1899 / 45 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 21 Feb 1899 18:00:01 GMT) scan diff

ür mißlih, fortwährend Aenderungen der Gesetzgebung herbeizuführen.

wenn ein {wer empfundener Uebelstand vorhanden Ms muß man fich über diese Bedenken hinwegsegen. Es wird aber zu prüfen sein, ob nit einige Aenderungen der Vorlage nothwendig sind; es darf nit vorkommen, daß der Richter einen Zeugen als unglaub- würdig ohne weiteres unvereidigt läßt, weil dem Zeugen dadur der Stempel als Lügner aufgedrückt würde. Auch die Befreiung der Redakteure von der Zeugnißpfliht würde, wie bei den Aerzten und Geistlichen, Koenen fein. Zahlreicher als bei dem Zeugeneide kommen die Meineide bei den Parteieiden vor; nah dieser Richtung hin follte die Gesetzgebung vorgehen.

Abg. Herzfeld (Soz.) empfiehlt die Einführung des Nacheides und die Einführung uneidliher Ausfagen in dem Vorverfahren, ferner eine Reform der Vereidigung der Beamten. Die Polizei- beamten gäben die Quelle ihrer Kenntnisse, die Behauptungen der Polizeivigilanten, niht an. Eine Reform auf diesem Gebiete wäre zur Förderung der Wahrheit ebenfalls dringend nothwendig, ebenso die Befreiung der Redakteure von der Pen pfd Der Grund- saß, den die Vorlage aufstelle, daß als Wahrheit dasjenige gelten folle, was das Geriht einstimmig als folhe anerkenne, könne

gehabt haben und auf die man vielleicht gehofft hat. Aber ih möchte do bemerken, daß {on bei Einbringung der Schiedsmann8ordnung in der Begründung der Zweifel ausgesprochen worden ift, ob dieses Institut, soweit es nicht obligatorisch ift, sih einbürgern werde, und diesen Zweifel scheint die Erfahrung bestätigt zu haben. Wenn etwas gesehen fann, um das Institut wieder zu heben, fo würde das, wie ih glaube, hbauptsählich ausgehen müssen von den Gemeinde- vertretungen, durch öfteren Hinweis darauf, vielleicht au dur periodishe Bekanntmahung in den Lokalblättern, daß der Schieds- mann berufen ist, in bürgerlihen Rechtsftreitigkeiten das Amt eines Vermittlers und Versöhners zu übernehmen.

Die Frage der bedingten Verurtheilung bezw. der bedingten Be- gnadigung is von dem Herrn Abg. S{mih nur so flüchtig gestreift worden, daß ich glaubé, mich eines näheren Eingebens auf diese \chwierige Frage im Augenblick enthalten zu sollen. Ich darf nur das Eine sagen, daß die Erfahrungen, die mit der bedingten Begnadigung

nur dringend wünschen, daß dieser Anregung überall in möglihstem Umfange Folge gegeben werde. Bei den Einnahmen aus der Beschäftigung der Ge- ana ba, Pleh (3 S . e entr.) auf die Schädigung des Kleingewerbes dur

den Fabrikbetrieb in den Strafanstalte in d Deportation der Gefangenen nah wig Tee R R E

Justiz-Minister Schönstedt: ;

Meine Herren! Jh glaube annehmen zu dürfen, daß Herr Abg. Pleß von mir nicht erwartet, daß ih in diesem Augenblick und an dieser Stelle auf den von ihm angeregten Gedanken einer Einrichtung von Strafkolonien eingehe. Ich glaube mih beshränken zu dürfen auf diejenigen von ihm erwähnten Punkte, die mit dem vorliegenden Titel unmittelbar in Beziehung stehen, mit dem Arbeitsverdienst der Gefangenen. Nach dieser Richtung hin habe ih zunächst thatfählih zu erklären, daß im Bereich“ der der Justizverwaltung unterstellten Gefängnifse eine Druckerei sih niht befindet, und daß

nihts Anderes übrig als pflichtgemäß einzuschreiten. Dabei gebe allerdings weiter zu, daß gerade auf dem Gebiet der Majestätsbeleidigungen vielleiht zuweilen mit größerer Vorsiht bei Erhebung der Anklage vorgegangen werden könnte. Gerade hier Ars i d Duett : E find die Fälle keineswegs selten, wo Denunziationen naÿŸ langer Zeit

d so überbürdet, wie es das Publikum kaum vermuthet. Jn ü i ise, um jemand Peter ben He Birr zie ilt der orvenllihen Be: | ve Unetae u bringen, erbo wrden, 10d 1b wine e füe ret Fd diese ‘Verhältnisse viel besser als hei eg Rebuex weist ferner | wünshenswerth halten, wenn bei Prüfung derartiger Denunziationen auf den beklagen8wertben Rückgang der schiedsrihterlißen Thätigkeit alle hier mitfprehenden Verhältnisse sehr sorgfältig seitens der Be- und auf die Zunahme der Rohheitsverbrechen hin. Es sei | amten der Staatsanwaltschaft geprüft werden, ehe sie zur Erhebung einer Anklage übergehen. Meinerseits habe ih dieser Auffaffung hon

zu erwägen, ob niht die bedingte Eg era a age ZUEe zur Verminderung der Rückfälle sei. Ein Einbruch in die onrethte früher Ausdru gegeben, und i kann, nur wünschen, daß danach ver- fahren wird. Jm übrigen liegt die Verminderung der Majestäis-

würde diese Maßregel niht sein. In dem starken Anwachsen der beleidigungsanklagen nicht in den Händen der Behörden.

Referendare und Assessoren liege eine große Gefahr für die Juris- prudenz. Die Affessoren sollten mehr als bisher zu Amts3anwalten ver-

Meine Herren, ih darf bei dieser Gelegenheit vielleicht, weil ih eben von der Unzuverlässigkeit derartiger Preßmittheilungen gesprochen

iner Vermehrung der Richterftellen hai der Finanz - Minister als er- füllt bezeichnet, aber diese Vermehrung steht nit im Verhältniß zu der | ih Zunahme der Bevölkerung und der Rechtssahen und zu den Auf- wendungen für die Regierungsbeamten und Landräthe. Die Justiz“ verwaltung wird in einer Weise zurückgestellt, wie es mit ibren Auf- gaben nit vereinbar ift. Die Gerichte, namentlih die Obergerichte,

petitionen dieser Beamten seien vbn der vorgesegten Behörde, als F der Disziplin nit im Einklang seben, R Lord ‘Diese Vet | fügung ehe im Widerspru mit Art. 32 der Verfassung. Wenn einer im Namen eines ganzen Standes eine Petition an den Landtag richte, so mache dies niht den Eindruck, als wenn \sich Viele zu Ein 2 U due e Be I

e e [} rechts Verwahrung nue E A MONNNG. 990 MECRGAES

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Jch erkenne selbstverftändlih vollkommen di Befugniß jedes Mitgliedes dieses hohen Hauses an, die Königliche Staatsregierung zur Rede zu stellen, wenn es der Meinung ist, daß die Staatsregierung \sih gegen Vorschriften der Verfafsung vergangen habe. Aber ih glaube, bestreiten zu dürfen, daß ein solcher Vorwurf im vorliegenden Fall gegen die Justizverwaltung mit Fug und Ret erhoben werden kann.

Der ‘Herr ‘Abgeordnete hat gemeint, es sei in der Verfügung, die

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wendet werden, damit sie Fühlung gewönnen mit den praktischen Be- dürfnifsen des Lebens. Die haarsträubenden baulichen Zustände vieler

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niht gutgeheißen werden. Denn die Richter gehörten alle der besißen- den Klasse an und kämen leiht zur Einstimmigkeit ; sie seien einseitig erzogen und hätten keine Kenntniß von den Gefühlen der arbeitenden Klasse. (Vize-Präsident Dr. von Frege: Der Redner greift den deutshen Richterstand in einer Weise an, die ih als parlamentarisch nit anerkennen kann.) Wenn die Richter eine Aussage als unwahr oder unerheblich erklärten, so würde auch das Schwurgericht dadur beeinflußt werden. Aber das Schwurgeriht müsse als Volksgericht erhalten werden, in dem alle Bolksklafsen vertreten sein müßten. Abg. Graf von Bernstorff - Lauenburg (Rp.): Ih bin mit dem Vorredner nur einverstanden in Bezug auf feinen Antrag auf Se in die Kommission und auf Einführung des Nacheides. Was er fonft ausgeführt hat, rührt wohl nur daber, daß noch kein Richter Sozialdemokrat geworden ist. Wir haben alle Ursache, dankbar zu sein für die Vorlage, die nicht unerwartet kommt; denn wir hatten in Auésiht genommen, die Frage durch ein besonderes Sep ph de En fie e as ate unter allen Umständen ggestellt wird. Mit der Berufung, welche die sechste Kommi beshâftigt, ist es anders. A ! M N nos g. Riff (fr. Vgg.) ist mit dem Inhalt der Vorlage ein- verstanden, spricht aber sein Bedauern darüber aus, daß die Regierung die nothwendigen Reformen der Rechtspflege so ftückweise bringe, und empfiehlt ebenfalls die Ueberweisung an die sechste Kommission, Abg. von Salifsch: babe mich vorhin kurz ge- faßt, weil ih der Meirung war, daß die Vorlage keinen Widerspruch fizaden würde, nahdem wir uns zwei Jahre lang mit ihr beschäftigt hatten. Redner wendet sih gegen die Gegner der Vorlage und be- fürwortet die s{leunige Erledigung der leßteren, damit man endli zu dem erwünscten Ziele komme. Die Vorlage wird der sechsten Kommission überwiesen. (Ei dit 51/4 Uhr. Nächste Sißung Dienstag 1 Uhr. al.

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 24. Sißung vom 20. Februar 1899. Die zweite Berathung des Staatshaushalts- dae Ab 1899 wird bei dem Etat der Sa berwa tuna

ortgeseßt. ®

Bei den Einnahmen aus den Kosten und Geldsira

(60 890 000 X) regt A E

Abg. Noelle (nl.) Herabsetzungen des Gerichtskoft es stärkere Degression der höheren Säbs an: chiskoftengeseßes dur

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Jch habe dem Vortrage des Herrn Abg. Noelle nit vollständig folgen, wenigstens nicht alles verstehen können. Darüber besteht kein Zweifel, daß die Anregungen, die der Abg. Noelle gegeben hat, bei einer Revision des Gerichtskostengesezes eingehende Würdigung finden werden. Aber, wie Sie bereits von dem Herrn Referenten gehört haben, und wie auch der Herr Abg. Noelle wiederholt hat, find die nothwendigen Grundlagen für eine solche Revision, die in den statistishen Aufftellungen zu suchen sind, noch nit zum Abs{luß gelangt, und der Abs{chluß steht auÿ nicht unmittel- bar bevor. Selbstverftändlih werden diese statistishen Ermittelungen in der nähsten Session zu Jhrér Kenntniß gebraht werden, und wenn fich daraus die Nothwendigkeit und die Berechtigung einer Re- vision der Kostengeseße ergiebt, so hoffe ib, daß gleichzeitig mit ihnen auch eine Novelle zum Gerichtskostengeses Ihnen vorgelegt werden kann.

Abg. Krause- Waldenburg (fr. kons, auf der Journaliftentribü s{hwer verständlih) beshwert sih über einen Spezialfall, s Vas 1A Unrecht die Lösung eines doppelten Stempels verlangt worden sei.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Der von dem Herrn Abg. Krause vorgebrachte Fall ift mir nit bekannt. Ih habe auch aus seinem Vortrage nit entnehmen fônnen, wo die Sache gespielt hat, und ebenso wenig, ob in der Sache der Instanzenzug durchgeführt worden ift, ob etwa gegen die von dem Herrn Abg. Krause bemängelte Entscheidung Beschwerde und mit welchem Erfolz erhoben worden ist, Wenn die Sache fo Tiegt, wie der Herr Abg. Krause vorgetragen hat, nehme ih keinen Anstand, zu erkläten, daß ih das Verfahren für materiell ungereht- fertigt halte; ob auch formell, darüber vermag ich im Augenblick ohne die nöthigen Unterlagen nit ¡u urtheilen. Wenn ih richtig verstanden habe, hat die Sale so gelegen, daß zu einem Kaufvertrag über ein Grundstück, der der vormundschaftlihen Genehmigung be- durfte und der erst mit der obervormundshaftlihen Bestätigung ftempelpflichtig wurde, der Stempel sofort verwendet wurde. Dem- nächst ift es zur Auflafsung gekommen, und später ist auf Grund eines Monitums des Rechnungsrevisors der Auflafsungéstempel nahgefordert worden. Ob formell das Verfahren des Rechnungs- revisors begründet war, darüber muß ich -mich mangels genauer Kenntniß der Sache des Urtbeils enthalten. Materiell würde ih das Verfahren unter allen Umständen für bedauerlih und ungerecht- fertigt halten. Wenn eine Beshwerde in der Sache erhoben wird, habe ich feinen Zweifel, daß dem Mann die 130 4, falls er sie zweimal gezahlt hat, werden erstattet werden.

Im übrigen {eint es mir, als wenn der Appell, den der Herr Abg. Krause hier an den Justiz-Minister gerihtet hat, mit größerem Recht an die Gesammtheit seiner Kollegen im Amte zu richten gewesen wäre. Diese haben es in der Hand, daß sie von den Eingesessenen ihres Bezirks als Freunde und Berather betrachtet werden und nicht in ein unfreundlihes Verhältniß zu ihnen gelangen. Seitens der obersten Justizzerwaltung geschieht alles, dahin zu wirken, daß in folher Weise seitens der Richter verfahren wird. Jh kann insbesondere hervorheben, daß auch die Amtsrichter ausdrückiih an- gewiesen find, in Koften- und Stempelfcagen das Publikum überall nach Möglichkeit zu belehren und dahin zu wirken, daß das Publikum

die von dem Herrn Abg. Pleß erwähnte Statistik von dem Ministerium des Innern ausgegangen ist, welches im Augenblick noch nicht ver- treten ift, Jch habe aber Nachricht geben lassen an das Ministerium des Innern; es wird voraussihtlich noch ein Vertreter desselben hier ersheinen und über den Punkt Aufklärung geben. Au nur der Ver- treter des Ministeriums des Innern würde Aufklärung geben können, zu der von dem Abg. Pleß hervorgehobenen Thatsache, daß der Arbeits- verdient der Gefangenen erheblich zurückgegangen sei; denn auch in dieser Beziehung haben die vorgetragenen Zahlen nur auf die Gefängnisse Bezug, die dem Ministerium des Innern unterstellt sind. Soweit mir die Verhältnisse bekannt find, ist in den Gefängnissen der Justizverwaltung ein solcher Rückgang nicht eingetreten, vielmehr soll dort sogar der Verdienst der Gefangenen ein größerer geworden sein als früher.

Was nun den Hauptpunkt angeht, den Herr Abg. Pleß angeregt hat, daß die Gefangenenarbeit dem Privatgewerbe, der Privatindustrie keine Konkurrenz machen solle, so ift ja das ein Punkt, der hier schon sehr oft erörtert und fast in jedem Jahre zur Sprache gebraht worden ist. Es sind nach dieser Richtung hin, wie ih glaube sagen zu dürfen, ganz erbheblihe Fortschritte in den leßten Jahren gemacht worden. Die neue Gefängnißordnung der Justizverwaltung enthält in §71 die ausdrücklihe Vorschrift :

„Die dauernde Beschäftigung der Gefangenen ift thunlichft durch Arbeiten für Staatsbetriebe zu sichern. Wo eine andere Beschäftigung der Gefangenen nit zu vermeiden ift, foll eine Regelung dahin erfolgen, daß die Interessen des Privatgewerbes möglihste Schonung er- fahren ; insbesondere ist der Arbeitsbetrieb auf zahlreihe Geschäfts- betriebe zu vertheilen und die“ Arbeit, soweit angängig, in Stüdck- oder Tagelohn zu vergeten. Eine Unterbietung der freien Arbeit ist unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Gefangenen- arbeit zu vermeiden.“

Meine Herren, seitens der Justizverwaltung geschieht alles, was geshehen kann, um dahin zu wirken, daß diese Vorschriften nit auf dem Papier stehen bleiben, sondern daß fie auch zur praktishen Aus- führung gelangen. In vollem Umfange, in einem Umfange, der die Privatindustrie vollkommen befriedigt, wird allerdings das kaum durh- zuführen fein.

Nun war, wenn ih mich recht erinnere, bei früheren Verhand- lungen in dieser Frage darüber immer allgemeine Uebereinstimmung, daß dahin gestrebt werden müsse, die Arbeitskraft der Ge- fangenen thunlichst für die Zwecke der Staatsverwaltung und der Staatsbetriebe selb nußbar zu mathen. Das ift auch in dem von dem Herrn Abg. Pleß vorgetragenen Fall - geschehen, wenn in der Druckerei eines unter dem Herrn Minister des Innern stehenden Gefängnifses für Staatszwecke eine Statistik hergestellt ist. Daß dadurch der Privatindustrie mittelbar au Konkurrenz gemacht wird, ja, meine Herren, das ift allerdings nit zu leugnen; aber eine Konkurrenz in dieser Form is bisher meines Wissens in diesem Hohen Haufe niemals beanstandet worden. Niemals dürfen wir außer Betracht lassen, daß es unbedingt noth- wendig ist, die Gefangenen zu , beshäftigen; daß es hier- bei außerordentli schwierig ift, für fie überall passezde und solche Beschäftigung zu finden, deren Erzeugnisse niht irgendwie mit dem Gewerbebetrieb der Privatpersonen in Konkurrenz treten, das ift eine bedauernëwerthe Thatsahz. Aber die Arbeit bleibt das wesentlichste Erziehung?mittel für die Gefangenen. Und wenn Herr Abg. Pleß hervorgehoben hat, daß es eine der höchsten und ersten Affgaben der Gefängnißverwaltung sein müsse, dafür zu sorgen, daß die Gefangenen die Strafanstalt gebessert verlassen, daß die Zahl der NRückfälligen si. vermindere, so, glaube ih, muß der Weg hierzu am allerersten in der angemessenen Beschäftigung der Gefangenen gesucht werden,

Daß die Beschäftigung der Gefangenen auf dem Gebiete der Landwirthschaft und eventuell, wenn Gelegenheit si dazu ergeben möchte, für große öffentlihe Bauten, Kanalbauten und Eisenbahnbauten eine schr erwünschte sein würde, wird seitens der Staatéregierung in vollem Umfange anerkannt. Auch in dieser Beziehung geschieht alles, um die Arbeitékräfte der Gefangenen soweit als thunlih, namentli der Land-

wirthschaft zur Verfügung zu stellen. Das ift insbesondere seitens der Justizverwaltung in sehr umfassendem Maße im vorigen Jahre in

Schlesien gesehen aus Anlaß der großen Ueberschwemmungsschäden,

und es ist seitens der Regierungs-Präsidenten und des Ober-Präsidenten

ganz besonders anerkannt worden, daß die Gefängnißverwaltung

in dieser Richtung das allergrößte Entgegenkommen bewiesen

und dadurch fowobl zur raschen Beseitigung des Nothstandes

mitgewirkt als auch verhindert habe, daß die Gefangenenarbeit

mit der Privatindustrie in nachtheilige Konkurrenz trete. Jh kann

die Versicherung geben, daß das Bestreben der Justizverwaltung daßin

gerihtet fein wird, auf dieser Bahn weiter fortzuschreiten, und ih

hoffe, daß die Klagen, die noch immer hier alljährlih erhoben werden,

zet dieser Richtung im Laufe der Zeit mehr und mehr verstummen

werden.

Abg. Rickert (fr. Vgg.) : Die Beamten in den Kolonien haben ih einstimmig gegen die Bevectiiioa der Gefangenen ausgesprochen. Auch die Justizverwaltung if gegen diese Idee. Die Beschäftigung der Gefangenen in der Landwirtbschaft halte id für- ein wichtiges Befserungsmittcl. Auf die Kosten kann es dabei niht ankommen, auch nicht darauf, daß die Strafe dur diese Beschäftigung gemildert

wird. Es würde sih au empfehlen, die i ¡u den Kanalbauten A E Gefangenen in größerem Maße

Bei den Ausgaben für das Gehalt des Ministers em S ä (fr. Vp

7. Träger (fr. bei seiner s{w Sti verftändlih, weil er der Arn list teile E ‘Rüen u ae

nicht aus Rehteunkenntniß in Schaden geräth. Meinerseits kann ih

auf meine Weisung durch den Ober-Landesgerihts-Präsidenten in Hamm und au durch andere Ober-Landesgerichts-Präsidenten an die Gerichtsvollzieher ihrer Bezirke ergangen ift, ein Wechsel in der An- shauung der Justizverwaltung hervorgetreten gegen das Vorjahr; im Vorjahre seien Gesammtpetitionen der Geri{htsvollzieher / uns beanstandet geblieben, die mit sehr zahlreichen Unterschriften bedeckt gewesen seien, und in diesem Jahre habe man das vlöglih für niht mehr zulässig erahtet. Ja, meine Herren, ih glaube, da liegt ein Mißverständniß zu Grunde: nicht in den Anschauungen der Justizverwaltung, sontern in der Art der Vertretung ihrer Interessen seitens der Gerichtsvollzieher ift ein Wechsel eingetreten. Die im vorigen Jahre hier eingebrachte Gesammtpekkkion der Gerichtsvollzieher bewegte fich in angemessenen, ruhigen Formen, sie hatte keinen agitatorishen Charakter, sie war sahchlich und objektiv gehalten. Das Gegentheit gilt von der Petition, von der ic zuerst Kenntniß bekommen habe aus der „Deutschen Gerichtsvollzieherzeitung“ zu einer Zeit, wo sie noch nit eingereiht war, sondern sich noch in Vorbereitung be- fand, und nunmehr dafür Progaganda gemackt wurde in den Kreisen sämmtlicher Gerichtsvollzieher. Wie ih mir diese Petition angesehen habe, bin ich zu dem Urtheil gekommen, daß sie in durchaus un- S agitatorishen Tone gehalten sei.

un, meine Herren, hat ja jeder Beamte also au Gerichtsvollzieher das ihm verfassungémäßig gewährleistete L reht ; daßer das bat, babe ih in der von mir erlassenen und von dem Herrn Abgeordneten verlesenen Verfügung autdrücklih anerkannt. Aber meine Herren, für die Beamten erleidet dochdie Ausübung der verfafsungsmäßigen Rechte gewisse Modifikationen, die \ih- ergeben aus den ibnen ob- liegenden Amtepflihten; ein Beamter darf nicht in jeder Form und in jeder Weise sein verfckssungêémäßiges Reht ausüben, er muß immer dabei im Auge behalten seine amtlihe Stellung, die Nüdsichten, die ihm fein Amt auferlegt. Meine Herren, Sie alle wissen, wie gerade in Beamtenkreisen die Agitation in ‘den legten Jahren einen immer größeren Maßstab angenommen hat auf Verbesserung ihrer äußeren Verhältnisse. Jch erkenne die Berehtigung solcher Wünsche durchaus an; aber ih stehe . auf dem Stand- punkt, daß die Beamten verpflihtet sind, ihre Wünsche in einer rüdsihtévollen, angemessenen Weise zur Sprache zu bringen. Meine Herren, das if im vorliegenden Fall niht gesehen: die Petition, die als Gesammtpetition beabsitigt war, ift Ibnen ja jet in zahlreichen Exemplaren vorgelegt worden als Einzel-Petition mit der Bezeihnung auf der linken Seite: „ehrerbietigste Petition der gehorsamst unterzeihneten Gerihtevollzieher“. Meine Herren, die Ghrerbietung, wie sie darin zum Ausdruck gebracht wird gegenüber diesem hohen Hause, die ja durhaus am Platze ift vermisse ih in dieser Petition durhaus, insoweit darin die Maß- regeln der Königlichen Staatsregierung einer Kritik unterzogen werden. Es finden sich in dieser Petition Ausdrücke dahin, es seien An- ordnungen getroffen von der Staatsverwaltung, die ‘eines Subaltern- beamten durchaus unwürdig feien, es seien Maßnahmen getroffen worden, von denen man im preußischen Beamtenthum kein Beispiel aufweisen könne; die Maßregeln gingen darauf hinaus, die Gerichtsvollzieher uuver- dientermaßen zu demüthigen; das seien Akte der Erniedrigung, die das Standesbewußtsein zerstören und alle Berufsfreudigkeit vernichten ; der ganze Stand werde entwürdigt turch die Anordnung der Justiz- verwaltung. “Es beißt dann endlich:

Es ist mit dem Prinzip der Gerechtigkeit, welche die Grund- lage der Staaten bildet, unverträglich, Beamte von gleicher Kategorie und gleihen Range in so wesentlich verschiedener Weise zu - be- handeln u. f. w.

Ja, meine Herren, das is nach meiner Meinung nit ein Ton, den Beamte, wenn sie Beshwerde erheben über die vorgesegte Verwaltung, si gestatten dürfen, und nur gegen diesen Ton, gegen diese Art richtet sich meine Verfügung. Darin liegt gerade der Punkt, den der Herr Vorredner übersehen hat: es ist keineswegs den Gerichtsvollziehern die Einreihung von Gesammipetitionen überhaupt verboten, sondern der Nahdruck liegt auf dem Wort derartiger Petitionen, wie fie hier vorliegen, daran sollen sie sih nicht be- theiligen in dieser agitatorischen Weise: (Sehr richtig! rets.) Wenn das von dem Herrn Vorredner berücksihtigt worden wäre, so würde er vielleiht Bedenken getragen haben, gegen mich den Vorwurf zu erheben, daß ih das verfassungsmäßige Reht der Beamten irgend- wie hakte bes{chränken wollen. Auf den Inhalt der Petitionen heute einzugehen, ift selbftverftändlih kein Anlaß; aber ich wiederhole, daß in die verfassungsmäßigen Rechte der Gerichtsvollzieher niht ein- gegriffen worden. ist. Das beweist hon die Thatsache, daß Hunderte von Gerichtsvollziehern nunmehr diese Petition als Einzelpetition eingebracht haben, ohne daß irgend etwas deshalb gegen sie veranlaßt worden ift.

Es ift ein sehr großer Unterschied, ob solhe Petitionen als Einzelpetitionen kommen oder ob sie als das Ergebniß großer agita- torisher Versammlungen mit zahlreihen Unterschriften eingereiht werden. Gerade- durch solhe große Versammlungen wird der Geist der Unzufriedenheit und Auflehnung in die Beamtenschaft hinein- gebraht. (Sehr richtig! rechts.) Dem muß die Staatsregierung, die das Ruder fest in den Händen halten will, mit aller Kraft entgegen- treten, und das werde ih, soweit es in meinen Bereich fällt, mit aller Entschiedenheit thun. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Abg. Schmitz - Düsseldorf (Zentr. ü

der Kosten der oige Sala ee) belwert ny Auer e E

Die Vorgänge in Frankrei legen uns die Wichtigkeit eines unab- Staigen Richterstandes nahe. Die Ca Ee legen \ich in ihren

einheitlihe Regelung der Bezüge der Gerichtsvollzieher. Gesammt-

Strafverfolgungen nicht die nöthige Beschränkung auf, ih denke namentlih an die Majestätëébeleidigungsprozesse. Den Wuäsch nach-

Gerichtsgebäude seien nenen dur eine Reibe von Neubauten beseitigt worden. Es bleibe aber noch Manches zu thun übrig in der würdigen fünstlerishen Ausshmückung unserer Gerichtägebäude.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Der Herr Abg. Schmit hat ein fo reihhaltiges Bouquet von Wünschen und Anregungen hier vorgetragen, daß es mir {wer sein wird, ihm in allen Einzelheiten zu folgen. Ich bitte also von vornherein um Entschuldigung, wenn meine Antwort nit überall eine ershöpfende ift.

Der Herr Abg. Schmi hat zunächst eine Bemerkung gemaht in Bezug auf die Zunahme der Gerichtskofteneinnabme und daraus die Folgerung gezogen auf die Nothwendigkeit einer Vermehrung des Personals. Er hat dabei bemerkt, daß die Zunahme der Gerichts- kosten, wie sie ih aus den Etats der leßten Jahre ergiebt, wesentlih zurüdzuführen sein werde auf das Gerichtskostengeseß von 1895. Meine Herren, diese Thatsache ist nicht vollkommen rihtig. Schon vor Erlaß des Gesehes von 1895 befanden \ih die Gerichtskosten in stetigem Wachsen, und zwar dergestalt, daß: fast jedes Jahr einen Mehrertrag von 2 Millionen Mark brachte. An diesem Verhältniß is seit Erlaß des Geseßes von 1895 nichts ges ändert. In dem ersten Jahre nah dem Inkrafttreten des neuen Gerichtsfkostengesezes ist sogar die Zunahme eine geringere gewesen, und wenn mit einer Fortseßung des früheren regelmäßigen Anwachsens gerechnet werden könnte, dann würde die Gesammteinnahme der Ge- rihtskoften auch ohne Inkrafttreten des Geseßes von 1895 heute mindestens dieselbe geworden sein, wie sie in Wirklichkeit jeßt ift.

Meine Herren, der Abg. Schmit ift dann auf die Behandlung der Strafsachen gekommen und hat gerügt, daß zu viel Anklagen erhoben würden, von denen ein erheblicer Theil mit Freisprehung ende. Er hat,

* wenn ih ihn rihtig verstanden habe, die Bemerkung gemacht, daß

eine sorgfältigere Prüfung seitens der Staatsanwalte erwünscht fei vor Erbebung der Anklage, damit nicht dieses immerhin nit er- freulihe Ergebniß zu Tage tritt. Jh stehe vollständig auf dem Standpunkt des. Abg: Schmitz: ih halte es auch für wünshenswerth, daß keine Anklagen erhoben werden, bei denen von vornherein mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit zu ersehen ift, daß sie feinen Grfolg haben werden. Inwieweit die Staatsanwalte im ein- zelnen \sich dessen bewußt werden, das [äßt sh außerordentlich |chwer nacprüfen. Ein gznerelles Urtheil läßt fih aus der Statistik der Freisyrehungen nah der Richtung hin nit entnehmen. Wir haben aber zu rechnen mit dem auch von dem Herrn Abg. Smit erwähnten Legalitätsprinzip, das nun einmal unsere Strafprozefß- ordnung beberrscht, das vielleiht etwas zu weit getrieben ift, weiter als nothwendig. Es is ja seitens der Staatsregierung der Versuch gemacht worden, dieses Legalitäteprinzip bei der Novelle, die vor einigen Jahren vorgelegt und im Reichêtage abgelehnt ift, ein- zushränken und das Gebiet der Privatklage zu erweitern. Dieser Versuch hat nicht zu einer Verständigung im Reichstage geführt; wir müssen deshalb mit dem bestehenden Zustand weiter redjnen, wobei i allerdings vorausfctze, daß jeder Staatsanwalt die Ergebnisse der ihm vorgelegten Vorverhandlungen mit praktishem Blicke prüft, um niht unnüte Anklage ohne Noth zu erheben.

Der Herr Abg. Schmit hat dann besonders hingewiesen auf die Zunahme der Bestrafungen wegen Majestätsbeleidigung. Das ift \{einbar einz Art von Dogma in der Bevölkerung, daß diese Sachen zugenommen hätten; man liest alle Tage in den Zeitungen und hört in den öffentlihen Versammlungen von der ershreckenden Zunahme der Majestätsbeleidigungsfahen;- das wird überall ohne Widerspruch geglaubt, und infolgedefsen find auch {on ein paar Gesetzentwürfe in den Reichstag gebracht, die diesem ershreckenden Zustand Abhilfe schaffen follen.

Wie liegt nun die Sache thatsählich? Das Gegentheil ift rihtig.

Die Verurtheilungen wegen Majestätsbeleidigung befinden sih seit

einer Reibe von Jahren in fortgesezter Abnahme. (Hört! hört !)

Ih habe bezügli der Verhältnisse in Preußen ganz genaue ftatiftische Ermittelungen anstellen lassen. Daraus ergiebt sih, daß ih will nur von den letzten Jahren die Zahlen vorlesen die Zakblen der verurtheilten Personen in den Jahren 94 bis 97 zurüdckgegangen sind von 429 auf 398, auf 375, auf 305. 205 ift die Zahl für das Jahr 1897; das ift die geringste Zahl seit 1886. Soweit muß man zurück- gehen, um zu einer geringeren Zahl zu gelangen. Und wenn die Zahl diefer Verurtheilungen verglihen wird mit der Zahl der strafmündigen Bevölkerung, dann ergiebt \ih ein immer abnehmenderer Prozentsaß. Im Jahre 1894 war dieser Prozentsay der Verurtheilungen 1,98, er ist zurückgegangen auf 1,81, 1,69, 1,37, ein Prozentsaß, wie er, wie niedrig ge» wie leiht folche Das geht zunächst von sozial- Statistik über alle Verurtbeilungen wegen Majestätksbeleidigungen führen; sie wissen es sehr geshickt anzufangen, ein und dieselbe Sache kehrt so- undsoviel Male wieder, das wird von den bürgerlichen Zzitungen auf- genommen, und überall verbreitet ch die Meinung: es wird mit unerhörter Strenge in der Majestätsbeleidigungssahe verfahren, und

nit so ersehen ,

g:fagt, seit dem Jahre 1886 wesen ' ist. Sie können daraus Fabeln im Volke sich bilden. demokratishen Blättern aus, die

eine förmliche

da muß nothwendigerweise eingeschritten werden.

Die von mir vorgetragenen Zahlen werden Ihnen beweisen, daß die Sache nicht fo liegt. Nun will ih keineswegs verkennen, daß es recht wünschenswerth wäre, wenn die Zahl dieser Verurtheilungen noh erheblich geringer wäre, und niemandem würde damit ein größerer Gefallen gesehen als den Gerichten und den Beamten der Staats- anwaltshaft; aver diese haben es doch nicht in der Hand. Wenn nicht ab-

die Zahl dec Majestätsbeleidigungen als solche

4 Jahren hier zur Sprache gebraht if durch den leider inzwischen

habe, einen anderen Punkt beiläufig erwähnen, obglei er heute hier

noch nicht zur Sprache gekommen is. Ich glaube, der Abg. Richter

war es, der bei der Berathung des Etats des Ministers des Innern

von der systematishen Begnadigung der Schußleute, der

Erxekutivbeamten sprach. Wenn das ein Mann von der Be-

deutung des Abg. Nichter von dieser bevorzugten Stelle

aus sagt, dann mat das natürli auch im ganzen Lande einen großen

Eindruck und wird geglaubt. Meine Herren, da liegt die Sache

ebenso umgekehrt. Im Jahre 1898, im vorigen Jahr, haben von

den Gnadengesuchen, die ron Erekutivbeamten, die wegen Ueber-

\hreitung ihrer Amtsbefugnifse verurtheilt waren, eingereiht worden find, 15 9/6 Erfolg gehabt und 85 %/o sind zurückgewiesen. Kann man das eine systematishe Begnadigung der Erxekutivbeamten nennen? Ich glaube nicht.

Meine Herren, bezügli der Stellenvermehrung, die der Herr Abg. Schmitz nicht für ausreihend hält, kann ich im allgemeinen diesem Urtheil, in gewissem Maße wenigstens, zustimmen; auch ih glaube, daß eine stärkere Stellenvermehrung durch das Bedürfniß geboten ist. Aber ih möchte doch davor warnen, bei der Beurtheilung des Be- dürfnisses die Bevölkerungszahl zu Grunde zu legen, wie das seitens des Herrn Abg. Schmiß geschehen ift. Bevölkerungszahl und Umfang der Geschäfte decken sich in keiner Weise, und das tritt ganz eflatant hervor, wenn man einzelne Provinzen miteinander vergleicht. Es hat vor einiger Zeit eine Vergleihung der Beseßung der rheinischen Gerichte mit denen in der Provinz Sghlesien in den Zzitungen gestanden, aus der die Folgerung gezogen wurde: wenn der \chlefische Maßstab zu Grunde gelegt würde, dann müßten in der Rbeinprovinz, wie ich glaube, mindestens 150 Richter sofort eingestellt werden. Das entspricht der Bevölkerungszahl, aber in keiner Weise dem Geschäftsumfang. Ih habe auch diese Sache genau nahprüfen lassen, und da ergiebt sich, daß auf den meisten Ge- bieten, namentli auf dem Gebiete der Strafrehtspflege der Umfang der Geschäfte in der Provinz Schlesien ein so unverhältnißmäßig viel größerer ist als in der Rheinprovinz, daß s{hließlich die Rheinprovinz besser ausgeftattet ift als Schlesien felbst. Dasselbe trifft zu bei den Vergleichen, die heute der Abg. Schmiß mit den Gerichten in anderen Bundesstaaten gezogen hat. Es ift dabei das Landgericht Karlsruhe erwähnt worden. Nun weiß ih zufällig von diesem Land- gericht, daß, wenn der Maßstab der Geschäfte zu Grunde gelegt wird, der in Preußen maßgebend ist, das Landgericht in Karlsruhe noch etwas stärker beseßt sein müßte, als es thatsählich ist. Also mit diesen Zahlen können wir nicht rechnen, sondern wir müssen einen anderen Maßstab zu Grunde legen, und das ist der Umfang der Geschäfte. Dann iff der Herr Abg. Schmiß auf die Schieds8männer gekommen. Das i} ein Thema, das regelmäßig in den leßten

verstorbenen Abg. Knebel, der immer ein warmes Interesse für das Sthiedsmanns-Institut an den Tag gelegt hat. Ih habe, als im vorigen Jahre diese Sahe hiét verhandelt wurde, die Erklärung ab- gegeben, daß über das gewiß sehr bedauerlie Zurückgehen der Wirk- samkeit der Schiedsmänner auf dem Gebiete der bürgerlihex Rechts- streitigkeiten noch einmal Berichte von den sämmtlichen Ober: Landes8- geriht8-Präsidenten eingefordert werdzn sollten, um danach zu prüfen, was etwa zur Hebung dieses Instituts gesehen könnte. Diese Berichte sind inzwischen eingegangen, haben mir aber [eider keinen Finger“ zeig gegeben, wie diesem Uebelstande abzuhelfen wäre. Es ergiebt sih daraus, daß die Inanspruchnahme der Schied8männer auf diesem Gebiet in der ganzen Monarchie fortgesezt zurückgeht. Am meisten und lebhaftesten ist dies hervorgetreten in denjenigen Landes- theilen, in denen 1879 das Schieds8manns-Institut neu eingeführt wurde. Da hat es zuerst den Reiz der Neuheit gehabt, und es sind die Leute massenhaft zu den Schiedsmänrern gegangen, um da ibre Streitigkeiten zu einer gütlichen Erledigung zu bringen. Da ift aber sehr bald ein starker Rüdckshlag eingetreten, stärker als in den älteren Provinzen, in denen das Institut {on länger bestanden hatte. Der Rückgang ift aber eingetreten unabhängig von den Personen der Schiedsmänner. Ih bin selb früher der Meinung gewesen, es könne vielleicht mit größerer Sorgfalt auf die Auswahl geeigneter Persönlichkeiten hingewirkt werden. Ich selbst habe den Gedanken angere0t, daß es zweckmäßig sein könnte, vor der Bestätigung eines Scied8manns, der ja präsentiert wird von der Gemeindebehörde, noch einmal den zuständigen Amtsrichter des Be- zirks darüber zu hören, ob der vorgeschlagene Herr sih au zu diesem Amte eigne. Fast sämmtlihe Ober-Landesgerichts-Präsidenten haben sih gegen diesen Vorshlag als nußlos ausgesprohen und haben ge- meint, daß au der Amtsrichter in vielen Fällen den Verhältnissen niht so nahe stehe, um ein maßgebendes Urtheil aussprechen zu Fkönnen. Sie haben aber auch darauf hingewiesen, daß da, wo kein Wechsel in der Person des Schiedsmanns eingetreten sei und wo die besten, angesehensten und zuverlässigsten Leute andauernd in ihrem Amt als Schiedsmänner geblieben seien, diese Abnahme der Geschäfte sich ganz ebenso gezeigt hat wie anderswo. Vielleicht liegt die Erklärung - dieser Thatsachen darin, daß das Mahnverfahren, welches seit 1879 einen immer größeren Umfang angenommen hat, es dem Gläubiger ermöglicht, rasher zu einem vollstreckbaren Titel zu gelangen als dies bei Anrufung des Schiedsmanns geschehen kann. Im übrigen sind inzwisch-n auch andere Einrichtungen

eine ganze Reihe von Umständen hat zusammengewirkt ,

ins Leben getreten: Gewerbegerihte, Schiedsgerichte u. \. w.; daß

die Schiedsmänner sih nicht mehr auf dem Gebiete der bürgerlichen

gemaht worden sind, noh keineswegs abgeshlofsen sind, daß sie aber,

soweit wir sie bisher übersehen, keineswegs das Urtheil rechtfërtigen,

diese Einrichtung sei eine nicht befriedigende und habe sich weniger

bewährt als die in anderen Ländern eingeführte bedingte

Verurtheilung, gegen die auch recht erheblihe Bedenken vor-

liegen. Aber, wie gesagt, ich will auf die Materie

vorläufig niht weiter eingehen, weil ih glaube, daß au das hohe

Haus damit einverstanden sein wird, daß eine Einrichtung, die erft

vor drei Jahren ins Leben getreten ift, während eines längeren Zeit-

raums bestehen muß, ehe man ein Urtheil darüber fällen kann, ob fie

beizubehalten oder durch eine ‘andere gleichfalls nicht unanfehtbare

Einrichtung zu ersetzen sei. ;

Der Herr Abg. Schmig is dann \{ließlich noch gekommen auf die

Frage der Verwendung der Gerichts-Afsessoren als Amtsanwalte. Auch

das ist eine Frage, die hon sehr häufig hier erörtert worden ist. Neues dazu

vorzubringen, wird ziemlih {wierig sein. Ich habe {on gelegentlich

in früheren Jahren hervorgeboben, daß Assefsoren nur in geringem

Maße geneigt sind, das Amt eines Amtêanwalts zu übernehmen, daß

auch die Bestellung eines Amtsanwalts für eine größere Zahl von Amtsgerichten erheblihe Bedenken hat. Wenn in Baden Affessoren in größerer Anzahl als Amttanwalte beschäftiat werden, so ist die Einrichtung dort fo, daß die sämmtlihen Affsessoren ihren Amtsfig

am Sih des Landgerichts haben und von dort aus in ibre Bezirke reisen. Bei den Amtsgerichten, die außerhalb des Landgerichtésißzes liegen, ist daher ein Amt3anwalt nit zur Stelle. Das führt zu mannig- fachen Verzögerungen, und jedenfalls if eine solhe Einrihtung auhch nit geeignet, den Amtsanwalt in eine besonders enge Fühlung mit der Bevölkerung zu bringen und ihn tiefer eindringen zu lassen in ihre Verhältnisse. Ich glaube, daß die mit einem solhen System ver- bundenen Nachtheile die Vortheile, die dasselbe zu bieten vermag, aufheben würden. Also au diefer Anregung Folge zu geben, s{heint mir kaum räthlich zu sein.

Sqließlich theile ih den Wunsch des Herr Abg. Schmit, daß es in größerem Umfange gelingen möge, unseren neuen Gerihtsgebäuden eine \höônere, fünstlerishe Auss{müdckung zu geben, deren ästhetische und ethishe Wirkung ih keineswegs gering {häße. Die Mittel hierzu stehen wesentlih dem Herrn Kultus-Minister zur Verfügung, der aber seinerseits freundlihes Entgegenkommen nach dieser Richtung hon be- wiesen hat; es wird nächstens eins. der rheinishen Landgerichte mit {önen Wandgemälden von einem Düsseldorfer Maler auêgeshmüdt werden, und wenn demnächst das große neue Berliner Justizgebäude vollendet sein wird, so hoffe ih, daß zur künstlerishen Aus\{müdckung auch dieses Gebäudes die nöthigen Mittel gefunden werden.

Geheimer C Ee Belian weist den Vorwurf zurück,

daß der Finanz-Minister die Bedürfnisse der Justiz niht genügend be- rüdcksibtigt habe. Die Ausgaben des Extraordinariums nicht nur, sondern auch die des Ordinariums seien in den leßten Jahren ver- mehrt worden. Seit 1890/91 seien 593 neue Richter- und Staats- anwaltsstellen geshaffen worden. Wo ein Bedürfniß nah neuen Richterstellen nahgewiesen sei, erhebe die Finanz-Verwaltung keinen Widerspruch. Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) bes{chwert sih darüber, daß ein Amtsrichter in seiner Heimath einen Termin auf einen katholischen Feiertag gelegt habe, und daß man bei der Anstellung der Richter niht auf die konfessionellen Verhältnisse der betreffendea Gegend genügend Rücksicht nehme.

Abg. Dr. Rewoldt (fr. konf.) beklagt, daß in Berlin ebenfo viele junge Leute Jura \tudierten wie auf sämmtlichen übrigen Universitäten Preußens und so dem Rechtsleben ihrer Heimathsprovinz entfremdet würden. Bei der Beurtheilung von Denunziationen in Majeftäts- beleidigungéfahen sollten die Staatsanwalte sehr vorsihtig sein. Die Ribter könnten das ihnen zugewiesene Pensum kaum bewältigen, und der Finanz-Minister seine nur diejenigen neuen Stellen zu bewilligen, die er für nothwendig halte. Die neuen Aufgaben des Bürgerlichen Gelees fönnten nur mit einem kompletten Richtermaterial erfüllt werden.

j Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Ich kann es nur dankbar anerkennen, wenn aus der Mitte des Hauses sh eine Zustimmung äußert für die Vers- - mehrung der Richterstellen da, wo sie erforderlih erscheint. Jh kann aber nicht zugeben, daß die Ausnahmeverhältnisse, auf die der Herr Abg. Rewoldt am Schlusse seines Bortrags hingewtefen hat, eine Vermehrung der etatsmäßigen Stellen rechtfertigen. Es ist feststehender Grundsay der preußishen Verwaltung, und ih glaube, ein gerechtfertigter Grundsaß, daß dauernde etatsmäßige Stellen nur da bewilligt werden, wo auch ein dauerndes Bedürfniß nachgewiesen ist. Es i} dem Landgericht Greifswald, auf das speziell Bezug genommen ist, ein Hilfsrihter {on vor zwei Jahren bewilligt worden. Eine erheblihe Vermehrung der Geschäfte bei diesem Landgericht ist ers in den leßten Jahren hervorgetreten. Gine Vermehrung des etatsmäßigen Personals i für dieses Landgericht bisher überhaupt nicht beantragt worden und also noch garniht in Frage gekommen. Es wird dabei der Grundfaß für den Herrn Ober-Landesgerichts-Präsidenten maßgebend gewesen sein, daß zunächst dur die Erfahrung festgestellt sein muß, daß das Geschäftsbedürfniß ein dauerndes ist, und daß erft dann daraufhin Anträge gestellt werden können. Diesen Grundfaß habe ih auch in der Justizkommission als den maßgebenden hingestellt, und Herr Abg. Rewoldt ist wohl nicht ganz rihtig informiert worden, wenn ihm gesagt worden ist, ih habe dort die Erklärung abgegeben, daß die von mir als nothwendig erachtete Stellenvermehrung ledigli an finanziellen Bedenken ‘des Herrn Finanz-Ministers ge- scheitect sei. . Ih habe im Gegentheil anerkannt, daß der Herr Finanz-Minister in den leßten Jahren in reht erheblihem Umfange den Wünschen der Justizverwaltung entgegengekommen ist, und ih

nimmt, so bleibt den

zur Handhabung berufenen Behörden

RNRechts\treitigkeiten derjenigen Popularität erfreuen, die sie früher

kann das auch heute nur wiederholen. Allerdings muß ih von meinem