1874 / 136 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Jun 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Das Reichskanzler-Amt hat demnach den Bund esrath

t: i Berufung einer aus Medizinalbeamten, Aerzten und Apothekern zu bildenden Kommission behufs der gutachtlichen Aeußerung über das in der Anlage befindlihe Programm zu beschließen. L ,

Das Programm für die Berathung der Grund- \fägze für einheitlihe Ordnung des Apothekenwesens lautet:

Hauptfragen. A. Ist die Errihtung von Apotheken „au fernerhin von der Ertheilung einer obrigkeitlihen Kon: ession abhängig zu machen ? oder L

B, Jst der. selbständige Betrieb des Apothekergewerbes, unter Aufrechterhaltung der staatlichen Beaufsichtigung desselben, approbirten Apothekern für eigene oder fremde Rechnung an jedem Orte des Bun- desgebiets zu gestatten ? 7

A. Im Falle ¿der Bejahung der Frage zu A. würden folgende weitere Fragen zu erörtern sein: : j es

1) Ist ein Bedürfniß vorhanden, die Bestimmungen in den 88. 7 und 9 der Gewerbe-Ordnung auf die mit Apotheken roh verbundenen ausschließlichen Gewerbeberehtigungen, auf die Berechtigungen zur Er- theilung von Apothekenkonzessionen und auf die Abgaben vom Betriebe des Apothekergewerbes auszudehnen ? “i. ;

2) Soll die Ertheilung neuer Apothekenkonzessionen von der Be- völkerungszahl abhängig gemacht und, bejahenden Falls, soll neben der Zahl der Bevölkerung auch die Dichtigkeit der leßteren in Rechnung gezogen werden ? Welche Z"hl oder welche Zahlen follen genügen, um das Bedürfniß nah Errichtung einer neuen Apotheke zu begründen, bezw. die Lebensfähigkeit einer bestehenden Apotheke für gesichert zu erachten ? : E é

3) Ist bei der Beurtbeilung der Bedürfnißfrage der Rüefsicht auf die Entfernung der dem Orte, für welchen die Konzession nachgesucht wird, nächstgelegenen Apotheke ein entscheidender Einfluß einzuräumen ? Im Fall der Bejahung, in welcher Weise? :

4) Soll in der Konzession die Stelle, an welcher die Apotheke zu errichten is, mit der Wirküng bestimmt werden, daß jede ohne Ge- nehmigung der Behörde vorgenommene Verlegung -an eine andere Stelle den Verlust der Konzession ur Folge hat ? l

5) Soll die Behörde verpflichtet sein, in jedem Falle die Kon- zession zu ertheilen, in welhem die Ertheilung zulässig und ein quali- fizirier Bewerber vorhanden ist ? /

6) Ist bei der Bewerbung mehrerer approbirtet Apotheker um Verleihung der Konzession zur Errichtung einer neuen potheke das Vorrecht unter denselbèn a. nah dem früheren Zeitpunkt der Bewer- burg, oder b. na der durch, die Erlangung der Approbation bezeich- neten Anziennetät, im Falle der gleiczeitigen Bewerbung aber oder der gleichen Anziennetät, c. nah dem Lebensalter oder d. nah dem Ausfall der Approbationsprüfung zu bestimmen? T

7). Sind Apothekenbesißer, die dem Staate ihre auf Privilegium oder Konzéssion beruhende Apothekenberechtigung zur Verfügung stellen, zu gleihen Rechten mit sonstigen Bewerbern zur Bewerbung zuzu- lassen? i i 8) Haben Bewerber, denen früher bereits eine Konzession ertheilt worden, cder die \hon eine Apotheke besessen oder solche, die nach Erlangung der Approbation einem anderen Lebensberuf sih gewidmet haben, den übrigen Bewerbern nahzustehen?

9) Ist großen industriellen Jnstituten (Hütten- und Bergwerken, Fabriken mit bedeutender Arbeiterbevölkerung 2c.) die Errichtung einer eigenen Apotheke und deren Betrieb- durch einen approbirten Apotheker für Rechnung des Instituts (zum aus\cließlihen Zweck der Befriedi-

gung des Arzneibedürfnisses der ‘dem Justitut zugehörigen Familien) ohne weitere Prüfung und ohne Rüksicht auf benachbarte Apotheken zu gestatten ? : j

10) Sind die aus der Beantwortung der Fragen zu 6 bis 8 ih ergebenden Normen - in gleicher Art bei der Konkurrenz mehrerer. Be- werber um die Ertheilung der Konzession zur Uebernahme einer {hon bestehenden Apotheke, im Falle des Tedes des E oder des Ver-

zichts desselben auf die fernere Ausübung des ‘Konzcssionsrechts, zur Anwendung zu bringen? oder: ( i

11) Jst -vorläufig noch bis zu einem gewissen Zeitpunkt (etw 31. Dezember 1885) den Besißern derjenigen Apotheken, welche in A aufs gegenwärtig niht mehr in erster Hand sind (bezw. den

rben solcher Besißer) die Bestimmung bezw. Präsentation des Ueber- nehmérs pl Grund selbständiger Vereinbarung mit dem leßteren ein- uräumen G 12) An welche Frist ist der Verlust der Rechte aus der er- Ga Been zu knüpfen, falls dieselben demnächst niht ausgeübt werden

B. Jm Falle der Bejahung der Frage zu B. würde die folgende Frage zu erörtern sein: :

Genügt die Ausdehnung des unter A. 1 bezeichneten Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung auf das Apothekergewerbe, oder welcher anderen Bestimmungen bedarf es? | /

C. Folgende weitere Fragen werden zu erörtern sein, es mag die Frage zu A. oder diè Fräge zu B. bejahet werden:

1) Ist der Begiun des selbständigen Betriebes des Apotheker- gewerbes, außer von dem Nachweise der persönlichen Befähigung, be? zichungsweise der Konzession, auch von einer vorgängigen Prüfung der Geschäfts- und Betriebsräume durch die Behörde abhängig zu machen?

2) Sind allgemeine Vorschriften zu -erlassen

a, über die räumlihe Einrichtung der Apotheken und die Vor- richtungen und Werkzeuge, welche in denselben vorhanden sein müssen,

b. über die BVeschäffenheit und Zubereitung der in den Apotheken zu vertreibenden Heilmittel, :

c. über die Aufbewahrung und Verabfolgung von giftigen oder stark wirkenden Apothekerwaären, ;

d, über diejenigen Ee und Arzneimittel, welche in einer a I ad edürfniß entsprehenden Menge jederzeit bereit zu hal- 4 en nnd

3) Ist den Ayo!hekern das Feilhalten von Geheimmitteln über-

Jort: und von anderen Gegenständen, . als den vorstehend unter 2b. ezeichneten Heilmitteln, und zwar überhaupt oder nur in“ den Ge-

\{chäftsräumen der Apotheke zu untersagen? /

4) In- welchen Perioden soll eine amtliche Revision der Apotheken stattfinden, wie jollen die Revisionsbehörden zusammengeseßt sein, und welche Aufgaben soll die Revision haben? E

9) Wie soll verfahren werden, wenn bei der Revision verfälfchte oder verdorbene Arzneistoffe oder Arzneimittel sih vorfinden?

6) Soll Aerzten (§. 29 der Gewerbe-Ordnung), welche in Orlen wohnen, wo eine Apotheke sih nit befindet, gestattet sein, den ärzt- lich von ihnen behandelten Einwohnern des Orts die erforderlichen Arzneimittel zu liefern?

Das IJustiz-Ministerial-Blatt hat in den Nummern. 19 bis 23 eine Folge von Aufsäßen über das Recht der vckter- [ihen Gewalt in Preußen, vom Geheimen Justizrath Dr. Stölzel, veröffentliht. Nachdem der Verfasser im ersten Ab- \nitte alle Einzelfragen der Materie nach römischem, gemeinem, dem Allgemeinen Landrecht, dem Code und vielen Partikular- reten erörtert hat, beurtheilt er im zweiten Abschnitt das gel- tende Recht im Hinblick auf eine künftige Gesehgebung. . Hierbei wird konstatirt, was der Geséßgeber ain übersehen dürfe, daß fih bei der väterlihen Gewalt mehr als bei sonstigen Rehts- inftituten unseres heutigen Rechtslebens ein entschiedenes Zurück- weichen der grundlegenden römischen Prinzipien und ein enischie- dener Sieg der deutshen Anschauung. nahweisen läßt, welche die väterliche Gewalt durhch die elterlihe (väterlihe) Vormund- \haft und das ehelihe Güterrecht erseßen. : j

Schon im Rechte. det es Kaiserzeit war die „patria

téstas‘ ihrem Namen und theilweise auch der Sache nah eine istorishe Reminiscenz: der Namen beruhte darauf, daß man in alter Zeit, wie dem Herrn übér den Sllaven, \o_ dem Vater

über das Kind und zwar über dessen Person, eine Herrschaft zuschrieb, welhe die Zeit der klassishen Jurisprudenz bereits niht mehr kannte, und in der Sache hatte die fort und fort um fih greifende Lehre von den Pekulien der patria potestas ihre Hauptstüße, nämli das Prinzip der unitas personae, {hon vor Ueberführung des römifchen Rechtes nah Deutschland \o sehr entzogen, daß in Wahrheit uns nur Trümmer der römischen patria potestas überliefert sind. - An diesen Trümmern fuhr zu- nächst- die gemeinrechtlihe Praxis fort, das Zerstörungswerk aus- zuübenz sie drängte das Prinzip der Personeneinheit und das Pekulienreht fast gänzlih zurück, oder wohl besser gesagt, sie verweigerte in diesen Richtungen dem römischen Rechte den Ein- laß. Partikulargeseze haben in den gemeinrehtlihen Landes- theilen nah dieser Richtung hin wenig eingegriffen; um \#o klarer ift es, daß die Fernhaltung des röômishen Rechtes auf den nohch im Volksbewußtsein fortwirkenden Einflüssen altdeutshen Rechtes bafirt. f Noch deutlicher als der Stand von Gesehgebung und Praxis in den Landestheilen des gemeinen Rechtes lassen das Preußische Landreht und der Code erkennen, daß die väterliche Gewalt ein. abgestorbenes oder wenigstens absterbendes Institut ist. Das Landrecht hat zwar eigenthümlicherweise einen Ab- schnitt, der von „Aufhebung der väterlihen Gewalt“ handelt (11. 2, 88. 210—270), aber es fehlt ein Abschnitt über die Begründung der väterlihen Gewalt und was die Haupt- sache ist über deren Inhalt, so daß mit Grund Zweifel auf- geworfen ‘werden können, welche Rechte Ausfluß der väterlichen Gewalt nah Landrecht seien, und welche Entstehungsgründe außer selbstverständlih" der ehelihen Geburt das Landrecht anerkenne. Es kann daher kaum Wunder nehmen, wenn von Einzelnen die Existenz einer väterlihen Gewalt im Landrechte geradezu geleugnet wird. Im Code tritt selbst der Name der väterlichen Gewalt im Geseßestext nirgends auf, lediglih in der Ueberschrift des 9. Titels ersten Buchs („de la puissance paternelle“) ift er sonderbarerweise konservirt wörden.

Der Verfasser kommt zu dem Schluß, daß eine künftige Geseß- gebung die „väterlihe Gewalt“ gänzli bei Seite zu lassen und durch eine „väterlihe (oder elterliche) Vormundschaft“ zu er- seßen habe. Die Vormundschaft würde sich dann naturgemäß scheiden in eine geseßliche und eine obrigkeitlihe. ‘Hinsichtlih der gesehlihen wäre zu erwägen, ob fie nicht neben dem Vater eventuell der Mutter zu übertragen sei. Erfahrungsgemäß habe diese Einrichtung, wo sie partikularrehtlih bestehe, zu keinerlei Schädigung der Bevormundeten geführt, und sie {ließe eine sehr wünschenswerthe Entlastung des Staates in sih, auch ent- \preche sie dem jeyigen Kulturstande wohl mchr, als die Be- schränkung der Mutter im Gegensaze zum Vater. Ein Kind stände hiernah an erster Stelle unter dem Mundium des Vaters (des leiblihen oder des Adoptivvaters), an zweiter unter dem Mundium der Mutter (der leiblihen oder der Adoptivmutter), an dritter unter dem Mundium eines von Obrigkeitswegen er- nannten Ersaÿmannes. Um erschöpfend die Rechte des Vaters und der Mutter am Kindesvermögen bestimmen zu können, müßte eine Regulirung des ehelichen Güterrechts vorausgehen, welche kaum für so schwierig zu halten sei, als sie in der Regel gehalten werde. Man fürchte die außerordentliche Rechtsver- \chiedenheit und das Einschneiden in altbegründete Verhältnisse, aber man berücksfichtige nicht die fast überall herrshende Un- ksarheit des--angeblih bestehenden Rechts, welche zweifellos die Aufnahme eites klaren und cinfachen. Rechtes erleichtere. In einem ähnlihèn Sinne erklären die Appellationsgerihte zu Wiesbaden, Ehrenbreitstein, sowie das Kreisgericht zu Fulda eine gescßlihe Regelung des Rechtes der väterlihen Gewalt ver- bunden mit Regelung des Familienrechts überhaupt oder roenigstens des Vormundschafts- und ehelichen Güterrehts für erwüus{ht.

In. wie erheblihem Maße der Gebrau der Korre- \pondenzkarten zunimmt, ergiebt ù. A. die Thatsache, daß nah der neuesten Statistik die Anzahl der im Reichspostgebiete täglih zur Versendung kommenden Posikarten. gegenwärtig bereits über 100,000 Stü beträgt. Im vorigen Jahre belief fich dieselbe auf: 60,000 Stück täglih. Die aus diesem Verkehrs- zweige resultirende Jahreseinnahme beträgt 600,000 Thaler.

Der Kaiserlih Deutsche Botschafter Frhr. von Werther ist von München hier eingetroffen.

Der General-Major und Kommandant von Wittenberg von Zedtwißz hat sich dorthin zurückbegeben.

Der Kapitän zur See Ulffers von der Kaiserlihen Marine hat sich nach Wilhelmshaven begeben. :

Der Hauptmann im Fürstlih rumänischen Generalstabe, Romulus Maghieru is} zur Dienstleistung beim General- stabe von hier zum X. Armee-Corps kommandirt worden.

Düsseldorf, 10. Juni. Die 9. Sihung des 22. Rhei- nischen Provinzial-Landtages wurde gestern abgehalten.

Nach Eintritt in die Tagesordnung beschloß derselbe, das Gesuch der Gemeinde Malstatt „Burbach Roßhütte“ um Auf- nahme in den Stand der Städte bei des Kaisers und Königs Majestät zu befürworten, ferner der Provinzial-Blinden-Anstalt zu Düren das im dieser Stadt: auf dem Irren-Anstalts-Bau- terrain vorhandene, früher zur Einrihtung einer Jrren- heil- und Pflege-Anfstalt in Ausficht genommene Gebäude unter bestimmten Bedingungen zu überweisen und das alte Blinden- Anstaltsareal zu veräußern.

Hierauf wurde in die Revision des Tarifs für die Erstat- tungsforderungen der Armen - Verbände vom 21. August 1871 eingetreten, und wurden bestimmte Vorschläge zur Abänderung des Tarifs ‘zur Mittheilung an den Herrn Landtags - Kommissa- rius aufgestellt.

Demnächst fanden die Ergänzungswahlen der Bezirksf\traßen- Kommissarien und deren Stellvertreter für den Regierungsbezirk Aachen, für den links- und rech:srheinishen Theil des Regie- rungsbezirks Côln und den rechtsrheinishen Theil des Regie- rungsbezirks Düsseldorf statt. Die Verwendungspläne für den ostrheinischen E der Regierungs- bezirke Coblenz und Düsseldorf wurden sodann genehmigt und den Gemeinden Haan und Ellsheid zum Bau der Straße vom Dorfe Haan nah dem Bahnhofe Haan eine Beihülfe von 3000 Thalern aus dem ostrheinishen Bezirksstraßenfonds des Regie- rungsbezirks Düsseldorf bewilligt. Für die Taubstummen-An- stalten der Provinz wurden die geforderten Kredite eröffnet und beschlossen, die Anftalt ‘in Moers eingehen zu lassen, sobald der Neubau oder die Erweiterung der Anstalt zu Neuwied, wofür fin Fe von 15,000 Thalern bewilligt wurde, vollendet

ein wird. i

Der Antrag des Vereins für die Beförderung des Taub- ftummen-Unterrihts zu Aachen auf eine Erhöhung des seitheri- en Zuschusses der Provinz wurde abgelehnt, hierauf der Etat ür die Taubstummen - Anstalten der Provinz pro 1874/76 fest- gestellt, die Rehnungen derselben pro 1870/72 für erledigt er- flärt, der Etatsentwurf für die Provinzial-Hebammen-Lehran- stalt zu Cöln pro 1874/76 genehmigt, die Aufnahme einer An- leihe für deren Erweiterungsbau beshlossen und bestimmt, daß der Regierungsbezirk Trier und die fieben Coblenzer Kreise des früheren Verba1.des Trier zu den Bau- und Einrichtungskosten mit herangezogen werden sollen.

Der Landtag stellte im ferneren Gange der Verhandlungen die Bestimmungen über die Orgonisation derselben Anstalt und die allgemeinen Grundlagen ihres Etats fest und beschloß, daß die von dem früheren Landtage gewählte Kommission behufs Aus- gleihung der Kriegsleistungen nochmals Schritte thun solle, um eine vollständige Erstattung aller dieser Leistungen zu er- langen, und daß fernerhin nicht mehr eine Ausgleihung inner- halb der Kreise und Gemeinden zu erfolgen habe, sondern diese Last als eine Last des Gesammtistaates angesehen werde.

Bayern. München, 9. Iuni. Der Bericht des Finanzaus\chus\es der Kammer der Abgeordneten über den Voranschlag der Staatsausgaben auf den Etat des Finanz- Miñisteriums is} heute ausgegeben worden. Der Aus\{chuß beantragt, die ständigen Gehalte des Staats-Ministeriums der Finanzen von 78,650 Fl. auf 81,050 Fl. zu erhöhen wegen der unabweisbaren Nothwendigkeit eines weiteren Referenten 1m Finanz-Ministerium, da diesem mehr als einem anderen Ressort neue und wihtige Aufgaben geworden seien und zu denselben unter Anderen die seit langer Zeit geforderte nunmehr höchst dringlihe Reform der Steuergeseße gehöre, deren legislatorische

Vorarbeiten nah der bestimmten Erklärung der Königlichen -

Staatsregierung ungesäumt begonnen werden. Die Einbrin- gung des Antrages des Abgeordneten Dr. Gerstner, die ôrganische Umgestaltung des obersten Rechnungshofes betreffend, in der Kammer hielt der Aus\{huß für niht geboten, da die Königliche Staatsregierung bestimmt erklärte, daß in Folge des über diesen Gegenstand gefaßten gleihlautenden Beschlusses beider Kammern in der vorigen Budgetperiode ein Gesehentwurf des angeregten Betreffs in Ausarbeitung begriffen sei. Der all- gemeine Etat {ließt ab mit: 1,135,688 Fl. (Regierungs- postulat: 1,100,296 Fl.), Katasterbureau:. 220,269 Fl. (Re- gierungspostulat: 198,350 Fl.), Landbauü-Ausgaben: 36,000 Fl.

Sachsen. Dresden, 11. Juni. (Dr. I.) In der heutigen Sizung der Ersten Kammer, welcher als Vertreter der Regierung die Staats-Minister v. Fabrice „und v. Nostiy-

Wallwiß, sowie Geheimer Kriegsrath Mann beiwohnten, berichtete

zunächst Sekretär Löhr über zwei von der Zweiten Kammer zu dem Dekrete über die Verlängerung des Landtags zu den dies- seitigen Beschlüssen hinzugefügte Zusäße, deren Ablehnung das Direktorium. empfahl und die Kammer aussprach. Die Kam- mer genehmigte hiernähst auf Vortrag der 1. Deputation, ohne Debatte den Geseßentwurf, die Uebertragung der Verpflich- tung zu Unterstüßung hülfsbedürftiger Familien vzn zum Dienste einberufenen Mannschaften der Reserve, Ersaßzreserve und Land- wehr auf die Bezirksverbände betreffend, und beschloß auf An- trag der 4. Deputation, das Gesuh des Superintendenten Dr, Großmann in Grimma um Ausstattung der Vertretung * der

_Diôzesen mit einex- gleihen Summe, wie die politishen Bezirks-

vertretungen für Zwecke der Selbstverwaltung, auf ih beruhen zu lassen. Den Schluß bildete- die Wahl zweier Mitglieder zur Finanz-Deputation, welche die Herren Präsident v. Criegern und Bürgermeister Dr. Koch ‘traf. /

Zu dem Berichte über die gestrige Sizung der Zweiten Kammer ist berihtigend nahzutragen, daß der Referent Abg. Dr. Gensel die Ablehnung, der Korreferent Abg. von Wagner die Annahme des von der Kammer mit der gestern erwähnten Majorität angenommenen Sachßeshen Antrags auf Gewährung der dur die neue Landtagsordnung festgeseßten höhern Diäten bereits vom 1. Januar d. I. ab, beantragt hatte.

Heute bewilligte die Zweite Kammer Pos. 27 des außer- ordentlihen Budgets, Coursverlust beim Verkauf 4prozentiger Staatspapiere, mit 90,000 Thlr., und Pos. 90 des außerordent-= lihen Budgets, Reservefond, mit 140,512 Thlr. Eisenbahnberiht der Finanz - Deputation Abtheilung B., der erst heute Morgen ausgegeben worden is, beantragte der Abg. Walter von der Tagesordnung abzusezen, ein Antrag, der vom Finanz - Minister befürwortet wurde; er wurde zwar angenommen, aber auf Artrag des Abg. Sachße mit 26 gegen 25 Stimmen beschlossen, der Berathung dieses Gegenstandes heute eine Abendsizung zu widmen ; der Finanz-Minister erklärte, daß die Regierung, wenn die Majo- rität der Kammer glaube, in diese Berathuñg noch eintreten zu sollen, ihre Genehmigung dazu nicht versagen möge, obschon dieser Beschluß mit seiner ‘Ueberzeugung nicht übereinstimme. Zum Schluß beschäftigte sih die Kammer mit Petitionen. Eine lange und zum Theil sehr erregte Debatte rief der Bericht der 4. Deputation über die Beschwerde des Shlossers A. B. Muth wegen seiner Ausweisung aus Leipzig hervor. Die Deduktionen des Berichts, der den Polizeibehörden das Recht vindizirt, poli- zeilih bestrafte Personen auszuweisen, erfuhren Seitens der Abgg. Krause und Kirhbach eine überaus scharfe Beurtheilung; diese und der Abg. Wigard wandten sih überhaupt gegen die auf das Heimaths- geseß von 1834 begründete Praxis der sähsishen Behörden be- züglih der Ausweisungen, , deren Unverträglihkeit mit der Reihs- gesezgebung und den Grundsäßen des Rechtsstaats sie nahzu- weisen suhten. Staats-Minister v. Nostißz-Wallwiß nahm die Deputation insofern in Schutz, als fie die Regierung um geseß- lihe Regelung der Befugniß zu Ausweisungen ersuht wissen will: dies stehe mit den Zwecken des Rechtsstaats doch gewiß nicht in Widerspruch. - Die Regierung wünsche eine solhe Nor- mirung und werde fie in Erwägung ziehen, er mache aber darauf aufmerksam, daß eine definitive Regelung dieses Gebiets nur von der Reichsgesezgebung werde ausgehen können. Ganz zu entbehren werde die Befugniß, auch polizeilih bestrafte Per- ‘sonen in gewissen Fällen auszuweisen, nicht sein. Der Bericht \chließe sich nur an die von den sähsishen Behörden seit 40 Jahren dem Heimathgeseze konstant gegebene Auslegung an., Außerdem wurde der Bericht vom Referenten und dem Abg. v. Ehrenstein ver- theidigt, welher mitwarmem Nachdruck dieheftigen Angriffe Krause's und Kirbahs gegen die Deputation zurückwies. Der Antrag Dr. Wigards: - zu erklären, daß die Ausweisung geseßlih nicht. gerechtfertigt worden sei, und ihre Aufhebung zu verlangen, wuxde mit 33 gegen 28 Stimmen abgelehnt. Ebenso wurde der Antrag Krause's und Kirbahs, die Beschwerde der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen, mit 35 gegen 26 Stimmen abgelehnt, dagegen der Deputationsantrag, die Beschwerde auf fih beruhen zu lassen die Frist, auf welhe\ Muths Auswei- sung verfügt worden ist ist bereits abgelaufen —, mit 36 gegen

Den zweiten

25 Stimmen und gegen 7 Stimmen der weitere, vom Vize- Präsidenten Streit amendirte Antrag- angenommen: die Regie- rung um - Vorlegung eines Gesehes, \pätestens an den nächsten Landtag, zu ersuhen, wodur für die den Polizeibehörden ver- vliebene ‘Befugniß zu ‘Ausweisungen feste, das bloße Ermessen aussließende und die Freiheit der Person und das Freizügig- Feitsrecht möglihst fihernde Normen aufgestellt werden.

Württemberg. Stuttgart, 10. Juni. Der Köni begab sih -zu Vornahme von Truppenmusterungen heute na Gmünd und Mergentheim, von wo Se. Majestät morgen Abend wieder hierher zurückehren werden.

Baden. Karlsruhe, 8. Iuni. Die Zweite Kammer

zog in ihrex gestrigen Sizung unter Vorsiß des 1. Vice-Präsi-

© Denten, Geh. fal Bluntschli, den Gesehentwurf, betref-

fend die Einführung des Reihspreßgesetes, welchen die Kommission zur unveränderten Annahme empfohlen, in Berathung und nahm denselben nah kurzer Debatte ohne Widerspruch ein- stimmig an. Es waren nur wenige landesgeseßliche Einführungs- Vorschriften erforderlih; \o für die but die 88. 18 und 28 des Reichspreßgeseßes geschaffenen Fälle formaler Preßvergehen, von welchen: nur einet von dem badischen Preßgeseße in glei- cher Weise behandelt war, während die übrigen Fälle theils nur Uebertretungen bildeten, theils gar nicht mit Strafe bedroht waren. Diese Vergehen werden in Artikel 1 des Einführungsgeseßes in leihteren Fällen den Amts-

_gerihten und, wenn eine deren Kompetenz übersteigende Strafe

erkannt werden \oll, den Strafkammern der Kreisgerichte zu- gewiesen. Art. 2 bildet eine Ergänzung der badishen Straf- prozeßordnung durch einen Zusaß bezüglih der gerihtlihen Be-

\chlagnahme von Druckschriften, da das badische Preßgesechß, in |

welchem diese Beschlagnahme geregelt war, niht bruchstückweise neben dem Reichspreßgeseze in Geltung bleiben kann. Art. 3 hält bezüglih der der Landesgeseßzgebung vorbehaltenen Verpflihtung zur Hinterlegung eines Exemplars der öffentlihen Bekanntmachungen, Plakate und Aufrufe bei der Polizeibehörde ledigli} den bisherigen Rechtszustand aufrecht. Das Gesey tritt am 1. Juli 1874 in Wirksamkeit, und vom gleichen Tage an ist das badische Preßgeseß nebst den dar- auf bezüglichen sonstigen Gesezesbestimmungen aufgehoben. Sodann erledigte das Haus noch zwei durh die neue Reichs- währung veranlaßte Geseßentwürfe, zunächst denjenigen, die Berehnung der Geldstrafen nach der Reichsmark- rechnung betreffend. Je 1 Gulden wird durch 2 Mark und je 1 Kreuzer dur 31/z Pfennig der Reihswährung erseßt; bei der Umrechnung \sich ergebende Bruchtheile von Pfennigen Tommen nicht in Ansay. Die Rechte beantragte, statt 2 Mark 1 Mark 80 Pfennige, statt 31/2 Pfennige 3 Pfennige zu seyen. Dieser Antrag wurde abgelehnt und der Entwurf mit allen gegen die 8 Stimmen der Rechten angenommen. . Eine ähnliche Opposition Seitens der Rechten fand der folgende Geseßentwurf, welcher sich wesentlich als ein Nachtrag zu dem den Haupt-Finanzetat für“ die Jahre 1874 und 1875 regelnden Gesche vom 19. Februar 1874 darstellt, und durch welchen die Sätze für die indirekten Steuern {hon für das Steuereinzugsjahr 1875 durch neue in Reichswährung ausgedrücte Tarifsäße erseßt wer-

den, sodann der Steuerfuß für die Kapitalrentenfsteuer (15 Pf. von

‘je 100 Mark Steuecrkapital) geregelt und die von dem Reichs- geseß vom 30. April l. J. über die Ausgabe von Reichskassen- \cheinen bedingten Maßregeln und geseßlschen Vorschriften be-

Ftimmt. werden. Der Entwurf wurde mit allen gegen die 8 Stim-

men der Rechten angenommen. Für alle. diese Gesetze gilt, daß der Termin ihrer Wirksamkeit ein anderer wird, wenn die Reichs- markrechnung nicht {hon mit dem 1. Januar 1875 für das Großherzogthum in Kraft treten sollte.

Sefssen. Darmstadt, 10. Juni. In der heutigen (62.) Sibung der Zweiten Kammer wurde die Verhandlung über das Nachtragsbudget- begonuen und zwar zunächst eine Generaldebatte über die proponirte Besoldungsaufbesservng im Ganzen eröffnet. Es standen sich hier drei Anschauungen ge- genüber. Einmal die des Antrags Buff und von Rabenau, der eine definitive Bewilligung abgesehen von den zur Durh- führung der Verwaltungsgeseße und des Volks\chulgeseßes nöthi- gen Summen ablehnte, dagegen der Regierung für die Be- amten 2c., wie am 31. Januar l. J. für 1873 geschehen, für 1874 eine Theuerungszulage auf Anfordern bewilligen und die Regierung wiederholt exsuhen wollte, - eine ‘Revision resp. Reduk- tion der Personal= und Beésoldungsetats eintreten zu lassen. Zweitens lag ein Antrag von | Schröder und Genossen vor, welche verlangen, daß die Kammer unter Wiederholung aller

- Vorbehalte des Beschlusses vom 19. Dezember v. J. der Staats-

regierung als Zulage für die Beamten einen Sechstheil des seit- herigen Gehalts für die Jahre 1874 und 1875, jedoch ohne je- des Präjudiz für die Zukunft, zur Verfügung stellen wolle; fer- ner die Großherzogliche Regierung ersuhe, vor Ablauf dieser

, Finanzperiode ein in den Personal- und Besoldungeta!s wesentli

vereinfahtes Budget für 1876/78 vorzülegen; sofort aber (und noch vor Feststellung der neuen Etats) den Ständen die finan- ziellen Vorlagen mache, welhe zur unmittelbaren Einführung der Gesetzentwürfe, betreffend das Volksschulwesen und die innere Verwaltung 2c. der Kreise, erforderlich find, oder sonstige un- aufschieblihe Reorganisationen bezwecken, wie z. B. diejenigen der Gymnasien und Realshulen, die Aufbesserung der Gensd'armen u. #. w. Der Ausshuß endlih empfahl die Spezialberathung ‘des- Nachtragsbudgets. Nach vierstündiger Diskusfion wurde der Antrag Buff von Rabenau mit allen gegen 6 Stimnieæn der Antrag Schröder ebenfalls mit allen gegen sechs Stimmen ia namentlicher Abstimmung ‘abgelehnt. Die nächste Sizung findet am Donnerstag, den 11. d. M. ftatt, und wird in derselben die Spezialberathung des Nahtragsbudgets beginnen.

Sachsen - Weimar - Eisenah. Weimar, 11. Juni. Das „Regierungsblatt für das Großherzogthum Sachsen-Weimar= Eisenah* enthält in Nr. 15 einen zweiten Nachtrag zu dem revidirten Geseze über die Steuerverfassung des Großher- zogthums vom 18. März 1869, ferner einen Nachtrag zu dem revidirten Geseßze vom 19. März 1869 über die allgemeine Einkommensteuer, endlich das Steuergeseÿ für die Iahre 1875, 1876 und 1877, sowie eine Ministerial-Bekanntmahung betr. Fortfall der Kalenderstempel. i :

Anhalt. Dessau, 10. Juni. Die Herzogin ist gestern Abend mit ihren beiden jüngsten Kindern von Marienbad wie- der eingetroffen und am Bahnhofe von den Mitgliedern der

Herzoglichen Familie begrüßt worden. Die engere Familie des Herzogs wird in diesen Tagen ihren Sommeraufenthalt in

örliß nehmen. Die Herzogin von Nassau gedenkt noch einige

Beit bei ihren Hohen Verwandten hier in Dessau zu verweilen.

Schwarzburg-Sondershaunsen. Sondershausen, 9. Juni. Der Fürst und dic Prinzessin Elisabeth sind aus Aachen in erwünfchtem Wohlsein hierher zurückgekehrt.

Neuß j. L. Gera, 10. Juni. Wie die Iustizgemein- \haft; die vereinigten Schwurgerichte, der von hier aus ins Le- ben gerufene Städteverband und andere Verbindungen bereits bestehen, fo ist neuerdings ferner eine Vereinigung thürin- gi\sher Iuristen angeregt worden, welhe am 21. d, M. hier in Gera ihre erste Zusammenkunft, ihren Juristentag. In deu leßten Tagen hat hier auch eine Versammlung höherer Polizeibeamten und Gensd'armen der thüringischen Staaten stattgehabt, zunächst und hauptsählih zu dem Zwecke einer Berathung, wie bei Verfolgung von Verbrechern aller Art die geeignetsten gemeinschaftlihen Maßregeln zu ergreifen seien.

Desterreich -: Ungarn. Wien, 10. Juni. - Der Kaiser ift heute früh in Begleituug ‘des Kriegs-Ministers, Ackerbau- Ministers, Landes-Kommandirenden und Statthalters in St. Pôölien eingetroffen und daselbst am Bahnhofe vom Minister- Präsidenten, dem Bischofe Bindec und den Spizen der Be- hörden empfangen und von dem za!lreich versammelten Publi- kum mit stürmishen Hochrufen begrüßt worden. Der Kaiser begab sich nach Inspizirung der ausgerückten Truppen in die Militärschule, woselbst AUlerhöchstderselbe der Prüfung der Zög- linge beiwohnte, und besihtigte hierauf die landwirthschaftliche Ausstellung. |

Das Reichsgesehblatt veröffentliht u. A. die Ver- ordnung des Ackerbau-Ministeriums im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und dem Landesvertheidigungs-Mini- sterium vom 15. Mai 1874, betreffend die Ergänzung und theil- weise Abänderung der Beftimmungen über die Verwendung von Privathengsten zum Beschälenz; das Geseß vom -21. Mai 1874, betreffend ein Uebereinkommen mit der Stadtgemeinde Wien wegen Excamerirung der -über den Wiener Donaufkanal führen- den ärarischen Brücken und der ärarishen Straßen innerhalb der Linien Wiens (die Gemeinde Wien erhält für Uebernahme der Brücken undStraßen jährli 170,000 F[. von derStaatsverwaltung); die Kundmachung des Gesammt-Ministeriums vom 27. Mai 1874 (in Betreff der ertheilten verfassungsmäßigen Genehmigung) des Beschlusses des Reichsrathes über die Kaiserlihe Ver- ordnung vom 21. Juni 1873, woselb besondere Bestim- mungen Über die Auflösung - von Aktiengesellshaften erlassen wurden; die Kundmachung des Gesammt-Ministeriuums vom 27. Mai 1874 in Betreff des Beschlusses des Reich3rathes über die Kaiserliche Verordnung vom 23. September 1873 wegen zeitweiliger Aufhebung der Eingangszölle für Getreide und Hülsenfrüchte.

11. Juni. (W. T. B.) Die Eröffnung der inter - nationalen Cholerakonferenz ist auf Wunsch mehrerer Regierungen vom 15. Juni auf den 1. Juli d. I. vershoben worden.

Prag, 10.- Juli. Der Kaiser Ferdinand if heute um 8 Uhr 40 Minuten Vormittags mittelst eines Hosfeparatzuges vom Prager Sandthorbahnhofe aüs über Bubna, Neratowic und Jungbunzlau zum Sommeraufenthalte nah Reichstadt abgereist. Die Kaiserin Marie Anna hat sih gestern Abend nah Reich- stadt begeben.

Pest, 10. Iun. Die kirhenpolitische Kommission acceptirte nah eingehender” Debatte troß eines Gegenantrages Zsedenyi's den Beriht des Subcomité über die Civilehe mit geringen Aenderungen. Alle Sektionen-haben den Wahlgeseh- Entwurf, zwei derselben sogar den Inkompatibilitäts-Gesezent- wurf erledigt. I 2 t

Morgen beginnen die Verhandlungen im Centralaus\{hu}se Über den Entwurf der Wahlnovelle. Zum Referenten ist Desider Szilagyi designirt. In der heutigen Abendkonferenz hat die Deakpartei den Inkompatibilitäts-Geseßentwurf- ohne wesentliche Aenderung angenommen.

Großbritannien und Jrianv. London, 11. Juni. (W. T. B.) Im Unterhause erwiderte heute auf eine An- frage Sir C. R. D. Hanbury-Tracy's der Unter-Staatssekretär im Auswärtigen Amte, Sir R. Bourke, Griechenland Habe das Verlangen TkTundgegeben, diplomatishe Vertreter bei den europäi- \che:1- Höfen zu ernennen; Seitens Englands sei bezüglich der griehischen Staats\chuld feinerlei Vorstellung an die griechische Regierung gerichtet worden. Bezüglich des Brüsseler Kongresses über das Kriegsvölkerrecht, den Sir I. Simon zur Sprache brachte, ertheilte Sir R. Bourke die Auskunft, daß sih die Regierung über ihre Betheiligung an demselben noh niht \{chlüssig gemacht habe. Der Unter-Staatssekretär im De- partement der Kolonien, -Sir I. Lowther, erklärte auf eine Anfrage Mac Arthurs endlih, daß cin“ Bericht über die bean- tragte Abtretung der Fid\hi-Inseln an England zwar einge- gangen sei, daß er indeß die Vorlegung desselbèn ablehnen müsse.

Frankreich. Paris, 10. Juni. Das „Journal officiel“ veröffentlicht das Geseg, welches die auf die Naturalisation Fremder betreffenden Geseße auf die Kolonien ausdehnt. Ferner bringt dasselbe Blatt eine Verordnung des Ministers des Innern, der eine Kommission einseßt, um alle auf die Ausübung und Regelung des Vereinsrechtes bezüglihen Dokumente zu vereinigen und zu ordnen und einen Gesehentwurf über diesen

11. Juni. (W. T. B.) Nachdem {hon gesiern auf dem Bahnhofe von Versailles bei der Ankunft, sowie bei der Rückreise der Deputirten tumultiuarishe Scenen statigefun- den hatten, kam es heute auch auf dem hiefigen Bahnhofe, als die Deputirten sh nah Versailles begeben wollten, zu ähnlihen Auftritten. Das Erscheinen Gambetta's gab zu dem Rufe: „Es lebe die Republik“ Veranlassung, der von anderer Seite mit lautem Zischen erwidert wurde. Dem entstandenen weiteren Konflikte wurde durch die, Polizei ein Ende gemacht und ein der radikalen Partei angehöriger Deputirter vorübergehend verhaftet.

Als die Deputirten heute Abend von Versailles nah Paris zurückehrten, kam es auf dem Bahnhofe abermais zu einem Aergerniß erregenden Vorgang. Der Graf von Sainte-Croix führte mit feinem Rohrstode einen Schlag auf Gambetta, der Swhlag wurde jedoch von dem Deputirten Ordinaire aufgefan- gen. Der Graf von Sainte-Croix isst verhaftet worden.

12. Juni. (W. T. B.) Außer dem Grafen v. Sainte- Croix, der gestern Abend den thätlihen Angriff auf Gambetta richtete, find noch- mehrere andere Personeu, die bei dieser Gelegenheit Exzesse verübten, von der Polizei verhaftet worden. Der Graf hat bei seiner Vernehmung vor der Polizei erklärt, er sei in der bestimmten Absicht nah dem Bahnhofe gegangen, um Gambetta zu züchtigen und denselben zu provoziren. Sainte- Croix hat während des Kaiserreihs bei den Zuaven der Kaiser- lihen Garde gedient. a6

Versailles, 10. Juni. Heute empfing der ‘Präsident Marschall Mac Mahon die birmanische Gesandtschaft.

, Stoff vorzubereiten.

Dieselbe besteht aus 11 Personen, nämlich dem Minister des Aeußern, welcher den Titel eines Botschafters führt, dem Se- kretär des Königs, zwei hohen Offizieren und \echs anderen Per- sonen. Der Marschall war von seinem militärishen Gefolge und den Ministern Decazes und Cissey umgeben. Die Marschallin wohnte dem Empfange ebenfalls an. Es is das erste Mal seit dem Sturz des Kaiscrreih2, daß die Gemahlin des Staatsober- hauptes sich an ciner offiziellen Feierlichkeit betheiligt. Nach den offiziellen Reden unterhielt fich der Marschall einige Minuten mit dem Gesandten vermittelst eines Dolmetschers.

11. Juni. (W. T. B.) Die Nationalversamm- lung seßte heute die Berathung des Munizipalwahl- gesetzes fort. Ein Amendement Lucien Bruns (von der äußersten“ Rechten), das darauf abzielte, den Familienvätern und solchen Personen, die direkte Steuern bezahlen, die Aufnahme in die Wahllisten zu erleihtern, wurde mit 397 gegen 268 Stimmen abgelehnt. Dasselbe ge\chah mit einem Antrage Meaux' von der Rechten, nah welchem für alle außerhalb einer Gemeinde geborenen Wähler ein dreijähriges Domizil in dieser Gemeinde zur Ausübung des Wahlrechtes erforderlich sein follte. Der Antrag Ferry's von der Linken, statt dessen nur das Erforderniß eines \sechsmonatlihen Domizils in der betreffenden Gemeinde in das Gesetz aufzunehmen, wurde an die Kommission zurückverwiesen. Am Schlusse der heutigen Sißzung richtete der Quästor der Nationalversammlung, Baze, an den Ministèr des Innern, Fourtou, eine Anfrage we- gen der auf dem Bahnhofe von St. Lazaire vorgekommenen Auftritte. Der Minister erwiderte, bis jeßt seien ihm nur cin- ander widersprehende Mittheilungen zugekommen. Die cinzige amtlich feststehende Thatsache sei die Verhaftung und die darauf wieder erfolgte Freilassung eines Deputirten. Die Regierung werde eine weitere Untersuhung des Vorganges eintreten lassen. Der Minister {loß mit der Erklärung, es seien zwei Umstände besonders bedauerlih. Auf der einen Seite der Mißbrauch der öffentlihen Gewalt, auf der anderen die offene Widersezung ge- gen die pflihtgetreuen Männer, die mit der Ueberwachung und Wahrung der öffentlihen Ordnung beauftragt seien. Baze er- klärte sich durch die Antwort des Ministers zufriedengestellt.

Spanien. Ein Telegramm aus. Hendaye, 11. Juni, meldet :- Mehrere baskishe Truppenabtheilungen sollen sich, nach hier eingegangenen Nachrichien von der spanischen Grenze, unter d:m Rufe: „Hoch die Fueros“ gegen Don Carlos erhoben haben. Die Erhebung i} sofort unterdrückt; die An- führer sollen ershossen werden.

Italien. Rom, 5. Iuni. Die Deputirtenkammer hielt gestern ihre leßte Sißung. Justiz-Minister Vigliam legie den vom Senat modifizirten Gesezentwurf über die Reor- ganisation der Geshwornengerihte vor, indem er sie gleichzeitig er- suchte, sich noch in der laufenden Sizung darüber auszusprechen. Indessen verhandelte die Kammer über den ebenfalls vom Senat modifizirten Gesegentwurf betreffs der Börsenoperationen und ge- nehmigte ihn, jedoch nur mit einer allerdings vom Ministerium angénommenen Modifikation, so daß er nochmals vom Senat be- rathen werden muß. Demnach wurde der neue mit Frankreich abge- \{chlo}sene Postvertrag und ein Kapitel des Definitivbudgets des Finanz-Ministeriums genehmigt, dessen Berathung bis auf den heutigen Tag ausgeseßt worden war. Die Gesammtausgaben des Staats für das . ahr 1874 béêtragen 1,540,862,261 Frs. Die mit derx. Bérathung und Berichterstattung über den die

‘Reorganisation der Geshworenengerichte betreffenden Gesetent-

wurf betraute Kommission hatte inzwischen die vom Senate be- \{lossene Modifikation desselben berathen. Der Deputirte Puccioni ftattete der Kammer Bericht darüber ab, und diese be- {loß nach kurzer Berathüng, die Abänderung zu genehmigen. Hierauf ergriff der Marine-Minister das Wort, um die Kammer zum Zeugniß aufzurufen, daß es niht \cine Schuld ge- wesen is, - wenn ihr der Bericht über seinen die Veräußerung gewisser . Kriegs\chiffe betreffenden Gesezentwurf, der Angelpunkt der von ihm beabfihtigten Reformen in der Marine, niht vorgelegt worden sei. Er habe nicht ver- fehlt, der Versammlung die Dringlichkeit seines Gesehentwurfs ans Herz zu legen und müsse sein Bedauern darüber aussprechen, daß die Kommission die Berichterstattung schuldig geblieben sein. Ein Mitglied der Kommission, Giuseppe de Luca, seßte der Ver- sammlung auseinander, daß diè Kommission die Vorlage des Marine-Ministers gründlih geprüft habe, und daß der Bericht darüber aus keinem anderen Grunde niht zu Stande gekommen sei, als weil der Berichterstatter krank geworden fei. Hierauf dankte der Präsident der Versammlung für das Vertrauen und das Wohlwollen, welches sie ihm im Laufe der Sizungen an den Tag gelegt, sowie äauch für den Eifer und die Aufopferung, womit sie die Angelegenheiten des Vaterlandes behandelt, und ersuchte sie, auch in den Provinzen für die Eintraht und die Wohlfahrt Aller thätig zu sein, indem er niht unerwähnt ließ. daß es dieser legislativen Periode vergönnt gewesén sei, ihre Sizungen in der neuen Hauptstadt Rom abzuhalten. Nachdem die Kammer \chließlich mehrere bereits berathène Vorlagen in ge- heimer Abstimmung angenommen hatte, erklärte der Präsident die Verhandlungen für prorogirt.

—- 6. Juni. Der König hat dem Minister-Präsiden- ten durch einen seiner Flügel - Adjutanten die Insignien des Annunciaten-Ordens zustellen lassen.

—. Der Senat nahm in seiner gestrigen Sizung drei der vom Ministerium vorgelegten Finanzgesehentwürfe an: Die Abschaffung der Portofreiheit,. die Eisenbahnbillettaxe und die Einführung des Tabakmonopols in Sicilien. Schließlich ge- nehmigte er auch noch den Vorschlag, den Neujahtstag als civilen Fest- und Feiertag anzuerkennen.

Das von den Kammern nunmehr angenommene De - finitiv-Budget für das Jahr 1874 beziffert sich mit 1,540,862,262 Frcs. Ausgaben und 1,364,147,325 Frcs. Ein- nahmen, mithin ein Defizit von 176,714,937 Frcs. Von den Ausgaben kommen 991,186,728 Frcs. auf das Finanz- und 31,145,680 Frcs. ‘auf das Justiz-Ministerium, 6,002,928 auf das Ministerium des Auswärtigen, 21,946,213 auf das öffent- lihe Unterrichts-Ministerium, 56,257,917 auf das des Innern, 164,128,470 auf das Bauten-, 213,015,852 auf das Kriegs-, 45,455,772 auf das Marine- und 11,722,700 auf das Hantels- und Ackerbáu-Ministerium.

Heute Vormittag wurde der Cardinal-Erzbishof von Paris, Msgr. Guibert vom Papste in Privataudienz empfangen.

Das Finanz-Ministerium hat die Gesuhe um Er- haltung des Freihafens von Genua und um Gründung von Freihäfen in Venedig und anderen italienishen Hafenstädten abshlägig beschieden.

1 Nußland zund Polen. St. Petersburg, 10. Juni. Wie die „R. W.“ hört, gedenkt das Kriegs-Ministerium in diesem Sommer unter Anderem 'die westlihe Grenze des Reiches rekognosciren zu lassen und vom' Nordufer des Schwarzen Meeres eine Aufnahme zu veranstalten.