1874 / 172 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Jul 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Erledigung. Genehmigt wurden u. A. die Regierungsvorlagen wegen der zweimonatlihen Steuererhebung; wegen der Erwerbung eines Bauplaßes für ein in Gießen zu errihtendes Justizgebäude; wegen der “Erhöhung der ftaatlihen Hundesteuer und Zulassung einer Kommu- nal-Hundesteuer; wegen Errichtung einer Güterhalle in Zwingenberg und. einer Güterstation in Arheilgen; wegen Be- \haffung eines Amtslokals nebst Dienstwohnung für das Kreis- amt Worms; wegen Verwendung der Denunziationsgebühren und Strafantheile; wegen Regulirung des Rheins zwischen Mainz und Bingen; wegen Erhöhung der Pensionen für Witt- wen und Waisen der Beamten; wegen Erhöhung der Minimal- gehalte der definitiv anzestellten evangelishen und katholischen Geistlihen auf den Betrag von 1000 Fl. ; endlih wiegen Gehalts- aufbefserung der hefsishen Beamten und Bediensteten der Main- Necckar-Bahn für 1873. Abgelehnt wurden, wie in Zweiter Kammer, der Antrag des Abg. Dernburg wegen Gehaltsauf- besserung der Forftwarte für 1872 und der Antrag von Greim Und Genofsen wegen Gründung einer Unterstüßungskasse für ver- unglüdckte Feuerwehrleute oder deren Hinterbliebene.

Sachsen-Coburg-Gotha. Coburg, 22. Iuli. Der Herzog von Edinburgh und Gemahlin find heute Nah- mittag 5 Uhr 40 Minuten mittels Extrazugs hier eingetroffen. Die hohen Herrschaften wurden am Bahnhofe von dem Herzog, der Herzogin, dem Hofpersonale und dem Vorstand der hie- figen Ministerial-Abtheilung empfangen und fodann von dem Herzog und der Herzogin in vierspänniger Hofequipage durch die reihbeflaggte, feftlich geschmüdckte Stadt unter fortwährenden Hochrufen der jubelnden Volksmenge nah ihrem neuen Palais am Theaterplaßz geleitet, wo dieselben ausftiegen, um daselbst Wohnung zu nehmen.

Anhalt. Dessau, 23. Juli. Durch Höchste Resolution vom 26. v. Mîts. ift dem Kreise Bernburg das landesherrliche Privilegium zur Emission einer Anleihe von 400,000 Thlr. = 1,200,000 Reichsmark in fünfprozentigen, auf den Inhaber lautender Kreis-Obligationen in Stücken zu 100 Thlr. = 300 Reichsmark ertheilt worden.

Neuß j. L. Gera, 22. Juli. Der Fürst hat fich am Montage von dem Sommeraufenthalte Heinrihsruhe bei Schleiz zu einem mehrwöhigen KurgebrauÞhe nah ODftende begeben. Gleichzeitig reiste die Fürstin mit dem Erbprinzen und der Prinzessin Elisabeth nah Wildbad in Württemberg.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 22. Juli. Gestern

traf, über Basel kommend, die Kronprinzessin von Italien hier ein und sehte darauf ihre Reise nah dem Bade Spaa in Belgien, über Luxemburg, weiter fort.

Desterreich-Ungarn. Wien, 23. Juli. Das Reich s- gesezblatt veröffentliht die Verordnung des Iustiz-Ministe- riums vom 10. Juli 1874 wirksam für Defterreih unter der Enns, ODesterreih ob der Enns, Salzburg, Kärnten, Mähren, Ober- und Niedershlefien womit für die obbezeihneten Länder in Gemäßheit des §. 39 der Geseße vom 2. Iuni 1874, dann auf Grund des Artikels V. des Einführungsgeseßes zum allge- meinen Grundbuchsgeseze vom 25. Juli 1871 und des §8. 31 des Gesetzes vom 25. Iuli 1871 Vollzugsbestimmungen über die Anlegung, Richtigftelung und Führung der Grundbücher er- laffen werden.

Pest, 22. Iuli. Im Abgeordnetenhause sprach Ma- darasz den Wunsch aus, das Oberhaus möge demnähst über die Inkompatibilitäts-Vorlage verhandeln. Eine Anzahl sanktionirter Geseze wurde publizirt, §. 9 der Wahlgesehvorlage mit Ableh- nung sämmtlicher 12 Amendements in der Faffung des Cen- tralaus\chuf}ses angenommen. . 12 der Wahlgeseßvorlage, welcher die Wahlfähigkeit von der Bezahlung der rückständigen Steuer abhängig macht, veranlaßte eine lebhafte Debatte. Von der Linken ward diese Bestimmung heftig angegriffen.

Niederlande. Haag, 20. Iuli. Die Königin traf am Abende des 18. von ihrer nah Marienbad unternommenen Badereise hier wieder ein.

Die in Scheveningen zum Gebrauche der Seebäder weilen- den Söhne des Kronprinzen des Deutschen Reiches kamen gestern nah Amsterdam, um diz Hauptstadt der Nieder- lande in Augenschein zu nehmen. Am Abende kehrten fie wieder nach Scheveningen zurü.

Hr. SHeemsfkerk hat die von dem. Könige ihm übertragene Misfion, ein neues Kabinet zu bilden, . an- genommen. Vorgestern hatte derselbe eine lange Besprehung mit dem Kriegs-Minister Weigel.

General-Major van der Schrieck, welher mit der Vertretung der Niederlande auf dem in Brüssel Ende dieses Monates stattfindenden internationalen Kongresse betraut worden, ist Kommandant der 1. Infanterie-Divifion.

Aus der Capftiadt sind Berichte bis zum 16. Juni hergelangt. Aus den Golddistrikten lauteten die Meldungen an- haltend günstig. Der „Gold - Kommifsär“ Hr. Mac Donald war im Auftrage des Gouvernements der Capcolonie nah Pre- toria, der Hauptstadt des Transvaalschen Freistaates, abgereist, um mit dem Präsidenten dieser Republik Unterhandlungen über Angelegenheiten der Golddistrikte zu pflegen, namentlih über eine Regelung der Grenzfrage.

283. Juli. (W. T. B.) Die Ratifikationsurkunden des zwischen den Niederlanden und England über die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern abgeshlossenen Vertrags find am 21. d. Mts. ausgewechselt worden.

Großbritannien und Jrliand. London, 22. Iuli. Zu Ehren der Prinzesssin Amalie von Schleswig- Holstein gaben gestern der Marquis und die Marquise von Salisbury ein Diner, bei welchem u. A. Graf Beust und der belgishe Gesandte nebst Gemahlin zugegen waren.

Der Lordmayor eröffnete vorgestern einen neuen Volfts- park in West-Ham, unweit Stratford-le-Bow, im äußersten Ostende von London. Der Park is etwa 5 Acres größer, als der St. James Park und hat 25,000 Lstr. gekostet, zu welcher Summe Hr. John Guraey und die Korporation der City von London je 10,000 Lftr. beitrugen, während der Reft dur eine öffentlihe Subskription aufgebracht wurde.

Im Jahre 1873 wurden in der englishen Münze 2,382,832 Sovereigns und 2,003,464 halbe Sovereigns, 5,965,740 Florinftüde, 6,486,489 Schillingstücke, 4,395,000 Sechspencestüe, 4158 Vierpenceftücke, 4,059,528 Dreipencestücke, 4752 Zwei- pencefstücke, 7920 Silberpence, und von Kupfer 8,494,080 Pence, 3,989,000 Halbpence und 3,225,600 Farthings geprägt. Die ge- prägten Silberstücke überstiegen demnach die Ziffer 40,000,000 und repräsfentirten einen Werth von 4,500,000 Lftr. Dem Be- gehr nach Geldftüken bei der Münze, der in den zwei vorher-

gehenden Jahren übermäßig gewesen war, wurde hinreichend ent- \sprohen und er hörte in 1873 auf. Der Begehr nah Silber dauerte ununterbrohen fort, und die Nahfrage nach Kupfer war stetig übermäßig groß. Im Laufe des Jahres empfing die Münze von der Bank von England leihtes Gold im Betrage von 950,075 Lstr. zur Umprägung, und cin großer Betrag ab- genugßtes Silber wurde dem Umlauf entzogen. Der Sydney- Zweig der Münze prägte und gab 1,478,000 Sovereigns in 1873 aus, und der Melbourne-Zweig 752,000 Sovereigns und 165,000 halbe Sovereigns.

283. Juli. (W. T. B.) Auf eine in der Sitzung des Unterhauses von Forsyth gestellte Anfrage an die Regie- rung erwiderte der Kanzler der Schaßkammer, Sir Stafford Northcote, er müsse bedauern, daß in dem Handelsvertrage zwi- \hen Frankreih, England, den Niederlanden und Belgien vom Jahre 1864 das in Frankreich adoptirte System der Ausfuhr- prämien für Zucker, welches den Interessen der ostindishen Pflanzer nachtheilig fei, _niht abgeshaffff worden sei. Der Mi- nister bezweifle, ob das System, die Raffinirung des Zuckers in den Entrepots vorzunehmen, als eine Abhülfe für diese Nachtheile angesehen werden fönne, die Regierung halte es indessen nicht für angemessen, bei Frankreih noch weitere Versuche zu machen, ihre AnfiYten in dieser Frage durhzusezen.

Beide Häuser des Parlaments haben die beantragte jährlihe Apanage von 15,000 Pfd. Sterl. für den Prinzen Leopold bewilligt.

Frankreich. Paris, 22.-Iuli. Der konstitutionelle Aus\chuß diskutirte heute über den Senat und nahm nah einer längeren Diskusfion folgende Artikel an: 1) Der Senat ift folgendermaßen zusammengeseßt: a. aus von den Departe- ments gewählten Senatoren; b. aus Senatoren von Rechts wegen; c. aus durch Dekrete des Präsidenten der Republik er- nannten Senatoren. 2) Niemand kann Senator werden, der niht Franzose is, das Alter von 40 Iahren erreiht hat und im Besitz seiner politishen und bürgerlihen Rechte ist. Die konstitutionelle Kommisfion hat den von Paris modifizirten Wahlgesezentwurf angenommen, welher die Wahlvolljäh- rigkeit auf 21 Jahre festsezt und die Freiheit der Lifte aufrecht erhâlt. Die Frage betreffs der Zusammenberufung der Depu- tirten und der Diätenlosigkeit wurde \päterer Berathung vor- behalten.

Der mit der Prüfung des Gefängnißwesens be- traute parlamentarishe Aus\chuß faßte heute betreffs des Schicksals der jungen (minderjährigen) Sträflinge nah ihrer Freilassung folgende Beschlüsse: 1) Die der Verwaltung bis zu ihrer Majorität anvertrauten jungen Gefangenen bleiben unter der direkten Ueberwachung derselben, wenn ihr Betragen ihre In- freiheitsezung nicht geftattet. 2) Die Verwaltung behält gleich- falls die Ueberwahung und Vormundschaft über diese jungen Gefangenen, wenn sie es für gut erahten sollte, dieselben in Freiheit zu seßen. 3) Wenn die jungen Gefangenen vor ihrer Mündigkeit endgültig in Freiheit geseßt werden, so haben die Gerichte allein das Recht, im Fall der festgestellten Unwürdigkeit der Aeltern die Personen zu bezeihnen, denen die Ueberwahung und Vormundschaft anvertraut werden soll. Im Prinzip ift jedo zugelassen, daß diese Ueberwahung und Vormundschaft so viel wie möglich der Gesellschaft „de patronage des jeunes détenus“ übergeben wird

28. Juli. (W. 6, B) Bei der gestrigen Bera- thung des Budgets für Algier wurde Seitens der Re- gierung eine weitere Kreditforderung zur Herstellung eines 15 Kilometer breiten, 20—40 Meter ticfen Kanals vom Golf von Gabes nah dem Süden von Tunis und der Provinz Konstantine in Ausficht gestellt, woselbst ein Binnensee von etwa 350 Kilometer Länge und 60 Kilometer durch\s{chuittlicher Breite in der Sandwüste geshaffen werden soll. Lefseps hat den hierfür erforderlihen Kostenaufwand auf 12 Millionen Frcs. veranschlagt. Durch die Ausführung des Pro- jeftes würde dem Aufblühen der Kolonie in hervorragender Weise Vorschub geleistet werden.

Gerüdhtweise verlautet, Seitens des linken Centrums werde eine Interpellation vorbereitet, in welcher dem Mi- nisterium gegenüber das Verlangen nah eiñem politischen Programm ausgesprochen werden soll.

24. Juli. (W. T. B.) Ueber die Gruppirung der verschiedenen Parteien bei den gestrigen Abstimmungen in der Nationalversammlung (\. unter Versailles) wird gemeldet, daß alle Gruppen der Linken, mit Ausnahme von Ledru Rollin, Louis Blanc, Peyrat und Quinet, welche sh der Abstimmung ent- hielten, für den Antrag Perier stimmten. Die Ablehnung dieses An- trages wird der Haltung von 33 Mitgliedern zugeschrieben, welche faft sämmtlich am 15. Juni für die Dringlichkeit desselben gestimmt hatten; dieselben, welche ihrer Parteistellung nah auf der Grenze zwischen den beiden Centren stehen, haben es nicht mehr für nothwendig erachtet, auch jezt noch für den Antrag Perier zu stimmen, wo die vom Bonapartismus her drohende Gefahr be- seitigt erscheine.

Der Antrag des Deputirten Maleville auf Auf- lösung der Nationalversammlung wurde von verschiedenen Grup- pen der Linken und den Bonapartisten angenommen; nur einige Mitglieder des linken Centrums enthielten sich der Abstimmung, indem fie erklärten, fie würden nur für die Auflösung stimmen, wenn alle übrigen fonstitutionellen Vorlagen abgelehnt würden.-

In Deputirtenftreisen verlautet, es würde in der heutigen Sizung der Nationalversammlung ein Antrag auf Vertagung der Diskusfion über die übrigen konstitutionellen Vor- lagen eingebracht werden.

Versailles, 23. Iuli. (W. T. B.) Nationalver- sammlung. Vie Tribünen sind fast überfüllt. In der Diplo- matenloge find die Botschafter des Deutschen Reichs, Rußlands, Englands und Oesterreichs, der päpstlihe Nuntius und viele andere Mitglieder des diplomatishen Corps anwesend. Lambert St. Croix (rechtes Centrum) begründete den von ihm zu den konstitutionellen Geseßvorlagen gestellten Aritrag. Er will, daß die gegenwärtig bestehende Regierung organisirt werde, jedoch unter der Bedingung, daß die Regierung auch ferner einen durhaus ftonservativen Charafter trage. Hierauf nahm Casimir Perier (linkes Centrum) zur Begründung seines Antrags das Wort. Er wies darauf hin, daß die prinzipielle Natur der Regierung auf einem bereits fest bestimmten und nit mehr disfutirbaren Prinzipe beruhe, und führte aus, daß die An- hänger der Monarchie mit Rücfiht darauf, daß die Wiederher- stellung der Monarchie unmögli sei, sich der allein möglihen Regierungsform in Refignation fügen müßten.

Der Herzog von Broglie hob darauf in einer längeren, von der Rechten sehr bêifällig aufgenommenen Rede hervor, die Profklamirung der Republik \ei unnüß und inopportun und werde vielseitigen Anstoß erregen. Bei der Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit und der leiht widerruflihen Natur der repu-

blikanishen Institutionen würde die republikanische Regierungs- form dem Lande die gewünschte Sicherheit niht verschaffen, noch weniger gebe dieselbe irgend eine Gewähr gegen den Bonapar- tismus. Der Fehler jeder republikanishen Regierungsform sei, daß fie das Staatsoberhaupt mit den Parteien in Berührung und Verwickelung bringe. Marschall Mac Mahon aber sei ein loyaler Sol- dat, ein Staatsstreich von seiner Seite könne nit befürchtet werden. Dufaure wendete fich gegen die Ausführungen des Herzogs von Broglie und trat für den Antrag Perier ein.

Der Vize-Präsident des Minifterkonseils und Kriegs-Minister de Cissey verlas darauf eine Erklärung, nach welcher die Regierung den Antrag Perier um deswillen zurückweist, weil er ganz unnügzer Weise auf das A vom 20. November v. I. (Septennat) zurückgehe, welches außerhalb jeder Diskussion blei- ben müsse. Der Artikel des Antrages, der von den zwei Kam- mern handle, sei überflüssig, weil die Nationalversammlung die legislative Gewalt bereits unter zwei Kammern getheilt habe. Die Annahme des Periershen Antrages würde nur fo gedeutet werden können, daß damit noch ein anderes Ziel, als blos das- jenige der definitiven Proklamirung der Republik erreiht wer- den solle. Die Regierung könne \fich niht davon überzeugen, daß diese rein doktrinäre Proklamirung der Republik ein

angemessenes Mittel zur Beseitigung der im Lande herrschenden-

Beunruhigungen sein würde, eine Partei würde wohl dadur zufrieden gestellt, für die übrigen Parteien würde aber keine Be- \hwichtigung herbeigeführt werden. Das Land verlange eine Organisation der Gewaltbefugnisse des Marshalls Mac Mahon, das Minifterium erwarte von der Nationalversammlung ein Geseg über Errichtung der Ersten Kammer und über das Recht zur Auflösung der Deputirtenversammlung, sowie das Wahl- geseß. Es gelte eine Organisation für die Dauer von 7 Jahren. Nach Ablauf dieser Zeit sei das Land wieder Herr der Ent- schließung darüber, wie es seine Verhältnisse für die weitere Zu- kunft gestalten wolle. Nach dieser Erklärung wurde die General- diskusfion geschlossen.

Der Deputirte Wallon brachte einen Unterantrag ein, die Regelung der Gewaltbefugnisse des Präsidenten der Republik betreffend. Dieser Antrag wurde mit 637 gegen 33 Stimmen abgelehnt. Die Versammlung \chritt zur Abstim- mung über den Antrag Perier, der mit 374 gegen 333 Stimmen abgelehnt wurde. Maleville brahte den von 300 Deputirten unterzeihneten Antrag auf Auflösung der Na- tionalversammlung ein. Die Dringlichkeit des Antra- ges wurde mit 369 gegen 340 Stimmen abgelehnt und die Sizung sfsodann geshlofsen.

Gutem Vernehmen nach wird die Nationalver- sammlung fich nach beendigter Berathung des Budgets bis zum Dezember d. I. vertagen.

Spanicn. Madrid, 23. Iuli. (W. T. B) Dem „Smparcial“ zufolge hat der Finanz-Minister Camacho in der Sizung des M inisterraths erklärt, daß er über die zur Aus- rüftung von 125,000 Mann der neu einberufenen Reserve erforderlihen finanziellen Mittel-verfüge, und daß er die laufenden Staatsausgaben bis zum kommenden September zu bestreiten im Stande sei. Im Staatsschaßze befänden sich augen- blicklih 140 Millionen Realen, und 3 Millionen Realen würden demselben täglich zugeführt.!Ÿ E

Italien. Die freie christlihe Kirhe der Waldenser in Turin hat folgende Adresse an den Kanzler des Deutschen Reichs Fürsten von Bismarck abgesandt:

„Die cristlih freie Kirhe von Turin, bewegt durch das ab- sceulihe Attentat, das auf Ew. Durchlauht von einem Feinde Christi begangen æœurde, dankt mit Wärme Gott und unserem Vater, daß er die Kugel des Meuchelmörders, die Jhren Tagen ein Ende machen wollte, abgewendet, und bittet ihn, er möge noch für lange Jahre Ihr Dasein erhalten, das nit blos uns, Ihren Brüdern, mit denen Sie den Glauben gemeinsam haben, theuer und kostb=r ist, sondern auch allen civilifirten Nationen. Gott der Vater segne Sie und stehe Jhnen bei in Ewigkeit.

Genehmigen Sie, Ew. Durchlaucht, von allen Mitglicdern dieser Kirche den aufrichtigen und brüderlihen Auêdruck ihrer Beglückwün-

schungen. s Für die Kirche: (Gez.) B. Bracchetto, evangelischer Pfarrer.“

Nußsßland und Polen. St. Petersburg, 23. Juli. (W. T. B.) Erzherzog Albrecht ift von seinem Ausfluge nach Moskau hierher zurückgekehrt.

General-Lieutenant Graf Bobrinsky, Minister für Wege und Verkehrsanstalten, ist auf sein desfallsiges Gesuch die- ser Stelle enthoben worden.

Es bestätigt fich, daß der Chef der Gensd'armerie, Graf Schuwalow, zum rusfischen Botschafter in London er- nannt ift und in seiner bisherigen Stelung durch den General- Gouverneur von Wilna, General-Lieutenant Potapow, - ersetzt werden wird. Der ehemalige General-Gouverneur der baltischen Provinzen, General-Lieutenant Albedinsky, is zum General- Gouverneur von Wilna und Admiral Possiet zum Minister für Wege und Verkehrsanfstalten ernannt.

Am Dienstag hat vor einer besonderen Sektion des Senates die Verhandlung des Prozesses begonnen, welcher gegen 10 junge Leute und 2 Frauen wegen Verabfassung und Verbreitung von Prokflamationen, die zum Um- fturz und zur Revolution auffordern, eingeleitet ift.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 18. Juli. Prinz Alexander der Niederlande, welcher gestern von hier nach Christiania abgereist ift, begiebt fich nach einigen Tagen Aufenthalt in der norwegischen Hauptstadt durh das Guldbrands- thal nach Molde und von dort nah Bergen.

Dánemark. Kopenhagen, 21. Juli. Nah der ge- troffenen Bestimmung erfolgt die Abreise des Königs heute Vormittag 10 Uhr 40 Minuten von Wiborg per Extrazug nah Fredrikshavn über Randers und Aalborg. In leßterer Stadt ist ein Aufenthalt von 11/4 Stunde in Ausfiht genommen, weil der König eine Einladung der Stadt zum Frühstück angenommen hat. Nachmittags 61/2 Uhr geht die gesammte Königliche Familie auf dem Dampfschiffe „Slesvig“ nah der auf der Rhede von Frederikshavn liegenden Fregatte „Iylland“ hinaus, worauf das Abschiedsdiner am Bord. stattfindet. „Iylland“, mit dem Könige, dem Prinzen Waldemar und dem Gefolge gehen dann”nach Island ab, und das Dampfschiff „Slesvig“ bringt die Königin, Prinzessin Thyra und die Kronprinzessin hierher zurück, fo doch, daß nur die letztere hier bleibt, während die Königin und Prinzessin Thyra über Lübeck, Hamburg und Frank- furt nach Rumpenheim weiterreisen.

Die Blätter enthalten abermals ausführlihe Berichte und Telegramme von dem Aufenthalte des Königs im Lager zu Hald und den dortigen Uebungen der Truppen. Alle Be- rihte loben einstimmig die gute Disziplin, welhe diesmal herrsht. Gelegentlich der Truppenübungen wird auch der

im Lager eine Brigade kommandirende Oberst Ankjär er- ! wähnt, derselbe, dem, wie man wissen will, das Portefeuille des Kriegs-Ministers angetragen sein foll. Da der Conseils- Präsident Fonnesbech und der Justiz-Minister Klein dort an- wesend waren, so haben ohne Zweifel Unterhandlungen mit ihm stattgefunden. Auch Oberst Tvermoes, Folkethingsmitglied und Verfasser des vorzüglihen dur den Generalstab herausgegebenen Werks über den Krieg von 1848—50, wurde als eventueller Kriegs-Minister genannt.

Zur Brüsseler internationalen Konferenz werden dem- nächst der Direktor. des auswärtigen Ministeriums, Geheimer Etats-Rath Vedel, und der Oberst in der Artillerie, A. Brun, von hier abgehen.

Mit der Corvette „Heimdal“ is in Folge Königlicher Erlaubniß der rusfische Professor Demetrius Mahir als Korre- \pondent der geographischen Gesellshaft in St. Petersburg, fowie mehrerer dortiger Journale nah Reykjavig abgegangen.

Amerika. (A. A. C.) Per Kabel wird aus New-York, 21. Zuli, gemeldet: Der Gouverneur von Misfissippi hat um militärischen Schutz gegen Gemaltthätigkeiten, die -im Hinblick e die bevorstehende Wahl in diesem Staate erwartet werden, ebeten. i Das amerikanishe Haus der Bischöfe hat gegen den Bischof Cummins, der neulih der Episkopaltirhe der Ver- einigten Staaten abtrünnig wurde und eine freie Kirche grün- dete, die förmlihe Absezung ausgesprochen.

Afrika. Das britishe Kriegs {hi} „Basilisk“ hat auf \ei- ner Forshungsreise an der unbekannten Küste von Neu- Guinea 32 neue kleine Inseln entdeckt und die Durh- fahrt \südlih von der D'Entrecasteaux-Inselgruppe, die früher für das Festland von Neu-Guinea gehalten wurde, erforsht. Dieser Kanal erweist f{ch als \{hifbar für Fahrzeuge jeder Größe und wird die Route der Dampfer von Australien nah China, falls fie sih desselben bedienen, beträchtlich kürzen. Die Einge- bornen der neuentdeckten Inseln sind wohlgebaut, aber von fklei- ner Statur und haben Aehnlichkeit mit denjenigen des ca. 100 Meilen nach Often gelegenen Louisiade-Archipelagus. Eiserne Reifen, rothe Taschentücher, kleine Aexte und Fishhaken bilden das Geld oder Tauschmittel jener Regionen. Obwohl anschei- nend freundlich, find die Insulaner beim kleinsten Zeichen der Shwäche zur Plünderung und zu verrätherishen Handlungen geneigt.

Australien. Von den Sandwich-Inseln gingen in San Francisco bis zum 9. Juli folgende Nachrichten ein: Die legislative Versammlung votirte 50,000 Dollars zur Ermuthi- gung des Ackerbaues und der Einführung von Arbeitern. Für einen Palast des Königs, wozu dieser 50,000 Dollars verlangt hatte, wurden 15,000 Dollars verwilligt. Der König rieth zu einem Reziprozitätsvertrage mit den Vereinigten Staaten, für welchen bei der Affsembly Petitionen eingingen.

Landtags - Angelegenheiten.

Diez, 22. Juli. (Rhein. Kur.) Bei der heutigen Ersaßwahl für das Abgeordnetenhaus wurde (an Stelle des Gutsbesißers Born, welcher sein Mandat niedergelegt hat) für den 7. Wiesbadener Wahl- in ca der Gutsbesizer Mohr mit 189 Stimmen gewählt.

Bei der Ersaßwahl für den 3. Aachener Wahlbezirk O ist (an Stelle des Freiherrn v. Leykam, welcher sein

tandat niedergelegt hat) der Freiherr v. Spieß-Büllesheim zu Gall bei Ratheim in das Haus der Abgzordneten gewählt worden.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Aus den Sitzungen der historishen und Alter- thums-Vereine im Monat Juni d. J. Verein für die Geschichte Berlins: Geheimer Hofrath Schneider über das im Jahre 1818 zur Erinnerung an die Freiheitskriege auf dem Kreuzberg errichtete Denk- mal; Hauptmann Schnackenburg über die Befestigung von Berlin im Jahre 1813. Historishe Gesellschaft zu Berlin: Dr. Fischer betr. den 1, Bd. von Opels Geschichte des niedersächsishen Krieges; Dr. Feldner- über die Herzogsgewalt der Erzbischöfe von Cölu in Westfalen. Verein für die Geschichte Potsdams: Geheimer Hof- rath Schneider über die Wildbahnen und Wildparke der Kurfürsten von Brandenburg und der Könige von Preußen. Verein für Ge- \{ichte und Alterthumskunde in Frankfurt a. M.: Dr. Eulenburg Über das neuerdings auf dem Pfarrhofe der Frauenburg aufgefundene Grabmal des Minnesängers Ulrich v. Lichtenstein (f 1275), aus dessen 1841 von Joseph Bergmann herausgegebenen „Frauenbuch* einige Proben mitgetheilt wurden; - Dr. Stricker über Seipts 2bhandlung Über die Kulturgeschichte von Frar kfurt a. M. in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, die in dem Programm der Mittelschule in Frank- furt veröffentlicht ist, und insbesondere über den darin geliefer- ten - Nachweis, daß die literarishe Bedeutung der Frank- furtex Messen . mit dem Jahre 1511 beginne Prof. Becker sprach über den Gebrauch der Schellen im römischen Alterthum, sodann übec die Ausbeute, welche die auf die Jahre 1273 und 1332 be- züglichen Inschriften an der Kirche zu Gelnhausen für die von Dr. Lersh in Aachen angelegte Chronik d r Erdbeben gewähren, wie über- haupt über die Wichtigkeit solcher naturgeschihtlihen Aufzeichnungen für die politische Geschichte; Professor Genthe über die vielbesprochenen, von Spanien bis Lund in Schweden und von Siebenbürgen bis Medcklenburg in ganz gleicher Weise gefundenen Kesselwagen, welche ein neuerdings in Cervetri gemachter Grabfund als Räuchergefäße nah- gewiesen hat. Vogesenclub in Barr: Apotheker Hering über die keltishen- Monumente auf dem Ottilienberg und in dessen Umgebung. Verein für Erhaltung der historishen Denkmäler im Elsaß zu Straßburg: Veröffentlihung von Notizen des verstorbenen Hrn. Fries

Zur Reise- und Badesaison.

Von Seiten der Königlichen Brunnen-Direktion von Bad Nenndorf ist uns folgendes Schreiben zur Veröffentlichung zugegangen: .

Um Irrungen und übertriebenen Gerüchten vorzubeugen, wird hierdurch bekannt gemacht, daß nur das große Logirhaus zu Bad Nenndorf am 20. d. M. abgebrannt ift, alle andern Häuser aber unversehrt blieben. Der Betrieb des Bades ist keinen Augenblick unterbrochen gewesen, und die ankommenden neuen Kurgäste finden geeignetes Unterkommen. ;

Bad Nenndorf, am 23. Juli 1574.

Königliche Brunnen-Direktion.

Heringsdorf, 22. Juli. (Oftseez.) Die Frequenz in hiefigem Ostseebade hat sich in Folge starker Bauten und der besseren Bade- einrihtungen von Seiten der Eigenthümer wesentlich vergrößert; die Zahl der Kurgäste beträgt heute 1809 gegen 1260 um dieselbe Zeit im vorigen Jahre. Das neue elegante Kurhaus, an der Strand- promenade an dem Nordostabhange des Zauberverges erbaut, ist vollendet; die 36 Logirzimmer sind bereits bewohnt und die schönen Gesellschaftéräume den Kurgästen zur Benußung übergeben. In deni dürch die Terrainverhältnisse bedingten hohen Unterbau befinden fi 13 warme Badezellen mit geräumigem Vorraum, sowie auch die Bureaus der Badeverwaltung und der Polizei, ferner die große Küche nebst den -nöthigen Wirthschaftêöräumen. Jm Erdgeschoß erstreckt fi in ganzer Länge des Gebäudes nach der See zu eine 35 M. lange und 10 M. tiefe Terrasse. Jm unmittelbaren Anschluß an diese befindet sich der 300 Personen fassende Speisesaal, so wie das Lesezimmer

und ein Damen- resp. Musikzimmer, auch reihen sich daran die

über die ehemalige, jeßt im Neubau begriffene Neue Kirche zu Straß- burg; Gyß über ein Grabmal zu Oberehnheim, sowie über den Fund von rômishen Thränengläsern in der Umgegend von Brumath. Darmstädter Geschichtsverein : Lehrer Hils sprach über einige römische Münzen und andere Antiquitäten, die in der Gemarkung von Ober- In. elheim gefunden waren, woran sich Mittheilungen anschlossen über den Nieder-Ingelhezimer Palast, die in Dr. Schäfers Aufsaß über die k arolingishe Profan-Baukunst und ihre Denkmale enthalten find.

__— In diesen Tagen ist der Vorstand des Römisch-Germa- nischen Museums in Mainz dur eine Reihe von auswärtigen Mitgliedern erweitert worden. Es sind die nafolgenden Herren : v. _Cohausen, Oberst in Wiesbaden, Dr. Grotefend, Geh. Archiv- Rath in Hannover, Dr. Köchly, Professor in Heidelberg, Dr. Leop. v. Ledebur, Geheimer Regierungs-Rath in Potsdam, Dr. Müller, Studienrath in Hannover, Paulus, Finanz- Rath in Stuttgart, v. Quast, Weh. Regierungs-Rath in Berlin, Schaafhausen, Geh. Medizinal-Rath und Professor in Bonn, Dr. Walther, Geh. Rath in Darmstadt, Hofmann, Professor in Darm- stadt. In der am 18. d. zu Mainz in Gemeinschaft mit dem Lokal- vorstand abgehaltenen Sißung wurde insbesondere über den Fortgang der Musfeumsarbeiten und die zunächst vorliegenden weiteren Aufgaben des Museums Bericht erstattet und Beschluß gefaßt.

_ Der, wie bereits telegraphisch gemeldet, am 21. d. M. in Straßburg verstorbene Professor Johann Friedrich Bruch war am 13. September 1792 zu Pirmasens in der Pfalz geboren. Nachdem er im protestantischen Seminar zu Straßburg Theologie studirt, ward er 1814 Pfarrvifar zu Lohe im elsässishen Kanton Lüßelstein, ging aber bald darauf nah Paris, um in der Familie Gros Courant als Hauslehrer zu fungiren. Nach Straßburg zurückgekehrt, ward er 1821 Professor am protestantishen Seminar und an der theologischen Fa- fultät; von 1828—1852 leitete er auch das Gymnasium, 1831 über- nahm er dazu das Nicolai-Pfarramt; 1834 ward er Dekan seiner Hafultät. An der Neugründung der Universität 1871 betheiliote er sich angelegentlich und wurde deren erster Rektor. Jm leßten Winter nöthigte ein \{weres Leiden ihn, alle seine Aemter niederzulegen. Vor anderthalb Monaten mußte er sib ein Bein amputiren lassen ; dies? nothwendig gewordene Operation erschöpfte die Lebenskraft des 82jäh- rigen Greises, dem der Tod als ein Erlöser erschien.

In Rom ift am 16. d. M. der Architekt Cipolla gestorben- Er hat fich dur seíne Bauten in Rom, Florenz, Bologna, Imola und Malaga einen bedeutenden Namen erworben.

Landwirthschaft.

In Betreff des unter dem Wildstand im Grunewald ausgebrochenen M ilzbrands veröffentlicht die „Nat. Z.* folgendes ihr zugegangenes Schreiben des Prof. Virchow: j

Die Zeitungen haben über eine Untersuchung, welhe ich am leßten Sonnabend auf Veranlassung der Königlichen Forstverwaltung in Bezug auf die Epizootie im Grunewald angestellt habe, Angaben von etwas zweifelhaftem Werthe gebracht. Bei dem großen Interesse, welches \sih an diese Angelegenheit knüpft, erlaube ih mir Ihnen einige Mittheilungen darüber zu machen.

Die Untersuchung hat zunächst dargethan, daß es sich um wirk- lichen Milzbrand und niht etwa, wie neulich erzählt wurde, um Vergiftungen handelt. Sowohl die makroskopiscze, als die mikresko- pische Untersuhung hat bei den Damhirschen alle charakteristischen Merkmale des Milzbrandes gezeigt, namentlich in beträchtlichen Mengen jene feinen mifroskopishen Pflänzchen, die sogenannten Bakterien, im Blute, in der Milz und andern Theilen. JImpfungen mit den in- fekten Theilen bei gesunden Kaninchen (bei denen übrigens Hr. Prof. Liebreih nicht betheiligt war) haben in Türzester Zeit den Tod dieser Thiere herbeigeführt. Eine ganz geringe Menge von Lymphe tôdtete ein Kaninchen in etwa 20 Stunden; ein Tropfen Blut dieses Kaninchens, in eine Wunde eines andern gesunden Kaninchens einge- bracht, hatte denselben Effekt. Der Tod erfolgt unter krampfhaften Erstickungszufällen, wie bei der Cholera. i

Das Milzbrandgift erscheint hier also in seiner s{recklihsten Form. Ueberall ift es in einer gewissen Verbindung mit den er- wähnten Pflänzchen, welche daher als Krankheitsursache anzusehen find. Dagegen scheint sih auch hier zu ergeben, daß nicht die Pflänz-

. chen se bst die giftigen Körper sind, fondern daß fie vielmehr das Gift nur

erzeugen. Es ift daher wahrscheinli§ auch nicht nöthig, daß sie selbst in das Blut übergehen; wenigstens sterben die Thiere schon, ehe noch nennenswerthe Mengen von Bakterien im Blute selbst zugegen sind.

Glücklicherweise scheint die Epizootie im Grunewald selbst im Erlöschen zu sein. Soweit ich ermitteln konnte, waren in den leßten Tagen nur no einzelne Hirschkälber gefallen ; der auf etwa 200 Stück geshäßte Ueberrest der älteren Thiere hat seit Freitag keine Opfer mehr geboten. Da inzwischen Seitens der Königlichen Forstverwal- tung alle Vorsichtsmaßregeln ergriffen sind, auch eine nachträgliche Desinfektion alier verdächtigen Stellen angeordnet ist, fo steht wohl zu erwarten, daß die eigentlihe Gefahr für die Bevölkerung beseitigt ist. Es kommt dabei namentlich in Betracht, daß nur Pflanzenfresser in höherem Maße empfindlich für das Milzbrandgift sind, der Mensch, wie der Hund, fich also einer größeren, wenngleich keineswegs einer absoluten Immunität erfreuen. Die an sih gerehtfertigte Besorgniß vor dem Stiche von Fliegen und Bremsen läßt sich_ leider noch nit mit Genauigkeit präcisiren. Nach der Aussage der Förster, welche ich persönlich zu prüfen nicht in der Lage war, werden auch diese Thiere fehr bald matt und sterben nah kurzer Zeit.

Berlin, 22. Juli 1874.

R. Virchow.

Das 4. Heft des TIT. Bandes (1874) der „Landwirth- schaftlihen Jahrbücher“, Zeitschrift für wissenschaftliche Land- wirthschaft und Archiv des Königlich preußishen Landes-Oekonomie- Kollegiums; herausgegeben von Dr. H. von Nathusius, Geh. Ober- Regierungs-Rath und Vorsißender des Königlich preußischen Landes- Oekonomie-Kollegiums und Dr. H. Thiel, Landes-Oekonomie-Rath und General-Sefretär des Königlih preußischen Landes-Oefkonomie- Kollegiums. (Berlin. Verlag von Wiegandt, Hempel & Parey. 1874.), hat folgenden Juhalt: Das Recht und die Pflichten des länd lich:n Grundeigenthums. Von Dr. H. v. Scheel, Professor in Bern. Beiträge zur Lehre über die Athmung der Pflanzen, Von A. v. Wolkoff und Adolf Mayer. Ueber die Zusammenseßung des Woll-

Spiel- und Billardzimmer, Garderoben u. #. w. In den beiden oberen Stockwerken befinden sich die Logirzimmer, welch- theils mit großen, theils mit kleineren Balkons in Verbindung gefeßt und den heutigen Ansprüchen entsprechend möblirt sind. Das neue Logirhaus, ebenfalls an der Strandpromenade belegen, besißt 45 Logirpiecen, und Hotel Lindemann, welches noch immer feinen guten Ruf bewährt und sich wiederum vergrößert hat, 72 Wohn- zimmer. Außerdem finden Fremde noch gastl iche Aufnahme im alten Gesellschaftéhause, Schmidts Gasthaus und bei Rhensius in Neu- krug. An Stelle des im Herbst 1872 durch die Sturmfluthen ver- nichteten früheren Herren-Bades ist ein großer, in die See hinein- springender breiter Steig gebaut, welcher theils zum Anlegen der Böte bestimmt ist, und theils: als willkommene Promenade, besonders des Abends, benußt wird. Die Wasserleitung ist durch Anlage eines 16 M. hohen Wasserthurms auf der Heinrihshöhe, 40 M. über dem Ostseespiegel belegen und deshglb als Aussichtspunkt be- liebt, bedeutend verbessert und versorgt nicht allein die meisten Villen an der Strandpromenade, sondern auch das Kurhaus, das Logirhaus und die Gartenanlagen mit Wasser; es ist projektirt, sie auf den größten Theil von Heringsdorf auszudehnen. Die Strandpromenade ist wieder bedeutend verlängert und soll noch in diesem Jahre bis Aal- beck fortgeführt werden. Seit vorigem Jahre sind in Heringsdorf und Neukrug wieder 18 größere Wohnhäuser und Villen gebaut. Leider ist der Bau der Chaussee nah Swinemünde ins Stocken gerathen.

Freiburg i. Br., 21. Juli. Der Fremdenverkehr in unserer Stadt und Umgegend ist in den leßten Wochen etwas lebhafter geworden, doch steht derselbe jenem früherer Jahre noch bedeutend nah, so daß

fettes. Von Dr. Ernft Schulze, Profeffor in Zürich. Vergleihende Roggen- und Gerstenkül*uren im sfonomis{ch-botanishen Garten zu Poppelsdorf. Von Fr. Körnicke. Die preußische Fischerei und das neue preußische Fischereigesck. Von Eduard Marcard, Geh. Ober- Regierung?-Rath. Vermischte Mittheilungen.

Die Ernte des Wintergetreides im Regierungsbezirk Wi esbaden verspricht reichen Ertrag. Dagegen ift der Raps im oberen Lahnthale und in den gebirgigen Gegenden mehr oder weniger erfroren, ebenso der Klee und andere Futterkräuter. Auch der Heu- ertrag ist durch den Frost beeinträhtigt. Die Nußbäume liefern gar keine Ernte, auch die Kirschen- und Apfelbäume haben dur Frost gelitten, nihtsdestoweniger wird die Obsternte befriedigend ausfallen. Der Weinstock hat fich im Allgemeinen s{ön entwickelt und nur in Thalieinsenkungen und in der Nähe von Wiesengründen dur Frost gelitten. Ausnahmsweise ift aber auch in den Berggegenden zwischen Hattenheim und Erbach der Weinstock durch Frost beshädigt worden. Die Markobrunner Lage hat ein Drittel ihrer Gescheine durch Froft verloren.

Im Regierungsbezirk Minden versprechen die Wintersaaten eine sehr gute Ernte. Die Sommersaaten haben sich erholt, so daß dex Stand kein {lechter ist. Kartoffeln find vielfach erfroren, haben sich jedoch nach eingetretenem warmen Regen wieder erholt. Die Garten früchte und die Obstbaumbiüthen haben erheblih dur Frost gelitten. Für die geringe Qualitäl der Heuernte entschädigt einigermaßen die gute Qualität; für den Nachschnitt sind die Aussichten sehr ungünstig. Die Klezernte ist meistens befriedigend, dagegen ist der Buchweizen Mitte Juni überall gänzlich erfroren. ¿

Im Regierungsbezirk Cöln ift der Stand der Feldfrüchte im Allgemeinen befriedigend, weringleich in einzelnen Gegenden der Roggen und Raps empfindlich durch Frost, in anderen durch Hagelschlag ge- litten haben. Von dem Roggen und der Gerste wird im Ganzen eine Mittelernte, vom Weizen und Hafer eine gute Ernte erwartet. Der Ertrag der Kartoffeln ist noch zweifelhaft, da die Pflanzen durch Frost in ihrer Entwicktelung aufgehalten sind. Bei den Kl:efeldern und den Wiesen ist der erste Schnitt unter dem Miitel geblieben, der zweite Schnitt stellt aber bessere Resultate in Aussicht. Gemüse wi:d rei- lich und in guter Qualität gewonnen. . Dem Steinobst sind die Nacht- frôste verderblih gewesen, dagegen ist Kernobst gut gerathen. Der Weinstock verspricht eine quantitative gute Ernte.

Aus Regensburg, 20. Juli, wird geschrieben: Das Korn und die frühe Gerste sind in hiesiger Gegend größtentheils geerntet ; der Schnitt des Weizens Hat ber?its begonnen. Von sämmtlichen Fruchtgattungen wird ein reihlicher Ertrag erwartet.

Gewerbe und Handel.

Kiel, 23. Juli. (W. T. B.) Die den Gebr. Lange gehörige große Getreidemühle in Neumühlen is total niedergebrannt. Der verursachte Schaden wird auf mehr als 3 Mill. Reichsmark ge- \{chäßt. Nach der „Kieler Zeitung“ ist das Feuer in vergangener Mitternacht auf dem Beutelboden ausgebrochen und hat sofort gewal- tige Dimensionen angenommen, jo, daß alle Löschanstrengungen ver- gebens waren. Die Gebäude sind total zerfört, das Feuer selbst noch nicht vollständig gelöscht. Zur Beihülfe ist auch die Marine-Dampf- spriße reguirirt worden. Ein Arbeiter ist verbrannt, zwei werden ver- mißt. Die Entstehungsursache ist nicht bekannt.

Die Ausweise über den Handel und die S iffahrt von British-JIndien für die am 31, März c. beendeten zwölf Monate zeigen, daß im Vergleich mit der Parallel: Periode der Total- werth der Einfuhr 325,936,088 Rupien gegen 312,605,614 Rupien, und der Gesammtwerth der Ausfuhr 549,607,780 Rupien gegen 552,274,950 Rupien betrug. Der Werth der Edelmetall-Einfuhr be- lief fih auf 57,925,336 Rupien gegen 45,565,850 Rupien, und dec der Edelmetall-Ausfuhr auf 19,140,791 Rupien gegen 12.980,790 Ru- pien. Der Gesammtbetrag der vereinnahmten Importzölle, eins{ließ- lich der für Salz, betrug 41,617,157 Rupien gegen 41,771,021 Ru- pien, und der Exportzölle 7,256,418 Rupien gegen 8,009,993 Rupien. Die Zahl der Schiffe, die einliefen, betrug 3557 mit einem Gehalt von 1,647,617 Tonnen gegen 3509 mit einem Gehalt von 1,708,339 Tonnen, und die der auéklarirten Schiffe 5600 mit einem Gehalt von O Tonnen gegen 5628 mit einem Gehalt von 2,217,763

onnen.

Verkehrs-Anstalten,

St. Petersburg, 19. Juli. Die „Ruff. Eisenbahn-Zeitung“ bringt ein Referat über die Beschlüsse der Konferenz, welhe, wie wir seiner Zeit erwähnt haben, aus Vertretern deutscher und russisher Eisenbahnen bestehend, hier in St. Petersburg Mitte Juni tagte. Die Beschlüsse diefer Konferenz haben übrigens feinen definitiven Charafter, sondern sollen in einer allgemeinen Kon- ferenz der deutsh-russishen Verbände für direkten Eisenbahnverkehr, welche im September dieses Jahres in Hamburg zusammentreten wird, einer nochmaligen Durchsicht unterzogen werden. Die meisten Be- \{lüsse der Konferenz beziehen sih auf Details des direkten Güter- verfehrs. Wir erwähnen daraus den Beschluß der Konferenz, die Stationen Kaluga, Tula, Jelez und Rjafhsk auf der Riashsk-Wjas- massen, Pogorjelzy und Gorodeja auf der Meskau-Brester, Nishni- Nowgorod auf der Nifhni-Nowgoroder, Dünaburg und Kreêlawka auf der Dünaburg-Witebsker, Morfchanék, Tambow, Sjaratow und Romny auf den gleihnamigen Eisenbabnen, Jnowraclaw auf der oberschlesischen und Thorn auf der preußishen Ostbahn als Verbandstationen des direkten deutsh-rusfishen Verkehrs aufzunehmen. Bezüglich der Per- fonenbeföcderung beschloß die Konferenz, einen direkten Passagierver- fehr in den Waggons I. und Il. Klasse zwishen Moskau und Berlin über Warschau, Minsk und Wilna herzustellen. Die Fahrpreise sollen auf den Passagierbillets und Bagagequittungen in deutscher Reiché- währung angegeben werden, wobei drei Mark gleich einem Rubel an- zunehmen sind. Die Pasfagierbillets werden in Form von Coupons- heften ausgegeben und haben eine Gültigfkfeitédaucr von 10 Tagen. Jeder Passagier kann 60 russishe Pfund (30 Kilogramm) zablungsfrei als Bagage mitnehmen und darf seine Reije in den Städten War- schau, Brest, Minsk, Smolensk, Wilna, Wjasma und Königsberg unterbrehen.

jeßt, wo in früheren Jahren unsere größeren Gasthöfe jeden Abend von Fremden überfüllt waren, noch immer die Gasthofbesißer über geringe Frequenz klagen. Auch in den nahen Schwarzwaldthälern, namentlich im Höllenthale, is der Fremdenbesuch viel schwächer,- als in andern Jahren. Man schreibt diese Erscheinung lediglih der Er- ¿ffnung der Kinzigthal -Bahn zu, wohin bekanntli ein stark:r Zus drang von Fremden und einheimischen Touristen stattfindet. Sehr viele Fremde, namentlich aus Norddeutschland, die früher die Thäler des oberen Schwarzwaldes, das Höllenthal, Albthal und den Feldberg mit besonderer Vorliebe besuchten, ziehen es dieses Jahr vor, die großartige Kinzigthal - Bahn zu befahren und die höchst interessanten Punkte dieses Thales zu besuchen.

In Salzburg findet vom 31. Juli - bis -2. August der 7. deutsche Turnlehrer.tag statt. Wie aus dem. - vorliegenden

rogramm ersichtlih, werden, nach vorßergegaungener Konstituirung,

chulturnen der Klassen verschiedener Lehränftalten, Schauturnen und Uebungen der freiwilligen Salzburger Feuerwehr vorgenommen wer- den. Auf der Tagesordnung für die Verhandlungen des Turnlehrer- tages befinden sich u. A. ein Vortrag des Dr. Moriß Kloss, Direktors der Königlich sächfischen Turnlehrerbildungsanstalt zu Dresden, über einige Zeit- und Streitfragen aus dem Gebiete des deutshen Schul- turnens, ein solcher des Prof. Dr. Euler aus Berlin über die Bezie- hungen des Schwimmunterrichts zur Schule und ein Vortrag des tech- nischen Direktors der Leipziger Turnanftalten, Dr. J. C. Lion, philo- sophishe Betrachtungen über die Turnkunst,