Gespanne kann als Bestandthei! oder doch als Nebenbetrieb des auf die Beförderung fremder Sachen gegen Entgelt ge- rihteten Fuhrwerksbetriebes angesehen werden. (1738.)*)
Erkennt eine Berufsgenossenschaft, bei welcher ein Betrieb im allgemeinen versichert und katastriert ist, nah freiem Er- messen an, daß grey Arbeiten als Bestandtheil oder Neben- betricb zu dem versicherten Betriebe gehören, so ist eine der- artige Feststellung, wenn und folange sie ohne Widerspruch anderer betheiligter Berufsgenossenshaften oder Personen ge- troffen ist und besteht, und soweit niht ein öffentliches Interesse durch diese Regelung verleßt wird, in der Regel nicht zu beanstanden ; die Berufsgenossenschaft kann sih dann aber auch für die Zeit, während welcher fie derartige Arbeiten als Theil des bei ihr versicherten Betriebes behandelt hat, niht der formellen Haftung für die dabei vor- kommenden Unfälle auf Grund des Einwandes materieller Unzuständigkeit entziehen, und zwar auch dann niht, wenn eiwa Aenderungen in den Betriebsverhältnissen eingetreten sind, welche für die berufsgenossenschaftlihe Zugehörigkeit dieser Arbeiten an sih von Bedeutung wären. (1739.)
Ein Fuhrwerksbesißzer, der im Auftrage einer Chamoitefabrik für diese Fuhren ausführte, ist nah der be- sonderen Lage des Einzelfalles als deren Arbeiter angesehen worden, wobei Gewicht darauf gelegt ist, daß er sih vertrags- mäßig auf längere Zeit hinaus jeder selbständigen Verfügung Über seine eigene Arbeitskraft und sein Fuhrwerk entshlagen hatte und während der Ausführung seiner vertragsmäßigen Leistungen den Anordnungen des Betriebsführers ebenso unter- worfen war, wie ein Lohnarbeiter. (1740.)
Die E SURA eines Schlofsers, der sih während der Mittagspause an das glimmende en einer in der Werkstatt befindlichen Feldshmiede gestellt
atte und dabei dur heraussprühende Funken verleßt worden war, ist anerkannt worden, da er nah dem Wunsch seines Arbeitgebers und im Jnteresse des Betriebes an der Betricbs- stätte verweilte, und auh die Gefahr, der er erlag, dur eine Betricbseinrihtung geschaffen worden war. (1741.)
Die Zugehörigkeit zur Se Ualinecignd im Sinne des § 1 Absaß 1 Ziffer 1 des See-Unfallversicherungs3geseßzes seßt eine „Anstellung“ voraus; hierunter ist nur ein dauerndes, auf die Theilnahme an der bestimnmungsmäßigen Verwendung des Schiffes, der Seefahrt, berehnetes Verhältniß zu verstehen. Eine vorübergehende Beschäftigung auf dcm im Hafen liegenden Schiff zum Zwecke seiner Jnstand- sezung, Bewachung u. st. w. fällt um so weniger unter den Begriff der Anstellung auf dem Schiff, als die dazu ver- wendeten Arbeiter regelmäßig nur auf Tagelohn angenommen werden, nur während der Arbcitszeit an Bord bleiben und nicht, wie die Besazung, der eigenartigen Schiffsdiziplin unter- tehen. (1742.)
Auf dem Gebiet der Jnvaliditäts- und Alters- versicherung wird eine Uebersicht über die von Versiherungs- anstalten zum Bau von Arbeiterwohnungen und ähn- lihen, vorwiegend der Klasse der Versicherten zu gute kommenden Einrichtungen sowie zur Be- friedigung des landwirthshaftlihen Kredits bedürfnisses hergegebenen Kapitalien nah dem Stande vom 31. Dezember 1898, ferner eine Statistik der Heil- behandlung bei den Versiherungsanstalten und den zu-
elassenen Kasseneinrihtungen für das Jahr 1897 [unter be- onderer Hervorhebung der behandelten Fälle von Lungen- tuberkulose veröffentlicht. Hieran schließen sih folgende Revisions-ÉEntscheidungen:
Die Vorschrift des § 31 Absaz 3 des Jnvaliditäts- und Altersversiherungsgesehes hindert die Beitragserstattung an die Wittwe eines durch einen Betriebsunfall getödteten Versicherten nicht, wenn nicht die Wittwe, sondern nur die Kinder Hinterbliebenenrente erhalten. (702.)
Marken, welche erweislih bereits einmal zur Er- füllung der Beitragspfliht gültig verwendet waren, darauf aus der Quititungskarte entfernt und in die Karte eines anderen Versicherien eingeklebt worden sind, stellen in dem zweiten Verwendungsfall ohne Rücksicht auf den guten Glauben des Jnhabers der Quittungskarte eine Beitrags- leistung nicht dar. (703.) Ñ
Die Aufrechnungsbescheinigung is grundsägzlih kein vollgültiger Ersaß einer verlorenen oder dur Entnahme der Beitrag3marken beschädigten Quittungskarte; es bedarf der Erneuerung der Quittungskarte im Sinne des
105 des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgeseßes, welche edoch unter Umständen auch im Renten- oder Beitrags- erstattungsverfahren bewirkt werden kann. (704.)
Die aus S 18 des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsë- geseßes sih ergebende Beweiskraft kommt Krankheits- besheinigungen der Gemeindebehörde dann nit zu, wenn der Versicherte während der bescheinigten Zeit einer Krankenkasse angehörte und Anspruch auf Kranken- unterstüßung besaß. (705.)
Eine durch einen Selbstmordversuh erzeugte Erwerbsunfähigkeit begründet keinen Anspruch auf die Jnvalidenrente, weil der Versicherte sih eine solche Erwerbsunfähigkeit, von dem Fall der Unzurehnungsfähigkeit abgeschen, im Sinne des 8 11 des Jnvaliditäts- und Alters- versicherungsgeseßes vorsäßlich zugezogen hat. (706.)
In dem nihtamtlichen Theil werden unter anderem mitgetheilt eine Entscheidung des Mes (Zweiter Zivil- Ls vom 18. Oktober 1898, das die Frage behandelt, ob ür diéRückforderung der von einem Genossenschafts- mitglied auf Grund irriger Lohnnachweisungen
71 des Unfallversicherungsgeseßeßes) zu viel gezahlten
eiträge zur Genossenschaft der Rehtsweg zulässig fei, sowie ein Obergutachten des Sanitäts-Naths Dr. Thiem in Kottbus vom 12. August 1898, das sich über die wesentliche Mitwirkung eines Unfalls (Zermalmung der rechten Hand durch cin Räderwerk, aus dem die Verleßte erst nah einer Viertelstunde befreit werden konnte) zur Entstehung oder Steigerung einer E durch reißende Schmerzen im linken Arm und in beiden Beinen sih äußernden s{hweren Hysterie ausläßt.
33. Schleswig- Holsteinische al-Landtag wurde heute Mittag von dem Ober-Präsidenten, Staats-Minister von Köller mit einer kurzen Ansprache, unter Anerkennung der raschen und ersprießlihen Erledigung seiner Geschäfte, geschlossen.
*) Die eingeklaimnmerten Zahlen geben die Ziffer an, unter der die einzelnen Entscheidungen in den „Amtlichen Nahhrichten“ ver-
öffentliht sind.
Schleswig, 25. Februar. Der A roviiai
Nah einem sodann von dem Vorsizenden, Wirklichen Klosterpropst Grafen von Reventlou, auf
eimen Rath Siu Ma esiät den Kaiser und König ausgebrachten,
begeistert aufgenommenen dreimaligen Hoh trennte sih die
Versammlung. j :
Der 33. Provinzial-Landtag hat sieben Plenarsizungen abgehalten. Von der Königlichen Staatsregierung war dem- selben eine Vorlage, betreffend Annahme der einfacheren Städteverfassung für die Landgemeinde Wesselburen im Kreise Norderdithmarschen, zugegangen. Der Provinzial-Landtag hat derselben zugestimmt. :
Von ‘dem Provinzial-Ausschuß waren zwanzig Berichte und Anträge eingegangen. Davon sind hervorzuheben: Erlaß einer neuen Saßung der s{hleswig-holsteinishen Feuer-
wehr-Unterstüßungskasse; Erlaß eines ne-uen Reglements der-
\hleswig-holsteinishen Landes-Brandkasse; Ankauf der Dr. Stender'shen Jdioten-Anstalt zu Schleswig zwecks Errichtung einer eigenen Provinzial-Jdioten-Anstalt. Diese Anträge haben die Genehmigung des Provinzial: Landtages gefunden.
Von den fünf niedergeseßten Ausschüssen hatte der Petitionsausshuß 19 schriftlihe Anträge gestellt. Eine Petitiori der mittleren Provinzialbeamten um Gewährung von Wohnungsgeldzuschüssen wurde abgelehnt. — Dem M-rgelungs- verbande Wanderup im Kreise Flensburg wurde das er- betene Darlehn bis zu 100000 4 zu ermäßigtem Zins- saße aus Mitteln der Provinz gewährt. Das Gesuch des Probsteier Deich- und Entwässerungs-Verbandes (Kreis Plön) um Gewährung einer Subvention für -Deichbauten wurde abgelehnt. — Für die Arbeiter-Kolonie Rickling wurde eine Aga ase von je 16000 4 auf 5 Jahre bewilligt. — Dem Verbande der Schleswigschen ferdezuchtvereine wurde die erbetene Beihilfe zur estreitung der Kosten für die Drucklegung eines Gestütbuhes bis zum Be- trage von 8000 Æ in der Erwartung zur Verfügung gesellt, daß auch die Landwirthschaftskammer mit einer gleihen Summe sich an dem Werke betheiligen werde. — Der Stadt Ibehoe wurde die erbetene Beihilfe von 15 000 #6 zu den Kosten der Störbaggerung bewilligt. — Der Landwirthschaftskammer für die Provinz Schleswig-Holstein wurden auf eine Petition als Beihilfe für die landwirthschaftlihe Versuchsstation in Kiel für die Etatsjahre 1898/99 und 1900 je 6000 (M, zusammen 12 000 M, bewilligt. — Dem Schleswig: Holsteinschen Erziehungs- verein wurde auf eine Petition eine einmalige Beihilfe von 3000 M gewährt.
Oesterreich-Ungarn.
Eine Sonderausgabe des ungarishen Anitsblatis vom heutigen Tage veröffeutliht, wie „W. T. B.“ aus Budapest meldet, ein Allerhöchstes Handschreiben, in welchem der König die Annahme der Entlassung des ungarishen Ge- sammt-Ministeriums erklärt und demselben für dessen treue und eifrige Dienste den Dank ausspriht. Das an den bisherigen Minister-Präsidenten Baron Banffy gerichtete Hand- schreiben lautet :
„Indem Jh Sie hiermit auf Ihr eicenes Anfuchen der Stelle als Minister-Präsident enthebe, drückde Jh Ihnen au bei diesem Anlasse Meine dankbare Anerkennung aus für die in dieser Stellung auch unter {weren Verbältnifsen stets mit voller Hingebung, seltener Selbftverleugnung und reinen patriotishen Jutentionen geleisteten be- sonders treuen, eifrigen und au8gezeibneten Dienfte und verleibe Ihnen als Zeichen Meiner unveränderten Gnade taxfrei das Großkreuz des Stefan8-Ordens.“
Das Amétsblatt giebt alsdann die unter voller Anerkennung ihrer ausgezeihneten Verdienste erfolgte Enthebung der Minister von Erdely, Perczel und Baron Daniel von ihren Posten sowie die Ernennung Koloman Szell's zum Minister - Prä- sidenten und Betrauung mit der prooiforishen Leitung des Ministeriums des Junern, ferner die Wiederernennung der Minister Freiherr von Fejervary, Dr. von Lukacs, Dr. von Wlassics, Dr. Daranyi, Cseh und von Sze- chenyi, die Ernennung des Staatssekretärs Plosz zum Justiz-Minister, des Abgeordneten Hegedues zum Handels- Minister, endlich die taxfreie Verleihung des Großkreuzes des Leopold-Ordens an den Finanz-Minister Dr. von Lukacs in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste bekannt.
Der frühere Minister der auswärtigen Angelegenheiten Graf Rechberg ist, nah einer Meldung des „W. T. B.“ aus Wien, gestern dasclbst gestorben.
In Prag fand am Sonnabend die Berathung der deutsch - böhmishen Referenten über die Feststellung der national - politishen Forderungen der Deutschen staki. Der „Neuen Freien Presse“ zufolge find die Hauptforderungen : Aufhebung der Sprachenverordnungen, Durchführung der Ab- grenzung der Gerichtsbezirke und nationale Gliederung der obersten Jnstanzen im Lande nah dem Mußter des Landes- s{chulraths und des Landeskulturraths.
Aus Troppau berichien Wiener Blätter: Gestern Vor- mittag fand daselbst eine Besprehung der Vertrauensmänner der deutshen Volkspariei und am Nachmittag unter großer Betheiligung der Bevölkerung der deutsche Volkstag statt; an leßterem nahmen auch mehrere Abgeordnete theil. Eine Resolution, welche die Entsendung von Vertretern der deutschen Parteien Schlesiens in den gemeinsamen Berathungs-Ausshuß genehmigt, wurde einstimmig angenommen. Der Volkstag forderte \{ließlich die Aufhebung der Sprachenverordnungen, verwahrie sih gegen eine Auftheilung Schlesiens an Tscheschen und Polen und erhob gegen die Herrschaft des § 14 der Ver- faffung Einspruch.
Frankreich.
Der Präsident Loubet empfing, wie „W. T. B.“ aus Paris berichtet, am Sonnabend das Comité der nationalen republikanischen Vereinigung und forderte die Vereinigung auf, ihr Werk der republikanishen Erziehung und Beruhigung be- harrlich fortzuführen. Loubet erklärte, nihts werde ihn von der Erfüllung seiner Aufgabe, Vertheidiger der republikanischen Verfassung zu sein, zurückschrecken.
Jn der Deputirtenkammer übernahm Méline den Vorfiß der Gruppe der progressistishen Republikaner. Aus diesem Anlaß hielt er eine Rede, in welher er auf den Ecnst der gegenwärtigen, durch dic im rlament und angebli au in der Regierung herrshende Verwirrung ge- \schaffene und dur die Meinungsverschiedenheiten in der Dreyfus - Angelegenheit ershwerte Lage für Frank- reih und die Republik hinwies. Als Mittel Vieraea Méline eine Reform der parlamentarishen Sitten und die Rükkehr zu den Traditionen der Thiers, Gambetta und Ferry. Schließlich gedachte Méline des lebens des Präsidenten
en eon j
Joure und gab seiner Ergebenheit für den neuen Präsidenten
WSiebenzehr A lizei-Kommissare haben den Austrag erhalt E enzehn Po mmissare haben den Auftrag erhalten, bei „verschiedenen THiqnant aussuhungen vorzunehmen, namentlih bei Guerin, dem Direktor des „Antijuif“, bei André, aas Devaux, Nobert de Chevilly, Comte Sabran, Ponteves, Georges, Thiebaud, Monicourt, dem Sekretär des Herzogs von Orléans, bei Dubuc, dem Präsidenten der „Jeunesse antisemite“, und Anderen. Die Untersuchungen werden auf Grund eines von dem B lzeip is erlassenen Befehls ausgeführt. Derselbe enthält die Angabe, daß das Mandat in Auskünften cinen Grund habe, welche dem Lern zugegangen seien und besagten, daß sich eine ruppe von Leuten unter dem Namen „Antisemitenliga “ mengeichmen habe, deren Programm gegen Artikel 291 es Strafgeseßbuchs verstoßke. Jn einem das Mandat begleitenden vertraulichen Schreiben des Polizeipräfekten wird at dh die Untersuchungen sollten sich speziel auf alle Dokumente erstrecken, welhe über das Wesen ünd die politische Wirksamkeit der antisemitishen Liga und ihre Verbindungen mit den royalistishen und bonapartistishen Comités sowie mit anderen Vereinigungen Aufklärung geben könnten.
Jtalien.
Die Deputirtenkammer sezte am Sonnabend die Berathung über die politishen Gescßentwürfe fort. „W. T. B.“ berichtet darüber Folgendes:
Der Deputirte Prinetti erklärte, er wünsche, daß i in der Kammer eine große Mehrheit für den Uebergang zur zweiten Lesung der Gefezentwürfe aussprehen möge, weil dadurch das Prinzip der Autorität gekräftigt und den liberalen und konservativen Tendenzen, welche allein den ruhigen Forts{hritt idbernTönnten, gehuldigt würde. Der Minr!1ster für Post und TelegraphieN a fi wies den Vorwurf zurü, den ihm Di Sangiuliano gemacht hatte, daß er als Abgeordneter dasjenige be- kämpft habe, was er als Minister vertheidige; er erinnerte an seine im Juni 1898 gehaltene Rede und bob hervor, wie sehr die Gesetz- entwüife von 1898 von den vorliegenden {ih unterschieden und welche weitgehenden Garantien die gegenwärtigen Entwürfe böten. Der Minister erklärte Di Sangiuliano gegenüber, daß er und seine Kollegen keine8wegs infolge irgendwelher Transaktion in die Regierung eingetreten seien, und daß die Metinungsverschiedenheiten, auf welche der Abgeordnete angespieli habe, nicht vorhanden seien. Der Minister-Präsident Pelloux führte aus, die Regierung beabsichtige, mit ihren Gesez-ntæürfen keine der grundlegenden Frei- beiten anzutaften, fondern fie wolle nur die Grenzen der Rechte der Bürger genau feststellen. Doch maße sih- die Regierung nicht an, ein vollkommenes Werk geschaffen zu haben, und fie sei daher geneigt, Abänderungen und Zusätze zu ihren Gefeßentwürfen anzunehmen, um fo mehr, da sich aus der bisherigen Debatte bezügli einzelner Gegen- stände, fo z. B. hinsichtlich der Presse, eine große Meinungsverschieden- heit ergeben habe. Pelloux antwortete dann auf die hauptsäblihsten politisden Ginwände, die im Laufe der Berathung gegen die Geseßtz- entwürfé erhoben worden find, und bezeichnete es als eine Naivetät, wenn man behaupte, die politische Lage in leiter Zeit habe gezeigt, daß die von der Regierung geplanten Maßnahmen nicht nothwendig seien. Man vergesse vor allem, daß das Land jeßt noch unter den Ausnahmegesezen stehe, welhe nur bis zum 309, Juni in Kraft blieben und zur Zeit die volle Wachsamkeit der Behörden aufreht- erhielten. Die augenblicklißze Ruhe der extremen Parteien fei eine mehr s{cheinbare als thatfählibe, denn fie ergriffen jede Gelegenheit, um die Massen aufzureizen. Pelloux erklärte weiter, daß keine ungerehtere und weniger begründete Anklage gegen ihn er- hoben werden könne als die, daß er die Gesezentwürfe aus parlamen- taris@en Rülsichten vorgelegt habe. Man habe behauptet, daß die politischen Maßnahmen dem Theile der Kammer zusagten, welchem die finanziellen Maßnahmen mißfallen hätten, und umgekehrt. Es sei dies der bete Beweis dafür, daß die Regierung gerade auf ihr Ziel losfteuere urd nur das Wohl des Landes anstrebe. Er leugne, daß es h hier nur um Präventiv- maßregeln handle. Die egierung - unterlasse nicht, - den wirthschaftliden Verhältnissen des Land28 ihre Aufmerk- samkeit zu senken; viele der vorgeshlagenen Maßnahmen bezweckten, diese wirthshafilihen Verhältnisse zu verbessern. Es sei nicht zu leugnen, daß ein wirthschaftliver Aufshwung erfreulih sei, aber wirklicher Wohlstand könne ohne Ordnung und Rube nicht existieren. Er wolle cine ofexe Erklärung abgeben, um Zweideutigkeiten zu vermeiden. Nach einer fo bedeutfamen Debatte wäre es unmögli, zur „zweiten Lesung der Gesetzentwürfe überzugehen ohne ein entschieden deutliches Votum, durch welhe# die von der Regierung vorge- s{hlagenen Mafßnabmen in der Hauptsahe angenommen würden, wenn man auch über die Modalitäten streiten könne. Sonnino, Colombo und Prinetti bätten erklärt, Laß fie die geplanten Maß- nahmen im Prinzip billizten, aber ißre weite gehenden Vorbehalte maten bezügli des finanziellen Programms der Regierung. Nun, er (Pelloux) müsse erklären, daß er es für ein fehr shädlihes System halte, wenn die Veränderungen im Ministerium nit die Folgen klarer, bestimmter Thatfachen seien. Die Regierung habe wieder- bolt ibr finanzielles Programm dargelegt und habe diesem nihts hinzu- ¿ufügen und nichts von demfelben zu streihen. Es handke ih jedoeh um eine rein politishe Angelegenheit, die, wenn man fine Zweideutiakeiten wünsche, mit anderen Fragen nicht verquickt werden dürfe. Obgleich die Negierung beabsihtige, den ärmsten Volks- kflafsen ibre Lasten zu erleichtern, so ftehe sie do hinter niemandem in dem Wunsche zurück, dem Budget die nöthige Solidität zu geben. Gr bitte die Kammer, für den Eintritt in die zweite Lesung der Gesetzentwürfe zu stimmen. Die Kammer genehmigte alsdann mit 166 gegen 89 Stimmen den Schluß der Debatte mit der Einschränkung, daß die eingebrahten zahlreihen Ta1gesordnungen vor dem Eintritt in die zweite Lesung nach einander be- gründet werden dürften. — Im weiteren Verlauf der Sitzung intervellierte der Deputirie Mazza die Regierung über ein Vorkommniß bei dem Requiem für den verstorbenen Präsidenten der Französischen Republik Faure in der Kirhe San Luigi dei Francese am 23. d. M., bei welchem der Kardinal-Staatésekretär Rampolla bei Ertheilung der Absolution die Vertreter des Königs und der Re- gierung nicht gegrüßt habe. Der Minister des Auswärtigen Canevaro erwiderte, der Zwischenfall habe keinerlei politishen Charakter; es handle sich um cinen einfahen Akt der Etiquette, und es sei daher nicht angebrabt, die Angelegenbeit im Parlament zu erörtern, um so weniger, als dieselbe in einer die Regierung völlig zu- friedenftellenden Weise erletigt worden fei.
Spanien.
In der Deputirtenkammer seßte dem „W. T. B.“ ufolge am Sonnabend der Deputirte Sol Ortega seine Beschuldigungen gegen die Generale fort und erklärte, daß er für seine Auslafsungen die volle Verantwortung übernehme. Der Minister - Präsident Sag f rühmte ihm gegenüber die Verdienste des Heeres und fügte hinzu, daß, falls der eine oder der andere einen Fehler begangen habe, dies nicht dem ganzen Heere zur Last gelegt werden dürfe. Wenn man mit einer bestimmten Anklage hervortrete, sei die Regierung bereit, die Schuldigen vor Gericht zu stellen. Der Kriegs-Minister General Corr ea suchte den Nachweis zu führen, daß _ in “dem legten Kriege die Offiziere die Leiden der Soldaten getheilt lten und daß verhältniß- mäßig mehr OsPlere als Soldaten gefallen seien. Der Marine-Minister A unon wies die gegen die Marine gerichteten Angriffe zurück und fügte hinzu, daß, wenn eine parla- mentarishe Untersuchung verlangt werden sollte, alles klarge-
stellt werden würde. Der General Montes vertheidigte die Armee gegen die Anschuldigungen, welche - gegen sie erhoben worden sind, und forderte die Minister auf, -die Akten der infolge des Krieges auf Cuba und den Philippinen gegen Offiziere angestrengien Prozesse der Kammer u “übermitteln, um zu zeigen, daß alle Schuldigen estraft worden seien. Der Redner richtete an Silvela, Gamazo, Salmeron, Moret und Romero Robledo die Frage, ob sie glaubten, daß das Heer seine Sache von der des Landes getrennt habe. Die Generale müßten wissen, welchen Weg sie einzuschlagen hätten. Romero Robledo be- zeichnete die Auslassungen des Generals Montes als eine Een, die aufs Schärfste zurückzuweisen sei. (Tumult.) General Montes erwiderte, daß von einer N EAUN Ope mno nicht die Rede sein könne. (Neuer Tumult.)
obl edo rief ihm zu, daß er zu einem Aufstande aufreize. Der Präsident ersuhte darauf, nicht in diesem Tone fort- zufahren. Gamazo gah Erklärungen darüber ab, weshalb er sciner Zeit in das Ministerium eingetreten sei.
Die Kommission des Senats zur Prüfung der Vollmachten vernahm vorgestern den Admiral Cervera. Dieser behauptete, daß er, da feine gerichtliche Verfolgung gegen ihn eingeleitet sei, berechtigt sei, seinen Plap im Senat einzunehmen. Er erklärte, wenn der Verlust des Geschwaders ein Verbrechen sei, so treffe die Schuld die Regierung, welche ihn gegen seinen Willen nah den Antillen gesandt habe. Cervera fügte hinzu, er habe seiner Zeit unter Thränen die Glückwünsche zu seiner glücklihen Ankunft in Santiago enige-gengenommen, weil er den Len Ausgang vorausgesehen habe. L
Mehrere Tausend von Cuba in die Heimath zurück- beförderte \panische Soldaten veranstalteten gestern eine Kundgebung, indem sie dagegen protestierten, daß man sie völligen Mangel leiden lasse. Der Präfekt ließ sie aus- einander treiben.
Türkei.
Der Sultan hat, dem „W. T. B.“ zufolge, dem ran Nies Botschafter Constans den Großkordon des ed\chidje-Ordens in Brillanten verliehen.
RNumäuien.
Die Deputirtenkammer beshloß am Sonnabend nah sechstägiger General-Debatte über das Budget, in die Spezial- Debatte einzutreten. Die Parlaments-Sesstion wurde bis zum 27. März verlängert. Der Senat looste die Hälfte seiner Mitg:ieder aus; dieselben müssen fich nah der Verfassung einer Neuwahl unterziehen.
Bulgarien.
Der Finanz-Minister Tenew und der Handels-Minister Natschowitsch haben fich, nah einer Meldung des „W. T. B.“, vermuthlich zu Verhandlungen über das bulgarishe Finanz- arrangement, von Sofia nah Berlin begeben.
Amerika.
Nach einem in New York eingetroffenen Telegramm aus Managua haben die Truppen des Präsidenten Zelaya die Sierra de Yali beseßt und Aguas Calientes genommen. Damit sei die aufständishe Bewegung in Nicaragua thatsächlich unterdrüdt,
Asien.
Aus Peking berihtet das „Reutershe Bureau“: Die Kommission, welche die Anschuldigungen gegen den entlassenen Eisenbahn-Direktor Huyufen zu untersuchen hat, ist noch nit zur Entscheidung | gekommen. Mittlerweile wird die fremden- feindlihe Stimmung von Tag zu Tag stärker, und der von Changyi ausgeübte reaktionäre Einfluß wird als eine direkte R uno des englischen Gesandten betrachtet, dessen Proteste andauernd unbeachtet aen werden.
Nach einer Meldung aus Manila schossen am Mittwoch Abend die Amerikaner auf zwei Engländer, welhe vom Fenster aus dem Feuer zusahen; die Amerikaner waren anscheinend in dem Glauben, es mit Filipinos zu thun zu haben. Einer der beiden Engländer wurde tödtlih, der andere leicht verleßt. Auch auf einen argentinischen Unterthan, den Leiter einer Baumwoll- fabrik, ist geschossen worden; derselbe wurde sofort getödtet. — Mit Genehmigung der Behörden geht an jedem Abend eine Abtheilung Matrosen vom Kreuzer „Narcissus“ als be- sondere Löshmannschaft an Land, um das britische Konsulat und die Banken vor Brandstiftung zu s{hüßen. — Die fremden Konsuln hatten am Freitag eine Besprehung über die Wahrnehmung der kommerziellen Jnteressen. Das Ergebniß derselben wurde den amerikanischen Behörden jedoch nicht mitgetheilt. Der englishe Konsul nahm an der Zusammenkunft nicht theil. An diesem Tage war alles in der Stadt ruhig, obwohl die Aufständischen vor der Stadt großen Lärm machten und man eine Zeit lang glaubte, daß sie einen Angriff vorhätten.
Jn New Yor? C eirafene Telegramme aus Manila melden, daß die amerikanishe Flagge auf Cebu gehißt ist. Der Korrespondent des „New York Herald“ berichtet, der Vor- sißende der Lokalbehörden auf Cebu habe erklärt, er gebe nur der überlegenen Gewalt nach.
Afrika.
Der „Agence Havas“ wird aus Kairo gemeldet, der Derwish Taichs sei an der Spige von 16 Mann im Vormarsch gegen Omdurman begriffen. Ein a es P- tischer Truppentheil, welcher den Khalifen verfolgte, habe sh nah Khartum zurückgezogen, doch sei eine angebliche Nieder- lage der englis «egriptischen Truppen bis jezt nicht bestätigt. Die Nil-Armee werde wahrscheinlich bald nah Darfur und Kordofan marschieren.
Einer Meldung des „Reuter’shen Bureaus“ zufolge be- steht gegenwärtig nicht die Absicht, Verstärkungen nah dem Sudan zu entsenden.
JIunes, der kürzlih zum Untersekretäcr des Finanz- departements in Egypten ernannt worden, ist von Siam in Suez eingetroffen.
Aus Johannesburg berichtet das genannte Bureau, daß der Polizist Jones, welcher beschuldigt war, den Engländer Edgars erschossen zu haben, freigesprochen worden sei,
Parlamentarische Nachrichten.
Die Berichte über die vorgestrigen Sißungen d:s Reichs- tages und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten" Beilage.
|
— Die heutige (43.) Sihung des Reichstages, welcher der Sade des Jnrern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky, der Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen und der Staatssekretär des Reihs-Schaßamts Dr.
reiherr von Thielmann beiwohnten, wurde von dem Präsidenten Grafen von Ballestrem mit’ folgenden Worten eröffnet:
e habe dem Reichstage zunächst Mittheilung zu machen von einem Telèégramm, welches mir vorgestern Abend zugegangen ift. Dasselbe lautet: „Euer Hochzeboren bitten wir ganz ergebenft, dem hohen Reichstage unsern ehrerbietigsten Dank für die uns so boch ehrende Kundgebung aus Anlaß der Rettung der „Bulgaria“ zu übermitteln, insbesondere au für die Anerkennung, welche der Reichstag der geretteten Mannschaft gespendet hat. Die „Hamburg-Amerika-Linie“. Ich stelle fest, daß der Reichstag von diesem Telegramm mit Befriedigung Kenntniß genommen hat.
Darauf wird die zweite Berathung des Reichshaus- halts-Etats für 1899 bei dem Etat des Reichs-Eisen- bahnamts, und zwar bei den Ausgaben für die Betriebs- verwaltung, fortgeseßt. : i
Außer dem Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen nahmen noch die Abgg. Hauß und Riff (b. k. S) Werner (Neformp.), Bargmann (fr. Volksp.) und Bueb (Soz.) bis zum Schluß des Blattes das Wort.
— Das Haus der Abgeordneten seßte in der beutigen (30.) Sivung. welher der Minister e Ra und Gewerbe Brefeld beiwohnte, die zweite
erathung des Staatshaushalts-Etats für 1899 beim Etat der Berg-, Hütten- und Salinen-Verwal - tung, und zwar bei dem Kapitel „Ministerial-Abtheilung für das Mirawesen“, fort.
Bis zum Schluß des Blattes nahmen der Aba. Hitze (Zentr.), der Minister für Handel und Gewerbe Brefeld und der Abg. Vorster (fr. kons.) das Wort.
Bei der am Sonnabend vorgenommenen Ersaßwahl zum Reichstage für den Wahlkreis Bernkastel- Wittli wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, Se Biesenba (Zentr.) mit über 6000 Stimmen gegen Assessor Müller (Zentr. gewählt, welcher rund 4000 Stimmen erhielt.
Nr. 8 des „Centralblatts für das Deutsche Reich“, berau3gegeben im Reichsamt des Innern, vom 24. Februar, hat folgenden Inhalt: 1) Konjulat-Wesen : Ernennungen; — Ermäti- aung zur Vornahme von Zivilstandsakten. — 2) Finanz-Wesen : Nachweisung der Einnahmen des Reichs vom 1. April 1898 bis Ende Januar 1899, — 3) Zoll- und Steuer-Wesen: Abänderung der Anweisung zur zollamtlichen Prüfung von Mühlenfabrikäten. — 4) Polizei-Wesen: Ausweisung von Ausländern avs dem Reich3gebiet.
Gesundheit8wesen, Thierkra nkheiten und Absperrungs8- Maßregeln.
Das Erlöschen der Maul- und Klauenseuche ist dem Käiserlihen Gesundheitsamt gemeldet worden vom Schlachthofe zu Frankfurt a. M. (Sachsenhausen) am 25. Februar.
Frankrei ch. *
Durch ein Dekret des Präsidenten der Französishen Republik vom 3. d. M, wird die zur Verhinderung der Einschleppung der Sav-Josó-Schildlaus nah Frankreich unter dem 30. November v. J. erlassene Verordnung — vgl. „Reichs-Anzeiger * Nr. 291 vom 9. De- zember v. J. —, wonach die Ein- und Durchfuhr von Bäumen, Sträuchern und dgl. aus den Vereinigten Staaten von Amerika ver- boten ist, auf Algerien ausgedehnt.
ebruar. (W. T. B.) In Djeddah sind zwei festaeftellt worden.
Verkehrs-Anstalten.
Bremen, 2%. Februar. (W.T. B.) Norddeutscher Lloyd. Dampfer „Weimar“ 24. Febr. v. Bremen in New York angek. „Stuttgart“ 24. Febr. v. New York in Bremerhaven angek. „Saale" 24. Febr. Morgens v. Bremen in New York angek. „Prinz Heinrich“, n. Ostasien bestimmt, 24. Febr. in Antwerpen angekommen.
-— 26. Februar. (W. T. B.) Dampfer „Aller“, y. Alexandrien
kommend, 25. Febr. Vorm. in Neapel angek. „Coblenz“, n. d. La Plata bestimmt, 24. Febr. Abends in Oporto angekommen. _ Hamburg, 25. Februar. (W, T. B.) Hamvurg-Amertka- Linie. Dampfer „Galicia", y, St. Thomas kommend, in Havre, „Sibiria“, v. Ost-Asien kommend, in Hamburg eingetr. „Fürst Bis- mar" gestern v. Neapel n. Genua abgegangen. „Australta“ gestern Lizard passiert.
London, 25. Februar. (W. T. B.) Castle-Linie. Dampfer „ Duxolly Castle“ heute auf Ausreise Canarishe Inseln passiert.
Union-Linie. Dampfer „Saxonia“ Donnerstag auf Heimreise Delagoa-Bay angekommen.
Rotterdam, 25. Februar. (W. T. B,) Holland-Ameri?a- Linie. Dampfer, „Edam“ v. Rotterdam n. New York, heute Nach- mittag von Rotterdam abgegangen.
Theater und Musik,
Berliner Theater.
Die erste Aufführung des Schauspiels „Das Recht auf \ich selbs“ von Friedrich von Wrede fand am Freitag Abend stürmischen Beifall. Das „Recht auf \sich selbst“ ist in den lehten Jahren auf verschiedenen Gebieten des Dramas und des Romans un- aufhörlich und feierlich verkündet und als vornehmste Tugend der freien Se Menleete gepriesen worden. Allmählih \cheint sich jeßt eine Wandlung der Anschauung vorzubereiten. Jn den leßten Wochen hôrte man - mehrmals Dichterstimmen, die gegen dieses unein-
eschränkte Recht auf sich selbst Einspru erheben. Otto Fuchs- alab spra dagegen in seinem Schauspiel „Vicky“, das vor zwet Wochen im Berliner Theater zur Aufführung kam, wie gestern Friedrich von Wrede mit seinem neuen Schauspiel. Der Dichter wirft die rage auf, ob eine Frau das Necht habe, dem Gatten, der sie heim- ührt, ein ihr angethanes Unreht zu verheimlihen. Dieses Unrecht besteht in einer Gefängnißstrafe, welhe sie unschuldig verbüßen mußte. Das ganze Glück der Frau und thres neuen Hauses droht an dieser Unglücksepisode, welche P aus der Feraangenheit auftaucht, zu scheitern. Der Verfasser führt alle möglihen Milderungögründe für das Schweigen der Frau an und umgiebt die Dulderin mit einem anzen Kranz von Tugenden. Sie is tadellos als liebende Gattin, fürsorglice chwiegertohter und als zärtlihe Pflegerin des ihr an- vertrauten Kindes; sie hält das Andenken der dat enen ersten Frau ihres Mannes hoch, deren Kind sie mit fen Lebensgefahr vom Tode
Kairo, 25. P eft fälle amtli
gerettet hat. Jn Furcht und Zittern hat fie zwei Jahre verlebt, Glü empfangend aber auch Glück spendend. Daß sie aber dem Gaíten die Vergangenheit vershwieg, vernihtet beinahe ihr Glück und ihr Dasein. Grst als sie die nterlassungs\sünde des Verschweigens mit dem selbst»
gewählten Tode büßen will, wird der Gatte von seinen Zweifeln befreit und ein neues, fester (ret Glüdck wird beide künftig umfangen. Wenn man das -vom Dichter gegebene, aber ungenügend begründete Motiv von der uns{uldigen Verurtheilung gelten lassen will, so muß man zugeben, daß fich die Handlung folgerihtig entwickelt. Die Scenen sind geschickt aneinandergereiht uad erhalten die Theilnahme der Zuschauer bis zuleßt reue Die Exposition ift klar und knapp durgeführt und weist, wie die fernere Gntwickelung der Handlung auf eine bemerkenêwerthe dramatische Begabung des Berlassers hin. Troz- dem fehlt der Gestalt der duldenden Sra die im Mittelpunkt der B be stebt, tragishe Größe, weil ihr Schickial von einem tüdishen ufall bestimmt wird; fi2 {haft es siŸ also nicht selbft, sondern sie wird einfach davon erdcückt, — Die Darstellung gipfelte in der Leistung des Fräulein Frauendorfer in der Rolle der unglücklihen- Anina. Die Kürstlerin bringt alle hmerz;lihen Seelenregungen er- greifend zum Ausdruck. — An zweiter Stelle wurde ein Stück in. einem Akt unter dem Titel „Herbst “ gegeben. Der Verfasjer Walter Schmidt - Häßler bietet in der kleinen Arbeit ein Stimmungsbild dar von der fciedlihen Sterbestunde eines Greéises. Mit der Enkelin, die mit ihrem Gatten die Hochzeitsreise nah dem Süden antritt, verschwindet der legte freundliche Sonnenschein aus des alten Herrn Leben. Die Herbstwinde stürmen um das Haus, die Uhr tickt vernehm- lih durch den behaglih erwärmten und erleuhteten Raum, als der Tod in Gestalt eines lieben, lange erwarteten Freundes eintritt; dieser läßt die E B nen aus dem Leben d:8 Greises noch einmal vorüberziehen, und der Greis entshlummert dann unter den milden Worten des freundlichen Erlöserxs. Eine s{hwermüthige Stimmung weht durch die Dichtung, die etwas einförmig und für den einen Herbstgedanken zu weit ausgesponnen ift. Konzerte. i __ Am Dienstag vergangener Woche fand im Beethoven-Saal ein Lieder-Abend des Herrn Raimund von Zur-Mühlen ftatt. Man kann bei dieser Gelegenheit nur wiederholen, daß der Künstler in Bezug auf rihtige Verwendung der Stimmmittel uad die dramatische Belebung des Vortrages fast unerreiht dasteht. Beethoven?s Lieder- kreis „An die ferne Geliebte“ eröffnete würdig den Abend. Hierauf folgten Gefänge von Brahms, Tschaikowsky und Rubinstein, denen noch Wiederholungen und Zugaben, die von dem sehr zahl- reih ershienenen Publikum aufs beifälligste begrüßt wurden, ih hinzugesellten. Die Klavierbegleitung befand f\sich in den kTunstgeühten Händen des Herrn Coenraad V. Bos -— In der Aula der Charlottenshule veranstaltete die Gefang- lehrerin Frau Dr. Klee an demselben Tage zu wohlthätigen Zwecken eine Aufführung mit ihren Schülerinnen, in welcher Kompositionen von Beethovcen, Taubert, Shumann, Jensen, Rubinstein, Dorn und Anderen zum Vortrag gelangten. Wichen dieLeistungen nachdem Siadium des Unterrichts und der Verschiedenheit der Daus der Ausführenden auch von einander ab, so bewährten fi doch bei allen Eleven die Vorzüge der Unterrihts-Methode: Reine Intonation, Vermeiden des Tremo- lierens, verständnißfvolle Vortrag8weise und deutlihe Aussprache des Textes. Die Gesänge wechselten mit Klaviervorträgen ab. Fräulein F. Klee spielte uuter anderen Stücke von Rubinstein, W. Pfeiffer und Chaminade, die mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurden. Den Sckch{luß der interessanten Aufführung bildeten Lieder von Bungect, Tschaikorosky und Fishhof, welche von Frau Dr. Klee mit der Fülle ihrer s{dönen Kontra - Alistimme vorgetragen, einen wahren Beifallssturm des zahlrei ershienenen Publikums erregten. — Das zweite Konzert der Pianistin Johanna Heymann, das eben- falls am Dienstag im Saal Bechstein stattfand, war nur \pärlich besucht. Bekannte und beliebte Werke von Bach- Liszt, Chopin, Mozart, Schumann, Carl Heymann, FJadassohn, Gernsheim und Liszt bildeten den Inhalt des Programns. Im Vor- trag bekundete die Künstlerin einen weihen Anschlag und bei anerkennen8werther Sicherheit im Ueberwinden der technischen Schwierigkeiten eine interessante Vortragsweise, sodaß sie reichen Beifall erntete, der auch zu einer Zugabe Anlaß gab. — Auch in der Sing - Akavemie fand an diesen Tage ein Klavier abend ftatt, welchen die bekannte Pianistin Frau Scherres- Friedenthal veranstaltet haite. Us der Shumann’shen Sonate (op. 14) und einer Suite von E. E. Taubert in H-dur (op. 58) brachte die Künstlerin eine Reihe kleinerer Piècen zum Vortrag, deren genrehafter Stil ihre eigentliße Domäne bildet und die sie mit vieler Anmuth und Fertigkeit mrt Der junge russishe Pianist Paul de Conne, der fih unlängst in einem ersten Konzert hier sehr vortheilhaft eingeführt hatte, gab am Mittwoch im Beethoven - Saal einen Klavier-Abend, in dem er sich wiederum sowohl als glänzender Virtuos wie auch als feinfühliger Interpret des Vorgetragenen erwies. Sein Programm enthielt Werke von Beethoven, Weber, Mendelssohn, Schumann neben \solhen neuerer Komponisten. Jeder Stilart ließ er Ge- rechtigkeit widerfahren und fesselte besonders dur seine {lichte aber tiefe Auffassung. — Im Saale des „Römischen Hofes“ ließ sich an diesem Abend ebenfalls ein junger Fau Herr Reinhold Kuhrt, hören, der bereits Ansehnliches leistet, mit dem Vorgenannten ih jedoch noch nicht messen kann. Er eröffnete den Abend mit Bach?s Suite in F-dur (Nr. 4 der englischen Suiten) recht wirkangsvoll, stand aber in der zweiten Vortrages, der Sonate in Cis-moll (Quasi una Fantasia.— op. 27 Nr. 2) von Beethoven weder tehnisch noch musikalisch ganz auf der Höhe seiner Aufgabe. Die bekannte Sängerin Frau Brigitta Thielemann unterstüßte das Konzert mit dem lebendigen Vortrag der Arie „Ach, metn Sohn" aus Meyerbeer?s Oper „Der Prophet" und mit Liedern von Bruch, Giordani, Bos und Marschner. — In der St. Georgen-Kirche fand an dem- selben Tage ein Wohlthätigkeits-Konzert statt, das leider, weil es wohl ungenügend angekündigt worden war, einen nur geringen Besuch aufzuweisen hatte. Das anwesende Publikum mußte zudem die Ent- täushung erleben, daß zwei der auf dem Programm verzeichneten Künstler, Fräulein Therese Behr und Frau Irma Saenger-Sethe, niht mitwirkten auch nicht durch andere Kräfte erseßt wurden. Das Gebotene gewährte indessen soviel Geuuß, um den Mangel vergessen zu machen. rau Marie Blanck-Peters sang mit \{chöner Stimme, durchgeistigtem und von warmer Empfindung getragenem Vortrag Arien aus Oratorien von Mendelssohn und Haydn, Herr van Ewreyk, dessen Singweise sh ganz besonders für die Kirche eignet, erzielte mit dem Gesang: „Doch weichet, ihr argen ver- geblihen Sorgen“ aus der Cantate „Liebster Gott“ von I. S. Bach eine tiefe Wirkung. Woßblgelungene Vorträge des unter der trefflichen Leitung des Herrn Max Gschke stehenden Gesangvereins „Harmonie“ und andächhtig stimmende Soli des Organisten Herrn O. Pasch ver- vollständigten das Programm. Ee M nne von Bedeutung konzertierten am Donnerêtag. Fräulein Clotilde Kleeberg gus in der Philharmonie einen populären Klavierabend und spielte in ihrer gefällig leiten Manier unter anderm auch eine Suite von Bach, Stücke von Mendelssohn und die D-dur Sonate aus op. 10 von Beethoven mit nahahmens- werther Korrektheit und elegant flüssiger Technik. Die Künstlerin hat keinen großen Ton, in allen ihren Vortragsftücken is weibliche Anmuth das vorherrschende Element ; es fehlt ibr aber der ins Große gehende Zug, der sih dagegen in dem Spiel des Fräuleins Cornelia tder im Beethoven-Saal ausgeprägt fand, und der noch mehr in der Wiedergabe von Tschaikowsky's Klavier-Konzert Nr. 1 als in dem Schumann'schen A-moll-Konzert zu finden war. Jhr voller Ton war doch stets ohne Härte, die Darstellung war plastisch klar, thr Fortgan fand aber noch mitunter bei einigen der s{wierigften Stellen eine lethte Hemmung; doch dürfte Fräulein Rider au diejen Mangel bei threr Beanlagung bald überwinden. Das PIAREm oa! e Orchester führte unter Kapellmeister Nebi&äe ks Leitung die Be- gleitung zu den betden Klavier-Konzerten mit gewohnter Sicherheit und Diskretion aus.
Im Saal'Bechstein wiederholten am Donnerstag Abend Herr of-Theater-Jntendant und Professor Ernft von Bo taus aus München und Herr Kapellmeister Richard Strauß das interessante Experiment, das sie {hon vor etwa einem Jahre an der- selben Stelle darboten, nämli die QDeklamation der ins