1874 / 84 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Apr 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Außerdem wurde dem Präfidium die Ermächtigung ertheilt, mit der Firma Siemens u. Halske wegen probeweiser Aufstellung eines Abstimmungs - Telegraphen in Verbindung zuw treten. - Schließlich erklärte der Reichstag die Wahl des Abg. v. Klein- sorgen für Sigmaringen für gültig, da die vorliegenden Protefte unerheblich find.

In der heutigen (28.) Sihung des Deutschen Reichstages, welher die Bundesbevollmächtigten Staats- Minister Delbrück, v. Nostiz-Wallwiß, ferner der General-Tele-

aphen-Direktor Oberst Meydam, der Geheime Ober-Regierungs- Ratb Michaelis und andere Bundesfkommissare beiwohnten, wurden zunächst einige Wahlprüfuugen erledigt. Bis zum Swhluß des Blattes war die Wahl des Abgeordneten v. Seyde- wiß für den 10. Liegnizer Wahlkreis beanstandet und die Bean- tragung einer näheren Untersuhung der vorgekommenen Unre- gelmäßigkeiten beshlofsen.| Ueber fernere Kundgebungen für das dem Reich 3- tage vorliegende Militärgeseß liegen heute Berichte vor aus Nordhausen, Cassel, Hagen, Burgdorf, Hameln, Eldagsen, Lübeck, Braunschweig, Wolfenbüttel, Harzburg, Apolda, Baden 2c. Wie die „Kölnische Zeitung“ meldet, hat die in der Ver-

sammlung in Cöln vom 6. d. M. beshlofsene Adresse der libe- | ralen Reichstagswähler an den Reichstag bis gestern Abend be- | reits 4000 Unterschriften gefunden, eine Anzahl, die etwa zwei |

Dritteln der Stimmen der vereinigten Nationalliberalen und der Forischrittspartei bei der leßten Reihstagswahl entspriht. Die Unterzeichnungslisten sollen heute Abend nach Berlin gesandt werden und Nactragslisten noch einige Tage aufliegen. ® Aus Stuttgart, meldet W. T. B. unter dem 9. April, Abends: In einer zahlreih besuchten Versamm- lung von Reihstagswählern wurde heute die Resolution ange- nommen, dem Reichstage gegenüber den Wunsh auszusprechen, daß die Friedenspräsenzstärke der deutshen Armee durch das Mi- litärgeseß festgestellt werde und, daß der Reichstag fich mit der Reichsregierung über die Friedenspräsenzstärke auf einer von der Reichsregierung für annehmbar erahteten Grundlage eini- gen möge. Die gestern von Straßburg abgegangene Petition hat folgenden Worilaut: „Zahlreiche Altdeutshe aller Beruféklassen fühlen sich zur :Er- Tlärung gedrungen, daß die Gefahr, die Forderungen der Reichs- regierung bezüglich der Präsenzstärke des Reichsheerecs möchten nicht die Zustimmung der Reichsmajorität erhalten,- die Gemüther der Deut- schen in Elsaß-Lothringen mit peinlichster Sorge erfüllt. Auf dem Vorposten des Reichs unter feindlichen Elementen konstatiren wir die Befriedigung dieser feindlichen Elemente über die bisher der Re- ierung bereiteten Schwierigkeiten, über die drohende Wiederkehr frü- A deutscher Uneinigkeit und Schwäche, über den deutshen JIdeolc- en, welher die Stärke des Vaterlandes unbewußt seinen Feinden reis giebt. Wir fordern die reitêstreuen Abgeordneten auf, einmü- thig zur Regierung zu stehen ‘und angesihts der Rüstungen Frankreichs unjere militärische Kraft in fester Einigkeit zusammenzuhalten. Der General-Major und Commandeur der 11. Infan- terie-Brigade von Rothmaler hat sich mit kurzem Urlaub nach Liegnitz begeben.

Der Generalarzt T. Klasse und Corpsarzt des XII. (Königlih Sächsishen) Armee-Corps Dr. Roth und zahlreiche Ober-Stabs- und Stabsärzte sind zum Chirurgen-Kongreß hier- her kommandirt worden und zu diesem Zweck hier eingetroffen.

Der Regierungs- und Landesökonomie-Rath Buß bei der General-Kommission zu Cassel is auf seinen Antrag mit Pension in den Ruhestand verseßt. Der Spezial-Kommissarius zu Eschwege, Regierungs-Assessor Kneuper, is als Hülfs- arbeiter in das Kollegium berufen und die Verwaltung der Spezial-Kommission zu Eshwege dem bisher beim Kollegium beschäftigten Regierungs-Affeffor Rauch übertragen. Der Ge- richts-Affessor Delius is in Folge seiner Uebernahme in die Tandwirthschaftliche Verwaltung zum Regierungs-Afsefsor ernannt. Dem Spezial-Kommissarius, Regierungs-Affsessor K naß, bisher in Gelnhausen, ist in Folge Verlegung der dortigen Spezial- Kommission nah Hanau der zulegt genannte Ort zum Woknsiß angewiesen. :

Hildesheim, 7. April. Die gestrige Erinnerungs- feier der Kampfgenossen des deutschen Reichsheeres vom Jahre 1848/49 an die Schlachten im April 1849 fand eine recht rege Betheiligung und verlief in heiterster Stimmung. Auf Beschluß der Versammlung wurden an Se. Majestät den Deutschen Kaiser und an den Verein in Dresden, resp. an den König von Sachsen, welcher als damaliger Kronprinz das \ähsische Bundes- Corps in Schleswig-Holstein befehligte, auf telegraphishem Wege Begrüßungs-Telegramme abgesandt.

Bad Ems, 6. April. Wie die „Elb. Ztg. mittheilt, wird Se. Majestät der Kaiser von Rußland nah den ge- troffenen Reisedispositionen am 20. Mai hier ankommen und in den „Vier Thürmen“ absteigen.

Vayern. München, 10. April. (WsT. B.) Vom Kultus-Ministerium is heute das Rehtsgutachten über die Frage der Anerkennung von Reinkens als Bischof der Altkatholiken in Bayern veröffeniliht worden. Dasselbe geht im Wesentlichen dahin, daß die bayerishe Regierung nicht berehtigt ist, den Bischof Reinkens mit den begehrten rechtlihen Folgen im Verwaltungswege anzuerkennen, sondern daß es dazu eines Ge- seßes und zwar eines Verfassungsgesezes bedarf.

Sachsen. Dresden, 9. April. Die Deutsche Kai- serin ist heute Nahmittag kurz vor 35 Uhr, zunächst von Wei- mar kommend, zu einem Besuche am Königlichen Hofe hierselbst eingetroffen. Der König und die Königin, die Königin Marie und der Prinz und die Prinzessin Georg empfin- gen die Kaiserin im Leipziger Bahnhofe und geleiteten Ihre Majestät nach herzlihster Begrüßung nah dem Königlichen Schlosse. Der König und der Prinz Georg trugen die Uni- formen ihrer Königlichen preußischen Regimenter. Im Bahnhofe waren auch der hiesige Königlih preußishe Gesandte Graf Solms-Sonnewalde und der Gesandtshafts-Attahé Graf von Bismarck zur Begrüßung Ihrer Kaiserlichen Majestät anwesend; ferner der Stadtkommandant General-Lieutenant Freiherr von

usen, der Königliche Polizeidirektor Shwauß und der Eisen- ahndirektor Pôge. Im Königlichen Schlosse fand um 4x Uhr bei Ihren Königlichen Majestäten Familientafel statt, und Abends kehrte die Kaiserin nah Berlin zurü.

Württemberg. Stuttgart, 9. April. Der König Yat die Prinzen Bernhard und Alexander zu Sahsen- Weimar-Eisenah, Söhne des Prinzen Hermann zu Sachsen- Weimar-Eisenah, unter die Großkreuze des Ordens der Würt- tembergishen Krone aufgenommen.

Lem General-Stabsarzt, Dr. von Klein, is die Stelle des Chefs der Militär-Medizinalabtheilung des Kriegs-Ministe-

riums und dem Direktor des Ober-Kriegsgerihts, von Schall, die Stelle des Chefs der Justizabtheilung des Kriegs-Ministeriums übertragen worden.

Mecklenburg. Schwerin, 9. April. Der Fürst Windishgräßz iff nebft drei Prinzessinnen Töchtern gestern Abend hierselb| eingetroffen.

Sachsen -: Weimar - Eisenach. Weimar, 9. April. Die Deutsche Kaiserin und der Fürs Reuß Heinrich XIV. kamen gestern zu einem Besuhe am Großherzoglichen Hofe hier an. Ihre Majestät reiste heute nah Dresden ab.

Der Geburtstag der Großherzogin is gestern in herkömmliher Weise fesillcch begangen worden. Die öffentlichen Gebäude, fowie zahlreihe Privathäuser prangten im Flaggen- s{chmuck. Um 12 Uhr fand im Großherzoglichen Residenzshloß Gratulationscour statt, bei welcher di: Mitglieder der Staats- Ministerien, die bei dem Großherzoglichen Hof beglaubigten Ge-

| sandten, die Vertreter der Universität Iena, der Landtagsvorstand,

das Offizier-Corps des 94. Infanterie-Regiments (Großherzog von Sachsen), die höheren Beamten, sowie zahlreihe Fremde von Distinftion Ihrer Königlichen Hoheit ihre Glückwünsche dar- brachten. Nachmittags 4 Uhr fand im Residenz\shlofse Festtafel statt. Abends 7 Uhr begaben fich der Großherzog und die Großherzogin, sowie die zu Besuch anwesenden Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften in die Gala-Vorstelung des Großherzog- lihen Hoftheaters. Das zahlreih versammelte Publikum be- grüßte die Fürstlihen Herrschaften bei dem Eintritt wie bei dem Verlassen des Theaters in ehrfurchtsvollster Weise.

Lippe. Detmold, 9. April. Das „F. L. Reg. u. Anz.- Bl.'! veröffentliht einen Bescheid des Kabinets-Ministeriums auf die Eingabe der Herren Büxten und Genossen vom 23. März d. I., welche als Ausgleihungsmittel in dem Verfassungs- konflift die Berufung einer Versammlung nah dem Reihs- wahlgesez vorgeschlagen haben. Das Kabinets-Ministerium be- tont in der Antwort, daß eine Anerkennung des 36er Wahlge- seßes eine unbedingte Forderung der Nothwendigkeit sei. So- lange eine beschlußfähige Landesvertretung verhindert werde, bleibe der Regierung nihts übrig, als die Regierung des Landes auf eigene Verantwortung weiter zu führen.

Desterreih-Ungarn. Wien, 9. April. (W. T. B.) Der neu ernannte päpstliche Nuntius Iacobini trifft zur Uebernahme seines Postens morgen hier ein.

An die am 26. v. M. zu Ende geführten Berathungen über das Lehrerbildungswesen reihten ih, wie die „Prag. Z.' mittheilt, die weiteren Berathungen über Normal-Lehrpläne für Volks- und Bürgershulen. Für leßtere wurde be- reits durch den Erlaß vom 20. August 1870 ein provisorischer Lehrplan angeordnet, und was die ersteren betrifft, \o war bis- her das in den §8. 51—60 der Schul- und Unterrichtsordnung allgemein gesteckte Ziel maßgebend. Bei den gegenwärtigen Be- rathungen über die Bürgerschule if bestimmt worden, daß die achtilassfige Bürgerschule die vollendetste Gestalt der Volksschule zu repräsentiren habe, daß dieselbe daher eben so wenig den Charaftter einer Fachschule, als den irgend eines Vorbereitungs- institutes haben dürfe. Mit Rückficht auf diesen rein praktischen Zweck ging die Kommission bei der Wahl und Anordnung des Lehrstoffes vor.

Pest, 7. April. Wie der „Pesti Naplo'' meldet, arbeitet der Finanz-Minifter Ghyczy an einem Exposé, welches ein vollstän- diges Bild der Finanzlage und die von ihm zu machenden Vorschläge enthalten wird. Dasselbe soll im Laufe dieses Mo- nats im Reichstage vorgetragèn werden.

Niederlande. Haag, 6. April. Der Kaiser von Rußland wird dem Vernehmen nah auf seiner demnächst be- vorstehenden Reise nach England einige Tage im Haag zum Besuche des niederländishen Hofes verweilen.

Das Programm der Festlichkeiten, nah welhem die Hauptstadt des Landes, Amsterdam, des Königs 25jähri- ges Regierungsjubiläum am 12. Mai feiern wird, ift fol- gendes. Der König wird, wenn keine Aenderung des Programms eintritt, am 11. Mai feinen feierlihen Einzug in Amsterdam halten, und zwar zu Pferd; und es werden ihn in dem Fest- zuge begleiten die Königin, in einem Gala-Wagen, sämmtliche Prinzen des Königlichen Hauses nebst deren Hofstaat und dem militärishen Hause des Königs. Am 12. findet die kirchliche Festfeier in der Nieuwe Kerk und am Abende eine allgemeine Illumination ftatt. Am 13. ift Gala-Vorstellung im Theater. Auf die beiden folgenden Tage find Beglückwünschungs- Audienzen und Feftbankette angeseßt. Die Wiederabreise des Königs nah dem Haag wird am 16. erfolgen. Den Fest- lichkeiten in Amsterdam werden sämmtliche Minister, das diplo- matische Corps, die Mitglieder des Staatsrathes und beider Kammern der Generalstaaten und die Bürgermeister der bedeu- tendsten Gemeinden des Reiches beiwohnen. Auf den Strecken, welche der König bei seinem Einzuge berühren wird, wird eine Reihe von Ehrenpforten sich erheben. Ihre Einrichtung ist bereits in Angriff genommen. Auf dem Konningplein (Königs- plage) wird die Haupt-Ehrenpforte prangen, welche ganz aus Blumen und Pflanzen mannigfachster und seltenster Art be- ftehen wird.

Der Minister Geertsema befindet fih seit einigen Wochen in Wiesbaden zum Gebrauche einer Kur. Er wird zu dem am 9. d. Mts. stattfindenden Wiederbeginne der Sizungen der Ersten Kammer der Generalstaaten zurückerwartet.

Auf den 16. d. Mts. ist in der Zweiten Kammer der Generalstaaten die Verhandlung über eine auf .die Politik der Regierung in der atchinesischen Frage bezügliche Inter- pellation anberaumt. Es haben fich Gerüchte verbreitet, nah welchen die Opposition einen Versuch machen würde, bei diesem Anlasse durch ein Tadels- oder Mißtrauens-Votum das Mini- sterium zum Sturze zu bringen.

_ In Rotterdam war am 31. März wieder ein Cholera- fall mit tôdtlihem Verlaufe vorgekommen. Indessen is derselbe seitdem ohne Nachfolge geblieben.

Großbritannien und Jrlaud. London, 8. April. General-Major Sir Garnet Wolseley hat mit seiner Gemah- lin eine Erholungsreise ins Ausland angetreten, kehrt aber An- fangs Mai wieder nach England zurück, um einem Bankett, das die Stadt Po R der „Schwarzen Wache“ und der Marine- Brigade zu geben gedenkt, beizuwohnen.

_ Frankreich. Paris, 8. April. Gestern hat zu Buc bei Versailles der Bau der neuen Festungswerke be- gonnen. Drei der neuen Forts, die von Buc, Valleras und Saint-Cyr, sollen in diesem Jahre zum wenigsten beendet werden. Saint-Cyr soll eben so stark werden wie der Mont Valérien. Der Jura wird gegenwärtig von Genie-Offizieren bereist, da dem Vernehmen nach mehrere Punkte desselben befestigt werden

sollen. Alle diese Arbeiten werden jeßt mit dem größten Eifer betrieben.

Heute fand das Leichenbegängniß des früheren Ministers. des Innern und Deputirten Beulé in der Kirche Saint Germain des Près (Faubourg St. Germain) ftatt. Dj Leidtragenden hatten fich im Institut-versammelt, wo Beulé, der ständige Sekretär der Akademie der shönen Künste war, wohnte. Der Zug seßte sich um 12; Uhr nah der Kirhe in Bewegung, Ein Bataillon Infanterie bildete die Eskorte. Die Zipfel deg Leichentuches trugen der Herzog de Broglie, Vice-Präfident deg Ministerraths, Buffet, Präsident der Nationalversammlung, Jourdain, Präsident der Akademie der Inschriften, Wallon, von der Akademie der \{hônen Künste, und Caro, von der franzöfishen Akademie. Unter den Leidtragenden befanden fi außer den Verwandten der Fürst de Berghes, Jäger-Lieutenant, welcher den Marschall Mac Mahon vertrat, der Kriegs-Minifter General du Barail und der Gouverneur von Paris, General Ladmirault (beide in bürgerliher Kleidung), der franzöfishe Bot- schafter in London, Herzog de La Rochefoucauld - BVisaccia, die Mitglieder des ständigen Aus\{hu}ses der Nationalversammlung, viele andere Deputirte, Mitglieder der Akademien, Jovrnalisten, Gelehrte u. \. w. Der kirhlihen Feier stand der Bischof von Angers, Mr. Freppel, vor. Um 11/, Uhr begab \sih der Leichen- zug nah dem Kirchhofe Père Lachaise. Am Grabe wurden vier Reden gehalten, die erste von Iourdain, von der Akademie der Inschriften, die zweite von Signol, von der Akademie der \chöônen Künste, die dritte von einem Mitgliede von der Ecole normale und die vierte vom Herzog de Broglie, dem Vice- Minifter-Präfidenten.

10. April. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ ent- hält eine die Fluht Rocheforts und seiner Genossen betreffende Mittheilung der Regierung, nah welcher die Ent- weihung auf einem englischen nach Australien bestimmten Schiffe stattgefunden hat, während der Gouverneur von Neu-Kaledonien auf einer Inspektionsrundreise begriffen war. Eine strenge militärgerihtlihe Untersuchung des näheren Vorganges ift ein- geleitet. Von Seiten des Marine-Ministeriums if ein höherer Offizier mit den umfänglihsten Vollmachten für etwaige weitere Schritte in dieser Angelegenheit nah Neu-Kaledonien abgeordnet, wohin derselbe am 14. d. M. abgehen wird.

Versailies, 9. April. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Permanenzkommission kam zunächhsi die Ver- hängung des Belagerungszustandes über die Stadt Algier zur Sprache. Der Herzog von Broglie erklärte, der General-Gou- verneur, General Chanzy, habe wegen der von der Presse in Algier begangenen Ausschreitungen die Maßregel betrieben, die

Notabeln von Algier seien vorher darüber befragt worden und |

hätten die Maßregel durhaus gebilligt. Betreffs der erfolgten Auflösung des Munizipalrathes von Marseille, welhe fodann in Anregung gebraht wurde, wurde vom Präsidenten der Nationalversammlung, Buffei, bemerkt, es fei das eine Sathe, die zu einer Wiedereinberufung der Nationalversammlung einen so dringenden Anlaß nicht geben könne, die Permanenzkom- mission gehe dieselbe nichts an. Endlih wurde auf Befragen vom Herzog von Broglie bestätigt, daß Rochefort aus Neu- taledonien entflohen sei. Die nächste Sizung der Kommission wurde auf den 23. d. M. anberaumt.

(Monatsübersiht für Februar und März.) Die Nationalversammlung hat im Monat Februar ihr Bu- reau erneuert; Herr Buffet ist mit einer {chwachen Majorität in seiner Stellung als Präsident der Nationalversammlung be- stätigt worden. Die Ernennung der Quästoren hat mehrere Sizungen in Anspruch genommen; \{chließlich haben zwei der von der Opposition begünstigte Kandidaten den Sieg davon- getragen. Dieser Umstand if in der Presse als ein Zeichen der Schwäche der Regierungspartei gedeutet worden. Die rein ge- \häâftlihen Sißungen der Kammer sind mit Verhandlungen über das Budget ausgefüllt worden. Die Ersatßwahlen, welche im Monat Februar stattgefunden haben, find zu Gunsten der Bonapartisten und Republikaner ausgefallen.

Der Marshall Mac Mahon, Präsident der Repu- blik, hat am 5. Februar vor der Pariser Handelskammer erklärt, daß er seine Regierung, d. h. das Septennat vor allen An- griffen, woher fie auch kommen mögen, \{chüßen werde. Diese kurzen Worte des Marschalls find von der Pariser Presse aus- führlih fommentirt worden und haben eine heftige Polemik zwischen den regierungsfreundlihen Organen und den Zeitungen der legitimistishen Opposition hervorgerufen.

Das neue Gesetz über die Ernennung der Maires ist während des Monats Februar von der Regierung ftark aus- gebeutet worden. Der Herzog von Broglie hat ein Cirkular an die Präfekten erlassen, in dem er sagt, daß die Regierung von einem Maire aufrichtige und unbedingte Zustimmung zu dem Septennat verlange; in Folge dessen sind eine große Anzahl von Munizipalbeamten aus den von ihnen seit dem 4. September 1870 bekleideten Stellungen entlassen worden. Besonderes Auf- sehen hat die Entlaffung des Maire von Versailles, des Herrn Rameau, erregt.

Herr Emil Ollivier, der seit dem Sturze des Kaiser- thums Paris verlassen hatte, ist im Monat Februar dorthin zurüdcgetehrt zum Behufe seiner feierlihen Aufnahme in die fran- zösische Akademie.

Herr Rou her hat in der Zeitung „l’Ordre“ einen Brief ver- öffentliht, der als das neueste Programm des Bonapartismus betrachtet wird. Herr Rouher sagt darin, daß die Bonapartisten das Septennat unterstüßen werden, weil diese provisorische Regierungs- form die Anhänger derselben für die Zukunft nicht binde. Eine definitive Regierung, meint Herr Rouher, müsse ihren Ursprung einem appel au peuple verdanken; er glaubt, daß die Mon- aristen es nicht wagen werden, sich der Nation gegenüberzu- stellen, und daß das französische Volk \chließlich nur darüber zu bestimmen haben werde, ob die zukünftige Regierung von Frank- reih die Republik oder das Kaiserthum sein foll.

Der Prinz Iérôme Napoléon hat einen Brief veröf- fentliht, in dem er fich von der bonapartistishen Partei, wie diese von Herrn Rouher vertreten wird, los\agt; er ist in Folge dessen von der bonapartistishen Zeitung „Le Pays“, in heftiger Weise angegriffen worden. :

_Miqhelet, der bekannte Historiker, ist am 8. Februar in Hyères gestorben.

__ Die Nationalversammlung in Versailles hat während des Monats März verschiedene interessante Fragen er- örtert und theilweise zum Abschluß gebracht; auch haben einige stürmische Sizungen stattgefunden, welche die Existenz des Mini- sterium Broglie zu Pebroiee schienen. Das Budget is in einer [langen Reihe von Sizungen diskutirt worden, ohne daß es bis jeßt gelungen wäre, die Frage vollständig zu erledigen; jedo hat der Finanz-Minister, Herr Magne, die meisten der von ihm gemachten Vorschläge durchgebracht. Die Verhandlungen über die Befestigung von Paris find in dem von der Regierung g&-

ns{chten Sinne erledigt worden; Thiers, welcher bei dieser Gelegenheit eine längere Rede gehalten hat, if mit seiner Mei- nung in dexr Minorität geblieben. Herr Christophle, einer der Fuhrer des linken Centrums, interpellirte die Regierung wegen der gegen die republikanische Zeitung, XIX. Siécle, ergriffenen Maßregeln. Einige Tage später, am 18. März, erklärte Herr

Cazanove de Pradine, Mitglied der äußersten Rechten, daß er |

und seine Parteigenossen das Septennat nur als einen Ueber- gang zur Monarchie betrachten könnten. Am 25. März wurde das Ministerium darauf wegen Auflösung der Munizipalräthe inter- pellirt, und zwei Tage später, am 27. März, verlangte Herr Da- hirel, ein hervorragender Legitimist, daß eine sofortige Entscheidung über die zu adoptirende Regierungsform getroffen werde. Der

Herzog von Broglie hat die von der Linken und Rechten gegen | das Ministerium gerihteten Angriffe zurückweisen können, und | ist in allen Fällen der Uebergang zur Tagesordnung mit Ma- |

joritäten von 40—60 Stimmen zu Gunsten der Regierung ent- schieden worden. Bei der Abstimmung über den Vorschlag Dahirel Haben Mitglieder der radikalen Partei, unter Andern die Herren Ledru-Rollin und Naquet, für die Regierung gestimmt. Die regierungsfeindlihe Presse deutet dies als ein Symptom des Zerfallens der konservativen Kammermajorität. Am 28. März hat sich die Nationalversammlung auf 6 Wothen vertagt.

Der Dreißiger-Aus\chuß, welcher Namens des Mar- {alls von Mac Mahon aufgefordert war, seine Arbeiten mög- lihst zu beschleunigen, hat nun seinen Berit über das neue Wahlgeseß veröffentlicht. Der Herzog von Broglie hat vor diesem Aus\{chuß einen längeren Vortrag über die Zusammen- seßung einer Zweiten Kammer gehalten, welcher von der fran- zöfischen Presse in lebhafter Weise kommentirt worden ist.

Der Marschall Mac Mahon hat am 19. März und im Verfolg der Kammerverhandlungen vom 18. März Rede des Herrn Cazanove de Pradine einen Brief veröffent- licht, in dem er erfärt, daß das Septennat als eine Regierung sui generis zu betraten sei, welche weder der Republik noch der Monarchie vorzeitig Plaß machen würde.

Der Geburtstag des Kaiserlichen Prinzen Na po- leon, welher am 16. März großjährig geworden ift, hat Ver- anla}sung zu bonapartistishen Manifestationen gegeben. Die

öffentlihe Ruhe if nirgends gestört worden; jedo hat \ih die |

Regierung veranlaßt gefühlt, den Herzog von Padoue und Herrn von Caffagnac wegen hervorragender Betheiligung an dem Feste in Chiselhurst aus den von ihnen bekleideten Stellen als Maires zu entlassen.

Die Erfsazwaßhlen, welhe im Monat März ftattgefunden haben, find zu Gunsten der radikalen Partei ausgefallen; das Departement des Var hat Herrn Ledru-Rollin, das der Haute- Marne Herrn Danelle, und das der Gironde Herrn Roudier mit sehr bedeutender Majorität gewählt.

Spanien. St. Iean de Luz, 9. April. (W. T. B.) Marschall. Serrano ist nach Madrid zurückgekehrt, an seiner Statt hat General Concha, der ‘mit Verstärkungen in Santander angekommen ist, den Oberbefehl über die bei Bilbao operirende Armee übernommen. Es geht das Gerücht, daß der Ab\schluß einer Konvention zwischen den um Bilbao stehenden beiderseiti- gen Armeen bevorstehe.

IÍtalien. Rom, 5. April. Der Finanz-Minister hat der General-Budgetkommission bereits die verschiedenen Voranschläge für das Jahr 1875 zugestellt: Die Einnahmen find mit 1,142,258,283 Fr. Ordinarium und 69,262,568 Fr. Extraordinarium, zusammen 1,211,520,852 Fr. beziffert. Der Voranschlag der Ausgaben des Finanz-Ministeriums beträgt für 1875 857,269,832 Fr., d. i. 8,973,302 Fr. mehr als im Jahre 1874, betragen. Davon kommen 1,701,436 Fr. auf Garantien und Dotationen und 7,527,655 Fr. auf verschiedene Verwal- tungszweige. Die Verwaltung des Kirchenvermögens nimmt 295,800 Fr. weniger in Anspruch als im Voranschlag für 1874. Die Zinsen der konsolidirten Schuld, welche im Voranschlag für 1874 345,034,029 Fr. betrugen, find um 3,867,048 Fr. höher

Ausstellung des Vereins zur Förderung des Zeichenunterrichts. L

Der „Verein zur Förderung des Zeichenunterri{ts*, dgx, im Jahre 1868 von sieben Mitgliedern begründet, hente bereits derc® 166 zählt, hat, wie bereits gemeldet, gegenwärtig in den Räumen der hiesigen Kunsftakademie seine dritte Ausstellung veranstaltet, die, nah mehr als einer Seite hin umfangreicher als die beiden 1869 und 1870 ihr vorausgegangenen, einen doppelten Zweck ins Auge faßt. Es war die Intention des Vereins, ein, soweit dies möglich, anschauliches Bild von dem augenblicklihen Stande des Zeichenunterrihts in den ver- schiedenen Unterrichtsanstalten darzubieten, zugleih aber auch in der Ausstellung dasjenige Material zu geben, auf welches eine Klarstel- lung der in dem Zeichesunterriht zu verfolgenden Ziele sih gründen muß.

Nach den verschiedensten Seiten hin ist deshalb die Einladung zur Beschickung der Auëstellung ergangen, und fo zeigt sich in ihr eine Sülle von Produkten des Unterrichts sowohl wie der Industriezweige vereinigt, in denen das Zeichnen seine praktische Verwendung findet. Nicht etwa als Vorbild dessen, was der Verein erstrebt, darf somit die Gesammtheit der auëgestellten Gegenstände betrahtet werden, son- dern vielmehr nur als eine Summe von Anhaltspunkten für die er-

wünschte Klärung des Urtheils, als der Stoff, aus welchem feste, |

mustergiltige Bildungen sich allmählich gestalten dürften. Daß dieser Stoff bei Weitem nicht vollständig und gleihmäßig zu beschaffen war, ift in der Natur der obwaltenden Umstände begründet; was aber in der Ausstellung theiiweise systematisch geordnet, theilweise mehr dur den Zufall zusammengefüß,rt vorhanden ist, kann nur unter dem eben angedeuteten Gesichtépunkt richtig verstanden und gewürdigt werden. Den Fachgenossen, zumeist den Zeichenlehrern, dann aber au dem weiteren Publikum wird es an fruchtbaren Anregungen dort niht fehlen, wenngleich in der Anordnung der ungleichmäßig einge- pongenen Ausstellungsobjekte eine strengges{lossene Einheit und lücken- ose Vollständigkeit mehrfach vermißt wird. ___ Der „Verein zur. Förderung des Zeichenunterrihts* hat si die in seinem Namen angedeutete Aufgabe gestellt, dahin thätig zu sein, daß dem Unterrit im Zeichnen einmal der ihm gebührende Plaß im System der Erziehung zugewiesen, dann aber auch demselbeu ein fest- bestimmtes Ziel geseßt und eine diesem entsprehende Methode in ihr zur Geltung gebracht werde. Indem er einem planlosen Dilettan- tiémus auf dem weiten Gebiet des Zeichnens entgegentritt und viel- mehr eine einbeitlihe Organisation desselben als eines vollberectigten, nicht blos wünschenswerthen, sondern unentbehrlichen Unterrichtszweiges verlangt, stellt der Verèin seine Ziele in die Reihe der mannigfachen Bestrebungen unserer Zeit, die, im Gefolge der großen internationalen Ausstellungen entstanden, eine echte Bildung des Geshmacks und die damit auf praftiihem Gebiete zusammenhängende Hebung der moder- nen Kunstindustrie bezwecken. Denn für die volle Verwirklichung die- ser Bestrebungen ist zweierlei erforderli, zunächst das Vorführen Mas gebender Muster, welhe Gewerbemuseen und Ausstellungen kunstgewerb- licher Gegenstände, wie jene vor zwei Jahren im Zeughause jtatt- ehabte, darbieten, ferner aber auch eine das Studium der vor- andenen Vorbilder vertiefende und ein lebendiges Verständniß der

angeseßt; die rückaufbare Shuld 16,849,266 Fr. im Voran- \{hlag für 1874, beträgt 5,481,409 Fr. weniger, und die {we- bende Shuld 3 Millionen mehx.

Dem Mailänder „Corriere“ wird von Rom geschrieben: Die Gefahr des Krieges mit der Republik San Marino if glücklich vorübergegangen und die militärische Einschließung der- selben bereits wieder abkommandirt. Die Régierung der Repu- blik will fich dafür zu Verhandlungen über die Revision des Auslieferungsvertrages herbeilafsen, um ihn wirksamer zu machen. E r Er I

Eine Verordnung des Kriegs-Ministers ver- bietet Offizieren und Militärbeamtern, fich in kommerziellen und industriellen Gesellschaften oder Kreditanstalten anstellen zu lassen oder Mitglieder des Verwaltungsrathes solcher Gesellshaften und Anstalten zu werden.

Gestern fand im Konsistoriumssaale des Vatikans ein großer Empfang von Katholiken statt.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 8. April. Am 4. April fand in der neuen Admiralität die Kiellegung des eisernen Kanonenbootes „Jer\ch“ statt, Das Boot wird 250 Fuß lang, mit Geshüßen \{chrverfen Kalibers armirt und zum Küstenshuß bestimmt sein. Die Kiellegung eines zweiten gleichen Bootes soll bald folgen.

Die „M. Zig.“ s{reibt: Bekanntlich bedienen sich nach | dem jezigen Reglement für die militärische Disziplin Offiziere |

beim Sprechen mit Untermilitärs jeden Grades, mit Ausnahme der Portepée-Iunker, der Anrede „Du“, während die Untermilitärs beim Sprehen mit Offizieren das ihrem Range zukommende Prädifat „Ew. Wohlgeboren“, „Ew. Sohwohlgeboren“ 2c. gebrauchen. Das Komite für Bildung und Organisation der Truppen soll nun einen Antrag zur Bestäti-

gung auf dem Wege der Gefehgebung eingereiht haben, nah | welchem die Form jener persönlihen Beziehungen dahin abge- | ändert werden soll, daß die Unter-Militärs Offiziere nah ihrem |

Rang, also „Herr Lieutenant“, „Herr Oberst“ 2c. tituliren, die Offiziere dagegen alle Unter-Militärs mit „Sie“ anreden.

Der „R. W.“ wird mitgetheilt, daß der rusfishen Re- gierung das Projekt des neuen Tarifs zur Bestätigung zuge- gangen sei, welches die russisch-belgische Konferenz unter Mitwirkung eines Vertreters der rusfishen Haupt-Eisenbahn- gesellshaft ausgearbeitet hat zum direften Verkehr von Moskau über Ssmolensf, wie über St. Petersburg nach Belgien.

Amerika. Waj1zinaton, 7. April (per Kabel). Am Schluß der Debatte über die Finanzbill im Senat wurden von den republifkanischen Mitgliedern Warnungen gegen die Ver- mehrung des Papiergeldes geäußert. Im Lande finden zahl- reihe Appelle statt, die in den Präfidenten dringen, die Bill mit seinem Veto zu belegen.

Der Präsident Grant empfing heute offiziell Herrn | Bartholdi, den neuen französishen Gesandten bei der Union. |

Die Nr. 32 des „Amts-Blatts der Deutschen Reichs- Poftverwaltung“ hat folgenden Inhalt: General-Verfügungen : vom 20. März 1874: Bücherzettel; vom 6. April 1874: Auffleben der Freimarken; vom 5. April 1874: Anwendung der vorgeschriebenen Bezeicbnung bei den an Soldaten gerichteten Packeten; vom 7. April 1874: Korrespondenzverkehr mit den Fidji-Juseln.

_ Nr. 15 vom Justiz-M inisterial-Blatt für die preu- ßishe Geseßgebung und Recbts3pflege, herausgegeben im Bureau des Juftiz-Ministeriums, zum Besten der Justiz-Offizianten- Wittwenkasse, Hat folgenden Inhalt: Allgemeine Verfügung vom 18. März 1874, betreffend die Verrechnung der Portoazusgaben. Allge- meine Verfügung vom 1. April“ 1874, betreffend die Zuständigkeit der Justizbehördea in Ansehung der Grundstücke und Lokalien der Justiz- verwaltung. Allgemeine Verfügung vom 1. April 1874, betreffend

Verfügung vom 4. April 1874, die Vereidigung Königlicher Forft- shußbeamten betreffend. Erkenntniß des Königlichen Ober-Tribu- nals vom 18. Februar 1874 (S. Central-Handelsregister).

Form erschließende cigene Uebung im Zeichnen, die den Lernenden |

im Anschluß an die dur die Anschauung aufgenommenen Formen aEIhnO zu selbständig erfindender, stylgemäßer Produktion binüber- éitet.

der Industrie in eine Wecselwirkung, die sich um so fructbarer er- weisen wird, je inniger si die gegenseitigen Beziehungen zwischen ihnen gestalten, deren Pflege in erster Linie den technishen Vorbereitung?- anstalten, den Gewerbezeichenschulen und ähnlichen Instituten anheim-

S wird, E ae ung O E nto e die Ergebnisse a cihenunterrichts in der Volksschule mit den Anforderungen, welhe | F: “U L Es Es die Industrie zu erheben genöthigt ist, in Vergleich stellt, nob die | kasten, durch die Arbeiten im Ausstechen und Ausnähen, im Flechten

Frage an, inwieweit die Volksschule ihre Ziele mit diesen praktischen Anfcrderungen direkt zu verbinden haben dürfte, um ihrem Zögling 9 aaa Uebergang in eine funstgewerbliche Thätigkeit zu er- leichtern.

In ihrer gesammten Erscheinung veranshauliht die Ausftel- lung die Thatsache, daß für den Zeichenunterriht n&h nicht die feste Stellung gefunden wurde, deren sich andere Disziplinen im System unserer Erziehung erfreuen, daß aber auch unter den Fagenossen selber noch keineswegs Uebereinstimmung über die endlichen Ziele diefe3 Unterrichts, geschweige denn über die ihm zu Grunde zu legende Methode vorhanden ist. Die Betrachtung der verschiedenartigen Methoden, die sch in der Beschaffenheit ihrer Unterrichtsmittel wie der damit erreichten Resultate dar- stellen, wird jomit den forgsam prüfenden Besucber der Ausstellung zu wihtigen Erwägungen veraalafsen müssen. Während jede dieser Methoden, wie billig, auf die Erzielung von Fertigkeit und Sicher- heit der Hand und des Auges hinstrebt, unterscheiden sie sih wesent- lih in der Art und Weise, wie sie das zweite Bildungsmoment des Zeichenunterrichts, die Erwcckurg eines lebendigen Formcnfinnes, mehr oder weniger in den Vordergrund treten lossen, wie sie entweder mehr die Nachbildung abstrakter mathematischer Formen betonen oder dur die Darstellung von Gegenständen und Motiven der belebten Welt

das Interesse des Schülers zu fesseln suchen, wie sie endlich zum Theil |

auf den Ans{luß an andere Unterrichtsgegenstände verzichten, zum Theil sich mit ihnex, wie mit der Geographie und Naturkunde, in engere Beziehung zu seßen bemüht sind. ¿

Bei der Betrachtung der einzelnen Gruppen der Ausstellung wie- derholen si dieselben Wahrnehmungen mehrfach und fordern zur Ab- wägung der Vortheile und der Nachtheile des betreffenden Verfahrens auf. Wir werden auf einige der hervorragendsten Erscheinungen in diefer Beziehung ncch besonders aufmerksam machen, wenden uns Ee zunächst zu einer kurzen Uebersicht über den Inhalt der Aus- tellung. j

Im Uhrsaal der Akademie sind von verschiedenen Buchhandlungen Musterblätter, Vorlagen und andere Publikationen, die mit den ver- iedenen Stufen des Zeichenunterrihts und mit der gegenwärtigen

ewegung auf dem Gebiete der Kunstindustrie zusammenhängen, zur Ansicht aufgelegt. Der Deer findet dadurch Gelegenheit, fich mit älteren wie neueren werthvollen Erscheinungen (mit Br. Bucher und Gnauths „Kunsthandwerk“, mit V. Teirihs „Blättern für Kunstge- werbe“, mit Racinets „polychromem Ornament* u; a. m.) bekannt zu machen. Ferner befindet si hier eine reichhaltige Ausstellung der ver-

die Einlösung der außer Kurs geseßten Landesgoldmünzen. Allgemeine | Iubelfeier.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

London, 8. April. Jm Kryftallpalast in Sydenham werden Vorbereitungen für das diesjährige Händelfeft getroffen. Das Fest wird am 22., 24. und 26. Juni ind die Generalprobe am 18 Zuni stattfinden. Die musikalishe Leitung des Festes wird wieder Sir Michael Costa übernehmen. S

Straßburg, 7. April. Den früheren Bücher-Schenkungen aus Spanien, welche die Kaiserliche Universitäts- und Landes- bibliothek der Thätigkeit des Madrider Komites zu verdanken hat, reihte sid, wie die „Str. Zkg." mittheilt, kürzlich eit? weikere “än, welche hauptsächlich Prachtwerke enthielt, die noch von König Ama- deus für die genannte Bibliothek bestimmt worden waren.

Stockholm, 6. April. Aus Kongsvinger in Norwegen wird geschrieben: Wir haben jeßt endlich und zwar zum erften Male vollständigen Winter, Der Schnee liegt shon fseitämebreren Tagen, und überall Herrs{cht die größte Rührigkeit, um die so unerwartet erhaltene gute Bahn zum Tranêport der aufgehäuften Waaren zu benußen. Der reihlihe Schneefall ist uns auch in anderer Beziebung sehr willfommen, indem wir binnen kurzer Zeit an Wassermangel hätten leiden müssen.

Gewerbe und Handel. Breslau,- 9. April. (W. T. B) Die Generalversammlung

der „Schlesischen Centralbank für Landwirthschaft und Handel“ hat die Vertheilung einer atprozentigen Dividende und die Rücklegung von 350,000 Thlen. in den Reservefonds genehmigt.

Die Zeitschrift für Gewerbe, Handel und Volks- wirthschaft, Organ des Bberschlesshen Berg- und Hüttenmän- nischen Verzins, Nr. 14 enthält: Zur Militär-Konfliktsfrage. Ober- \{lesiens Handelskammer oder auch Handelskammern. Oberschlesiens Koblenabsatß im Jahre 1873.

München, 9. April. (W. T. B.) Nach zuverlässiger Mit- theilung wird die vom Verwaltungséraihe der Bayerischen Wechs- lerbank festgeseßte diesjährige Dividende 4% betragen.

Wien, 9. April. (W. T. B.) Die auf beute anberaumte Ge- neralversammlung der Aktionäre der Bodenfkreditanstalt war nicht bes{chlußfäahig und wurde auf den 22. d. M. vertagt.

Am 16. September 1875 wird in Santiago (Chile) eine nternationale Ausstellung fär Rohstoffe, Maschinen, Jn- dustrie und Manufaktur, \chsne Künste und öffentlichen Unterricht eröffnet werden.

Verkehrs: Anstalten.

Breslau, 9. April. (W. T. B.) Die Direktion der Rechten Oder-Ufer-Bahn hat beschlossen, bei dem Verwaltungsrathe, der Gencra!versammlung und dem Handels-Minister die Genehmigung zur Uebernahme des Betriebs der Dels-Gnesener Bahn und zu einer 10jäbrigen Garantie der betreffenden Stamm-Prioritäten mit 4 pCL vorshupweise nachzusuchen.

Kösnigliche Schauspiele.

Sonnabend, 11. April. Opernhaus. Keine Vorstellung.

Schauspielhaus. (97. Vorftellung). Viel Lärmen um Nichts. Lustspiel in 5 Abtheilungen von Shakespeare. Anfang 7 Uhr. Mittel-Preise.

Sonnabend, 11. April. Im Saal - Theater des König- lihen Schauspielhauses. Siebenundfünfzigste Vorstellung der fran- zösischen Schauspieler-Gesellshaft. Deuxième représentation de: Montjoye,

Sonntag, 12. April. Opernhaus. (92. Vorstellung.) Fra Diavólo, oder: Das Gasthaus zu Terracina. Oper in 3 Ab-

| theilungen. Musik von Auber. Pamella: Frl. Horina. Zerline:

Fr. Mallinger. Fra Diavolo: Hr. Niemann. Lord Cookburn: ge „Salomon. Lorenzo: Hr. Schott. Anfang 7 Uhr. Hohe reife,

Schauspielhaus. (98. Vorstellung). Zur-hunder: jährigen Göß von Berlihingen mit der eiseren Hand. Schauspiel in 5 Abtheilungen von Göthe. Anfang halb 7 Uhr. Mittel-Preise.

Sonntag, den 12. April. Im Saak-Theater des Königlichen

-

| Shauspielhauses. Achtundfünfzigste Vorstellung der franzöfischen i Schauspieler-Gesellshaft. Troisième représentation de: Montjoye.

sciedensten Zeichenmaterialien, in die sich mit renommirten biefigen Firmen die Fabrik von Hardtmuth in Wien und Budweis theilt. Den Erzeugnissen ihrer Bleistiftfabrik wird von einer Kommission

L ; , A . „| Sacverständiger das günstigste Zeugniß gegeben. Damit treten der Zeichenunterrißt und die mannigfachen Zweige? | S günstigste Zeugniß geg

Der folgende Saal der Ausstellung soll die Entwickelung des

| Zeichenunterrichts von seinen ersten Anfängen an, die im Kindergarten

wurzeln, bis zum Abschluß der Volksschule zur Anschauung bringen. Die Beschäftigungsmittel des Kindergartens zielen sämmtlih auf frübzeitige Erweckung des Formensinns ab, der durch das Legen von

| Stäbchen, Ringen und Täfelchen, durch das Spiel mit dem Bau-

und Aus\neiden, sowie in Anfängen des Modellirens seine Pflege

| findet. Während verschiedene Proben der Ausstellung hier eine ein-

heitlihe Methode vermisseng lassen, wieder andere der ausgestellten Arbeiten über die Sphäre des Kindes hinaus3zugreifen \{einen, ist in dem methodischen Lehrgange, den Dr. Georgens ausstellt, die Zahl der Beschäftigungsmittel beschränkt, zugleih aber au der Versuch gemacht, den Zeichenunterriht der Volksschule mit dem Kindergarten in Verbindung zu seßen, während gegenwärtig beide Institute ihre besonderen, von einander unabhängigen Wege gehen. An dieses Pro- jeft, das in drei nach den Altersfklassen der Schüler abgestuftea Theilcn die verschiedenartigsten Verlagen darbietet und viel- fahe Beachtung findet, {ließt sch die Ausstellung der Berliner

| Gemeindeschulen und einer Reihe anderer Volks|chulen an, die Probe-

arbeiten und Lehrmittel hergesandt haben und in ihnen die schon an- gedeutcte Thatsache beweisen, daß eine Uebereinstimmung über die Ziele des Zeichenunterrihts bisher in keiner Weise besteht, daher auch die Resultate desselben weit auscinanderfallen. Nur in dem Groß- herzogthum Hessen ift eine einheitlihe, vom Profeffor Kumpæ be- gründete Methode durchgeführt, die freilich in der Volksschule über die Verwendung der geraden Linie niht hinausgeht. Neben dieser Methode ift noch eine andere sehr bemerkenswerth, die in den voa Falk in Zwickau ausgestellten großen Wandtafeln veranshauliht wird : im Gegensaß zu der Kumpashen Methode knüpft sie durhweg an Motive an, die in der Natur, in deren lebendiger Vegetation sowobl wie in mannigfachen Formen von Gefäßen 2c. gegeben sind und auf ihre einfahe Grundgestalt zurückgeführt werden.

Das Bild des Zeichenunterrihts in der Volksschule findet seine Ergänzung in der Ausstellung der Seminare, die nicht sehr rei be- s{ick worden ist, aber doch einige interessante Proben des Zeichen- unterrihts darbietet. Namentlich das Seminar von Eisenach erwirbt sih dur die korrekte Au-führung der Zeichnungen ‘und dur die Auswaht der behandelten Vorwürfe cine eingehendere Beachtung.

In demselben Saale befindet sich endliG noch die Ausstellung der Königlichen Blindenanftalt zu Berlin, die einen Einblick in die Art und Weise erôöffact, wie mit Zuhülfenahme des allmählich ih zu hoher Sicherheit ausbiidenden Tastsinnes auch dem Blinden das Ver- ständniß der Formen si soweit ers{ließt, daß er nit nur die der Figuren benöthigten mathematischen Beweise zu führen vermag, son- dern sogar dahin gelangt, Körperformen, die er durch Betasten in si aufgenommen hat, durch Modellirung selbständig zu revroduziren, wie das ein von einem Blinoen geschnißter, mit drei Hundeköpfen verzierter Uhrfständer beweist,

A: e Tf Tag Ti A R Es E R E E T E PiE E ¿gd r E I oe 29

p

E E: