1874 / 118 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 May 1874 18:00:01 GMT) scan diff

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[ihen General-Kommission zu Cassel als Hülfsarbeiter ein- getreten.

S. M. Panzerfregatten „Friedrich Carl“ und

Kronprinz“ sind am 19. d. M. in ela Ian S. M. Kbt. “"Albatroß* in Kiel in Dienst gestellt. ;

S. M. S. „Niobe * hat am 19. die Rhede von Kiel ver- [afsen.

Bayern. München, 19. Mai. Mit Rücksiht auf die in Aussicht genommene Regelung der Natural- leistungen für die bewaffnete Macht im Frieden, ins- besondere au bezüglih der Quartierleistung, sollen {hon jeßt die nôthigen Ermittelungen zur Feststellung der Eintheilung der Ortschaften des Königreichs (in 5 Klassen) vorgenommen. werden. Zur Gewinnung eines Regulativs für die Quartierbedürfnisse, den Servistarif 2c. haben die Staats - Ministerien des Innern und des Kriegs verfügt:

L In jedem Bezirksamte und in jeder unmittelbaren Stadt tritt eine Kommission zusammen, welche für die sämmtlichen zuständigen Ortschaften des Bezirks den Preis der Quartierbedürfnisse, wie sie das Regulativ an die Hand giebt, zu ermitteln und zu begutacten R 2) Die Kommission besteht in den Bezirksämtern aus dem Be- zirksamtmann oder dessen Stellvertreter und 2 Mitgliedern der Distrikts- aus\{chüfse, von welchen das eine dem größeren ländlichen Grundbesiße angehören muß, das zweite aus der Reihe der Bürgermeister oder Gemeindevertreter auszuwählen ist, in den unmittelbaren Städten aus dem Bürgermeister und 2 Mitgliedern des Magistrats, welche von diesem gewählt werden. In München tritt der Königliche Polizei- direktor in die Kommission, wofür. eines der Magistratsmitglieder ausfällt. In Garnisonstädten nimmt der Truppen - Commandeur resp. ein von diesem kommandirter Offizier an den Berathungen und

lehn en mit gleicher Berethtigung wie die übrigen Mitglieder

heil. Befinden sich am Orte Kommandanturen und Königliche Gar- uisonsverwaltungen, so tritt der Kommisfion der Kommandant resp. dessen Stellvertreter, sowie der Garnisonsverwaltungs-Vorstand hinzu. 3) Spezielle Instruktionen bezüglich der Schäßungen können nicht er- theilt werden. Zur Werthsermittelung können in Betracht gezogen werden die zur Häusersteuer ermittelten Miethswerthe und. die orts- üblichen Schlafstellgelder. Diejenigen Naturalleistungen, für welche im Civilhaushalte Erfahrungs\äße sih nicht gebildet haben, wie beispielsweise: Benußung des Wohnzimmers, des Kochfeuers und der Geräthe des Quartiergebers, sind nah sahgemäßen Prinzipien ge». wissenhaft einzushäßen und dabei der leitende Grundsaß festzuhalten, daß eine Vergütung nur nah dem gemeinen Werthe zugestanden wer- den kann. Im Allgemeinen wird noch darauf aufmerksam gemacht, daß immer nur Objekte (Quartiere, Stallungen) von mittlerer Qualität in Betracht zu ziehen. sind, daß mithin jeder Luxus, jede besondere Bequemlichkeit 2c. außer Acht zu lassen ist.

Sachsen. Drcsden, 20. Mai. Der Herzog Friedrich vonSchleswig-Holstein ist heute Vormittag nah Primkenau abgereist.

Der König hat in einer am heutigen Tage dem Kö- niglih italienischen außerordentlichen Gesandten und" bevollmäh- tigten Minister Grafen von Launay ertheilten Partikular- Audienz das Beglaubigungss\chreiben, durch welches derselbe von Neuem in dieser Eigenschaft an dem hiesigen Königlichen Hofe accreditirt wird, entgegengenommen. j

Die Zweite Kammer nahm heute u. A. den Geseß- entwurf über die Uebertragung der Verpflihtung zur Unter- stüßung bedürftiger Familien von zum Dienste einberufenen Mannschaften der Reserve, Ersahreserve und Landwehr auf die Bezirksverbände in einer von der Deputation amendirten Fassung ohne Debatte an. Ebenso wurden ohne Diskusfion die Positionen 24 und- 26 des außerordentlihen. Budgets, 3,502,670 Thlr. zur Verstärkung des Transportmittelparkes ‘der Staatseisenbahnen und 127,830 Thlr. zur Vollendung des neuen Signalsystems, Herstellung von Blocksignalen 2c. an diesen Bahnen bewilligt. Ferner nahm die Kammer die Anzeige von der Resultatlosigkeit des Vereinigungsverfahrens betreffs des Dr. Minckwißschen An- trags auf Aufhebung der §8. 92 und 103, leßtes Alinea, der Verfassungsurkunde entgegen, wobei der Referent Abg. Dr. Biedermann und der Antragsteller Abg. Dr. Minckwiß die Ab- lehnung des von der Deputation der Ersten Kammer gemachten Vereinigungsvorschlags kurz motivirten, und beschloß ohne De- batte gegen 3 Stimmen, bei ihrem auf den die Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas betreffenden Antrag des Abg. Ludwig gefaßten Beschlusse, dem die Erste Kammer nicht beigetreten ist, [lediglich mit Weglaf}sung der Worte, welche die von der Regie- rung verlangte Bekanntmachung zunächst in dem inzwischen eingegangenen katholischen Kirchenblaite veröffentliht wissen wollen, stehen zu bleiben, die auf diesen Gegenstand bezüglichen, neu éingegangenen Petitionen aber dadur für erledigt zu er- Flären. Dann folgten Berathungen von, Petitionen und Be- \chwerden.

Baden. Karlsruhe, 18. Mai. (Schw. M.) In der heutigen Sißung der Zweiten Kammer legte Justizministerial- Präsident v. Freydorf einen Gesezentwurf über die Einführung des - Reichspreßgeseßes vor. Das Gese über die Rechtsverhält- nisse der an anderen als an Volksschulen angestellten Volks- \chullehrer und Gewerbeshul-Hauptlehrèr wurde in zweiter Be- rathung einstimmig angenommen. Hierauf erfolgte Bericht- erstaitung und Berathung bézüglih einer Reihe von Petitionen, welhe Straßen- und Eisenbahnbauten betrafen. Ob es ge- lingen wird, die ständische Session bis zur Mitte Juni zum Abschluß zu bringen, bleibt immerhin fraglich, zumal man au noh Vorlagen entgegenfieht, welche mit der Einführung der Pei Münzwährung am 1. Januar 1875 im Zusammenhange

ehén.

720. Mai.

i. (W. T. B.)/ Heute hat die Kammer die Generaldebatte über das neue Einkommensteuer - Geseh begonnen. 18 nationalliberale Abgeordnete, darunter Kiefer und Bluntschli, beantragten, daß die Kammer in die Spezialdis- kussion nit eintrete und die Regierung aufgefordert werde, dem nächsten Landtage eine . umfassende Steuerreform vorzulegen. Nah achtstündiger Berathung über diesen Antrag wurde derselbe

urückgezogen. Die Spezialdiskussion über das Einkommen- Feuer-Geseh beginnt morgen.

u Ee E E Gag: Sh hor ae Da mittag beg roßherzogliche oß-Chor auf Höchsten Befehl nah Pdwigsluft, wo zu Ehren des Groß fücKen Wladimir eine Messe nah griehish-katholishem Ritus ftatt- gefüïden hat. :

Sachsen-Altenburg. Altenburg, 19. Mai. Der Commandeur der 8. Division, General-Lieutenant von Schaht- meyer und der Commandeur der 16. Infanterie-Brigade, General- Major von Scheffler aus Erfurt, sind heute zur Besichtigung des Militärs hier eingetroffen.

Anhalt. Dessau, 19. Mai. (Leipz. Zig.) Die beiden ältesten Söhne des Herzoglichen Hauses, die Pr inzen Leopold und Friedri, SadA demnächst Genf verlassen, eine Reise durch die Schweiz und Oberitalien unternehmen und sodann

vorläufig auf einige Zeit ihren Aufenthalt in Dessau oder

WVörliß nehmen. i

Die Generale von Mirus und von Zychlinski trafen gestern Abend von Magdeburg hier ein und werden, nach- dem fie heute eine Inspizirung abgehalten und Mittags mit dem hiesigen Öffiziercorps gespeist haben, ihre Weiterreise antreten.

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De eich-Ungarn. Wien, 20. Mai. Das Reichs: gesehblatt veröffentliht das Geseg vom 14. Mai 1874, wo- mit mehrere Paragraphen der Geseße vom 13. Mai 1869 und 1. Juli 1872 übér die Landwehr für die im Reichsrathe ver- tretenen Königreiche und Länder abgeändert werden. j

Pest, 19. Mai. Bei der Abstimmung über die Advoka- tursvorlage im Abgeordnetenhause wurde dieselbe als Grundlage der Spezialdebatte angetommen. Die Spezialdebatte wird jedoch ers nach Verhandlung der Anlehensvorlage vorge- nommen werden. Referent Szell motivirte die Anlehensgeseß- vorlage. Koloman Tisza wollte das Anlehen nur unter der Be- dingung votiren, daß fünf Millionen zu Darlehen verwendet werden. Nach Tisza \prah Ghyszy:' er dankte Tisza für das ent- gegengebrahte Vextrauen, erklärte jedoh seinerseits, volles Ver- trauen in die Ministerkollegen zu seßen, daß sie beim Werke der Regelung des Staatshaushaltes Hand in Hand mit ihm vor- gehen werden. Tis a's Separatyotum könne er niht annehmen, weil direkte Staatshülfe selten zweckentsprehend sei. In Dester- reich sei nach der Erklärung des Finanz-Ministers troß der be- willigten Staatshülfe eine große Zahl von Unternehmungen theils in Konkurs, theils in Liquidation. | Die Nothlage fe Übrigens, wenn au besorgnißerregend, doch durhaus nicht fo allgemein, hauptsähhlih leide die obere Theiß-Gegend darunter. Der Staat gewähre seit Langem zahlreihe Nothstandsanlehen, die zum Theile seit 1856 ausstehen und vielleiht noch lange niht zurückbe- zahlt werden; auch die jüngst votirten Gclder für Darlehen seien noch niht aufgebrauht. Schließlih könnten aber 5 Millionen {hon darum nicht zu Darlehen bestimmt werden, weil der Staat über diese Summe gar niht verfügen könne, nahdem von dem zu votirenden Anlehen nur zeitweise je nah Bedarf die dringend nothwendigen Beträge aufgenommen werden fsollen und doch nit verlangt werden könne, daß die zu theuren Zinsen aufge- nommenen Gelder unbenügt liegen bleiben. Nachdem noch meh- rere Redner gesprochen, wurde bei der Abstimmung, wie bereits telegraphisch gemeldet, die Gesehvorlage mit großer Majorität angenommen und das Separatvotum abgelehnt. In der Spe- zialberathung wurde die Vorlage in der Textirung des Aus- \hufses angenommen.

Der Staate-Sekretär im Handels-Ministerium Edmund Ary ist gestern gestorben.

Das Subcomité des kirhenpolitishen Aus\chufss\ses hat in Sachen der Civilehe folgende Beschlüsse gefaßt: Wegen Einführung der obligatorishen Civilehe hat der Justiz-Minister bis spätestens Dezember 1874 den eherehtlihen Theil des Civil- geseßbuches vorzulegen. Die Civilehen werden vor den Gemeinde- vorständen, beziehentlih vor dem Bürgermeister und einem Notar oder dem Richter und einem Notar geschlossen. Der Richter ist für die Handlung, der Notar für die Handlung und die Ein- tragung verantwortlih, Der Stuhlrichter revidirt vierteljährig die Register, die alljährlih im Cöomitats-, beziehentlih im Stadt- archiv Prièrlent werdén. Die Civilehe und ihre im Civilgeseß- buche normirtén Rechtsfolgen find von Jedermann zu respektiren, doch- bleibt der kirhlihe Charakter der Konfessionsehe dadur in der. bisherigen Freiheit unberührt. Das Subcomité wird die Arbeiten nah den Feiertagen fortsezen. i

Schweiz. Bern, 20. Mai. (W. T. B.) Der gegen das von der Regierung erlassene Verbot, in den Ortschaften des Berner Iura katholishen Privatgottesdienst abzuhalten, er- hobéne Rekurs is vom Bundesrathe abgewiesen worden, weil diese Maßregel im Interesse der Ruhe und der Erhaltung der Ordnung verfügt sei.

Niederlande. - Haag, 20. Mai. (W. T. B.) Der König und die Königlichen Prinzen werden sih. morgen zum Empfange des Kaisers von Rußland nah Vlies- fingen begeben und denselben sodann bis Rosendaal begleiten ; von dort wird der Kaiser nah Brüssel reisen. ;

Belgien. Brüssel, 20. Mai. (W. T. B.) Der „Nord“ meldet gleihfalls, daß der Kaiser von Rußland am Freitag Mittag und zwar über Antwerpen hier eintreffen und nach kurzem Aufenthalte seine Reise nah Deutschland fortseßen werde. Der russishe Gesandte Graf Bludoff und wahrschein- lich auch der König der Belgier werden dem Kaiser zu seiner Bewillkommnung entgegenreisen.

_ Großbritaunien und Jriand. Ueber: die Festlihch- keiten zu Ehren Sr. Majestät des Kaisers von Ruß- land meldet die „A. A. C.“ weiter Folgendes :

London, 18. Mai. Nachdem der Kaiser von Rußland am Sonnabend von seinem Besuche bei der Kaiserin Eugenie in Chisle- hurst zurückgekehrt, nahm er beide Häuser des Parlamerits in Augen- schein, wo er vom Lordkanzler, dem Sprecher des Unterhauses und vielen Mitgliedern des Parlaments begrüßt wurde. Dann besuchte Se. Majestät die Westminster-Abtei, wo während seiner Anwesenheit die russische Volkshymne auf der großen Orgel gespielt wurde. Nach- mittags begab er sich in Begleitung des Groyfürsten Alexis und der E Prinzen und Prinzessinnen nach dem Krystailpalast in

ydenham.

‘Das Fest, welches dem russishen Monarchen im Krystallpalast gegen wurde, war eiù ganz besonders großartiges. Jn den prächtig ge\chmüdcktei Räumen des Glaspalastes hatten sich nahezu 30,000 Per- sonen eingefunden, um den Kaiser Alexander zu bewillkommnen, da dies die erste Gelegenheit war, bei welcher sich der Bee Gast öffentlih zeigte. Das dem Händelorchester gegenüber befind- lie große Theater war * zur Aufnahme der Kaiserlichen und Königlichen Gäste in eine Reihe geschmackvoll dekörirter Logen verwandelt worden, und Alles trug eir hohfestliches Gepräge. Um 4x Uhr Nächmittags begann unter der Leitung des Hrn. Manns ein großes Vokal- und Instrumental-Konzert 4 dem Händel-Orchester, ausgeführt von dem Palast-Orchester und elf Militärkapellen, - einem 4500 Mitglieder starken Sängerchor, sowie von dèn Damen Tietjens und Patey und den Herren Santley und Lloyd. Die Damen des Chors trugen zu Ehren des Hohen Gastes Schärpen in den rusfischen

arben, Um 6 Uhr, nachdem das Konzert“ halb beendet war,

am: der Kaiser in Begleitung des englischen Hofes im Palast an und wurde von der Menge enthusiastisch begrüßt. Er /schritt- am Arme der Prinzessin von Wales, nach allen Seiten hin i [as verneigend und E Dann folgten der Groß- ürst Alexis mit seiner Schwester, der Herzogin von Edinburg der Prinz von Wales, der Herzog von Edinbutgk, Prinz Teck, Graf

Gleichen ünd das he und englishe Gefolge, im Ganzen etwa 100 Personen. Der Kaiser und dêr Großfürst, fowie die englischen Prinzen trugen bürgerliche Tracht. Die kombinirten Kapellen spielten, als die Kaiserlichen und Königlichen Herrschaften den Palast durh- schritten, den Marsch des rusfischen Probraschenék-Regiments, und als der Kaiser sich unter dem anhaltenden Jubel der Anwesenden zwischen der Prinzessin von Wales und seiner Tochter in der Loge nieder- elassen hatte, stimmten Orchefter, Chor und Orgel die russische Volks- ymne an und exekutirten dieselbe in höchst wirkungsvoller Weise.

ann nahm das Konzert seinen erv, Nach demselben speisten die Allerhöchsten Herrschaften in dem Bankettsaale des Palastes, und bei einbrehender Dunkelheit wurde in den Gartenanlagen, begünstigt von s{önem, aber fkühlem Wetter ein großartiges Feuerwerk abgebrannt, Die Glanzpunkte desselben bildeten eine Beleuchtung des Parks und der Fontainen dur farbiges Feuer, sowie das Aufsteigen eines gelb und rothbrennenden riesigen doppelköpfigen Adlers mit der flammenden it „Alexander II., Befreier der Leibeigenen." Der Kaiser ließ sich am Schluß der ‘e aen Hru. Manns, den Dirigenten des Palastorchesters, vor- ellen.

Gestern, am Sonntage, wohnte der Kaiser mit dem Großfürsten Alexis und- der Herzogs von Edinburgh dem Gottesdienste in der griehischen Kapelle in Welbeck-street an, empfing im Buckingham- Palast den Grafen von Paris und begab sih dann in Begleitung seines Sohnes, seiner Tochter nnd seines Schwiegerfohnes zu einem Besuche der Königin nah Windsor. Er blieb daselbst zum Dejeuner und kehrte Nachmittags nach London zurück. Am Abend dinirte er mit dem Großfürsten und dem Herzog und, der Herzogin von Edin- burgh bei dém Prinzen und der Prinzessin von Wales im Familien-- kreise in deren Villa in Chiswick.

Am Freitag. nach dem Empfange des diplomatischen Corps, empfing der Kaiser den General Grafen Fleury, früheren französischen Botschafter am Hofe von St. Petersburg, in einer Privat-Audienz.

Heute stattete der Kaiser der City den versprochenen Besuch ab. Derselbe: gab Anlaß zu: einer großartigen öffentlihen Oyaation. Die Straßen auf der ganzen Tour vom Buckinghampalast nah der City waren mit Schaulustigen angefüllt. Von Temple-Bar, dem Citythore, bis zur Guildhall bildeten die Haustruppen Spalier. Lud- gate-Hill, Cannon-street und- die übrigeu Straßen der City ‘prangten im Flaggenschmucke und Temyle-Bar war in ejnen prächtigen Ehren- bogen verwandelt. Vor der Guildhall, in welcher die City-Festlichkeit vor sih ging, wac ein prahtvoller Emvfangs-Pavillon erbaut wor- den, dessen * Inneres die lebensgroßen Porträts des Kaisers Nicolaus und der Kaiserin Katharina von Nußländ \{chmück- ten; und von hohen venetianishen Masten, deroa Gipfel große schwarze russishe Adler zierten, wehten die russishen Far- ben. Die ehrwürdige Halle + selbe: hatte ihr bestes Festtagsgewand angelegt. Schon von zehn Uhr Morgens ah versammelten sich in den glänzenden Räumen die eingeladenen Gäste, 2500—3000 an der Zahl, darunter die Mitglieder des diplomatischen Corps, die Kabinets- Minister, die Spißen der Civil- und Militärbehörden, Mitglieder bei- der Häuser des Parlaments und andere Personen von Distinction. Der Kaiser, der die ganze Tour unter anhaltendem Glockengeläute und der enthusiastishen Begrüßung der unzähligen Volksmenge zurück- gelegt haite, erschien kurz nah 1 Uhr in Begleitung des Großsürsten Alexis, des Prinzen und der Prinzessin von Wales, des Herzogs und der Herzogin von Edinburgh und: der übrigen Prinzen des Königlichen Hauses, sowie seines zahlreihen und glänzenden Gefolges. Die ganze große Versammlung erhob sich zum Gruß, während die anwesenden Kapellen die russishe Volkshymne spielten. Nach den üblichen Be- grüßungen und Vorstellungen. verlas der Recorder eine Adresse an den Kaijer, die wie folgt lautet:

„Wir, der Lordmayor, Aldermen und Gemeinen ‘der City von London, im Gemeinderath versammelt, wünschen Ew. Kaiserlichen Majestät unsere aufcihtigen Glückwünsche anläßlih Jhrer Ankunft

. in diesem Lande als der Gast unserer geliebten Königin darzubringen,

und im Namen unuserer- Mitbürger und unserem eigenen statten wir Ew. Majestät achtungsvoll unseren warmen und verbindlihen Dank für den Besuch, mit dem Sie uns beute beehrt haben, ab.

Es gereichte jüngst allen Klassen der Unterthanen Jhrer Majestät zur ungetheilten Befriedigung, Ihre vielgeliebie Tochter in diesenr

ande 2u bewillfommnen und in. deren Vermählung mit Sr. König- lihen Hoheit dem Herzog von Edinburgh ein engere® Band zwischen den zwei Ländern zu erkennen, das, wir hoffen, auch das Glück des erlauchten neuvermählten Paares sichern wird. Wir anerkennen in Ew. Majestät den erleuchteten Herrscher eines großen Reiches, und wir wünschen besonders, uns bei dieser Gelegenheit der großen Wohl- that zu erinnern, die Sie Ihrem Volke dur die Abschaffung der Leibeigenschaft. irn ganzen Bereih Jhrer ungeheuren Besißungen er- wiesen, und durch welchen mit den Sympathien von Engländern so übereinstimmenden Akt die Freiheit und Glückseligkeit fo vieler Millionen von Unterthanen Jhrer Majestät erhöht wurden und die materielle Wohlfahrt Jhres Reiches gefördert worden ist. Wir hoffen inbrünstig, daß dieser Besuch Ew. Kaiserlichen Majestät dazu beitragen möge, die nun zwischen den zwei Ländern: bestehenden freundlichen Beziehungen zu be- festigen, und wir beten, daß Ew. Majestät lang am Leben erhalten werden möge, um über ein gedeihliches und einiges Volk zu herrschen.

-Der Lordmayÿor überreichte die Adresse alsdann dem Kaijer in einer werthvollen goldenen Kapsel, worauf Se. Majestät nachstehende Antwort mit bewegter Stimme verlas:

„Mein Lordmayor und Bürger von London! Jch bin Jhnen für Ihre gastfreundlihe und herzlihe Aufnahme sehr dankbar. Meiner- seits kann ih Sie versichern, daß ich ein festes Vertrauen in Jhre guten Gesinnungen gegen meine geliebte Tochter, deren häusliches Glück mir so sehr am Herzen liegt, seße. Jch hoffe, daß die liebe- volle Heimath, die sie in Ihrem Lande findet, mit dem Segen der göttlichen Vorsehung, die nua zwishen Rußland und Großbritannien hergestellten freundlihen Beziehungen für den gegenseitigen Vortheil, deren Wohlfahrt und Frieden, befestigen wird.“ ,

Die Festlichkeit fand ihren Abschluß mit einem Dejeuner.

Weitere telegraphische Nachrichten melden aus London, 20. Mai: Der Kaiser von Rußland und der Großfürsi Alexis haben sich heute nah Woolwich begeben, um die dorti- gen Militärarsenale in a zu nehmen. Gestern haben der Kaiser und der Großfürst an einem BalUfeste Theil ge- nommen, daß es zu Ghren in Buckingham-Palace gegeben wurde.

21. Mai. Der Kaiser von Rußland und der Großfürst Alexis haben gestern an einem vom Grafen Derby im auswär- tigen Amte gegebenen Banquet Theil genommen, bei welchem auch die Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen - Hauses, die Mitglieder des diplomatishen Corps und die sämmtlichen Minister gegenwärtig waren. Nah dem Diner fand großer Empfang bei der Gräfin Derby '

statt. Die Abreise des Kaijers von Rußland wird morgen Mit- »

tag um- 1 Uhr erfolgen. Lord Torrington und Lord Wellesley

werden denselben dis Vliessingen gelc iten.

if Die Königin wird morgen Abend nach. Balmoral ab-

reisen. ; : Bei der Parlamentswahl in Dudley ist das bis-

herige liberale Mitglied Sheridan, dessen Wahl angefochten wor-

den war, wiedergewählt worden.

Frankreih. Paris, 21. Mai. (W. T. B.) Der Herzog von Decazes is} gestern Abend von Versailles hier eingetroffen, um den Fürsten Hohenlohe zu empfangen.

Versailles, 20. Mai. (W. T. B.) Die National- versammlung genehmigte heute mit 384 gegen 231 Stimmen

- die Gesetvorlage, betreffend die Organisation des Religions-

dienstes in der Armee. Die Deputirten des Departements Saone und Loire haben einen Antrag auf Aufhebung des Belagerungs- zustandes in diesem Departement eingebracht.

Nusland und Poleu. St. Petersburg, 19. Mai. Am 18,, dem Geburtstage des Großfürstzn Nikolai Aléxandrowit\ch, ältesten Sohnes des Groß 1 Thron- folgers, fand in der Isaakskathedrale ein Dankgottesdiensst und um 9 Uhr in der Kathedrale der Peter-Pauls-Festung ebenfalls feierliher Gottesdienst statt, zu welchem das Kadrebataillon des Leib-Garde-Reserve-Regiments, dessen Chef der Großfürst Nikolai Alexandrowitsch is, ausrückte. j

Wie die‘ „Finanzrevue“ hört, beabfichtigt man auf die Fnitiative des Kriegs-Ministers die Richtung der Weichselbahn in der Weise abzuändern, daß sie von Warschau niht nach No- wogeorgiewsk, sondern zur Poststation Jablonna geht und dieser Ort durch eine 16 Wers lange Zweiglinie mit Nowogeorgiewsk verbunden wird. Die ganze Bahn würde sch dadurch um 25 Werst verlängern. |

Schweden und Norwegen. Stockholm, 16. Mai. Die Königin Sophia mit - ihrem Sohne, dem Herzog von Gotland, gedenkt übermorgen von Neuwied die Rückreise nach Schweden anzutreten.

Der Schluß des \{chwedischen Reichstages wird wahrscheinlih am Freitag stattfinden. ;

Amerika. New-York, 20. Mai. (W. T. B.) Der demokratishe Kandidat für den Gouverneurposten in Arkansas, Broo ks, hat jet auf seine Ansprüche verzichtet und is der republikanishe Gouverneur Baxter wieder in sein Amt installirt

worden. s

(Monatsgübersiht für April.) Der Prä- sident hat gegen den von beiden Häusern des Kon- gresses genehmigten Gesezentwurf zur Regulirung der Finanz- frage, nah welhem die Summe des umlaufenden Staatspa- piergeldes und der Noten der Nationalbankenum 90 Mil- lionen erhöht werden sollte, sein Veto eingelegt. In der bez treffenden Botschaft - an den Kongreß erklärt Präsident Grant, daß die in der Bill ausgesprochenen Theorien eine Ab- weihung von den wahren Grundsäßen der Finanzen, des Na- tionalinteresses, der nationalen Verpflihtung gegen die Gläubi- ger seien, und daß durh sie die vom Kongresse angenom- menen Garatien für . das Verhältniß der Banknoten zu dem geseglihen Zahlungsmittel des Landes verleßt worden wären. Der Präsident empfiehlt ferner ein #0 baldiges Wiederaufnehmen der E U Ee als es die Verhältnisse nur irgend gestatten, und bezieht fich auf die vielfachen, in dieser Beziehung von der Regierung gemachten Versprehungen. Als vorläufige Maßregel zur Errcihung dieses Zwecks schlägt der Präsident vor, die Staatseinnahmen derartig zu erhöhen, daß dur fie die laufenden Ausgaben gedeckt werden könnten. In der Sißzung vom 28. April kam im Senate die Frage zur Be- rathung, ob die betreffende Bill über das Veto des Präsidenten hinaus zum Gesetze zu erheben sci. Bei der Abstimmung wurden 34 Stimmen zu Gunsten dieses Vorschlags, 30 gegen denselben abgegeben. Da somit die fürderartige Fälle in der Konstitution vorge- \hriebene Majorität von zwei Drittel sämmtlicher abgegebenen Stimmen nit erreiht wurde, is die Bill definitiv verworfen. Im Repräsentantenhause wurde eine Bill passirt, nah welcher die bestehende Reserve der Nationalbanken zur Deckung ihres Notenumlaufs abgeschafft und die Höhe des Reservefonds von 15 bis 20 Prozent von dem Betrage der Depositen abhängig sein soll. Außerdem sollen die Banken verpflichtet sein, eine fünf Prozent ihrer umlaufenden Noten gleihkommende Summe in Staatspapiergeld in dem Schazamte der Vereinigten Staaten niederzulegen, welche Summe nur zur etwaigen Einlösung der Banknoten benußt werden darf. Man glaubt, daß diese Bill, sollte fie im Senate angenommen und damit eine allmähliche Verminderung des in Umlauf befindlihen Staatspapiergeldes verbunden werden, vom Präfidenten unterzeihnet werden dürfte.

Der Bericht der Kommission für Reform des Civildienstes ist dem Kongresse mit einer besonderen Botschaft am 18. April übermittelt worden. Präsident Grant enthält fich in derselben einer direkten Empfehlung der von der Kommission entworfenen Regeln bei Anstellung von Civilbeamten, \priht \fich aber zu Gunsten der bisher befolgten aus und empfiehlt dem Kongresse die Bewilligung der zu deren Aufrechterhaltung erforderlichen Ausgaben in derselben Höhe, wie im verflossenen Jahre. Von dem Ausschusse für die auswärtigen Angelegenheiten ist dem Repräsentantenhause der Entwurf einer Bill über die Er- werbung des amerikanishen Bürgerrechts durch Geburt, Verheirathung, Naturalifirung u. \. w., sowie über die Er- haltung bez. den Verlust desselben bei längerem Aufenthalte im Auslande zugegangen. In letzterer Beziehung ' ist in der Bill vorgeschrieben, - daß Bürger der Vereinigten Staaten, welche jevt oder künftig ihren Aufenthalt im Auslande nehmen, \ich innerhalb der ersten sechs Monate nah Erlangung eines Domi- zils, Minorenne innerhalb der ersten sechs Monate nah erlang- ter Majorität, bei der betreffenden Gesandtschaft der Vereinigten Staaten oder bei einem von dem Minister des Aeußeren zu be- stimmenden Konsulate registriren lassen müssen. Bürger, die sih zwei Jahre unter der Jurisdiktion einer fremden Macht auf-

halten, sollen als in dem betreffenden Lande domizilirt angesehen.

werden.

___8wischen Belgien und den Vereinigten Staaten is ein Aus- lieferungsvertrag ábgeshlossen worden. Es ist darin festgeseßt worden, daß derselbe -für die des Mordes und der Brandstiftung angeklagten Personen rückwirkende Geltung haben solle. Diese Bestimmung hat offenbar Bezug auf, den der Ausübung beider Verbrechen in Belgien beschuldigten, preußishen Unterthan Joseph Stupp, alias Karl Vogt, dessen Auslieferung die preußische Re- gierung vergeblih gefordert hatte.

Die vor Kurzem as Anordnung des Marine-Ministeriums zusammengetretene Ingenieurkommission, welhe unter dem Be- fehle des Commodore Ammon steht, hat sich nach Central- amerika begeben, um die im vergangenen Jahre von den Unter- [nang einein als geeignet bezeihneten Routen zur Her- stellung eines interozèanisdén Kanals zwischen dem atlantischen und stillen Meere näher zu untersuchen. . Als besonders vor- theilhaft waren von den betreffenden Expeditionen die Route

durch den See xon Nicaragua ünd die den Atratofluß entlang

führende bezeihnet worden. Die Kommission hat ihre Arbeiten mit der ersteren begonnen und wird nah Vollendung ihrer Auf- gabe dem Kongresse Bericht darüber abstatten, welche dér beiden von ihr für die vortheilhaftere gehalten wird. /

Für die Beobahtung des Venusdurhganges ist von der amerikanischen Regierung die Summe von 150,000 Dollars aus- gesezt worden. Für die amerikanishen Astronomen sind aht Stationen bestimmt worden, von denen vier auf der nördlichen, vier auf der \südlihen Hemisphäre gelegen find; auf „allen wird der vollständige Durchgang fichtbar sein. Für eine derselben ist die Macdonald-Insel bestimmt, wo au die Deutsche Regierung eine Station zu errichten beabsichtigt.

_ Die seit derr Beginne des laufenden Finanzjahres fast be- ftändig gedrückten Staatseinnahmen haben \ich in der lezteren

Zeit wieder günstiger zu gestalten begonnen. Im März haben die Einnahmen die Ausgaben um mehr als zwei Millio- nen Dollars übertroffen und eine entsprehende Abminde- rung der Staatsschuld gestattet. Lehtere belief sich am 1. April, aus\{ließlich der zu Gunsten der verschiedenen Pacific-Eisenbahnen ausgegebenen Obligationen. und abzüglih des im Schaßamte vorhandenen Bestandes an baarem Gelde, auf 2,152,690,728 Doll. 50 C. gegen 2,154,880,066 Doll. 96 C. am 1. März, hat mithin im März um 2,189,338 Dol. 46 C. abgenommen. Die Zunahme seit 1. Juli 1873, dem Be- inne des Finanzjahres, betrug am 1. April 4,872,014 Dollars. Am April wurden von Seiten der Regierung fünf Millionen Dollars in Gold verkauft, der Verkauf einer gleihen Summe ist von dem Finanz-Minister für den Monat Mai angeordnet worden. Ein Ankauf von Bundesobligationen fand nicht statt. Bei den Staat3wahlen in Connecticut hat die demokratische Partei den Sieg davongetragen. Der Gouverneur, sowie die übrigen von ihr aufgestellten Kandidaten wurden mit einer nicht unbedeutenden Majorität erwählt. Diese Partei verfügt jeßt auch über cine große Majorität in der Staatslegislatur und hat eine Stimme im Senate der Vereinigten Staaten gewonnen. Jn Rhode-Island wurde der von der republikanischen Partei auf- gestellte Kandidat zum Gouverneur gewählt, ein Gegenkandidat der demokratishen Partei war nicht aufgestellt worden. Die Wahlen zur Staatslegislatur daselbst finden im Juni statt. Bemerkenswerth sind die in der leßten Zeit immer häufiger hervortretenden Versuche, das Wahlkecht des Volks in Bezug auf die Beamten zu beschränken. In vielen Staaten sind bereits mehrfache Geseße in Betreff untergeordneter Staats- und

- Gemeindeämter in dieser Richtung erlassen worden; und neuer-

dings hat die Legislatur von Louisiana eine Bill pasfirt, wodur der Stadt New-Orleans das Recht, ihren Mayor und ihre Alder- men selbst zu wählen, genommen und dem Gouverneur die Er- nennung der gefammten städtishen Verwaltung übertragen werden soll.

Augenblicklih. herrshen in Arkansas ähnlihe Wirren, wie fie bereits im vergangenen Jahre in Louisiana und später in Texas ausgebrochen waren. Gegen den dort im Jahre 1872, wie behauptet wird durch Fälshung der Stimmzettel, erwählten Gouverneur Baxter wurde von dem Bezirks- gerihte zu Pulaski eine Entscheidung zu Gunsten des demokratishen Kandidaten Brooks erlangt, und sehte \ih dieser auf Grund - eines richterlichen Exmissionsbefehls mit Ge- walt in den Besiß des Gouverneuramts und mehrerer Waffen- depots des Staates. Barter crklärte dies Verfahren seines Geg- ners für einen Bruch dés öffentlichen Friedens und traf Anstalten, sih mit Waffengewalt wieder in. Besiß der Macht zu seen. Zu gleicher Zeit wurde der Fortgang des Streites vor den Gerichien eingeleitet. Ein an den Präsidenten Grant gerichtetes Gesuch beider Gouverneure um Unterstühung is abgelchnt worden, weil eine \chließliche Entscheidung der Staatsgerichte noh nicht. vorliege, do wurden die Telegraphenlinien zur Sicherstellung der Freiheit des Verkehrs auf Befehl des kommandirenden Generals dur die Truppen der Vereinigten Staaten mit Beschlag belegt. Nachdem es be- reits am 20. April zu einem blutigen Zusammenstoße zwischen beiden Parteien gekommen war, fand neuerdings wieder ein Kon- flift bei New-Gascony am Red-River, 50 Meilen unterhalb von Little-Rock ftatt, bei welchem die Anhänger Brooks von denen Baxters geshlagen wurden.

Durch das Austreten des Mississippi und seiner Nebenflüsse sind in Louisiana große Verwüstungen angerihtet worden. Mehr als 1409 Quadratmeilen wurden übershwemmt, und ist die Buumwollenernte auf einer Flähe von 250,000 Acres, die Maisernte auf 100,000, die- ZuXerernte auf mehr als 500,000 Acres vollständig vernichtet worden. Der: Kongreß genehmigte eine Bill zur Unterstühung der Nothleidenden durch Lieferung von Lebensmitteln und Kleidungsstücken “aus den Armee- vorräthen.

Nach den bei dem Aerbau-Departement in Washington eingegangenen Berichten sind die Ernteaussichten fast in allen Staaten, namentlih aber im Süden, außerordentlih günstige. Nur in einzelnen Theilen von New-York und Pennsglvanien haben die Wintersaaten seit Mitte März in Folge der Witterung gelitten. Aus Wisconsin, Minnesota und Iowa lauten die Be- rihte besser als gewöhnli. In Californien; wo die ungewöhn- lih feuhte Witterung Schaden angerichtet hat, rechnet man troß- dem noch auf éine Ernte von 40 Millionen Bushel Weizen.

In Pennsylvanien, wo die Eisen-Industrie in Folge der Finanzlage des Landes bereits \{chwer leidet und die Hälfte der

großen Etablissements die Arbeit eingestellt hat, so daß sich {hon

jezt 15,000 Eisenarbeiter in diesem Staate außer Beschäftigung finden, verlangen die noch thätigen Arbeiter dennoch eine Er- höhung ihres Lohnes und drohen mit Einstellung der Arbeit, falls ihrem Verlangen niht nachgekommen werden sollte. Da die Arbeitgeber entshlofsen find, » niht nachzugeben, so dürfte demnächst die Thätigkeit in dieser Branche vollständig zum Still- stand kommen. Ein Ende März ausgebrochener Strike der Erie- Eisenbahnbeamten, welhe am 27. März sämmtliche Lokomotiven außer Betrieb stellten, wurde dur die Aufbietung von Militär in kurzer Zeit beigelegt. : Im März landeten im Hafen von New-York 6025 Ein- wanderer, unter denen fih 2358 Deutsche befanden, gegen 13,364, von deten 6473 Deutsche waren, in demselben Monat 1873. Während des ersten Quartals 1874 belief sich die gesammte Ein- wanderung auf 12,554 Personen, worunter 5107 Deutsche, gegen 26,102 Personen, mit 11,776 Deutschen in dem ersten Quartale dés Vorjahres. Die Einwanderung hat mithin im März um 7339, die deutsche \peziell um 4115 Personen, im ersten Quartal 1874 aber um 13,548, die deutsche speziel um 6669 Personen, gegen die entsprechenden Perioden des Vorjahres abgenommen.

Der mexikanische Kongreß trat, nah seiner Vertagung, am 1. April wieder zusammen. Die Botschaft des Präfidenten wurde im Allgemeinen günstig aufgenommen, nur sprechen \ih die Organe der Opposition gegen die vorgeshlagene Erhöhung des Zolltarifs aus. Zur Unterdrückung der Raubzüge der In- dianer empfiehlt der Präsident die Errihtung von Militär-Kolo- nien. Von den Amendements zur Verfassung, mit denen fih der Kongreß beschäftigt, wurde das die Errichtung eines Senats betreffende, in dem jeder Staat durch zwei Mitglieder vertreten sein soll, angenommen. Die der Regierung ertheilten Vollmach- ten zur Unterdrückung des Menschenraubes wurden auf ein Jahr verlängert. Der Ausgabeetat der Regierung für das [lau- fende Jahr beläuft fich auf 23 Millionen ollars.

Die mexikanishe Regierung hat der Regierung der Ver- einigten Staaten, welche ihre Vermittelung zur Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen zwischen Mexiko und Fraukreih an- geboten hatte, erwidert, daß fie cine derartige Vermittelung sehr gern annehmen würde, sobald Frankreih direkt den Wunsch

N die Beziehungen zu Mexiko wieder anknüpfen zu wollen.

Das Land if ruhig und is der revolutionäre Aufstand in Chiagas unterdrückt worden. :

Centralamerika. In den verschiedenen Republite:1 herrscht verhältnißmäßige Ruhe. In Costa-Rica nahm Präsident Guardia, nach Unterdrückung einer gegen ihn angestifteten Ver- \{chwörung, die Präsidentshaft wieder in Besiß. Präsident Guardia, welher wieder die Regierung übernommen, hat mit Kolumbien einen Handels-, Grenz-, Konsular- und Postvertrag geshlossen.-{Im Hafen Vuntarenas (Costa-Rica) befand fich zur Zeit die italienishe Fregatte „Garibaldi“ mit dem Herzoge von Genua am Bord. In Honduras sollte die Wahl eines verfassungsmäßigen Präsidenten vorgenommen werden. Der frühere Präsident Arias wurde noch immer in Cunayagua gefangen gehalten. General Barrios, der Präfident von Guatemala, hat eine Reise durch den Staat angetreten, um fich persöônlich von den etwa nothwendigen Reformen zu überzeugen. Sämmilihe Klöster im Bereiche dieser Re- publik find aufgehoben und das klöfterlihe Gelübde für nichtig erklärt worden. Auch wurde es den Geistlihen verboten, geistlihe Kleidung zu tragen, außer wenn fie amtlich beschäftigt find. In einem Staatsvertrage zwischen Guatemala und Nica- ragua- find die diplomatishen Agenten und Konsuln des einen oder anderen Landes zum Schutze der beiderseitigen Angehörigen im Auslande verpflichtet worden. Die Zusammenkunft der Prä-

“fidenten der verschiedenen centralamerikanishen Republiken follte

am 10. März in Guatemala stattfinden.

Vereinigte Staaten von Columbien. Bei der Prü- fung des Ergebnisses der Präfidentenwahl durch den Kongreß wurde festgestellt, daß sechs Staaten eine Majorität für Santiago Perez, drei eine für Julian Trujillo abgegeben hatten. Ersterer wurde somit zum Nachfolger Murillo's als Präfident erklärt und trat am 1. April sein neues Amt an. Séin Kabinet be- steht aus Dr. Aquiles Parra, Finanz-Minister, Dr. Pablo Aro- semena, Minister des In:.ern und Aeußern, Miguel Camacho Roedan, Finanz-Minister, und Venanico Ruedo, Kriegs-Minister.

Adolfo Ballivian, Präsident von Bolivia, ifff am 14. Februar nach langem Krankenlager gestorben. An seine Stelle is vorläufig Dr. Thomas Frias, der Präsident des Kon- gresses, getreten, dem Ballivian {hon vor seinem Tode die Regierung übertragen hatte. Die Regierung hat ihren Ingenieuren den Auftrag gegeben, den 23. Grad südlicher Breite als die Grenzlinie zwishen Bolivia und Chili abzustecken.

Peru. Am 16. März wurde in Peru abermals ein revolutionärer Aufstand versucht, indessen rechtzeitig unterdrückt. Das dem Präfident Pardo eingereihte Entlafssungsgesuh der Minister der Justiz und des Krieges wurde von demselben ab- \chläglich beschieden. Die Guanolager auf den Lobos - Inseln sind auf Befehl des Präfidenten durch den Finanz-Minister für Schiffe der nationalen Agenten zur Ausfuhr von Guano ge- öffnet worden.

Chili. Die argentinishe Regierung hat dem chilenishen Konsul in Mendoza das Exequatur entzogen, angebli, weil fih derselbe an einzelnen daselbst vorgefallenen Unruhen betheiligt hatte. Dieser Vorfall hat in Chili große Aufregung hervor- gerufen, ebenso wie die Nachricht, daß der argentinishe Kriegs- dampfer „Chubut“ in den Santa-Cruz Fluß eingelaufen und auf dem linfen Ufer, welhes Chili beansprucht, ein Fort erbaut worden sei, doch hoffe man noch immer, daß es möglich sein werde, die zwischen beiden Staaten entstandenen Differenzen auf gütlichem Wege beizulegen.

Argentinien. Die Präsidentenwahl hat am 12. April ihren Anfang genommen. Dr. Alfina ist zu Gunsten des Dr. Avellanada zurückgetreten. Es stehen mithin nur Leßterer und der General Mitre - einander gegenüber. Die Beziehungen der argentinishen Republik zu den Nachbarstaaten find durh- weg unbefriedigender Art. Außer den obenerwähnten Differen- zen mit Chili sind die Beziéhungen zu Uruguay keineswegs freundlihe. Nachdem Präsident Ellauri Montevideo gegen Buenos Ayres, in Folge der in leßterer Stadt herrshenden Choleraepidemie, geschlossen, aber den Uruguay offen gelassen hatte, {loß Präsident Sarmiento diesen Fluß gegen alle Häfen der orientalishen Republik. Die Schwierigkeiten sind zwar A Aufhebung der Quarantäne wieder beseitigt worden, do herrscht in Montevideo noch immer große Aufregung. Para- guay ist noch immer nicht geneigt, in die von der argentinischen Republik geforderte Gebietsabtretung zu willigen, und auch das Verhältniß zu Brafilien gestaltet sich von Tage zu Tage s{chwie- riger. Es ist daher niht überraschend, wenn in der argentini- hen Republik friegerishe Vorbereitungen getroffen werden: die Insel Martin Garcia, der Schlüssel für die Flußschiffahrt, ift mit \chweren Geschüßen versehen worden, und beabsihtigt die Regie- rung, eine Armee oon 60,000 Mann zu \chaffen, welche in ak- tive, Reserve-Armee und Landsturm zerfallen soll. Alle Pro- vinzen sollen 4 Prozent ihrer Bevölkerung stellen. Die aktive Armee sfoll aus den Altersklassen von 17 bis 25 Jahren, - die Reservearmee aus denen von 25 bis 40 Zahren, der Landsturm aus allen denen bestehen, welhe im Stande find, Waffen zu tragen oder überhaupt fähig sind, dem Lande Dienste zu leisten. Zur Uebernahme der in England befiellten Panzerschiffe und Kanonenboote soll demnähst eine von der Regierung ernannte Kommission von Marine-Öffizieren nah Europa abgehen.

Brasilien. Das von dem obersten Gerichtshofe aus- gesprochene, auf 4 Jahre Zuchthaus lautende Urtheil gegen den Bischof von Olinda, ist, da der Bischof keiné Appellation einlegte, am 11. April rechtskräftig geworders Der Kaiser hat jedo die Zuchthaussträfe in einfahe Haft umgewandelt, und ist dem Bi- \chof die Festung Santa Cruz im Hafen von Rio als Aufent- halt angewiesen worden. Bis die zu seiner Aufnahme bestimmte Wohnung hergerich1et sein wird, ist derselbe in dem Fort San Jago internirt worden. Der oberste Gerichtshof hat die Verhaf- tung des Bischofs von Para, Don Antonio de Marcedo Costa, wegen Verweigerung der von der Regierung geförderten Aufhe- bung der von ihm über die Freimaurer verhängten Exkommnni- kation beshlossen. Der Erzbischof von Bahia und der Bischof von Rio haben offen gegen das Vorgehen der L R pro- testirt und mit der Exkommunikation der Regierung gedroht, ' so daß lehtere sih veranlaßt schen dürfte, auch gegen diese“ beiden Prälaten gerihtlich vorzugehen. Eine Folge des immer größere Ausdehnung annehmenden Kirchenstreites is die Entstehung einer niht unbeträhtlihen Partei gewesen, welche die Bildung einer brasilianischen Nationalkirhe anstrebt. A

Dex neue Zolltarif wird demnächst publizirt werden und am 1. Juli in Kraft treten. Die dadur eintretende Reduktion der Zölle auf hohbesteuerte Waaren is namentli für die Provinz Rio Grande do Sul von Bedeutung, wo bisher ein lebhafter

- Schmuggelhandel von Uruguay aus betrieben wurde, dem man

auf diese Weise ein Ende zu machen hofft. _ Der mit Spanien abgeschlossene Postvertrag is am 1. April, der mit Deutschlärtd abgeschlofsene am 1. Mai in Kraft getreten.