderer Ps werden vorauésicht- lich in den nächsten Tagen nah Ablauf ihrer Kündigungsfrist die Arbeit niederlegen. Wie die „Köln. Ztg.“ mittheilt, haben gestern Nachmittag sämmtlihe Sammetweber der Firma Scheibler u. Cie., die in eintägiger Kündigung stehen, gekündigt. 5

Aus Os nabrück wird der „Rhein.-Westf. Ztg.“ geschrieben : Der drohende Ausstand in dem benahbarten Bramsche ift glück- liherweise beigelegt worden, da es gelang, eine Einigung zwischen der Firma Sanders und den Webern zu erzielen. Es handelte si um einheitlide Lohntabellen, welhe von den Arbeitern verlangt wurden.

Aus Mons wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 9. d. M. ge- meldet: In sämmtlichen Gemeinden des Borinage wurde gestern der von den Abgeordneten der vier belgishen Kohlenbecken auf dem Kongreß vom 25. Dezember v. J. gefaßte Beshluß über den allge-

meinen Ausstand angeschlagen. Die sozialistisGen Führer er-

klären diesen, weil h die Arbeitgeber mit den Bergleuten in keine-

Verhandlungen einlassen wollten, für unvermeidlih. Der Bergmann des Borinage, bemerkt tas Blatt, sck{wärmt nicht für den Ausstand, und wenn es den Hetzern wirkli gelingen follte, Arbeitseinstellungen herbeizuführen, dürften diese kaum von langer Dauer sein.

Kunst und Wissenschaft.

Die Kaiserlich rufsisde Akademie der Wissen- chaften wählte, wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg ge- meldet wird, zu Ehrenmitgliedern Jhre Majestäten den König von Schweden und Norwegen und die Königin von Rumänien.

um fkorrespondierenden Mitgliede wurde das Mitglied der Münchener

fademie Dr. Friedrich Hirth gewählt. Die Kommission zur Ausführung von Gradmeffungen in Spiybergen hat am 10. d. M. ihre Thätigkeit begonnen.

Aus Rom, vom 10. Januar, meldet „W. T. B.“: Nach- grabungen auf dem Forum führten beute zur Auffiadung der „Begräbnißstätte des Romulus", welhe bis zum Ende des Römischen Kaiserreihs große Verehrung genoß. Dieselbe gilt als das älteste Denkmal aus dem aîten Rom.

Schulwesen.

Aus Cassel wird gemeldet: Der Plan der Errichtung einer Kleinkinderschule in Ockershausen, Kreis Marburg, ift feiner Ausführung näher gerückt. Die Errichtungs- und Unterhaltungskosten find in der Hauptsache aus Mitteln des Vaterländischen Frauen- vereins und des Kreises Marburg ficher gestellt.

Land- und Forstwirthschaft.

Getreidebandel und Ernteaussihten in Chile.

Valparaiso, den 28. November 1898. Nach Mittheilungen des hiesigen Statistischen Bureaus sind aus Chile im Jahre 1897 723 941 (1836 1 375 653) dz Weizen und 184868 (1896 511 703) dz Gerste ausgeführt worden. Hiervon sind 449 970 (1896 1 074 987) dz Meizen und 171 238 (1896 499 578) dz Gerste nah Europa, die ver- G Mengen nach andecen Staaten Süd-Amerikas gebracht worden.

Während des 1. Halbjahrs 1898 find ausgeführt worden 68 446,1 (1. Halbjahr 1897: 53 970,8) dz Weizen und 100722 (1. Halbjahr 1897: 13 351,0) dz Gerste. i

Ueber Anbauflähen sind sichere NaGrichten niht zu erhalten, es scheint eine wesentlile Aenderung gegen fcühere Jahre nicht ein- getreten zu fein.

SInfolge der bisher günstigen Witterung follen die Saaten sich gut entwidelt haben und eine gute Ernte versprechen.

Concepcion, den 30. November 1898. In den Provinzen Süd-Chiles bis zum Fluß Maule nordwärts haben die Ausfaaten infolge ausnahmsweise starken Regens während der Monate Mat, Junt und Juli nicht überall rechtzeitig vorgenommen werden können, und der zu spät in die Erde gekommene Weizen ist deshalb etwas im Wachsthum zurückgeblieben. i

Südlih vom Fluß Bio-Bio {äßt man die Totalaussaat von Weizen um circa 20 9/6 geringer als im Verjahre; zwishen Bio-Bio und Maule dagegen um ebenfoviel böber.

Die Witterung war bis dahin günstig, und man hofft, wenn nicht ganz besondere Umstände eintreten, auf eine gute Mittelernte.

Gesundheit8wesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Dem Kaiserlihen Gesundheitsamt ift am 9. Januar der Aus- bruch der Maul- und Klauenseuche vom Schlachtviehhofe zu München gemeldet worden.

Belgien.

Durch Verfügung des belgishen Ministers für Landwirtbschaft und öffentlihe Arbeiten vom 30. Dezember 1898 find die Bestim- mungen der Artikel 1—4 der Königlih belgisWen Verordnung vom 5, April 1897 („Moniteur Belge“ vom 21. April 1897, Nr. 111), betr. Maßnahmen zur Verhütung der Einschleppung der Beulcnpest in Belgien, auf Ege aus dem indishem Kaiserreich, weles als pestverseuht gilt, in Wirksamkeit geseßt worden. Die erkünfte aus Persien, den \üdlih vom 30. Breitengrade liegenden heilen Chinas und der Insel Formosa bleiben den gleichen Bestimmungen unterworfen.

So!che zur See anlangende He1künfte follen an der Quarantäne- station in der Schelde, in den Häfen von Ostende und Nieuport fowie zu Selzaecte nah Maßgabe der Vorschriften der Kapitel 11, III1 und 1V des der Venediger Jy“ »ationalen Sanitäts - Konvention vom 19. März 1897 beigefügic« Allgemeinen Sanitäts-Reglements be- handelt werden.

Die in Artikel 1 der Verordnung vom s. April 1897 bezeichneten Waaren und Gegenstände, die aus einem anderen als pestverseucht erklärten Faser des Indischen Ozeans ftammen. müssen bei der Ein- und Durchfuhr in Gemäßheit des Artikels 3 dieser letzteren Verord- nung von einem Ursprungszeugniß begleitet sein, das durch den belgi- sen konsularishen Vertreter im Verschiffungshafen in. Ermangelung eines folhen Beamten dur die dortige Hafenbehörde zu visieren ist. (Vergl. „R.-Anz." Nr. 98 vom 27. April 1897 und Nr. 202 vom 26. August v. J)

Nuhrort, 10. Januar. (W. T. B.) Auf einem im hiesigen Hafen liegenden holländishen Getretdeshiff A e Sonnabend bei einer weiblich2n Person die schwar zen Pocken festgestellt; das Schiff wurde sofort vom alen in die Ruhrmündung geshlepypt und unter Quarantäne gestellt.

_ Bombay, 11. Januar. (W. T. B.) Der Gesundheitszustand in der Stadt Bombay hat sch wieder vershlechtert. Die Sterb- lichkeit betrug in der leßten Wee 1111 gegen 894 in der vorhergehen- en; davon kommen auf die Pest 220 Todesfälle, gegen 154 in der vorhergehenden Woche.

Verdingungen im Auslande.

Spanien.

23. Sanuar. Secretaria de la Junta de Obras del puerto de Huelva: Lieferung von 28 Eisenbahnwagen für den Hafendienst in Huelva. Angebote auf spanishem Stempelpapier find bis zum 22. Januar an die ausf\chreibende Stelle zu richten. Die baar oder in öffentlichen spanishen Papieren zu leistende Kaution beträgt

3000 Pesetas. Niederlande.

17. Januar, 25 Uhr. Aufsichtsrath der Gefängnisse in Notter- dam: Lieferung von Kalmirk, weißer Leinwand, grauem Biber, blauem Wollstoff, Strick- und Nähgarn, Band, Knöpfen, Blech- und Eisendraht für die Gefangenenarbeit. Muster liegen zwischen 9 und 12 Uhr Vormittags im Strafgefängniß aus; die Bedingungen sind bei dem Direktor dieses Gefängnisses erhältlich.

erbien.

22. Januar. Direktion der serbischen Staatsbahnen in Belgrad:

Lieferung von 120 000 Stück Uaterlags\{hwellen. Kaution 209/69 (in

Baar oder in serbishen Staatspapieren zu leisten). Angebote für

weniger als 25 000 Schwellen werden nit berücksihtigt. Angebote

sind an die Eisenbahn-Abtheilung des Bauten-Ministeriums zu Achten,

wo au die Bedingungen eingesehen werden können.

22. J 4 Uh Machwitóces. Post- und Telegraph

. Januar, r Nachmittags. ost- un elegraphen-

Direktion in Sofia: Vergeburg der Lieferung von 3000 Ee Stahl-

draht (2 mm), 20 000 kg Eisendrabt (5 mm), 70 000 kg Eisendraht (4 mm), 2000 kg Sisendraht G mm), 2500 kg Eisendraht (1,8 mm). Die Bedingurgen können bei der genannten Direktion eingesehen werden. Die der Direktion bereits bekanuten Firmen find von der Sicherheitsleistung befreit. i

Theater und Musik.

Theater des Westens.

Auber'’s komishe Oper „Fra Diavolo“ ift nunmehr auch dem Spielplan der Charlottenburger Opernbübne eingereiht worden. Die gestrige Wiederholung des Werks erzielte ebenso wie die Erstaufführung am Sonntag einen wohlverdienten Erfolg. Die gesanglihe und darstellerishe Wiedergabe des heiteren Singspiels wurde auch allen billigen Anfocderungen gerecht. Die Titel- rolle gab Herr Julius Frank als Gast, ein Sänger von beachten8werthen stimmlihen Mitteln und \chauspielerishem Ge- {chick. Im erften und zweiten Akt ließ er freilich die Eleganz vermissen, die dem ritterlißen Räuberhauptmann eigen ift, entshädigte aber dafür durch manche wohlgelungenen Einzelheiten in Spiel und Gesang. Die schwierige Arie des leßten Aufzugs brachte Herr Frank mit anerkennen8werther Sicherheit zu Gehör. Eine zier- lihe Zerline war Fräulein Anna Quilling; sie trug sowohl das Fra Diavolo-Lied des exsten Aktes als au im zweiten die gefällige kolorierte Arie sehr gut vor. Die heifle Scene im Scchlafgemach spielte sie mit Decenz und Anmuth, Recht drollige Ge- sellen waren die beiden Banditen in der Darstellung der Herren Patek und Dreßler, ebenso komisch waren Fräulein Detsy und Herr Steffens als english:s Ehepaar. Herr Battisti gab den Lorenzo, war aber wegen ftarker Indisposition nicht im stande, seine angenebme Tenorstimme zur Geltung zu bringen. Das im allgemeinen febr flotte und belustigende Zusammenspiel erweckie mehrfach stürmische Heiterkeit und erhielt die Zuhörer bis zum Schluß: bei bester Laune. Auch die Leistungen des Orchesters unter dem Kapell- meister Herrn Schuster verdienten volle Anerkennung.

Konzerte.

Das vorgestrige sechse Philbarmonische Konzert unter Kapell- meister Nikisch?s Leitung hatte si wieder eines außerordentli starken Besuches zu erfreuen. Einmal hatte die Mitroirkung des Pianisten Eugen d’Albert, der eine große Zahl von Anhängern in hiesigen musikliebenden Kreisen hat, eine solhe Anziehungskcaft auszeübt, axdererseits hatte die erste Aufführung der symphonischen Dichtung „Fata Morgana"“ von Karl Gleiz, einem jungen Komponisten, dem der „Verein zur Förderung der Kurt" zur Befreiung aus widrigen Lebensfchicksalen und zu nevem künfstlerishen Schaffen hilfreihe Hand geboten hat, reges Interesse erweckt. Herr d’Albert spielte zunächst sein eigenes Klavierkonzert Nr. 2 (E-dur in einem Saße, op. 12), ein Werk, das der Gemüthstiefe und des Phan- tasiereihthums baar, nur dur die Virtuosität des Spielers fefselte. Die zweite Gabe des Solisten war die „Wanderer - Phantasie“ von Schubert in der Bearbeitung Liszt's, welche Herr d’Albert eben- falls zu einer virtiosen Glanz: und Kraftleistung gestaltete, die ihm fo stürmischen Beifall eintrug, daß er sich zu einigen Zugaben ge- nöthigt sah. Musikalish inhaltreiher als die Klaviervorträge waren die Darbietungen des Orchesters, welches den Abend mit Haydn's B-dur-Symphonie (Nr. 12) würdig eröffnete und mit Wagner?s Ouvertüre zur Oper „Der fliegende Holländer“ wirkungs- voll abfchloß, während die obenerwähnte symphonis@e Dichtung den mittleren Plaß im Programm einnahm. Karl Gleitz hat feinem Tonwerke folgenden T-cxt vorangeseßt: „Durh öde Wüste ziehen in weiten Reiben arme Pilger. Sehnend shweifen die müden Augen zum fernen Horizont, wie in heißem Verlangen nach blühenden Auen und glücklihen Menschen: dem goldenen Reih von Sion. Doch endlos dehnt sich der Weg, und vom Himmel sendet die Sonne glühende Strahlen, und brennend beißer Sand hemmt der Wanderer \{chleppenden Schritt. Und nicht ein Troxfen kühlenden Wassers leut den Gaumen der Armen; von brennendem Durste g-peinigt, merken sie niht, wie cinen der Brüder allmählich die Kraft verläßt, wie er zurüdckbleibt und niedersinkt, in der glühenden Hiße vershmachtend. Doch ob auch der Tod ihn \ch{on leise umshleiht und - sahte die Hand nah dem Sterbenden sireckt, ihm leuhtet das Auge in fieberndem Glanz und von heißen Wünschen ge- packt, sieht er in luftigen Höh’n das langersehnte Land, wie ein herrlihes Märchenreich wunderbar leuchten dur leise erzitternden Sonnenbrand. Da faßt es ihn mächtig, mit jähem Rude erhebt er sih, und wie von unsichtbaren Händen gehoben, fckroebt er empor, als trüg? ihn sein Sehnen hinan. Dort lacht ihm das Glück entgegen, und von Freude durchbebt, jubelt er auf und stürzt ihm in die offenen Arme. Gesellt dem herrlihsten Weibe zu süßem Bunde, fo lausht er dem Walten und Weben in Aue und Flur. Und es raushen die Wipfel der Bäume so seitsam und voll, der sanfte Zepbyr trägt wonnige Düfte liebliwer Blumen herbei, und in den Zweigen shmettern die Vöglein ihr lustiges Lied. Doch horch!_ was dröhnt und braust aus der Tiefe herauf an des Lauscheaden Ohr ? Wer jubelt das Lied der Sehnsucht, das einst dem todtmüden Wan- derer die P'iade erschloß zu ewigem Glü? Welch endloses Stimmengewirr ballt fi zum vollen Choral und tost und brandet herauf, als triebe ein ganzes Volk das Sehnen hinan zu licht- umflossenen Höh'n? Und stärker rauschen die Wellen der Töne und mächtiger strömt des Chores Gewalt. Da, siehe! Es nahen die Brüder, umfluthet von Glück und umstrahlt von der Freude, und nun auch sie ihr Ziel erreichten, hallt endlofer Jubel durch grünende Auen, und tauhzend sinken die Freunde sich in die Arme. Seligste Liebe und heiligste Lust herrihen da oben und krönen der Pilger einstiges Darben und Streben in öder Wüste Sonnengluth.“ Das Werk besteht aus drei Säßen: I. „Pilgerfabrt", 11, „Z-phyr und Blumenduft", 111. „Empor!“, deren einzelne Stimmungen auch ohne die vorangestellten, des Künstlers Erdenwallen versinnbildlichenden Worte durchaus verständlih wären. Und die Erweckung von Stimmungen ist im wesentlichen das, was der Einsichtige von der Musik allein verlangen kann. Mancher wird es dem Komvonisten vielleicht zum Vor- wurf machen, daß hie und da der Einfluß des Bayreuther Meiiters sih fühlbar macht; aber welcher von den bedeuteuderen Musikern älterer und neuerer Zeit hätte niht zunächst unter dem Ginfluß eines Voraufgegangenen gestanden, niht auf {hon Vorhandenem weiter- ebaut? Und Karl Glei steht do vorerst am Anfang fciner Künstler- aufbahn. Er hat in tiesem, namentlich dur seine auffallend shöône Instrumentierung bestehenden Werke fowohl wie in seinen in den Konzertsälen bereits beliebten Liedern jedenfalls Proben einer Begabung abgelegt, die der Förderung in jeder Hinsicht werth ist. Die Hervor- rufe, die ihm vorgestern zu theil wurden, waren daher wohlverdient. Herrn Nikisch aber gebührt niht nur für die außerordentlich fein aus- gearbeitete Wiedergabe der symphonishen Dichtung fondern vor allem dafür Dank, daß er diesmal einen jungen deutshen Komponisten zu Wort kommen ließ.

Herr Egmont Hartmuth gab am Freitag v. W. einen Klavier- Abend im Beethoven-Saal. Selbst die Sehenewürdigkeit dieses neuen Konzertraums hatte es aber nicht vermocht, das der Monotonte foler Abende abbolde Publikum zahlreiher anzuzichen. Was die Leistungen des Künstlers anbetrifft, so trug er mit tehnisch vollendeter Sicherheit und außerordentlih belebter Ausdruckswecise Variationen von Tschaikowski, Beethoven's Sonate op. 54 sowie beliebte Werke von Schumann, Moszkowski, Chopin und Liszt vor. Der Beifall der anwesenden Zuhörer steigerte sh nach jedem Stücke bis zum Schluß des Abends, sodaß sh der Künstler noch zu einer Zugabe genöthigt sah. Ebenso spärlich besucht war ein Klavier-Abend, der gleichzeitig im Saal Bechstein stattfand. Fräulein Maria Per y eröffnete dieses, ihr erstes Konzert in Berlin mit der bekannten Phantasie in C-mo1l von Mozart, in welcher sie Tlobensroerthe Sicherheit im Technischen und verständnißvolle Auffassung

erkennen ließ. Gleiches Lob verdient der 1A der Beethoven'schen

Sonate in Es- dur (op. 381, Nr. 3). n drei bekannten Stücken von Chopin, besonders in dem B-moll-Sterzo, ließ sich die Pianistin aber zu oft willkürliche Tempoänderungen zu Schulden kommen, Als Komponistin (die bereits 23 Klayierstücke

verfaßt hat) zeigte sie mitunter ein glücklihes Erfindungstaleut, wenn au namentlih in zwei Phantasiestücken Shumann?'s Vorbild unver- kennbar durchshimmerte. Am meisten selbständig trat die junge Kom- ponistin in einem „Jntermezzo“ (Poerpetuum mobile) hervor. Im gptgenannten Stück sowie in den folgenden Piècen von Mendelssohn, Liszt und Brahms konnte sie go zeitig ihre Bravour entwickeln. Anzuerkennen war ferner ihr mäßiger Gebrauch des Pedals. Das Dai zeichnete die Künstlerin durch lebhaften Beifall aus. eht anregend verlief aud das Konzert des bekannten Violoncellisten Herrn Heinrih Kiefer an demselben Tage in der Singes ademie. Der Künstler P über einen \chöônen seelenvollen Ton, der in den Konzerten für Violoncello von Davidoff und DvoEXak die Hörer lele: Als Sängerin stellte sch Fräulein Louise B. Voigt aus Cincinnati vor. Sie sang mit klanavoller Sopranstimme und sinnentsprehendem Ausdruck Arien aus Opern von Mozart und Weber. Eine zahlreihe Zubörerschaft hatte si am Freitag auch in der Philharmonie ver]jammelt, um wieder den meisterlihen Vorträgen des Lieder- und Balladensängers Herrn Eugen Gura, der erst kürzäih hicr eingehend gewürdi,t wurde, zu lauschen. Am Sonnabend fand im Beethoven-Saal ein Konzert mit dem Philharmonischen Orchester unter Leitung von Max iedler ftatt. Der Dirigent, der in Neu ore die dort biliebten Abonnements-Konzerte leitet, hatte die Absicht, si dem Berlinex Publikum von neuem vorzustellen. Die Symphonie von Tschaikowsky (H-moll), die den Abend eröffnete, is ein rehter Prüfstein füx einen Dirigenten, da zahlreiche plößlih: Tempoveränderungen, Takt- \s{chwierigkeiten, zu denen auch der ungefügige #-Takt gehört, häufiges rubato ershwerende Momente bilden, zu denen noch die ungewöhnliche Länge des Werkes zu rehnen ist. Herr Fiedler löste seine Aufgabe ausgezeichnet. Die Variationen von Brahms über Haydn's St. Antoni- Choral gelangen ebenso gut, troy der Schwierigkeiten, die durh die mannigfahzn Tonfiguren entstehen. Den Beschluß machte Beethoven?s Symphonie in C-moll, Nr. 5, die das Orchester wie immer tadellos vortrug. Das zahlreih erschienene Publikum spendete sehr lebkafte Beifallsbezeugungen. Der erste, leider wenig besuhte Quartett-Abend der Herren Hollaender, Niking, Rampelmann und Hekking, der an demselben Tage im Sa al Bechstein stattfand, begaun mit dem Klaviertrio in H-dur (op. 8, neue Ausgabe) von Brahms. Hierauf folgte ein Streichquactett in C-moll, ein melodievolles Werk aus dem Nachlaß Schube:t’s. Nach einer von dem Pianisten Herrn Jam es K wast aus Frankfurt a. M. mit technischer Sicherheit und Tiefe der Auffassung vorgetragenen Fuge von Bach gelangte noch das Streich- quartett in G-moll (op. 27) von Grieg zur Ausführung, das dem Abend durch seine vier inhaltvollen Säße einen würdigen Ab- {luß gab. In_ der Sing-Akademie konzertierten gleichzeitig die Damen Fanny Opfer (Sopran) und Clara Schwarß (Violine) mit gutem Erfolge. Die Sängerin trägt angenehm vor, sollte aber auf die Texrtaussprahe größere Sorgfalt verwenden. Die Geigerin spielte musikalish verständig und tehnisch sauber.

Im Königlihen Opernhause wird morgen Bizet’'s Oper „Carmen“ unter Leitung des Kapellmeisters Strauß gegeben.

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen Walter's und Stein's Lustspiel „Die Lustspielfirma“ mit den Herren Vollmer, Christians, Keßler, Kraußneck, Heine und den Damen Poppe und Sperr in den Hauptrollen in Scene.

Im Neuen Königlichen Opern-Theater gelangt am Sonnabend zu ermäßigten Preisen Sardou’s Lustspiel „Madame Sans-Gêne“ mit Frau Niemann-Raabe als Cathórine Hübshér und Herrn Gustav Kober als Napoleon T. zur Aufführung.

Da Herr Kapellmeister Ruthardt vom Theater des Westens durch ein Augenleiden gezwungen ist, seine Thätigkeit einzuschränken, hat Herr Direktor Hofpauer Herrn Bertrand Sänger, der früher u. a. am Prager Landes-Theater als Opern-Dirigent wirkte, engagiert. Derselbe wird am Freitag die Oper „La Traviata*, in welcher Viadame de Tóriane als Violetta ihr Gastspiel fortseßt, leiten.

Die Freie Musikalishe Vereinigung (Vorsißender : Kapellmeister Göttmann) veranstaltet morgen, Donnerstag, Abends 8 Uhr, im Saale des Klindworth-Scharwenka- Konser - vatoriums (Potsdamerstraße 27 b, I. Villa) ihren sechsten Vor- tragsabend. Zum Vortrag gelangen : eine Cello-Sonate von Gustav Lazarus ; Lieder von Ludwig Heß; eine Suite für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott von Max Laurischkus ; fechs Charakter- stücke in kanonisher Form für Violine, Violoncello und Klavier von Alexis Holländer, Mitwirkende sind die Herren : Professor Holländer, Lazarus, Schulz, Heß, Behm, NReinecke, Flemming, Schuster, Köcher, Hendreih, Nagel und Hutschenreuter.

___ Bei dem morgen, Donnerstag, Abends 7——8 Uhr, in der Heilig - Kreuz - Kirche (am Blüciherplaß) stattfindenden Kirchen konzert des Organisten Herrn Bernhard Irrgang werden mitwirken Fräulein Marie Bluhm (Sopran) und Herr Alfred Thiele R: Auf dem Programm stehen u. a. eine Toccata in F-dur von Bach, eine Sonate in E-moll von Ritter, Arien 2c. Der Eintritt ist frei.

Der Direktor des Königlichen Domchors, Professor Albert Beer ist nah schweren Leiden gestern hierselbst gestorben. Er war am 13, Juni 1834 in Quedlinburg geboren und erhielt seine Ausbildung von dem dortigen Orçanisten Bönicke und später in Berlin von Dehn. Hier hat er, abgesehen von einem zweijährigen Aufenthalt in Ohlau (Schlesien), ununterbrohen als Lehrer gewirkt, sich auch durh eine im Jahre 1860 in Wien preisgekrônte Symphonie, namentlich aber durch seine große Messe in B-moll (welche auf Liszt's Empfehlung von Riedel in Leipzig zuerst aufgeführt wurde) und seine zur Lutherfeier geschriebene Reformations-Kantate als Komponist einen hobgeacteten Namen erworben. Außerdem komponierte er Lieder (z. B. die be- kannten aus Julius Wolfs Dichtungen „Der Nattenfänger von E. und „Der wilde Jäger“), ein kleines Oratorium „Selig aus Gnade“, Motetten, eine Sonate für Pianoforte u. a. Seit dem Jahre 1884 war der Verstorbene Mitglied der musikalishen Sektion, später auch des Senats der Königlichen Akademie der Künste und seit dem Jahre 1890 Direktor des Königlichen Domchors.

Mannigfaltiges.

A. F. Der ersten Vorführung der Röntgenstrahlen vor drei und der Verflüssigung der Luft vor zwei Jahren hat sich vorgestern im „Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes“ ein ähnli sensationelles Ereigniß beigesellt, das auf die überaus zahlrei erschienene Zuhörerschaft einen bedeutenden Eindruck machte. Dr. Gol d - \chmidt aus Essen sprach „über Darstellung von Metallen bei sehr hoher Temperatur“ und begleitete seinen lihtvollen Vortrag durch eine Reihe trefflich gelungener, überra\hender Experimente. Zu leßterem Zweck waren ihm der große, mit allen er- forderlihen Einrichtungen wohlversehene Hörsaal des Gekbeimen Regterungs-Raths Professors Slaby in der Technischen AONNUtee sowie das elektro-telnifche Laboratorium der Hcchschule zur Verfügung

estellt worden, wohin der Redner den Schluß feines Vortrages ver- egte, um einige großen Raum und eine feuersihere Umgebung er- fordernde Versuche zu zeigen.

Ueber den Inhalt des Vortrages berihten wir in Kürze wie folgt, wobei von der Vorausseßung auêgegangen ist, daß im wesentlicen {on bekannt is, worin die Goldshmidt’she Erfindung besteht, nämlich in einer Verwerthung der Eigenschaft des Aluminiums, Metalloxyden besonders kräftig ihren Sauerstoff zu entziehen und auf diese Weife das reine Metall zu gewinnen. Diese Eigenschaft ift längst bekannt und u. a. {hon 1845 von Wöhler zum Gegenstand eingehënder Versuche gemacht worden, freilich nur mit ganz geringen Mengen metallishen Aluminiums, das zu jener Zeit noch sehr kostbar war. An eine industrielle Verwerthung der reduzierenden Eigenschaften des Metalls konnte erst gedacht werden, als es in den letzten 20 Jahren gelungen war, dasselbe auf elektrolytishem Wege verhältniß- mäßig billig herzuftellen; das Kilo kostet jeyt 2,46 n Dr. Gold- {midt trat die Frage der Benußung von Aluminium zur Aus\chmel- zung von Metallen aus ihren Oryden dur den ihm in feiner Stellung bei den Krupp’\{hen Werken gewordenen Austrag heran, das Chrom-

1 E. di BRE E itim E T i Et R E O

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Fi ae Ma Ce S ti

L e E a rer

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