1899 / 26 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Jan 1899 18:00:01 GMT) scan diff

K ep mina R E E Ti N t E R R ATE

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der Ausführungébeflimmungen, und auf Grund dieser Berathungen ift ein Entwurf von anderen Ausführungöbestimmungen im Reichsamt des Innern ausgearbeitet worden, der jeßt dem Bundesrath zur “Beschlußfassung vorliegt. Namentilih foll eine strengere Ueberwahung derjenigen Anstalten eintreten, die Lymphe berftellen. Aber auch in mancher anderen Beziehung sind Ver- befserungen und Vershärfungen eingetreten. Diese anderweitigen Ausführungsbestimmungen beruhen alle auf den bisherigen Bestim- mungen des Impfgeseßes, welches die verbündeten Regierungen nicht zu verlassen denken aus welchen Gründen nicht, habe ih bereits in der vorigen Session des Reichstages eingehend dargelegt und brauche ih das, glaube ih, beute niht zu wiederholen.

Was die Regelung der Irrenfraga anbelangt, so bin ih natürli nicht im ftande der Herr Abg. Lenzmann wird das anerkennen mi über jenen Einzelfall, von dem ich in diesem Augenblick erft höre, irgendwie zu äußern. Aber es ersheint mir wunderbar, daß ein Landesdirektor in einer Provinzial-Irrenanftalt einen Kranken zurüdck- balten sollte, wenn nicht dringende Gründe reglementarisher und ärztlicher Natur vorlägen. Meine Herren, ih fenne die Jrrenfrage ziemlih genau; denn zu meinem früheren Provinzialressort hat das Ressort der Jrrenanstalten gehört, und ih habe mich mit der Frage wirklih fehr eingehend beschäftigt. Ich kann dem Herrn Vorredner versichern, daß, namentlich auf Grund des Gesetzes üter die außerordentliche Armenpflege, die Irren- anftalten meistens so in Anspru genommen find, daß eine Provinzial- anftalt nicht daran denkt, einen Geifteskranken in der Anstalt zu be- halten, wenn niht absolut dringende objektive Gründe dafür vorliegen. Welche Gründe im vorliegenden Falle den Direktor der Anstalt dazu bewogen haben, kann ih nicht übersehen. Das wird aus dem Be- scheide, den der preußishe Herr Minifter des Innern auf die Be- \chwerde ertheilen wird, klar hervorgehen. Ih kann aber auf Grund der Erhebungen, die wir angestellt haben, eine reichêgesezlihe Regelung des Irrenwesens n i cht in Aussicht stellen. Es ift bereits in früheren Debatten bervorgehoben, daß man in Preußen erftens für die privaten Irrenanstalten Besuhskommissionen eingerichtet hat, die wiederholt Revisionen der Privatanstalten vornehmen und das Verfahren bei der Aufnahme, bei der Unterhaltung und bei der Entlaffung der Kranken prüfen. Die öffentlihen Anstalten in Preußen be- ruben dagegen auf vom Provinzial-Landtag beschlossenen, von der Auf- siht8behörde genehmigten Reglements, welche eingchznde Vorschriften enthalten, unter welchen Bedingungen Kranke aufzunehmen find, ferner über ibren Unterhalt in der Anftalt und über die Bedingungen ihrer Entlassung. Auch diese öffentlihen Jrrenanstalten werden von Zeit zu Zeit seitens der Aufsichtébebörde eingehend revidiert. Ferner hat die neue Zivilprozeßordnung vershärfte Bestimmungen über die Ent- ziehung der Handlungsfähigkeit, d. h. darüber, wenn und unter welchen Bedingungen ein Geisteskranker zu entmündigen ift. Aehnliche administrative Bestimmengen, wie in Preußen, bestehen auh in anderen Bundetftaaten, oder es sind in neuerer Zeit die bestehenden verschärft, sodaß ein Bedürfniß zu einer reichêgeseßlichen Regelung der Frage nicht vorliegt.

Die Bedenken, die der Herr Vorredner gegen den jeßigen Zuftand der Dinge bat, lafsen sih niht dur geseßliche Bestimmungen ändern, sondern es kommt darauf an, daß über die sffentlihen und privaten Irrenanfstaltei eine strenge Kontrole im Einzelnen ausgeübt wird. Das ift das Entscheidende, daß man genau prüft: wie werden die Kranken unterhalten? wie werden sie behandelt ? steht das Aerzte- versonal auf der Höhe seiner Aufgabe?ck ift ein au8reihendes und genügendes Wärterpersonal vorhanden ? ist die Verpflegung eine an- agemessene ? und werden wirklih nur Personen in der Anstalt festgehalten, die der Anftalttpflege bedürfen ? Meine Herren, das läßt ih durch kein Gesetz feststellen, das ist Sache einer sorgfältig überwaWenden fahkundizen Behörde. Solch? Ueberwachung muß selbstverständlich ftattfinden und findet au gegenüber den öffentlihen Irrenanftalten statt. Bei lihteren ist aber natürli die Berahung in geringerem Grade nothwendig, denn die éffentlihen Irrenanstalten werden, wie ih schon ausführte, Niemanden bebalten, der nit der Anstaltépflege wirklich bedarf. Die eingezablten Verpflegungskoften decken dort in der Regel nicht die Unterhaltungskoften. Die Anftalisleiter werden also tei dem Andrang, der fortgeseßt stattfindet, Niemanden aufnehmen cnd in der Anftalt halt:n, der niht whifklih bineingehört. An den öffentlihzn Anstalten sind in der Regel auch Aerzte in voll- kommen autreihendem Maße angestellt, ebenso ein ausgebildetcs MWärterpersonal. Es ift Fürsorge getreffen, daß alle bygienischen Vor- schriften und die neuen bygienishen Grfindungen auf dem Gebiete der Frrenpfleze beahtct werden; jede Anstalt die gebaut wird, bedeutet in der Regel einen Fortschritt gegenüber den bisberigen Anstalten. In neuerer Zeit find in Preußen und anderen Bundesftaaten eine Anzabl geradezu mufsterhafter Anstalten gebaut worden.

Wir glauben also, durch eine geseßliche Regelung lassen ih Uebelstände, wenn solche vorhanden sind, nicht beseitigen ; beseitigen lafsen fie sh nur dadur, daß die Aufsichtsbehörde in jedem Fall ihre Pflicht thut und energisch cinschreitet, wo sie Mifßstände findet.

Im allgemeinen aber möHte ih dem Herrn Abg. Lenzmann gegenüber auch in Bezug auf Spezialfälle, die ér früber angeführt hat, die Verfißerurg geben, daß nichts fo trügerish ist als die Frage, ob jemand geiftesfrank ist oder nit. (Sehr ritig!) I kann dem Herrn Abz. Lenzmann aus meiner eigenen Erfahrung versichern, daß ih mit Geisteéfrarken in Irrenanstalten zusammengekommen bin, mit ibnen mi eingehend unterhalten habe, von ihaen S(riftftüde und Beschwerden erkalten babe, die von einer großen Schlüssigkeit und Klarheit zevgten, daß ih selbst gegenüber dem Dirigenten der Anftalt Zweifel äußerte: iff der Mann denn wirfih geifteësfrank? und dann brate er mir, der Anftalttdirigent, die s{hlagendften Beweise, daß ter Mann unzweifelhaft geisteékrank und sogar gemeinzefährlih geiftesfrank sei. Der größte Theil der Irren bält ich selbftverftänd- lib für gesurd uad wünscht aus der Anftalt herauëzukommen, und dies Bestreben wicd sehr häufig von den Anverwandten in fehr unzu- läsfizer Weise unterstüßt. Warum? Um nicht die Pension zahlen zu müssen, die zu zablea ift. Es ift für die Angehörigen unter Um- ftzntea viel beguemer, cinen solchen Kranken in der Familie unter jzmmervollea Verhäitnifsen zu ernähren, als die Koften für den Unter- balt ía der Ircenanstalt zu bezahlen. Daher kommt cs sebr häufiz, daß die Verwandten erklären : der Kranke ift ganz gesund, er gehört garnicht in diz Anftalt, er muß aus dem JIrrenhause heraus. Diesen EGindruck entnehmen iz aus vorübergehenten Besuchen bei den Kranken, die Gb natürli bei solhen Besuhen ihren Angehörigen gegenüber auferotrdin!lich ¡usammennebmer, um den Gindrudck zu earweden, daß

‘sie entlafsungéfähig sind. Aber das Urtheil der Aerzte, die die Kranken

in der Anstalt tägli beobachten, lautet in der Regel wesentlich anders, als das der Angehörigen.

Die verbündeten Regierungen können \sih niht überzeugen, daß gegenüber dem jeßigen Zusiand der Sahe in den einzelnen Staaten ein Bedürfniß vorliege, die Frage des Irrenwesens einer reihs- geseßlichen Regelung zu unterziehen.

Abg. Lenzmann: Das lehtere hat mit der ganzen Frage nihts zu thun. Nur aus dem Grunde, weil die betreffende Person fich ein

Leid antbun fönnte, fie gegen den Willen der Angehörigen im Irren- hause zurückzuhalten, dazu ift der Staat nit berechtigt; das ist

‘nihts mehr und nichts weniger als eine widerrechtlihe Freiheitê-

beraubung. Mit bloßen Verwalturgsmaßregeln ift hier niht au®- zukommen, es muß vom Gesez Abhilfe geshaffen werden.

Abg. von Grand-Ry (Zentr.) fragt, ob die Urtersuchungen zweck3 Ermittelung eines untrüglichen Mittels zur Erkennung der Verfälschung der Naturbutter fortgeseßt worden seien, und mit welchem Erfolge. Die Bestimmungen über die Sperre der Geböfte bei Seucten seien im Interesse größerer Schonung der Landwirthschaft einer Revision dringend bedürftig, namentli für alle Besißungen mit Weidewirthschaft.

Abg. Graf von Bernstorff - Uelzen (b. k. F.) erklärt fih an- gesichts der großen Gefährlihkeit der Maul- und Klauenseuche und angesihts der Schädigungen, die der Landwirthschaft dadur zugefügt würden, gegen cine abschwäcende Revision der Absperrungsvorschriften.

Abg. Franken (nl.) wünscht die Lösung der Wohnungêfrage von Reichswegen, um der Verelendigung des Volkes vorzubeugen; es müsse auf dem Wege, der mit der Unterftüßung gemeinnüßiger Vau- gesellschaften aus den Fonds der Invaliden- und Altersversicherung betreten sei, energish fortgefahren werden. In cinem vom Abg. Leni- mann angeführten Falle sei auch ein westfälisher Amtmann erwähnt, den die Hauptshuld treffen foll, daß eine Person im Irrenhause widerrechtlich zurückgzbalten würde; diefen Amtmann, der nit in der Lage sei, si bier zu vertkcidizen, müsse er in Schuß nehmen.

Mit einer kurzen Bemerkung des Abg. Dr. Hahn (b. k. F.), der den Ausführungen des Abg. Grafen von Bernstorff zustimmt, schließt die Debatte. Gemäß dem An- trage des Abg. Dr. Müller-Sagan wird das ganze Kapitel der Budgetkommission überwiesen. Î

um Kapitel „Patentamt“ führt

Aba. Möller (nl.) aus, daß die Befürchtungen, die man von Hause aus an das neue Borprüfungsverfahbren knüpfte, sich bewahrheitet bâtten. Die Vorprüfungen bätten sh leider nit bewährt, {on dez- balb nit, weil die betreffenden Beamten immerfort in den [leßten Dez-nnien wechselten. Die Interefsenten neigten jeßt allgemein der Forderung zu, daß diz Vorprüfung lediglih durch Sachverständige erfolge. ine Neform des Patentgesezes in diefer Richtung müsse vorgenommen werden. Es müsse außerdem für die Industriellen in der Provinz dic Möglichkeit aeihaffen werden, von den au2gelegten Patenten Kenntniß zu nehmen, ohne ih an die Vermittelung der Berliner Patentanwalte wenden zu müssen; man sollte derartige Stellen in den Industriezentren einrihten. . Eine Vollmacht dazu bâtte die Regierung ja in dem Patentgefeß, sie hâtte aber bigber von derselben keinen Gebrau) gemacht. Auch cine Statistik über die Patentanmeldung wäre erwünscht.

Kommissar des Bundesraths, Geheimer Ober-Regierungs Rath Hauß: Was die letztere Anregung des Herrn Vorredners betrifft, fo ist ohne weiteres anzuerkennen, daß es im allgemeinen Intereffe licgt, die Publizität der Patentanmeldungen möglichst zu fördern. Von diesemGe- sihtépunftaus istin dem von dem Herrn Vorredner bereits angezogenen § 23 des neuen Patent-Gesetzes vorgesehen worden, daß die Autlegung auch außerhalb des Patentamts und außerhalb der Stadt Berlin durch Kaiserliche Verordnung angeordnet werden 7arf. Uzmittelbar nah dem Erlaß des neuen Geseyes hat die Verwaltung sih mit der Frage beschäftigt, ob von diefer Befugniß Gebrauch gemaht werden könne. Es haben fich bei dicfer Prüfung jedoch fehr erhebliche Ans stände und Schwierigkeiten herausgestellt. Meine Herren, jeßt wird jede Anmeldung, die dem Patentamt zugebt, in zwei Exem- plaren verlangt, einshlicßlih sämmtlicher Anlagen, insbefondere der zugehörigen Zeihnungen. Ie nah der Zahl der Städte, in denen man außerhalb Berlins die Auslegung versreiben wollte, müßte eine entsvrecherde Vermehrung der Zahl ter Duplikate eintreten. Dem Anmelder kann man diese Mehrbelaftung nit wobl ansinnen. Es bliebe alfo nur übrig, voa seiten der Behörde aus die Vervielfältigung zu bewirken. Diese Vervielfältigung, meine Herren, würde bei einer Z3hl von 20 009 Patent-Anmeldungen im Jahre zunächst einen Kostenaufwand verursahzn, der sich auf Hundert- fausende belaufen würde. Indefsen würde das noch kein aués{lag- cebendes Moment sein. Gewichtiger ist die Verzögerung, die in dem Vorprüfungétverfahren nothwendig eintreten müßte, wenn eine derartige Vervielfältigung angeordnet würde. Da die. Ber» vielfältigung namentlih ter Zeichnungen einen erbeblihen Zeit- aufwand bedingt, würde das Vorprüfungsverfahren ih um Wochen,

vielleicht ura Monate, verzögern, und ih glaube, daß das unserer,

Industrie richt willkommen sein würde. Dazu, meine Herren, kommt noch ein rechtliches Bedenken. Mird auf mechanishem Wege, wie es nit ande:s seix könnte, die Vervielfältigun@ vorzencmmwen, so ift damit eine öfentlihe Druckschrift hergestellt, die dem därin be- handelten Gegenstande die patentre&tlihe Neuheit dauernd entzieht. Das i} für diejenigen Armeldungen nitt fehr s{chlimm, die {ließlich zur Patentertbeilung führen; sehr unbequem kann es aber für diejenigen werden, in denen ein Patent nicht erlangt wird. Hier i;t die Sache publici juris geworden; jeder kann die Sae be“ nügen, und insoweit vielleiht eire weitere Anmeldung, sei es im Inlande oder im Auslande, beabsichtigt if und zur Ausführung ommt, würde das ertheilte Patent wegen mangelnder Neubeit der Rechtsgültigfkeit entbebren. Das sind im wesentlichen die Erwägungen, die die Verwaltung bestimmt haben, von der Durchführu=g der im Gesch vorgesehenen Axordnung Abstand zu nehmen. Es ift zweifellos. daß in der Zentralifierurg der A=s- legung in Berlin ein gewisjer Vortheil für die Industriellen und Patent-Agenten liegt, die in Berlin ansässig sind. Dieser Vortkeil liegt aber in der Natur der Sage und ist nicht zu beseitigen, wenn man nit auf der anderen Seite greß: Schwierigkeiten hafen will. Im übrigen darf i noch daran ecinnern, daß auch in Berlin selbst die Inter- efsenten sehr selten in eigener Person von den Auélegungen Keantniß nehmen. Der gewöhnliche Lauf der Dinge ist der, daß sie eine andere Person, meiît einen Patent-Agenten mit der Einsichtnahme betrauen. In diesen Fällen ift es für Auswärtige nit beshwerlih, wenn sie ina Berlin die Einsicht bewirken lassen. Zu den ersten Auéfübrungen des Herrn Vorredners darf ih bemerken, daß das neue Patentgesep von 1891 das Vorprüfungsverfahren, wie es fcüber bestand, wesentliG umgestaltet hat, und zwar in der Absicht, die früher hervorgetretenen und auch in den Motiven zum neuen Geseg des näheren erörterten Mängel zu beseitigen. Es wird im allgemeinen behauvtet werden dürfen, daß diese Absicht erreicht worden ist; wenigfters sind die Klagen, die unter der H:rrschaft des früberen Gesches laut geworden siad. alsbald zurückzetreten, und der Ein- dreck bestebt, daß die Industrie im aügemeinen mit dea gegenroärtigen Sypftem zufrieden ift. Nun ift es allerdings rihtig, daß die Art, wie das BVorprüfungésystem durgeführt wird, in der jüngften Zeit hier und da wieder abfällig Tritiziert wird. Dec Aniaß zur Un- zufciezeaheit liegt vielleiht darin, daß in den leßten Jahren die Prüfung der Yumeldungen in häufigeren Fäflen als früher zu einer Bec sagung des Patents gefübrt hat. Auf wel%en Gründen diese Erscheinung beruht, wird h sehc shwer feststellen laffen. s it aver nit chne weiteres als feftstehend anzunehmen, daß das Patentamt unter Abroeihung von der früheren Praxis jeßt eine größere Strenge bei der Prüfung walten lasse. Es föônnen eine Heibe anderer Faftoren in dreser Bezichung mitwirken. Ich kann cu den Vorwurf nit als begründet anerfennea, daß in dem Patent- amt ni&t die genügente Zahl von Sachverständigen vorhanden wäre.

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Meine Herren, unter den 68 hauptamtlichen Mitgliedern, die der neue Etat fordert, sind ungefähr 60 technishe Mitglieder, welche in je einem Zweige der Technik sachverstän dig find, sodaß das ganze weite Ge- biet der chemishen, mechanischen Industrie durch die Sachkunde der Mitglieder des Patentamts gedeckt ift. Selbstverständlih braucht niht jedes Speziaifah einen besonderen Vertreter im Patentamt zuy haben ; es genügt, wenn die Herren eine universelle technisde Bildung

besißen, welche sie zur Beurtheilung des Einzelfalles in den Stand sett.

“Auch die Annahme scheint mir niht mit den Thatfachen in Uebers

einstimmung zu sein, èaß ein häufiger Wechsel, sei 7s in den Personen der Mitglieder oder in dem Dezernat, stattfinde. Die Mit- glieder werden den einzelnen Anmeldeäbthellungen durch den Reicbéfkanzler zugewiesen, und in diefer eberweisun ifft meines Erinnerns in den legten Jahren ein Wes überbaupt nicht eingetreten. Die einzelnen Sachen werden den Dezernenten nah Maßgabe der Geshäft3vertheilung von den Abs theilungêvorsißenden zugeschrieben, und es {eint im Interesse der Geschäfte und der Abtheilungsoorsizenden felbst zu liegen, möglichst konstant in der Zuweliung zu sein. Was die Frage der tehnishen Hilfsbeamten anbetrifft, so hat der Herr Vorredner bereits anerkannt, daß deren materielle und soziale Stellung in den legten Jahren wesentlißh gehoben ist. Die Herren haben jeht, wie ich glaube, feinen Anlaß mehr, unzufcieden mit ibrem Loos so sein; auch sind die früher häufig aufgetauchten Beschwerden in neuerer Zeit zurückgetreten. Ein häufigeres Aus- scheiden aus der Stellung ist niht wahrgenommen worden. Hin und wieder hegt natürlih ein Einzelner, wie das wobl überall vorkommt, den Wun’, aus der Stelle zu \heiden und fie mit einer anderen im Staats- oder Privatdienst zu vertaushen. Die Zahl dieser Fälle ist aber nit besonders groß; im übrigen ist den Herren au inrerhalb des Amtes selbft das Avancement durchaus nit rer- s{chlofsen; eine große Zahl von tehaischen Hilfsarbeitern ift bei der Reorganisation der Behörde ‘zu Mitgliedern derfelb:n bestellt worden, und diese Beförderungen finden auch j t nech ftatt, soweit Vakanzen und geeignete Bewerber vorhanden find; daß unter den Technikern üb-rwiegend Architekten vorhanden wären, bezweifle ih; es sind allercings mehrere Beamte aus der Eisenbahn- und Bau- erwaltung hervorgegangen ; zieselben find meist Maschinentecniker und für die Zwecke tes Patentamts besonders nothwendig und brau- bar. Von einem Verzeichniß, wie der Herr Vorredner es angeregt hat, versprehe ih mir für die Oeffentlichkeit kein besonderes Intereffe und für die Beseitigung etwaiger Mißstände auch feinen besonderen Erfolg. Jmmerhia wird cs einer näheren Erwägung bedürfen, ob und nach welcher Richtang man den Wünschen des Vorredners Rechnung tragen kann.

Abg. Möller erklärt, er halte seine Ausführungen, die auf durchaus zuverläsigen Informationen beruhten, in vollem Umfange aufrecht. Die Gründe gegen die Vermehrung der Auslegungen bätten ja eine gewisse Berechtigung, aber die Nothwendigkeit dieser Vermebrung werde dadurch nit verringert. An der Kostenfrage dürfe die Sache unter keinen Umständen s{eitern.

Das Kapitel wird bewilligt.

Bei dem Kapitel „Reichs-Versiherungsamt“ weist

Abg. Roeficke - Desjau (b. k. F.) von _ neuem darauf bin, taß die Verbindung der Fatrikaufsiht mit der Kesselrevision sich als unzwcck- mäßig erwicfen babe. Eine Reibe von Sciffskatastrophen babe bewiesen, daß auch das Gese über den Betrieb mit Dampfkefseln

_geändert werden müfse. Es würde sh empfehlen, wenn das Neichs-

amt des Innern der Frage durch Vernehmung von Sachverftändigen

näber träte. Ferner lenke er die Aufmerksamkeit des Hauses wiederum auf die Schaffung eines Museums für soziale Praxis, insbesondere für Unfallverbütungsvorrihtungen hin. Seit der erften e:tgegen- fommenden Bemerkung vom Bundesratbstishe kbierüber feien Fahre vergangen, es sei aus der Sache nihi1s geworden, obwohl inzwishen ein gewerbe-hygienishes Museum in Berlin und auch cin solches in Paris errihtet wordea seien. Im Jahre 189%, wo die Erfüllung jener Hoffnung ganz nahe schien, felle sie am MWider- stande des Reicht-Schaßsekretärs, des heutigen Staatssekretärs des Innern, gescheitert sein. Redner fragt, wann die Novelle zim Uafall- gese zu erwarten sei.

Abg. Möller (nl.) erklärt, er könne sih den leßteren Wünschzn riht anschließen, da doh über die Einzelheiten der Novelle fehr starke Meinungtverschiedenheiten zu Tage getreten und noch vorhande! seien. De Os cines Museums für foziale Praxis dagegen sei energish zu fordern.

Auch Abg. Dr. Hitze (Zentr.) wünscht die Einrichtung dieses Museums, welches als ein Museum für Wohlfahrtseinrihtungen 1m eigenen Sinne auszuftatten fei,

Abg. Wurm (So9z.) erklärt, seine Partei werde sib freuen, wen) die gewiß nicht sehr hohe Summe für diesen Zweck endlih in den Etat eingestellt würde.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graj von Posadowsky-Wehner: ¡

Meine Herren! Was zunächst die Museumsfrage anbetrifft, so babe ih mi allerdings mit dieser Frage in meiner früheren Stellung im Reichéshaßamt beschäftigt; aber bei den Untersuhungen, die ih darüber angestellt babe, bin ih mir auch klar geworden, daß die Ein- rihtung cines folchen Museums, wenn es nit nur ein Gegenftand der Neugier und des Interesses für die Lzute sein soll, die Berlin bereisen und diese Nummer mit abmahzn wollen, sondern wenn es wirkli einen Zweck erfüllen soll im Interesse der Unfall- verhütung, eine fehr fkoftspielige fcin wird. Dann genügt nicht die Aufstellung von Modellen an Modellen kann man iht sehen, ob cine Einrichtung zur Unfallverhütung wirklich wirtfsam ist oder nicht —, sondern es muß die vollkommene Maschine auf- gestellt werden und sie muß auch in Wirksamkeit sein ganz ncch den Verbältnifsen, unter denen die Maschine an Ort und Stelle in der Fabrik arbeiten würde. Dann würde man ein Bild davon bekommen, ob dicse Unfallverbhütunzsvorrihtung wirklich praktis is oder nit. Wenn man aber niht ein Museum einrihten will, das {ließli nur den Werth eines Speichers tit altem Eisen trägt, dann wird man selbstverständlih auch allen Fortschritten der Technik folgen und alle euen Maschinen, die auf diesem Gebicte“ erfunden werten, mit den Unfallvzrhütung8vorrihtungen versehen und aufftellen müßen ; main wird fie ferner für die Sachverständigen, welhz das Museum besuchen, in Bewegung seßen und au jemand daran arbeiten laffen müssen, um zu zeigen, wie sich der Arbeiter zu den Unfallverbütungë- einrihtungen verhält, ob fie ibn bebindern oder niht, ob derjenige, der so bantiert, au in ter Fabrik gegen etwaige Verleyungen dur die Maschine gesichert seia wird oder nicht. Nur dann, wenn man ein Museum in dieser Weise konstruiert, wird es für die Unfall- verhütunz meines Erachtens einen wirklich praktischen Zw: ck haden. Daß das große Summen erfordern würde, wenn dieses Mufeum immer auf der Höhe der laufenden Technik ftehen soll, das, glaube id, brauche ich nicht auëzuführen.

Nun, meine Herren, bin ich ¡war in ein anderes Amt getreten, und wenn ih auch meine fizanzpolitishe Seele vollkommen abzelegt kâte, fo steht do ein Anderer an meiner Stelie, und ih weiß nit, wie sich der jeßige Herr Schatzfekretär zu den Anforderungen stellen würde, die man an die Finanzen des Reichs stellen müßte, um ein Museum in dem Sinne, wie ih es gefenn- zeichnet habe, zu errihten.

(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

M 26.

(Fortseßung aus der Erften Beilage.)

Der Herr Abg. Roesike hat an mich auch die positive Frage gerit:t, wann wohl ein Unfallversierungsgeseß zu erwarten sei. Meine Herren, es ift für den Staatssekretär des Jnnern und Stell- vertreter des Reichtkanzlers, der au von den Beschlüfsen des Bundesraths abhänzig ist, . ret gefährlich, in bieser Beziehung eine positive Erklärung abzugeben. Fch fann deshalb einen bestimmten terminus ad quem tafür niht nennen, wenngleich au ih überzeugt bin, daß das Unfallversiherung8geseß unbedingt einer Reform na vielen Richtungen hin bedarf. Ehe aber ein Unfall- versiherungêgescß von mir ausgearbeitet wird, werden Sie mir nicht verdenken, daß ih erst seven möchte, wie das FInvaliditätsgeseß aus- sehen wird, das dem Reichstag vorliegt, in welher Form es eventuell von Ihnen bes{lesszn werden wird ; denn in einem gewissen organischen Zusammenhange steht do unzweifelhaft das Invaliditätsgeseß mit dem Unfallversicheruagsgesehß.

Abg. Roesicke- Dessau: Ih kann nicht anerkennen, taß die Ein- wände des Staatésekretärs stihhaltig sind. Wenn man alle Einrichtungen im Betriebe zcigen und au die Arbeiter dabci haben will, so könnte man ja noch einen Schritt weiter gehen, und auch Unfälle vorführen. Die Befürworter der Eiurichtungen find in ihren Wünschen wesentlich bescheidener. Das Gebieï der eigentlichen Woßhlfahrtspflege, der Wohnungzeinrichtung u. dgl., ließ der Staaissetretär ganz außer Acht. rens wird er sh nah und nah dem Urtheil der sachverständigen

reise ansließen ‘und der Errihtung dieses Museums nicht mehr widerftreben.

Abg. Freiberr von Stumm (Rx.) meint, daß man {on außerordentli viel erreichen würde, wenn man das Vujeum möglichst reihlich mit Modellen ausstattete ; die Regierang würde der ge- sammten Industcie einen großen Dienst leisten, wenn sie in diesem Sinne für die Verwirklichung des Getankens si einlegen wollte. Die Vorlegung, und zwar die baldige, einer Novelle zum Unfallgeseß wünsche auch er, aber Flickwerk zu machen, ein bloßes Nothgefeß zur Beseitigung derjenigen Mißstände, über die man allerseits einig fei, wie es auch Herr Möller anzudeuten scheine, dazu kTônne er sih nicht verstehen. ZunäGft werde nôthig fein, mit Volldampf an der Invaliditätägeseznovelle zu arbeiten. U L :

Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Möller wird das Kapitel bewilligt. S S i

Bei den Ausgaben für die Physikalish-technisce Reichsan stalt betont. : i

Abg. Shmidt- Elberfeld (fr. Volksp.) voa neuem das dringende Bedürfniß der Schaffung einer ähnlichen Zentralanstalt für andere vbysikalish-tehnishe Prüfungen, so für die Prüfungen von Metall- robren 2x. Vie Charlottenburger Anstalt sei dafür durchaus unzu- reichend. Solhe Anstalt könne auch nichi einer Sin:elregierung über- geben, fondern müsse nothwendig vom Reiche errichtet werden. i

“M ller: Durch cine solhe Reichéanstalt würden do die Matertalprüfungs- Anstalten der einzelnen Pelytechniken vielleicht be- einträhtigt werden, und das muß unter allen Umständen verhindert werden, da diese Einrichtung au eine gewichtige Bedeutung Ur die Fans der Ingenieure habe. In Preußen habe die vorhandene

eicéanstalt sckätlid gewirkt, denn 112 habe den Finanz-Minifter be- wogen, für die preußische Anstalt in Charlotienburg keine Mittel mthr hberzugeben, obglei diefe Anstalt der Erweiterung dringend bedürfe. . Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minifter Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Ih bin heute noch der Ansicht, daß eine der- artige große Anstalt, ich will fagen eine Zentralanstalt, auf mechanisch{- tehnishem Gebiete für unsere äFndustrie eine sehr nüßlihe Einrichtung sein würde; denn die großen Dauerversuche, die dort gemacht werden sollen im Interesse ver Industrie, können eben in den kleinen Landeë- anstalten niht gemachti werden. Anderseits muß man aber zugestehen, daß diese Anstalten, insoweit sie gleichzeitig als Lehranstalten an Technischen Hcchsc;ulen bestehen, in den Einzelstaaten nit entbehrt werden können. Die Shwierigkeit der bisherigen Behandlung liegt meines Gratens nit in der Stellung Preußens zum Reich, sondern an einer Anzahl fleinerer Landesanstalten, welche auf dem Standpunkte stehen: wir brauchen diese mechavisch-tehnischen Anstalten für Unterrichts- zwecke, können sie aus diesem Grunde nicht entbehren, und würde in Berlin eine große preußishe oder Reichsanstalt für Jedermann zu- gänglih errihtet werden, fo würde uns vielleicht j:de Gelegenheit zur Wirksamkeit in Zukunft genommen. Wollen wir also zu dem Ziel gelangen, wiles der Herr Abg. SHmidt (Elberfeld) befürwortet hat, so kommt es darauf an, cinen Weg zu finden, der den einzelnen Landesanstalten eine Sicherheit giebt, daß sie au ihrerseits ein Feld der Thätigkeit behalten, der aber onderseits aud die Mögli&keit ge- währt, daß hier in Berlin in der größeren Anstalt die praktischen Versuche angestellt werden, die im Interesse der Industrie nothwendig sind und die in kleinen Landesanftalten nicht angestellt werden können. Es wird sch also mit anderen Worten um eine klare Begrenzung des gegenseitigen Thâtigkeitsfeldes handeln. Darüber verhandeln wir noch, und’ ih wünsche dringend, daß diese Verhandlungen zu einem guten Abschluß gelangen. Etwas Positives kann ih heute no& nicht

erklären.

Das Kapitel wird genehmigt. :

Bei dem Kapitel „Kanalami“ bringt : i

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.) eine Reihe von angeblichen Mängeln des Kanals und des Betriebes auf demselben zur Sprache und plaidiert für Erleichterung im Interefse der kleinen Küstenschiffer.

Nach einer entgegenkommenden Erwiderung des Geheimen“

Ober-Regierungs-Raths von Jonq uières wird das Kapitel bewilligt, ebenso die Einnahmen.

Darauf wird die Sizung vertagt.

Schluß nah 6 Uhr. ächste Sizung Montag 1 Uhr. (Marine- und Post-Etat.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

7. Sigung vom 28. Januar 1899.

Ueber den Beginn der Sigzung is vorgestern berichtet

worden. j Das Haus tritt in die zee Berathung des Staats-

haushalts-Etats für 1 ein.

| Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Montag, den 30. Januar

Bei der Rente des Kronfideikommißfonds erflärt auf eine Anfrage des Abg. Freiherrn von der Sorg Com der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Die Siellung des Domaniums zur Krone und deren Ansprüchz an die Haftbarkeit für die Kronrente bleibt au in Zukunft völlig unverändert. Ich habe nur davon gesprochen, daß diejenigen Schwierigkeiten, wel? durch die Verhaftunz der Domänen zu Gunsten von Staatszläubigern entstehen, in Wegfall kommen. Die Frage wegen der geshäftlihen Behandlung des Domaniums pro futuro gegenüber der Krone bleibt völlig unberührt; sie mat aber keine Schwierigkeit, wie sie die Haftung gegenüber dritten Personen, gegen- über Staatsgläubigern bedingte.

Es folgt der Etat der Lotterie-Verwaltuu g.

Abg. Dr. Arendt (fr. konf.) tritt für die Uebertragung der Lotterie auf tas Reich ein. Er habe die Frage {on mchrfah an- geregt, und seitdera feien immecmehr einzelstaatlihe Lotterien entstanden, die natürli nit auf die betreffenden Einzelstaaten und deren Bevölke- rung beschränkt seien, fondern namentlich der vreußZishen votterie Konkurrenz machten. Die einzelstaatlihen Lotterien seien im Verhältniß zur Bevölkerung viel grözer als die preußische Lotterie, z. B. fei die Lübecksche Lotterie nah diesem Verbältniß 37 mal größer als die preußishe. Den Absaß ter Loose in Preußen könne kaum das Straf- gese verhindern. Dur ein Reichsgeseß folle man die Giaführung von neuen Lotterien verbieten. Wenn der Finanz-Minister ernsthaft an die Frage herantrete, werde eine Regelung möglich sein. Hoffentlich finde sie noch vor Ablauf des 19. Fahrhunderts statt.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Die Schilderung, die der Herr Vorredner über die Mißstände des Loiteriewesens in Deutshland gemacht hat, kann i nur als zutreffend bezeichnen. Der jetzige Zustand, wo fo viele neue Lotterien konzessioniert werden mit Spiel- kfavitalien, von denen man von vornherein sagen kann, fie können in dem betreffenden Staat garnicht unterzebraŸt werden, sie sind nothwenkig darauf berechnet, in den andern Staaten Deutschlands untergebracht zu werden, namentlich in Preußen, welches in dieser Beziehung den breiteten Rücken hat, diese Konzessionen führen nothwendig dahin, daß die: Vertreibung der Lotterien gegen die ia Deutschland und den übrigen Bundesstaaten bestehenden Gesetze that- sächlich ftatifindet. Hier bei uns i der Vertrieb fremder Lotterieloose verboten; wenn nun neue Konzessionen in kleinen . Staaten in einer Höhe gegeben werden, welche die Vertreibung der gesammten konzessionierten Loose in dem betreffenden eigenen Inland ausschließen, fo ist der Erfolg ganz klar vorauszusehen, wie wir ihn auch täglih vor Augen haben. Nun wissen wir obendrein garniht, ob es bei den jeßt neuerdings vielfa gegründeten Lotterien bleibt. Die SaHe kann auch weitergehen ; auch andere Staaten können die Neigung empfinden, an diesem Vor- theil theilzunehmen, und die Zustände drohen allerdings, vollständig unhaltbar zu werden.

Meine Herren, wir in Preußen würden wahrsheinlich ih fann ja hier niht namens des Staats - Ministeriums sprehen uns mit einer geseßlihen Kontingentierung, welhe etwa dahin geht, uns zwar durch die Reichs- gesezgebung, daß neue Lotterien zwar nicht ganz verboten sein follen, aber daß die Bundeeftaaten \ih verpflichten, niht über den im Ver- hältniß zur Bevölkerung gleichen Satz, etwa wie in Preußen, oder wenn man eine andere Grundlage nehmen will, über einen verhältniß- mäßigen Sah hinauszugehen, der die Schranken der gegenwärtig kon- zessionierten Lotterien in dem betreffenden Partikularstaat nicht . über- schreitet unsererseits einverstanden erklären. Ob das aber gegenwärtig zu erreichen ist, sheint mir einigermaßen zweifelhaft zu sein; erwünscht wäre es im höchsten Grade, und ih hoffe, daß die Einsicht, daß der Zustand auf die Dauer so nit bleiben kann, wie er gegenwärtig ift, der aller- dings vorzugsweise Preußen zum Swaden gereicht, doch schließtkich durchdringt und es möglich werden wird, in der einen oder anderen Weise den Uebelständen entgegenzutreten.

Meine Herren, der Einführung einer Reichs-Lotterie würde Preußen wahrscheinli au niht widersprehen, aber ih halte die Erreichung dieses Zieles für no& viel {chwieriger als das erste, und ih glaube nicht, daß wir augenblicklich große Aussicht hätten, damit im Reich durchzudringen. Es hat ja auch bereits ein Antrag des preußishen Staats-Ministeriums an den Herrn Reichskanzler, \ih dieser Frage anzunehmen, zu einem negativen Resultat geführt.

Mas das Privatlotteriewesen betrifft, von dem der Herr Vor- redner diesmal niht gesproden hat, so erkenne ih an, daß auch in dieser Beziehung erhebliche M {ftände vorliegen. Es wird darauf an- kommen, auch in dieser Beziehung was im Verwaltungswege geshehen kann eine Ordnung zu treffen, die den gegen- wärtigen Uebelftänden gegenüber im wesentlichen wirksam sein wird. Das Finanz-Ministerium is mit dem Herrn Minister des Innern über eine anderweitige Regelung dieser Sache ins Benehmen getreten, und es hat sich au zwischen den beiden Refsorts im wesentlichen eine Einigung herbeiführen lassen. Sie würde den Gesichtspunkt im Auge haben, die Gesammtsummen, welche durch Privatlotterien vertrieben werden, in einem Jahr, thunlichst gleihmäßig zu vertheilen auf die verschiedenen Jahre, mit anderen Worten, soweit sie nicht hier und da durch dringlihe Bedürfnisse durchbrohen wird, eine Kontingentierung des Maximalbetrages der durch Privatlotterien unterzubiingenden Loose festzulegen, zweitens aber auch durch die uns ja zustehende Feststellung der Konzessions- bedingungen noch s{chärfer als bisher das reklamehafte Unterbringen der so verschiedenen Privatlotterien zu verhindern und eine shärfere Aufsicht des Staats über die Art des ganzen Vertriebes dieser Privatloose herbeizuführen. Ih denke, eine solche Regelung wird doch im wesentlichen die Mißftände, die aus den Privatlotterien hervorgegangen sind, beseitigen.

Abg. Kirsch (Zentr.) hält die bestehenden Zustände für einer

Aenderung dringend bedücftig und emp ehlt die RKontingenttierung, die aber wohl niht im Wege der Verwaltung vorgenommen werden

Eônne.

1899,

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, FinanxpMinister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ich habe vorkin gejagt, daß es zu sehr großen Bedenken Anlaß giebt, wenn eine Bundesregierung eine Staatélotterie konzessioniert, welhe gewissermaßen von vornherein darauf angewiesen ist, den Vertrieb der Loose da vorzunehmen, wo dies in den betreffen den Partikularstaaten kriminell verboten ist. Wie in dieser Beziehung einige Regierungen von den Gedanken, die ich eben auêégezsprochen habe, und die die beiden Herren Vorredner ja auch theilen, sh leiten lassen, tritt namentli hervor aus der Haltung des Senats in Bremen gegenüber dem Antrag der dortigen Bürgerschaft, nah dem Vorgange von Lübeck und von Hamburg au in Bremen eine Staats lotterie einzurihten. Da hat der Senat diesen Antrag abgelehnt, und zwar mit der Motivierung, daß derselbe ihn vor eine ganz Îlare Alternative stellte: entweder müßte die beantragte Summe der Loofe in Bremen allein untergebraht werden und bas würde zu [chweren sittlichen, jedenfalls volfswirthschaftlihen Bedenken führen, es würde die Bremer Bürgerschaft wenn ih so sagen soll übershüttet werden mit Loosen, mit Mitteln, die sih nicht empfehlen; oder abec die Bremische Lotterie würde gezwungen sein, die Loose unterzubringen in solchen deutshen Ländern, wo dies verboten fei, und dem könne der Senat von Bremen nit zustimmen.

Fa, meine Herren, wenn alle deutshen Staaten so dächten, dann brauhten wir ja fkeiz Reichsgeseß; aber wir haben die Erfahrung niht gemaÿht, daß diese Erwägungen bei allen deutshen Staaten auh als durchs{chlagend erahtet roerden.

Meine Herren, allerdings würde eine Kontingentierung in gewisser Weise ja au Preußen festlegen ; wir könnten diz Loose in Preußen nah Maßgabe der wachsenden Bevölkerung, wenn das auf den gegenwärtigen Maßstab kontingentiert würde, ja au niff weiter vermehren. Aber dieser Beschränkung seiner souveränen Freiheit würde Preußen an- gesihts der großen Mißstände des gegenwärtigen Zustandes fh nah meiner Meinung unterwerfen müssen. Außerdem könnte man aber doch sehr wohl die Kontingeatierung in ein Verhältniß zur wachsenden Bevölkerung für die Zukunft bringen und dadurch alfo eine gänzlihe Stabilität, die mit der Vermehrung der Bevölkerung niht im Einklang steht, verhindern.

Der Herr Abg. Kirsh hat mich insofern mißverstanden, als diese Kontingentierung, von der ih spra, sih wesentlih nit auf die Staatslotterie, sondern auf das Privatlotteriewesen bezog, und da habe ich gesagt: Das können wir auf dem Verwaltungswege machen, dazu brauchen wir keine Geseggebung, weder in Preußen noch im Reih. Ich glaube, wenn es gelingt, in dieser Beziehung zu festen Grundsäßen und strenger Durchführung derselben zu ommen, so werden wir einen erheblichen, jeßt vorhandenen Miß- stand beseitigen, der fich in dem Ungeregelten und Uebermäßigen der Privatlotterien zeigt. Namentlih werden wir dann auh zu Gunsten des Publikums dahin kommen können, daß wir einen großen Einfluß auf die Personen gewinnen, welche die Vertretung dieser genehmigten Privatlotterien übernehmen, sodaß wir in diesen Perfonen, in ihrer Solidität, in ihren Interessen und ihrer Rechtshaffenheit eine größere Garantie haben, und daß wir mit den Privatlotterien in ähnlicher Weise verfahren, wic wir das mit unserer eigenen Staats- lotterie zu thun pflegen.

Abg. Pleß (Zentc.) befürwortet die Abschaffung aller Lotterien.

Der Etat der Lotterieverwaltung wird darauf genehmigt.

Beim Etat des Seehandlungs-Jnstituts weist

Abg. Freiherr von der Golß (koni.) darauf hin, daß die Lands- huter Spinnerei mit ihrem geringen Gewinn von 1,57 9/9 den er- beblichen Gewinn der Bromberger Mühlen von 19,65 % auf einen Durchschnitt von 10,15 9/0 für beide Etablissements zusammen herab- gedrückt habe. Er bemängelt die Aufstellung der Bilanz der Brom- berger Mühlen, besonders die Berehnung der Abnußtzungëquote für die verschiedenartigen Gebäude.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Was die Flachsgarnspinnereiez in Sülesien be- trifft, so habe ih mich im vorigen Jahre bereits darüber geäußert. JIH bin mit dem Herrn Vorredner der Meinung, daß ein kulturelles Interesse, dieses Institut aufrecht zu erhalten, für den Staat gegen- wärtig nicht mehr besteht. Fch habe im vorigen Jahre ausdrücklich gesagt, ih würde ganz geneigt sein, wenn dieses industrielle Etablissement günstig verkauft werde; aber wir haben eine solhe Offerte noch nicht bekommen. Die Fabrik war aber völlig unverkäuflich in dem Zustande, in dem sie sich bisher befand, weil etn gründliher Umbau der ganzen Kammgarnspinnerei nöthig gewordea war, indem sie eigentlich völlig veraltet war. Jet ist allerdings der Umbau und die Modernisierung dieses Instituts durchgeführt, und es haben ih auch die Verhältnisse hon etwas gebessert, aber cine längere Störung des Betriebs wirkt infolge dieses Umbaues in seinen nachtheiligen Folgen augenblicklich noch nah. Die Herren werden \sih leicht denken können, daß, wenn ein solher Betrieb mal längere Zeit ftockt, die Kunden sih andere Geschäftsfreunde aufsuhen, worunter die Geschäfte augenblicklich noh leiden. Sodann leidet aber au die Spinnerei unter der allgemeinen Konjunktur im Textilgeschäft, und wir theilen die Schicksale mit vielen Konkurrenten. Wir können also augenblicklich noch nicht sagen, wie die Sache \ich auf die Dauer gestalten wird. Nichts- destoweniger bin ich allerdings der Meinung, daß wir keine Ver- anlassung hätten, angemessene Gebote abzulehnen, und ein Wider- ftreben würde in der Richtung weder bei der Seehandlung noch beim Finanz-Ministerium sein.

Den zweiten Theil der Bemerkungen des Herrn von der Golß kann ih in keiner Weise beistimmen. Es ift eine ganz andere Frage, welche Abschreibungen ein Eigenthümer in seinen eigenen Büchern macht, als welche Abschreibungen er rechtlih vertreten kann, gegenüber dem Staat bei der Steuereinshäßung. Gewiß, unsere Ab- {reibung kann zu hoch sein dann ist das ein Beweis von der solíden vorsichtigen Geschäftsführung, die bei der Seehandlung und beim Finanz-Ministerium ftatlfindet. (Heiterkeit) Ich kenne viele große industrielle Unternehmungen, die noch weit