1874 / 159 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Jul 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Der Major in der Königlih italienishen Kavallerie Appelius is behufs militärischer Studien- hier eingetroffen.

Ueber die Verhandlungen des Hauses der Ab- geordneten in der leßten Session wird eine von dem Bureaus Direktor des Hauses der Abgeordneten, Geh. Rechnungs- Rath Klein\schmidt, angefertigte Uebersicht in den nächsten Monaten zum Druck gelangen.

Es sind darin in gleicher Weise, wie in die Uebersicht für die Session 1872/73, die Gesezesvorlagen, sowie die dazu gehörigen Kommissions- und sonstigen Anträge dem Wortlaut nah, mit An- gabe der gefaßten Beschlüsse, übernommen, #o daß, unter Ver- meidung des zeitraubenden und schwierigen Zurückgehens auf die verschiedenen Drucksachen, alsce auch ohne daß die Drucksachen überhaupt zur Hand sind, aus der Uebersicht selbst Information darüber gewonnen werden kann, wie die Geseße in den einzelnen Paragraphen und im Ganzen fi gestaltet haben.

Ueber alle sonstigen Gegenstände der Verhandlungen des Hausés, den Staatshaushaltsetat, die Petitionen 2c. enthält die Üebersicht ebenfalls einen vollständigen Nachweis, und eine der- selben angehängte, nah dem Alphabet geordnete Rednerliste er- giebt nicht nur den Tag, an welchem, sondern auch den Gegen- stand, über welchen jeder einzelne Redner gesprochen hat, unter Hinweis auf die betreffenden Seiten der stenographischen Berichte.

Die Uebersicht, deren Kosten sich auf etwa 1 bis 11/4 Sgr. pro Drubogen belaufen, wird in der Verlagsbuchhandlung von W. Moeser in Berlin, Stallschreiberstraße Nr. 34, ausgegeben werden. Um die Auflage bemessen - zu können, würde die Be-

\chleunigung der Bestellung erwünscht sein.

4 unge Ta Q D I T2 I

Düsseldorf, 8. Juli. Der Regierungs-Affsessor Forster ist nah feinem Ausscheiden aus dem Staatsdienste auf Grund des durch den XXI]. rheinischen Provinzial-Landtag unterm 30. Mai 1874 genehmigten Beschlusses des Provinzial-Verwal- tungsraths vom 24. April d. I. zum ersten Ober-Beamten der provinzialständischen Verwaltung der Rheinprovinz und ersten Beamten der Centralbehörde ernannt worden.

Bayern. München, 8. Juli. Der Kronprinz Rudolf von Oesterreich is heute Morgens hier eingetroffen und wird zum Besuche seiner Schwester, der Prinzessin Gisela, mehrere Tage hier verweilen.“ ?

Die Kammer der Reichsräthe hat heute dem Geseh- entwurf wegen Erweiterung der pfälzishen Eisenbahnen in der Fassung der Abgeordnetenkammer zugestimmt mit Aus- nahme der Linie Kaiserslautern-Lauterecken, welche abgelehnt wurde.

Sachsen. Dresden, 9. Iuli. Der König und die Königin haben heute Mittag mittels Extrazuges ihre Reise von Bauten nah Löbau fortgeseßt. Die Königlichen und die städtishen Behörden, sowie das Offizier-Corps waren in Baugen zur Verabschiedung im Bahnhofe anwesend. Nachmittags gegen 3 Uhr haben Ihre Majestäten, nachdem dieselben auf dem Bahn- hofe durch eine Deputation des Stadtraths und der Stadt- verordneten, den Regiments-Commandeur und den ersten Geist- lichen ehrfurchtsvoll begrüßt worden waren, unter dem Jubel der Bevölkerung ihren Einzug in die festlich geshmüdckte Stadt Zittau gehalten.

Mecklenbnrg. Schwerin, 8. Juli. Die Großher- zogin-Mutter if gestern Abend hier wieder eingetroffen und hat im Greenhouse Wohnung genommen.

Der Erbgroßherzog von Mecklenburg-Streliß ist am 1. d. M. nah Neustreliß zurückgekehrt. j

Sachsen-Coburg-Gotha. Coburg, 8. Juli. Nach den neuesten Bestimmungen wird der Herzog von Edin- burgh mit Gemahlin am 22. d. M. hier eintreffen. Se. Hoheit t Herzog wird am 21. d. aus dem Seebade hierher zurück- ehren.

Hesterreich - Ungarn. Wien, 8. Juli. Der Feld- marschall Erzherzog Albrecht reiste gestern Nachmittags 5 Uhr mittelst Separathofzuges der Nordbahn nah Warschau ab. Im Gefolge Sr. Kaiserlichen Hoheit befand sih der Oberst-Hofmeister Feldmarschall-Lieutenant Freiherr von Piret.

Das Kaiserlich Königlihe Infanterie-Regiment König Georg V. von Hannover feierte am 6. d. M. in Theresienstadt, seiner Ergänzungsbezirks\tation, das Jubiläum seines 200 jährigen Bestehens. Das Regiment wurde im Jahre 1674 in Fólge eines zwischen Kaiser Leopold l. und Iohann Hartmann, Bischof von Würzburg und Herzog zu Franken, ab- geschlo\senen Vertrages errichtet und erhielt, da dem Bischof die Oberstinhaberswürde vorbehalten war, den Namen „Würz- burgishes Regiment“. Das Regiment hat {hon an der Be- freiung Wiens von den Türken 1683 fräftigen und ruhmvollen Antheil genommen, und zahllos find die rühmenden Erwähnun- gen und dankerfüllten Belobungen, welhe ihm von Feldherren und Kaisern zu Theil wurden. Eine die Geschlehter über- dauernde Auszeichnung brachte ihm die Schlaht von Wagram (5. und 6. Juli 1809), damals Regiment Erbach geheißen nah welcher ihm für sein ruhmvolles Verhalten für alle Zeiten das Recht verlichen wurde, den Grenadiermarsch \chlagen zu dürfen.

Auf Befehl des Kaisers wird, wie die „Mil. Ztg.“ berichtet, das dermalige Avancementgeseß von Seite des Reichs- Kriegs-Ministeriums einer Umänderung unterzogen. Diese Um- arbeitung soll noch vor dem nähsten November beendet sein, so daß das nächste Avancement nah den neuen Normen erfolgen könnte, da das alte bei Erscheinen des neuen Entwurfes sofort außer Kraft treten dürfte.

Pest, 8. Iuli. Im Abgeordnetenhause interpellirte Horn den Finanz-Minister wegen Aufklärungen über den angeb- lihen Zusammenhang zwischen den Eisenbahnvorlagen und der Anlehensoperation. Ghyczy erklärte, über den definitiven Stand der leßteren erst \päter Aufklärungen geben zu können; die zweite Hälfte des 153-Millionen-Anlehens sei übrigens noh niht begeben. Taczdlay interpellirte wegen Aufhebung der Zoll- freiheit für die rumänisch-ferbishen Getreidesendungen. In Be- antwortung einer Interpellation Domahidys versprach der Finanz-Minister, wegen Uebertragung der Steuerexekutionsagenden an die Adminiftrativbehörden im Herbst eine Vorlage zu machen. Justiz-Minister Pauler beantwortete Tisza's die neue Gefängnißordnung betreffende Interpellation und wies die Halt- losigkeit der von Tisza erhobenen Beschwerden über inhumane Bestimmungen derselben nah. Um eine genaue Aus- führung derselben überwachen ‘zu fönnen, müßte den Staatsanwälten die Oberaufsicht übertragen werden. Die Verordnung s\elb| bafire auf den modernsten Grund- säßen; er der Minister werde \sich derselben niht zu \{ä- men haben, wenn fie in alle europäishen Sprachen übertragen werde. Tisza anwortete: der Minister sei ungeseßlich vorgegan-

gen, indem er den Staatsanwälten eigenmächtig eine rihterliche Gewalt einräumte und fogar die Befugniß ertheilte, über die Gefängnißaufseher eine zweiwöchentlihe Haft zu verhängen. Die ungarishe Justiz werde durch solhe Verfügungen vor Europa gebrandmarkt. Das Haus nahm Paulers Antwort mit großer Majorität zur Kenntniß.

Hierauf folgte die Spezialdebatte der Wahlgeseßvorlage. Zu §. 1 beantragten Majoros und Stanescu, die Wahlbereh- tigung auch auf die Frauen auszudehnen. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Bei §. 2 wurde die Debatte abgebrohen; morgen findet die Fortseßung derselben ftatt.

Schweiz. Der Entwurf einer neuen Organisa- tion des \chweizerischen Heeres, welcher gegenwärtig in kommissarische Berathung gegeben ist, enthält nach dem „Fr. I.“ folgende wesentlihe Bestimmungen:

Die Wehrpflicht erstreckt sich auf alle Schweizer von dem Jahre an, in welchem sie das 20. Altersjahr zurücklegen, bis zu dem Jahre, in welchem sie das 44. Altersjahr vollendeten, umfaßt also 25 Jahr- gänge. Für die Organisation der so gebildeten Wehrmannschaft (etwa 200,000 Mann) ist die Zweitheilung, Auszug und Landwehr, festgeseßt. Ersterer oder die eigentlihe mobile Armee soll 12 Jahr- gänge umfassen oder (ohne die Ueberzähligen) 104,746 Mann. Die Landwehr umfaßt alle aus dem Auszug übergetretene Mannschaft bis zur Beendigung der Wehrpflicht, also 13 Jahrgänge, mit ungefähr gleicher Stärke wie der Auszug. Dex Auszug bildet in sich eine geschlossene Armee,

eingetheilt in aht Divisionen. Die Landwehr ist mit Bezug auf die ein- /

zelnen Truppenkörper glei organisirt, wie der Auszug. Jedem Truppen- förper im Auszuge entspricht ein folcher in der Landwehr. Die Land- wehr wird nur zu eintägigen Uebungen zusammengezogen. Jeder Wehrpflichtige kann zur Bekleidung eines Grades, sowie zur Ueber- nahme jedes Kommandos angehalten werden. Wenn in Kriegszeiten Gefahr im Verzuge liegt, so steht dem General das Recht zu, an Stelle der ordentlichen Wahlbehörden Offiziere zu ernennen oder ihrer Kommandos zu entheben. Die Entlassung der Offiziere vor Ablauf der geseßlichen Dienstzeit und mit der Wirkung, daß fie keinen Dienst mehr zu leisten haben und in die Klasse der Steuerpflichtigen fallen, geschieht durch die Wahlbebörde wegen \{lechter Aufführung oder Un- fähigkeit. Den Oberbefehl über das Bundesheer führt der General. Ft er daran verhindert, so wird der Oberbefehl vom Chef des_Ge- neralstabes übernommen. Der Bundesrath ertheilt dem Ober- Befehlshaber verbindlihe Instruktionen über den durch die Truppen - Aufstellung zu erreichenden Endzweck und {stellt ihm die erforderlihen Streitmittel zur Verfügung. Der General verordnet alle militärishen Maßregeln, welhe er zur Er- reihung des ihm bezeihneten Endzwecks für nöthig erachtet. Er verwendet die ihm zur Verfügung gestellten personellen und materiellen Streitmittel nah seinem Gutfinden und hat überdies das Recht, über alles nicht zum Heere gehörige Kriegsmaterial, sowie über alles bewegliche und unbewegliche Eigenthum, das fich im Bereiche der Truppenaufstellung befindet, behufs Ausführung seiner militärischen Anordnungen zu verfügen. Die Kantone sind verpflichtet, der \ul- pflichtigen männlichen Jugend denjenigen Militärunterriht zu erthei- len, welcher mit den gymnastishen Uebungen verbunden werden kann. Der Bund überwacht diesen Unterricht. Die Militärbildung der Lehrer geschieht dur den Bund. Die aus der Schule entlassene Jugend ist bis zum Beginn der Wehrpflicht zur Fortseßung dieser Uebungen ver- halten, welche jährlich während wenigstens 15 halben Tagen vorzu- nehmen find. Die Gemeinden find verpflichtet, alle Fuhren gegen ge- seßlihe Entschädigung zu leisten. Jn Zeiten von Krieg oder Kriegs- gefahr ist der Ober-Befehlshaber und, so lange ein solcher nicht bestellt ift, der Bundesrath berechtigt, den Kriegsbetrieb der Eisenbahnen zu verfügen. Das Verfügungsrecht der Gesellschaften wird suspendirt. Für den Transport von Truppen, Kriegsmaterial und Bedürfnissen der Armee, welcher während des Kriegs stattfindet, wird die Hälfte derjenigen Taxen bezahlt, welche für die gleichen Transporte im ge- wöhulichen Betriebe festgeseßt sind. - Die Transporte von Verwundeten und Kranken geschehen unentgeltlich.

Großbritannien und Jrland. London, s. Juli. Auf Windsor fand gestern unter dem Vorsiß der Königin eine Kabinetsberathung statt, bei welcher der Herzog von Rich- mond (Präsident des Staatsrathes), der Marguis von Hartford (Oberst-Kämmerer), der Earl von Malmesbury (Geheim-Siegel- bewahrer) und Hr. Croß (Minister des Innern) zugegen waren. Während des Conseils wurde Lord Henry Lennox, der Dber- Kommissär der öffentlihen Arbeiten, als Mitglied des geheimen Raths veréidigt. Nah dem Conseil ertheilte die Königin Hrn. Crowe, dem britischen General-Konsul in Christiania, sowie Hrn. Green, dem früheren englischen General-Konsul in Bukarest, die Ritterwürde.

Der Herzog und die Herzogin von Edinburgh werden bis zum 22. ds. in Jugenheim verweilen.

Sir Edward Thornton, der britishe Gesandte in Washington, is in London angekommen.

Frankreich. Paris, 8. Juli. Der Kriegs-Minister, General de Cissey, hat folgendes Schreiben an die Corps-Kommandanten gerichtet:

Versailles, 17. Juni.

Mein lieber General! Jch bin benachrihtigt worden, daß cine die Artillerie betreffende wissen]chaftlihe Denkschrift unter der Form einer Note von dem der Armee angehörenden Verfasser an eine große gelehrte Körperschaft gesandt wurde. Das Studium der Wissenschaften und Künste, bei deren Fortschritten die Armee 1nteressirt ist, muß gewißlih unter allen Offizieren ermuthigt werden. Es ist aber voll- ständig gegen die Prinzipien der Rangordnung und die festgestellten Regeln, daß das Ergebniß dieser Studien, unter einerlei welcher Form, ohne die Kontrole der Oberbehörde eine Publizität erhalte, die in gewissen Fällen niht ohne Unbequemlichkeit sein würde. Es können in der That Umstände eintreten, wo eine Mittheilung wie die, um welche es sih handelt, in wenigstens nußlose Enthüllungen, in an militärische Anstalten oder Dmge gerichtete Kritiken oder in persönliche Streitigkeiten ausarten können. Es ift also gut, daß kein vom Kriegs-Minister abhängiger Offizier oder Beamter ohne vorherige Erntächtigung an irgend eine gelehrte Körperschaft, deren Sißungs- berichte der Oeffentlichkeit übergeben werden, Mittheilungen richtet, welche die verschiedenen Dienstzweige der Armee betreffen. Jch bitte Sie, allen unter Ihrem Befehle stehenden Offizieren diefe Regel ins Gedächtniß zurückzurufen. Sie wollen sich außerdem, insofern es das Zuwiderhandeln gegen diese Vorschriften betrifft, auf das ministerielle Circular vom 19. Dezember 1873 beziehen.

Der Vize-Präsident des Ministerraths, Kriegs-Minister : General de Cissey.

10. Juli. Die Mehrzahl der Tages blätter äußert sih ustimmend über den Inhalt der gestrigen Botschaft des Mar- {alls Mac Mahon (\. u. Versailles). Die republikanischen Organe kommen zu dem Schlusse, daß die von dem Marschall geforderte Organisirung seiner Gewalten nur in der Errichtung der Republik bestehen könne, da die Monarchie jegt als völlig beseitigt angesehen werden müsse. „Soleil“ vermuthet, daß der Antrag Perier zur Annahme gelangen werde. Die legiti- mistischen Blätter allein \prehen \fich mit einer gewissen Gereizt- heit über die Botschaft aus.

Versailles, 9. Iuli. (W. T. B.) In dec heutigen Sizung der Nationalversammlung wurde folgende Bo t- schaft des Aae Qa Le Erl een verlesen :

„Als durch das Geseß vom 20. November v. J. die Exekutiv- gewalt auf 7 Jahre in meine Hände gelegt wurde, hat die National- versammlung, indem sie das mir übertragene Mandat außerhalb jeder Frage und über jeden Zweifel stellte, den Jnteressen des Landes zu-

L

gleich diejenige Sicherheit geben wollen, deren diese bedürfen und die

“ihnen staatlihe Institutionen von nur prekärer Natur in genügender

Weise nicht zu g*währen vermögen. Das Votum der Nationalver- sammlung legte mir \chwere Pflichten auf, für deren Erfüllung ih Frankreich gegenüber verantwortlich bin, und denen ih in keinem Falle mich entziehen darf. Das Votum der Nationalversammlnng übertrug mir Rechte, decen ih mi nie anders, als zum Wohle des Landes bedienen werde. Die Gewalt, mit der ih bekleidet worden bin, hat eine fest begrenzte Dauer. Das Vertrauen der Nationalversammlung hat dieselbe zu ciner unwiderruflichen gemacht, und indem die National- versammlung mir jene Gewalt vor ihrer Beschlußfassung über die konstitutionellen Geseße übertrug, hat sie selbst ihrer Souveränetät gewisse Fesseln auferlegen wollen. Diese Gewalt, deren Endzeitpunkt nicht abgekürzt werden kann, werde ich handhaben, um sie mit allen mir darch die Geseße zu Gebote stehende Mitteln zu vertheidigen. Ich werde so der Erwartung und dem Willen der Nationalversamm- lung entsprechen, die, als sie mi auf sieben Jahre an die Spitze der Regierung stellte, eine starke, stabile und - geachtete Gewalt zu schaffen glaubte. Aber das Geseß vom 20. November v. J. be- darf der Vervollständigung. Die Nationalversammlung, die der Gewalt auch die derselben nothwendigen weiteren Mittel zu ge- gen versprach, kann nicht daran denken, ihren Verpflichtungen untreu zu werden. Möge fie mir erlauben, thr dieselben heute in der dringlichsten Weise ins Gedächtniß zurückzuruïen und deren beschleu- nigte Ausführung zu fordern. Unter den Wünschen des Landes steht die Organisation der Gewalten obenan, welche ein Unterpfand sein wird für die Stetigkeit der Verhältnisse. Es ist durchaus nothwendig, daß diese bisher zurügestellten Fragen zur Lösung gelangen. Neue Zögerungen in dieser Bezichung würden die Ungewißheit verlängern, den Gang der Geschäfte lähmen und der Wohlfahrt des Landes Schaden zufügen. Der Patriotismus der Nationalversammlung wird nicht \chwach werden gegenüber den Verpflichtungen, die ihr - noch zu erfüllen bleiben, sie wird dem Lande geben, was sie ihm s{uldig ist, und was dasselbe von ihr erwartet. Namens der wichtigsten Interessen des Landes beshwöre ih die Versammlung, ihr Werk zu vervollständigen und ohne Verzug in die Berathung derjenigen Fragen einzutreten, die nicht länger unerledigt bleiben dürfen. Die Beruhigung der Gemüther er- fordert dies dringend. Getragen von dem gleichen Gefühle der Ver: antwortlihkeit, werden Nationalversammlung und Regierung gzmeinsam alle Pflichten erfüllen, die ihnen auferlegt sind. Die gebieterischste Pflicht aber besteht darin, dem Lande durch definitive Institutionen diejenige Ruhe, Sicherheit und Befciedigung zu gewähren, deren das- selbe bedarf. Jch beauftrage meine Minister, die Kommission für die konstitutionellen Geseße ohne Verzug diejenigen Punkte w'ssen zu lassen, auf welche, als die we}jentlichsten, ih besonderes Gewicht legen zu müssen glaube.“

Die Botschaft wurde von der Rehten und dem reten Centrum mit Beifall aufgenommen. Casimir Perier beantragte, die Versammlung solle die konstitutionelle Kommission auffor- dern, ihren Bericht sofort vorzulegen. Der Wunsch des Mar- \hall-Präsidenten stimme mit seinen eigenen bezüglichen Wünschen durchaus überein, und es sei nothwendig, den Gewalten des Marschalls in einer prinzipiell fest bestimmten Regierungsform eine Stüze zu geben. Der Vorsißende der kon;itutionellen Kommission, Batbie, erklärte den Antrag Periers für überflüssig, weil die Kommission \{chon Montag den fraglihen Bericht er- statten lassen werde. Perier zog in Folge dessen seinen Antrag zurü.

Vom Abgeordneten Duval ward hierauf der Antrag auf Auflösung der Nationalversammlung eingebraht. Es wurde beantragt, die Wahlberechtigten zur Vornahme der Neu- wahl der Nationalversammlung zum 25. Oktober d. I. zusam- menzuberufen , die dermalige Nationalversammlung soll erst nah Einberufung der neu zu wählenden aufgelöst werden. Die Dringlichkeit dieses Antrags ward indeß abgelehnt. Nur die Linke, die äußerste Linke und die Bonapartisten stimmten für die Dringlichkeit. Ebenso wurde die Dringlichkeit für den wei- teren Antrag Hervé de Saisy's abgelehnt, daß die jeßige Nationalversammlung nicht eher auseinandergehe, als bis die Reorganisation der Armee gesichert sei.

Die Versammlung trat darauf in die Berathung des Gc- setzes, betreffend die Auf§sserung der äußeren Lage der Unteroffiziere, ein und nahm dasselbe in erster Lesung an. :

Spanien. Madrid, 9. Juli. Vernehmen nach hat Dorregaray ein Manifest an die „civilisirten Nationen“ erlassen, in welchem er die Regierungs - Armee auf das Gröbste verleumdet,- indem er sagt, daß die Aufführung dieser Armee ihn gezwungen habe, seine Art der -Kriegsführung zu verändern. Er giebt zu, daß er in Folge dessen 15 Gefangene habe erschießen lassen. Diese Erklärungen Dorregaray's widersprechen durchaus dem lehten Tagesbefehl Concha's, in welchem Leßterer aus\pricht, daß er die Feinde besiegen aber niht morden wolle.

Griechenland. Athen, 9. Juli. (W. T. B.) Die Wahlen zur Deputirtenkammer sind heute beendigt. Durch den Ausfall derselben is, soweit bisher zu übersehen, die Majorität der Regierung gesichert.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 5. Juli. Der Kronprinz reist am Dienstag von Helfingborg mit sei- nen Lehrern nah der Schweiz.

König Oscar verweilt augenblicklich in der Umgegend von JIönköping, wo die Feldmanöver seit dem 1. d. M. ab- gehalten werden. Die Vorausseßung, unter welcher dieselben geschehen, is, daß ein feindlihes Heer in die Gegend von Wingäker und Pälsboda vorgedrungen is; daß dessen Hauptstärke am Abend des 30. Juni bei Drös- phult stand und daß fie sich der westlihen Stamm- bahn zu bemächtigen gedenke, entweder um gegen Carlsborg zu rücken oder den Knotenpunkt Herrljunga zu nehmeu. Das ver- theidigende Heer sucht nun dem Feinde in der Gegend von Hals- berg und Askfersund zu begegnen; die Vorposten desselben standen am 30. Iuni Abends bei Sandhem. Gegen Schluß der Uebungen wird auch Prinz Alexander der Niederlande hier erwartet,

Die Kadettenkorvette „Norrköping“, Commandeur- Kapitän I. H. Ankarcrona, verließ „Aftonbladet“ zufolge gestern den Elfsborgfjord, um vor ihrer Ankunft in Reikiavik auf Island, 26. d., in der Nordsee zu kreuzen Lagercranß, welher den König beim dortigen 1000jährigen Jubiläum vertreten soll, \chiffte ih geftern Vormittag auf der Korvette ein.

_ Dänemark. Kopenhagen, 7. Juli. „Berl. Tidende“ theilt mit, daß es jeßt bestimmt i, daß die Reise Sr. Maje- stät des Königs über die Faröer nah Island am 20. oder 21. d. M. ihren Anfang nehmen wird, entweder von Ko- penhagen oder von Frederikshavn aus. Se. Majestät wird, außer von dem Prinzen Waldemar, begleitet werden von dem Justiz-Minister, dem Direktor des isländishen Departements O. Stephensen, dem Kabinets-Sekretär Trap, Oberst Holten, Kapitän Hedemann, Kapitän zur See Koch, sowie ferner vom Etats-Rath Worsaae (dem bekannten Alterthumsforscher), dem Folkethingsmann für die Faröer, Kapitän Bärengen, dem Ma- rinemaler, Professor Sörensen und dem Dichter, Kammer= Assessor Karl Andersen.

(W/ D. B) Dem

Der Contreadmiral I. R. ©

Prinz Alexander der Niederlande ist vor seiner Abreise von hier zum Ritter des Elephanten-Ordens er- nannt worden; auch wurden die Se. Königliche Hoheit beglei- tenden Kavaliere mit hohen dänischen Orden dekorirt.

Der „Ministerialtid.“ zufolge umfaßt die Prägung der neuen Kronmünzen bis zum 1. Iuli die Anzahl von 253,000 1 -Oerestücken, 3,721,500 2-Oereftücken, 1,169,000 5-Oerestücken und 3,174,000 10-Dereftücken. S

Amerika. (A. A. C.) Die Cheyenne-, Comanche- Und Kiowa-Indianer, die im Stande find, 3000 Mann ins Feld zu stellen, drohen mit Krieg und wollen, wie man fürchtet, die Niederlasungen angreifen. Truppen haben Befehl erhalten, zum Schutz der bedrohten Distrikte abzugehen.

__ Cuba. (A. A. C.) Auf Befehl des General - Kapitäns hielten die Pflanzer am 31. Juni eine Versammlung in Havana ab, um über die beste und \{chnellste Methode der Fundirung der Noten der \panishen Bank zu berathen, welche auf Grund der 10prozentigen Abgabe von Landeigenthum ausgegeben wur- den. Die Pflanzer beschlossen zuleßt, eine ähnliche Abgabe für die Munizipal-Ausgaben zu zahlen und den General-Kapitän zu benachrichtigen, daß, wenn 10 Prozent niht ausreichen soll- ten, sie 25—30 Prozent oder Alles, was die Behörden für nothwendig erahten würden, zu bezahlen bereitwillig wären. Das vielverbreitete Gerücht, daß zwischen dem Präsidenten der „Republik“ Cuba, Cisniéènos und dem General Maximo Gomez bedenklihe Differenzen ausgebrochen seien, wird von hervorragen- den, aus dem Innern zurückgekehrten Cubanern- als ganz un- glaubwürdig bezeihnet. Die Civil- und Militärbehörden der Insel stehen in keinem zu Konflikten Anlaß gebenden Verhält-

‘nisse zu einander, und man hält jenes Gerücht für eine auf

Täuschung der Spanier berechnete Erfindung, Jm Hafen von Havana richtete am 21. Juni eine gewaltige Wasserhose bedeu- tende Verwirrung und Zerstörung an. Sie wurde dur Kano- nensalven zum Plagzen gebracht. Die Journale Havanas er- mahnen die Bewohner, aus ihrer Lethargie zu erwachen und die Dit vor dem finanziellen Ruin zu retten, ehe es dazu zu pät sei.

Asien. Indien. Aus Calcutta wird der „Times vom 8. d. M. telegraphirt: „Die Bevölkerung von Bahej hat Fadhil Ali, der in 1863 zu Gunsten seines Oheims, des ver- storbenen Sultans, abdankte, weil er damals noch sehr jung war, zum Sultan gewählt. Ein zeitiges und rasches Steigen des Ganges und Brahmaputra hat die Indigosaaten sehr beschädigt.

Der „Bombay Gazette“ zufolge is Herr de Lesseps geneigt, sein Projekt einer Eisenbahnlinie zur Verbindung Ruß- lands und Centralasiens mit Indien zu Gunsten einer Eisen- O zwishen Rußland und China zeitweilig auf- zugeben.

Der „New York Herald“ enthält die Nachricht aus Amoy vom 9. Juli, daß die aus Veranlassung der japanischen Expedition gegen Formosa entstandenen Streitigkeiten zwishen China und Japan friedlich beigelegt seien und die chinesische Regierung fich zur Tragung der Kosten bereit er- klärt, sowie die Garantie für Sicherheit der Fremden über- nommen habe.

N 28 bes Justiz-Ministerial-Blatts für die préu- ßishe Geseßgebung und Rechtspflege, herausgegeben im Bureau des Justiz - Ministeriums, enthält: Bekanntmachung vom 6. Juli 1874 betreffend das Verzeichniß der höheren Lehranstalten

des preußischen Staats.

Statistische Nachrichten.

Das Rechnungs - Departement des Kaiserlih Königlichen Finanz- Ministeriums (Abtheilung für die indirekten Abgaben) veröffentlicht die Grgebnisse der Verzehrungssteuer in Desterreich- Ungarn im Jahre 1873. Die „Wien. Z.“ entnimmt der Publika- tion Daten, welche darthun, daß die Ergebnisse der Konsumtionssteuer auf allen Gebieten, mit Ausnahme derjenigen der Zuckerproduktion, einen beträchtlichen Aufshwung erfahren und sich gegen das Vorjahr um 1,917,251 Fl. respektive um 3,12 % gesteigert haben. Die Ge- sammtbevsölkerung der im Reichsrathe vertretenen Länder beträgt nach der Zählung vom 31. Dezember 1869: 20,217,531 Einwohner, wovon 1,180,466 in sogenannten „geschlossenen Städten“ und 19,037,065 am A Lande wohnen. Ein auf statistischen Erhebungen basirender

ergleih zwishen der Bevölkerungszahl vom Jahre 1873 und der- jenigen vom Jahre 1872 ift wegen Mangels der Daten nicht möglich. Der Gesammiertrag der Verzehrungssteuer betrug im Jahre 1873 63,308,208 Fl. gegen 61,390,957 Fl. im Jahre 1872, somit im Jahre 1873 um 1,917,251 Fl. oder um 3,12% mehr als im Vorjahre. Von dem Ge1zammtergebnisse pro 1873 entfallen 17,053,218 Fl. auf die sogenannten geschlossenen Städte und 46,254,990 Fl. auf das offene Land, gegen 15,890,819 Fl. und 45,500,138 Fl. im Jahre 1872.

Die Ausgrabungen in Olympia.

Dem Bericht, den Professor Curtius in dem neuesten Hefte der „Preußischen Jahrbücher“ über seine Reise nah Griechenland erstattet, entnehmen wir Folgendes:

Auf die Anregung Sr. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen ist das Projekt der Aufdeckung in Olympia, welcher hon König Friedrich Wilhelm IV. auf eine von K. Ritter, Bötticher und Professor Curtius 1853 gemachte Eingabe eine lebendige Theil- nahme zuwandte und für welche auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers im Juli 1869 eine vorberathende Kommission eingeseßt wurde, nunmehr in Fluß gekommen, und es ist an maßgebender Stelle anerkannt worden, daß eine für Kunst und Wissenschaft so viel ver- sprechende Unternehmung würdig sei, vom Deutschen Reiche als eine seiner ersten größeren Friedensaufgaben in Angriff genommen zu werden.

Bis jetzt sind auf griehischem Boden immer nur einzelne Denk- mäler der Gegenstand von Ausgrabuagen gewesen, die Tempel in Affsos, Magnesia, Ep“esos, in Aigina, Phigaleia, Kartheia, Eleusfis, das Hereion bei Argos, die Burgen der Troas, die Kuppel- bauten von Mykenai, das Theater von Athen, sowie einzelne Grab- stätten und Gräberstraßen. Jn größerem Zusammenhange ift nur die attishe Akropolis untersuht worden. Wenn nun also das die wür- digste Aufgabe ist, eine zweifellos denkmälerreiche Stätte in der Weise aufzudecken, daß man die aus den Schriften der alten Periegeten be- fannten Monumente in ihrem örtlichen Zusammenhange wieder an das Licht zieht, so müssen die Gedanken auch jeßt noch, wie in den Tagen Winckelmanns, auf Olympia zurückommen. Denn hier war ein Mittelpunkt nationaler Geschichte; hier ist die Fülle von Schrift- und Kunstdenkmälern aller Gattungen äm sichersten verbürgt, und unter ibnen find diejenigen, welche zur Entführung am wenigsten reizten, Tempelskulpturen und Inschriften, für uns die allerwichtigsten. Hier ist der Boden frei, d. h. nur mit Saaten und Pflan- ungen bestanden, während die anderen Orte, auf welche man sonst sein Augenmerk richten müßte, Athen, Delphi, Eleufis , Argos, Theben von neueren Ortschaften überbaut sind. Hier ist ein weicher

Boden, welcher die zusammenstürzenden Trümmer aufgenommen und '

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Berlin. „Friedrich Wilhelmder Dritte, König von Preußen, und Seine Durchlauchtigsten Söhne: König Pr O Wilhelm der Vierte und Kaiser und KönigWil- »elm, drei Lebenss\kizzen“, ift der Titel einer im Verlzge von Alexander Dun cker hierselbst von Dr.R. G. Stillfried, Ober-Cere- monienmeister Sr. Majestät des Kaisers und Königs, Königlich preuß. Wirkl. Geh. Rath u. \. w., herausgegebenen Schrift, deren Erlös für das Augusta-Hospital in Berlin bestimmt is. Den Zeitraum vom 3. August 1770, dem Geburtstage König Friedrich Wilhelms IIL., bis zum 2. September 1873, dem Tage der feierlichen Enthüllung des Siegesdenkmals auf dem Königsplaße umfassend, stellt dieselbe in großen Umrissen Preußens ereignißreihe Geschichte unter den genannten drei Herrschern in chronifkartiger, und deshalb sehr Übersichtlicher Weise dar. Wichtige Urkunden, Schreiben, Armeebefehle dienen zur weiteren Ausführung der Lebensskizzen. Dem vortrefflich ausge- statteten Hefte sind außer einer Stammtafel das Porträt König Friedrich Wilhelms IIl. nah einer Rauchschen Büste, dasjenige König Friedrich Wilhelms IV. nach dem Originalgemälde von Prof. Otto und das Sr. Majestät des Kaisers und Königs nach einer Ori- ginalbüste von Prof. Bläser in Phgotolitographie, sowie ein Gruppen- bild König Friedrich Wilhelm [I]. mit der Königin Louise und Seinen beiden ältesten Söhnen darstellend, beigegeben.

De eiserne Ehrenbürger-Brief der Stadt Chem- niß, welcher in diesen Tagen dem Reichskanzler Fürsten von Bis- mardck übergeben worden ist, trägt auf der feinen gußeisernen Schrift- platte die Widmungsworte: „Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Bis- marck, Kanzler des Deutschen Reiches, der sich dur sein mannl[zaftes Eintreten in den Kampf gegen die finsteren Pläne römischer Herrsch- begier von Neuem als der unermüdliche Vorkämpfer für Deut\ch- lands Einheit und Größe bewährt hat, ist zum Zeichen tief empfun- denen Dankes das Ehrenbürgerrecht unserer Stadt von uns ertheilt worden. Chemniß, den 26. Februar 1874. Der Rath der Stadt Chemnitz. Müller, Bürgermeister. Die Stadtverordneten. Melzer, Vorsißender.

Das Gesangsfest, welches der Märkische Sänger- bund is zu arrangiren pflegt, fand diesmal nicht in Neu- stadt E.-W., sondern in Freienwalde a. O. unter großer Theil- nahme der einzelnen Gesangvereine und des Publikums am vorigen Sonntag statt. Die Berliner Gesangsgenossen traten in zwei besonde- ren Zügen die Fahrt an. Freienwalde hatte sich festlich ges{chmüdckt, alle Häuser waren bekränzt und mit Fahnen dekorirt. Auf dem Marktplaße versammelten fich die Mitglieder der 59 Gesangvereine ; hier überbrahte auch der Bürgermeister Linsing den Dank und Gruß der Stadt in einer kurzen Ansprache, die in einem jubelnd aufge- nommenen Hoch auf Se. Majestät den Kaiser endete. Um 105 Uhr seßte si. der lange Zug vem Marktplaße aus unter Gesang und Musikbegleitung in Bewegung nach dem auf steilem Hügel gelegenen Eichenhain, wo die Hauptfeier stattfinden sollte, Diesec Theil der Feier begann init dem Massengesange des Liedes „Dich grüßt Freienwalde “. Der mit großem Beifall aufgenommene Pcolog stammte von Hrn. Karl Weise her und endete mit einem Hoh auf Franz Mück und den Märkishen Sängerbund. Die Festrede hielt Hr. Lehrer Sondermann aus Berlin. Demnächst wurden fünf Fahnen eingeweiht und die Fahne des Gesangvereins „Amicitia“, welcher sein 25jähriges Bestehen feierte, mit einem silber- nen Kranz geschmüdckt. Sieben Vereine ließen sih neu in den Bund aufnehmen. Der Nachmittag war geschäftlihen Verhandlungen und privaten Vergnügungen gewidmet, bis die sechste Stunde den ganzen Festzug zur Schlußfeier wieder anf den Marktplaß führte, von wo der Marsch nach dem Bahnhofe angetreten wurde.

Wie in der am Sonnabend abgehaltenen Sißung der geo- graphischen Gesellschaft mitgetheilt wurde, ist ein Brief des Dr. Nachtigall eingetroffen, welcher vom 20. April datirt ist und das Wohlbefinden des Afrikareisenden konstatirt. Dr. Nachtigall ichreibt, daß er Gelder und Briefe empfangen habe und im Mai seine Rückehr in die Heimath über Chartum anzutreten gedenke, da er sein Unternehmen eigentli als vollendet betrachte. Der Brief be- zeugt die günstige Stimmung des Reisenden. “Sobald derselbe zurück- A {ein wird, wird die Gesellschaft eine außerordentliche Sißung abhalten.

Landwirthschaft.

Der Vorstand des Vereins zur Befördervng des Seidenbaues in der Provinz Brandenburg hat den diesjährigen Berliner Coconmarkt auf Mittwoch, den 15. d. M., festgeseßt. Derselbe wird in der Turnhalle, Prinzenstraße 57, abgehalten werden. Die Generalversammlung der Mitglieder des Seidenbau-Vereins findet an demselben Tage in demselben Lokale ftatt.

Aus Rheinhessen, 8. Juli, wird dem „Fr. J.° über die Ernte mitgetheilt: Die Folgen der Fröste sind bei Weitem nicht so bedeutend, wie man annahm. Mit wenigen Auênahmen wird der allge- meine Stand der Früchte von erfahrenen, vorurtheilsfreien Männern als ganz vorzüglich bezeichnet. Die Körnerfrüchte versprechen ein recht befriedigendes Ergebniß; nur die Gerste steht hier und da etwas mager. Den Futtergewächsen dagegen war der geringe Vorrath an Winter-Fêuchtigkeit durchgängig hinderlich, und am Klee wird wohl eine Schur eingebüßt werden. Einen Rückschlag auf die Fleischpreise wird dies i-dessen kaum üben, da der Viehstand der Provinz noch immer sehr reduzirt ift und die Produkte der Milchwirthschaft übri- gens auch bereits fabelhafte Preise erlangt haben. Der Weinstock steht überall prächtig. Kräftige, gesunde Ansäßte sind die vielversprechende Haupteigenschaft der zahlreichen, sehr großen Gescheine, und die Blüthe ist unter den günstigsten Umständen verlaufen. An einigen

Berlin.

sie, durch Abspülung der nahen Höhen sowie durch Ueberschwem- mungen des Alpheios allmählich erhöht, in seinem Schooße geborgen

hat; hier ist das Ausgrabungsfeld durch Alpheios und Kladeos, die ;

in rechtem Winkel zusammen treffenden Flüsse, sicher begrenzt; hier ist das Centrum durch die Ruine des Zeustempels festgestellt, so daß man nicht, wie in Ephesos, Jahre lang tastend umhersuchen muß, fondern einen gesicherten Ausgangspunkt hat; hier hat, so viel wir wissen, kein zer- störender Kampf des Christenthums und des Heidenthums stattgefunden. Hier sind nah dem Verfall des Alterthums keine bedeuter deren Neubauten gemacht, und es sind keine neueren Städte vorhanden, deren Bewohner das versunkene Material herausgeholt und verbaut oder zu Kalk ver- brannt Haben. Hier werden dur Fischer und durch Bauern fortwäh- rend Alterthümer gelegentlich gefunden, und die einzige gründlichere Ausgrabung, welche hier veranstaltet worden ist, die der Franzosen im Jahre 1829, welche nah wenig Wochen mitten im besten Finden ab- gebrochen werden mußte, hat den Beweis geliefert, daß von dem alten Snventar der Altis, das Pausanias beschreibt, noch ein ansehnlicher Rest vorhanden ist.

Günstigere Vorausseßungen sind also nicht denkbar und darum fam auch Ludwig Roß, einer der genauesten Kenner Griechenlands, 1853 auf den Winckelmannschen Plan zurück und suchte durch Privat- beiträge die Mittel zusammenzubringen. Das geringe Ergebniß wurde später auf das Heraion in Argos verwendet.

Ueber eine an Ort und Stelle vorgenommene Besichtigung des T-r- rains der projektirten Ausgrabungen meldet Professor Curtius: ¿DiÉ Schwierigkeiten des Unternehmens sind unverkennbar. Eine Schicht von ungefähr 12 Fuß Höhe liegt über dem Boden des Tempelbezirks, und wir haben feine Ahnung davon, wie hoh sich die Grundmauern der andern Gebäude, die den Tempel umgeben, über dem alten Bo- den erhalten haben. Es fehlt an Land- und Wasserstraßen, die den Transport erleihtern könnten ; die Entfernung der beiden nächsten Dörfer erschwert die Arbeit. Das Klima is übrigens nach allen Erkundigungen viel besser, als man gewöhnlich annimmt, und nur in den heißesten Sommermonaten wird die Arbeit ausgeseßt werden müssen. Der Erdboden is weih, und. einige zum Versuche gemachte Gräben zeigten, daß unter der Oberfläche die Tempeltrümmer, wie sie zusammengestürzt sind, noch unberührt in weichen Schlamm gehüllt liegen. Man wird also von der West- und

Stellen verursaht der Mangel an Regen zwar bereits Abfallen Ver Beeren, für jeßt ist dies indessen ohne Bedeutung, und wenn die Witterung in den nächsten zwei Monaten nicht ganz abnorme Sprünge macht, wird das gegenwärtige auch zu den Weinjahren gezählt werden.

Gewerbe und Handel.

In der Generellen Uebersiht über diej nigen Aktiengesellschaften 2x., welche mit Nr. 157 d. Bl. ausgegeben, ist am Schlusse bei Afktien-Verein des Zoologischen Gartens 1,000,000 Thl-. ftatt 100,000 Thlr. Aktienkapital zu lejen.

Nath einer telegraphischen Depesche der „Weser-Zeitung“ aus Emden, 6. Juli, ist das Jagerschiff der dortigen Heringsfischerei mit dem ersten diesjährigen Heringsfange, 291 Tonnen, eingetroffen.

London, 9. Juli. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nach-

richten haben seit gestern circa 20,000 Kohlenbergwerks-Arbei- ter in Süd-Yorkshire die Arbeit niedergelegt, weil sie auf eine Herabseßung der Löhne um 123% nicht eingehen wollen. Es heißt indeß, daß dieselben eine Herabseßung der Löhne um nur 10% anzunelzmen geneigt seien. _ Großbritanniens Exporthandel ist noch immer nicht im Zunehmen begriffen. Nach den offiziellen Tabellen des britischen Handelsamtes repräsentirte der Gesammtwerth des Exports von bri- A und irischen Produkten im Monat Juni einen Werth von 19,367,613 Lftr. gegen 19,460,083 Lstr. im Juni 1873 und 20,223,621 Lstr. im Parallelmonat von 1872. Eine beträchtliche Zunahme zeigt indeß die Einfuhr des Monats, sie betrug 34,124,424 Lstr. gegen 30,242,119 Lftr. im Parallelmonat des Vorjahres.

Verkehrs-Anstalten.

Berlin. Die Kaiserlich deutsche Telegraphen-Verwal- tung zählte am Schluß des leßten Jahres 336 selbständige, 957 mit Postanstalt verbundene, 155 Privat- resp. zur Verwaltung übertragene und 21 von Kommunen errichtete und unterhaltene Stationen; im Ganzen 1469 Stationen; 78 mehr als am Schlusse des Jahres 1872. Das Personal bestand aus 296 Beamten der General-Direktion (die Unterbeamten eingeschlossen). Bei dem Betrieb der selbständigen Stationen waren 3135 Beamte und 813 Unterbeamte, bei dem Be- trieb der nicht selbständigen Stationen 1700 Personen, mithin im Ganzen 5944 Personen beschäftigt. Die Gesammtlänge der Tele- graphen-Linien betrug 39,643 Kilometer (gegen das Vorjahr 2158 mehr), der Telegraphen-Leitungen aber 104,440 Kilometer (gegen das Vor- jahr 6551 Kilometer mehr).

Düsseldorf, 8. Juli. Der Ausschuß des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlihen JFnter- essen in Rheinland und Westfalen war gestern zu einer Sitzung zusammengetreten. Gegenstand der Becathung war die ihm zugegangene Aufforderung. einea Delegirten zu der am 22. d. M. im Reichs-Eisenbahn-Amte zu Berlin stattfindenden Konferenz bezüglich der Tarifreform zu ernennen. Der Ausschuß beschloß bei dem Reichs- Eisenbahn-Amte zu beantragen: „die Erhebungen und die Beschluß- fassung über die Carifreform bis zum Oktober dieses Jahres zu ver- tagen, in der Zwischenzeit dem deutschen Handelsstande die für die erstere in Ausficht genommenen Grundsäße und Tarifvorschriften zur Begutachtung zu unterbreiten und erforderlichen Falls das durch die Tariferhöhung bis zum 31. Dezember cr. geshaffene Pcovisorium ent- sprehend zu verlängern.“ Für den Fall, daß das Reichs-Eisenbahn- Amt auf diesen Antrag nicht eingehen sollte, wurde die Hrrn. Direk» tor Bertelsmann und General-Sekretär Bueck zu Delegirten des Vereins für die in Berlin stattfindenden Konferenzen gewählt. Zur Berathung der Tarifvorschriften und des Systems, welches bei der Tarifreform befolgt werden soll, sowie zur Pcúfung der für die Ein- reihung der Waaren - Artikel in die neuen Spezialtarife gemachten Vorschläge (Nr. 6 der Mittheilungen dev Vereins, Seite 173 - 183) wurde für den 20. d. M. eine weitere Ausschußsißung anberaumt, zu welchec auch Delegirte der befreundeten wirthschaftlichen Vereine, fowie der Handelskammern Rheinlands und Westfalens eingeladön werden sollen.

Swinemünde, 10, Juli. (W. T. B.) Der Postdampfer des baltischen Lloyd, „Humboldt", is: gestern via Antwerpen nach New-York in See gegangen.

Der Riesendampfer „Great Eastern" wird am 26. d. M. absegeln, um die Legung des neuen Kabels der Anglo-Ameri- kanischen Telegraphen-Gesellshaft zwischen Irland und Neu- fundland zu vollziehen. Das neulih gerissene 186ber Kabel ist auf der Höhe der irischen Küste aus der Tiefe gehoben worden; stür- misches Wetter verhinderte indeß bis jeßt die Verbindung der gerisse- nen Theile.

New-York, 8. Juli, Der Dampfer der Hamburg-amerikani- schen Gesellschaft „Silesia is heute Morgen hier angekommen.

Aus dem Wolff'shen Telegraphen-Büreau.

London, Freitag, 10. Juli, Vormittags. Das Unterhaus trat heute auf Antrag von Gurney in die zweite Lesung des Gesetzent- wurfs über die Regulirung des öffentlihen Gottesdienstes ein. Hall beantragte, unterstüßt von Knatchbull-Hugessen, die Verwer- fung des Geseßentwurfs, gegen welhen auch Gladstone sih mit Entschiedenheit aus\prach. Gladstone erklärte, wenn das Geseß die zweite Lesung passiren sollte, werde er einen Antrag gegen die Berathung im Comité stellen, und theilte ferner mit, ‘daß er mehrere Resolutionen gegen den Gesezentwurf einbringen werde. Nachdem dann noch mehrere Redner für und gegen den Geseß- entwurf aufgetreten waren, wurde die Berathung auf Montag vertagt.

Ostseite des Tempels den Boden zunächst bis auf etwa 50 Fuß frei- legen, um zu sehen, was an Tempelskulpturen zu finden ist, und dann in der Linie, wo man die bedeutendsten Gründungen von Olympia in dichten Gruppen voraus)eßzen darf, das Pelopion, den großen Altar, das Heraion und das Metroon, gegen den Kronos-Hügel vordringen, an dessen Fuße die Schaßhäuser der hellenishen Staaten lagen.“

Aus dem Reisebericht sei die Bemerkung erwähnt, die Curtius hin- sichtlich des Schliemannschen Fundes, den er in Athen besichtigte, macht: „Wenn es auch niht möglich war, in der Folge der Fundschichten eine urkundliche Geschichte der troischen Vorzeit zu erkennen und die in Bezug auf JIlion und seine Dynastie gemachten Folgerungen anzuerkennen, so trat uns doch die Alterthümlichkeit der älteren Thongefäße, sowie der vielbesprochene Eulenkopf überzeugend entgegen, und es schien mir hierin ein interessanter Ueberrest phönikisher Idolatrie und phönikischer Ansiedlung am Hellespont erhalten zu sein“.

Der Direktor der Sternwarte des Collegio Romano, P. Secchi, macht im „Osservatore Romano" unterm 29. v. M. über den Ko - meten Coggia folgende Mittheilungen: Die Astronomen sind im eifrigen Studium über die Lösung verschiedener Probleme, die sie mit dieser Erscheinung in Verbindung bringen. Der Kometenkern hat be- reits einen \{chöônen Strahlenfächer entfaltet; die Strahlen waren fast gleihförmig, und keiner zeigte eine außerg wöhnliche Form, wie dies bêi den Kometen von 1860 und 1862 der Fall war. Das prismatische Spektrum ist aus den drei Zonen Gelb, Grün und Blau von Kohlen- oxyd zusammengeseßt, und die mittlere, nämlich die grüne, i1t äußerst lebhaft. Die Zonen sind verdunstet, wie der Fächer, und stellen bis jeßt noch nicht scharfe metallische Linien dar. Ein shwaches- beharr- lihes Spektrum verband sämmtliche drei Zonen und ging, wenn nicht Mondschein war, von dem lebhaftesten Theil des Kernes aus. Bisher bilden die parabolishen Elemente seiner Bahn keine Anhaltspunkte für die Beobachtung, daher ist auh nicht festzustellen, ob er periodish sei. Die Beobachtungen, die auf der anderen Hemisphäre gemacht werden, dürften die Lösung dieser Frage erleichtern.