1899 / 11 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Jan 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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Sr ca U G i E E Ne S C T E B Eo T E m A E E R En M E Lt wn Et e Tee 7 H n Pte S E Brn E ch

Was nun die einzelnen Waffengattungen betrifft, so sind bei der Infanterie, abgesehen von einem Bataillon, das beim sächsischen Kontingent errihtet werden foll, Neuformationen nicht beabsichtigt. Es handelt sich bei dieser Waffe lediglih um Etatsverstärkungen und Etatsausgleihungen. Diese Mafinabme hängt unmittelbar zusammen

mit der verkürzten Dienstzeit. Als die dreijährige Dienstzeit noch be- ftand, verfügten wir über zwei ausgebildete Jahrgänge. Diese bildeten den eigentlihen Stamm des Truppentheils; sie waren der Kern, an den sih die anderen anshlossen; eine solche Truppe ift in jedem Augenblick verwendungsfähig. Jst dagegen nur ein Jahrgang vor- handen und reiht dessen Stärke noh dazu niht aus, dann können die Aufgaben nicht erfüllt werden, die an den Truppentheil gestellt werden müssen. Wenn auf der einen Seite eine gewisse minimale Stärke im Durchschnitt erreiht werden muß, fo ist in den Grenzdistrikten, in denen die Truppe jeder Zeit verfügbar sein muß, natürlih eine höhere Stärke nothwendig. Und gerade in der Zeit der Rekruten- ausbildung sinkt die Ausrüstärke fo herab, daß hier eine Besserung der Zustände unvermeidlich ift.

Bei der Kavallerie ist eine Vermehrung um drei Regimenter für Preußen beabsichtigt. Die Begründung sagt Ihnen bereits, daß seit mehr als 30 Jahren für die Kavallerie nihts geschehen ist. Es sind keine neuen Truppentheile formiert worden.

Allerdings giebt es ja eine Anzahl Theoretiker, die behaupten, die Aufgaben der Kavallerie im Kriege hätten an Wichtigkeit wesent- li verloren und eine Verwendung der Kavallerie wie früher sei aus- geshlossen, Mit derartigen Theorien können wir bei unseren Krtegs- vorbereitungen nicht rechnen. Im Gegentheil, man kann ohne weiteres

auêrechnen, daß, wenn die Heercsmasfsen zunehmen, wenn die Fronten

immer breiter, die Tiefen immer größer werden, mehr Zeit erforder- lih ist, die Kräfte am Entsceidungspunkt rehtzeitig zusammen- zuziehen. Um hierzu die Zeit zu gewinnen und derartige Maßnahmen ungehindert durchzuführen, muß die Sicherungs- und Aufklärungszone erbeblich erweitert werden, und die Anforderungen, die in dieser Hinsicht an die Kavallerie herantreten, werden sehr viel {hwieriger fein als früher.

Auf die Nothwendigkeit des Flankenshugzes dieser Massen, der Deckung der unentbehrlichen und doch fo leiht verlezlihen Ver- bindungen derselben, will ich nur hinweisen. Jedenfalls zeigen die Kriegévorarbeiten zur Genüge, daß derjenige Staat, welcher über eine zahlrei: und gut ausgebildete Kavallerie verfügt, sih wesentli im Vortheil befindet.

Auch in Bezug auf die Forderung für die Kavallerie ift uns insofern der Vorwurf einec Jnkonscquenz in der Presse gemacht worden, als jeßt die Detahements „Jäger zu Pferde“ zu Regimentern zusammengezogen werden sollen. Diese Inkonsequenz kann ih meiner- f2its nit anerkennen, denn bereits mein Herr Amtsvorgänger hatte bei der Schaffung dieser Detachements, wenn sie sih bewähren sollten, in AussiGt genommen, sie zusammenzuziehen. Bei dem Versuche mit diesen Formationen und um einen Versu hat es sih hierbei gehandelt ist eine Frage von großer Tragweite gelöst worden, rämlih die, ob es -rihtig wäre, cine Kavallerie- gattung zu schaffen, die ihre wesentlichste Wirksamkeit in der Ver- bindung mit der Infanterie und Feld-Artillerie zu suchen habe. Daß es sih bei der Schaffung dieser Detachements um einen Versuch handelte, ift diesem hohen Haufe übrigens auch bekfannvt, denn die Detachements wurden zunächst vershieden rekrutiext und ausgebildet, d. h. die Hälfte derselben wurde durch kommandierte Mannschaften und Pferde einzelner Kavallerie-Negimenter, die andere Hälfte mit eigenen Rekruten und Remonten kompletiert. Die auf diese Weise gemachten Erfahrungen haben zweifelsfrei erwiesen, daß nur die letztere Art es ermöglicht, die Detächements lebensfähig zu erhalten, sodaß die Militärverwaltung die Forderurg stellte, die Stärke der Detache- ments auf volle Gsfadrons zu erhöhen. Mit diesem Vorschlage hat fich das hohe Haus seiner Zeit auch einverstanden erklärt und die Richtigkeit desselben anerkannt. Die Jäger-Eskadrons sind daher jeßt wie jede andere Eskadron fermiert. Der Versuch hat aber auch gelehrt, daß in dem großen Rahmen der Armee diese kleinen Formationen vershwinden, und daß man ihnen durch Zusammen- fassung einen Halt geben muß, foll, den Traditionen entsyrehend, des Offizierkorps und der Dienst gefördert werden. Die Aufgabe der Jäger-Regimenter soll im übrigen dieselbe bleiben, wie der bis- herigen Detachements, und wird die Zusammenziehung wesentlih dazu beitragen, diesen Dienstbetrieb zu fördern und zu vervoliständigen. Wenn diefe Regimenter zu vier Eskadrons aufgestellt werden sollen, fo sind einerseits hierfür finanzielle Rücksichten maßgebend gewesen, andererseits glaubten wir, daß diese Kavalleriegattung, wenn die ein- ¿elnen Esfadrons nur die erforderlihe Stärke wie bei den anderen Regimentern erhielten fie auch ohne 5. Eskadron ihren Aufgaben gewachsen sein würden. Denn wenn die Jäger-Eskadrons als folche, ohne dur eine andere Truppe kompletiert zu werden, ins Feld rücken follen, fo darf man doch wohl annehmen, daß fie das auch, zu NRe- gimentern zusammengezogen, fönnen.

Die wesentlihste Organisationtänderung betrifft die Feld-Artillerie. Auch hier ift die Entwickelung der modernen Verhältnifse maßgebend. Der Gntschlufß, der Feld-Artillerie ein neues Material zu geben, is von einer Tragweite gewesen, die wobl im allgemeinen untershäßt worden ist, und noh jegt beherrs{ht dieser zur richtigen Zeit gefaßte Entschluß die militärish-politishe Lage. Wir sind mit dem Material, das wir eingeführt haben, vollständig zufrieden, es hat sich{ch durhaus be- währt, und wir werden zum 1. April dieses Jahres sämmtliche Bat- terien umbewaffnet haben. Es scheint also jezt der Moment ge- kommen, fh \chlüffig zu machen, ob die gegenwärtige Organisation er Feld-Artillerie au diesem vervollkommneten Material entspricht. Diese Frage ift meines Erachtens unbedingt zu verneinen; jede ver- vollkommnete Maschine verlangt eine andere Bedienung, eine andere Organisation. Wir sind in unseren Anschauungen noch wesentlich von der Zeit Napoleons 1. abhängig gewesen; er hat einen großen Theil seiner Schhlachten damit entschieden, daß er Artilleriemassen in Reserve hielt und dann, nachdezm er diese Massen eingeseßt hatte, durch Kar- tätihfeuer auf n2he Entfernungen die Entscheidung herbeiführte. Diese Verhältnisse treffen nicht mehr zu. Jeßt kommt es vielmehr darauf an, von diesem ficher treffenden, weitira geuden rasanten Geshütz von Anfang an cinen so ausgiebigen Gebrau zu machen, daß man damit das Gefehtsfeld beherrscht. Es werden also in den Schlachten der Zukunft vorauésihilih die Artillerielinien das eigentlihe Gerippe der Schlacht bilden und den anderen Waffen ten Weg etnen, ter zum

leihtert wird.

Bildung von Feldhaubigßen- Abtheilungen. Es ist vorgesehen, inner- halb des gegebenen Rahmens jedem Armee-Korps eine Haubitzen- Abtheilung zuzutheilen. Auh in Bezug hierauf muß man die Entwickelung der modernen Technik ins Auge fassen. Das neue vervollkomwnete Geschüß is in feiner Flugbahn ra- fanter, es beherrscht natürliÞ das Gefechtsfeld auf größere Entfernungen; aber die Schwierigkeit, den Gegner in der Deckung zu treffen, wähst, und selbstverständlißh wird man versuchen, fi einem derartigen Geshüßfeuer dadurch zu entziehen, daß man DeckEungen benußt oder sie sid s{chafft. Wenn nun Feld- haubißen zur Ergänzung der Flahbahngeschüße vorgeschlagen werden, fo ist das keine Improvisation: es finden vielmehr seit Jahren ein- gehende Versuche mit diesem Geshüg statt. Nicht nur auf den Schießpläßen, sondern auch in den Manövern in größeren Verbänden hat sih dasselbe durhaus bewährt, und dürfen wir uns der Ueber- zeugung hingeben, daß wir, der Technik entsprehend, auch mit diesem Geschüß das Richtige getroffen haben. Die Haubite ist nicht shwerer als das Flahbahngeschüß ; nur selbstverständlih hat sie ein größeres Kaliber, und die Geschosse mit verhältnißmäßig sehr großen Sprengladungen sind im stande, da rash entscheidende Wirkung zu bringen, wo die Flahbahngeschüße mit ihren Sprenggranaten viel mehr Arbeit haben und weniger Sicherheit gewähren würden. Also gewähren Sie der Feld-Artillerie au in dieser Beziehung das, was sie zur vollkommenen Leistung bedarf. /

Die Fuß-Artillerie, die Pioniere und der Train sollen geringe Aenderungen erfahren: für die Fuß-Artillerie ist ein neues Bataillon vorgesehen. Hierfür sind ledigli praktishe Bedürfnisse maßgebend, da wir eine gewisse bedrohte Befestigungsgruppe besißen, für die die erforderlihen Fuß-Artilleristen fehlen.

Bei den Pionieren soll ein Bataillon für das neue Armee-Korps geschaffen werden. Jch gebe zu, daß wir an tehnischen Truppen im Verhältniß zu anderen Armeen ztemlich stark sind; wir sehen darin aber einen fehr wesentlichen Vortheil; denn die Wichtigkeit, Kommuni- kation herzustellen und Deckungen zu schaffen, tritt in der beutigen Zeit besonders kbervor.

Beim Train soll eine, die 3. Kompagnie bei dem Train- bataillon Nr. 25 errihtet werden, da dieses Train-Bataillon für das neue Armee-Korps als Cadre für die Kriegsformationen dient.

Im. übrigen sind für den Train noch einige Bespannungs- Abtheilungen vorgesehen. Der Reichstag hat bereits seiner Zeit For- derungen dieser Art zugestimmt, und ich kann versichern, daß die Schaffung dieser Bespannungs-Abtheilungen wesentlih dazu beigetragen hat, die Spezialwaffen kriegsgemäß auszubilden.

Schwerwiegender is die Organisation der Verkehrstruppen. Hier sollen die Eisenbahntruppen, die Telegraphen- und Luaftschiffertruppen unter einer gemeinsamen Spiße zufammengefaßt werden. Die Be- gründung führt schon aus, welch?2 Rolle unter heutigen Verhältnissen die Kommunikattionen spielen, und wie wir ohne diese Verbindungen und ohne fahgemäße Benußung derselben garüiht im stande sind, die Heeresmassen zu keiten und zu verpflegen.

Bei den Eisenbahntruppen soll eine Betriebs- Abtheilung errichtet werden. Es beruht dieses theils auf dringenden dienstlihen Gründen innerhalb der Truppe, theils darauf, daß wir den Betrieb der an {ih so wichtigen Eisenbahn Berlin—Jüterbog unbedingt siher stellen müssen. Auch bezüglih der Formation der Telegraphentruppen haben wir zunächst den Versuh8weg beschritten und : hierzu die beim Garde- Pionier-Bataillon vorhandene 5. Kompagnie verwendet. Bet diesem Berfuch find die Bedingungen festgelegt worden, welche dem Telegraphen- dienst zu Grunde liegen. Es war nicht leiht, ein gutes, allen An- forderungen entsprehendes Kriegsmaterial zu konstruieren. Jett find wir so weit, daß wir zu selbständigen Telegraphenformationen schreiten können. Schon unsere Friedenserfahrungen weisen uns darauf hin, daß ohne telegraphische Verbindung die großen Truppenmassen nit zu führen sind. Andererseits zeigen aber au diese Erfahrungen, daß,

enn diefe Telegraphenlinien nicht von einem absolut zuverlässigen und für diesen Dienst ausgebildeten Personal betrieben werden, dieses wichtige Krieg8mittel leiht völlig versagt. Die Schaffung einer besonderen zuverlässigen Telegraphentruppe läßt sh daher nit länger verschieben.

Auch bei der Luftschiffer-Abtheilung haben die langdauernden und zablreihen Versuche endlich und nah s{werem Ringen zur Bereit- stellung cines kriegsgemäßen Materials geführt. Wir sind jett in der Lage, die erforderlihen Kriegsformationen event. aufstellen zu können, und foll die beabsichtigte Verstärkung der Luftschiffer - Abthei- lung diesen Zwecken dienen.

Hiermit verlafse ih die cinzelnen Waffengattungen, möHte aber noh auf eine Frage, deren Besprehung ih mi nicht entziehen kann und will, das ift die Frage der aftiven Dienstzeit, näher eingehen. Die Vorlage macht den Vorschlag, es bei dem bisherigen Zustande zu belassen, weil der Augenblick zu einer definitiven Beschlußfassung no% nit gekommen is. Jch halte es aber für zweckmäßig, diese Frage ganz coffen zu erörtern, und will ich die Vortheile und Nachtheile der verkürzten Dienstzeit Jhnen niht wvorent- halten. Man hat \sich, als man zur zweijährigen Dienstzeit überging, an vielen Stellen wohl von der Verantwortung, die damals die Kriegsverwaltung trug, keinen rihtigen Begriff gemacht. Wenn man sich in der Frage irrte, dann stellte man die Operations- fähigkeit der Armee in Frage. (Sehr richtig! rechts.) Aus diesem Grunde wurden die vierten Bataillone“ ge\{hafen, weil wir qus den. Versuchen, die in kleinerem Umfange gemacht worden waren, die Ueber- zeugung gewonnen hatten, taß, wenn den Truppen alle Schwierig- keiten, welhe die Ausbildung beeinträchtigen, genommen würden, die Arbeit geleistet werden könne. Es wurden daher diese vierten Ba- taillone gewissermaßen als Formationen zweiter Linie betraHhtet und demgemäß ausgestattet. Dank dieser Einrichtung, ist die Operations-

Erfolg. führt. | Uai Das zu errei@en, um derartige Azitillerieliniea, derartige -

fähigkeit der Armee keinen Moment zweifelhaft gewesen. Wie ih die Sache weiter entroickeln würde, hing wesentlih davon ab, wie sich

Massen zu etablieren, muß man eine Organisation haben, welche die Handlichkeit der Artillerie garantiert. Das kann man aber nur, wenn man kleine Verbände hat, Verbände, in denen eine gemeinsame Feuerleitung noch mögli ist. Darum macht die Vorlage den Vor- {lag, jeder Divifion eine Brigade Feld-Artillerie, getheilt in zwei Regimenter zu zwei Abtheilungen à drei Batterien, zu geben. Ich glaube, daß diese Organisation diejenige is, welhe gewissermaßen dem Ideal der Artillerie entspriht. Jh erwähne nur nebenbei, daß auf diesem Wege auhch der so wichtige Munitionsersaß wesentlich er-

Neu ift bei dieser in Auésiht genommenen Organisation die

*nicht mehr in dem Maße vorhanden ift.

in der Armee das Vertrauen zu der verkürzten Dienstzeit gestaltete und ob die Truppen \ich in der Lage und bereit füblten, die Mehrarbeit leisten ¿zu können. Als diese Erkenntniß gewonnen, diese Frage bejaht worden war, ergab es \sich von selbst, aus den For- mationen zweiter solche erster Linie zu mahen, man i also, meine ih, ganz Togisch vorgegangen. Nach dex Verschmelzung der vierten Bataillone haben wir also die 1hatsählih verkürzte Dienstzeit seit dem 1. April 1897. Die Vortheile der verkürzten Dienstzeit werden niht verkannt und: ich will sie ohne weiteres hier aufzählen. Vor ihrer Einführung hatten wir zwar den 3, Fahrgang, aber einen ver- stümmelten, der sich zum größten Theile aus {chlecht ausgebildeten und Leuten von \{lechter Führung zusammenseßte. Das war keine Hilfe für die Truppen, im Gegentheil, es war ein Hemmniß. Die Truppen sind daher, mit dem Verschwinden dieser Leute aus der Front, in ihrem Aussehen und ihren Leistungen gleichmäßiger. Ferner if, wie erwartet, und das findet man bei der Bearbeitung der Mobilmachungs- vorarbeiten bestätigt, die Zusammenseßung der Feldformationeu inso- fern günstiger und gleihmäßiger geworden, als sie sich aus jüngeren Jaÿrgängen zusammenseßt als früher. Besonders segensreih für die Armee ist au der aus Anlaß der Einführung der verkürzten Dienst- zeit erfolgte Uebergang von der Maximalstärke zur Durhschnittsftärke für die Armee gewesen. Die sogenannten Prozentmannschaften werden infolge dessen jeßt zugleih mit den Rekruten eingestellt, sodaß eine befondere Ausbildung von Nachersa fortfällt und für jeden Abgang im Laufe des Jahres fofort ein entsprehend ausgebildeter Mann in die frei gewordene Stelle eingestellt werden kann. Nicht weniger bewährt hat sich die Maßnahme, die Rekruten so früh einzustellen, daß die bessere Jahreszeit noch gründlich ausgerußt werden kann, Die Truppe ift daher im Frühjahre früher verwendungsfähig. Diesem unleugbaren Vortheile stehen aber auch wesentliGe Nachtheile gegenüber. Zunächst ist, wie ih bereits erwähnt habe, der Stamm an ausgebildeten Mannschaften zu gering. Wir können mit der Etatsftärke in dieser Weise nicht gut durhkommen. Die Güte einer Truppe hängt aber wesentli von dem Kern ab, an den sih die Anderen anlehnen. Es if daher zweifellos, daß, wenn ih zwei aus8gebildete Jahrgänge habe, der Halt der Truppen ein er- heblih besserer sein muß, als wenn nur ein Jahrgang Ausgebildeter vorhanden ist. Auch manche Erscheinungen des inneren Lebens der Armee sprechen hierfür und machen si nach dieser Richtung Zeichen einer Wandlung bemerkbar. Jeßt stehen fi wie in der Schule die Alten und die ‘Neuen gegenüber, es fehlt eben der Ausgleich. Früher hielt der Gefreite des dritten Jahrgangs {on Ordnung, er hatte seine Autorität. Das twoar cine bewährte Hilfe sür den inneren Dienst und für die eigene Sicherheit in der Truppe. Auch fehlt das geeignete Personal für verantwortliße Kommandos, für schwierige Posten u. f. w., das nun aus dem zweiten Jahrgang genommen werden muß. Vor allem wissen wir auch nit, wie |ich im Be- urlaubtenstande die kurze Dienstzeit geltend machen wird, denn dar- über fehlen die Ecfahrungen. Jedenfalls steht fest, daß das Material für die Unteroffiziere der MReserve- und Landwehrformationen Früher bildeten wir die tüchtigen Leute des dritten Jahrgangs planmäßig zu Unter- offizieren der Refserve- und Landwehrformationen aus. Dazu find wir jeßt niht mehr im ftande, unv die kurze Dienstzeit erlaubt nicht, in dieser Hinsicht Abhilfe zu {chafffen. Dena wenn au die Uebungen in reicher Zahl auf dem Papiere ftehen, so weiß do jeder

von den Herren, wie es damit steht. Die Mittel, die uns gewährt

werden, reihen kaum dazu aus, um im Durchschnitt jeden Reservisten

und jeden Landwehrmann je einmal zu einer vierzehntägigen Uebung

heranzuziehen. Daß das niht ausreiht zur Erwerbung der Quali-

fikation eines Vorgeseßten, leuhtet wobl ein. Ferner kommt in Be-

tracht, ob das Aufsichts- und Ausbildungsperfonal auf die Dauer die Anstrengungen aushält, die die Mehrarb#it bei der verkürzten Dienstzeit

mit sih bringt. Auch hier liegen ausreihende Erfahrungen noch nit vor. Daß aber die Anstrengung eine ganz ungewöhnlickhe ift, daß eventuell Abhilfe geschäfft werden muß, das is ja in der Literatur, in der Oeffeatlichkeit {on häufig und klar dargelegt worden. Wenn ih uun beide Seiten, die Vortheile und Nachtheile

der verkürzten Dienstzeit darzulegen versucht habe, so kann man an

mich vielleiht die Frage rihten: wie denkt fih die Kriegsverwaltung

die Zukunft? Diese Frage ift positiv natürli nit zu beantworten.

Das Gesetz selbst gieöt bereits den Weg an, ‘den wir beschreiten

wollen. Im Gesetz ist der Vorschlag gem2cht, daß jenen Mannschaften,

welche ein drittes Jahr bei der Fahne bleiben, bestimmte Ver-

günstigungen im Beurlaubtenverhältnisse zugebilligt werden sollen.

Wenn es gelingt, auf diesem Wege eine größere Zahl von Männ-

schaften der Truppe zu erhalten, dann s{chwindet ein wesentlicher

Theil der Nachtheile, die ih entwickelt habe. Gelingt das aber nit,

dann muß hier die Geseßgebung eingreifen, dann würde geseßlih

eine bestimmte Quote festzuschen sein, die noch über das zweite Jahr

hinaus bei den Fußtruppen bei der Fahne verbleibt. Es ist kaum

nöthig, daß sie ein ganzes Jahr bleibt, man kann nach einem halben

Jahre wechseln. Dann gewinnen wir eine Hilfe für das Ausbildungs-

personal und das Material für die Unteroffizierhargen der Reserve-

und Landwehrformatioaen. Also der Wzg ift hier bereits angedeutet.

Ih glaube, daß eine Härte darin nit liegen würde; denn wenn bei

den berittenen Waffen die dreijährige Dienstzeit festgehalten wird

und festgehalten werden muß, dann fällt doch diese Gegen-

leistung der Infanterie nit fo {chwer ins Gewicht. : Meine Herren,

máthe man sih doch einmal die richtige Vorstellung von der

Last, die in dieser Hinsicht auf der Arm-:e lastet. Wir haben ja

seiner Zeit in Preußen einen derartigen Versuch gemaht. Die

Gardetruppen und sämmtliche Truppen in den Bundesfestungen blieben

von der zweijährigen Dienstzeit ausgenommen. Ferner haben wir die

Bundes: Krieg8verfassung als unzureichend beseitigt, wir haben ge-

glaubt, etwas Besseres an deren Stelle zu setzen. Die Bundes-Kriegs-

verfassung fette aber fest, daß bei den Fußtruppen die Leute tnin-

destens zwei Jahre, bei den berittenen Truppen mindestens drei Jahre

dienen follten. Wir sind auf dem* Minimum der alten Bundes-

Kriegsverfassung angelangt. Ich glaube hiernach, daß die Verhältnisse

zur Zeit doch derart sind, daß jeßt ein Beschluß in dieser Hinsicht

nit gefaßt werden kann, und daß cs unbedingt nothwentig ift, das

Verhältniß, wie es besteht, für die nähsten fünf Jahre noch beizu-

behalten.

Ich möchte bei der Erörterung dieser Frage nun noch eine sehr ernste Angelegenheit zur Sprache bringen, eine Angelegenheit, die nicht

auf dem militärishen Gebiet liegt, die aber die Ausbildung in der

Armee auf das wesentlichste beeinflußt. Es bedarf keines Beweises, _dafi fih derjenige Ersaß am besten ausbilden läßt, der gutwillig ist und die moralische Qualifikation hat. Jh habe bereits im vorigen

Jahre angedeutet, daß unsere Erfahrungen in dieser Hinsicht Feine günstigen wären; ih war aber niht in der Lage, ein ershôpfendes Material beizubringen, und habe es erft in diesem Jahre sammeln können. Für jeden, der ein warmes Herz für die Armee und für das Volk hat, möchte ih nun einzelne Zahlen hier anführen. Jch habe eine Nalweisung, die die Zeit um- faßt vom Jahre 1882 bis 1897, also einen fünfzehnjährigen Zeit- xaum. Es hat sich in dieser Zeit die Zahl der auëtgehobenen Personen ich sehe dabei von den Freiwilligen ab, die stets unbestraft waren und find —, die wegen strafbarer Handlungen, die vor ihrer: Ein- ftellung begangen sind, vorbeftraft waren, um 820/96 vermehrt. Die Bestraften haben sih vermehrt feit 1882 von 10,65 auf 19,2 9%/o.

Um welte Zahlen es sich hierbei handelt, mögen Sie aus Fol- gendem entnehmen: - Die im Jahre 1897 in die Armee eingestellten Vorbeftraften. umfassen 41 423 Mann. Die Angaben find aber noch nit erschöpft. Ich habe soeben nur tie Zahl der Personen an- gegtben, die vorbestraft waren. Die Zahl der Strafen is wesent- lih höher und muß zu den ernstesten Bedenken Anlaß geben. Es sind 2 bis 5 mal bestraft 12 873 Mann, die Vermehrung beträgt 125 9/0 in 15 Jahren. Es sind 6- bis 10 mal bestraft 1399 Mann ; der Zuwachs beträgt 141 09/. Wenn ih die Handluzagen, die zu den Strafen führten, in Betracht ziehe. so find natürlich die Prozent- fäße noch ungünstiger. Die Zahl der bestraften Handlungen hat in den 15 Jahren um 86 0/6 zugenommen, und zwgr bezieht fich dieses nur auf die gerichtlichen Bestrafungen. Die polizeilihen und sonstigen Bestrafungen haben eine Zunahme um 102 9/6 erfahren. Um den Charakter der Vergehen näher zu bezeihnen, will ich nur eine Zahl nennen. In den 15 Jahren find die Bestrafungen wegen Körperverleßungen um 150% in die Höhe gegangen.

Ich glaube, meine Herren, Sie werden fich davon überzeugen, daf die Autbildung eines folchen Erfaßes uns doch rechte S{hwierig- Feiten mat, und daß der Augenblick, jeßt in Betreff der Dienstzeit Gntschlüfse zu fassen, diesen Erscheinungen gegenüber wenig gut ge- wählt sein dürfte. Man muß die Entwickelung dieser Verhältnisse mit großem Ernst und mit großer Ruhe abroarten. (Sehr ritig !)

Wenn ih hiermit am Schluß meiner Auseinanderseßung an- gekommen bin, so hoffe i, Sie werden sich überzeugt haben, daß es bei den Vorschlägen, die die verbündeten Regierungen gemacht baben, h nit um befondere Vorliebe für irgend eine Organisation handelt, sondern daß daëjenige, was gefordert wird, fich naturgemäß entwidelt aus den Unvollkommenheiten, die jede große Organisation mit sich bringt; und wezn man seine eigene Stellung richtig auffaßt, so, meine ih, hat das deutsche Volk und seine Vertretung das Recht, die Mängel kennen zu lernen, und es ift unsere Pflit, Abhilfemaßnahmen vorzuschlagen. “Ih hoffe, daß das hohe Haus diese Vorlage einer Kommission über- weisen wird, ‘und nach den Erfahrungen, die ih in dieser Hinsicht gemaht habe, wird es mir eine Freude sein, an den Berathungen der Kommission tbeilzunehmen. Ich bin der Ueberzeugung, daß das, was in der Kommission beschlossen wird, zum Heile Deutschlands und der Armee gereihen wird. (Bravo!)

Abg. Richter (fr. Volksy.): Die legten Ziffern des Kriegs- Ministers eignen sh niht zu näheren Betrachtungen ; es giebt eine Menze von Bestrafungen auf Grund der Steuergeseße, aaf Grund von polizeilih2n Verordnungen u. |. w , die durhaus keinen fittlihen Mangel bekunden. Die Kriminalsftatistik zeigt eine Abnahme diefer Verbrechen, welche einen sittlihen Mangel enthalten. Bei der großen Zunahme des Heereskontingents müssen natürli au s{chlechtere Elemente des Volkes in das Heer gelangen. Der Kriegs-Minister hat aus diesen seinen Andeutungen keinerlei Schlußfolgerungen auf die Vorlage ge- zogen. Nach den Bekundungen der Militärvecwaltung selbft haben die militärishen Bestrafungen seit Einführung der zweijährigen Dienftzeit nicht zugenommen, foadern abgenommen, und darauf kommt es do in erster Linie an. Der Kriegs - Minister hat auf die Kriege der leyten Zeit in Japan, Amerika u. st. w. hingewiesen; daß die Kricgsvorbereitungen im Frieden von großer Wichtigkeit find, darauf beruht unser ganzes Heeressystem seit 1813; dezhalb ift unser Heeres- system z¿. B. das Muster für Japan gewesen. Das beweist zu viel und deéhalb \chließlich garnihts, denn damit fönnte man eine Heeteëverstä!kung um 20 000, aber auch eine um 50000 9der um 100000 befürworten. Der Kriegs - Minister hat es fo dargestellt, als ob die Vorlage gleihsam den Wünschen des Haufes entspreche. Dagegen muß ih doch Widerspruch erheben. Selbst Herr von Kar- dorf hat eine Vorlage in diesem Umfange nicht erwartet, sondern eher eine Vermehrung der Auszaben für die Flotte. Ebenso- wenig hat Herr Rickert eine folche Vorlage erwartet. Eine Er- weiterung der Detachements der Jäger zu Pferde, eine Vermehrung der Bespannung der Artillerie, eine Vermehrung der Verkehrstruppen, der Giienbahner, der Luftschiffer u. #. w. konnte man erwarten ; aber es wird eine Verstärkung um 26 000 Mann verlangt mit einem laufenden Kostenaufwand von 28 Millionen Mark und einem außer- ordentli hohen Extraordinarium. Die Präsenzerhöhung soll nicht auf einmal eintreten, jondern ecft 1203 voll erreiht werden. Der Kriegs- Minister bezeihnet es als ein Entgegenkommen, daß jept die Präsenz- stärke alljährlich festgestellt werden foll. Das wäre ein Entgegenkommen uns gegenüber, denn wir allein haben eine folche Forderung in unserem Prozramm. Aber dieses Recht shließt nur ein die Verpflichtung, eine höhere Prâsenz festzustellen, aber niht das Reht der Verminderung ter Práfenz. Bisher hatte man do) während der 5 Jahre der Bewilli-

ung Ruhe, jeßt nimmt das Organisieren in der Militärverwaltung {ließlich gar kein Ende mehr. Dem Parlament ist nur in Einzelheiten

Spielraum gelassen, der aber nicht verhindert, daß innerhalb der Zeit

bis 1903 neue Forderungen auftreten, Gerade der Zickzackurs, der au in militäcischen Dingen herrscht, hindert uns, tm voraus Be- willigungen eintreten zu lassen. Von 1893 ab hat man die Stellung fortwährend geändert. Die Halbbataillone wurden erst als noth- wendig bezeihnet, dann hat man sie zu Volibataillonen vereinigt und s{ließlich zu Brigaden zusammengezogen, und jeßt will man sie zur Hälfte wenigstens zu Divisionen vereinigen. Die Vorlage ift nit aus einem einheitlichen Prinzip entstanden, sondern enthält ein großes Bündel von einzelnen Fragen, die vollständig unabhängig von etnander find. Wenn auh von den 26 000 Mann mehr nur 7800 Mann auf die Feld- Artillerie entfallen, L liegt darin doh der Shwer- punkt der Vorlage. Die Organisationsfrage und die Bermehrung der Batterien müssen von einander geschieden werden. Die erste Frage ift eine durchaus tehnishe, deren Mehrkosten auch nicht fo erheblich o auch die Frage von der Zu1heilung der Artillerie zu den Divisionen

att den Armee- Korps 1st durchaus technisch und- verursacht nicht ertebliche Mehrkosten. Anders liegt es mit der Vermehrung der Geshüge; davon hat niemand eine Ahnung gehabt. Selbst die militärischen Sah- verftändigen haben im „Vtilitär- Wochenblatt“ derartige Forderungen nit geftellt. Wenn man mehr Geschüge für nothwendig hält, warum vermindert man die Formationen nich, die ihre Bedeutung verloren haben, z. B. die Zahl der reitenden Batterien, auf deren erheblihe Verminderung man allseitig gerechnet hatte? Hier sollte do nit die Tradition entscheiden. Die ‘Motive knüpfen an die Vermehrung der Kavallerie allgemeine Betrachtungen über dieNothwendigkeit ber Kavallerie. Aber was angeführt ist, beweist garnichts oder nicht viel. Denn wenn

die 66 000 Mann Kavallerie niht ausreichen, dann macht es doch |!

nit viel aus, ob noch 1830

ferde dazukommen. Der Sicerheits3- dienst der Aufklärung foll \{chwieriger geworden sein, aber die früher nothwendigen Massenwirkungen der Kavallerieattacke baben jeßt gegen- über dem Schnellfeuer keine Bedeutung mehr. Eine gewisse Poefie hat früher den Reiter umshwebt; eine große Kavallerie-Division über das Feld dahinstürmend, ift allerdings ein hübs{her Anblick. Aber bei dem jeßigen Schnellfeuer haben sole Attacken doch keine Bedeutung. Für den Grenzshuß sind allerlei Vorbereitungen elfen. Wenn wirklich ein russisher Kavallericeinbruh tattfinden sollte, fehr weit kommen wird cr ins Innere des Landes nicht, und die 10 Schwadronen mehr bedeuten da auch nichts; man Eöônnte böhstens mehr Kavallerie in die Ostprovinzen verlegen. Graf Caprivi hat cinmal gespottet über das, was man als russische Grenzprovinzen betrachtet; er meinte, ein - äbnliher Bezirk würde in Deutschland bis Koblenz reihen, und innerhalb dieses Rayons läge viel mehr deuts{es Militär, als in dem russishen Bezirke. Wenn man die Meldereiter-Detachements vermehrt uad anders organisirt,

- wethalb hält man die alten Jäger-Bataillone, die ihre Bedeutung

verloren haben, noch aufrecht? Diese Bataillone nehmen leich das beïîte Unteroffiziermaterial für #\ch in Anspruch. Im Jahre 1896 hat man die Grenzbataillone von 660 auf 600 Mann reduziert, jeßt soli ihre Prâsenz wieder erhöht werden. Das könnte geshehen durch Reduzierung der Mannschaftszahl der übrigen Bataillone, und zwar ohne jede Schädigung derselben; denn die deutschen Bataillone find ftärker als die Bataillone in Nuß- land, Frankreich u. f. w. Man könnte auch die besonders starken Garde-Bataillone erheblich reduzieren, die nur so ftark sind, um die Parade schöner zu gestalten. Aber der Garde gegenüber beruft man i eben auch auf die militärisGen Traditionen; ihnen verdanken wir ja auch, daß faîst alle Garde-Regimenter ausfließlich adlige Offiziere haben, während die Zahlmeister und Aerzte allerdings bürgerlich find. Wenn jetzt der dritte Jahrgang so aerühmt wird, fo darf do nicht vergessen werden, daß er beim Bataillon höchstens 75 Mann stark war. Jeßt wird geklagt über die vielen Abkomman- dierungen, die auf dem zweiten Jahrgang lasten. Im Jahre 1892 sollten gerade die Halbbataillone diese Last übernehmen. Einige Ausführungen eines militärishen Sachverständigen über die Verwendung ven Soldaten zu allerlei ökonomishen Zwecken zur Ausbesserung der Kasernen werden die Maurer und Maler verwendet zeigen, daß die Mannschaften nit immer gerade für militärische Zwecke verwendet werden. Arch zur Küche werden viele Leute abkommandiert. Besonders bedenklich ift das Burschenwesen. Früher hatten nur die regimentierten Offiziere Burschen, jeßt hat jeder kommandierte Offizier seinen Burschen. Ueber den Fortschritt der Rüstungen mag ja der Kriegs-Minister mehr unterrichtet sein als jeder Andere. Aber die „Löbell’shen Jahrbücher“ baben doch auch für andere Leute die Nachrichten hinreichend bekannt agemacht. Im Jahre 1893 hat in OVeutshland die leßte Er- höhung der Präfenzstärke stattgefunden. In anderen Staaten hat man feitdem feine erbheblihere Verstärkung vorgenommen. Oesterreich und Italien haben lange niht eine folhe Ver- ftärkung vorgenommen wie wir. Rußland kann man wegen seiner großen Flächenausoehnung mit Deutschland nicht ver- gleihen. In Frankrei stehen bei Berücksichtigung der zahl- reihen Beurlaubungen 40 000 Marn wentger unter Waffen als in Deutschland. Neue Formationen sind dort nur bei den Spezialwaffen binzugefommen. Die geringere Präfenz und Aushebung in Frankreich ist ja sebr begreiflih, weil die Bevölkerung Frankreichs geringer ist als die Deutschlands. Für Rußland liegt eine Grenze der Verstär- fung des stehenden He-eres in der langen Dienstzeit. Es sind also niht praktishe Gründe, welche für die Verstärkung der Frieden®- präsenz \prechen, sondern es handelt si um die Verwirklichung des von Verdy’schen Ideals, daß jeder Dienstfähige auch wirkli in den Waffen ausgebildet werden soll. Darunter müssen aber die Kultur- interessen leiden. Seitdem Herr von Verdy seinen Aus- \spruh gethan, ist die Aushebungéziffer {hon erheblich ge- stiegen, sodaß \chon_körperlih mwminderwerthige Mannschaften eingestellt werden müssen. Der Minister meinte, die Vor- lage lege die Ziele und Zwecke d:r Militärverwaltung klar. Das if richtig, sie werden klargelegt; niht nur bis 1903, fondern au darüber hinaus will man eine Vermehrung der Friedenspräsenz- stärke festlegen. Die ganze Sache ift darauf angelegt, später noch 4 neue Armee-Korps zu hafen. Die zweijährige Dienstzeit foll aber noch nit festgelegt werden, denn das, was fo tief in das Leben eines jeden Bürgers eingreift, kann man nicht dem Belieben der Verwaltung überlassen. Man fkann allerdings nicht mehr die dreijährige Dienstzeit in der alten Weise wieder cinführen, daß man einen ganzen Jahrgang zurückbehält. Man könnte eine gewisse Anzahl zurückbehalten, und niemand von den Mann- schaften weiß, ob er nicht nach zwei Jahren zu denen gehören wird, welche zurückbehalten werden. Diese Unsicherheit muß aufhören. Wir sind uns {lüssig geworden, unseren Antrag auf dauernde Festlegung der zweijährigen Dienstzeit einzubringen. Daß man das Aushilfépersonal aus dem dritten Jahrgange * bei der zwei- jährigen Dienfstz-it niht baben würde, ist keine neue Erfahrung, das wußte man {on bei der Einführuag derselven. Man spricht von der Leutenoth auf dem platten Lande; man sieht ch nach Jtalienern u. . w. um. Die Mannschaften werden eben der Arbeit auf dem Lande dur den verstärkten Heeresdienft entiogen. Wenn man die Berbältnifse auf dem Lande dur Industrialisierung des Ostens heben will, dann follte man niht den Geldmarft für unproduktive Anlagen so erheblih in Ansvruh nebmen. Die Finanzlage ift ja allerdings im Neiche und in Preußen eine günstige. Aber der preußische Finanz- Minister warnt dringend davor, daraufhin neue Ausgaben, zu bes willigen; denn nur ein woblhabendes Land mit guten Finanzen wird auch ftark sein. 1 :

bt a Raik von Stumm (Rp.): Was Herr Richter vor- gebracht hat, hat er schon bei früheren Militärvorlagen und auch in seiner lezten Etatérede {on vorgebraht. Herr Richter hat immer von einer Vermchrung der Mannschaften um 28 000 Mann gesprochen, während es sich nur um 26000 Mann handelt. So fpringt Herr Richter, der aís eine Autorität auf diefer (linken) Seite betrachtet wird, mit Zahlen um. Daß die Zahl der Bestrafungen wegen Körperverleßungen zugenommen hat, ist cin Beweis da- für, daß die Rohbeitsverbrechen und „Vergehen so zugenommen haben, daß dagegen Remedur geschaffen werden muß. Herr Richter meinte, daß die ftufenweise Bewilligung der Verstärkung der Präsenz cine Beunruhigung für die Armee enthalte. Glaubt er, daß durch die jährliwe Bewilligung eine geringere Beunruhigung hervorgerufen wird? Wenn Herr Richter fofort für den 1. Oktober 1899 die geforderte Vermehrung bewilligen wollte, so würde der Kriegs-Minister chwerlich dagezen etwas einzuwenden haben. Die Vorlage ist, richtig verstanden, eine Konsequenz der Windthorst’ schen Nefolution, welhe 1890 vom Reichstage angenommen wurde. Herr Nichter hat gefragt, was sih seit 1893 geändert habe, um die Vermehrung der Präsenz ¿u fordern. Es hat sich die allgemeine politishe Laze geändert, die Vermehrung der Bevölkerung und ihre Steuerfähigkeit kommt hinzu. Die Sozialdemokraten haben die Kundgebung des Kaisers von Rußland als nit ern gemeint dargestellt. Ich bin der Meinung, daß die Kundgebung vollständig ernst gemeint ist und auch zu einem guten Erfolge führen wird. Ueber die Art und Weise, wie die Ab- rüstung ausgeführt werden kann, sind verschiedene praktische Bor- schläge in der leßten Zeit veröffentlicht. Es bestehen s{chon Ab- kommen völferrehtliher Art über die Abstellungen ver Graufamfkeiten ter Kriegéführung. Aber der Weg wird wahrscheinlich nicht eingeshla- gen werden, daß die einzelnen Völker ihre Rüstungen vermindern. Dazu ist die politishe Lage nicht. angetban. Wenn fpäter vielleicht eine Abrüjtang um 109% beschlossen werden solle, fo spricht dies durchaus dafür, daß wir jeßt die Vorlage annehmen. Denn es ist doch klar, daß bei einer folhen Verminderung der Rüstungen derjenige Staat am besten fortkommt, der vorher am meisten gerüstet hat. Wir haben im Deutschen Reich durchaus keine Gelüste- nah Ländererwerbungen. Fch habe es daher au bedauert, daß man hier im Reichstage von

einex Vergrößerung Deutschlands, von einem Alldeutschland gesprochen

hat. Wir baben die Verpflichtung, das, was in unserer Ve: fassung enthalten ift, nämlich daß jeder Deutsche wehrpflihtig : ist, soweit unsere Kraft ausreiht, durhzuführen. Wir müssen die Frage auf- werfen, 9b die Aktionskraft unserer Verbündeten noch dieselbe ist wie früher. Ich brauche nur auf Ungarn und Italien hinzuweisen. Wenn ih au fest überzeugt bin, daß die Monarchen und ihre Regierungen am Dreibunde festhalten, so kann doch niemand sagen, wie die Parlamente {ih dazu stellen werden. Unserem dahingegangenen Neichs- kanzler will ich über diese Frage nicht die Aeußerung unterlegen, welche ein rheinishes Blatt mitgetheilt hat; es handelt sich um eine durchaus apokrypbe Behauptung; denn sie wird auf einen Tag verlegt, an welchem Lothar Bucher, von dem sie mitgetheilt worden sein fol, schon längst gestorben war. Aber eine andere Aeußerung des Fürsten Biêma1ck liefert den Beweis, daß die Theilnehmer des Drei- bundes für Deutichland nit mehr die große Bedeutung haben, die fie früher hatten. In Frankreich wird von seiten der Chauvinisten mehr als je gegen Deutschland geheßt. Wenn es überhaupt zu einem Kriege kommt, dann wird Deutschland von zwei Seiten angegriffen werden. Herr Richter meinte, daß die Aushebung in Deutschland stärker ist als in den anderen Staaten; er hat aber die Zahlen der Be- gründung der Vorlage nicht als falsch nachgewiesen. Thatisächlih ift die Aushebung in den anderen Staaten arößer als in Deutschland, und dazu kowmt roch die längere Dienstzeit in den anderen Staaten. Für die Prüfungen der Zahlen is das Plenum nit der Ort. Ih nehme ohne weiteres an, daß in der Kommission die fämmilihen Zablen des Herrn Richter als absolut falsch nahgewiesen werden. Numerisch ift zweifellos der Zweibund dem Dreibund über- legen. Wenn wir {ließli allein stehen müssen, dann haben wir doch alle Veranlassung, auch den letzten Mann aufzubieten, um uns wehren zu können. Herr Richter hat bon ciner Vermehrung um 28009 Mann gesprochen, während es -sih nur um 26 990 handelt. Die Schlußfolgerung, die er bei der erften Lesung daraus zog, daß nâmlich die Vermehrung der Soldaten stärker fei als die Vermehrung der Bevölkerung, ist ebenfalls absolut unrihtig. Eine Vermehrung der militärishen Belastung tritt durhaus nicht ein. Die Behauptung, daß man bei der Vermehrung der Präsenz auf körperlih niht brauchbare Mannschaften zurückgreifen müßte, ift ebenfalls nicht wahr. Ungünstig wirkt die Vorlage allerdings, weil wir jeßt æœinen Mangel an Arbeitern haben, während wir 1893 einen Ueberfluß an solchen hatien. Aber wir haben es doch hier nicht mit dem Frieden, sondern mit dem Kriege zu thun. Ie stärker die Präfenz ist, desto mehr Mannschaften können nachher aus der Reserve eîn- berufen werden. Diejenigen, welche so sehr die Festlegung der zweijährigen Dienstzeit wünschen, sollten der Regierung dankbar sein für die Ver- ftärkungen der Bataillone. Denn €s liegt auf der Hand, daß shwache Bataillone von 500 Mann, die zur Zeit der Rekruteneinstellung unter Abrechnung der Ubkommandierungen vielleihßt nur 200 Mann zählen, nit aktionsfähig finde Die Verstärkung der Bataillone begünstigt also die Festlegung der zweijährigen Dienstzeit. Die Kavallerie ift bei uns in Bezug auf die Zahl weit hinter den Anforderungen zurüdgeblieben, die man an sie stellen muß Herr Nichter unter- schäßt doch die Beteutung der Kavallerie in feinen Ausführungen sebr erheblih. Herr Richter hat im Jahre 1893 ein noch s{hreck- licheres Bild entworfen. Er meinte, die Steuern müßten erheblich erhöht werden. Das ist nun durchaus niht geschehen. Jch glaube vielmehr, daß das erwerbende Volk ein großes Ver- trauen auf die Sicherheit. des Friedens gewonnen hat, das zur Besserung der wirths{chaftligen Verhältnisse führte, Wenn jeßt auch wirtlih eine niedergehende Welle im wirthshaftlichen Leben kommen sollte, so hat sich do in den leßten Jahren der Nationalwohlstand so vermehrt, daß wir mit Vertrauen in die Zukunft blicken können. Die wachsenden Schulden, welche Herr Richter beklagt, haben uns vor einem Kriege bewahrt. Hätten wir nicht für unfere Rüstungen die zwei Milliarden ausgegeben, fo bôtten wir längst den Krieg. Man hätte die Shuldenvermehrungen vermeiden können, wenn wir jährlih 40 Millionen mehr aus der Tabackssteu?-r hätten verwenden können. Wir find dazu bereit gewesen, aber die Mehrheit des Reichs- tages hat das abgelehnt. Die Reichsshulden find aber garnicht bedenklich; denn die Staatsschulden in Preußen sind ja nur nominell, weil sie reihlich durch die Eisenbahnen, Bergwerke u. \. w. gedeckt sind. Ich behaupte, es giebt gar keine produktivere Anlage als die Armee. Denn sie dient dem Schuße und der Sicherheit des Landes; an der Sicherheit des Landes haben aber alle erwerbenden Klassen ein großes Interesse. Die Landwirthschast stellt einen größeren Theil ihrer Angehörigen für die Armee als die Jndustrie; thr wird daher durch die Erhöhung der Präfenzstärke ein größerer Nachtheil zugefügt als allen anderen Erwerbszweigen. Es ift daher nothwendig, daß die Landwirthschaft dafür Kompenfationen erhält, DieReden von dèr Begehr- lichkeit der Agrarier sollten doch eigentli als das anerkannt werden, was sie sind: als Hun bug. Die Militärvorlage bildet eine geringe Belastung der deutshen Nation an Menschenmaterial und eine geringere finanzielle Be lastung, als sie irgend einem anderen Lande zugemuthet wird. Deutschland kann und muß diese Nüftung tragen, wenn es sich nit selbst aufgeben will. Am besten wäre es, alles zu bewilligen, was die Regierung fordert; wir zwingen sonst die Regierung, in einem anderen Falle mehr vorzuschlagen, als sie brauchk. Ich bin also im Großen und Ganzen für die Vorlage, vorbehaltlih einiger Kleinigkeiten, über die wir in der Kommission Auskunft verlangen werden.

Abg. Dr. von Leveßow (d. kons.): Es ist niht erfreulich und nicht vergnüglih, weder für die Regierung, noch für den Reichstag, cinen Gesegentwurf votieren zu sollen, der erheblice Kosten macht und dem Volke recht große finanzielle Opfer auferlegt. Wir werden mit Sorgfältigkeit zu prüfen haben, ob ein dringendes Bedürfniß vor- liegt. In unseren Augen ist es ein durhaus dringendes Bedürfniß, daß alles geschehe, was nothwendig ift, das Vaterland gegen äußere Feinde zu vertheidigen. Es scheint mir eine Lebensbedingung zu sein für das Deutshz Reih, das von starken und durchaus nicht immer friedfertigen Nachbarn umgeben ist, die Frage zu prüfen, was nothwendig ist, um das Reih unter allen Umständen zegen äußere Feinde vertheidigen zu können. Dazu if aber der

cihstag als solher kaum im stande. Die Frag? wird nur ent: schieden werden können von seiten der mit befferen Informationen versehenen Regterung, und der Reichstag wird sih von dieser Regie- rung über die Frage informieren lassen müssen. Die Verantwortung dafür, daß wir das Vaterland gegen den äuferen Feind siherstellen, trägt ausschließlich die Regierung. . Wir haben es in neuester Zeit und früher erlebt, daß nah einem unglücklichen Kriege der Volksunwille sich immer gegen die Regierung rictet, und daß es keinem Menschen eiri- fällt zu untersuchen, inwieweit die Volkévertretung mit verantwortlich ist. Fch erinnere an Spanien und an den letzten französischen Krieg. Wir wollen und können der Regierung diese Verantwortlichkeit in keiner Weise rauben. Die Frage, ob wir ihr die Mittel gewähren können, um diese Verantwortung zu trager, muß reiflih erwogen werden, Ich erwarte und boffe, daß die Regierung uns in der Kommission über verschiedene Einzelheiten gexügend aufklären wird. Eine solhe Auf- flärung ist in verichiedenen Punkten unbedingt nothwendig. Die Vorlage enthält Jukonsequenzen und Widersprüche, über die man sehr schwer hinwegkommt. Es scheint mir, daß hier ein A gesagt wird, dem ein B folgen foll, das noch niht genannt ift. Wie steht es mit der fehlenden 5. Schwadron bei den Jägern zu Pferde ? Wenn man diese Lücken und Unklarheiten sicht, so kommt man zu der Vermuthung, daß die Negierung uns noch weitgehende Zukunftspläne zumuthen will, Wenn man A sagen soll und dabei die Empfindung hat, daß ein B nachfolgen wird, dann möchte man gern wissen, wie das B aussieht. Ih mache dem Kriegs-Minister keinen Vorwurf, aber den Wunsch darf der Reichstag doch aussprehen. Wenn bei der Flotte si folche Gründungépläne für längere Zeit aufstellen ließen, müßte es auch beim Heere mögli sein. Jh bin über- zeugt, daß in der Kommission îm großen Ganzen das, was ich vermisse, von der Krieg8verwaltung beschafft werden wird. Ih kann im Namen meiner Freunde erklären, daß wir je nah den Ecklärungen, die dort hierüber abgegeben werden, unsere Abstimmung über die Vorlage einrihten werden. Die Frage der zweijährigen Dienstzeit läßt die Vorlage in suspens0o, weil

Erfahruagen datübcr, ob mit ter zweijährigen Dienstzeit auf die