1921 / 17 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Jan 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Vetteren wird in der Reorganisation des Finanzdienstes und befonders des mit der Erhebung betrauten Dienstes sichergestellt werden. Wir sind ents{lossen, in unsere Finanzen, die durch“ den Krieg in große Verwirrung geraten find, Ordnung, Regelmäßigkeit und Klarheit wieder einzuführen. Aber wenn wir hoffen können, durch die Maß- nahmen, bezüglich deren wir uns mit Ihrer Finanzkommission beraten werden, die finanzielle Krise zum Stillstand zu bringen, so ist es wesentli, um sie s{leunigst zu beenden, daß der Staats\schaß niht mebr die Neparationen zu übernehmen hat, die Deutschland \{uldig ift. : ; E Durch seine Armee und feine Finanzen wird Frankreih fich in voller Sicßerheit scinem Wiederaufbau widmen können. Der wirtschaftliche Sieg wird aber nicht errungen werden, wenn wir nicht in Aterbaui, Handel und Industrie die Freiheit wiedergewinnen und die Hindernisse aufheben, die infolge der durch den Krieg notwendig gewordenen Reglementierung eingetreten find. Wir werden bemüht sein, diesen wirtschastlihen Wiederaufbau bald in die Wirklichkeit umzusezen. Wir werden mit allen Kräften den Wiederaufbau unserer verwüsteten Gebiete beschleunigen. Das wird uns gelingen durch systematische Dezentralifation und durch den Appell an die Initiative der Bewohner der verwüsteten Gebiete selber und dur eine bessere Gestaltung der Kredite an die verschiedenen verwüsteten Departements.

Wir werden die restlose Durchführung der Gesetze zugunsten der dur den Krieg Geschädigten betreiben. Der wirtschaftliche Wieder- aufbau Frankreihs wird auch eine wertvolle Unterstüßung in der Nußbarmachung der Quellen finden, die uns unsere Kolonien bieten, die uns während des Krieges eine so große Hilfe gewesen sind. Ein umfangreiches Programm zur Entwicklung der wirtschast- lien Aufri(tung unserer Kolonien durch Taten der Hygiene und des Unterrichts, die geeignet sind, unseren Untertanen und Schüßzlingen unsere Zivilisation zu verschaffen, wird Ihnen ohne Verzug vorgelegt werden. Frankreich wird so bald zum Wohlstand kommen und jetnen Vormarsh auf dem Wege des Fortschritts jeder Art wieder auf- nehmen Tönnen. H i

Die Regierung ist eutshlossen, den Arbeitern dieses Landes, die voller Patriotismus an dem Werk des Krieges mitgearbeitet haben und deren Nuhe und Klugheit eines der Hauptelemente der moralischen Stärke Frankreichs sind, die inmitten der sozialen Er- \Gütterungen in der gegenwärtigen Stunde von der ganzen Welt be- wundert werden, den weitestgehenden Kredit zu gewähren. Sie haben in der Tat begriffen, daß eine: andere Haltung nur die Wirkung hätte, die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu vergrößern und die Ver- besserung ihrer Lage aufzuhalten. Die Regierung, dice die Ein- wirkungen der wirtshaftlihen Krise auf die Arbeiterwelt aufmerksam verfolgt, ist es dieser schuldig, die gecigneten Maßnahmen zu er- greifen, u18 der peinlichen Lage derjenigen, die feiern mußten, abzu- helfen und die Mittel zu su@ecn, unserer Industrie das volle Ver- trauen wiederzugeben. | i;

Die Politik der Reformen, die wir auf allen Gebieten zu verwirklichen beabsichtigen, seßt das regelmäßige und ständige Funktionieren des öffentlichen Dienstes voraus, von dem das Leben der Nation abhängt. Es ist wichtig, daß die Beamten ihre Nechte und Pflichten in neuen Negeln festgelegt schen, und daß sie das Mandat, das fie von der Nation haben, ausführen, ohne es jemals gegen dic Nation verwenden zu können. Den lotalen und stadtischen Parlamenten, deren Tätigkeit während des Krieges so nüßlich gewesen ist, werden wir mehr Freiheit geben. Um diefes Reform- programm durchzuführen, muß die Negierung sich auf eine starke Mehrheit stüßen. Wir haben - den Ehrgeiz, diese Mehrheit zu schaffen. Zu diesein Zweck appellieren wir an die Einigkeit aller Nepublikaner und aller Vertreter der Parteien, die auf dem Boden der Republik stehen Wir lehnen die Unterstüßung. derer ab, die dur Gewait die Umwandlung der Gesellschaft versuchen, cbenfo wie die Unterstüßung derjenigen, die dem demokratischen Regime einen Sclag versetzen wollen. Gestüt auf Ihre Mitarbeit, auf die wir zählen, und auf die notwendige Disziplin werden wir unser Amt in der Republik führen für ganz Frankrei), wobei wir alle Bürger zur Achtung vor ihren Einrichtungen auffordern. Das ist das Werk, zu dem die Regierung Sie cinladet. Um es zu gutem Gnde zu bringen, brauchen wir Ikr ganzes Vertrauen. Wir find überzeugt, daß-es uns daran nicht feblen wird.

Die Erklärung wurde wiederholt durch Beifall unterbrochen. Darauf wurden verschiedene Jnterpellationen verlesen Und dice Sißzung auf heute vertagt. Jm Senat wurde die Regierungs- erklärung ebenfalls mit Beifall aufgenommen.

Unter dem Vorsiß Léon Bourgeois’ fand vorgestern eine Zusammenkunft der Vertreter aller beteiligten Ministerien statt, um gemeinschaftlih die Fragen, die auf der Tages- ordnung der nächsten Zusammenkunft des Völkerbundsrats in Genf stehen, zu prüfen. Auch Viviani wohnte der Zu- fsammenkunft bei.

Blättermeldungen zufolge hat sich der Wiederaufbau- kongreß dafür ausgesprochen, daß Deutschland jährlih für eine Milliarde Material zum Wiederaufbau der zer- störten Gebiete liefere. Der Kongreß hat sich aber gegen die

Zulassung deutsher Arbeiter nah Frankreich ausgesprochen.

Nuiseland.

Bei der Abfassung des russisch-polnischen Friedensvertrags über die Rechte der nationalen Minderheit erklärten sich die Polen bereit, die Weißrussen dazu zu renen, die Juden dagegen nicht. Die russish-ukrainishe Delegation hält ihre Forderung aufrecht.

—- Das Volkskommissariat für auswärtige An- gelegenheiten hat an die chinesishe Regierung einen Protest gegen das feindliche Verhalten der chinesishen Be- hörden in der Mongolei gegenüber den russischen Flüchtlingen gerichtet.

Wie die „Russe Union“ meldet, ist es nah einer Nachricht der „Jswestiia“ den Roten Truppen gelungen, das von aufrührerishen Bauern hesezte Kiew wieder zu be- freien. Am Dujepr sollen die Aufständischen noch die Stadt Kanew halten.

Spanien.

Der Senat haï vorgestern nah Erklärungen des Minister-

präsidenten Dato dem Ministerium sein Vertrauen ausgesprochen.

Schweiz.

Der Nationalrat hat die Nevisionsvorlage Nationalbankgeseßz cinstimmig angenommen.

Der Ständerat erörterte eine Vorlage über die Be- willigung von zehn Millionen Franken für Arbeitslosen- unterstüßung,

Laut Bericht des „Wolffshen Telegraphenbüros" kTegten mehrere Redner die kritishe Lage der Schweiz dar, die durch den tiesen aus- ländischen Kursstand entstanden sei. Der Bundespräsiden Schulthbeß erklärte die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als eine der ersten Pflichten des Bundesrats. Die \chweizerishe Handelsbilanz weise einen Nebershuß der Einfuhr in Höhe von einer Milliarde Franken bei steigender Einfuhr und stets zurückgehender Ausfuhr auf. Der Bundesrat werde zum Schuße der einheimischen Industrie gegen dic Konkurrenz des Auslandes vorübergehende Maßnahmen ergreifen.

Darauf stimmte der Ständerat der Vorlage zu.

Dänemark.

Die in Dänemark ansässigen deutschen Abstimmungs= berechtigten für Oberschlesien haben, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, an die englische, die italienishe und die sranzösishe Botschaft in Verlin folgendes Protest- telegramm gerichtet:

zum

Die in Dänemark wohnhaften deutschen AbsiimmungsbereWigten für Oberschlesien legen s{härfste Verwahrung dagegen ein, daß ihnen durch die kurzen Fristen des Abstimmungsregletnents die Möglichkeit genommen wird, das ihnen nach dem Friedensvertrag_ zugebilligte Necht der Abstimmung über das Schicksal ibrer früheren Heimat aus- zuüben, und verlangen aufs nahdrücklihste Verlegung der für die Einreichung der Anträge festgeseßten Frist um mindestens zehn Tage.

Türkei.

Meldung der „Chicago Tribune“ aus Kon-

Nach einer l Y Paschas in Ana-

stantinopel haben die Truppen Kemal i tolien eine allgemeine Offensive gegen die Griechen begonnen. Sie sollen diese gezwungen haben, Jsmid zu räumen, und Brussa beseßt haben. Die Kemalisten behaupten, 4300 Gefangene gemacht, 17 Feldgeschüße und große Munitions- vorräte erbeutet zu haben. Die türkischen Blätter find über die Wendung begeistert.

Statistik nud Volkswirtschaft.

Eine handelsstatistische Kommisston. :

Das Reichswirtshaftsministerium beäbsihtigk bereits seit längerer Zeit, dem Wunsche weiter Kreise nah Wiederherauégabe der vor dem Kriege üblichen handelsstatistischen Uebersichten Rechnung zu tragen. Die Handelsstatistik leidet jedoch gegenwärtig vor allem unter der Schwierigkeit, daß ein Defklarationszwang für die Einfuhrwerte niht besteht. Auh für die ung dieser Werte fehlt bei den außerordentlichen Valuta- und Preisshwankungen zunächst noch eine einwandfreie Be- rechnungsgrundlage. Bei der Wichtigkeit und Dringlichkeit dev Angelegenheit hat, wie „W. T. B." meldet, das Reichswirtschaft8- ministerium nunmehr, um zu einer vorläufigen Klärung der Frage zu gelangen, eine aus namhaften Volkswirten bestehende Kommission eingesetzt. Aufgabe der Kommission wird die wissenschaftliche Begut- achtung des vorliegenden Zahlenmatecials sein. Auch bereitet das Statistishe Reichsamt

eine grundlegende geseßgeberifche Reform der Handelsstatistik vor; die Vorarbeiten bierzu stehen furz vor dem Abschluß. Zu Mitgliedern der genannten bandelsstatistishen Kommission sind berufen die Aa Richard Calwer und Dr. Kuczynski, aus den Kreisen der Wissenschaft der Statistik die Professoren Dr. Loß, Dr. Schumacher und Dr. Julius olff. Die Kommission wird schon in den nächsten Tagen im Reich3roirtshaftsministerium zusammentreten.

Auvrbeitsstreitigkeiten.

In Barcelona hat, einer von „W. T. B.“ übermittelten Havasmeldung zufolge das auf den allgemeinen Ausftand hinarbeitende Rote Syndikat feine Wühlarbeit wieder auf- genommen. Jn der vergangenen Nacht wurde ein Arbeitgeber getötet, Auf der Straße wurde der Ordonnanzoffizier des Direktors der Oeffentlichen Sicherheit von Unbckannten durch Revolverschüsse tödlich verle t.

Woßhlfahrtspflege. Landaufenthalt für Stadtkinder.

Unter der Leitung scines Vorsißenden, des Reichswirtschafts- ministers Dr. S olz, veranstaltete der Verein „Land- autfenthaltfürStadtkinvder“ gestern im Sizungssaal des Reich8wirtschaftsministeriums seine jährlihe Aus8schußstßung. Die Versammlung, an der eine große Zahl von Vertretern der Reichs- und preußischen Ministerien, der Provinzialstellen und Landes- zentralen des Vereins. sowie der bedeutendsten charitativen Verbände und Vercine teilnahmen, wurde durch eine Begrüßungsänsprache des Ministers eröffnet, in der er auf die große Bedeutung - der Arbeit für die Gesundung des Reichs hinwies und dabet betonte, daß der Verein durch die einheitlihe Durhführung diefes wichtigsten Zweiges der Erholungsfürsorge im Nahmen einer stets geshlossenen Reichsorganisation sein Teil dazu beigetragen habe, der Stärkung des Reichsgedankens zu dienen. Käum babe eine Aufgabe je eine fo cinmütige Förderung seitens der Parteien jeder Richtung erfahren wie der Landaufenthalt der Stadtkinder. Nah Grledigung ciniger die Ergänzungswahl zum Ausschuß und zum Vorstand be- treffenden Angelegenheiten erstattete fodann der Geschäftsführer des Vereins, Gerichtsassessor Grueneberg, den Bericht über das Gesamtergebnis der vorjährigen Inland- und Auslandunterbringung von Stadtkindern und über die Vorbereitungen für das neue Jahr. Aus dem Bericht sci E als besonders bemerkenêwert hervorgehoben: Auch im abgelaufenen Jahre waren erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden. Vor allem behinderten der Kapp-Putsch und feine Folgen die Werbetäütigkeit zunächst erheblich. Die indessen “bald wieder eintretende Festigung der innerpolitischen Lage, die Aussicht auf baldige Auflbung der Zwangswirtschaft für einen Teil der wichtigsten Nahrungsmittel, die Gewährung einer nah bestimmten Grundsätzen und nach der Zahl der bereitgest ellten Pflege- stellen gestaffelten Prämie zugunsten der ländlihen Wohlfahrtspflege begünstigten die weitere Arbeit, so daß állein in Preußenetwa 95000 erholungsbedürftige Kinder auf das Land entsandt werden konnten. Es bedeutet die Zahl ein N gegen das Jahr 1919 von etwa 20000. Befonders merkenswert ist das Werbeergebnis in der Provinz Ostpreußen, aber auh in anderen Provinzen ist die Aufnahmeziffer erheblich ge- stiegen. Jn den anderen Freistaaten is das Ergebni3 zum Teil ebenfalls günstiger gewesen. Man wird nach Abschluß der Statistik die Gesamtzahl der im Reih unter- gebrachten Stadtkinder auf ctwa 135000 beziffern könncn. In Baden wurde durch das dortige Arbeitsministerium der früßere Truppenübungsplaz auf dem Heuberg für die Kinder- unterbringung nußbar gemacht, und zeitweise wurden 2000 Kinder gleichzeitig dort beherbergt und verpflegt. as notleidenden Kinder des oberschlesischen Abstimmungsgebiets brachte der Verein im Harz in den Monatea Juni-Oktober eine Sonder- aktion zur Durchführung. Die Aussichten für das neue Jahr sind niht ungünstig. Die durch die „V olksfámmlung für das notletidende Kind“ in die weitesten Kreise unseres Volkes ge- tragene Aufklärung über die immer noch bestehende fur{chtbare Not, die Weitergewährung der Prämie zugunsten der ländlichen Wohl- fahrtspflege und die aufopfernde Werbung der Vertrauenspersonen von Stadt und Land, insbesondere der Lehrer und Pfarrer, werden auch im neuen Jahre den Erfolg sichern. Die Vorbereitungs- arbeiten des Vereins sind nahezu abgeschlossen, und die von den zuständigen Ministerien genehmigten Richtlinien werden noch in diesem Monat zur Ausgabe gelangen. Auch die Unterbringung im Ausland hat sih günstiger gestaltet als 1919. Es wurden insgesamt etwa 40000 deutsche Kinder nah den am Kriege nicht beteiligt gewesenen Nachbarländern gebracht. Es bedeutet dies ein Mehr von annähernd 8000 gegenüber dem Jahre 1919. Insgesamt kameu fast 20 000 Kinder nach der Schweiz, etwa 11 000 nah Holland, 4500 nach Dänemark, etwa gege, nah Schweden, rund 1200 nah Norwegen und 500 nach Finnland. Nach ‘der (Srstattung des Kafsenberihts durch den Schaßmeister, Geheimen „Oberregierungsrat Eggert, wurde in die Aussprache eingetreten, in welcher der einmütige Wille zum Ausdruck kam, troy aller dur die Zeitverhältnisse bedingten Ershwernisse den Landaufenthalt als das wirksamste Mittel der Erholungsfürforge unserer Kinder mit allen Kräften auch im neuen Jahre zu fördern. (W. T. B.)

Kunst uud Wissenschaft. In cinem Vortrag vor der Königlichen Geograpbishen Gesell-

4

{haft in London über die künftige É Save pile j wurde mitgeteilt, daß die Verwaltung des Scott-Gedächtnisfonds besclossen habe, mit

einem Teil dieses Fonds ein Institut für P

zu errichten. Es joll, wie die „Umschau mitteilt, an die Universitz Cambridge anges{lossen werden, und seine Aufgabe soll sein, fünft;

Polarfahrten anzuregen und zu unterstüßen und die Mittel ¿ur N öffentlichung der Forscherarbeiten zu beschaffen. êrs

E

In Dänemark hat man seit kurzen eine umf Tätigkeit für eine wifsenschaftliGeHilfsaktion zum Pee der unter niedriger Valuta leidenden Länder zu entfalten Me um die internationalen wissenschaftlichen Beziehungen wieder E zustellen. Diese Bestrebungen haben laut ,W. T. B.“ jegt zu dew Erfolg geführt, daß die bedeutendste dänishe wisse schaftlicie Institution „Videnskabernes Selskab“ (Die Gesell schaft der Wissenschaften) einen „Au&fchuß gebildet hat zu don Bwecke, die dänische wissenschaftliche L iteratur denjenigen Windery die der Valuta wegen sich derar&ge_ Literatur nur wo: vershaffen können, unentgeltlih zu übermitteln. Bücher und Zeit schriften, die feit Januar 1919 erschienen sind, werden den Haupt, bibliotheken in Deutschland, Oesterrei, Finnland, Belgien, Fra\ reid, Jtalien, Polen und der Tschecho-Slotwakei

die Bücher

olarforsHuy

übergeben. Die. dänischen Verleger liefern dem Ausschuß zu ermäßigten Preisen, wozu der Rask-Derstedt-Fonds die notwendigen Geldmittel bewilligt hat. Alle für Deutschland bestimmten Zeitschriften stellt der „Verein der Herausgeber dänischer Zeitschriften“ zur No, fügung. Was Deutschland betrifft, werden die dänischen a an die Staatsbibliothek zu Berlin, die Universitätsbibliothet 4 Göttingen, Kiel und Leipzig und än die Staatsbibliothek zu Mün versandt. Alle öffentlihen Bibliotheken, die auf dänische Zeitschrift, abonnierk oder noH nicht abgeschlossene dänische wisfensdaftlihe Werk gekauft haben, dürfen sich an „Videnskahernes Selskabs Kontor fog Bogforsendekser, Heibergögade 18, Kopenhagan® wenden, und may wird sich dann bemühen, foldze Werke zu vervollständigen.

Jn einer aur 18. Januar für die Errichtung des ForsGungz instituts der Lederindustrie abgehaltenen Sig A cin Kuratorium aus Negierungsvertretern, Wissenschaftlern, Mii gliedern der Kaiser-Wilhelm-Gefellschaft und Industriellen für d Forshungéinstitut gebildet. Der Bors im Kuratorium wurde dey Vorsitzenden des Zentralvereins der Deutschen Lederindustrie, Her Ludwig Lindgens, Mülheim-Ruhr, übertragen. Die Gründung des Forshungsinstituts dürfte, wie „W. T. B.“ meldet, dur die u wendungen der Einzahler zum Sicherungsfonds der früheren Krieg leder-Aktiengesellschaft finanziell gesichert fein.

Theater und Musik.

Im Opernhause wird morgen, Sonnabend, E. N, wg Rezniceks „Ritter Blavbart“ zum ersten Male mit Michael Bohne in der Titelrolle aufgeführt. In den übrigen Nollen sind die Damez Schwarz, GiGer-Vespermänn und. die Herren Delgers, Noë, Henks Stock und Lücke beschäftigt. Mursikalischer Leiter is der Gener musikdirektor Leo Blech. Anfang 7 Uhr. L

Im Schauspielhause wird morgen Dans Müllers Dram „Die Sterne“, mit Albert Bassermann in. der Hauptrolle, wiederholt Anfang 7 Uhr. Fritz Kortner spielt nah seiner Wiederherstellun( und Rückkehr vom Erholungsurlaub vom Montag ab wieder. di Titeirolle in „König Richard IIT.“. . Außer Montag * wird daf Shakespeares@e Werk am Sonnabend, den 29. d. M., wiederholt.

An den Búhneu des Deutschen Theaters werde folgende Érstaufführungen für ‘die nächste Zeit vorbercitet: Schiller! „Jungfrau von Orleans", „Kräfte“ von August Stramm, ,Jenseits von Hasenclever und. „Der König der dunklen Kammer“ von Rabin dranath Tagorc. :

Der Berliner Tonkünstler-Verein (E. V.) füh morgen, Sonnabend, Abends. 75 Uhr, im Bech stein f aal’ neu Werke voù Professor Hermann Zilcher Cou Paul Strüv (München), Hans Kimmer (Worms) und Professor Hans Koceßlä (Budapest) zum ersten Male auf. Die Tonseßer werden si pe fönlih an der Aufführung ihrer Werke beteiligen. Außerdem wirkes Maria Wendel, Minna Gbel-Wilde, Wilhelm Guttmann und das Dameck-Quartett mil. Qt

Aeronautisches Observatorium. Lindenberg, Kr. Beeskow. 20. Januar 1921. Drachenaufsticg von 54 a bis 6} a,

Wind

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Relativ Temperatur |Nalalve

oben unten |=« i Richtung lo

WNW | 7—10 NW 2

NW |Y |NV | 6

Scehöhe | Luftdruck Geschwind Sekund m mm Meter 122 752,4 500 718 1160 661 1650 620

83 100 48

Bewölkt. —- Gewöhnliche Sicht.

1,2 6,7 5,0

| 2,0 80 |

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Theater.

Dpernhaus. (Unter den Lnden.) Sonnabend: Kall reservesaz 59. Ritter Blaubart. Anfang 7 Uhr. Sonntag: Die Frau ohne Schatten. Anfang Uhr.

Schauspielhaus. (Am Gendarmentmarkt.) Sonnab. : 17, Dauer bezugsvorstellung. Die Sterne. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Vormittags: 4. Matinee: Stimmen der Völker Anfang 11 Uhr. —- Nachmittags: 14. Volksvorstellung zu ermäßigte! reisen: Die Rabensteinetin. Anfang 25 Uhr. Abends:

terne. Anfang 7? Uhr. /

Familiennachrichten.

Gestorben: Hr, Geh. Studienrat, Professor Dr. Gustav gie

(Berlin). Hr. Generalleutnant z. D. Wigand von Ger Bu Hr. Generalleutnant a. D. Hellmuth von (Dresden). Hr. Generalmajor a. D. Heinrich von

(Dresden). /

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Zescha

Verantweriliher Schriftleiter: Direktor Dr. Ty x ol, Charlotitbus Verantwortlich für den Anzeigenteil : Der Vorsteher der Geschäftöl Rechnungsrat M engering in Berlin.

Verlag der Geschäftóstelle: (M e n gering): in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin Wilhelmstr. 32,

: Sechs Beilagen

(einshließlich Börfenbeilage und Warenzeichenbeilage Nr. 6A und B)

und Erste, Zweite und Dritte Zentral-Handelsregister-Beilagé.

Sulii

um Deutschen ReichSanzeigec und

7

Erste Beilage

Verlin, Freitag, den 21. Fanuar

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Preußischen Staatsanzeiger

1921

Nr 1 T : i Nichtamtliches.

(Fortseßung aus dem Hauptblatt.)

Deutscher Reichstag.

59, Sizung vom 20. Januar 1921, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Be - ratung des Geseyentwurfs, betreffend eine weitere vorläufige Regelung des Reichs- haushalts für das Rehnungsjahr 1920. Die Regierungsvorlage enthält zwei Paragraphen. Der erste be- stimmt, daß der Teuerungszuschlag zum Grund-

chalt und zum Ortszuschlag für die Beamten mit Wirkung vom 1. Fanuar 1921 ab für die

Orte der Ortsklasse A auf 70, B auf 67, C auf 65, D auf 60 und E auf 55 % festgeseßt wird. Nach § 2 sind zur Deckung der durch den § 1 entstehenden Mehrausgabén bis zum 1. April 1921 Verwaltungsmaßnahmen zu treffen oder Geseßentwürfe porzulegen, durch die mittels Erhöhung bestehender und Ein-

ührung neuer Gebühren oder Steuern eue Einnahmen ge- {haffen werden. Der Reichsrat Ee seinerseits noch einen hesonderen von der Regierung nicht gebilligten § 3 vor. „Den Gndern sind an dem Betrage’ der nah § 2 zu erhöhenden oder ‘teu einzuführenden Steuern Anteile zur Bestreitung der Mehr- sosten zu gewähren, die ihnen und thren Gemeinden dadurch awachsen, daß sie die Teuerungszuschläge für ihre Beamten, Fuhegehaltsempfänger und deren, Hinterbliebene nach den 6rundsätßes des § 1 erhöhen. Bis zu dem Zeitpunkt, in dem diese Bestimmung wirksam wird, werden den Ländern die Mehrkosten, die ihnen und ihren Gemeinden erwachsen, aus der Reichskasse erstattet. Das Nähere bestimmt dex Reichs- minister der Finanzen mit Zustimmung des Reichsrats. Kommt eine Einigung A dem Finanzminister und dem Reichs- at nicht zustande, Jo werden die näheren Bestimmungen durch Reichsgeseß getroffen. i

Abg. Plettner (Komm.): Es scheint, als ob die Parteien, die zur Regierung gehören, die Sache vershleppen wollen. (Lachen dei den Sozialdemokraten.) Dabei hat doch der Abg. Müller-Franken in Ausschuß erklärt, daß die Vorlage, wie sie ist, ohne große Debatte ángenommen .werden wird. Hierin sehe ih eine Vershleppung, weil Sie (zu den Sozialdemokraten) hier nicht zu der Frage Stellung jehmen wollen. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Die - große Nange der Beamtenschaft wird s{ch mcht damit einverstanden er- fliren, daß diese Frage in der Form gelost wird, deß im Reichstag nidt darüber geredet wird. Die Vorlage ist absolut ungenügend. Die höher besoldeten Beamten kommen ebenso gut weg, ja noch hisser, als die ntedrig besoldeten. Es wäre besscr gewesen, die Par- titn bâtten ih auf den Vorschlag der Gewerkschaften geeinigt und tet: Züschlag niht nach den Ortsklassen, sondern auf Grund der Besoldungsgruppen gestaffelt. Durch cine derartige Regelung der Uuerungszuscläge haben die Unterbeamten gar keinen Vorteil. Aus diesem Grunde ift es- notwendig, {on heute darauf hinguwetisen, -daß ane solhe. Regelung nur eine Sciebung der Regierung und der Regierungsparteien ijt. Die höheren Beämten sollen gegen die unteren auégespielt werden. “Das - machen wir nit 1nit, und wir bedauerù lebhast, daß die Sozialdemokraten si. im Ausschuß darauf festgeleät haben, die Vorlage sang- und klanglos zu verabschieven. Die große Rasse der Beamten, namentlich der mittleren, ist mit dieser Regelung nidi einverstanden, sie verlangen die Stoffelung nad Besoldungs- ruppen, nicht nah den Ortsklafsen. Die Erfahrung wird zeigen, daß wir {on nah einem Monat auf demselben Punkt stehen wte heute, weil die unteren Besoldungsgruppen mit viel zu: geringen Zulagen ibaespeist werden. Wir behalten uns bor, zu der Frage besondere Stellung zu nehmen und Anträge in der Richtung zu stellen, wie wir diese Regelung vorgenommen wissen wollen. Die Regierung will durch ihre Taktik nur die einheitliche Front der Beamten zer\ch{lagen. (uruf: Die Verbände haben ja zugestimmt!) Wenn die Gewerk- shastsführer zugestimmt haben, so haben sie das nur getan, um dem Fompf jekt auszuweichen und Ruhe und Ordnung aufrecht zu er lien. Diese Ruhe wird aber nur cine Scheinruhe sein. Dieses Vesey i nur ein Notstandsoeseß, und bon nach kurzer Zeit wird t eine Gegenaktion bei den Beamien auslösen. Die Beamten und Arbeiter, die bei dieser Gesebesvorlage so \{lecht wegkommen, müsscn rerseits sofort den Kampf aufnehmen, und zwar auch außerparla=- mentarisch. Wenn die Sozialdemokratie die Vorlage annimint, dann fillt sie damit dem größten Teil der Beamten in den Rücken. Die Ganze Regelung kann nit dur Abschlagszablunaen erfolgen, sondern tur dur eine grundsätliche Regelung der Besoldunasordnunga. Alle

soldung8gruppen müssen eine prozentuäle Erhöhung erfahren, wobei den unteren Gruppen ein böherer Prozentsaß zuzubilligen ist dlé den höheren. Geradezu unerhört :st es, wenn den höheren Be- lldungsaruppen das Mehrfahe des Cristenzminimums zugestanden vird, während die unteren zum Teil noch nicht einmal an das tistenzminimvum heranr?eihen. Unsere Aufgabe ist es, den Beamten iurufen; Nehmt den Kampf gegen die Negierung und den Reichs-

g auf und seßt eine anaemessene B-solduna evrer Arbeit ditrch! Ag. Breunig (U. Soz): Da diese Vorlage in Ueberein- immung mit den Gewerkschaften und den Organisationen zustande- «ommen ist, nebmen wir Abstand, weitergehende Forder'ngen aeltend Ul machen, (Hört, hört! bei den Kommunisten.) Wir bedauern ther, daß es den GeiwerksG=ften nit aclunaen ist, ihre weiteren erungen durchzuseßen. Die ungerechte Verteilung der Zulagen vid weitere Kämpfe zur Folae haben, und dabei werden wir die

verkshaften planmäßig unterstüßen.

Die Vorlage wird an den Hauptaus\{chuß Überwiesen, der raus sichtlich noch im Laufe des Tages seine Beratungen drüber abschließen wird.

Der Gesehentwurf über die Ueberleitung det Rechtspflege in den Kreisen Eupen und \almedy wird in allen drei Lesungen ohne Er- lrierung angenommen.

Es folgt die erste Beratung des Geset- wurfs, betreffend den Vertrag zwischen m Deutshen Reih und Danzig über dic

tgelung von Optionsfragen.

»_ Va. Schulhß- Bromberg (D. Nat.): Dieser Vertrag mit anzig is ohne Schwierigkeiten zu erledigen, es is aber bedauerlich,

; die Regelung der Optionen mit den Polen noch nicht zu Ende Wübrt ift. Cine {nelle Reaelung ist unbedingt notwendig. Der ßte Teil der Deutshen 1st aus Posen und W tpreußen ab- wandert, sie sind dur die Abtretung aber \taatsrechtlich Polen ge- tden und können sich den Rechtsfolgen der Umwandlung ihres wonalen Verhältnisses nit - entziehen, Das Auswärtige Amt ust die Regelung durh Vertrag, aber die Polen machen unnötige

Schwierigkeiten. Deshalb müssen wir die Frage selbständig regeln. Die Polen können optieren, bci uns ist das aber nit möglich.

Abg. v. Kemn i (D. V.): Gegen diesen cinfaGen Gesetzentwurf besteht tein Bedenken, aber ih knüpfe an die Bun des Ar: tifels- 106 des Friedensvertrages cinen Wunsch. Dieser {reibt vor, daß die Danziger, welche von der Option Gebrauch machen, innerhalb 12 Monaten ihren Wohnsiß nah Deutschland verlegen müssen. Jh wünsche, daß davon möglichst wenige Danziger Gebrauch machen. Wir würden gewiß diese Brüder und Schwestern gern aufnehmen, aber der gemeinsamen deutshen Sache wird mehr gedient, wenn sie auf ihrem Mas in Danzig bleiben. Es mag ihnen zwar {merzlich sein, niht mehr Reichsdeutsche scin zu sollen, aber ihre Lage ist leichter als die der Deutschen in Westpreußen und Posen, die den Bedrückungen der Polen ausgeseßt sind. Die Danziger sollen dazu beitragen, daß die alte Deutschenstadt Danzig ihren Charakter behält. Der Vertrag von Versailles ist unmögli und unerfüllbar. Es muß ein besserer Ausgleich gefunden werden. Die Brücke nach Ostpreußen, die einst der große Fricdrih gebaut hat, muß für cin neues Preußen erhalten bleiben.

Damit schließt die erste Beratung. "_Jn der zweiten verlangt

Abg. Schu - Bromberg nohmals dringend eine Antwort der Negicrung, da es ein dringendstes Interesse ist, diese Frage noch vor den Wahlen vom 20. Februar zu erledigen.

Ein Vertreter des Auswärtigen Amtes enwidert,

daß Verhandlungen mit den Polen s{chweben, daß diese aber {chr lang- wierig seten und noch lange dauern könnten. _ Abg. Sch{ulߧ- Bromberg: Dicse Erklärung ift schr unbe- friedigend; alle Parteien haben hier dasselbe Interesse. Den ver- drängien Deutschen, die staatsrehtlich zu Polen gehören, muß dic Preueie Staatsangehörigkeit noch vor dem 20. Februar verschafft verden,

Ein andercr Wertreter des Auswärtigen Amtes erklärt: Polen hat eine einseitige Regelung der Oplionéfrage vor- genommen. Das könnten wir ja auch, aber Polen würde eine solhe Negelung nicht ohne weiteres zu akzeptieren brauen, und es würde nur eine neue Quelle von Verwiklungen entstehen. Das möchte unsere Regelung selbstverständlih vermeiden und zieht deshalb eine vertragliche Regelung vor, die jeßt in Paris angestrebt wird. Ob eine Regelung, wie sie der Abg. Schulß noch vor den 20. Februar herbci- ¿uführen wünscht, erforderlih tft, wird zu prüfen sein.

__ Abg. S chu - Bromberg: Ih nehme Akt davon, daß die Re-

gierung tebt selbst zugibt, daß die Polen von. sich aus fclbständig die Optionsfrage geregelt haben. Ob wir diese Regelung anerkennen oder nicht, spielt hier niht mit. Wir ‘konnten selbständig bei uns eine Reyelung herbeiführen, wona alle aus Posen und Westpreußen ver- drängten Deutschen am 20. Februar mitzuwöhlen berechtigt waren. Das hat die Negierung versäumt. Jeßt ist keine Minute mehr zu versäumen, morgen oder heute noch muß eine Optionébehörde ge- n werden, wo diese Deutschen ihre Staatsangehörigkeit be- funden. und beglaubigen lassen Tonnen; die Wählerlijten werden ja {on aufgestellt. Sonst, kommen Tausende, Hunderttausende deutsche Wöhler um ihr Wahlrecht. Jch rihte nochmals an die Regierung das allerdringendste Grsuchen, fofort Abhilfe ¿zu schaffen.

Die Vorlage wird darauf in zweiter und sofort auch in drittex Lesung genehmigt.

Das deutsch=franzo\ische Abkommen über die Erstattüns der von Elsaß-Lothringen ge-= leisteten außeroxLdentlichenKriegsausgaben

wird ohne Ausfsbrache an den Ausschuß zur Ausführung des

Friedensvertrags überwiesen.

Darauf seßt das Haus die BesprehungderFntceLr- pellation derx Soz. wegen Außerkraft- jseßzung der Verhängung des. Ausnahme - zustandes in Bayern fort.

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Der Antrag Aderhold bezieht sich nur auf dice bayerishe Verordnung vom 4. November 1919 über einst- weilige Maßnahmen nah Art. 48 Abs. 4 der Reichsverfassung. Ihr roaren vorausgegangen während des 1919 verhängten Kriegszustandes die Aufhebung der Standgerichte, die Einseßung .von Volksgerichten bei inneren Unruhen und das Geseß über außerordentliße Maßnahmen zum Schuße des Freistaates Bayern. Die)e außerordentlichen Vaß- nahmen waren als dauernde vorgesehen. Beginntermin beider Ge- feße war der 1. August 1919, Am 11, August 1919 wurde die RNeichs- verfassung vom MNReichspräsidenten unterzeichnet. Das baycrische Ministertum scheint angenommen zu haben, daß das es über außerordentliche Maßnahmen, das neben der bayerishen Verfassung bestand, neben der Reichsverfassung nicht aufrechbt zu halten sei. Durch Verordnung vom 4. November 1919 wurde deshalb der Kriegszustand aufgehoben und in Ausführung des Scblußartikels 18 des Gelees vom 31. Juli 1919, der das Gesamtministeriuum ermächtigte, bei Auf- hebung -des Kricgszustandes einzelne der von den Militärbefehlshabern getroffenen Kriegszustandsmaßnahmen aufrecht zu erhalten, eine Reihe jolher Maßnahmen in Krast zu lassen und die in dem Gescß vom 31. Juli 1919 vorgesehenen besonderen Beauftragten bestellt, die im Nahmen dieses Geseges dur dre Verordnung crmächtigt wurden, in den Bezirken, in denen dic öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ocdnung derart gestört oder gefährdet werden, daß sie nux durch außcrordent- lihe Maßnahmen erhalten oder wiederhergestellt werden können, für die. Dauer der Gefährdung Anordnungen zur Erhaltung der öffent- lichen Sicherheit zu erlassen, denen unter den gleichen Vorausseßungen in den gefährdeten .Beztrken die Ausübung der Polizeigewalt und die Verfügung über die staatlihen Berkehrseinrihtungen übertragen wurden, und die zur Abwendung einer Gefahr für die Sicherheit des Meichs und des Landes Beyern Schußhaft oder Aufenthalts- beschränkungen verfügen könne. Wäre die Bestellung der besondercn Beauftragten vor dec Publikation der Neibetfalsung erfolgt, so wären sie wie die alsdann nah Maßgabe des Geseßes von den Staatskommissaren getroffenen Anordnungen nah Artikel 178 jeder Nachprüfung durch den Reichspräsidenten und den Reichstag entzogen gewesen. Nachdem dies unterblieben war, ist für die fabliße Zi= itändigkeit der Staatékommissare nicht das Gescß vom 31. Juli 1919, ondern die Reichsverfassung maßgebend, während die örtlihe Zu- tändigkeit Landesjache geblieben it. Die Staatskomnmissare sind jebt in threr sahlihen Zuständigkeit durh die Reichsverfassung beschränkt, sie können über dieje nicht hinau8gehen. Die Frage ist, ob die Ver- ordnung vom 4. November 1919 fich in diesem Rahmen hält. Und diese Frage ist zu bejahen. Die Landesregierung ist threr Pflicht und ihres Rechtes zur Aufrechterhaltung- der Ordnung nit enthoben worden. Die Aufgaben der Staatskommissare sind polizeilihe. Aus der Aufgabe der Polizei folgt, daß sie im Rahmen der Geseße ihre Anordnungen durchzuseßen, |trafbaren Handlungen vorzubeugen und elbst unter Eingriff in die persönliche Freiheit den ordnungswidrigen Zustand zu beseitigen hat. Den Rahmen der Geseße hat die Reichs- verfassung in Artikel 48 gesprengt, soweit er die Gefahr einer erheb- lichen Störung oder Gefährdung der öffentliden Sicherheit und Ord- nung umsch{loß, indem sie eine Anzahl Verfassungsbestimmungen vorübergehend fer Kraft sepen läßt, darunter das Grundreht T persönlilen Freibcit. Damit ist Bayern die Möglichkeit * gegeben, Borshrifun üter Schußhaft und Aufenthaltsbeshränkungen zu

Vort Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im “tilaute wiedergegeben werden. 4:

treffen, nie fe im bayeci}ben Geseß vom 31. Juli 1919 für die zu ernennenden Staatskommissare in Aussicht genomrnien waren, "Ju der

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Dauptsahe wird dice Tätigkeit der Stoatskommissare die Beauf- ihtigung der Versammlungen und Vereine, die Verhinderung bon Aufzügen und Zusammenrottungen sowie die Schußhast betreffen. Wenn erwogen wird, daß die Verfassung erlassen ist, um befolgt zu werden, auch von den nihtbeamteten Reichsangehörigen (sehr gut! und Heiterkeit), fo wird man die Ausnahmemaßnahmen gegen die Reichsangehörigen, die den Ln der Verfassung zum Ziel ihrer politischen Tätigkeit geseht haben, nicht für übertrieben ansehen können. Die M A eien gegen den einzelnen find immer nur vorübergehend, dauernd ist nur der ungesunde Zustand der Be- kämpfung der Verfassung. Ob in Bayern der Kommunismus zunimmt oder abnimmt, entzieht sich unserer Prüfung, das unterfteht dem Urteil der Landesregierung. Das Institut des Staatskommissars beruht auf cinem gesunden Gedanken. Die Handhabung der Ausnahmc- maßnahmen wird in wenige Hände gelegt, sie erfo gt dadurch gleic- mäßiger, schneller und korrckter. Artikel 48 der Retch8verfassung ist, solange das vorgesehene Geseß nit erlassen ift, eine Lex imperfecta, seine Handhabung ist dadur in die Hände des Netchspräsidenten und der Landesregierungen gelegt. Der Reichspräsident bat, wie wir hóren, der bayerischen Berordnung zugestimmt. Von einem NVer- fassungsbruch kann nit die Rede sein. Als dauernde Maßnahme it die Verordnung nicht gewollt. Die auf Grund derselben getroffenen Maßnahmen sind dem Betroffenen gacgenüber im1ner nur einstweilig, der Ausnahmezustand foll aufre{terhalten bleiben nur so lange die Gefährdung dauert, und cuch für diese Dauer bestimmt sein dur das Bedürfnis. Dementsprechend ist beabsichtigt, die Genehmigungs- pfliht der Versaramlungen einzushränken. Es wird zu prüfen fein ob noch eine oder die andere einstweilige Maßnahme aufgehoben werden kann. Ob der Ausnahmezustand in Bayern nit mebr geret- fertigt ist, ist von hier aus {wer zu entsheiden. Die bayerische Negterung und der Reichspräsident find in einer {wierigen Lage. Nachdem eine fozialdemokratishe Regierung die Maßnahmen be- {lossen hat, und ¿zwar nicht als einstweilige, sondern als dauernde, jeßt N die gegenwärtig: Regierung einer besonderen \ckweren Ber- antwortung aus, wenn sie sie aufheben würde, und dann ir. cinen: Auflaufe, der infolgedessen niht mehr zu verhindern ist, rwoährend er unter der Verordnung zu verhindern gewesen wäre, Menschenverluste eintreten würden. Die bayerische Volkéseele koht eben anders wie die Seele des Volkes in den anderen deutschen Ländern. (Heiterkeit.) Im übrigen kann man nur der Erklärung des Neichsminijters Ko) beitreten, daß er nicht mit rauber Hand in die polizeilichen Angelegen- heiten der Lander eingreifen will. Jch will nicht nur mit ißm darauf binweisen, daß die Landesregicrungen nur in ganz außerordentlichen ¿ällen bei der Bekämpfung von Unruhen vom Reich aus unterstüßt werden können, sondern au darauf, daß der Verkehr zwischen Berlin und München leiht so gestört werden kann, daß Bayern von außer- balb rechtzeitig durch Maßnahmen des Reichspräsidenten nit ge- holfen werden kann. Deutscland brauht Ruhe, auch die deutsche Arbeiterwelt, niht bloß miï Nücfsiht auf die inneren Verhältniffe, sondern auch wegen unserer auéwärtigen Beziehungen. Die bayerischen Maßnahmen dienen der Beruhiguna, wir werden dem Antrag nit ¿ustimmen. (Lebhafter Beifall im Zeutrum.) /

Abgeordneter Thomas (K. P. D.): Bayern wird hier als die deutsche Ordnungszelle hingestellt. Wir führen nit bei jeder Gelegen- heit die Worte „Pfui“ und „Ordnung“ im Munde und schaffen nit die Ordnung mit den Bajonetten, wie dies in Bayern gesHieht. Das Schlimmste an_ dem Ausnahmezustand in Bayern sind die Volksgerichte. Kurt Eisner ließ dur die Volkégeribte nux gemeine Verbrechen aburteilen. Heute uxteilen diese BVolksgerichte aber nur über politische Verbrechen. Sie sind eine Verleßung der Reihs- ung. Sehr eingehend verbreitet sih der Redner übex den Fail Gisenberger und übt unter lautem Beifall seiner Freunde schärfste Kritik an dem Prozeß gegen diesen Abgeordneten. Dee Redner ver- liest dann längere Schreiben von Festungsgefangenen, in denen Klage geführt wird über unwürdige Behandlung und rechtswidrige Freiheits- beraubung. Die in Bayerns Festungen Eingekerkerten erwarten vom Deutschen Reichstag noch immer Sinn für Recht und Gerechtigkeit. (Rufe bei den Kommunisten: Da können sie lange warten) Die (Shrenhäftlinge der Festungen werden wie die gefährlihîsten Zucht- häusl[er behandelt. Mit tiefem Abscheu 1nüssen wir an einen Demo- kraten denken, der in Bayern die übelste Rolle spielte, den Herrn M.-M., der gern S. M. spielen wollte. Mit Ausnahme seines Vornamens nimmt ihn heute niemand mebr ernst, aber gerade weil er cine Puppe war, wirkte er \o gefährlid. Eri Mühbsam hat ihm gejagt, was er ist. Er bekam allerdings zwei Monate Gefängnis, weil er ihn einen Lump genannt hatte. Ich habe dem nichts hinzu- zufügen. Nach der Praxis der bayerischen Regierung kann jeder Kon- munmst nur wegen seiner Parteizugehörigkeit dauernd in Sch{ußhaft gehalten werden. Sogar die Aufforderung zum Generals\tceik gegen den Kapp-Putsch ift von bayerishen Volfsgerihten als Hochverrat bestraft worden. (Hört, hôrt! bei den Kommunisten.) Kommunistischen Abgeordneten ist die Korrespondenz gestohlen worden. Die Politik, die beute Kahr und Escherih in Bayern treiben, führt notwendig zu denselben Folgen, die die Ludendorff-Politik gehabt hat Wir betteln nici um Jhre sogenannte Gerechtigkeit, denn Sie sind aar nit mehr fähig, gerccht zu sein: Was Professor Strathmann gesagt het, war nicht bayerish, fonderu klassijh preußisch. Er hat aber den jeßigen Zustand in Bayern insofern ruhtig gescilderi, als Bayern? sich nicht mebr als ein Land des Deutschen Reiches betraHtet, sondern davon ausgeht, daß Deutschland Bayern untergeordnet ist. L in Bayern so weiter gewirtscaftet wtrd, dann wird das Volk bald erkennen, daß die Redensart von der Demokratie eine große Lüge: tît. Der Tag der Erkenntnis wird der Sieg des Volkes sein. (Lebhafter Beifall bei den Kommunisten.)

__ Abgeordneter Si mon - Schwaben (Soz.): Ju den Gefangenen- briefen find viele Tatsachen unrichtig wiedergegeben. Jch habe selbst die verrückten Tage der Räterepublik in Bayern mitcrlebt. Die Regierung Hoffmann hatte den Ausnahmezustand nur als vorüber- gehende Maßnahme gedaht. Der Aba. Sirathmann hat bet seinen gestrigen Ausführungen wobl vergessen, daß er sch mchGt tin einen Theater, sondern i RaGétaa befindet. Er ist Po cinmal bier vet einem meiner Parteifceunde gestäupt worden, weil er niht bloß einer der berüchtigsten Kriegsheßer war, sondern auch im Wablkampf die allerschmutigsten Verleumdungen gegen uns vorgebracht bat. Diese Stäupung s{eint er {on wieder iergessen zu haben, denn jeßt fängt er mit ähnlichen Dingen an. Herr Strathmann hat si als E aufgespielt; ih babe immer Abneigung aegen Leute, die das Baju- warische zur Schau tragen. Aber dieser Urbaver Strathmann ist zwar Universitätsprofessor in Erlangen, aber gebürtig aus dem Kreise Hörde in Westfalen. (Große Heiterkeit.) Diese Art Urbayern sollten uns lieber nichts vormachen. Herr Emminger vermißte gestern die Begründung für die Aufhebung des Belagerunaszustandes. Genüat da niht der Mißbrauch der Verfassunq, der Mißbrau dur die Staatskommissare, der Mißbrauh der Veretns- und Verjarnmlungs- freiheit und der Schußhaft? Genügt nicht die Polizeispißzelei, um diese Zustände unhaltbar zu mahen? Dazu wird der Ausnahmezustand einseitig gegen die Arbeiterschaft angewendet, die katholisken Gesellena vereine und sonstigen christlihen Organisationen werden nicht ge= hindert. Die Ermordung Eisners hatte die ArbeitersHaft ungeheuer erregt, darum is manches vorgekommen in Augsburg und anderswo, was nit zu billigen ift. Nicht die Sozialdemokraten haben bei deu Revolution Mangel an Mut bewiesen, jondern gerade die Parteien, die ih erst vorwagten, als es nicht mehr gefährlich war und die Deckung der Reichówehr da war. Bei der Revolution selbst sind sie Tläglih ins Mauseloch gekrohen. Manches wäre ja anders gekommen,

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wenn wir die Rätewirtshaft niht gehabt hätten. Ohne die Rüte-