1899 / 39 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 14 Feb 1899 18:00:01 GMT) scan diff

nicht eine übermäßige Belastung bringt. Aber wir müssen solche vor- E unerreihbaren Wünsche : irüdftellen. Es giebt der Ziele noch viel, die wir nicht unmittelbar zu erreihen vermögen. Vom vraktishen Standpunkt aus muß man alle Phantasmagokien bei Seite laffen. Das Gesey muß fertiggestellt werden, weil die Nothblage einzelner Anstalten dringend Hilfe erfordert. Noth- wendig war die Organisation der örtlichen Rentenstellen nicht; die Regierung hat das Geseß damit bedenklih belastet. Die An- ftalten für Ostpreußen und Niederbayern befinden ho vor dem Defizit. Die Altersgruppierung, die allein \chuld daran ist, hat man nicht vorhersehen können. Die Quittungskartenauszählung hat gezeigt, daß die Abwanderung die jüngeren Altersklafsen viel mehr ergriffen hat als die älteren. Eine Ausgleihung is nothwendig; ob das Verhältniß von 2's zu 3/5 rihtig ift, mag dahingestellt bleiben. Der jepige Vorschlag ift acceptabler als alle vorher gemachten Vorschläge, denn die einheitlihe Verwaltung des Vermögens wird dadurch gesichert. Die Einshränkung der Versicherungspflicht, der Aus\{luß der Landwirthsckchaft von derselben wird von den Kon- servativen nit gewünscht; da einmal die Versicherungspflicht für die landwirthschaftlichen Arbeiter besteht, muß sie aufrehterhalten werden troß aller Schwierigkeiten, welhe die Unständigkeit der Arbeiter mit sich bringt. Redner spriht seine Befriedigung über die Einbeziehung der Lehrer und Lehrerinnen in die Versiherung aus. Die Vorlage sei für eine kommissarishe Berathung sehr wohl geeignet; mit redlihem Willen werde aus dem Entwurf ein segensreihes Geseh

en. j aer Abg. Molkenbuhr (Soz) führt aus: die Vorlage beabsichtige, neben der Verbesserung der Invalidenversiherung au einen anderen Zweck zu erreichen, nämlich eine Versöhnung der arbeitenden Klassen mit den gegenwärtigen Zuständen. Eine Verbesserung sei es allerdings, daß die Krankheitsfürsorge hon nah 26 Krankheitswochen eintreten folle; aber man hätte dann die Krankenversicherung dahin abändern müssen, daß die Krankenkassen die Fürsorge für 26 Wochen statt für 13 übernehmen müßten. Redner bemängelt die Herabseßung der Altersrente auf den Grundbetrag der Invalidenrente und die Verminderung der Invalidenrenten dur Herabseßung der Steigerungssäße. Die Herab- seßung der Beiträge füc die erste und zweite Lohnklasse trefffe gerade die Versicherungsanstalten, die ein Defizit haben. Bei Ostpreußen werde dadurch ein Einnahmeausfall von 10% entstehen. Die Rentenstellen seien nicht rihtig konstruiert; es sollten nur die Krankenkafsenvorstände wählen, warum lafse man nicht die Wahlen ebenso ftattfinden wie bei den Schiedsgerichten ? Eine Härte sei es, daß die Rente versagt werden folle, wenn die Arbeiter fih niht der Unterbringung in eine Heilanstalt unterwerfen wollten. Die vorübergehende Auf- besserung der finanziellen Verhältnisse der ostpreußishen Anstalt wolle man nit als genügend ansehen, weil niht nur die Beitragsermäßi- gung diese Anstalt noch s{chlechter \telle als bisher, sondern au weil die Versicherungspfliht gerade für diese Anstalt erheblich ein- geshränkt werden solle bezüglih der unftändigen ausländischen Ar- beiter, wodurch allerdings das Kleben erheblih erleichtert werde. Die höhere Invalidität auf dem Lande liege daran, daß die Leute bei eintretender Krankheit niht rihtig behandelt würden. Die Rheder hätten auch eine Liebesgabe erhalten, sie brauchten die auf ihren Schiffen beschäftigten Ausländer niht mehr zu versichern. Einen nothwendigen Autgleich wollten die Sozial- demokraten nit verhindern, aber eine befondere Begünstigung der Landwirthschaft wollten sie nit dulden. | ;

Um 51/2 Uhr wird die weitere Berathung bis Dienstag

1 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

18. Sitzung vom 13. Februar 1899.

Ueber den Beginn der Sißung ist {hon berichtet worden. Das Haus seßt die zweite Berathung des Staats- haushalts-Etats für 1899 beim Etat des Ministeriums

des Jnnern fort.

it dem Kapitel der dauernden Ausgaben, und zwar dem Titel „Gehalt des Ministers“ gelangt folgender A n- trag dec Abgg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.) und Genossen zur Verhandlung ; Hart ;

Die in dem Erlaß des Ministeriums des Innern über den Waffengebrauch der Polizeiteamten vom 22. Juni 1898 enthaltene Vorschrift, wona, falls zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung zum Gebrauch der Waffen geschritten werden muß, unter allen Umständen nur {arf eingehauen oder {arf geschossen werden darf, ist ebenso sachlich ungerechtfertigt, wie sie den Ueber- lieferungen der preußishen Geseßgebung über den Waffengebrauh der Militärpersonen und Zivilbeamten widerspricht. j

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole) geht auf die Politik der Regierung gegenüber a Noten von den ersten Anfängen an näher ein. Die Regierung habe ihre Verpflichtungen gegen die Poler. nit gehalten und fie Schritt für Schritt zu germanisieren gesucht. Die Mittel, die sie zu diesem Zwecke anwende, seien vollkommen verfehlt und die Vorwürfe, die man den Polen gemaht habe, unbegründet. Die Zahl der polnishen Vereine habe ih seit 1895 nicht vermehrt, wohl aber die der deutshen. Der H. K. T. - Verein sei ein Kamvfverein, . denn er habe sch auf den Boden der. Rede des ürsten Bismarck gestellt, die dieser an die Westpreußen gehalten habe. Im Zusammenhang damit ftehe das taktlose Vorgehen der unteren Behörden, die dem Ministerium selbs Schwierigkeiten bereiteten.

Abg. von Staudy (kons.): Das Traurigste, was es für die polnischen Landestheile gäbe, wäre eine schwankende Politik. Wir auf dieser Seite und ih speziell haben immer nur das Wort genommen, niht um die Polen anzugreifen, sondern um das Deutschthum zu ver- theidigen. Graf Caprivi bielt die Polen für polnisch sprehende Preußen, und dieser Ansicht sind wir au. Freilich ift unter seiner Regierung in der Provinz Posen manches gesehen, worüber wir lieber {chweigen follen. Die polnischen Vereine sind zur Förderung des Polenthums gegründet worden auch in folhen Fällen, wo gemeinsame Iiere sin der Landwirthschaft 2c. sehr wohl von Deutschen und Polen gemein- schafilich vertreten werden konnten. Die Sokolvereine sind keine eigentlihen Turnvereine, sondern hon wegen ihrer Tracht polnische Nationalvereine. Auf polnischen Festlichkeiten is die weiß-rothe polnische e aufgerollt worden, und Vereinsmitglieder sind wegen groben Unfugs verurtheilt und ihre Vereine als der polnischen Agitation dienend erklärt worden. Der H. K. T.-Verein ist kein Kampfverein, sondern ein Verein'zur Abwehr. Der Abg. von Jazdzewski bat die unteren Behörden hart angegriffen. Der Abg. von Jagow, der zugleih Regierungs- Präsident von Posen ift, verzihtete darauf, in dieser Debatte jemals das Wort zu ergreifen. Er hat viel in polnishen Häusern verkehrt und ift über polnische Verhältnisse orientiert; er sowohl wie die Land- räthe ftehen fi ausgezeihnet mit den Polen. Man sollte sich hüten, das gute Verhältniß zu stören. ;

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine hochverehrten Herren! Ih habe die Rede des Herrn Abg. von Jazdzewski niht ganz gehört, es könnte daher sein, daß ih in einzelnen Punkten bei der Widerlegung, die übrigens sehr kurz fein wird, irrte. Der Herr Abg. von Jazdzewski scheint anerkannt zu haben, daß der Erlaß des Staats-Ministeriums vom 12. April 1898 zwar den Zweck verfolgt, den preußishen Beamten in den polnischen Landen klar zu machen, daß sie besondere Aufgaben haben gegen- über den Beamten in rein deutshen Landestheilen, daß sie mitwirken müssen an den Bestrebungen der Staatsregierung, dort das Deutsch- thum zu kräftigen und den Frieden in der Bevölkerung nach allen Richtungen hin so viel als thunlih zu fördern. Es heißt ja auch in

diesem Erlaß ausdrücklih :

Jedes aggressive Vorgehen gegen die fremdsprahlihe Bevölke- rung zu vermeiden und den willigen Elementen derselben die Theil- nahme an allen gemeinnützigen, wohlthätigen, religiösen Vereinen möglichft zu erleihtern. Neben der entshiedenen Abwehr deutsh- feindlicher Bestrebungen muß ein versöhnliher Geist, gerihtet auf die allmählihe Abschleifung der bestehenden Gegensäte, das Thun und Lassen der Beamten und Lehrer leiten.

Wie kann man da von einem feindseligen Vorgehen, von einer gewaltthätigen Repression, von einem aggressiven Vorgehen gegen einen Theil der Bevölkerung sprechen ?

Ich habe nun leider niht gehört, welhe Beweise Herr Abg. von Jazdzewski dafür vorgebraht hat, daß einzelne Beamte etwa in ein- zelnen Fällen diesen Grundgedanken des Erlasses zuwidergehandelt haben. Es würde ja ein leichtes sein, wenn Herr von Jazdzewski, falls er solide Beweise besißt, sie mir persönlich mittheilte, dann würde die nöthige Korrektur soweit fie angezeigt ist von selbst erfolgen. Wir wollen etwaige Uebergriffe nah der bezeihneten Seite hin seitens der deutshen Beamten ebenso wenig, wie das die Deutschen in der Provinz wollen und wie es die Polen wünschen können. Aber wenn hier einzelne Fälle angeführt werden, die man nit kontrolieren kann, wofür keine Beweise erbraht werden können, so kann man darauf nicht eingehen. Hätten die Herren von der polnischen Fraktion den guten Willen, nur die Abstellung etwaiger Mißgriffe herbeizu- führen, so brauchten sie hier nicht große Reden, die nur aufreizend wirken können, im Abgeordnetenhause zu halten, sie können ficher sein, auf anderem Wege, den ih bezeihnet babe, in dieser Beziehung eine Korrektur zu erreihen. (Bravo! rechts.) Meine Herren, ih habe so oft schon über die Politik, welhe die Staatsregierung jeßt gegenüber der s\chwierigen Frage einer Provinz mit gemis{chtsprachliher Bevölkerung in Zukunft zu befolgen gedenkt, mich ausgesprochen, daß ih kaum nöthig habe darauf noch weiter einzugehen. Ich will nur in Kürze mal Folgendes feststellen.

Die Polen, die sfih immer als die verfolgten Lämmer darstellen (sehr rihtig! bei den Polen; Lachen rets), haben in diesen Landen alle verfassungësmäßigen und sonstigen Freiheiten, die der deutschen Bevölkcrung zustehen. (Sehr richtig! rets.) Sie haben eine freie Presse, sie haben Versammlungsreht, sie haben freie Bereinsbildung genau so wie die Deutshen und machen davon einen sehr reichlihen Gebrauch; sie zahlen dieselben Steuern wie die Deutschen, die kulturellen Ausgaben in diesen Provinzen kommen ihnen ebenso zu gut wie den Deutshen. Wie kann man nun bei einem solhen Bilde von vornherein den einen Theil der Bevölkerung als die Unterdrückten und Verfolgten darstellen? Alles Wesentliche, was ein Unterthan an Rechten haben kann, besißen fie, alle Vortheile von der Angehörigkeit an ein Staatswesen, die ein Theil und alle Unterthanen genießen können, besißen sie. Worüber ist nun eigentlih die Klage und der Streit? Meine Herren, die Schule! Aber Herr von Jazdzewêki felbst hat hier mehrfach anerkannt, daß es die größte Wohlthat sei, daß die Polen deuts lernen; sie brauchen für ihr Forikommen die Kenntniß dieser Sprache unbedingt, das giebt er zu. Wenn also unsere Schulen darauf gerihtet sind, daß die Polen, die in ihren Familien nit deutsh sprechen, von Kindheit auf niht deutsch lernen, zwiesprachig werden, wenn das nur zu ihrem Vortheil gereiht, so sehe ih niht, woher die Klagen kommen. Für die religiöse Erziehung der Kinder ift durch das Zugeständniß des Religionsunterrihts in den ersten Tagen der ‘Kindheit gesorgt.

Woher kommt nun der ganze Streit? Man muß ih doch einmal fragen: find es nun die Deutschen, die in dieser Beziehung ein aggressives Vorgehen begonnen haben? Gehen fie darauf aus, die Polen auszurotten, ihre Muttersprahe, wie sie oft in anderen Ländern zu gebrauhen verboten ift, zu verbieten, fie ihnen zu rauben? durchaus nicht! Das kann von keiner Seite behauptet werden. Thut die Staatsregierung Derartiges? Woher ist also der ganze Streit gekommen? Es giebt Dinge, die notorisch sind, die brauht man nicht zu erörtern und zu beweisen, sie erzählt einem jèder unbefangene Mann, der aus diesen Provinzen kommt, jeder Beamte, noch so unbefangen, noch fo milde und gütig, erzählt einem immer dass\elbe: der aggressive Theil sind die Polen. Und in einem Theil wenigstens \teckt doch der Hintergedanke, es könnte einmal gelegentlich anders werden (sehr rihtig! rechts), und wir müssen uns darauf vorbereiten. Herr von Jazdzewski hat uns bezeugt, daß die Polen nit an so etwas denken; ih traue ihm zu, daß er persönlih niht daran denkt, aber wenn er einen Glaubenseid {chwören follte (Heiterkeit rechts), ob er siher wäre, daß auch niht Andêre in Polen daran denken, und ¿war in ziemlih verbreitetem Umfange, so bin ich überzeugt, er würde gewissenhaft genug sein, den Eid zu verweigern.

Meine Herren, woher kommt das Streben der Isolierung in allen Beziehungen seitens einer polnischen Partei, will ich nur sagen? Alles soll getrennt sein, zwei Rassen sollen nebeneinander unvermittelt dastehen, kein gemeinsames, doch thatsählih vorhandenes Interesse soll genügen, um diesen immer breiter werdenden Grenz- graben zu überbrücken. In landwirthschaftliher Beziehung beispiels8- weise haben do zweifellos die Polen genau dasselbe Interefse wie die Deutschen, und sie müssen sih doch sagen: viribus unitis werden wir mehr erreihen, und es können beide Stämme in dieser Beziehung von einander lernen. Wer hat die Vereinigung der landwirtbschaftlihen Vereine verhindert? Das haben die Polen gethan. (Sehr richtig! rets.) Fch habe mi selbst {hon vor Jahren aufs lebhafteste bemüht, alle Personen, die sich mit mir darüber unterhielten, Deutshe sowohl wie Polen, zu ermahnen, in dieser Beziehung eine Vereinigung zu erzielen. Die polnischen Sparkassen, alle politishen, wirthschaftlihen und -kon- fessionellen Vereine werden ftreng getrennt. Was foll das bedeuten? Muß man da nicht einen Hintergedanken vermuthen? (Sehr richtig! rets.)

Meine Herren, zum theil find diese Vereine, und gerade die Sokolvereine, doch auch direkt deutshfeindlich. Sie gehen darauf aus, das Bewußtsein der Polen als Nation in einem Deutschland und Preußen feindlihen Sinne zu beleben und zu entwickeln. Ich habe hier ein gerihtlihes Erkenntniß, wo es über die Sokolvereine heißt es wird da die Thätigkeit, das ganze Verhalten der Sokol- vereine in diesem Erkenntniß geschildert : j

Diese ganze Thätigkeit der Sokolvereine kennzeichnet sie zur Genüge als das, was sie sind, niht als Turnvereine, nicht als Vereine zur Pflege der Geselligkeit und was als Maske sonst immer gewählt werden möge, sondern als Vereinigungen, die der großpolnischen

Gegensaß zum Deutshthum

(Hört, Hört ! rets)

Agitation dienen, die beftrebt find, das Polenthum in bewußten

uud {hre Milglieder in bewußten Gegensai zu (hör beuiliite

Mitbürgern nichtpolnischer Zunge zu bringen, Vereine, die also |

bewußt auf Aenderung unserer ftaatliczen Zuftände und Ein- rihtungen der Verwaltung hinarbeiten und \ich mit An- gelegenheiten beshäftigen, die die Gesammtheit des Gemeinwesens und das gesammte öffentlihe Interesse berühren müssen, mithin Vereine, die alle öffentlichen, speziell politishen Angelegenheiten behandeln und als politische Vereine anzusehen find. i Hört, höôrt! rechts.) Wenn Sie nun das Bild der Tracht dieser Vereine, das ja vielleicht den Herren ¡ugänglih gemacht werden kann, ih mal ansehen, so möchte ih wirkli einmal fragen, wie man nun behaupten kann, daß das Vereine der Jugend sind, die sih in löblicher Weise zu körperlihen Uebungen zusammenthun, und die nihts weiter beabsihtigen als dieses und nur eine fröhlihe, jugendlihe Geselligkeit pflegen.

Ich glaube, ih brauhe auf die Sache nicht weiter einzugehen. Die Dinge sind hier so vielfah besprochen, und ih freue mihch nur, daß Herr Dr. von Jazdzewski vorsihtiger und offener Weise erklärt hat, für seine polnishe Presse wolle er niht einstehen; da käme vieles vor, was er selbst beklage. Ja, aber diese Presse hat doh einen sehr großen Leserkreis unter den Polen. (Sehr rihtig! rechts.) Daß Herr von Jazdzewski sie nicht liest oder fie nicht mag und ihr Verhalten nicht billigt, das ist ja sehr erfreulich. (Heiterkeit rets.) Aber damit können wir uns nit berubigen für die Einwirkung dieser Presse auf die gesammte polnishe Bevölkerung. Das geht ja \o weit, daß, als der Fürst Ferdinand Radziwill in einer Erklärung der Fraktion, die er unter- {rieben hatte, den Ausdruck gebrau@Gt hatte:

Da sie nämlich die praktische Bedeutung den in jedem Verfafsungsftaat geübten Grundsäßen des öffentlichen Rechts zuwiderlaufe, der „Goniec“ und die „Gazeta Pol. Danska* darauf antwortete : Was das erstere Argument d. h. die in konstitutionellen Staaten üblihen Grundsäße betrifft, so gestehen wir, daß wir es lieber gesehen hätten, wenn die Fraktion diesen Beweisgrund niht angewendet hätte, da wir Polen sowohl der preußishen als der deutschen Verfaffung, relativ ge- nommen, wenîg Gewicht beilegen. (Hört, hört! rechts.) Das wird erläutert durch eine andere Stelle, welche die „Gazeta Pol. Danska“ gegen die „Germania“ {reibt und ih bitte die Herren vom Zentrum, auf diefen Say doch ein wenig zu achten. Es heißt da:

Ì j

Es zeigt ih {hon oft, daß es für uns das Beste ist, wenn wir F

die Preußen meiden wie die Seuche, wie die Pest. (Hört, hört! rechts.) Dann schreibt sie, als die „Germania“ die Polen als preußishe Polen bezeichnete :

Möge die „Germania“ wissen, daß dies für den Polen die

größte Beleidigung ift, wenn ihn jemand einen Preußen nennt. (Hört, hört! rechts.)

Wir sind Polen und nur Polen und hchftens noch Unter-

thanen des Königs von Preußen, aber keine Preußen. (Hört, hört! rechts.) Ja, meine Herren, das sind doh verbreitete Blätter, und ih lese ja alle Wohe die Zusammenstellung der deutschen Uebersetungen aus den polnischen Blättern. Wenn ich nicht überzeugt wäre, daß es die Herren gewaltig langweilen würde, so könnte ih Ihnen eine Blüthenlese von derartigen Aeußerungen nach allen Richtungen geben. Oppositionsparteien haben wir doch in Deutschland au genug; aber wenn in irgend einem deutschen Landestheil irgend ein Blatt derartiges \hriebe, so würde sein Leserkreis bald verschwinden. Daß das in Polen bezüglih solher Preßäußerungen der Fall ift, davon habe ich noch keine Kenntniß nehmen können.

Meine Hetren, ich glaube also: die Politik der Staatsregierung ist leider durch solhe Stellung eines ih will mi vorsichtig aus- \sprehen großen Theiles der Polen eine Staatsnothwendigkeit ge- worden. Wir können von dieser Politik nicht abweihen. Worin besteht sie aber? Die dortigen Gegensäße haben zu Zeiten dahin geführt, daß man seitens der Staatsregierung es mal mit vollem Gehenlassen, mit absoluter Milde, mit Gleichgültigkeit gegen diese nationalen Kämpfe versuchte, Das führte, nahdem die Politik von vorher, von Grolmann und Flottwell, beseitigt war, unter Friedrih Wil- belm IV. \chließlich zu dem Aufftande von 1863. Nachher ift eine ähnlihe Entwidckelung wiedergekommean. Wir haben aber gefunden, daß die Agitation durch die milde oder schwahe Behandlung nicht abgemildert, verrinzert, sondern bedeutend vershärft wurde. (Sehr richtig! rechts.)

Wozu sind wir nun übergegangen, meine Herren? Keineswegs zu einer Repressivpolitik. Keine der Freiheiten, die die Polen genießen, und der allgemeinen Befugnisse der Staatsbürger ist ihnen genommen. Im Gegentheil; wir haben uns darauf beshränkt, das ins Wanken und in Muthlosigkeit gerathene Deutshthum wieder zu kräftigen, positiv einzuwirken. Wenn man Geschichte versteht, dann wird man milde. Diese Gegensäye hat kein Einzelner verursacht ; sie sind aus der gesammthiftorishen Entwickelung her- vorgegangen, undals solche muß man sie behandeln. Eine bloße polizeiliche Repression nüt da nichts. Man muß allerdings gegen Ueberschreitungen die ftaailihe Ordnang fest fichern; aber im übrigen sih einzubilden, daß solche hiftorish uns überkommene Gegensäße von heute auf morgen durch polizeiliche Maßnahmen beseitigt werden könnten, das wäre ein ganz gewaltiger Irrthum. Beiderseits müssen wir den hiftorishen Spruch, der mal über das alte Polen gefällt ift, aner- kennen, auf diesen Boden uns ftellen und uns nun im JInterefse beider Theile, beider Bevölkerungsshichten zu verständigen und zu vereinigen suchen. Das ist die Politik, die hier in diesem Erlaß ausgesprochen ift, und nach dieser Politik muß verfahren werden.

Wenn wir beispielsweise jeßt in Posen das Deutshthum ftärken, indem wir für kulturelle Einrichtungen erheblihe Koften aufwenden, so hoffe ih ganz aufrihtig, daß diese den Polen gerade so gut zu gute kommen, wie den Deutschen; ja, ih hoffe, daß daraus Vereinigungspunkte persönlicher Art zwischen den Polen und Deutschen : entstehen werden. Wenn wir da ein Museum gründen, so wird das dem Kunftsinn der Polen genau so gut zu gute kommen, wie dem der Deutschen. Wenn wir eine Bibliothek gründen, so würde ih entfernt niht daran denken, alle polnischen Bücher wissenshaftlicher Natur, die die Polen gern lesen wenn sie niht in dieser feindseligen Rihtung sind —, auszuschließen.

(S{hluß in der Zweiten Beilage.)

„M 39.

(S(hluß aus der Ersten Beilage.)

Wenn wir ein hygienishes Institut in Posen herstellen, kommt das nicht der Gesammtbevölkerung in allen Resultaten und den polnischen Aerzten ebenso gut zu gute wie den deutshen Aerzten? Wo is also der Grund, besonders zu klagen und über Vergewaltigungen \ich zu beschweren ? i

Meine Herren, diese Art von Politik ist nicht die Politik des Gereizt- und Getäuschtseins, und das ist nach meiner Meinung der Unterschied zwischen den politishen Schwankungen in der Vergangen- heit. Wir betrachten diese Sahe als eine Kulturaufgabe, und wir wissen ganz genau: sie vollständig zu erreihen, wird schr lange dauern. Aber die Hoffnung habe ih doch: wenn die Polen erst das Wesen dieser neuen Politik richtig auffassen, wenn sie auh die Früchte davon in ihrer eigenen Provinz und in ihrem eigenen Leben erkennen, wenn sie {hließlich durch das Erstarken des Deutshthums jede illusorische Hoffnung auf eine völlige Umwälzung der Dinge auf- gében, dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo man manche Maßregeln dieser und jener Art wird aufgeben können.

Ihre Muttersprache geniert uns garnicht (na, na! bei den Polen), in keiner Weise, wenn diese Sprache nit als ein Kriegsmittel gegen das Deutshthum gebrauht wird. Das ist der entscheidende Punkt, und zur Zeit ist das noch der Fall. Wenn an der holländischen Grenze noch holländisch gesprohen wird von den Preußen in Ost- friesland u. # w, wer verhindert das? Wer hätte nur das geringste Interesse dagegen, wenn in der Eifel noch französisch gesprohen wird? Meine Herren, niemand hat die Leute darin beschränkt; - im Gegentheil, manhe Deutschen hôren es gern. Sie sind eben gute Preußen; es ist kein Staat dahinter, wie das auch in Nordshleswig der Fall ift, auf den ein folch antideutsher Gegensaß sich \üßt; es sind nicht die illusorischen Hoffnungen vorhanden, die dahin treiben, krampfhaft und im Gegen- saß zur deutshen Bildung an der Sprache festzuhalten. Es sind das alles wesentli} Gemüthsfragen im Bolke, und deswegen bin ih auch immer der Meinung gewesen: man muß auch manches Ver- halten der Gegenseite von diesem Standpunkt aus betrachten.

Ein ganz allmählihes Zusammenshließen darauf müssen wir unsere Hoffnung rihten, und ih kann nur wiederholen, diese Politik ist geboten dur die gesammte deutshe Stellung des deutshen Staats Preußen. Wer einmal in diesem Staat wohnt, muß ih diesen Grundaufgaben des preußish-deutshen Staats fügen lernen. (Sehr rihtig! Bravo! rechts.) Deswegen wird diese Politik auch nicht wieder aufhören, von nun an ift sie eine dauernde Errungenschaft. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.): Der Erlaß des Ministers des Innern über den Waffengebrauch . der Polizeibeamten ist in der ersten Etatsberathung niht genügend klargefstelt worden. Von einem Mitgliede der Rechten is darauf hingewiesen worden, daß nur im äußercften Hie \charf geshofsen werden solle, sons aber blind. Dem widerspridf der Wortlaut des Erlasses. Gendarmen und Polizei- beamten haben danach in allen Fällen scharf zu schießen. Zu einer folhen Verfügung lag ein genügender Grund nicht vor. Sie widerspriht den Traditionen der preußishen Gesetzgebung. Die Dienst- instruktion an die Landgendarmen beruht auf der Verordnung vom Jahre 1820. Danach foll nur im Nothfalle und mit möglihster Stonung von der Shußwaffe Gebrau gemaht werden. Der Er- laß des Ministers widerspriht auch der. Geseßgebung über den Waffen- gebrauch der Mititärpersonen, wo der Befehlshaber je nah Lage der Dinge zu entscheiden hat, in welher Weise von der Waffe Gebrauch zu machén ift. Auch die Instruktionen für die Grenzaufseher und die Forstbeamten sind milder als ter Ministerial-Erlaß, sie enthalten nicht die Bestimmung, daß sofort mit uer: Strenge vorgegangen werden soll. Es wäre zu erörtern, ob diefer Erlaß überhaupt zu Necht be- steht. Der Minister hielt seinen Erlaß für rechtlich unanfehtbar. Die Regelung der Instruktion für die Gendarmerie ist zunächst ge- feglich erfolgt, und ein Geseß kann durch eine bloße Verordnung nicht aufgehoben werden. Eine geseßlihe Regelung für die Polizeibeamten befteht allerdings niht. Jst aber die Frage vom geseßlihen Stand- punkt aus mindestens zweifelhaft, so muß man bei einem solchen Erlaß sehr vorsichtig fein und si überlegen, ob er nothwendig und ¿weckmäßig ist. - Rube und Ordnung muß sein, aber allzu \{harf macht schartig. Bei Tumulten sollte man niht Unschuldige treffen. Man denke an die weittragende Kraft unserer Geshofse! Der Zweck, der erreiht werden foll, kann auch mit milderen Mitteln erreicht werden, wie es seither gesehen ift. Der Minister hat gemeint, die äußerste Strenge sei das humanste Mittel. Mit demselben Rechte Eônnte man auch die Kolonisation in Afrika vertheidigen. Der Grlaß ift auch politis bedenklich. Durch diese Schärfe des Vor- gehens ift eine gewisse Erbitterung in weiten Kreisen entstanden. Es ift nichts geshehen, was einen folhen Erlaß rechtfertigen könnte. Derselbe hat auch wieder zu einer Vermehrung der sozialdemokratisckchen Stimmen geführt. Wir bitten das Haus, sich unserer Anschauung anzuschließen und unseren Antrag anzunéhmen. :

Minister des Jnnern Freiherr von der Necke:

Meine Herren! Jh kann. dem Herrn Abg. Wiemer versichern, daß ih aus seinen Ausführungen keinen Anlaß habe entnehmen können, diesen von ihm hier so scharf getadelten Erlaß auch nur in einem Punkte abzuändern (Bravo! rechts); an diesem Erlaß, meine Herren, wird auch- niht ein Titelchen geändert werden. (Bravo! rehts; hört, hört! bei den Freisinnigen.)

Ich habe es sehr bedauert, daß in der Budgetkommission, wo, wenn ih nit irre, auch der Herr Abg. Wiemer zugegen war, seiner- seits*Feine “Gelegenheit - genommen - worden ist, auf diese Sache zurückzulommen. Dort wäre der - rihtige Ort und die richtige Gelegenheit gewesen, ausführliß nadzuweisen, von welchen Irrthümern diejenigen Herren, welche diesen Erlaß bekämpfen, aus- gegangen sind und noch immer ausgehen. Meine Herren, hier im Plenum über eine derartige Frage eingehend zu diskutieren, ist meines Erachtens kaum mögli.

Im übrigen muß ih dem Herrn Abg. Wiemer bezeugen, daß er den Erlaß auch jeßt noch nit verstanden hat (sehr rihtig! rets ;

. Lachen und Zurufe bei den Freisinnigen), und daß deswegen seine

ganzzn Ausführungen, die er an den Erlaß geknüpft hat, ebenso hinfällig sind, wie die Ausführungen der verständniß-

losen Presse, von der ich mir erlaubt habe, schon bei der ersten Debatte dieses Etats zu sprehen. An cs

3 id ddt: 5d,

4 oi u ‘Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Dienstag, den 14. Februar

Meine Herren, der Herr Abg. Dr. Wiemer behauptet noch immer, die Verfügung bedeute eine Aenderung derjenigen Be- stimmungen über den Waffengebrauh, die in der Gendarmerie- Instruktion enthalten wären. (Zuruf links.) Meine Herren, ih habe son in der ersten Debatte hervorgehoben, daß dem. nit so ist. In dem Erlaß is doch ausdrüdcklih bemerkt, daß diejenigen Bestimmungen, welhe in der Gendarmerieordnung bezüglich des Waffengebrauhs getroffen sind, auch für die Polizeibeamten maßgebend fein sollen. Ich werde doch {chließlich am beften wissen, wie der Erlaß aufzufassen ift. (Zuruf und Heiterkeit links.)

Ebenso, meine Herren, bestreite ih, daß der von mir bezüglich des Waffengebrauhs der Polizeibeamten gegebene Erlaß in Widerspru steht mit denjenigen Bestimmungen, die bezüglich des Waffengebrauhs des Militärs erlassen sind. Der Herr Kriegs-Minister und einen befseren Interpreten dieser Bestimmungen werden Sie nicht finden hat im Reichstage ‘ausdrücklich erklärt, daß die meinerseits bezüglih des Waffengebrauhßs der Polizeibeamten jeßt gegebenen Bestimmungen, die für den Waffengebrauh der Gendarmen bereits bestanden haben, genau überein- stimmen mit denjenigen Vorschriften, die in Betreff des Waffengebrauhs des Militärs gegeben sind. (Sehr richtig! rechts.) Mit andern Worten, meine Herren, es ist absolut nihts geändert in Ansehung der Entschließungen der Befehlshaber bezw. der einzelnen Beamten, ob, wann und gegen wen eingeschritten werden soll; es ist nihts ge- ändert worden an der Bestimmung, die bereits in der Gendarmerie- Instruktion steht, daß stets maßvoll eingeshritten werden foll; es ist nur den Gendarmen sowohl wie den Polizeibeamten ausdrücklich eingeshärft worden, daß, wenn fie überhaupt dazu übergehen, die Waffe zu gebrauchen, dann dieser Gebrau niht nur ein spielender, sondern ein ernster sein soll, daß also, meine Herren, dann aber nur dann nit fla gehauen und nit blind geshossen werden soll. (Bravo! rets: Zurufe bei den Freisinnigen.) Ich bestreite, daß hierin irgend eine Neuerung gegenüber den früheren Bestimmungen enthalten ist. (Widerspruch bei den Freisinnigen.) Jh habe mir bereits auszuführen erlaubt, daß die Vershärfung dieser Vorschrift eine Nothwendigkeit sei, und ih habe nicht minder hervorgehoben, daß ich diesen Erlaß für durhaus zweckmäßig halte. Ich habe keinerlei Veranlassung, von diesem Erlaß auch nur das Geringste zurückzunehmen. (Bravo! rets.)

Abg. Dr. Kelch (fr. kons.) auf der Journalistentribüne {wer verständliß fragt an, ob an eine Verlegung der Regierung in Potsdam noch gedacht werde.

Minister des Jnnern Freiherr von der Recke:

Es ist richtig, meine Herren, daß anläßlih der Frage des Neu- baues eines Regierung8gebäudes in Potsdam auch die Frage der Ver- legung der ganzen Regierung bezw. der- Theilung des Regierungs- bezirks Potsdam in Erwägung gezogen worden ist; ih bin aber nicht in der Lage, dem Herrn Abg. Kelh s{chon heute irgend eine bindende definitive Erklärung in dieser Beziehung abgeben zu können. Ih kann ihm nur verfichern, daß akler Wahrscheinlichkeit nah von einer vollständigen Verlegung der Regierung Abstand genommen werden wird, und ih füge gern hinzu, daß die Staatsregierung bemüht sein wird, den ihr bekannten Verhältnifsen der Stadt Potsdam thun- lihst Rechnung zu tragen. Die Angelegenheit if in Fluß und wird, soweit es auf mich ankommt, thunlichst beschleunigt werden.

__ Abg. Dr. Langerhans (fr. Volksp.) kommt auf die bisher noch nicht erfolgte Bestätigung der Wahl des Ober - Bürgermeisters von Berlin zurück. Der jeßige Zustand widersprehe der bestehenden Geseßgebung und der Städteordnung. Die Selbst- verwaltung habe s{hon wenig Rechte, die bestehenden dürften aber nicht noch mehr verkürzt werden. Seine Majestät (Vize-Präsident Dr, Krause ersuht den Redner, gemäß der parlamentarischen Ge- pflogenheit die Person Seiner Majestät des Königs nicht in die De-

batte zu ziehen.) Die Verzögerung der Bestätigung sei eine Ver- -

kürzung des Selbstverwaltungörehts und schädige auch die Interessen der Beamten.

Minister des Junern Freiherr von der Recke:

Meine Herren! Jch habe in der Sache selbst mich lediglih auf diejenige Erklärung zu beziehen, die ich vor einigen Tagen (Rufe links: Tage ? Wochen !) in der Diskussion bei der ersten Lesung des Etats hier abgegeben habe. Jch habe nur hinzuzufügen, wie ih es meiner- seits in hohem Maße bedaure, daß der Abg. Dr. Langerhans bei dieser Gelegenheit die Person Seiner Majestät in die Diskussion gezogen hat. (Oh, oh! links.) Der Herr Präsident hat hon die Gewogenheit gehabt, das hier zu rügen. Wenden Sie si, meine Herren, in dieser Angelegenheit an mi, der ih dafür die Verantwortung trage. Auch dafür übernehme ih die Veräntwortung, daß kein Unglück entsteht, wenn die Entscheidung dieser Angelegenheit noh auf einige Zeit aus- gefeßt bleibt. (Rufe links: Das ift alles ?)

Abg. von Kardorff (fr. konf.): Wir haben hon früher dur den Mund des Herrn von Zedliß" erklären lassen, daß das Be- stätigungsreht zum Gegenftand der Diékussion gemacht werden kann. Wir können doch auch einmal ein liberales Regiment haben. Die Kronrehte wollen wir nihcht abbröckeln laffen, aber au an unseren konstitutionellen Rechten niht rütteln lassen. Es wäre richtiger ewesen, die Bestätigung sofort zu- geben oder zu versagen. Regieren

eißt Entschluß fassen, und die Verzögerung hat eine große Miß-

flimmung hervorgerufen. Abg. Wiêmer hat den Erlaß des Ministers

zu sehr aufgebauscht. Jn der Kommisfion könnten wir uns über den

Anirag: Wiemer ja ruhig unterhalten.

po g od (Zentr.) ‘erörtert die Frage der konfessionellen Fried- e am Rhein.

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lafa (kons.): Auch uns wäre es lieb, wenn in der Dber-Bürgermeisterfrage bald cine Entscheidung fiele, sonst könnte im Laude die Meinung entstehen, daß wir nit ‘eine so. starke und feste Regierung haben wie es nothwendig is. Auß ih stehe auf dem Boden der Ver- fassung und glaube, pas das Parlament über die Beftätigung sprehen känn. Eine andere Frage aber is es, ob der Minister dem Parlament gegenüber eine -Verantwortiung für die Bestätigung trägt ; denn Verantwortung i|st ec nur und dem König fhultig, Was den trag Wiemer betrifft, so muß ich gestehen, daß die Polizei nicht überall Vertrauen findet. Der Antrag ist aber nicht annehmbar, weil der Ministerialerlaß falsch ausgelegt worden ist. Es giebt Fälle genug, in denen von der Waffe überhaupt kein Ge- brau gemaht werden kann. Bei Konflikten zur Wiederherstellung der öffentlihen Ordnung aber is es nothwendig, daß die Beamten

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genau wissen, was sie zu thun haben. Wird die Verordnung mit Klaufeln und Ausnahmen versehen, so werden die Beamten unsicher. Sie müssen allgemeine Grundsäße zur Richtshnur haben. Finden Unruhen statt, so mögen die Neugierigen davon fern bleiben, da sie wissen, daß ernsthaft eingeschritten wird.

Abg. Dr. Kraufe (nl.): Jch kann mich der Auffaffung des Abg. von Kardorff nur anschließen. Die Verantwortung, welche der Minister ih und dem König shuidet, bestand hon vor Einführung der Kon- stitution. Er hat nah derselben dem Parlament Rede und Antwort zu stehen für das, was er kraft seines Amtes zu thun hat, und wenn ich den Minifter recht verstanden habe, so hat er seine Stellung auh nicht anders aufgefaßt. An dem Kronrecht hat hier Niemand ge- rüttelt. Der Berliner Fall hat o und berehtigtes Aufsehen erregt. Es ist unmögli, eine fo gro e Verwaltung wie die Berliner zu führen, wenn man nit weiß, ob der Bürgermeister bestätigt wird oder niht. Es läge auch i:n Interesse einer energishen Führung der Staatsgeschäfte, wenn endlih eine Entscheidung fiele. Was den Waffengebrauch betrifft, fo bin ich der Meinung, daß nach den Erklärungen des Ministers niht jeder - Polizei- beamte ohne jede Ausnahme \charf {ießen und sharf einhauen wird. Denn der Erlaß für die Gendarmen foll den Polizeibeamten [nur als „Nichtshnur“ dienen, Ausnahmen f also nicht ausges{lofsen. Insofern geht der Antrag Wiemer wohl von falshèn Vorausseßungen aus. Der Autorität des Gesetzes, des Staates und seiner Beamten muß unter allen Umstäden und mit Strenge Achtung verschafft werden. Wir follten Alle einig sein in der Abwehr der Willkür der Beamten und in der Wahrung der Autorität des Staats.

_ Abg. Schmißz-Düsseldorf (Zentr.) bedauert, daß der Abg, Wiemer feinen Antrag nicht als selbständigen Antrag eingebraht hat. Zur Zeit könne er namens des Zentrums noch niht Stellung dazu nehmen, weil es darüber noch niht berathen habe. Daß es Fälle geben könne, wo scharf geschossen wérden müsse, unterliege keinem Zweifel. Die Zahl der Sicherheitsbeamten sollte niht nah der Zahl der Bevölkerung, sondern nach dem Bedürfüiß der einzelnen Orte vermehrt werden. Redner hält eine Aenderung der Vorschriften für die Heilighaltung des age und zur Verhütung der Seuchen für nothwendig; au der Verfälschung der Nahrungsmittel solle energisch entgegengetreten werden. Endlich beschwert si der Redner über die am Rhein geltenden angen über die Jagdverpachtung der Gemeinden und verlangt Vorschriften zur Zügelung der Genußfucht der jungen Leute. Die vielen Vereins- feste gefährdeten den Sparfamkeitéfinn und das Familienleben. Seine Partei wolle das Vereinäreht niht in Frage stellen, aber solhen Ver- einen, die nur der Vergnügunçessuht Vorschub leisten und die [oui übliche Polizeistunde umgehen, müsse entschieden entgegengetreten werden.

Unter-Staatssekretär Braunbehrens: Die Anregungen, die der Herr Vorredner in so reicher Zahl gegeben hat, werden sämmtlich wohlwollend in Erwägung gezogen werden im Ministerium des Innern, soweit sie desen Ressort betreffen. Allerdings ist bei einer ganzen Reihe von den Wünschen des Herrn Abgeordneten mir nicht klar geworden, inwiefern sie mit dem Ressort des Ministeriums des Innern zusammenhängen, nament- lih auf dem Gebiet der Landwirthschaft, der Obsiproduktion, der Bienenzuht, des Honighandels und ähnlihen Dingen. Am Schluß seiner Ausführungen is der Herr Abgeordnete auf die Vergnügungsfucht der Bevölkerung gekommen, und ih glaube ihm in dieser Beziehung versichern zu können, daß seine Ausführungen beim Ministerium des Innern einen dankbaren Boden finden. Es wird von dieser Stelle aus darauf gesehen und häufig in Erinnerung gebrat, daß die Zahl der Vergnügungen, soweit die Polizei darauf einen Einfluß hat, soweit sie in Schenken stattfinden und öffent- lihen Tanzlustbarkeiten ihren Ausdruck finden, niht überhand nehmen. Der Herr Abgeordnete hat weiter an verlezter Stelle bejonders von einem Mißbrauch gesprohen, wonach die Jagdpachtgelder in gewissen Gemeinden in die Gemeindekasse fließen und dort zu Gemeindezwecken verwendet werden. Es ist ganz zweifellos, daß die Jagdpachhtgelder kein Gemeindevermögen, sondern FInterefsentenvermögen sind, also lediglih den Grundstückskesigern zu gute kommen müssen, Es wird vielleicht in vielen Gemeinden so gehalten, daß mit einer zum mindesten stillschweigenden Zustimmung der Grundftücksbesiter diese Iagdpachtgelder in die Gemeindekasse einklassiert und dann zu Zwetten, die den Grundbesißern zu gute kommen, verwendet werden. Gegen ein folhes Verfahren wird wohl kaum etwas einzuwenden sein. Sollte die Gemeinde oder die Interessentenshaft beabsichtigen, diese Gelder zu Zwedcken zu verwenden, welche niht ledigliÞh den Grund- besißern zu gute kommen, so würde darauf muß allerdings ein- gewirkt weiden erft die ausdrücklihe Zustimmung sämmtlicher Interessenten an der Gemeindejagd eingeholt werden müssen. Der Herr Vorredner hat ferner das Gebiet der Polizeiverordnungen berührt. Es ist ihm gewiß darin beizutreten, daß niht allein in feiner Gegend, fondern an vielen anderen Orten eine gewifse Hypertrophie an Polizeiverordnungen vorliegen mag, daß deren zu viele sind, daß au manche davon veraltet find. Es muß aber, wo die örtlich zu- ständigen Behörden nicht aus eigener Initiative vorgehen, den Betheiligten überlafsen werden, diejenigen Wege zu beschreiten, die sie von solchen veralteten oder xkiht mehr zweckmäßigen Polizeiverordnungen de- barrafsieren können. Dieser Wege giebt es ja drei: sie können fi an die untere Stelle wenden, die zum Erlaß von Polizeiverordnungen zuständig ist, und um die Aufhebung der Polizeiverordnung oder den Erlaß einer neuen Polizeiberordnung bitten; oder sie können sih an die obere Stelle wenden, an den Regierungs-Präsidenten und an den Bezirks-Autshuß, dahin wirkend, daß für einen größeren Bezirk eine ershöpfende Polizeiverordnung erlassen werde, die den Gegenstand befser regelt, wodur also die Polizeiverordnung der niederen Instanz ihre Erledigung finden würde; oder sie hätten \sih, wenn diesé Mittel nicht vershlagen, an den Regierungs-Präfidenten oder den Herrn Minifter des Innern zu wenden und dort einfah tie ausdrückliche Au erkraftsezung der Polizeiverordnung zu beantragen. Endlich hat im Eingang seiner Ausführungen der Herr Vorredner eine Verfügung des ren Minifters zur Sprache gebracht, die vor einiger Zeit ergangen ift und aus der er gee Besorgniffe hergeleitet Da es betrifft die Zahl der Polizeikräfte in den einzelnén Polizeidistrikten. Cs i eine Anregung lediglich in der Richtung ergangen, daß die Herren Regierungs - Präsidenten veranlaßt worden sind, - zu alige ob denn in allen Gemeinden ihres Bezirks die vorhandenen olizeifkräfte genügen. Die Hérren Régiétüngs. Präsidenten haben diese Prüfung eintreten lassen, und es ist sehr mögli, daß sie be- züglich verschiedener Gemeinden zu dem Ergebniß gekommen sind, daß die vorhandenen Polizeikräfte niht genügen; in diesen Fällen werden sie ganz mit Grund und züm Wohl der. Gemeinde und des Staats- wesens eine Anordnung getroffen haben, daß die Polizeikräfte zu verstärken sind. Indessen der Erlaß des Herrn Ministers ist keineswegs von vornherein fo zu verstehen gewesen, daß nun aller Orten eine Vermehrung dieser Kräfte einzutreten ‘habe. Es ist eine Prüfung angeordnet; dies war nothwendig und hat auch zu einem erwünschten Resultat geführt, denn an diesen Orten, wo eben die Kräfte nicht ausreihten, bat dieselbe Anregung dahin geführt, daß auf eine Ver- mehrung der Polizeikräfte hingewirkt worden is. Etne Besorgniß, wie ste der Herr Abgeordnete zu empfinden scheint, ist aber aus -diesem Erlaß jedenfalls in keiner Richtung herzuleiten gewesen.

Abg. Dr. von Jazdzewski: Die polnischen Vereine beruhen

auf Verfassung und Gese. Vergehen fie fich gegen die Ge-

P E S E E E E I E

TTETTEIT T I S T I