1874 / 171 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Jul 1874 18:00:01 GMT) scan diff

als Landespolizeibehörden die Fürsorge für das Gemeinwohl der Unterthanen in negativer und positiver Hinsicht übertragen ist und dieselben danach berehtigt und verpflichtet erahtet sind, Allem vorzu- beugen, was dem Staate und seinen Bürgern Gefahr oder Nachtheile bringen kann, mithin die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der dffent- lichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung zu ggessen; daß nah §. 2 ad 3 der Instruktion vom 23. Oktober 1817 (Geseß-Samml. S. 249) als zu den vor die erste Abtheilung der Regierungen gehörigen Gegenstän- den die Vorkebrungen gegen ansteckende Krankheiten und Seuchen unter Menschen und Thieren bezeichnet werden; daß nach der allgemeinen Bestimmung des §. 10 der Allerh. K. O. vom 8. August 1835 (Re- gulativ über sanitätspolizeilihe Vorschriften) Geseß-Samml. S. 240 welche sich auch mit den ansteckŒenden Krankheiten unter Thieren beschäftigt] (vergl. §8. 92 ff., 109 ff., 119 ff.) die Polizei- behörde verpflichtet is, die ersten Fälle ansteckender Krankheiten ärztlih untersuhen zu lassen und darüber der vorgeseßten Behörde Mittheilung zu machen, ces aber dem Ermessen derbetreffenden Regierungen überlassenist, ob die Umstände eine Bekanntmachung dur h die Amtsblätter gerathen machen; und daß nah 88. 2, 3, 4, 6, 7 der Verordnung wegen Abänderung und näherer Bestimmung einiger Vor- schriften des Patents vom 2. April 1803 wegen Abwendung der Vieh- Jeuchen vom 27. März 1836 (Ges. Samml. S. 173) die Anordnung der Sperrmaßregeln den Provinzialbehörden vorbehalten und nur für bestimmte Fälle den Magisträten und Landräthen die Vornahme be- \stimmter Sicherheitêsmaßreg ln überlassen, zugleih aber vorgeschrieben ist, daß auch in solhen Fällen die gedachten Polizeibehörden der ihnen vorgeseßten Regierung und dem Ober-Präsidenten Anzeige zu machen und von ihnen weitere Verhaltungsbefehle zu erwarten haben; in Er- wägung sodann, daß in Uebereinstimmung mit der zur Zeit der Ema- nation des Preuß. Strafgeseßbuchs bestehenden Geseßgebung nach S. 307 desselben die Uebertretung der Abjperrungs- oder Aufsichts- maßregeln, welhe von der Regierung zur Verhütung des Ein- führens oder Verbreitens von Viehseuchen angeordnet sind, unter Strafe

eftellt ist, und daß unter dem Ausdrucke „Regierung“ nicht jedes

rgan der Staatsregierung im Allgemeinen, also niht jede Obrig- keit oder Behörde überbaupt, sondern eine bestimmte Behörde, näm- lih die zuständige Bezirksregierung (Landespolizei-Behörde), vergleiche §S. 93, 120, 146 des Preuß. Strafgeseßbuchs, im Gegen- faße zu den Orts- und Kreispolizeibehörden, vergl. §. 119, 3. ibig., hat verstanden werden sfollen, wie dies auch aus der Beseitigung des in den früheren Entwürfen zum Dees gewähiten Ausdruckes „Obrigkeit“, welcher erst in dem Entwurfe zum Strafgeseßbuch von 1850 durch „Regierung“ erseßt ist, deutlih hervorgeht ; vergl. Golt- dammers Math. I1. S. 632; Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 13. Januar 1854, Entscheidungen Bd. 27, S. 143; daß der Entwurf des Strafgeseßbuchs für den Norddeutschen Bund sich in §, 325 in wesentlicher Uebereinstimmung mit der Vorschrift des §. 307 Preuß. Strafgefeßbuhs bei Bezeichnung der für die fraglichen Absperrungs- und Aufsichtsmaßregeln kompetenten Bel: örde des Ausdruckes „Landes- polizeibehörde“ bedient hat, welher in Folge eines bei den Ver- handlungen des Reichstages gemachten Abänderungsvorschlages- durch den allgemeinen Auédruck „zuständige Behörde“ erseßt worden ist, er- sichtlich in der Absicht, die in Betreff der Zuständigkeit der fraglichen Behörden in den Einzelstaaten bestehenden geseßlichen Bes immungen unberührt zu lassen; daß sonach dur die für den §. 328 Reichs- Strafgeseßbuchs beschlossene Fassung in dem Rechtszustande innerhalb der preußischen Monarchie eine materielie Aenderung nicht getroffen worden ist ; in Erwägung, daß die Ausführung der Nichtigkeitébeschwerde, es Fei, wenn man mittelst der Beseitigung der im Entwurfe §. 324 gewähl- ten Bezeichnung „Landespolizeibehörde" und mittelst der Wahl des Ausdruckes e¿uständige Behörde“ keine wesentlihe Aenderung beabsich- tigt hätte, zweckmäßiger gewesen, bei dem Ausdrucke „Landespolizei- behörde“ stehen zu bleiben, weil damit allgemein die der preußischen Regierung „entsprechende Behörde bezeichnet“ gewesen wäre, niht zu- treffend erscheint, weil -- wie die in §. 328 Reichs-Strafgeseßbuchs gewählte Faffung ergiebt, die Absicht des .Geseßgebers nicht dahin gegangen ist, die in Preußen betreffs der Kompetenz der fraglichen Behörden geltenden Bestimmungen in die Reichégeseßgebung einzufüh- ren, sondern vielmehr, die dieserhalb in den einzelnen Staaten be- stehenden Bestimmungen als maßgebend zu erklären: daß sonach der Appellationsrichter, wenn von demselben angenommen worden ist, daß die von dem Königlichen Landrathe, Kreises Naugard, angeordnete Absperrung des Ortes Daber, Freiheit nicht unter den Begriff der von der zuständigen Behörde ay 8. 328 Reichs-Strafgeseß- buchs anzuordnenden At1perrungsmaßregeln falle, die Vorschriften des Patents vom 2. April 1803 und §. 328 Reichs-Strafgesezbuhs nicht verleßt hat; daß mithin, wie gesehen zu erkennen gewesen ift ; für Recht erkannt: daß die Nichtigkeitsbes{werde gegen das Erkenntniß des Kriminal-Senats des Königlichen Appellationsgerichts zu Stettin E fe September 1873 zurückzuweisen und die Kosten außer Ansaßtz zu lassen.

Der General-Intendant der Königlihen Schauspiele von Hülsen hat fih nah Helgoland begeben.

Sachseu. Dresden, 22. Juli. Der König hat ih gestern Abend 6 Uhr nah Ostende begeben.

Württemberg. Friedrihshafen, 20. Iuli. Der Großherzog und die Großherzogin von Mecklenbur g- Schwerin find gestern Abend, die Herzoginnen Helene, Mathilde und Pauline von Württemberg heute Morgen von hier wieder abgereist. Die Herzoginnen begeben sh nah Schloß _Horn bei Rorshach zum Besuch der dort weilenden Tan von Hessen-Philippsthal, geb. Herzogin von Württem-

erg.

Sessen. Darmstadt, 21. Iuli. Die Erste Kammer der Stände erledigte in ihrer heutigen (19.) Sißzung die Re- gierungsvorlage über das Nachtragsbudget. Im Alge- meinen wurden die einzelnen Positionen gemäß den Beschlüssen der Zweiten Kammer genehmigt. Von Differenzen is u. A. her- vorzuheben: 1) die von der Zweiten Kammer gestrichene Befol- dungsaufbesserung des tehnishen Raths bei der Pöftkommission wurde genehmigt. 2) Die Anforderung für die Kreis\chulinspek- toren wurde nur unter der Voraussezung bewilligt, daß die Re- gierung, wenn irgend thunlih, weniger als 18 Kreis\hulinspek- toren anstellen werde. 3) Der von der Zweiten Kammer ange- nommene Antrag des Abg. Heinzerling : Das Schulgeld an Gym- nafien und Realschulen für mehrere dieselben besuhenden Kinder derselben Eltern verhältnißmäßig zu vermindern, wurde abgelehnt. 4) Dem Beschluß der Zweiten Kammer, die Eingabe der Real- \chuldirektoren und Reallehrer über die Besoldungsregulirung der Regierung zur etwa geeigneten Berücsichtigung zu empfehlen, wurde nicht beigetreten. 5) Die Besoldungserhöhung für die Lokalmedizinalbeamten wurde ohne die von der Zweiten Kammer beliebte Beschränkung auf die gegenwärtigen Inhaber der betr. Stellen genehmigt.

22. Juli. (W. T. B.) Der Herzog und die Her- zogin von Edinburgh sind heute Morgen nach Coburg abgereist. Die Kaiserin von Rußland hat \sich heute Nachmittag von der Großherzoglichen Familie verabschiedet und Jugenheim verlassen.

Meck&lenburg. Schwerin, 22. Zuli. Der Groß- herzog und die Großherzogin sind gestern Vormittag hier wieder eingetroffen und haben sih gleich weiter nah Rabenstein- feld begeben. Die Herzogin Marie is, den „Meckl. Anz.“ zufolge, zur Fortseßung der Kur zur Zeit noch in St. Moriy zurückgeblieben. |

Der vormalige Minister-Präfident Staats-Minister vo n Oerßzen if in der Schweiz porgestern Nachmittag nah langen Leiden verstorben.

Sachsen - Coburg - Gotha. Coburg, 22. Iuli. (W. T. B.) Der Herzog und die Herzogin von Edinburgh find heute Nahmittag um 6 Uhr hier eingetroffen. Die hohen Gäste wurden bei der Fahrt durch die Stadt von der Bevölke- rung mit lauten Kundgebungen begrüßt.

Anhalt. Dessau, 21. Iuli. In den ersten Stunden des heutigen Tages entstand hier in der Nähe des Herzoglichen Schlosses eine sehr bedeutende Feuersbrunst, die durch das über einen großen Theil der Stadt \ich ausbreitende Flugfeuer sehr verhängnißvoll werden konnte. Zum Glück blieb dieselbe auf die allerdings ziemlich ausgedehnten Gebäude der (zum größ- ten Theile auf einer Muldeinsel gelegenen) Herzoglichen Mühle beschränkt, welhe in sehr kurzer ‘Zeit, mit Ausnahme eines Wohngebäudes und einer größeren Fabrik, \sämmtlih ausbrann- ten. Auch der Thurm mit dem Reservoir einer Wasserleitung wurde zerstört. Leider ist auch der Verlust eines Menschenlebens zu beklagen.

Lübe, 20. Juli. In der gestrigen Sizung der Bürger- \chaft stand der anläßlih seiner Begutachtung dur den Bürger- aus\chuß schon erwähnte Senatsantrag auf Nachbewilligung von 40,922 Mark zur Deckung von Mehrverwendungen im Bauetat für 1873 auf der Tagesordnung. Die Geschäfts- führung der Baudeputation wurde dabei einer Kritik unterzogen, \hließlih jedo erfolgte die Nahbewilligung mit der au von der Bürgerschaft jetzt, wie \{chon vorher vom Bürgeraus\{huß ausgesprochenen Erwartung, daß, dem Regulativ für die Bau- deputation gemäß, die Nachbewilligung sofort beantragt werde, wenn während der Arbeit es ih herausstelle, daß eine Mehr- verwendung über die bewilligte Summe hinaus erforderlich

werde. Bei der Verhandlung über Revision der Wege - ordnung in derselben Sizung beschloß die Bürgerschaft mit großer Majorität den Wegsall der Chausseegelderhebung von der Zeit an, wo die Pachten für die einzelnen Hebestellen ablaufen.

Desterreih-Ungarn. Wien, 22. Iuli. Der Kaiser hat von Ischl aus sofort nah Empfang der authentishen Nach- rihten über das Attentat an den Reichskanzler Fürsten v. Bis- mar ck folgenden telegraphischen Glückwunsh abgesendet :

___ yLieber Fürst! Ich danke Gott für seine Gnade, mit der er Sie so fichtbarlich beschüßt hat. Empfangen Sie meine Glückwünsche und die Versicherung meiner Freundschaft!

Franz Josef.“

Die Königin Karola von Sachsen is unter dem Namen einer Gräfin von Plauen in Marienbad, die Prinzessin Hermine und die Prinzen Otto und Adolf von Schaum- burg- Lippe sind in Franzensbad zum Kurgebrauche eingetroffen.

(Wien. 3.) Jn der gestrigen Sizung der Inter- nationalen Sanitäts-Konferenz wurde die Berathung über das Reglement für die Seesanitäts-Inspektion beendet. Die früheren §8. 8, 9 und 10 des Entwurfes wurden mit einigen Aenderungen angenommen und die 8&8. 11 bis inclusive 15 mit Rücksicht auf die offen gelassene Frage über die Wirksamkeit der Desinfektion und ihrer verschiedenen Mittel fallen gelassen. Aus demselben Grunde wurde im 8. 8 (jeßt 5) der Passus gestrichen, welcher die Des- infektion mit \{hwefliher Säure behandelte.

Bei §8. 9 (jeßt 6) wurde über Antrag des niederländischen Delegirten, Marine-Sanitätsoffiziers F. L. Reeder, der Zusaß an- genommen, daß nach Entférnung sämmtliher Personen, mit Ausnahme der für die Bedienung des Schiffes unumgänglich nothwendigen Schiffsmannschaft, die Desinfektion des betreffenden Schiffes vorzunehmen sei.

Bei H. 10 (jeßt 7) wurde über Antrag des französischen Delegirten Dr. Fauvel der Zusaß angenommen, daß au Hadern (Lumpen) und Gebrauchsgegenstände von Cholerakranken nah strenger Desinsektion zur freien Praktik gelangen.

Die gefaßten Beschlüsse lauten:

8. 5. Gleichzeitig werden sämmtliche Kleidungsstücke, welche die gesunden Individuen an sih getragen oder auf der Fahrt gebraucht haben, so wie alle übrigen Essekten derselben in einem hierzu hergestellten Raume und unter strenger Kontrole Seitens der Behörden einer gründlihen Desinfektion unterzogen. Nach erfolgter Desinfektion werden die Effekten ihren Besißern, welche inzwischen das Reinigungsbad genommen haben, zurückgeliefert und diese werden. alsdann zu freier Praktik zugelassen.

8. 6. Nah Entfernung sämmtlicher Personen, mit Aus- nahme der für die Bedienung des Schiffes unumgänglih noth- wendigen, aus einem unter den sub §. 4 namhaft gemahten Verhältnissen eingelaufenen Schiffe wird dasselbe in allen seinen Räumen einer gründlichen Desinfektion unterworfen.

. 7. Die aus dem desinfizirten Schiffe debarquirten Waaren, auch Lumpen und Gebrauchsgegenstände von Cholera- kranken, gelangen nah strenger Desinfektion ohne Weiteres zur freien Praktik.

Nah Erledigung dieses Gezenstandes brachte der franzö- fishe Delegirte Dr. Fauvel die sanitären Uebelstände zur Sprache, welche die Ueberfüllung der Emigranten- und Pilgerschiffe im Gefolge haben, und betonte die Nothwendigkeit einer Abhülfe. Der englische Delegirte Dr. Seaton besprah mit anerkennens- werther Offenheit diesen namentlich von einzelnen englischen Schiffseigenthümern betriebenen sanitätswidrigen Massentransport.

Auch die niederländischen Delegirten wendeten si gegen diesen Mißstand. Der türkische Delegirte Dr. Bartoletti erachtete diesen Gegenstand für so wichtig, daß er beantragt-, die Entscheidung über denselben bis zur Berathung eines Reglements für die Seequarantaine-Anstalten zu verschieben. Dieser Antrag wurde angenommen.

In Betreff der dem Ermessen einzelner Staaten anheim- gestellten , Seequarantaine- Anstalten wurde im Interesse einer gleichmäßigen Einrichtung derselben der Beschluß gefaßt, die Quarantaine-Kommisfion mit der Vorlage eines diesbezüglihen Entwurfes zu beauftragen. Nachdem jedo die niederländischen und italienischen Mitglieder der Kommission diesen Antrag refu- sfirten, weil er ihren Ansichten über die Nußlosigkeit der See- quarantaine widerstreite, wurden in die Kommission gewählt: Dr. Hirsch (Deutschland), Ritter v. Alber-Glanstätten (Oefter- reih), Dr. Seaton (England), Dr. Fauvel (Frankreich) und Dr. Bartoletti (Türkei).

Auch über die Flußquarantaine wurde gestern debattirt, und es einigte fich die Konferenz in der Anschauung, daß dieser Gegenstand analog den über die Seequarantaine gefaßten Be- \chlüfsen zu behandeln sei.

__ Pest, 21. Juli. Das Abgeordnetenhaus beschloß, täg- lih von 9 bis 2 Uhr Sizungen zu halten. Hierauf wurde die Wahlgeseßvorlage von §. 6 bis. §. 9 erledigt.

Großbritannien und Jrland. London, 22. Iuli. Großbritanniens Staats\chuld is einem parlamenta- rischen Blaubuche zufolge seit dem Iahre 1857 um 7,894,763

Lstr. herabgemindert worde und beläuft egenwärtig au 779,283,245 Lftr. Aae E

Am 18. d. M. wurde die Arbeiterstadt im Süden von London, soweit dieselbe bis jegt vollendet ist, mit einer Feier- lihkeit eröffnet, bei welher der Earl von Shaftesbury, der Pre- mier-Minister Disraeli, Lord Granville und andere Personen von Distinktion zugegen waren. Disraeli hielt eine kurze An- sprache, in welcher er den Earl von Shaftesbury zu dem Er- folge seines Unternehmens beglückwünshte. Er bemerkte, daß dadur eine Frage gelöst worden sei, welche verschiedenen Parla- menten Verlegenheiten bereitete, nämlih die Frage, wie passende Wohnungen für die Arbeiterklassen zu beschaffen seien. Lord Granville {loß \sich den Glückwünschen des Premier-Ministers an, worauf Lord Shaftesbury die Kolonie förmlih eröffnete.

Diese Arbeiterstadt, zu der im August 1872 der Grundstein gelegt wurde, is in Lavender-Hill, im südlihen Stadttheile Battersea, unweit der Clapham JIunction Station gelegen und führt nah ihrem Gründer, dem philantropischen Earl von Shaftes- bury, den Namen „Shaftesbura-Park“, Im besonderen Inter- esse der bemittelten Handwerkerklasse gegründet, find bereits 749 Häuser verschiedener Klassen bewohnt, und im November d. J. wird die „Stadt“ 1200 Häuser mit 8000 Einwohnern enthalten. Sie ist das Werk der „Artisans, Labourers and General Dwel- lings Company“, die ihre Thätigkeit in 1867 mit einem Aktien- kapital von 500 Lstr. begann und nun über ein Kapital von über 112,000 Lstr. verfügt. Außer den Wohnhäusern, die zu civilen Preisen entweder vermiethet oder verkauft werden, enthält die Stadt einen öffentlichen Lustgarten, Schulen, eine Lesehalle, Genossenschaftsmagazine, aber- nicht ein einziges Wirthshaus oder Pfandleihegeshäft. Die Miethe der Häuser variirt von 5s 94d per Woche für ein fünfräumiges Haus, bis zu 26 Lstr. jährlih für ein ahträumiges Haus, während der Kaufpreis dieser Häuser zwischen 150 und 310 Lstr. beträgt.

Aus Ottawa wird unterm 20. ds. per Kabel gemeldet: Die Handelsbehörde des Dominion hat sfich zu Gunsten der Abschließung eines neuen Gegenseitigkeitsvertrages zwischen Canada und den Ver. Staaten ausgedrückt und ein Comité ernannt, das den Gegenstand einer Prüfung unterziehen foll.

283. Juli. (W. T. B.) Gestern wurde vom Lord- mayor zu Ehren des Ministeriums ein Festmahl ge- geben. Disraeli erwiderte den Toast auf das Ministerium. Er berührte darin zunächst die kirhlihen Fragen und erklärte, An- gesihts des gegenwärtig allerorten zum Ausbruch gekommenen Konsflikts zwischen der staatlihen und der kirhlihen Gewalt, sei es die Pfliht der Regierung, fich - auf den kommenden Sturm der Stärkung der kirchlihen Institutionen vor- zubereiten, welche er als einen Schirmwall der politisc;en Freiheit betrahte. Bei Erörterung der politishen Ver- hältnisse äußerte Disraeli darauf, es fei unmögli, die allgemeine politishe Situation mit Befriedigung anzu- schen, da einige der bedeutendsten Nationen, was er be- klagen müsse, entweder eine Beute der Anarchie ge- {orden seien oder sih in noch niht genügend befestigten Zustän- den befänden. Die Freundschaft Englands sei zu keiner Zeit mehr wie heute begehrt worden, die Regierung werde ihren Einfluß im Interesse des Friedens und der allgemeinen Wohl- fahrt geltend machen und mißbillige den Grundsaß, daß Eng- land für seine Haltung Europa gegenüber nit verantwortlih \ei. Der Minifter ecklärte \{ließlich, die Regierung halte es für ihre Aufgabe, in allen brennenden Fragen durch Geltendmachung ihres Einflusses im Sinne der Erhaltung des Friedens zu wirken und werde durch freundschaftlihe Rathschläge die noch in Ver- wirrung befindlihen Länder in ihren Bemühungen unterstügen, eine würdige Stellung und ihr früheres Anschen wieder zu er- langen.

Frankreich. Paris, 21. Juli. Das „Journal officiel‘ veröffentliht den amtlihen Ausweis des Erträgnisses derx direkten und indirekten Steuern während des ersten Hatbjahres 1874. Von den direkten Steuern sind über die am 31. Juni fälligen 276,903,000 Francs hinaus 42,186,000 Fres. mehr eingegangen, während im Vorjahr dieser Ueberschuß nur 38 Millionen betragen hatte. Die Steuer auf die beweg- lihen Werthe, welche für das ganze Jahr auf 32 Millionen ver- anshlagt ift, hat während dieses ecsten Semesters 18,536,000 Fres. eingetragen. Die Beitreibungskosten, die während des ersten Quartals von 1,97 auf 1, pro Mille ge- stiegen waren, haben \sich um 1 Cent. pro 1000 Fres. vermindert. Das Gesammterträgniß der indirekten Steuern ist um 26,732,000 Fres. hinter den Voranschlägen zurückgeblieben. Faßt man das Verhältniß zwischen den alten und neuen Steuern näher ins Auge, so ergeben \sich folgende Resultate: die alten Steuern find mit einem Gesammtbetrage von 629,123,000 Fr. um 16,315,000 Fr., die in den Jahren 1871 und 1872 votirten Steuern mit einem Gesammtbetrage von 214 582,000 Fr. um 2,972,000 Fr., die in den Jahren 1873 und 1874 votirten Steuern mit einem Gesammtbetrage von 39,329,000 Fr. um 7,465,000 Fr. hinter den Voranshlägen zurückgeblieben. Im Vergleiche mit dem Vorjahr haben die alten Steuern ein Minus von 9,936,000 Fr., die in den Jahren 1871 und 1872 votirten ein Minus von 8,067,000 Fr. (zusammen 18,043,000 Fr ) erzielt, und ergiebt sih \{chließlich dennoch ein Plus von 21,326,000 Fr., so wird dieses durch das Erträgniß der in den Jahren 1873 und R votirten Steuern (39,329,000 von 46,774,000 Fr.) bewirkt. :

Das „Siecle“ hat erfahren, daß der Marschall Mac Mahon im September in Nancy, Epinal, Belfort, Toul, Reims u. \#. w. erwartet werde, um die daselbst in Angriff genommenen Vertheidigungswerke persönlih in Augenschein zu nehmen.

22. Juli, (W. T. B.) Der Marschall-Präsident Mac Mahon hat, wie die „Agence Havas* erfährt, gest-rn mehreren Deputirten gegenüber erklärt, daß er dem Antrage des Deputirten Casimir Perier niht zustimmen könne, weil er niht zum Präsidenten ernannt worden sei, um vorzugs- weise die Republik zu organisiren. Der Antrag Pericr ziele aber dahin, der republikanischen Partei einen aus\cließlichen Triumph zu bereiten und ihn, den Präsidenten, von der konservativen Partei, mit welcher er zu regieren beabsichtige, zu isoliren. Die Regierung werde morgen in der Nationalversammlung die Ab- lehnung des Antrages Casimir Perier verlangen und die baldige Votirung der konstitutionellen Geseßze fordern, welhe der frühere Minister des Jnnern, de Fourtou, bereits in der Dreißiger- Kommission beantragt habe.

Falls der Periershe Antrag morgen von der Nationalver- sammlung verworfen werden sollte, wird, wie der y Agence

Havas“ weiter versichert wird, der Deputirte Christophle im Namen der Linken einen Antrag auf Auflösung der National-

versammlung einbringen. Nach diesem Antrage sollen die Wah- lenfür die neue Nationalversammlung, welche am 28. September cr. zusammentreten foll, am 6. September cr. stattfinden Die gegen- wärtige Nationalversammlung soll indeß ers auseinandergehen, nahdem die neue konstituirt sein wird.

28. Juli. (W. T. B.) Das „Iournal officiel“ publi- zirt die amtlihe Verordnung, durch welche die Wähler des De- partements Calvados zur Vornahme der Ersaßwahl für die Nationalversammlung auf den 16. August d. I. einberufen

Versailles, 22, Iuli. (W. T. B.) Die National- versammlung hat in ihrer heutigen Sißung das Budget für Algerien und das für das Ministerium des öffentlihen Unter- rihts genehmigt.

Spauicen. Madrid, 22. Iuli. (W. T. B) Nah der Regierung zugegangenen Berichten hat der Brigadier Lopez die gange in Cuenca gefangen genommene republikanishe Division

efreit und dabei einen großen Theil der carlistishen Mann- schaften, welhen die Bewachung der Gefangenen anvertraut war, zu. Gefangenen gemacht.

Von dem Gouverneur von Catalonien is die Meldung eingegangen, daß die Carlisten 160 gefangene re- publifkfanishe Soldaten erschossen haben. Der Kriegs- Minister hat in Folge dessen dem Gouverncur be*ohlen, von allen Carlisten eine außerordentlihe Kontribution zu erheben, um mittelst derselben die Familien - der Erschossenen zu entschädigen.

Ein zweites Telegramm vom 22, Juli bestätigt, daß der Brigadier Lopez einen erheblihen Erfolg über die Car- [isten davongetragen und ihnen einen Theil der in Cuenca ge- machten Gefangenen wieder abgenommen hat. Der Kommandant der Bewachungsmannschaft und mehrere carlistishe Offiziere, Waffen, Munition, Pferde und Kriegsmaterial sind Lopez in die Hände gefallen.

Santander, 22. JIuli. (W. T. B.) !Die Carlisten haben, mit Artillerie ausgerüstet, ‘die Defileen von Biscaya und Avala beseßt.

Italien. Rom, 17. Juli. (It. N.) Prinzessin Mar- garethe gedenkt sich von Shwalbah nach Spa zu begeben. Die Herzogin von Aofta weilt in Moncagliore.

Fürst Lynar, der Vertreter des deutshen Gesandten von Keudell, kam vorgestern von Albano nach Rom, um dem Minister-Präfidenten und dem General-Sekretär im Ministerium des Auswärtigen, Com. Artom, den Inhalt der iym über das Kisfinger Attentat zugekommenen, ausführliheren Depeschen mit- zutheilen. Ein Glückwunsh für des Fürsten glückliche Rettung ging bereits im Namen des Königs nah dem ersten Kundwerden der That von hier ab. Der Präsident der italienishen Gesell- \haft für Nationalinteressen, welche ihren Sig in Florenz hat, und der Stadtrath von Perugia haben dem Fürsten von Bis- marck ebenfalls Glückwunschtelegramme zugeschickt.

Der neue spanishe Gesandte am italienischen Hofe, Hr. Rancès, ist in Rom angekommen und vom General- sekretär des Auswärtigen Amtes, Hrn. Artom, gestern empfangen worden.

Die „Gazzetta Uffiziale“ veröffentliht das Resultat des Verkaufs der Güter, welhe dem Staatsschaße aus dem Kirhenvermögen zugekommen find. Vom 1. Januar bis zum 30. Juni des d. I. wurden 6488 Loose, die für L. 13,976,041. 63 angeboten waren, für L. 17,471,177. 20 losge- \{chlagen. Vom 26. Oktober 1867 bis Ende 1873 wurden 94,676 Loose für L. 447,657,897. 60 losgeshlagen, demnah wurden im Ganzen 101,164 Grundstücke für L. 465,129,074. 80 verkauft.

Weiter veröffentliht die „Gazzetta Uffiziale“ einen Bericht Über die Verwaltung der Wohlthätigkeitsanstalten im Jahre 1873. Demnach existirten in diesem Jahre in den 69 Pro- vinzen des Königreichs Italien 19,441 Wohlthätigkeitsanstalten. Im Jahre 1872 erhielten sie aus Erbschaften, Vermächtnissen und an Geschenken L. 5,705,461; im Jahre 1873 L. 5,759,809. Ihre Veräußerungen von Grundstücken beliefen fich auf L. 5,092,599 und die Erwerbungen auf L. 764,822. Im Jahre 1872 wurden 45 Wohlthätigkeitsanstalten aufgelöst und 66 wer- den gegenwärtig von Regicrungskommissären verwaltet. Im Jahre 1873 wurden 54 neue Wohlthätigkeitsanstalten gegründet: 11 Kinderasyle, 12 Vermächtnisse für Ausstattungen und andere Unterstüßungen, 3 Spitäler, 7 Armenhäuser, 1 Studienstipen- dium, 8 Leihhäuser und 3 Waisenhäuser.

Dem Erzbischof von Genua ist leßter Tage auf sein Ansuchen vom Könige das Exequatur bewilligt worden.

In Parma fanden am 16. ernste Unruhen statt. Es war bekannt geworden, daß ein lombardischer Kornhändler eine Quantität Get -eide aufgekauft hatte, und daß dieses nah der Eisenbahn abgefahren werden follte. Die Menge rottete sich daher zusammen und wollte die Fuhrleute zwingen, das Getreide zurückzufahren. Es erschienen aber zur rechten Zeit 2 Kompagnien des 69, Regiments auf dem Plate, welche die Haupttumultuanten festnahmen.

Türkei. Konstantinopel, 22. Juli. (W. T. B.) Morgen wird das Kaiserlihe Irade, betreffend die Ver- größerung des Wirkungskreises der Banque impe- riale, veröfentliht werden, Das Irade enthält alle in der Londoner Generalversammlung der Aktionäre der Banque im- periale am 25. Juni d. I. dargelegten wichtigen Bestimmungen und zwar besonders betreffs der Besorgung des Schahtzdienstes, der Einziehung aller Einnahmen und der Zahlung aller Aus- gaben des Reis nah Feststellung durch die Budget-Kommission unter Zuziehung von Delegirten der Bank. Die Minister dür- fen den Voranschlag nur auf Grund von Spezialkrediten, welche der Budget-Kommisfion eröffnet find, überschreiten.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 20. Juli. Auf Allerhöchsten Befehl hat die Weihe und Eröffnung der bei der Haupt-Admiralität geschaffenen Gartenanlagen des Alexander - Gartens stattgefunden. Bald nach 10 Uhr nahm der gottesdienstlihe Theil der Feier seinen Anfang. Gegen halb 12 Uhr erschien der Kaiser, die Großfürsten Kon- stantin Nikolajewitsh, Dmitrij und Wijatscheslaw Konstantino- witsch. Der Eintritt erfolgte von der Seite des Winterpalais. Se, Majestät trug die Marine-Uniform. Am Eingang von dem Präsidenten des Gartenbauvereins, Admiral Greigh, dem Vize- Präsidenten Herrn Regel, den Spiyen der Stadtbehörden U. \. w. empfangen, begab sich der Kaiser nah dem der Isaakskirche gegenüber gelegenen großen Rasenplagze, wo acht junge Eichen bereit gestellt waren, um von den Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften gepflanzt zu werden. Herr Regel überreichte das Grabscheit, mit wel- hem Se. Majestät eigenhändig eine Eiche pflanzte. Darauf bewegte sich der Festzug am Peterdenkmal vorüber dem Aus- gange zu, wélher dem Senat gegenüber liegt. Von hier aus begaben sich Se. Majestät und die übrigen Höchsten Herrschaften

werden.

zu Wagen an den englishen Quai, um nach Kronstadt zu fah- ren, wo heute eine Revue über verschiedene Kriegsschiffe statt- finden sollte, Gleich nachdem der Kaiser den Wa- en bestiegen hatte, machte der Präsident des Garten- auvereins, Admiral Greigh, den versammelten Mitgliedern des Vereins, wie den übrigen Anwesenden die Mittheilung, daß Se. Majestät der Kaiser gestattet habe, die neuen Anlagen „Alexandergarten“ zu nennen, welche Mittheilung von allen Anwesenden mit einem dreimaligen Hoh begrüßt wurde: Gegen 12 Uhr wurden die Eingänge für das Publikum ge- öffnet, das sehr bald in. dihten Strömen die \{önen Anlagen füllte. Drei Musikchöre, die an verschiedenen Punkten des Gartens musizirten, erhöhten die Anziehungskraft der - neuen Anlagen.

Der Großfürst Konstantin Konstantinowitsch hat fich am 14. Juli an Bord des Klippers „Shemtshug“ zu dem Marine-Schulgeschwader begeben, das gegenwärtig im Fin- nischen Meerbusen kreuzt. Die Fregatte „Sswetlana“, unter Befehl des Großfürsten Alexej Alexandrowit\ch, ist am 18. Juli Morgens in See gegangen, zunächst nach Tran- sund. Die Besaßung des Schiffes besteht aus 14 Offizieren, 77 Unteroffizieren und 453 Mann. Die große Flottenrevue, welhe am 27. Juli bei Transund stattfinden sollte, is, wie der „Golos“' hôrt, abbestellt worden. Statt dessen wird im Laufe des Monats August auf der Großen Rhede von Kronstadt eine Flottenrevue ftattfinden.

Der Gesandte der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Marshall Jewell, is am 19. Juli mit der Warschauer Bahn von St. Petersburg abgereist.

Moskau. Ueber den Aufenthalt des Erzherzogs Al- brecht von Oesterreich entnehmen wir der „M. 3.“ Folgen- des: Am 17. Juli halb 1 Uhr Mittags langte der Erherzog mit einer Suite von 11 Personen an und wurde von dem Ge- neral-Gouverneur auf dem Bahnhofe der Nikolaibahn begrüßt. Der Erzherzog nahm im Kreml in den Gemächern des Thron- folgers Wohuung. Nach dem Frühstück wurden die Merkwür- digkeiten des Kreml-Palastes in Augenschein genommen. Um 6 Uhr war bei Sr. K. K. Hoheit ein Diner von 32 Gedecken, zu welchem Einladungen an angesehene Personen der Einwohner- haft ergangen wren. Am 18. Juli begab fih der Erzherzog Albrecht mit seiner Suite um 9} Uhr Morgens nah Kolomens- koje, wo er die Denkwürdigkeiten aus alter Zeit und den Park in Augenschein nahm und das erste und zweite Kriegsgymna- sium sorgfältig inspizirte. Darauf nahm er im Kreml das Früh- sttück ein, besuhte darauf mehrere der merkwürdigsten Kirchen, das Findelhaus und das Romanowshe Haus. Nachmittags war Galadiner bei dem General-Gouverneur.

Aus Afstrachán wird dem „Reg.-Anz.“ geschrieben:

Der hicsige Gouverneur erhält zuweilen von Kaufleuten dieses Gouvernements, wie auch aus anderen Orten des Reiches, Anfragen über den Grad der Sicherheit, welchen die Handelswege zwischen Krassnowodék und dem Chanat Chiwa bieten, mit welchem Lande sie, die Kaufleute, in Handelsverkehr zu treten geneigt wären. Demzufolge hat der Gouverneur die genauesten Erkundigungen eingezogen und sich u. A. auch mit dem Chef des transkaspischen Militärbezirks in Ein- vernehmen geseßt, worauf dann den erwähnten Kaufleuten die Mittheilung geworden ist, daß der Weg nah Chiwa über Fort Aiexandrowsky allerdings sicherer ist, als der von Kraßnowodsk. Leh- terer Weg ijt aber viel kürzer und wird von den meisten Karawanen benußt, von denen zwei die vor nicht zu langer Zeit von Krassnowodsk abgegangen waren, in Chiwa glücklich angekommen sind und fogar bald zurückehren werden. Außerdem hat der Gouverneur noch her- vorgchoben, daß man im August von Krassnowodsk eine große Kara- wane abzufertigen gedenkt, welcher sich auch eine wissenschaftliche Expe- dition anschließen wird. | L

Gegenüber der Annäherung, die fich „mehr und mehr zwischen den Russen und Nomaden vollzieht, sowie unter dem wachsenden Ein- fluß, welchen die Verwaltung des Transkaspishen Gebiet: auf diese leßteren auéübt, wird der Weg von Krassnowodsk, abgesehen davon, daß er der kürzere ist, auch mit jedem Tage sicherer werden.

Dänemark. Kopenhagen, 18. Juli, Die Abreise der Königlichen Familie mit dem Dampfschiffe „Sleswig“ fand gestern Abend statt. Bei der Zollbude am Hafen hatte sih ein Kreis von Damen und Herren aus der höheren Gesell- schaft, sowie ein zahlreihes Publikum eingefunden, um die hohen Reisenden zu begrüßen. Unter den Anwesenden bemerkte man sämmtliche Minister, Geheimrath Tillish und Graf Sponneck, die abgegangenen Minister: Graf Holstein-Holsteinborg, Geheim- rath Hall und Oberst Thomsen, die hiesigen Mitglieder des Corps diplomatique, verschiedene höhere Civil- und Militärbe- amte, sowie Hofbeamten, den Ober-Präfidenten der Hauptstadt, Kammerherrn E. Rosenörn u. #. w. Um fieben Uhr fam die Kronprinzessin mit ihrer Hofdame, Baronesse Zytphen-Adeler und dem Hofchef, Graf Danneskjöld-Samsoe, in offener Equipage von Charlottenlund und furz darauf die Königliche Familie mit Gefolge von Bernstorff ebenfalls in offenem Wagen. Nachdem dieselbe sich mit verschiedenen der Anwesenden eine Zeit lang unterhalten hatte, begaben der König, die Königin, die Kronprinzessin, Prinzessin Thyra und Prinz Waldemar fi unter lebhaftem Hurrahrufen und Königssalut von der Batterie „Sixtus“ in die Königsschaluppe und ließen fich an Bord des Dampfschiffes „Sleswig“ überseßzen, welches gleich darauf nah Norden absegelte. : E E

Auf der Reise nah Jütland wird die Königliche Familie begleitet von der Oberhofmeisterin Geheimräthin Bille, den Hof- damen Fräulein Oxholm und Baronesse Zytphen - Adeler, Ge- heimen Etatsrath Trap, Kammerherr L. Castenskjold, Stallmei- ster, Kammerherr Scheele, so wie den Adjutanten, Kapitän Hede- mann und Rittmeister v. d. Maase u. A. m.

- Der König wird sich in Frederikshavn nah Island ein- \chiffen. Die Abreise ist durch die lange Dauer der Minister- krise verzögert worden. E i

Die Adressen an das isländishe Volk sind in diesen Tagen fertig geworden. Die Adresse der Universität ift von dem Isländer Benedict Gröndahl in isländisher Sprache geschrieben und ein kfalligraphisches Meisterwerk. Die Adresse des Studentenvereins ist in dänisher Sprache geschrieben. j

Aus Jütland wird mitgetheilt, daß Oberst Anfkzär nach Schluß der Lagerübungen dem Vernehmen nach die Kriegs- Minister-Portefeuille übernehmen wird. i

Die vorbereitenden Arbeiten zum Bau der festen Eisen- bahnbrüdcke über den Liimfjord bei Aalborg find nun soweit fortgeschritten, daß der eigentlihe Brückenbau in aller- nächster Zeit beginnen kann. Die Arbeit ist von der „Com- pagnie de Fives Lille“ in Paris übernommen worden.

Amerika. Aus New-York wird unterm 20. d. per Kabel gemeldet: Die hier im Umlauf befindlihen Gerüchte, daß zwishen Spanien und den Vereinigten Staaten in Verbindung mit den amerikanischen Forderungen um Entschädigung wegen der Virginius-Affaire Verwickelungen entstanden seien, find

offiziell dementirt worden.

Die Indianer fahren fort Exzesse zu verüben, und es haben mehrere Scharmügel zwishen ihnen und den Bundestruppen ftattgefunden. In Saratoga fand am 18. d. Mts. ein Wettrudern ftatt, an welhem fich die Bootklubs von vier amerikanischen Universi:äten, der von Co- lumbia, Harvard, Yale und der wasleyanischen, betheiligten. Das Boot der Columbia kam zuerst am Ziele an und trug den Siegerpreis davon, während die Mannschaft von Harvard den zweiten Plaz beanspruchte.

Afien. Aus Japan meldet die „China Mail“ vom 6. Juni, daß Verstärkungen für die japanishen Truppen in For- mosa abgesandt werden. Die Chinesen 1cheinen die Japaner in der Invasion von Formosa zu unterstüßen. Es haben bereits zwei Gefechte stattgefunden und Blut if auf beiden Seiten ver- gossen worden. Den neuesten Nachrichten zufolge hait.n die Ja- paner ein Eingeborenendorf mit sehr geringfügigem Ver.ust zer- stôrt. Die japanischen Zeitungen behaupten, daß die Regierung beabfichtigt, denjenigen Theil von Formosa, der nicht unmittelbar unter chinefisher Jurisdiktion steht, zu annektiren und zu koloni- firen. Ein neuer japanischer Gesandter bei China hatte fich nach Peking begeben. Die Einkünfte Japans im vorigen Jahre betrugen 88,867,636 Yen (ein Yen = | Dollar) und die Ausgaben im gleihen Zeitraum 62,169,344 Yen. Die auswärtige Schuld Japans beläuft fich auf 17,085,592 Yen. In Kioto hat eine große Feuersbrunst stattgefunden, durch welche 1600 Häuser eiu- geäschert wurden; 1300 Häuser brannten auch in Hamamazu nieder. Die Eisenbahn von Kabe nah Osaka wurde am 11. Juni eröffnet. Das Gerücht von einer Feindschaft zwishen Japan und Corea ift autoritativ dementirt worden.

Aus China meldet dasselbe Blatt, daß ein Gesuch des französishen und des britishen Gesandten um eine Audienz beim Kaiser am chinesischen Neujahrstage abs{chläglich beschieden wurde. Der neue russishe Gesandte wurde am 20. Iuni vom Kaiser in einer Audienz empfangen.

Das wöchentliche Telegramm des Vizekönigs von Indien über die Nothlage in Bengalen meldet, daß mit Bezug auf die Hülfsoperationen nichts von Belang zu berichten sei. Im südwestlihen Bengalen war der Regenfall entschieden \pär- lich, aber bis jeyt ist kein permanenter Schaden entstanden. Anderwärts sind die Ernteausfichten sehr gut und Hungertodes- fälle sind niht gemeldet worden.

Nr. 14 des „Armee-Verordnungs-Blatts“, herausgegeben vom Kriegs-Ministerium, hat folaenden Juhalt: Prüfung der von dem Nechnungshofe des Deutschen Reichs revidirten Rechnungen durch die Stempelfiskale in Beziehung auf das preußische Stempelinteresse. Korrespoadenz in Rechnungs- und Liquidationsangelegenheiten Königlich württembergischer Truppentheile, sowie einzeln kfommandirter Militärpersonen. Gewährung der Tagegelder an die Truppen- Büchsenmacher bei Kommandos zu Waffen- Revisionen außerhalb der Garnison. Reservetheil- und Patronenbüchsen für das Infanterie- gewehr und die Jägerbüchse m/71. Wegfall von Vakatmeldungen für das Ressort der Kaiserlichen Admiralität. Ausstattung der La- zarethe mit Thermometern zum Messen der Körperwärme. For- mulare zum Journalblatt, Beilage D zum Friedens: Lazarethreglement. Aenderung des Preisverzeichnisses von den einzelnen Seitengewehr- und Lanzentheilen beim Verkauf an die Truppen pro 1874. Nach- weisung der im IT. Quartal 1874 vorgekommenen Veränderungen im Bestande der Kaiserlich Deutschen Reichs-Telegraphenstationen. Nachlaßsachen, welche wegen unugenauer 2c. Angaben über die Erblasser nicht auêgehändigt werden können.

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Statistische Nachrichten.

Statistishen Nachrichten zufolge sind während des ersten Halb- jahres 1874 von Liverpool 49,357 Personen weniger als in den ersten sechs Monaten von 1873 ausgewandert. Während des am 30. Juni beendeten Quartals find 35,846 Personen nach verschiedenen Theilen der Welt ausgewandert, welche Zahl im Vergleich mit der des entsprehenden Quartals im Vorjahre ebenfalls eine beträchtliche Ab- nahme nachweist. Während des Monats Juni segelten 14,667 Emi- granten nach transatlantishen Häfen ab, gegen 18,603 im Juni 1873.

Dur Eisenbah nunfälle wurden in England im Jahre 1873 amtlichen Statistiken zufolge 1372 Personen getödtet und 3110 verleßt, Von dieser Anzahl waren 160 Getödtete und 1750 Verleßte Passagiere, die übrigen 1212 Getödteten und 1360 Verleßten entweder Eisenbabn-Angestellte oder Personen, die ducch fahrläsfiges Betreten der Schienen verunglückten.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

„Die Preußische Stempelgeseßgebung für die alten und neuen Landestheile,“ Kommentar für den praktishen Ge- brauch, berausgegeben von Hoyer, Regierungs-Rath und Provinzial- Stempelfiskal, zweite, umgearbeitete Auflage (Verlag von J. Gut- tentag [D. Collin]) liegt uns in der 1. Lieferung vor. Die I. Ab- theilung behandelt vornehmlich das Stempelwesen im Gebiet der alten Landestheile; sie berührt aber wesentlih auch das Gebiet ber neucn im Jahre 1866 mit der preußischen Monarchie vereinigten Landes- theile, theils wegen der Gemeinsamfkeit der Stempelgeseßgebung bei einzelnen Materien, theils wegen der gemeinsamen Anwendbarkeit mannigfacher, die Auslegung stempelgeseßlicher Vorschriften betreffender Ministerial- und Gerichts-Entscheidungen, theils weil au solche für die neuen Landestheile getr: fene Spezial-Bestimmungen mit aufge- nommen sind, welche sich -den für den Geltungsbereih des Stempel- geseß-§ vom 7. März 1822 ergangenen anschließen oder für beide Gebiete maßgebend sind. Die befondere Stempelgeseßgebung für die neuen Landestheile folgt in Abtheilung Il. Das Geseß vom 30, Mai 1873 (G. S. S. 329), betreffend die Erbschaftsfteuer (sowie den Werthftempel von Schenkungen unter Lebenden S. 4), nebst den Ausführungsvorschriften und Erläuterungen enthält der Anhang, Die 1. Lieferung reiht bis §. 7 des Gesetzes wegen der Stempelsteuer vom 7. März 1822. Das Werk wird in 5 Lieferungen zu 8 —10 Bogen vollständig sein.

Die Restauration der Gemächer des von Sr. Majestät dem König von Bayern auf der Herrnchiemseeinsel erworbenen Sch1ößchens wird zur Zeit auf das Eifrigste betrieben, und fo die \{önen Gebäude des Klosters, welches im Jahre 776 vom Herzoge Thassilo gestiftet wurde, vor dem Verfalle geshüßt. Der sfoge- nannte Prälatensaal erfordert die umfangrèeihsten Restaurations- arbeiten.

Die Königlich bayerische Akademie der Wissen- \chaften wird am 25. d. M,, Vormittags 11 Uhr, zur Vorfeier des Geburts- und Namenfestes Sr. Majestät des Königs Ludwig IT. eine ôffentlihe Sißung halten. Nach einer Einleitungsredi des Hrn. Stiftspropstes Reichsrath Dr. v. Döllinger, als Vorstand, eüber die Leistungen der Ak«demie im Gebiete der orientalischen Studien“ und nah Proklamation der Wahken durch die HH. Klassen-Sekretäre, wird der Dir-ktor des Königlichen allgemeinen Reichsarchivs, Hr. Dr. v. Löher, ordentliches Mitglied der historischen Klasse, einen Vortrag halten „Ueber Deutschlands Weltstellung“.

Am 21. d. M. starb in Augsburg nah langer Krankheit der Redacteur der „Allgemeinen Ztg.“ Dr. Julius von Gosen.

Die soeben ausgegebene Nr. 20 I. Jahrg. der „Jllustrirten Jagdzceitung*, Organ für Jagd, Fischerei und Naturkunde, her-